712 GJ-CORI DER NATUR= FREUND AM STRANDE DER ADR1A LEIPZIG DR- WERNER KLiNKHARDt- Tafel I. TAFELERKLARUNG Tafel I Figur 1. Tima flavilabris eine ganz durdifiditige Medufe mit einem SdiirmdurchmefTer bis 5 cm. 2. Tiara pilleata mit einem rotgefdrbten Magenfdilaudi (S. 117). SdiirmdurdimefTer bis 2 cm. 3. Aequorea forscalea (S. 116). Magen und die entlang der Radidrkandle entwickelten Gefchleditsdriifen grau gefdrbt. Schirmdurdimefler 2040 cm. 4. Rhizostotna Cuvieri (S. 114, 115, 135), eine der grofiten Medufen mit einem Sdnrmdurchmefler von 2030, ja bis 80 cm. Im Schutje des Sdiirmes fdiwimmen nidit felten Jungfifdie. Aditung vor Quallenfdinupfen (S. 115). 5. Chrysaora mediterranea (S. 116). SdiirmdurdimefTer 10 bis 30 cm. 6. Pelagia noctiluca (S. 116). SdiirmdurdimelTer 58 cm. NefTelt heftig. 7. Ohrenqualle (Aurelia aurita) (S. 116). SdiirmdurdmiefTer bis 40 cm. Beziiglidi Medufen fiehe ferner Fig. 20, 21 u. 43 a u. b. DER NATURFREUND AM STRANDE DER ADRIA UND DES MITTELMEERGEBIETES VON PROF. D& CARL L ORI, DIREKTOR DER K. K. ZOOLOGISCHEN STATION IN TRIEST J FARBIGE, 2\ TAFELN IN SCHWARZDRUCK MIT 191 FIGUREN LEIPZIG J9JO VERLAG VON DR. WERNER KLINKHARDT. DruA Ton Ernft HedriA NaA, G.m.b.H., Leipzig. IN HALT. Seite Vorwort und Einleitung V I. Ober die Entftehung des Mittelmeeres und der Adria 1 n. Am Flachftrande der JLidi", der adriatifdien Neh- rungen und die Spuren im Sande 5 HI. Die Lagune und ihr Leben 24 IV. Die Zofterawiefen der Fladifee 39 V. Die Felfenkiifte 61 VL Auf Sdileppne^fahrten 83 VIL Plankton und planktonifdie Tiere 105 VIIL Here der Hodifee . . . t 122 Einige empfehlenswerte Biidier uber das Meer und fein Leben 142 Regifter 143 343875 VORWORT UND EINLEITUG. Bei Studien- und Sammelfahrten im Gebiete der Adria und des Mittelmeeres kamen wir oft mit Menfdien in Beriihrung, die dem Meere mit feiner Fiille an Neuem, Schonem und Grofiartigem und feinem Reiditum an Tier- und Pflanzenformen das groflte Interefle entgegenbraditen, und die mangels einer geeigneten Anleitung dankbar waren fur einige Worte der Unterweifung und Belehrung. Sdion vor Jahren reifte daher die Idee, einen kleinen Fiihrer fur den Natur- freund am Meeresftrande abzufaflen. Dodi hat fi der fich in einen fehr lang ausdehnbaren und am Ende gegabelten 74 V. Die Felfenkiifte. Ruffel fortfe^t. Die Unterfeite desfelben ift rinnenformig aus- gehohlt und mit einem Flimmerepithel verfehen, mit defTen Hilfe die Nahrung zum Munde herbeigeftrudelt wird; dabei bleibt das Tier felbft in der Steinhohle verfteckt und fendet nur feinen Ruflel wie einen langen Arm aus. Diefe Tiere find durdiweg weiblichen Gefchledites, und die Mdnndien entzogen fidi lange Zeit der Beobachtung, bis man darauf kam, dafi fie als mikr o- ikopifdi kleine, infuforiendhnlidie Wefen im Darme der Weib- cnen fdimaro^en, gewifi eines der merkwiirdigften Beifpiele aus dem intereffanten Kapitel iiber Parafitismus. Wer fidi fur Foraminiferen intereffiert, fur jene ein- zelligen Wefen mit Kalkgehdufen von fo mannigfaltigen und ftil- vollen Formen, der wafdie die auf foldien Steinen wadifenden Algen und die von Sand bedeckte Oberfeite derfelben in ein Ge- fdfi hinein ab und fdiwemme dann das fo gewonnene Material durdi oftmaligen Wafferwechfel vollftdndig rein aus. Die kleinen Kammerlinge kriedien alsbald mit Hilfe ihrer protoplasmati- fdien Sdieinfiifidien (Pfeudopodien) an der Glaswand der Gefdfie empor und bilden durch Zufammenfliefien jener feine Pfeudopodienneije. Im Bodenfat} dagegen finden fich die Ge- haufe der abgeftorbenen Tiere. Felsbohrende Tiere. Unferer Sammlung vonObjektendes Meeres moditen wir gerne audi einige fdion bewachfene Fels- ftudie einverleiben und trachten daher bei recht tiefer Ebbe einzelne Stiidie vom Felfen und von Steinen, die wir uns aus der untergetauchten Region mit Hilfe eines Hammers los- fdilagen, zu erlangen. Merkwurdigerweife hallen die Hammer- fdildge dumpf auf den fcheinbar fo foliden Felsmaffen, und diefe gehen leiditer in Triimmer, als wir dies erwarteten. Zu unferer Uberrafchung ift alles unterminiert und durdilodiert und zwar von Tieren, weldie der fteinbohrenden Fauna an- gehoren. Dafi der nahrungshaltige Sdilamm und Sand des Meeresgrundes bewohnt gefunden wird, lafit fich begreifen, da6 aber der harte Felfen den Angriffen der Tierwelt nicht widerftehen kann, das erfcneint uns nicht leidit fafibar. Wir wollen uns diefe kleinen Bohrmeifter etwas genauer anfchauen. Die Arbeitsmethode diefer Tiergruppe ift eine dreifache: V. Die Felfenkiifte. 