TG9 Ueber S&kulare Hebungen^ Und Senkungen Der Erdoberfl&che Von Hermann Tr ant sen old. UNIVERSITY OF CALIFORNIA LOS ANGELES Ueber siikuliirc Hekngen und S der Erdobertiaehe. Eine zur Ei-laiigung des Grades Hagisters der Hineralogie n;it OtMieJii. Einer Hoehveroi'dnetcii Physiko-MatbematischeD Facnltat der K;iiscrlic!ieii ("nivrrsitat Por|)at verfasslc und /ur ofi'eiitliclien Vertheidignng Lesthumte Ahliandhiiiii Dr. phil. Hermann Trautschold. Opponenteo: rg, ('ami. chem.. Fi-of 1'r. C. Srimii'.lt. Pr->f. Dr. C. (irewingj Dorpat, 1869. Druek ron ( Gedruckt auf Verfiigung der physiko-iiiatlieiuatischen Facultat. Dorpat, den 14. September 1869. Nr. 71. Dr. P. Helmling, J. 7.. Kpoan 1 {'} I. c. p. 26. () 1. c. p. 23. (*) Principles p. 524. 13 Wassers nach dem Meere verhindert batten. Zur Messung der Hebung des Landes sind in Schweden an der Kiiste in den Jahren 18:20 und 2i Marken in den Felsen ge- hauen worden. Schon im Jahre 1834 will Lyell bei sei- nem Besuch an gewissen Platzen nordlich von Stockholm das Land urn 4 bis 5 Zoll gestiegen gefunden haben. Als bei Sodertelje 1819 ein Kanal gegraben wurde, urn den Malarsee mit dem Meere zu verbinden, fand man in einer Tiefe von 60 Fuss eine Hiitte unter Meeresse- dimenten; der Boden der Hiitte befand sich in einem und demselben Niveau mit dem Meere. Lyell nimmt hier, wie bei dem Serapistempel eine Senkung und spatere He- bung an. In Betreff Jiitlands hat Forchhammer (') nachzuweisen gesucht, dass derjenige Theil dieser Halbinsel, welcher nordlich von einer Linie durch Nissumfjord iiber Nyborg bis zur Sudspitze von Moen liegt, im Heben begriffen sei. Zahlreiche Strandgeschiebe und Grus liegen da, wo- hin kein Wellenschlag reicht; grosse Moorstrecken liegen mehrere Fuss iiber der Meeresflache, und ihr Boden be- steht aus Strandgrus und vielen Schalen noch lebender Meeresthiere. Die mit Holm (Insel) zusammengesetzten Namen deuten auf vormaliges Getrenntsein vom Fest- lande; ebenso die Zusammensetzungen mit oe (Insel) wie das Kirchspiel Rougso, das jetzt auch keine Insel mehr ist. Nach Allem zu urlheilen 1st Jutland nach und nach aus dem Meere emporgetaucht, und hat anfangs aus verschiedenen Inseln bestanden, die sich erst nacli und nach vereinigt haben. Aehnliche Verhaltnisse zeigen sich in Fiinen, das friiher auch in mehrere Inseln zertheilt () Kloden Geographic II. p. 722. u war und auf Mden, besonder.s aber auch im nordlichen Seelancl. An der preussischen Riiste hat Schumann (') eiue fast horizontale sich 15 Fuss iiber das Kurische Hafi erhe- bende Stufe bei Tolkemit beobachtet, ausserdem alte ho- here Diinen, er sehliesst daher auch auf Hebung der Kuste. Hagen (*) hat iiber die an den Pegeln der preussischen Kuste gemachten Beobachtungen berichtet, die von 18U bis 1843 angestellt worden sind. Schumann ( 3 ) hat aus- serdem noch die Resultate der Reobachtungen der fol- genden 20 Jahre mitgetheill erhalten, und er berechnet aus dem Mittel aller Pegelbeobachtungen eine Hebung der Kuste um etwa einen halben Fuss in einem Jahr- hundert. Am nordlichen Eismeere und weissen Meere sind auch Beobachtungen gemacht, die auf Hebungen deu- ten; die Verfasser der Geology of Russia sagen dariiber, dass jetzige Meeresmuscheln i50 Fuss iiber dem Niveau des Meeres an der Waga-Miindung horizontal auf Ab- sa'tzen der Permischen Formation liegen, und schliessen daraus, dass die alteren Permischen Schichten erst ge- hoben, dem Einfluss der Meeresablagerungen eritriickt, dann spater, nach langer Zeit, von Sand und Schlamen mit postpliocanen Muscheln bedeckt wurden und in ihre gegenwartige Lage gelangten ( 4 ). Und dennoch waltet trotz alien Oscillationen der vollkommenste Parallelismus (V 1 Julius Schamann. Geologische Wanderungen (lurch Altpreussen. Ko- nigsberg 1869. p. 170. (*) Monatsberichle der Berliner Akademie IS44. (S) 1. c. p. 170. (') Geologic des europaischen Russlands von Murchisori, Verneuil und Keyserling p. 352. 