- ----- === ==- vs-N 1X2- - «- 1. Gº AG | #Gºj Aſ ATB 7Xºº s Ö - - - - - - - - Ex= F ! Ä UN bºsſlºſ III Wº #H LIBRARYS ÄoF THE v«x: • • • EF / QST -G. ? F l S NSU RED WITH THE tauraj Graup “ARTFORD S9NNEericjj this Package is ſeceived by °ſy0ne other than the 90nsignee, please advise the Shipper or the insurance 90mpany. WAR N 1 NG The ºn-delivery 0f this Pärcel 0r ÄV part of its COIN- be fully investigatej and the PartieS "eSp0nsible therefor PT0Secuted 0 the ful extent of the law Curtze, Haximilian. 1. History of science. Reprints. CONTENTS. Analyse der handschrift R. 49. 2, Problematum Euclidis explicatio, der Konigl. gymnasial–bibliothek zu Thorn. 1888. Der Algorismus proportionum des Nicolaus Oresme. Zum ersten male nach „der lesart der handschrift R. 49. 2. der Koniglichen gymnasial–bibliothek zu Thorn heraus– gegeben. L 18683 Die mathematischen schriften des Nicole Oresme (circa 1320–1382) 1870. Einige materialien zur „geschichte der mathematischen facultat d=r alten Universität Bologna . . . „vom . . . Silvestro Gherardi . . . ºb=rsetzt von Maximilian Curtze. 1871. Analyse der - Handschrift R 4? 2, Problematum Euclidis explicatio, ' der Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von W - Cu tze.“ E. L. - M. ZG % - ordentlichem Lehrer am Königl. Gymnasium und wirklichem Mitglied des „Copernicus-Vereins für Wissenschaft und Kunst“ zu Thorn, ordentlichem Mitgliede des „Naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens“ zu Bonn und correspondierendem Mitgliede des „Natur- historischen Vereins für Anhalt“ zu Dessau. Separatabdruck aus der Zeitschrift für Mathematik und Physik. Supplementheft zum 13. Jahrgang. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Leipzig, Druck von B. G. Teubner. 1868. --- I n halt. - - - - - - Seite Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §. 1. Aeussere Beschreibung der Handschrift . . . . . . . . . . . 2 §. 2. 1. Stück: Euclidis liber de uisu . . . . . . . . . . . . . . 3 §.. 3. 2. Stück: Utrum uisio corporis que fit per radiorum reflexionem et refractionem possitesse equalis uisionique fit per rectam radiorum radiationem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 §. 4. 3. Stück: Joannis Peckkami Archiepiscopi Cantuariensis Perspectiue communis libri tres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 §. 5. 4. Stück: Postrema duo Theoremata libri de speculis Euclidis . . 12 §. 6. 5. Stück: Carastonis liber editus a Thebit filio Thore (Thabit ben Corra) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 - § 7. 6. Stück: Verba filiorum Moysi filii Schyr. id est Marmeti. Hameti. U Hasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 " §. 8. 7. Stück: Demonstratio Magistri Campani de figura sectore . . . 20 § 9. 8. Stück: Algorismus proportionum magistri Nicolay Orem . . . 21 S- §. 10. 9. Stück: Theoria motus longitudinum septem planetarum . . . . 35 §. 11. 10. Stück: Geometria Bradwardini . . . . . . . . . . . . . 37 §. 12. 11. Stück: Tractatus de continuo Bradwardini . . . . . . . . 41 Q §. 13. 12. Stück: Liber de ponderibus Jordani Nemorarii . . . . . . . 47 §. 14. 13. Stück: De latitudine formarum Magistri Nicolai Orem . . . . 48 § 15. Ueber die Handschrift R. Fol. 23 derselben Bibliothek und Schluss- bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Anhang: Einige Stellen aus dem Algorismus proportionum magistri Nicolai Orem nach der Lesart der Handschrift R. 4". 2 der Königl. Gymnasial- bibliothek zu Thorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 - Ueber die Handschrift R. 4? 2, Problematum Euclidis explicatio der Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE, ordentlichem Lehrer an dieser Anstalt. Durch einen Zufall wurde ich im Winter 1864–65 auf eine Hand- schrift der hiesigen Königl. Gymnasialbibliothek aus dem XIV. Jahrhun- dert aufmerksam, die im Kataloge der Bibliothek den Titel „Problematum Euclidis explicatio“ führt. Dieser Titel machte mein“ Neugier rege, und ein eingehendes Studium derselben liess mich ihre grosse Wichtigkeit für die Geschichte der Mathematik ahnen. Da mir jedoch damals die nöthige Literaturkenntniss nicht nur, sondern auch die technische Fertigkeit im Entziffern fast völlig abging, so war es mir erst im Sommer 1865 möglich, meine Entdeckung competenten Richtern mittheilen zu können und ihnen ein ungefähres Bild meines Fundes zu machen. Vor Allem war es der tiefste Kenner mittelalterlicher mathematischer Literatur, der Fürst Don Baldassarre Boncompagni in Rom, der mich veranlasste, eine ge- naue Analyse der ganzen Handschrift auszuarbeiten. Mancherlei Berufs- geschäfte und die grosse Schwierigkeit, die sich mir in der Beschaffung ausreichender literarischer Hilfsmittel darbot, – so war es mir z. B. un- möglich, eine Ausgabe der Geometria speculativa des Brad wardinus zu er- halten; ja selbst die Berliner Bibliothek besitzt nur die theologische Schrift desselben „De caussa Dei contra Pelagium et de virtute caussarum libri III“ – haben die Vollendung dieser Abhandlung länger verzögert, als ich es gewünscht. Ich hoffe jedoch, dass auch jetzt noch, nachdem eine kurze Notiz über die Handschrift gleich, nachdem ich zu dieser Arbeit angeregt wurde, in einem Provinzialblatte*) und hieraus abgedruckt in Grunerts Archiv*) erschienen ist, eine genaue Analyse nicht überflüssig sein *) Altpreussische Monatsschrift herausg. von Reicke und Wichert. Bd. 2. S. 457 ff. und S. 651 ff. *) Grunerts Archiv Th. 44. S. 371 und 501. 2 Ueber die Handschrift R.4?2, Problematum Euclidis explicatio, der dürfte. Sie wird mir Gelegenheit geben, manche falsche Conjectur, die in dieser Notiz mit untergelaufen, nach jetzt besserem Wissen zu berichtigen. § 1. Aeussere Beschreibung der Handschrift. Die Handschrift, um die es sich handelt, hat im Kataloge der Biblio- thek die Nummer R. 4 ? 