75 Entweder wird der Felfen auf diemifchem Wege, durdi Pro- duktion von Sdure, oder er wird durdi mecbanifche Bearbeitung angegriffen oder endlidi es treten beide Arten miteinander in Kombination. Die Produktion von Sduren und fauer reagieren- den Sekreten, abgefehen von jenen der Verdauung dienenden, fdieint eine viel haufigere Erfdieinung bei der marinen Fauna zu fein, als wir es im allgemeinen vermuten. In den abgefdilagenen Gefteinsftudsen finden fidi eine Menge Hohlrdume, die durdi diinne Sdieidewdnde voneinander getrennt und mit dem weichen, gelb oder rot gefdrbten Bohr- fdiwamme (Vioa) (Fig. 11) erfullt find. Nach aufien find diefe wabenartigen Hohlraumfyfteme nur durdi eine fchwache Steinfchidit gedeckt, und le^tere erfdieint von kleinen Off- nungen durdibrodien. Durdi diefe lafit der Sdiwamm jene dunnwandigen zarten Rohren hervortreten, weldie uns bereits auffielen, als wir unfere Beobaditungen an der Felskiifte an- ftellten. Solche lehrreidie Proben von der Arbeitsleiftung diefer Tiere findet man iibrigens faft iiberall am Strande im Ge- fdiiebe. Die Vioa bohrt aber audi die Sdialen von Mufdieln an. Kein anderer Vertreter aus der Gruppe der felsbohren- den Seetiere nagt in fo intenfiver Weife am Felsftrande wie gerade der Bohrfdiwamm, und zwar gefchieht dies ausfdiliefi- lidi auf diemifdiem Wege durdi Saureproduktion. Man kann daher von einer allgemeinen Karies der Kalkfteinkiifte fprechen, weldie eine fortfchreitende Zerflorung derfelben bewirkt und den Wogen ihre zerftorende Arbeit leichter madit. Ja, man kann fidi leidit uberzeugen, dafi die Vioa einen her- vorragenden Einflufi auf die Bildung der Kiiftenlinien nimmt. Dabei ift andererfeits nicht zu verkennen, dafi fidi die Menge oiler der am Felfen wadifenden Algen und feftfitjenden Tiere wie ein fchii^endes Kleid um den Felfen fdilingt und der Zerftorung der Kiifte ein etwas verlangfamtes Tempo vor- fdireibt. Es gibt audi bohrende Wurmer. Hiervon kann man fidi beim Zertriimmern von jenen Steinen uberzeugen, die wir mit der Zange vom Meeresgrund gehoben haben. Die Stein- mafTe erfdieint dann haufig von engen fcharf gebohrten Gangen 76 V. Die Felfenkiifte. durdizogen, weldie durch fauer reagierende Sekrete diefer Tiere erzeugt warden find. Neben dem Bohrfdiwamm beteiligen fidi ferner noch zwei Mufdieln, die Bohrmufdiel (Pholas dactylus) (Fig. 109) und die Meerdattel (Lithodotnus lithophagus) in hervorragender Weife an dem Zerftorungswerk der Felskiifte. Beide Mufdieln bohren fidi vollkommen in den Kalkfelfen ein und ftellen Hohlungen her, die ihre Korperform wiedergeben. Mit diefer Tdtigkeit beginnen fie bereits als ganz junge Tiere, und wenn fie fdiliefilidi grofi geworden find, ift der Zugang zu ihrer fteinernen Wohnung zu eng, um ihnen etwa einmal einen Umzug zu geftatten. Erftgenannte Mufdiel bevorzugt mehr weidie Steine, lebt auch im lehmigen und fandigen Meeres- grund, die zweitgenannte dagegen kann audi die ganz dichten und harten marmorartigen Kalkfteine anbohren. Bei beiden Tieren durfte die Bohrarbeit auf diemifdiem Wege erfolgen, denn einmal zeigen deren Sdialen keinerlei Abniitjung, was hierbei nidit zu vermeiden ware, ferner konnte nur dann durdi medianifdie Arbeit ein nennenswerter Effekt erzielt werden, wenn ein Harteunterfdiied zwifdien der Maffe des angebohrten Felfens und der Sdbale vorlcige. Bemerkenswert ift endlich, dafi das Sekret von Pholas im Dunkeln leuditet. Eine ungemein haufige Erfdieinung der Kiifte ift derfdiwarze Seeigel (Paracentrotus lividus) aus der Gruppe der Stadiel- hciuter. An gefdiiiijten Stellen fi^en die Tiere oft in unge- zdhlten Mengen, und befonders die grofien Exemplare findet man dann in grubenartigen Vertiefungen des Felfens wie in einem Nefte gebettet. Diefe Gruben follen die Tiere auf rein medianifdie Weife herftellen. Alfo audi diefe Tiere gehoren zu den Felszerftorern. Es wird vielleidit audi auffallen, dafi diefe Seeigel befonders dort, wo man fie an exponierten Stellen findet, auf ihrer Oberfeite kleine fladie Steindien, Mufdiel- fdialen und dergleidien vermutlidi als eine Schu^einriditung gegen ihre Feinde herumtragen. Man konnte dies auch wieder als eine Art Maskerade bezeichnen, wie wir dies bei der Seefpinne (Ma/a verrucosa) und bei Inadius und Steno- rhyn chus fehen (S. 45, 46). Soldi ein Seeigel mit feinem Stadiel- V. Die Felfenkiifte. 