15 zwischen den Schichlen beider Gruppen*. Dessgleichen hat Graf Keyserling arktische Muschelu an vielen Stelleit des Petsohora - Thales gefunden, und er schliesst daraus, dass das Thai der unteren Petschora fruher ein Meerbu- sen des Eismeers gewesen sei. 1m Gebiete der Nordsee haben die Beobachtungen zu ahnlichen Resultaten gefiihrt, wie die Untersuchungen an den Ufern der Ostsee. Es wird erzahlt, dass die Fi- scher der Norwegischen Scheeren ofter die Erfahrung gemacht haben, dass sie jetzt nicht mehr mil ihren Fahr- zeugen zwischen Felsen hindurchschilFen konnen, mil derien man fruher leicht hindurchgerudert ist. Auf der Insel Grasbrook an der Miindung der Elbe hat I. Zim- merrnann ( { ) die Beobachtung gemacht, dass das Niveau des Wassers dort wahrend der historischen Zeit um 12 Fuss gefallen ist. In Holland ist die alte ehemals blii- hende Hansestadt Sterum oder Stavoren ( 8 ) ganz verarmt, da der Hafen versandet ist; vor dem Hafen hat sich eine breite Sandbank gebildet. In England treten uns diesel- ben Erscheinungen entgegen. Aus der Etymologic des Wortes Axholm oder Axelholm weist Isaar Taylor ( 3 ) nach, dass diese Halbinsel von Lincolnshire zur Zeit der Celten, Sachsen, Danen und sogar noch zur Zeit der Englander eine Insel gewesen ist. An der ganzen West- kiiste von Gross - Britannien, wo die Muschellager in Nord - Devonschire 120 Fuss Hohe haben, am Severn 5 600, in Caernarvonshire bis 1300 F., in Shropshire 1000 F., am Clyde 40 F., bei Glasgow 350 F., iiberall ist die Ku'ste gehoben. In den Thalern, ehemals Fjorden, () ^eues Jahrhuch der Mineralogie 1852, S. 193. (^ Kloden. Geographic II. p. 501. ( s ) Saturday review. Vol. 17. 18fi4. March. 12. 16 des in ziemlich neuer Periode gehobenen Irlands weit landeinwarts erheben sich die Muschellinien bis zu 200 Fuss Hohe. Die Kiisten von Frankreich machen keine Ausnahme in Bezug auf das, was man beliebt Hebung zu nennen. Sie findet sich im Miindungsgebiet der Loire, rings urn die Insel Olonne, an den Kalkriffen bei Marennes, in der Vendee, wo Muschelbanke 30 bis 45 F. iiber dem mittleren Wasserstande und 9000 Fuss vom Meere land- einwarts liegen ('). Crecy, eine kleine Stadt im Depar- tament der Somme, bei der im Jahre 134-6 der schwarze Prinz die Franzosen besiegte, liegt neben oden Diinen. Die weite Ebene war noch im 9. Jahrhundert Meer; eine grosse Lagune oder Mare, genannt Marquenterre, 1st nach dem Zuriickziehen des Meeres iibrig; jetzt ist es ein ausserst reicher Boden ( 2 ). Barfleur im Depart, de la Manche hat einen zum Theil versandeten Haferi, in wel- chem Wilhelm der Eroberer seine Expedition vorberei- tete ( 3 ). An der Kiiste der Vendee liegt die Insel Bouin, sonst nur ein Kalkfels, jetzt 7 Lieues im Umfange hal- tend und mit dem Lande durch eine Chaussee verbun- den ( 4 ). Bourgneuf im Departement der unteren Loire liegt an einem Golf, der sich allmalig mit Sand und Schlamm fiillt, der Hafen hat nur noch bei Springfluthen Wasser ( 5 ). Ich iibergehe die Kiisten von Portugal, weil hier hef- tige Erdbeben die Verhaltnisse der sakularen Hebung ge- stort haben mussen. Die Kiisten Spaniens bieten wieder (<) Hidden, Physikaliscbe Geographic p. 197. (*) Kloden Geographic II. p. 396, () I. c. p. 400. () I. c, p. 407. () 1. c. p. 406. 