2. und den Titel „Problematum Euclidis explicatio“. Sie besteht aus 222 Seiten in klein Quart, welche mit einer Pergament- schale zusammengeheftet sind. Die Seiten 1, 2, 207–222 sind ohne Pagi- nierung und auch mit Ausnahme von Seite 1 nicht beschrieben. Seite 3 – 206 aber sind von einer ganz modernen Hand mit den Zahlen 3–206 am äussern obern Rande bezeichnet. Der Codex enthält im Ganzen 13 ver- schiedene Stücke von grösserem oder geringerem Umfange. Der oben ge- nannte Titel schien mir anfänglich vollkommen incorrect – er befindet sich auch auf der Seite 1, aber von sehr moderner Hand, vielleicht durch den ersten Beschreiber unserer Bibliothek, Petrus Jaenichius (Jae- nichen), im Jahre 1723 hinzugefügt –, da ich einige wirklich Euklidi- sche Stücke der Handschrift zuerst verkannte; jedenfalls wäre ein anderer vorzuziehen. Die Schriftgattung des Manuscriptes ist die gewöhnliche des XIV. Jahrhunderts, zum Theil durch die Abbreviaturen sehr unleserlich, Vielfach sind auch Randglossen von derselben Hand vorhanden, überhaupt ist das Manuscript von einer und derselben Hand geschrieben. Auf der äussern Seite des vordern Umschlags findet sich ein, wie es scheint, nur um ein Geringes jüngerer Titel in gothischer Schrift: Perspecliua item Geometria Brasnardini (sic!) w. p. v. a. – Ein ähnlicher Titel, der dem Ende des XV. Jahrhunderts anzugehören scheint, findet sich auch auf der Seite 1. Er lautet: hoc liber 10“ compleclitur plures tractatus perspectiue et geometriam Bradnardini etiam de latitudine/ormarum. Die Lehrsätze und Aufgaben sind zum grössten Theile bis Seite 128 in grösserer Schrift ge- geben und nachher mit Roth unterstrichen. Auch die Initialen sind 1oth geschrieben und die Anfangsbuchstaben der Zusätze und Absätze roth durchstrichen. Von Seite 128 an fehlen die Initialen gänzlich, und zuletzt ist auch der Unterschied zwischen den Theoremen und dem Texte fallen gelassen. Nur das zweite Stück und der Tractatus de continuo Bradwardini sind ohne zugefügte Figuren. Sonst besitzen alle übrigen Stücke des Ma- nuscriptes dergleichen in mehr oder weniger guter Ausführung. Am innern Rande werden die einzelnen Theoreme mit arabischen Ziffern numeriert in der um jene Zeit üblichen Form. Ein paar deutsche Sprüchworte, die sich auf der innern Seite des vordern Umschlags und auf Seite 1 finden, über- gehe ich als für meinen jetzigen Zweck unwesentlich. Wen dieselben in teressieren sollten, findet sie an den beiden oben citierten Orten. Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTZE. 3 ------ § 2. Erstes Stück: Euclidis liber de uisu. Seite 3–30 umfasst zunichst einen der auf dem Titel erwähnten Tra- ctatus Perspectiue, dem freilich die Einleitung fehlt und ebenso das Ende. Dieser Mangel der Einleitung in Verbindung mit dem Umschlagstitel Per- spectiua item geometria Brasnardini liessen mich lange diese Abhandlung für eine bis jetzt völlig unbekannte Perspective dieses berähmtesten Mathema- tikers des XIV. Jahrhunderts halten. Bestäkt wurde ich in meiner Mei- nung noch durch zwei Handschriften, die Montfaucon.”) als im Besitze der Bibliothek des Vatican befindlich angibt, so dass ich siegewichtigen Autoritäten gegeniiber in der oben angezogenen Notiz für bradwardinisch festzuhalten mich berechtigt glaubte. Um mir jedoch Gewissheit zu ver- schaffen, wandte ich mich an Fürst B on compagni mit der Bitte, in der Bibliothek des Vatican nach den beiden Handschriften Montfaucon s : Tractatus de Geometria Perspectiua autore Guilielmo Bruduardino und Guillemi Pradwardin Geometria et Perspectiua machsuchen zu lassen und mir das Re- sultat mittheilen zu wollen. Der Fürst mit seiner bekannten Liberalität beauftragte Herrn Enrico Narducci mit der Untersuchung, und dieser geschätzte Gelehrte ibersandte mir die nachfolgenden Zeilen in Betreff dieser, Codices, die ich auch wegen späteren Gebrauchs hier abdrucken lasse: Rome, 29 movembre 1865. Monsieur, Ayant requ de M. le prince B on compagni la commission d'examiner quelques manuscrits de la Bibliothèque du Vatican, a l'aide desquels pouvoir repondre aux questions qui se trouvent dans votre lettre du 15 no- vembre 1865, c'est avec plaisir que je m'acquitte de cette commission en vous écrivant ci-après les résultats de ces recherches. Les deux manuscrits indiqués par Montfaucon (Bibliotheca Biblio- thecarum Manuscriptorum nova, Paris, 1739, T. I. p. 38 et 88) existent encore dans la Bibliothèque du Vatican, et sont actuellement cotés Regina Suecorum nº 1235 et 1253. Seulement il y a confusion dans les titres, car aucun deces deux manuscrits, ni aucun autre manuscrit de la méme biblio- thèque (ainsi que j'ai pu m’assurer en examinant les catalogues manuscrits) ne contient aucun exemplaire d'une Perspectiua, portant le mom de Brauar- din, Braduardin, Bruduardin ou Wradwardin pour auteur. Le premier des deux manuscrits ci-dessus mentionnés, c'est-à-dire celui coté Regina Suecorum n° 1235 est in 42 p?, de 67 feuillets en parche- *) Montfaucon, Bibliotheca Bibliothecarum Manuscriptorum nova. T. 1. Paris, 1739. Fol. p. 38 und 88. Man vergleiche: Heilbronner, //istoria Matheseos //niversae Lipsiae, 1724. 4. p. 543 und 544. 4 Ueber die Handschrift R. 4, 2, Problematum Euclidis explicatio, der -- - --- - - min, dont les 1-4", 67° me sont pas numérotés mi écrits, et les 5% – 66% sont numérotés dans les marges supérieures des rectos avec les chiffres 1–62. Les feuillets numérotés 1–31 de ce manuscrit contiennent un exemplaire de la géométrie de Brauardin. Cet exemplaire commence (feuil- let 1 recto, lig. 1–8): ,,Geomet Ra ºpepºd (sic!) | guillemi braduadini*)| 96 Romet'a asseculiua est arismet'ee ºadmodu rhetoº dyaletice. nam et ºposteri'ois Est et nuº passiones maſtudinib. | deseruiat pp. 4d. euclides geo- sºmetel arismeteam intposuit *et finit (feuillet 31 perso, lig, 17–19): ...au ci, weſi arcu de zoº oi't qugs plus quº plus ºngs m” de eq nocciali c'culo sº 9ticº , phane 9” euidenter re e finis nri opis t 3." Tout cela correspond ex- actement, à quelques variantes près, a l'édition , Geometria speculatiua Thome brauardini, etc. impressa parisi' etc. Anno dmi 1495. die 20. may “, depuis le commencement jusqu’à la ligne 9 du verso de l’avant-dernier feuillet. S'ensuitent dans l'édition et manquent dans le manuscrit 12,4 Re- collectio oim proportionum numeralium “ 22, Tractatus de quadratura circuli editus a quodam are:eviscopo ordinis fratrum minorum.” La note suivante, écrite à l'encre rouge dams le feuillet 31 verso, lig. 20–22, nous donnel'âge du manuscrit: , Explicit geometa venerabilis docto is eſri gni bradwardin ano apicº |.cccſ. Lacacaºj In vigilia natitatis ºpi." L'écrit anonyme qui suit dans le même manuscrit (feuillets 32–62) est réellement la Perspective de Jean Peckkam, archévéque de Cantorbéry. Cet écrit commence (feuillet 32 recto, ligne 1–3): , phisice perspectiua |INter phyce 9sideracois studia lua ſociadius afficit meditantes", et finit (feuillet 62 verso, lig. 44 et dernière): ..eade roe i pi appete explict GeometRa pspºtiua"; ce qui correspond a tout ce qu'on lit dans l'édition intitulée: Jo. Archiepiscopi Cantuariensis Per- spectiua communis. -- Impressum hoc opus Venetiis per Jo. Baptistam Sessam. Cal. Junij || MCCCCIIII. Diligentissime emendatii. Per L. Gauricum Neapoli- tanum “ (feuillet 2 recto, ligne 5 jusqu'au feuillet 19 verso, ligne 41) c'est- à-dire le traité entier, sauf des variétés de mots. ,,Le manuscrit coté Regina Suecorum 1253, qui estle second des deux manuscrits cités ci-dessus, estaussi en parchemin, in 4% pº de 77 feuillets, dont les 1", 2', 77° me sont pas numérotés mi écrits, et