77 kranz fieht eigentlidi recht unbeholfen aus, urn dies alles fertig zu bring en, aber wir miifTen wifTen, dafi fich zwifchen dem Stachelbefatj eine grofie Menge kleiner Saugfiifidien und Zangel- dien befinden mit einer Lupe kann man fich hiervon fehr leidit uberzeugen und mit diefen madit er fo gefchickte Arbeit. Lehrreidi ift es audi, durdi Auf bredien der Sdiale den kompliziert gebauten Kieferapparat, defTen Zdhne man fdion von der MundofFnung aus fehen kann, kennen zu lernen. Als zweite deutlich abgegrenzte Region der Felskiifte haben wir die Emerfionszone genannt. Diefe liegt zwifchen der Ebbe- uud Flutlinie und follte normalerweife immer nach zwolf Stunden bei Eintritt jeder neuen Ebbe vom Walfer ent- blofit werden. Aber das Flut- und Ebbephanomen verhdlt fich nicht jeden Tag in gleidier Weife, fondern fpielt fich in Zufammenhang mit den Mondphafen periodenweife ab, fo dafi zur Zeit des Voll- und Neumondes die tiefften Ebben und hochften Fluten (Springzeit) zu beobachten find, wdhrend das Meer in den Zwifchenzeiten (Nippzeit) ein mittleres Niveau einnimmt und diefes wenig verdndert. Auch die Monate ver- halten fich diesbeziiglich verfchieden, und In der Adria wird im Monat Januar das Maximum diefer Erfcheinungen erreicht. Der Ablauf diefer WafTerbewegungen wird ferner noch durch das Wetter beinflufit, indem z. B. auflandige Winde die Flut fteigern und die Ausbildung der Ebbe hindern, bezw. ab- fchwachen konnen. Ablandige Luftbewegungen verhalten fich g erode umgekehrt. Die Hohendifferenz zwifchen Flut- und Ebbeftand ift nicht an alien Orten des Mittelmeeres und der Adria gleich und betrdgt 3075 cm. Wenn wir fehen, dafi einerfeits zur Ebbezeit ein Teil der Felfenkufte vom Waifer entblofit ift, dafi zuzeiten dann der Felfen intenfiver Befonnung ausgefetjt ift, dafi zuzeiten der Wind austrocknend und im Winter oft eifigkalt iiber ihn hin- wegftreicht, und wenn wir andererfeits aus Erfahrung wiffen, wie leidit Seetiere abfterben, fobald fie aus dem Waffer an die Luft gebracht werden, fo find wir uberrafcht, in der auf- tauchenden Region der Felskiifte noch marines Leben, und gar nicht in fo drmlidier Entfaltung, anzutrefFen. Tatfdchlich konnen 78 V. Die Felfenkufte. diefe Lebensformen folche extreme Verdnderungen der Exiftenz- bedingungen ertragen, wie fie fidi zwifchen Flut- und Ebbezeit im Ablauf weniger Stunden in fehr gegenfatjreicher Weife voll- ziehen. Die Erkldrung hierfur liegt in dem Umftande, dafi es eine Anzahl von Tieren und Pflanzen verftand, diefen befonderen Lebensbedingungen fich anzupafTen. Die Lebewelt fudit ja, wie wir immer wieder fehen, jeden Plaij fur fidi auszuniiijen, und dies Beftreben fuhrt zur Ausbildung befonderer Einrich- tungen, deren Erfcheinungskomplex wir kurzweg AnpafTung nennen. Von diefem Standpunkt aus betrachtet bietet daher gerade die Emerfionszone des befprochenen Gebietes reidie Gelegenheit zu anregenden Beobachtungen. In der Nordfee ift infolge der weit grofieren Niveauunterfdiiede zwifchen Hoch- und NiedrigwafTer diefe Zone viel breiter und reicher ent- wickelt, aber auch im Mittelmeer und in der Adria find die angedeuteten Erfcheinungen mit aller Deutlichkeit zu finden, und man verabfaume daher nicht, dem Felsftrand bei Ebbezeit feine Aufmerkfamkeit zu widmen. Wenig unter der Flutlinie entfaltet fich hier zundchft in Form eines Vegetationsbandes der Blafentang (Fucus virsoides), eine Alge, die hier gegeniiber ihren Verwandten in den Nord- meeren nur eine befchrdnkte Entfaltung nadi Arten, Ausbreitung und GrofSe zeigt. Es hat den Anfchein, daft der Blafentang zu feinem Gedeihen das oftere Auftauchen aus dem Wafler direkt notwendig hat Es gibt merkwiirdigerweife nur wenige epi- phytifdie Algen, die fich auf dem Fucus niederlaffen, wie der Meerfalat (Ulva lactuca) und die Enteromorpha, ebenfo vermiifen wir feftfi^ende Tiere auf diefer Alge. Die ftarke Schleimbildung derfelbenift wahrfcheinlich eine Sdiuijeinrichtung gegen das Austrocknen wdhrend der Ebbezeit. Faft im gleichen Niveau mit dem erwdhnten Tang lenken am Felfen beim Niedrigwafler leuditend rot gefdrbte runde Pa^en unfere befondere Aufmerkfamkeit auf fich, fie konn- ten aus rotem Siegellack hergeftellt fein, fo fehen fie aus. Ihre Natur erkennt man aber erft, wenn das Waifer wieder fteigt, denn dann entfalten fich diefe Dinge zu prdchtigen roten Rofen. Es find Seeanemonen und zwar die Pferdeaktinie (Actinia V. Die Felfenkiifte. 