17 analoge Hebungserscheinungen, wie die im Norden Eu- ropa's beobachteten, Bei Gibraltar finden sich Meeres- muscheln in 50, 70, 470, 264 und 600 Fuss Hohe ('). Die ganze westandalusische Kiiste besteht aus ange- schwemmtem Erdreich oder ausRifFstein,j(ingstem Meeres- sandstein und anderen jiingeren Gesteinen ( 2 ), was auf hoheres Niveau des Meeres in fru'heren Zeiten hinweist. An der Siidkiiste Frankreiclis hatte Frejus (Forum Julii) im Alterthum den wichtigsten Hafen Galliens, der dop- pelt so gross war, wie der von Marseille, und Station der romischen Flotte. Antibes, das alte Antipolis im Departement des Var und Nizza gegeniiber, wurde mit Marseille zugleich von Griechen gegriindet und war zu Augustus Zeit bedeutend, kann aber jetzt nur kleine Schiffe in seinem Hafen aufnehmen. Auf der Insel Sardinien findet sich bei Cagliari eine Ablagerung der jetzt im mittellandischen Meere lebendei) Muschelarten in einer Hohe von 150 Fuss ( 3 ). Als Ancus Marcius Ostia anlegte, war das Meeresufer bei der heutigen Torre di Bovacciana, es trat spa'ter 3 Miglien zuriiek; ein von Trummern umgebener Halbkreis in der Nahe der verfallenen torre di Bovacciana diente wohl als Aus- ladeplatz; ein ahnlicher findet sich am anderen Ende der Stadt, der noch heute der Hafen heisst. Dieser wie je- ner sind ausgefullt, den eigentlichen Hafen bildete der Ausfluss der Tiber ( 4 ). Vier Miglien von Ravenna hatte Augustus einen festen Platz, Classe genannt, nebst Hafen (*) Kloden. Physikalische Geographic p. 197. (*) Rloden. Geographic 'II. p. 42. (*) Naumanti. Lehrbuch der Geognosie. I. pag. 2i7. (Diese Hebung i?t vielleicht vulkauischer Natur, da sich dort Topferwaaren mit den Muscheln zusammen gefunden haben.). (*) Nationalzeitung 21. Mai 1869. 2 18 anlegen lassen. Classe wurde 728 vom Longobarden Liutprand zerstort, zu welcher Zeit es noch am Meere lag, jetzt ist die Stelle vier Miglien davon entfernt, so bedeutend ist der Anwachs des Ufers (*). An der Ligu- rischen Kiiste sind die Grotten von Mentone, von Ven- timiglia, des Vorgebirges Noli Zeugen des friiheren ho- heren Wasserstandes ( a ). In Griechenland sind ebenfalls Anzeichen der Hebung vorhanden, wie denn der Engpass der Therrnopylen zwischen dem Kallidromos und dem Meere jetzt bedeu- tend breiter ist als friiher. Auch die Inseln des ostlichen Mittelmeerbassins, auf denen nicht thatige Vulkane sind, wie Rhodos, Cypern, Malta zeigen an den Kusten Terrassen, die aus Sand und Kalkbildungen neueren Datums zusam- mengesetzt sind, und im nordlichen Theile von Candia sind Anzeichen vorhanden, dass in der neueren Epoche der Boden sich urn mehr als 20 Meter gehoben hat ( 3 ). Es mangelt auch nicht an Beweisen fur eine Verande- rung der Verhaltnisse zwischen Meeresniveau und Land an der kleinasiatischen Kiiste: die Ruinen von Troja und Ephesus, des alten Smyrna's und Milets entfernen sich immer mehr von der Meereskiiste. Interessant ist, was Fraas iiber das todte Meer sagt ( 4 ): Die Kreideschichten sind in Palastina horizontal. Die Jordanspalte mit ihrer tiefsten Versenkung in der Mitte des todten Meeres ha'ngt mit der Bildung des ganzen Landes so eng zusammen, dass der Gedanke Niemand mehr kommen kann, das todte Meer ware das Resultat einer spateren vulkanischen Bildung. Das todte Meer war zu alien Zeiten und von (!) Kloden. Geographic II. p. 242. (*) Gerolamo Boccardo. Philosophic positive. Revue. Juillet, Aout 1869. () 1. c. p. 144. () Fraas. Aus dem Orient 1867. p. 73. 