les 3°–76° sont numérotés dans les rectos avec les numéros 1-74. Il est de plusieurs écri- tures, quiparaissent toutes du commencement du XIV" siècle. Les feuillets 34–61 contiennent un exemplaire complet, peut s'enfaut, de la Perspective de Peckkam. Cette exemplaire commence (feuillet 34 recto, ligne 1–3): ,, R. . . pacham, allºtte (sic!) albmaco (?) psp”)|INter phice 9sio’ationis *) Les mots , guillemi braduadini “ sont d'une main différente et beaucoup olus moderne. º **) Ce titre a €té joint posterieurement. Malheureusement un relieur igno- ant a emport& la partie supérieure des mots formant ces titres; ainsi que d'autre Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTZE. 5 - - - - - -- ,studia lua iocădiº affic meditates"; et finit (feuillet 61 verso, lig. 28–29): *% à falso dnr de yride mºtu pºst |p h pi hº lapidib; 9teplam” ce qui cor- respond a tout ce qu'on lit dans l'édition indiquée dans la ligne 25 de la page 4 (feuillet 2 recto, ligne 5 jusqu'au feuillet 19 verso, lig. 21 –22). Ce qui suit dans les lignes 23–41 du méme feuillet 19 perso est aimsirécapitulé dans le manuscrit (feuillet 61 perso, lig. 29–32): ,,4 Gnatom syridis cathaclism, exclude ºf Luce solars t sid’ale pspicuol puro effice »galawiam r Quidam i hpho 9tradice' non uerentuk". — Les feuillets 70–74 du méme manuscrit contiennent un exemplaire du Liber Karastonis. Cet ex- emplaire commence (feuillet 70 recto, lig. 1–4): ,, c0ntinuet deus 9Fuatione tuá st mºtºplicet ea salute portione tuit no puer ego germane qualis tu esqui abstégit sºmetes cum inquisitione sua t eaccitat aim ad speculand’ “; et finit (feuillet 74 recto, lig. 30–31): , t facit te vid’e locit restitutors t facit te cognosce’ casu ., erroris || Finitus Est liber Karastonis." Cette lection est conforme a celle donnée par M. Steinschneider (Intorno al liber Karastonis. Lettera di Mauri- Rio Steinschneider a D. Baldassarre Boncompagni. Roma 1863; page 8) du commmencement et de la fin du Liber Karastonis, d'après un manuscrit con- servé dans la Bibliothèque du Couvent de S. Marc de Florence (feuillets 112 verso – 119 recto). M. Steinschneider dams son opuscule ci-dessus mentionné, a l'appui de documents, croit, que ce liber Karastonis soit une tra- duction faite par Gérard de Crémone d'après l'original arabe (c) a jº -º) de Thabit ben Corra. “ Die weiteren Worte sind ohne Interesse für das Folgende, weshalb ich sie hier iibergehe. Nach dem Mitgetheilten ist der Irrthum Montfau- cons in Betreff des ersten Manuscriptes Regina Suecorum 1235 leicht zu entschuldigen, da Anfang und Ende desselben in den Worten Geometria Perspectiua bestehem. In Betreff des zweiten Manuscriptes Regina Sueco- rum 1253 ist freilich die Möglichkeit eines Irrthums beinahe ausgeschlossen, obwohl die Blätter 1–33 desselben, deren Inhalt oben nicht mit angegeben ist, denselben vielleicht noch involvieren können. Jedenfalls hoſte ich Andere durch das Obige vor meinem Irrthum zu bewahren. Während des Druckes dieser Abhandlung erhielt ich durch die Güte des Fürsten B on compagni noch Nachrichten über einige Handschriften der Vaticana, aus demen erstems hervorgeht, dass das Manuscript Regina Suecorum 1253 gar nicht das Manuscript ist, welches Montfaucon a. a. O. p. 88 citiert, sondern ein anderes, das auf p. 25 desselben Werkes ange- führt wird. Das wahrscheinlich mit dem auf S. 88 auſgeführten identische Manuscript der Vaticana, dessen Katalognummer ist: Codea. Vaticanus 3102, titres très-interessants, car ils faisaient connaitre les ouvrages auxquelles ils so rapportaient. - - 2 6 Ueber die Handschrift R.4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der enthält nun aber wirklich von Blatt 110" Zeile 26 – Blatt 111" Zeile 13 eine Perspective, die dort dem Bradnardin zugeschrieben wird. Es heisst nämlich Blatt 110 Zeile 25–26: „Explicit Geometa brauardi e Quadrata circuli Incipit pspetia eigdem. Ueber den Inhalt kann ich leider, da ich die weitere Auskunft noch nicht erhalten habe, Näheres nicht angeben. Aus der Abhandlung Steinschneiders in der „Zeitschrift für Mathematik und Physik“ X. Jahrg. S. 456–498: „Die mittlern Bü- cher der Araber und ihre Bearbeiter“, fand ich jedoch bald, dass die fragliche Perspective nichts Anderes sei, als die Optik des Eukli- des, die unter dem Namen Euclidis liber de uisu sich in lateinischer Ueber- setzung in hunderten von Manuscripten des Mittelalters findet. Unter die- sem Titel ist unser Werk auch in dem zweiten Stücke der Handschrift wört- lich citiert. Zur Vergleichung stand mir nur die Pariser Ausgabe von 1557 zu Gebote: Euclidis 0plica et Caloptrica é Greco.uersa per Ioannem Penam Regium Mathematicum etc. Parisiis Ex Officina Andreae Wecheli. 2 Bll. und 64 S. 4? Was ich Abweichendes gefunden habe, werde ich nachher mittheilen. Jetzt zunächst die Bemerkung, dass Steinschneider im Irr- thum ist, wenn er in der citierten Abhandlung S. 467 Zeile 19 von oben der Optica und Catoptrica zusammen 64 Figuren gibt, da diese Zahl der Optik allein zugehört. Unser Manuscript beginnt Seite 3, Zeile 1–2: „SUpponatur ab oculo eductas lineas rectas ferri spatiorum magnitudinem et mensurarum“; das heisst, es fehlt die ganze Einleitung, die in andern Manuscripten vorhan- den ist, und es beginnt also bei uns das liber de uisu sogleich mit den The- sen. Von diesen zähle ich 13. Die erste bis achte stimmen mit den Thesen der Pariser Ausgabe, unsere neunte ist dort die elfte, unsere zehnte dort die zwölfte. Auf sie folgen bei uns noch folgende drei Thesen: 11. Omnes uisus equeveloces esse qui secundum equales angulos defini- untur; 12. Non autem sunt equeveloces qui secundum inequales lineas definiuntur: 13. Won sub quocunque angulo rem uideri. Die Thesen 9 und 10 der citierten Ausgabe von 1557 fehlen bei uns voll- ständig. Bei den nun folgenden Theoremen ist es merkwürdig, dass die meisten neben dem mehr oder weniger zutreffenden Wortlaut genannter Edition jedesmal noch einen anders gefassten Ausspruch desselben Satzes in sich schliessen. So heisst z. B. der erste Satz bei uns: „Nullum uisorum simul lotum uidetur. In eodem momento.non uider plura“, während der Pariser Druck einfach als Theorema I aufführt: Nullum aspectabile simul totum cer- mitur. Mit dieser Eigenthümlichkeit hängt es wohl auch zusammen, dass zum grössten Theile bei uns die Beweise bei weitem ausgedehnter sind, als in dem gedruckten Exemplare. Die Figuren stimmen fast immer mit der Ausgabe, nur sind an Stelle der griechischen Buchstaben entsprechende lateinische getreten. Bis Lehrsatz 6 stimmen beide Ausgaben; Lehrsatz 7 Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Vom MAxiMILIAN CURTZE. 