79 equina) (Fig. 24). Eine hodift auffallende Erfdieinung ift hier die knallrote Farbe diefer Tiere. Die Bedeutung der Farben im Tier- tmd Pflanzenreidi ift von Fall zu Fall eine fehr ver- fchiedene und oft fdiwer deutbare. Bald dienen fie als Lodt- farben, bald als Warnfarben, bald audi zum Sdmije gegen Feinde. Im vorliegenden Falle diirfte es fich um eine Schuij- einriditung gegen die Sonnen- und Wdrmeftrahlen handeln, die durdi das rote Pigment inaktiviert werden. Eine zweite diarakteriftifche Form fur die in Rede ftehende Zone ift die Napffdine&e (Patella) (Fig. 88), wehhe nidit wie die meiften anderen Sdinedien eine gedrehte, fondern eine niedrige kegelformige Sdiale befitjt. Wie ein Sturz bededrt diefe das Tier. Zur Ebbezeit wird fie dann feft auf die Unter- lage durdi die Muskelwirkung ihres Spindelmuskels aufge- drudit. So ift das Tier gegen Vertrodmen gefdiiiijt, und bei Sturm konnen die Wogen iiber dasfelbe hinwegrollen, es hat ihm nidits an. Dort, wo eine foldie Schnecke fii^t, findet fidi am Felfen hdufig eine grubenartige Vertiefung, weldie das Tier felbft durdi Sdurewirkung erzeugt hat. Aus den konzen- trifdien Linien am Grunde diefer Vertiefungen Idfit fidi erkennen, dafi es vielleidit fchon von feiner friihen Jug end an an der- felben Stelle fii^t, fo dafi fidi alib ein freibewegliches Tier felbft die feftfiijende Lebensweife auferlegt hat. Audi eine kleine Miesmufdiel (Mytilus minimum) findet man in diefer Zone oft in didit gedrdngten Mengen in Steinfpalten angefiedelt. Nebft der fdion erwdhnten durdi ihre rote Farbe auffallenden Pferdeaktinie finden fidi in der Emerfionszone nodi andere Aktinienformen. Wdhrend aber jene die oberfte Flutzone be- vorzugt, befiedeln diefe die mit der Ebbegrenze beginnende Zone, fo dafi fie nur bei tiefftehendem Niedrigwaffer aus dem Wafferniveau auftaudien. Man fudie die nadigenannten Ane- monen an Stellen von Brandungsbuchten und Spalten, die mit Sand und Gefdiiebe erfullt find; auch unter Steinen fiijen fie nidit felt en. Hdufig z. B. ift die griin gefdrbte und quer ge- bdnderte Actinia cari (Fig. 25) und die Ammonia sulcata (Fig. 26) zu finden. Letjtere ift fehr variabel im Kolorit und zeigt oft fehr fchone und lebhafte Farben. Nidit leidit auffindbar ift 80 V. Die Felfenkiifte. zur Ebbezeit die Sonnenrofe (Heliactis bellis) (Fig. 31), folonge der Blipnegfahrten. und diefer Fifdi ift faft nur Kopf. Wenn der Lophius fein Maul zu einem riefigen mit fpitjen Zdhnen bewaditen Eingangstor der gerdumigen Mundhohle aufreifit, kann das phantafievolle Gemut des Kunftlers das fdionfte Vorbild fur ein Meer- ungeheuer empfangen. Der Spezlesname ,,Piscatorius u deutet an, dafi diefer Fifdi felbft Fifdier ift. Auf der Oberlippe befi^t er ndmlich einen von der RudsenflofTe losgeloften Strahl mit einer fdcherartigen Verbreiterung, und diefes Organ wird von dem im Meeresgrunde verftedtt liegenden Seeteufel fo bewegt, dafi andere Fifdie und Seetiere angelodkt werden denn die meiften Seetiere fehen ihre Beute nur im bewegten Zuftande , ein Auf- und Zuklappen des gewaltigen Mundes, und um den Ahnungslofen ift es gefdiehen. Nach der Menge feines oft reichlidien Mageninhaltes zu fdiliefien, find dem Lophius im allgemeinen Nahrungsforgen erfpart. Eine dritte Gruppe von Fifdien, die im Schlamm einge- graben leben, find die Plattfifdie (Pleuronectideri), zu weldien als bekanntefte Formen die S (ho lie (Platessa platessa, ital. Passera) (Fig. 179) und die Seezunge (Solea vulgaris, ital. Sfoglia) (Fig. 177, 178) gehoren; fie erfdieinen uns audi als redit merkwiirdige Tiere. In der Jugend find es fymmetrifch gebaute freifchwimmende Fifdichen, die fidi aber in einem gewiflen Lebensftadium auf den Meeresgrund niederlaflen. Dabei legen fie fich je nadi der Art immer auf eine beftimmte Korperfeite, und der Korper felbft wddift in die Breite. So wird wieder die Platte hergeftellt, die nidit tief in den Scnlamm ein- finkt, fondern mehr obenauf liegen bleibt. Mit diefer Umbildung der Korperform fteht ferner in Beziehung die Wanderung des Auges der dem Grunde aufliegenden Seite nodi oben, fo dafi fidi dann beide Augen auf der dem Lidite zugekehrten Stirn- feite befinden. An der Oberfeite ift der Fifdi pigmentiert, und die Pigmentzellen zeigen infofern eine deutlidie Reaktion gegenuber dem Lidite, als fidi die Zeidinung und Farbung diefer Fifdie je nadi der Umgebung dndert und diefer anpaiffen kann. Bemerkenswerterweife gefdiieht dies durdi Vermittlung des Auges. Die Unterfeite ift pigmentlos und weifi. Die kleineren Plattfifdiformen erndhren fidi von Tieren, die im VI. Auf Sdileppne^fahrten. 103 Schlamme leben, und ihr Mageninhalt befteht oft nur aus einer einzigen Art von Beutetieren. Die grofien Steinbutten (Rhombus) (Fig. 176) find Raubfifdie, die hauptfadilidi kleine Fifdie und Krebfe freffen. Zur Zeit der Gefchleditsreife fdiaren fidi die Plattfifdie zufammen, und da ift es wieder der Menfch, der ihnen gerade wdhrend ihres Liebestaumels nadiftellt und fie in grofien Mengen mit Standnetjen fdngt. Viele Grund- fifdie legen Eier ab, die am Meeresgrunde befindlidien Gegen- ftdnden angeklebt werden. Die Pleuronectiden dagegen pro- duzieren fehr viele und kleine Eier, die im Meere flottieren. Dies deutet nodi darauf hin, dafi diefe Gruppe von freifchwim- menden Fifdien ihren Ausgangspunkt genommen hat. Zu den Grundfifchen gehort nodi eine bizarre Form, die fi{Ten. 161. Schleimfisch (Blennius tentacularis) (S. 59, 101) mit 2 Haut- lappdien uber den Augen, einer langen Rudten- und After- floffe. Fdrbung auf braunem Grunde mit helleren und dunkleren Punkten. Ldnge bis 10 cm. 162. Aal (Anguilla vulgaris) (S. 30). Bis 1 m long. Die lange Ru&enflofTe beginnt hinter dem Kopfe, wdhrend diefe beim Meeral (Conger vulgaris) am Kopf einfetjt. 