19 Anbeginn ein Sammelbassin der Regenwasser aus der gan- zen Gegend. Wenn geologisch etwas festgestellt werden kann, so ist es die Thatsache eines viel hoheren Wasser- standes in der Spalte des Jordans und des todten Mee- res, einer am Ufer mindestens 100 Meter hoher ange- schwellten, nach Suden einige Meilen, nach Norden aber bis in die Na'he des Tiberias - Sees weit ausgedehnten Wasserflache. Langst vergangen sind die Tage, in denen das Wasser so hoch stand. Auch das Niveau des rothen Meeres muss nach Fraas friiher hoher gewesen sein (*): Er erzahlt, dass man von Sues bis Assuan an der Kiiste des rothen Meeres ausser den krystallinischen Gesteinen modernen Meereskalkstein und Riffkalke anstehen sieht. Gleich die Bucht von Sues wird, sagt er, ehe das miocane Isthmus - Gestein anfangt, und sich an den Fuss der eocanen Felsen anlagert, von einem jungsten Tertiar, sogenannten modernen Meeressandstein, begranzt, dessen Felsen 10 bis 12 Fuss iiber der Fluthmarke liegen. Man sieht aus den vorstehenden Citaten und Angaben, dass ganz Europa in alien seinen Theilen und Westasien ihr Verhalmiss zum Meeres -Niveau verandert haben; dass anliehe Anzeichen auch in anderen Welttheilen vorhanden sind, werden die folgenden Seiten lehren, wenngleich die Beobachtungen nicht in so grosser Anzahl gemacht sind, wie das bei Europa der Fall. In Nordafrika riicken die Ufer in das Meer vor, die Ha'fen von Carthago uud Utica sind Theile des Festlan- des geworden. Nach Escher von der Linth und Desor ist die Wiiste Sahara ein Meer gewesen, das durch He- bung des Bodens urn 300 Meter in einer relativ neueren Epoche ausgetrocknet ist. Das Wasser dieses afrikani- l 1 ) Fraas. Aus dem Orient 1867. pag. 180. 2* 20 schen Meeres soil nach Escher das Mnterial zur Bildung ungeheurer Gletscher herbeigefiihrt haben, wahrend der Wiistenwind (Fohn) sie auf das jetzige Maass zuriickge- fiihrt hat. Ueber verschiedene Hebungen in Asien berichlet v. Richthofen ( J ). Er sagt, dass bei Molmen in Siam das Feslland unter den Augen der Bewohner wachst. Zu den Anschwemrnungen kommt die fortdauernde Hebung des Landes. In dem Eingang zu einer Hohle, die jetzl 15 Fuss iiber der Eberie liegt, sind Millionen einer hiib- s'chen bunten Neritina durch Tropfsteinmasse zu einem festen Conglomerat verbunden. In einem Artikel iiber deii Gebirgsbau der Nordkiiste vor Formosa ( 2 J sagt der- selbe Verfasser, dass das beschriebene Gebiet aus Tra- chyten, der Tertiarzeit angehorig, bestehl; in einer neu- eren Periode hat sich dann das Land gesenktbis zu dem Punkt, bis zu welchem die recenten Bildungen an den Abhangen hinaufreichen (Flusssand, Zerstorungsprodukle der TufTe und Muschelfragmente), um sich dann wieder inn so viel zu heben, als der Abstain! dieser Absatze iiber das Meeresniveau betragt. Diese langsame Hebung scheint jetzt noch fortzudauern. Zum Theil sind die Sand- diinen schon zu flachen Hiigeln iiber das Meeresniveau erhoben, und sie steigen mehr und mehr iiber dasselbe hervor. Aehnliches sagt v. Bichthofen in seinen Bemer- kungen iiber Ceylon ( 3 ). Nothwendig musste sich das Land senken, um das Meer so weit in das Innere des Gebirges herantrelen zu lassen, dass unter seinem Spie- gel alle jene recenten Bildungen enlstehen konnten, wel- (*) Zeitschrifl der dcutschen geologischcn Gesellschaft. 