7 - - - der Handschrift fimdet sich nicht im Druck; bis Lehrsatz 16 bei ums stimmt danm wieder der um je eins miedrigere Lehrsatz bei P en a; Satz 17 ist wie- der beidem gemein ; 18 fehlt im Druck; 19—25 entspricht 18—24 der Aus- gabe; Satz 25 in dieser fehlt bei uns; damn ist wieder 26 — 29 in beidem Redactionem gleichlautemd. Satz 30 im Manuscript fehlt im Druck ; 31— 38 ist gleich 30—37. Satz 38 des Druckes fehlt bei uns; Theorem 39 stimmt beiderseitig. Der Satz 40 ist bei uns zweimal gezählt; 40* ist gleich 40 der Ausgabe, 40', 41 respective gleich 44, 45 der Editiom ; 42 bei uns fehlt ganz bei P en a; 43—45 ist gleich 41—43 der Ausgabe. Der Satz 46 entspricht sich wieder in beidem Exemplarem; 47 entspricht dem Satze 49. Die Sätze 47 und 48 der Edition fehlen ums also völlig, dagegem ist unser Satz 48 bei P en a nicht vorhanden. Die Sätze 49—59 endlieh entsprechem dem Sätzen 50—60 des Pariser Druckes. Satz 61 der Ausgabe fehlt uns völlig und auch Satz 59 lautet bei uns Seite 29 Zeile 39—41 bis Seite 30 Zeile 2: ,,Si tetragoni contactis dyametrorum ad rectos trahatur recta in ipsa uero oculus ponatur latera tetragoni equalia apparebunt et dyametri equales apparebunt. Esto tetragonus .a. b. g. d. et protrahentur in eo dyagoni .d. b. g. a. et protrahatur perpendicularis ab .c. puncto empipedo eleuata recta .e. in qua oculus .m. iaceat et accidant radij.m. a. m. b. m. d. m. g.“, das heisst, es ist mittem im Beweise abgebrochen. Auf der Seite 30 würde aber gerade Raum genug sein, dass der vollständige Beweis und der fehlende letzte Lehrsatz der gedruckten Ausgabe noch Platz fimdem würdem. § 3. Zweites Stück: UTrum uisio corporis que fit per radiorum reflexionem et refractionem possit esse equalis uisioni que fit per rectam radiorum radiationem. (Seite 31 Zeile 1—2.) Das Stück erstreckt sich von Seite 31 Zeile 1 bis Seite 33 Zeile 31 umd endigt (Zeile 29—31): 0mnis piramis est angulata igitur omnis pyramis est laterata quia anguli non sunt sine lateribus. aus patet quia omnis pyramis habet conum et basim. IDem Verfasser zu ermittelm, ist mir nicht gelungen; mit grösserer Wahrscheimlichkeit lässt sich die Zeit der Abfassung bestimmem. Auf Seite 30 Zeile 32—37 werdem nämlich als Beweismittel citiert: 1. Eu- clidis liber de uisu, wie schon oben angegeben wurde; 2. Witilo, Perspe- ctiua lib. 3. prop. 1S*); 3. Ba c o m, Cap. 2 distinct. 6.; 4. Joh. de pysano p. I. *) Es sei mir erlaubt, über diesem berühmtem Optiker, der freilich unter dem Namen Vitellio bekannter ist, hier in längerer Anmerkung einige Bemerkungem zu machem. Herr Prof. C a m t o r in He id elb e rg, am dem ich mich ebenfalls wegem der Handschrift gewandt und ein in derselbem abgezeichmetes Auge mit eingelegt hatte, sprach in einem Briefe vom 3. August 1865 die Vermuthung aus, dass etwa dieser Gelehrte der Verfasser der darim enthaltemem Perspective sei. Wenn dies sich auch nicht bestätigte, so ergab sich doch bei dem Nachforschungem, •) * 8 Ueber die Handschrift R. 4, 2, Problematum Euclidis explicatio, der - - - prp. 40, über welches letztere Werk wir gleich machher zu handelm habem. Witelo und Joh. Peck kamus werdem auch auf Seite 31 am mehrerem die der Custos der Königl. und Universitätsbibliothek zu Königsberg, Herr Dr. R. Reicke, für mich anzustellem die Giite hatte, dass es vielleicht möglich sei, dieser Optiker Vitellio sei ein geborner Thorn e r. Im der Widmung seines Werkes mämlich sagt er: Veritatis amatori fratri Guilelmo de Morbeka JPitelo filius Thuringorum et Polonorum cet. Num meint Freytag, Analecta litteraria de libris rario- ribus Lipsiae 1750. 8o S. 978, mam miisse hier für Thuringo-Polonus lesem Thoringo- Polonus und dies solle heissem Thorunii natus, d. h. in Th o r m geborem. Dass diese Ansicht eime blosse Conjectur, ist wohl schom daraus sicher, dass zu Lebzeiten des Witelo (Mitte bis Ende des Saec. XIII) Thorn als Stadt noch gar hicht existierte, ausserdem wiirde es damn auch Thorunius statt Thoringus heissem miissem. Die Widmung aber in Verbimdung mit einer Stelle im Xtem Buche, mämlich Theorema LXXIV: Quoniam enim non est possibile solis uel lunae (quorum solum modò corpo- rum, ut 70 th. huius diacimus, radij iridem faciunt) centra in horizonte eæistere, nisi in oriente uel occidente, in nostra terra, scilicet Poloniae, habitabili, quae est circa latitu- dinem 50 graduum cet., hat die Polem veramlasst, dem Witelo als eimen der Ihrigem zn reclamierem. Sie haben sogar 'eine vollständige Geschichte seines I.ebens com- struiert, dass er bei Krakau eim Observatorium gehabt u. s. w., obwohl wir über seine Lebensumstände mur auf eimige dürftige Nachrichten seines Werkes ange- wiesem sind. Fast alle Schriftsteller, die über Geschichte der Optik geschrieben, habem der //istorya literatury Polskiey des F elix B emt ko w ski, Warschau und Wilma 1814. 8°. 2. Band S. 296, 297, eimfach nachgeschriebem, ohne sich auf eigne Untersuchungem einzulassen. Nach Bentkowsky ist Vitellio — diese Namens- form mussten sie nothwendig beibehaltem, um ihre Sache zu stützen — eime blosse Uebersetzung des polnischem Wortes Ciołek, was Kalb bedeutet und gleichzeitig der Name eimer der berühmtestem polnischem Adelsfamilien ist. Num haben aber die ältestem Handschriftem niemals diese Form Vitellio, sondern wie schon Pogg e n- dorff, biogr.* litterar. H and wörterb u ch zur G e sch. d er ex a c t em Wis- sens ch. Bd. lI. Sp. 1212, bemerkt hat, stets entweder die Form Witilo oder Witelo. Unsere Handschrift z. B., die von 1859 datiert ist, hat viermal die Form Witilo deutlich ausgeschriebem. Auch Fürst B o n c o m p agni besitzt in seiner reichen Mamuscriptsammlung Nr. 358 einem Pergamentcodex dieser Optik aus dem XIV. Jahrhundert. In diesem heisst es nach der Beschreibumg des Herrn N a r . du c ci (Catalogo di manoseritti cet. p. 167 Zeile 16—18 und Zeile 24—25): ,,€I Incipit prologus in primum Librum perspectiue. Eritatis amatori /ratri Vilhelmo de morbeka Witelo filius thuringorum et colonorum cet.“ und ,, Incipit liber X* continus (sic) et sine eaeceptionis de perspectiua demonstrata. Magistri Guittelonis“. Beidemal also habem wir auch hier die Form Witelo, denm auch das zweite Mal steht, wie somst immer im Lateinischen, Gu fiir }'. Auch von dem 6 Handschriftem, die Heil- brommer a. a. O. auffiihrt, haben drei die Form Witelo oder Wytelo für dem Na- men des Verfassers, die deshalb auch von ihm nicht dem Vitellio zugetheilt werden. Von den drei übrigen ist es ebenso ungewiss, ob der Titel der Hand- schrift mit der Form des Namens in derselbem übereinstimmt, da z. B. auch die Handschrift des Fürsten Boncompagni den Katalogtitel Vitellionis Optica führt, obwohl die daselbst angewendete Namensform Witelo ist. Von dem beidem Hamd- schriftem der PVaticana: Codeae J^atic. Urbin. 265 und Cod. J^at. Urbin. 