163. 2 Aallarven (Lepthocephalen) und zu unterft ein Jungaal (Montee) (S. 31). Tafcl XIX i K A A , 157 yLY>>: , . ~ VII. Plankton und planktonifche Tiere. 113 auffteigenden Stromes find durdi vorftehendes Feftland und Infeln bedingt, wie man dies z. B.' an der Siidfpiije Iftriens beobachten kann. Nodi eine andere Stromungserfdieinung durdi Windwir- kung hat eine nidit g cringe Bedeutung fur die Lebewelt fpe- ziell in der Adria. An deren Weftkiifte fpielt neben dem Scirocco nodi der Nordoft, die gefurchtete und beriiditigte Bora, iiber grofie Strecken eine hervorragende Rolle. Die Bora ift ein Fall- wind, der aus dem Hinterlande kommend, oft mit orkanartiger Gewalt einem Wafferfall gleidi von der Hohe iiber die Geftade zum Meere hinabftiirzt und dabei eifig kalt fein kann. Durdi diefen Wind wird das WafTer von der Kiifte abgeftaut, und die Folge davon ift ein Zuftromen von WafTermafTen am Grunde aus der Region des offenen Meeres gegen das Feftland. Auf diefe Weife findet ein fehr ausgiebiger und rafdi verlaufender WafTerwechfel an Boratagen im Gebiete des Golfes von Trieft und Fiume und uberhaupt in Buditen und im Kuftengebiete ftatt. Der Flut- und Ebbeftrom hat im allgemeinen in den in Rede ftehenden Meeresabfdinitten keine grofie Maditigkeit. Wohl konnen aber in Gebieten zwifdien Infeln durdi die Ge- zeiten (Flut und Ebbe) NiveaudifFerenzen zwifdien dem WalTer- fpiegel aufierhalb und innerhalb der Infeln hervorgerufen werden, und dadurdi kommen dann die bekannten ftarken Kor- renten in den en gen WafTerftrafien infelreidier Kuftengebiete zuftande. Soldie Hohenunterfdiiede im WafTerniveau konnen in Infelgebieten aber ebenfogut audi Winde bewirken. Fiir die Verteilung und den Transport der Lebewefen des Meeres und fur das Gedeihen derfelben fpielen die Meeres- ftromungen eine bedeutungsvolle Rolle. Daraus erkldrt fidi audi der grofiere Reidbtum an Grundfauna im Gebiete der Kiifte und fpeziell in PafTagen zwifdien Infeln gegeniiber den Gebieten des offenen Meeres, weil dort die Stromung nidit nur einen kraftigen WaiTerwedifel bewirkt, fondern audi ftdndig reidilidie Nahrung zufiihrt. Am augenfalligften dufiert fidi die Wirkung der Meeres- ftromungen in bezug auf die Verteilung und Beforderung der Planktontiere an den Medufen, da fie formlich wie fdiwim- Cori, Der Naturfreund. 8 114 VH. Plankton und planktonifdie Tiere. mende Bojen die Stromungsriditung anzeigen. In Buditen und Golfen werden dann diefe Tiere oft in ungeheuren Mengen zufammengetrieben. Durdi fdiaijungsweife Zdhlung beredineten wir einmal, daft im Golfe von Trieft 40000 Rhizoftomamedufen (Fig. 4) auf den Quadratkilometer kamen, foweit man diefe Tiere in den oberfladilidien WafTerfchiditen fehen konnte. Wenn wir etwa im Triefter Golfe diefen Medufenfchwdrmen begegnen, fo ift die Frage, woher kommen eigentlidi diefe Tiere, eine zu felbftverftdndlidie. Wir konnen darauf ant- worten, fie kommen mit dem Kuftenftrom aus dem Suden und vermuten, daft ihre eigentlidie Heimat in dem fudlidien Tief- teile der Adria zu fudien fei. Es ift eine vieljdhrige Beobach- tung, daft diefe Tiere im genannten Golfe nicht das ganze Jahr auftreten, fondern faifon- und ftoftweife erfdieinen und dann wieder verfchwinden, indem fie mit dem nadi Siiden entlang der Oftkiifte Italiens zuriidikehrenden Strom wieder mit fortgenommen werden. Diefe Tiere madien fomit eine formlidie Reife rund um die Adria. Die erwachfenen Exem- plare leg en dabei ihre Eier ab, aus weldien fidi in grofien Mengen die feftfi^enden Polypenftadien entwickeln, und fchein- bar werden dann die von lei^teren gebildeten jungen Medus- dien auch wieder in die fiidlidien Gebiete des Adriatifdien Meeres verfdileppt, um vielleidit als gefchlechtsreife Tiere fpciter die eben erwdhnte Rundreife anzutreten. Die Vermutung, daft diefe Medufen aus der fiidlidien Adria kommen, laftt fidi als riditig durdi die Beobaditung erkennen, daft man diefe Tiere und andere derartige grofte Planktonformen im Sommer und iiber- haupt zu jenen Zeiten auf hoher See im fiidlidien Teil der Adria antreffen kann, wenn fie in dem nordlichen Abfdinitt diefes Meeres fehlen. In gewiffen Gebieten kann man dann direkt ihre Wanderung nadi Norden beobaditen. InterefTant und lehr- reich ift audi der Umftand, daft im Friihjahr als Begleiter der groften Sdiwdrme von Lungenquallen (Rhizostoma) (Fig. 4) im Triefter Golfe faft regelmdftig der Mondfifdi (Fig. 180), deffen Heimat ficher der Siiden ift, auftritt. Im allgemeinen fdieinen diefe Medufen im tiefen Waffer zu treiben, denn im Inhalte der am Grunde fifdienden Sdilepp- VII. Plankton und planktonifdie Tiere. 