14. Hand 1862 pag. 367. ( a ) 1. c, 12. Band 18(50. p. 540. ( s , I. c. p. o.'H). 21 che iiber dem jetzigen die Grimdlage des gesammten ebenen Landes bis zum Fuss der Gebirge bilden. Die Zeit der tiefsten Versenkung muss einer verhaltnissmas- sig sehr jugendlichen Periode angehoren, da in alien Schichten nur Reste der gegenwartigen Fauna vorhanden sind. Dass die Hebung in der jiingsten Zeit, wenn auch selbst fur Jahrhunderte unmerklich, noch stattfmdet, da- fur sprieht z. B. die Auffindung eines grossen eisernen Ankers bei Jaffna. Wie langsam die Hebung gesohehen ist, kann man daraus entnehmen, dass das Flachland nur unbedeutend iiber die Meeresflache gehoben ist, und doch die Zeichen einer uralten Bevolkerung von Pflanzen, Thieren und Menschen tragt. Dass die Wasser in der kaspo - aralischen Depression sich vermindert haben, ist langst nachgevviesen, und das sehr allmalige Zuriickweichen des kaspischen Meeres beweisen ausserdem die Muscheln, welche die kaspischen Steppen bedecken und die heute noch im Gaspischen Meere leben. Bei den Anwohnern des nordlichen Eis- meeres in Sibirien herrscht der Glaube, dass das Was- ser sich zuriickziehe; innerhalb des Landes, bis zu 7 Meilen vom Meere, la'sst sich ein alter erhohter Uferrand, durch Treibholz bezeichnet, verfolgen (*). Auf Spitzbergen sind ebenfalls viele Anzeichen der Hebung bemerkt. Nord- und Sudasien werden durch das Tarirn -becken und Scha mo und Gobi getrennt; ein Theil dieser Wiisten wird von den Chinesen Han Hai oder trockenes Meer genannt und wird auch von den Chinesen als alter Mee- resgrund betrachtet. Die Salzseen in der tiefsten Einsen- kung, dem Sandfluss der Chinesen sind nach von Hum- boldt Reste des alten Meeres. Im Westen deuten einige ( ) Kloden. Geographic III. p. 33. 22 Seen wie Balkasch und Issikul moglieher Weise auf die friihere Vereinigung mit dem Aralo kaspischen Becken. Als ein vor nicht langer Zeit vom Meere verlassener Ort ist ferner die Iranische Wiiste Lut oder die Wiiste von Kirman zu bezeichnen, die sich nur 500 Fuss fiber das Meeresniveau erhebt; dann die grosse Salzwiiste oder Deschti Kuwir; der salzhaltige Lehm der Ebene von Jesd deutet ebenfalls auf ehemaligen Meeresboden. Eine Aenderung der gegenseitigen Hohenverhaltnisse des Meeres und des Landes ist auch in Amerika bemerkt worden. Die Kiisten von Tejas heben sich zusehends, und in der Bai von Matagorda hat man beobachtet, dass der Boderi sich 30 bis 60 Centimeter im Verlaufe von 18 Jahren gehoben hat. Die Korallenbanke bei der Halbin- sel Florida erheben sich ebenfalls mehr und mehr iiber die Oberflache des Meeres ('). Bei Quebeck befinden sich Ablagerungen aus der postpliocanen Zeit in der Ho'he von 50 bis 200 Fuss, bei Montreal gehen sie bis 460 Fuss iiber iiber das Niveau des atlantischen Oceans, wobei zu be- achten ist, dass eine grosse Zahl der Amerikanischen Muschelarten identisch mit den europaischen arktischen Muscheln ist (*). Neufundland ist in der Hebung begrif- fen. Patagonien soil nach Darwin ein Land sein, das in Absatzen terrassenformig gehoben worden ist ( 3 ). Darwin erklart diese Erscheinung durch Perioden der hebenden Thatigkeil und Perioden der Ruhe. Jede Terrasse bezeich- net also eine Hebung mit darauf folgender Ruhe, wah- rend letzterer bearbeitete das Meer die Triimmergesteine, welche das Land bedecken. Die Salzseen der Pampas (*) Boccardo. Mobilite de la surface terrestre. (*) Geologic von Russland von Murchison, Verneuil und Keyserling p. 349. (') Darwin's naturwissenscbaftlicbe Reistm 1. Tb. p. 199. 