296 hat nach giitigen Mittheilungem des Fürstem Boncom p agni der erstere die Namensformem v i Wytelo und Uitello; im zweitem steht einmal Bitelo, am zweiter Stelle Witello, doch macht Herr Nardu c ei dazu die Bemerkung: Il est à observer qu'on lisait aupara- Rönigl. Gymnnsialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE. 9 - - Stellen citiert. Nun lebten Witelo, Bacon und Peckkamus simmtlich am Ende des XIII. Jahrhunderts, so dass also das uns vorliegende Stick nicht vor Anfang des XIV. Jahrhunderts verfasst sein kann. Was jetzt den Inhalt ambetrift, so wird zuerst behauptet, gebrochne und reflectierte Strahlen gàben mehr Licht als directe Strahlen. Der Ver- fasser fihrt als Beweis an, 1. dass viele Menschen durch Gläser lâsen, die bei directem Lichte nicht lesen könnten; 2. dass die Schreiber, die bei einer Kerze in einem leeren Zimmer schreiben wollten, die Kerze vor einen Spiegel stellen, um dadurch das Licht zu verstirken. Er sagt dann, er volle in der Art vorgehen, dass er zunichst Definitiones, 2. aliquas distinctio- nes, 3. aliquas petitiones, 4. conclusiones cum suis corrolariis setzen will., und dann 5. redire ad rationes proponentis. Seine Definitionen beziehen sich auf vant,witelo et qu'on a corrige beaucoup plus tard vitello“. Das Manuscript 265 ist aus dem XIV., das Manuscript 296 aus dem Anfange des XV. Jahrhunderts. Wir finden also hier ebenfalls nur die Form witelo. Auch F. Riesner verbessert die von den ersten Ausgaben 1533 und 1551 gegebene Namensform Vitellio in seiner Ausgabe von 1572 in Vitello, wahrscheinlich, da er mach seiner Angabe alle Ma- nuscripte benutzte, weil diese die Form Vitelo oder ihnliche darboten, obwobal er den Verfasser selbst als Polen betrachtet. Dagegen macht die Form Vitelo es sehr wahrscheinlich, dass unser Optiker ein gebormer Thiringer war. Dieser Name ist nimlich im XIII. Jahrhundert einer der verbreitetsten in Thüringen, so dass man fast keine Urkundensammlung aus jener Gegend und Zeit aufschlagen lzann, ohne auf eine der Formen Vitilo, li itulo, li idilo, Videlo, Vidulo (abge- leitet als Diminutiv von M'ido oder Vito) zu stossen, und dieser Name ist also bestimmt ein deutscher. Wire Witelo ein Pole, so wiirde sicher filius Polono- rum et Thuringorum stehen miissen. In diesem Wahne befindet sich z. B. Ber- nardino Baldi – auch Riesner dreht in seiner Vorrede die Reihenfolge um, damit er um so eher sich fiir seime polmische Abkunft entscheiden könne – in dem bis jetzt noch nicht veròffentlichten Werke De le vite de' Matematici, von wel- chem das Original im Besitze des Fürsten Boncompagni sich befindet, und von dessen carto 106-107 ich eine genaue Abschrift besitze, die gerade die Le- bensbeschreibung des Vitelo enthalten. Er sagt mimlich gleich zu Anfang: leggendovisi con modo barbaro figliuolo de Poloni e de Turingii, kehrt also das wirk- lich Vorhandene geradezu um. Nachdem er sich aber im Allgemeinen für die polnische Abkunft ausgesprochen, gibt er doch zu: Può essere anco che non egli ma chi fece l'inscrittione al opera lo chiamasse figliuolo de Poloni e de Thuringi per crescer gloria a quelle nationi; ovvero que, s'egli fu que lo fece, s'inducesse a ciò per acquistarsi la gratia d'ambedue quei popoli; o forse perché egli nascesse in Turingia e fosse allevato in Polonia, overo per il contrario nascesse in Polonia e fosse allevato fra i Turingii. Schon Regio montan und dessen Schüler Walther nemmen denselben noster Vitellio Thuringus, sind also bestimmt der Ansicht, einen Thüringer vor sich zu haben. Die Stelle im 10. Buche, die ieh oben habe abdrucken lassen, wiirde doch nurso viel beweisen, dass er bei Abfassung seines Werkes vielleicht in dieser Gegend gewesen sei, und dass man, um in Polen zu leben, nicht dort geborenzu sein braucht, ist wohl selbstverständlich, noch dazu, da es grosse Wahrschein- lichkeit hat, dass Witelo ein Geistlicher gew eseu, der also dabin gehen musste, wohin seine Obern ihn schickten. 10 Ueber die Handschrift R. 4, 2, Problematum Euclidis explicatio, der - --- - - Visio recta, die mach den kürzesten Linien ins Auge gelangt, Visio refleza, bei der die Perception sowohl durch einfallende als reflectierte Strahlen geschieht, Visio refracta, bei der ebenfalls die Wahrnehmung durch directe und gebrochne Strahlen gleichzeitig geschieht. Distinctiones sind folgende: Visus vera, wenn die Sache selbst in die Augen fållt; Visus ficta, wenn nur ein Abbild gesehen wird. Petitiones hat er drei. 1. Per fortiores radios certius uideri. 2. Radium oblique incidentem diuersarum densitatum medijs refringi. 3. Speciem in spe- culo apparentem reflexe uideri. Es folgen die conclusiones. 1. Omnis uísio fit mediante pyramide cuius conus est in oculo et basis in re uisa. Dazu das Corrolar: Duo in equalia pos- sunt apparere equalia. 2. In ulsione que ſit per radiorum refractionem uel re- flewionem radiorum ſit notabilis deceptio et error, und der Zusatz Visio de rebus per radios fractos uisis debiliter fieri. 3. Visionem que ſit per radios rectos uísioni que fit per radios refractos et reflecos esse certiorem, mit dem Corrolar Visio que fit per radium rectum non est equalis uísioni que fit per ra- dium refractum uel reflexum; d. h. die aufgestellte Frage wird verneint. Jetzt beginnt der fünfte Theil, der sich nur damit beschäftigt, Alles, was bis dahin bewiesen zu sein schien, als falsch nachzuweisen. Der Ver- fasser geht hier den umgekehrten Gang und wendet sich zunichst gegen die 3" conclusio und so rickwärts weiver \\s zu \ew \\sºwevowev. Wesex fünfte Their der Abhandlung ist der interessanteste, und es scheint dem Verfasser gelungen zu sein, die scheinbar von einem Andern aufgestellten Sätze zu entkräftem. § 4. Drittes Stick: Joannis Peckkami Archiepiscopi Cantuariensis Perspectiue communis libri tres. Seite 34 ist leer geblieben. Von Seite 35 bis 68 Zeile 20 folgt damn das eben genannte Werk, das im Mittelalter für classisch galt, und das auch in einer grossen Anzahl von Handschriften und Ausgaben existiert. Die älteste mir bekannte ist ohne Ort und Jahr circa 1490 erschienen und vor ungefähr 2 Jahren von der Friedländerschen Buchhandlung in Berlin ange- zeigt worden. Ehe ich mir dieselbe aber verschaffen konnte, war sie schon anderweitig verkauft. Dann kommen 2 Ausgaben im Jahre 1504 zu Leip- zig impressa arte et sollertia Martini Herbipolensis und Penedig impressa cura J. B. Sessa. (Letztere schon oben in dem Briefe Narducci's erwähnt.) Ich selbst habe zur Vergleichung nur eine Ausgabe Coloniae Agrippinae MDLXXX 48 Blatt. Ausserdem kenne ich noch zwei Kölner Ausgaben von 1592 (Narducci, Catalogo di Manoscritti p. 112, Zeile 7–10) und 1627 (Kästner, Geschichte der Mathematik Bd. 2, S. 270). Auch in Nürn- berg sollen mach Montu cla mehrfache Ausgaben erschienen sein. In allen diesen Editionen und den besonders håufigen Handschriftem ist der Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Vom MAxiMiLiAN CURTZE. 