115 netje finden fidi oft foldie Tiere, wdhrend fie in den ober- fldchlidien Wafferfdiiditen zur gleidien Zeit vollftdndig fehlen und erft durdi auffteigende Stromungen im Anfdilufi an Bora- tage werden fie dann an die Oberflddie gebradit. Im Syftem nehmen diefe Tiere wegen ihrer einfadien und zugleidi urfpriinglichen Organifation eine niedrige Stellung ein, und fie gewinnen noch dadurch allgemeines InterefTe, dafi alle hoheren Tiere in ihrer Entwiddung ein Stadium, die fogenannte Bedierlarve (Gaftrula) durdilaufen, weldie dem Prinzipe nadi denfelben Bauplan zeigt. Hier fei die Bemerkung angefchloflen, dafi vom fyftematifdien Standpunkt aus betrachtet fidi nidit alle Medufen und Polypen gleidiwertig verhalten, aber wir wollen dies hier aufier adit lafTen und hervorheben, dafi wir in den bisherigen Ausfuhrungen Medufen und Polypen immer im mehr biologifdien Sinne aufgefafit wifTen wollten. Die Wurzelmundqualle (Rhizostoma Cuvieri) (Fig. 4) ift die grofite und hdufigfte Medufe der Adria. Der DurdimefTer ihres Sdiirmes mifit bis 80 cm, und diefe fonft opake Qualle ift leidit kenntlidi durch den blauen Sdiirmrand mit feftonartigen Lappen, zwifdien weldien fidi in Nifdien immer eine Gruppe von Sinnesorganen und zwar ein Gleichgewidits organ, ein als Riedi- grube gedeutetes Organ und endlidi ein Augenfleck finden. Audi die aus der Sdiirmhohle hervorragenden Mundarme find blau gefdrbt. Befonders bemerkenswert ift der Umftand, dafi die Rdnder des Mundes bis auf kleine Saugmundchen miteinander verwadifen find. Diefe Tiere rufen auf unferer Haut kein fuhl- bares NefTeln hervor, dodi mufi darauf aufmerkfam gemadit werden, dafi ihr Sekret durdi die Hdnde etwa auf die Sdileim- hdute der Nafe und der Augen iibertragen eine ftarke Sekre- tion, einen ,,Quallenfdinupfen" hervorruft, der aber nadi einigen Stun den wieder vergeht. Nidit felten lafit fidi beobaditen, dafi im Sdiuije der Sdiirmhohle diefer Riefen unter den Medufen Jungfifdidien verfdiiedener Fifdiarten fdiwimmen. Die Cotylorhiza tuberculata ift eine der eben genannten Wurzelmundqualle verwandte Medufe, die ebenfalls durdi teilweife Verwadifung ihres Mundes diarakterifiert ift. Die Unterfdieidung beider Formen ift dadurdi leidit, dafi die 116 YE. Plankton und planktonifdie Tiere. Cotylorhiza eine flache Sdieibe von gelbbrauner Farbe befiijt und dafi an den Mundarmen zahlreiche geknopfte, blau ge- fdrbte Saugkolben herunterhdngen. Die Chrysaora mediterranea (Fig. 5) kann vielleidit als die fchonfte Medufe der Adria gelten. Sie erreidit gleidifalls eine anfehnliche Grofie und ift durdi ihre braungelbe Farbe auf- fallend. Auf der Oberfeite des Sdiirmes bilden dunkelbraune radiar angeordnete Streifen eine fternartige Zeichnung. Die Mundarme diefer Form find fehr lang und kraufenartig ge- ftaltet. Am Sdiirmrande befinden fidi anfehnlidi lange Tentakel. Duren. Die fdione Fdrbung diefer Tiere riihrt nidit von einer Eigenfarbe durch Pigmente her, fondern ift eine fogenannte Interferenzfarbe, weldie durch Brechung der Lichtftrahlen in den Geweben der Tiere entffceht. Von einer anderen Krebsform, der Phronima (Fig. 57), wohnen ebenfalls die Weibchen in dem tonnchenformigen Zellulofemantel von Feuerwalzen (Pyro- somd) und treiben fo gefchutjt in den Stromungen. DiePyro- fomen ftellen 2030 cm lange rohrenformige und freifchwim- mende Aszidienkolonien dar, die ihren Namen von dem Leuchtvermogen erhalten haben. Man konnte mit dem Auf- zahlen folcher Planktontiere von augenfdlligerer Grofie, Geftalt und Fdrbung nicht fertig werden, leider miifTen wir uns hier, wenn auch nur ungern eine Befchrankung auferlegen. Wer Gelegenheit hat, verabfaume nicht die Fifcherei in den Korren- ten nach grofieren Planktontieren. Es erfchlieftt fich uns dabei wiederum eine neue und hochft intereflante Lebewelt. vm. HERE DER HOCHSEE. In den folgenden Abfchnitten follen einige grofiere Tiere be- fprochen warden, weldie ols Vertreter der Hodifeefauna dem Reifenden begegnen konnen. Die Lebensbedingungen in diefen Gebieten haben wir der Hauptfadie nadi fdion in dem Abfchnitte iiber die planktonifchen Formen gekennzeidinet. Dort brachten wir auch in Erfahrung, dafi die