23 in der Argentinischen Republik deuten auch auf die frii- here Anweseiiheit von Meereswasser auf diesen Ebenen. Auf Vandiemensland (Tasmania) bemerkte Darwin eben- falls Spuren der Hebuug. Aus Allem geht hervor, dass die sogenannten sakula- ren Hebungen eine ganz allgemeine Erscheinung auf un- serem Erdballe sind, und dass sie nur desshalb nieht aller Orten beobachtet sind, weil die Riisten nicht iiber- all die zur Beobachtung giinstigen Bedingungen bieten, und weil es in den aussereuropaischen Welttheilen bis- her an Beobachtern gemangelt hat. 2. Die Senkung des festen Landes. Gegen das Sinken des Baltischen Meeres, das von Celsius vorausgesetzt wurde, bringt Lyell (') den Ein- wurf, dass die Insel Saltholm beiKopenhagen schon 1280 alljahrlich vom Meere unter Wasser gesetzt sei, wie sie es jetzt noch werde und der niedrigste Theil der Stadt Danzig sollnach ihm im Jahre 1000 nichl hoher gewesen sein, als jetzt. Schwedische Naturforscher, welche schon zur Zeit des Celsius an dem Sinken des Meeres zweifelten, wiesen darauf hin, dass an der Kiiste von Finnland dicht am Ufer des Meeres Ba'ume wuchsen, welche den Jahres- ringen nach ein Alter von 4-00 Jahren haben mussten. Wenn diese Ba'ume aber schon vor 4-00 Jahren an dieser Stel- le gewachsen sind, so mussten sie unter dem Wasser gekeimt und lange unter Wasser gestanden haben, da nach Celsius die Senkung wahrend dieses Zeitraums 15 Fuss betrage. Ich habe schon erwahnt, dass Schumann ( 2 ) aus einer sich iiber das Kurische HafT erhebenden Stufe (*) Principles 9 tb. edition p. 171. ( z ) Geologische Wanderungen durcb Altpreussen 1869. p. 160. 24 bei Tolkemit auf Hebung der Kiiste schloss. Er schliessl aber auch auf Senkung. da sich eine ahnliche Stufe auch unter dem Niveau des Meeres befindet, sowohl an dem Ufer des frischen wie des Kurischen Haffs. Bei Peters- ort am frischen Haff namlich senkt sich der Haffgrund erst auf vier Fuss Tiefe und in einer Entfernung von etwa 1200 Schritt vom Lande plotzlich auf 9 Fuss. Die lieferen unterseeischen Walder, die sich an der Preus- sischen Kiiste befinden, werden von Schumann auf die- selbe Weise gedeutet. Ferner fiihrt derselbe Verfasser als einen Beweis der Senkung des Bodens ein submarines Moor an, welches man bei Husum wahrend der Arbeiten zur Verbesserung des Hafens entdeckte. Man fand nam- lich dort mitten in einem von Moore iiberwachsenen Birkenwalde einen Hugel von der Form der gewohnlichen Himengraber, bei dessen Durchgrabung Feuersteinwaffen gefunden wurden, und dessen Gipfel mehrere Fuss un- ter der taglichen Flusshohe lag. Viel Gewicht wird fer- ner auf den Umstand gelegt, (lass Nilsson (*) bei Trelle- borg den Abstand eines grossen Steines von dem Rande des Meeres im Jahre 1836 urn 380 Fuss kleiner fand, als ihn Linne 87 Jahr friiher bestimmt hatte; das Stein- pflaster in Trelleborg liegt jetzt so niedrig, dass es bei hohem Wasser iiberschwemmt wird, und unter ihm hat man in drei Fuss Tiefe ein anderes Strassenpflaster ge- funden; in Malmoe, wo die Strasse gleichfalls manchmal unter Wasser gesetzt wird, fand sich ein zweites Pflas- ter sogar in 8 Fuss Tiefe. Ausserdem finden sich an der Kiiste Torfschichten zwei Fuss unter dem Meeresspiegel. Submarine Walder fmden sich an der Kiiste von Norfolk und Lincolnshire, nach Phillips an den Kiisten von York- Naumann. Lehrbucb der Geognosie I. p. 259. 