11 - - - - Name des Autors und der des Bischofssitzes vielfach verdreht, so dass daraus bei dem Schriftstellern über Geschichte der Mathematik grosse Ver- wirrung entstandem ist. Ich habe mir z. B. die Formem motiert: P e cha- mus, P ech ebam, Peth a mus, Pisanus, Path h an, Pi chanus, Pet- sam *); Camera c e m sis für Cam tuariem sis. Durch Vergleichung der Ausgaben kam aber schon Mo m tu cla zu der Ueberzeugung, dass alle diese verschiedemen Formem eim umd demselbem Mamm bedeutem solltem, nämlich dem Erzbischof von Cam te r bury, Joh a m m es P e ck ka m u s. Derselbe ist mach Cave **) zu Chich e ster im südlichen England geborem vom miedri- gem Eltern. Da er einsah, dass es ihm schwer fallen würde, in seinem Va- terlamde sich hervorzuthum, gimg er mach Paris, beendigte dort seine Stu- diem und kehrte damn erst nach England zurück. Hier hielt er in Oxford mit solchem Beifall Vorlesumgem, dass er vom seinem Ordensbrüdern, dem Franciscamerm, zum Provincial für England gewählt wurde. Er blieb aber nicht lange in England, somdern wandte sich wieder mach Paris und von dort mach L ei d e m, wo er sich die Ca m o mikats wiir de erwarb. Vom hier begab er sich mach Ro m und wurde dort bald als L e ctor Palatimus am- gestellt. Als bald darauf der Erzbischof vom Camterbury, R ob ert Kil- w arby, die Cardinalswiirde erhielt, wurde P e ekkam gegem dem Willem des Capitels, wie es scheint durch Simonie, vom Papste zum Erzbischof vom Canterbury geweiht am 6. März 1279. Gleich mach seiner Inthroni- sation musste er wenigstems bei Strafe des Bammes 4000 Mark mach Rom semdent, wie Cave a. a. 0. mittheilt. P e ckkam starb am 8. December 1292. Das Datum seiner Weihe und seimes Todes verdanke ich dem Ober- bibliothekar Prof. Dr. C. Hopf in Königsberg, der mir überhaupt bei meinem Studiem sehr förderlich gewesem ist. Unser Manuscript beginnt (Seite 35 Zeile 1—3): Assit principio sancta maria meo l INter phisice considerationis studia luae iocundius afficit meditan- les | inter magnalia mathematicorum certitudo demonstrationum preclarius eac- tollit investigantes ; und emdigt (Seite 68 Zeile 15—17): Que autem dicuntur | false de yride multum possunt refelli per hoc quod in huius lapidibus | contem- plamus. Das in allem Ausgabem und dem meistem Handschriftem danm Fol- gemde ist gerade so wie in der obem vom Herrm Nar d u c ci erwähntem Handschrift des Vaticam, Regina Suecorum 1253, in folgender Weise zusam- nemgefasst (Seite 68 Zeile 17—20): Generationem yridis cathaclismum eae- cludere. | Lucem solarem et siderabilem in perspicuo puro efficere | Galaaciam. Quidam in hoc paragrapho contradicere non verentur.|| Eaeplicit e amen deo gra- cias. Soweit ich somst verglichem habe, stimmem sämmtliche Propositiones *) Auch den Anfamg des Manuscriptes Regina Suecorum 1235: phisice perspectiua bim ich geneigt so zu verstehem, dass phisice eine Verdrehung, vielleicht vom Pi- sanus sein soll. **) Cave, Scriptorum Ecclesiastic. //istoria literaria, Genevae 1705. Fol. p. 647 12 Ueber die Handschrift R. 4º 2, Problematum Euclidis explicatio, der -------- unserer Handschrift mit der oben citierten Ausgabe iberein. Das liber I enthält S4 propositiones, das liber II 56 propositiones, endlich liber III 21 prop., weil die in den Ausgaben getrennten letzten beiden Lehrsitze in unserem Manuscript als Ein Satz gerechnet werden und mit 21 numeriert sind. S 5. Viertes Stick: Postrema duo Theoremata libri de Speculis Euclidis. Von Zeile 21–42 derselben Seite 68 finden sich mun, merkwürdig genug, noch die beiden letzten Lehrsätze der Katop trik oder des liber de speculis des Euclides, nimlich: 1. Possibile est speculum construi et in eodem apparere plures facies, has quidem maiores illas uero minores, has quidem pro- pius illas uero longius et hic quidem deatras illic uero sinistras. 2. Ea concauis speculis ad solem positis ignem accendere. Sie weichen ebenso, wie ich dies oben vom liber de uisu gesagt habe, ziemlich bedeutend von der Pariser Ausgabe von 1557 ab. S 6. Fiinftes Stick: Carastonis liber editus a Thebith filio Thore. Dieses Werk, iiber welches Steinschneider in den Annali di Mate- matica (T. V. No. 1. Gennaio 1862) ausführlich gehandelt hat, erstreckt sich in unserem Codex vom Seite 69 Zeile 1 bis Seite 73 Zeile 24. In Be- zug auf das von Steinschneider Mitgetheilte kann ich mich einfach auf ihm beziehen. Ich notiere hier zunichst nochmals seine Ergebnisse, wie er sie auf Seite 6 und 7 des durch Boncompagni besorgten Separatoruckes gemannter Abhandlung zusammenstellt: 1. U)» -gº vuol dire bilancia, la voce araba è d'origine greca, ma la voce greca è ancora da trovarsi. – Senza arrischiare una congettura certa, lasciando questo ai filologi classici, voglio soltanto accennare, che questa voce era forse primamente usata nel Siriaco, e que la voce greca è forse composta di getg mano? – E vero che il traduttore latino scriveva caraston con due a, leggeva - - dunque ex-º; ma gli arabi amano la vocale a, e non di rado hanno pronun- ciato le consonanti d'una voce esotica con qualche vocale, che i traduttori latini hanno poi espresso colla vocale a, quando non trovavano la vocale indicata nel loro testo. Cercando dunque il suono greco, è da tenersi alle consonantiº). 2. Già esistevano almeno 4 opere trattanti della bilancia, vale a dire: a) d'uno dei figli di Musa ben Sciachir, b) di Thabit ben Corra (morì nell' anno 901), *) Nach schriftlicher Mittheilung des Herrn Steinschneider an mich, hat Herr Staatsrath Dorn in Petersburg die Herleitung des Wortes Karaston von xelp vollständig durchgeführt. Rönigl. Gymnasialbibliothek Zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTZE. 13 ------------------------- --- - - c) di Costa ben Luca (Sec. IX, se non A), d) d'Ibn Heithem (che è il celebre, Alhazen e morì nell'anno 103S). Non si sa certamente quale di questi autori abbia impiegato la voce caraston, que poi era commune fra i dotti. 3. Il liber carastonis, esistente almeno in 4 manoscritti, è di Thabit, ma non si trova nei cataloghi delle sue opere, conosciuti finora. 