Planktonlebe- wefen entweder fdiwebende oder fdiwimmende Formen find, bei welxhen aber das Schwimmvermogen fur die Fortbewegung keine grofie Rolle fpielt. Die Tiere, weldie wir nun kennen lernen werden, find durchweg Sdiwimmer und meift nicht nur gute, fondern zum Teil ausgezeidinete. Wir wollen diefe Betraditung mit den Haififdien ein- leiten. Diefe Tiere find ausfdiliefilich auf das Meer be- fchrdnkt und daher dem Binnenldnder unbekannte neue Ge- ftaltungsformen. Im Syftem der Wirbeltiere n eh men fie eine niedere Stellung, ja faft die niedrigfte Stufe ein, denn diefe Fifche zeigen in ihrer Organifation vielfadi einfache und zugleich urfpriinglidie Zuftdnde, wie folche merkwurdiger- weife von den holier ftehenden Wirbeltieren wdhrend ihrer Entwiddungsperiode durchlaufen werden. Die Haififdiorgani- fation reprdfentiert dem Naturforfcher ein ehrwiirdiges Denk- mal in dem Werdegang des formenreidien Kreifes der Wirbel- tiere. Nidit fo leidit vermag eine andere Tiergruppe in bezug auf die Mannigfaltigkeit der verfdiiedenen Organifationstypen mit dem Wirbeltierftamme in Vergleich zu treten. Dabei find wir in der Lage, die einzelnen Typen desfelben in Form eines Stammbaumes voneinander abzuleiten. An der Wurzel diefer genealogifchen Reihe ftehen nun die Haififche. Diefe Tiere haben wir als altehrwurdige Denkmdler in der Gefchichte der Verte- braten bezeidinet, und in der Tat lafit fich ihr Vorkommen . Tiere der Hodifee. 123 bereits in den dlteften foffilfiihrenden Schichten unferer Erd- rinde auf Grund ihrer als Foflilien erhaltenen Zdhne nach- weifen. Wie viele Phafen und Sdiiddale des Erdballes haben daher diefe Tiere miterlebt und uberdauert. Das bedeutet eine bewundernswerte Lebenszdhigkeit und Sdimiegfamkeit an den Wechfel der Lebensbedingungen, wie er durch die ver- fchiedenen Epodien der Erdgefdiidite bedingt war. Daher fragen wir uns unwillkiirlidi, warum haben es diefe Tiere in ihrer progreffiven Entwiddung nidit weiter gebracht und, warum find diefe im Beginne des Wettlaufes ftehen geblieben, wdhrend ihnen andere weit voran geeilt find? Wir wollen nun im folgenden verfuchen zu zeigen, inwie- fern die Haififche inter efTante und wichtige Formen fur die Forfdiung darftellen und damit zugleich auch einiges aus" ihrer einfadien und urfpriinglidien Organifation erkldren. Zu diefem Zwedte foil zunddift das fur den Wirbeltierkreis fo (harakte- riftifche Organ, ndmlich das Skelettfyftem in feiner ftammes- gefchichtlidien Entwiddung betrachtet werden. Urfpriinglidi befafien die Vertebraten nur einen elaftifchen Stab unterhalb des Riickenmarkes, ,,die Rtickenfaite" oder ,,Chorda dorsalis" als einzige ftii^ende Adife ihres Korpers, wie es bei den Manteltieren und dem Amphioxus der Fall ift. Die Chorda ftellt daher die erfte Etappe des inneren Skelettes der Wirbel- tiere dar. Sie alle befifjen eine foldie und zwar die im Syftem tiefer ftehenden zeitlebens und die hoher organifierten nur in jugendlichen Entwiddung sftadien bezw. im erwadifenen Zuftande nur in Form von Reften. Bemerkenswerterweife deutet die Ent- ftehungsgefdiichte der Riidtenfaite auf einen urfpriinglidien Zu- fammenhang mit demDarme hin. Die zweite Etappe der Skelett- entwidilung ift durch das Auftreten von Knorpelbogen gekenn- zeidmet, weldie fidi an jene Riickenfaite zum Sdiu^e des Rucken- markes und Gehirnes und der in der Baudihohle befindlidien Organe anlegten. In der Kopfpartie lieferten dann diefe Knorpel- bogen durdi Verfdimelzung miteinander eine knorpeligeSdiddel- kapfel zur Umhiillung des Gehirnes. Befondere Knorpelbogen traten ferner im Bereidie des Kiemendarmes auf, und unfer Ober- und Unterkiefer ift aus einer diefer vorderften Kiemen- 124 Vm. Tiere der Hodifee. knorpelbogen hervorgegangen. An der Skelettbildung beteiligt fich in dritter Etappe welter auch nodi die Haut dutch die Bildung von Knochenfchuppen. Und das vierte und letjte Sta- dium ftellen Verknocherungen im Bereiche des Knorpels dar. Bei den Haififdien kann man nun diefen Werdegang fehr fchon bis zur dritten Stufe erkennen, wdhrend dies an den hoher ftehenden Saugetieren mit foldier Klarheit nachzuweifen weitaus fdiwieriger gewefen ware, vorausgefefyfc, dafi uns die Haififche als Bindeglied nicht erhalten geblieben wciren. Letj- tere befitjen namlich zeitlebens die Chorda, und ihr in den FleifchmalTen gelegenes Skelett befteht lediglich aus Knorpel, wdhrend das Syftem der Hautknodien bei ihnen nur erft durch kleine in der Haut eingebettete Knochenfdiuppen, die der Hai- fifchhaut die charakteriftifche Rauhigkeit verleihen, reprafen- tiert ift. Die Zahne find nidits anderes als folche ungebildete Knochenfdiuppen