25 shire. An der Kiiste von Frankreich sind diese unter- seeischen Walder auch beobachtet worden, so bei Mor- laix, Beauport und Cancale. Diese Walder sollen im 8-ten Jahrhundert plotzlich versunken sein. In Dalmatien deu- ten viele Punkte der Kuste auf ein in historischen Zeiten erfolgtes Sinken der Meereskiiste bin (*). An den nord- lichen Kiisten des Adriatischen Meeres sind ebenfalls Senkungen beobachtet worden. Schon vor drei Jahrhun- derten hat Angiolo Eremitano ( 2 ) die Meinung ausge- sprochen, dass die Inseln Venedigs sich um ungefahr ei- nen Fuss im Jahrhundert senken, was aus dem iibereinan- derliegenden Pflaster der Strassen geschlossen wird. Mehrere romische Bauten auf der St. Georgs - Insel be- fmden sich jetzt unterhalb des Wasserspiegels der La- gunen. In Bezug auf Ravenna behauptete Manfredi im Jahre 1731 auch, dass eine Senkung stattfande, aber er schrieb dieselbe einer Heburig des Adriatisehen Mee- res zu. Fraas ( 3 ) spricht von der sinkenden Meereskiiste Nord- agyptens, und Kloden sagt, dass im Nildelta das Kultur- land wesentlich dadurch gemindert sei, das sich das Ufer des Mittelmeers gesenkt hat und die Seen und Salzsiimpfe desselben an Ausdehnung gewonnen haben, wahrend zu- gleich ein grosser Theil des nordlich vom Golf von Sues gelegenen Landes sich gehoben hat. Andererseits bemerkt Kloden, dass das Kulturland Aegypteas fast liberal! von gleicher Beschaffenheit ist, nur naher am Flusse reicher an Sand, naher am Mitlelmeer etwas salzhaltig; letzte- res beweist nach Kloden, dass das Meer auch Iiier frii- her einen hoheren Stand eingenommen habe. (') Poggendorf's Annaien Bd. 43. p. 361. ( s ) Boccardo. IMobililc de la surface terrestre p. 144. ( s ; Fraas. Aus dem Orient p. 118. 26 An der Westkiiste Gronlands findet man 120 Meilen weit vom Igualiko - Firth bis zur Disko - Bai la'ngs der Kiiste Ruinen alter Bauwerke, welche jetzt das Meer be- deckt, sogar die von einem 1776 gegriindeten Hause zu Julianehaab. Zu Lichtenfels sind die Herrenhuter zweimal genothigt gewesen, die Pfahle zur Befestigung der Umiaks oder Weiberboote weiter nach dem Inneren zuriickzu- stecken. Endlich hat 1831 Lyell die Meinung ausgesprochen, dass der Meeresboden des stillen Oceans sich im Zustan- de einer sakularen Senkung befinde, indem er hierin die einzige Erklarung fiir die eigenthiimliehe Erscheinung der zahlreichen Koralleninseln fand. Darwin bildete spater diese Senkungstheorie weiter aus, indem er eine He- bung vorhergehen liess, und Dana schloss sich derHaupt- sache nach spater den Ansichten der beiden genannten Naturforscher an. Abgesehen von der zuletzt erwahnten hypothetischen Senkung des stillen Oceans ist also im Ganzen die Er- scheinung der sogenannten sakularen Senkungen eine sehr viel seltenere als die der sakularen Hebungen. Es ist nicht eine Erscheinung von so allgemeiner Natur, und wahrend wir anzunehmen gezwungen sind, dass alle Festlander und Inseln sich iiber das Meer entweder ruckweis, oder allmalig wirklich oder scheinbar erho- ben haben, ist die Erscheinung der Senkung nur auf we- nige Punkte des Erdballs beschrankt. 