4. Gherardo di Cremona tradusse un liber carastonis dall'arabo, ed è da presumere que sia l'opera di Thabit ancora esistente, ch'egli abbia tradotto, finchè non si trovi altro nome di traduttore nominato in uno dei manoscritti dell'opera di Thabit, - Den unter 3. erwähnten Manuscriptem: No. 184 der Bibliothek des Klosters San Marco in Florenz, und No. 7377 Bº, 7434", 8680A der Raiserlichen Bibliothek zu Paris, reihen sich noch einige Handschriften an, auf die ich zuerstaufmerksam gemacht habe, mimlich: 1. Unsere Hand- schrift R. 4, 2°, das Manuscript Regina Suecorum 1235 und ein Manuscript, das ich nur aus dem Verzeichmiss kenne, was Heilbronner in seiner Historia Matheseos aus der Bibliotheca Bibliothecarum von Montfau con ausgezogen hat. Auf Seite 540 S 8 No. 5 nemnt er darin als in der Biblio- thek des Vatican vorhanden ein Liber Carastonis de ponderibus, letzterer Zusatz ein Gegenstick zu dem Titel Liber Carastonis sive de Statera der einen Pariser Handschrift. Dieses Manuscript ist, wie ich später gemerkt habe, eben das Manuscript Regina Suecorum 1235. Die Bemerkung sive de ponderibus findet sich in demselben von einer Hand des XV. Jahrhunderts anf dem untern Rande des Blattes 70º mit Bleistift geschrieben und fast un- leserlich, mimlich: J lib Karastonis editº a thebit ben chorao dcis d ponderib3. Der Codea Vaticanus 2975 aus dem XVI. Jahrhundert enthält ebenfalls (Blatt 176–183) ein Exemplar dieses Werkes. Dasselbe beginnt in gleicher Weise mit dem Worten: Incipi liber Karastonis de ponderibus. Dabei istes noch interessant, dass Heilbronner, wie sich aus dem Index III sub verbo Carasto ergibt, den Titel so auffasst, als habe ein gewisser Ca- rasto ein Buch iber Gewichte geschrieben. liber Carastonis heisst also Buch iber die Handwage, und der Inhalt des Schriftchens lâsst diesen Titel als völliggerechtfertigterschei- nen. Nach den Worten eines Briefes des Firsten Boncompagni vom 5. Aug. 1865: ,Ce manuscrit doit être très-precieuac. Les ouvrages intitules ,Verba filiorum Moysi filii Schaker, Mahumeti, Hameti, Hasan “ et ,Liber Carastonis n'ont ete, que je sache, jamais publiés entièrement et on en connait très peut d'easemplaires. Les auteurs de ces traites sont des geomètres très cé- lèbres. Vous feriez, je crois, une chose très-utile et très-agréable aua savants en redigeant une description très-detaillée de ce manuscrit, et en la faisant ensuite imprimerº, glaube ich annehmen zu diirfen, dass der vollständige In- halt des Werkchens noch miemals veròffentlicht ist, und dass daber eine genaue Angabe desselben vielleicht mit Dank aufgenommen wird. 14 Ueber die Handschrift R. 4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der - - Auf Seite 8 der oben citiertem Schrift Stein schm ei d e r s über das liber Karastonis gibt derselbe den Amfang und den Schluss des fraglichem Werkes mach der Lesart der Handschrift No. 184 der Bibliothek des Klo- sters S am Marco im Florem z. Aus diesem Bruchstück emtnehme ich zu- mächst die Eigenthiimlichkeit, der wir in umserem Codex moch öfter begeg- nem werdem umd einmal schom begegnet sind, dass nämlich die Eimleitung sowohl als der Epilog bei dem meistem Stücken derselben als unwesentlich weggelassem ist umd mur die wichtigem Theile, Erklärungen und Theoreme, der Mittheilung für werth geachtet sind. Unser Manuscript beginnt (Seite 69 Zeile 1— 2) mit dem Wortem: 0mnium duorum spatiorum que duo mota secant in tempore vno | proportio est sicud proportio uirtutum mouentium huius et sputia secantium, d. h. es begimnt erst mit dem drittem Worte der 27. Zeile auf Seite 8 des gemammtem Wer- kes. Auch stimmt der Wortlaut in beidem Exemplarem micht vollständig. iibereim, und die beweisendem Zeilem stimmen erst recht micht, wemm auch der Simm derselbe ist. Der zweite Satz, dem Stein s ch m ei d e r auch moch mittheilt, umd der mit dem 14. Worte der 33. Zeile begimmt, lautet bei uns (Seite 69 Zeile 6—13): 0mnis linea que diuiditur in duas sectiones et figitur punctus (sic!) eius secans et mouetur linea tota penitus mota quo non recedit ad locum suum tunc ipsa facit acadere duas sectores similes duorum circulorum quorum medietas dyametri vnius est linea longior, medietas dyametri secundi est linea breuior ita quod proportio arcus que signat punctum eætremitatis vnius duarum harum ad arcum quem signat punctum eaetremitatis linee secunde sicud proportio linee reuoluentis illum arcum ad lineam secundam. Er lautet also mit wemigem Aenderumgen gemau so wie a. a. 0. Der Simm ist, wie mam leicht übersieht: Die B o gem gleich e r Cemtriwinkel v e r h altem sich wie die zugehörigem Ra diem. Dieser Ausspruch des Satzes fimdet sich auch, eingeleitet durch die Worte: Sensus stat in hoc, als Margi- malbemerkung mebem dem zugefügten Beweise. Von hier am verlässt ums der Steinschneidersche Text. Wir fahrem in der Art fort, dass wir dem Wortlaut der 8 Lehrsätze, aus demem in un- serer Handschrift das liber Carastonis besteht, angebem umd am jedem eine kurze Erklärung amschliessem, was mit dem betreffendem Satze gemeint sei. 3. Satz. 0mnis linea que diuiditur in duas sectiones et ymaginabimus quod linea suspendatur per punctum diuidens ipsam quod duorum ponderum propor- tionalium sicud proportionalitas duarum partium linee vnius ad comparem suam secundum alternationem suspendatur vnum in eaetremitate vnius duarum seetio- num et secundum in eaetremitate altera tunc linea equatur secundum equidistan- tiam orizontis. Es ist dies offenbar der Ausspruch des Satzes vom der Gleich- heit der statischem Momente, dass sich also die G e wichte umgekehrt verhalten müssem wie die H eb elar me, a m dem e m sie wirkem, da mit Gleichgewicht h erges tellt wird. Auch hier gibt eime Rand- glosse dieselbe Bemerkung. Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTZE. 15 - - - - - - - - - - - - 4. Satz. Omnis linea que duiditur in duas sectiones diuersas suspensa ex puncto secante posito quoque pondere in eactremitate alterius lateris eius et allero pondere posito in puncto alio inter hanceactremitatem et punctum diui- dens er loco suspensionis et pondus tertium in extremitate altera et equatur linea super equidistantiam orizontis tunc quum aggregantur duo pondera que suspenduntur in unoduorum laterum et permutantur de locosuo et suspendan- tur in puncto medio er eo quod est interea equalur illa linea super equidistan- liam orizonlis. Aus den Erläuterungen, die Thabit hierzu gibt, folgt so- gleich, dass die beiden auf einem Arme angebrachten Gewichte als gleich anzunehmen sind, unter dieser Voraussetzung lässt sich der Satz aber etwa so aussprechen: „ Befindet sich ein Hebel durch drei Ge- wichte im Gleichgewicht, von denen zwei, die einander gleich sind, an dem einen Arme wirken, so kann man statt dieser beiden auch im Halbierungspuncte der Verbindungslinie ihrer Angriffspuncte das doppelt so grosse Gewicht wirken lassen, ohne dass das Gleichgewicht gestört wird.“ Auch ein specieller Satz von der Resultante paralleler Kräfte liegt in dem Theoreme. 