der Kieferhaut. Durch Vergrofierung und Verfchmelzung folcher knocherner Hautfchuppen konnen dann wie bei den fogenannten Panzerfifchen, den Knochenfifchen, den Lurchtieren, Reptilien, den Vogeln und Saugetieren aus- gedehnte Knochenplatten befonders im Bereiche des Schddels entftehen. So find alle die Knochen unferes Schadeldaches auf derartige Knochenfdiuppen im Bereiche der Kopfhaut zuruck- zufuhren. Verknodierungen im Knorpel fehlen dagegen den Haififchen vollftdndig. Die Haififche find auch nodi in bezug auf andere Frag en hochft lehrreich. Wer wiirde es bei Betrachtung unferes Ge- horsorgans fiir moglich halten, dafi diefes in einem wichtigen Abfchnitte, dem Gehorgang, ein altes Erbftiick aus der Fifch- epoche der Wirbeltiergefchichte darftellt. Le^terer ift ncim- lich nidits anderes als eine erhalten gebliebene Kiemenfpalte, die beim Ubergang vom Waffer- zum Landleben ihre Funktion als Atmungsorgan aufgegeben hat und in den Dienft des Ge- horsorganes als fchalleitender Kanal getreten ift. Wenn wir einen Haififch genauer befehen, finden wir bei diefem meift knapp hinter dem Auge eine Offnung, das fogenannte Spri^loch. Es ift dies der Zugang zur erften Kiemenfpalte, die infofern bei diefen Tieren fchon Beziehungen zum Gehor- VIH. Tiere der Hodifee. 125 apparat zeigt, als fie unmittelbar jenem Abfdinitte des Knorpel- fdiddels angelagert ift, der den Bogengangapparat, d. i. den fogenannten Gehorapparat der Haie enthdlt. Diefes Beifpiel erfdieint daher lehrreidi einerfeits fur die Erfdieinung des Funktionswedifels eines Organes und andererfeits zugleidi fur die Entftehungsgefdiichte eines fo kompliziert gebauten Or- ganes, wie es gerade das Gehororgan der landbewohnenden Wirbeltiere und fpeziell der Sdugetiere ift. Wenn wir die gefamte Gruppe der Knorpelfifdie, zu welchen eben die Haififdie gehoren, betraditen, fo fehen wir audi bei diefen wieder das gleiche Streben, wie es im Tierreich allge- mein zu beobachten ift, moglidift alle fidi darbietenden Lebens- bedingungen auszunii^en, und daher zeigen fie ouch redit verfdiiedenartige Geftaltungen und Organifationen. Es gibt die freien Gebiete und die oberflachlichen WaiTerfdiiditen be- wohnende Haie, es gibt foldie, weldie den Grund bewohnen, und aus le^teren hat fidi fpeziell die plattenartige Korperge- ftalt der Rodien als edite Grundfifche entwickelt. Jeder einzelne Fall demonftriert uns in feiner Ausbildung vom Standpunkt der Medianik das notwendige Maft, deffen er bedarf, um als Spezialmafchine gut funktonieren zu konnen, und darin findet das Zwednnafiige feine naturlidie Erkldrung. In diefem Kapitel intereffieren uns aber fpeziell jene Hai- fifdie, weldie pelagifdi leben, d. h. die fidi au einem Schneckengehaufe nidit undhnliche Felfenbeine von Delphinen und Waltieren find charakteriftifche Fundftticke im Sediment der Tieffee, wo fie im Sdilamme eingebettet der Zerftorung widerftehen konnen. Das ift ein intereffantes Beifpiel fiir das Verftdndnis, wie Fof- filien entftehen, aber auch dafiir, wie dann derartig ver- einzelnde Skelettftucke dem Paldontologen beziiglidi der Feft- ftellung ihrer Natur unter Umftdnden viel Kopfzerbrechen be- reiten konnen. Als Saugetiere haben die Delphine ihr gewohnlidi einziges Junges zu faugen. Nun ift aber der Saugakt der Sduger ein Medianismus, der im engen Zufammenhang mit der Luft- atmung fteht. Im WafTer ftofit daher diefes Prinzip auf Schwierigkeiten, diefe fehen wir aber dadurch umgangen, dafi die Delphinmutter ihrem Sprofiling das Saugen erfpart, indem fie ihm die rahmartig dicke Mildi in den Mund fpri^t. Die Mildidriifen find duCerlich als Euter gar nicht fichtbar und niunden mit Ziijen in Tafdien aus, die als Spalten zu beiden Seiten des Afters gelegen find. In diefe Eutertafchen ftedien offenbar die jungen Delphine ihre fpi^e Schnauze hinein, um die mutterlidie Nahrung zu empfangen. Vom biologifdien Standpunkt intereffiert es immer zu erfahren, weldie Nahrung ein Tier aufnimmt und in welch er Art und Weife, denn gerade diefe Momente nehmen in bezug auf die Entwiddung und Formgeftaltung des Tierreidies den mdditigften Einfluft, ja fie find zweifelsohne vielfach mdditige Triebfedern fur den Ausbau und die Weiterentwiddung des Tierftammes gewefen, andererfeits ift im gleichen Sinne von eminenter Bedeutung, mit welchen Feinden die einzelnen Formen zu redinen haben. Den erften Punkt haben wir fdion oben beriihrt. Die Delphine als anfehnlich grofie Tiere und gewandte Sdiwimmer konnten uns als unumfdirdnkte Herrfdier des Meeres erfcheinen, und doch ift dies nidit der Fall. Es find die grofien Haififdiformen, die ihnen nadiftellen und die fie fi