3. Erorterung der verschiedenen Ansichten. Ich habe im Vorhergehenden eine Anzahl der wich- tigsten und wesentlichsten Erscheinungen zusammenge- 27 stellt, von verschiedenen Forschern beobachtet, ohne na- her auf die Erklarung dieser Erscheinungen, auf die Mei- imngen der Beobachter iiber das Gesehene einzugehen. Bei einer Wissenschaft, welche, wie die Geologie, noch zum Theil auf hypothetischen Grundlagen ruht, erlauben die Erscheinungen eine sehr verschiedene Interpretation, die Gesichtspunkte konnen ganz verschiedene sein, und eine vorsichtige Priifung der beobachteten Thatsachen scheint desshalb das erste Erforderniss. Nicht immer ist diese Priifung moglich, und wir miissen uns meist mil den Angaben glaubwiirdiger Zeugen begnugen; dann wird es aber um so nothwendiger die Moglichkeit und Wahr- scheinlichkeit und die Begriindung und Ursache der be- obachteten Thatsache naher in's Auge zu fassen. Letzte- res ist namentlich in der Frage iiber die sakularen Oscil- lationen der Erdoberflache geboten. Humboldt, der zusammen mit Buch vielleicht am mei- sten dazu beigetragen hat, der Lehre von den Oscilla- tionen Eingang zu verschaffen, driickt sich iiber sakulare Hebung und Senkung doch im Allgemeinen sehr vorsich- tig aus. Er sagt dariiber Folgendes ('): Ueber den Cau- salzusammenhang der grossen Begebenheiten der Lander- bildung ist wenig empirisch zu ergriinden. Wir erkennen nur das Eine: dass die wirkende Ursache unterirdisch ist und dass die jetzige Landerform nicht auf einmal ent- standen, sondern von der Epoche der silurischen For- mation bis zu den Tertiarschichten nach manchen oscil- lirenden Hebungen und Senkungen des Bodens sich all- malig vergrossert hat und aus einzelnen kleinen Conti- nenten zusammengeschmolzen ist. Er untercheidet iiber- haupt eine unterirdische Kraftausserung, deren Maass und ( l ) Kosmos I. Bd, p. 311. 28 Richtung wir zufallig nennen, und die auf der Oberflache wirkenden Potenzen, unter denen vulkanische Ausbruche, Erdbeben, Entstehung von Bergketten und Meeresslro- mungen die Hauptrolle gespielt haben. Das periodisch unregelmassig wechselnde Fallen des Caspischen Meeres schreibt er sanften und fortschreitenden Oscillationen zu, welche in der Yorzeit, als die Dicke der schon erkalte- ten Erdrinde geringer war, sehr allgemein gewesen sind ( J ). Das schwankende Niveau des Caspischen Meeres kann aber auch unregelmassigem Zufluss von Wasser ztige- schrieben vverden. Ebenso konnen Hebungen im Cauca- sus Senkungen im siicllichen Theile des Caspischen Mee- res veranlasst haben. Die eine Annahme hat nicht mehr Wahrscheinlichkeit fur sich als die andere. Humboldt spricht ferner die Ans-icht aus, dass das Steigeu des Festen das Sinken des Fliissigen bedinge, aber er fiigt hinzu, dass es an Beweisen fehle fur eine reelle fortdau- ernde Ab-und Zunahine des Meeres ( 2 ). Ich werde mich bemiihen, die Beweise fiir die Abnahme weiter unten beizubringen. Humboldt ist ferner der Ansicht, dass da, wo ein Erhebungsgebiet an ein Senkungsgebiet granzt, das Wasser durch maehtige, tief eindringende Spalten und Kliifte einsinkt. Seit den von Daubree angestellten Versuchen iiber das Eindringen von Wasser in erwarm- tes Gestein hat man nicht mehr nothig seine Zuflucht zu machtigen Spalten zu jiehmen, sondern man darf vor- aussetzen, dass das Wasser durch Haarspalten in die Tiefe niedergehe, denn undurchdringliche Schichten hal- ten es nicht iiberall zuriick ( 3 ). () Kosmos Bd. t. p. 314. (') Kosmos I. 316. ( 3 ) Daubree. Bullet, de la societe geologique 18GI. p. t