5. Satz. 0mnis linea que diuiditur in duas sectores diuersas suspensa linea a puncto diuidente ipsam posito in uno latere pondere aliquo et in alio pondera ponuntur equalia et comparites linearum que sunt inter pondera sunt equales ut postrema prime et sequens postrema equalis sequenti primam sic que- libel sue conpari et equidistat linea orizonti tunc ista pondera aggregata suspensa in puncto mediouel eaceo que est inter pondus primum et postremum equidistabil linea orizonti. Erweiterung des vorigen Satzes dahin, dass statt zweier gleicher Gewichte mehrere aufgehängt werden, die paarweise von den Enden gleich sind und auch von den Enden gleich weit abstehen. Auch in diesem Falle bleibt das Gleichgewicht ungestört, wenn man im Halbierungspuncte der Verbindungslinie der beiden äussersten Angriffs- puncte die Summe sämmtlicher Gewichte angreifen lässt. 6. Satz. Recla linea in duas sectiones diuersas /diuisa/suspensa ea O C puncto diuidenle ipsam suspensa quoque pondera aliquo in vno eactremitate et in allero eius latere sit pondus expansum equals crassitudinis continuum tum punctum huius lateris secundum illud semper quod inuenitur crassitudo in per- pendiculari truline et quod illam crassitudo reclificat pondus quod est in extre- mitate linee donec sil equalis super equidistantiam orizontis. Quidsi opprime- retur in lineam portionis habentis crassitudinem duider islopondere continuo equalis expansionis et suspendetur in puncto medio linee portionis tunc linea remane super illud super quod fuerit equalis super equidistantiam orizon- tis. Der Satz ist dahin zu verstehen: Es sei ab die gegebene Linie, g der Theilpunct. Im Puncte a sei ein Gewicht r angehängt und auf gb sei ein Stück db abgeschnitten und dieses Stück sei so völlig gleichmässig mit Gewicht belastet, dass in jedem 16 Ueber die Hamdschrift R. 4, 2, Problematum Euclidis explicatio, der - - - P u m ct e das G ewicht dies es Pun ct e s u n d das de s W ageb alk ens (trutina) in d ems elb en P u m cte zusam men gleich d e r e m ts pre- ch em d e m Su mm e in irgen d ei m e m am de r m Pun ct e s ei, da m n ist es e rlaubt, das ga m z e Gewicht des Stück es db i m H albi erum gs- pum cte h die ser Strecke a mgreifen zu lassem, oh m e dass das Gleich gewicht aufgeh ob em wird. Er ist also die Ausdehnung der früherem Sätze auf eime eontimuierliche Vertheilung der Gewichte. 7. Satz. 0mnis linea que diuiditur in duas sectores diuersas in cuius cae- tremitate pondere suspenso et in latere eius secunde partem perpendicularis plana continua secundam equalitatem demonstratam sr' qua perpendicularis trutinarum in parte vna illius lateris fiaca in ea et equidistat linea orizonti quod proportio ponderis suspensi eae puncto eaetremitatis linee ad pondus portionis perpendicularis /iace in quadam parte linee est sicud proportio linee que est inter suspensorium et inter punctum medium portionis habentis crassitudinem ad lineam secundam. Erweiterung des Satzes 3. vom dem statischem Momentem dahin, dass bei der im voiigem Satze amgemommenem Vertheilung des Ge- wichtes, der Halbierungspunct des mit Masse belegtem Theiles des Wage- balkens als Angriffspunct des einen Gewichtes angesehen wird. 8, Satz, Quando est perpendicularis recta equalis crassitudinis et substantie et suspenditur perpendicularis tum punctum ipsius non super medium erit. Die Er- klärung dieses Satzes ist mir micht gelungen. Damit dies Andern möglich ist, setze ich dem Beweis unseres Manuscriptes moch hierher. Derselbe lautet (Seite 73Zeile11—23): Assumpta conclusione | precedente illud quod hoc dicitur non /it nisi si esset linea . a. b. sicud . 10. et . a. g. duo et g. d. duo | et . d. b. residua perpendicularis . d. b. . 12. et . a. d. linea cui non est pondus et perpendi- cularis |. d. b. est cum pondere continuo cum portione linee . a. 0. Patet igitur quod proportio ponderis | quod suspenditur cum puncto . a. ut sit rectificans pondus portionis et pondus portionis |. d. b. est equalis . g. v. ad. g. a quia . v. est medium . d. b. et .g. v. est medietas I. a. b. quia . d. b. est superfluitas eius quod est inter duas sectores ita diuisimus eam | in due medietates et addidimus medietates eius secundum lineam breuiorem ergo . g. v. est | medietas totius linee et proportio eius ad. g. a. est sicud proportio totius linee ad | duplum linee . a. g. ergo cum multiplicamus pondus . d. b. in longiorem . a. b. et | diuisimus quod proueniet secundum subduplum • a. g. est illud quod egreditur eæ diuisione ipsum pondus | quod rectificat pondus superfluens perpendicularis donec remanet equalis secundum equidistantiam | orizontis. Im Codex Regina Suecorum 1253 heisst dieser Satz: Dico ergo quod quo- miam est perpendicularis recta equalis grossitudinis et substantie et suspenditur perpendicularis in puncto ipsius non super medium et uolumus scire quamlibet accipiamus quantitatem ponderis quod cum suspenditur in eaetremitate sectoris breuioris eæ duabus sectoribus perpendicularis equatur super equidistantiam orizontis? sic nos scimus pondus alius perpendicularis et scimus longitudinem eius et longitudinem cuiusque duarum sectionum eius. Et accipiemus superfluum Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorm. Vom MAxiMILIAN CURTZE. 17 - - - quod est inter duas sectores et multiplicabimus ipsum in pondus perpendicularis et diuidimus quod aggregatur super longitudinem perpendicularis quod ergo egre- ditur eæ diuisione est illud pondus superfluctatis que est inter duas sectiones et est proportio perpendicularis superfluens super equalitatem deinde accipiamus pondus huius portionis et multiplicabimus in longitudinem perpendicularis et quod aggregatur diuidimus ipsum super duplum sectoris breuioris duarum sectio- num perpendicularis quod ergo aggregatur eae diuisione erit quantitas que cum suspenditur cum eætremitate sectoris breuioris duarum sectionum perpendicula- ris equatur pondus eius super equalitatem orizontis. Hier ist natürlich der Sinn ummittelbar gegeben. Das Ende des Ganzem, wie es St ei m s ch m ei d e r a. a. O. mittheilt, stimmt wieder gar micht mit dem, was bei uns das Ende bildet. Denm mach dem ebem angeführtem Wortem des Beweises vom Satz 8. folgt bei uns ein- fach (Seite 73, Zeile 23 und 24): Et sic discerne mirificum €I Explieit cara- stomis liber | editus a thebith filio thore, Betrachten wir die obem mitge- theiltem Sätze in der Himsicht gemauer, als darim eime Theorie der Hand- wage liegem soll, so sieht mam sogleich, dass dies micht die sogemamnte rö- mis c h e S ch m ell w age seim kamm, bei der der Aufhängepumct fest ist, und das Gewicht verschobem werden kamm, sondern dass das liber curastonis sich mit der sch we disc h e m S ch m ell w age beschäftigt, bei welcher das Gewicht einem Theil des Wagebalkens bildet, umd der Aufhängepumet ver- schobem wird. § 7. Sechstes Stiick: Verba filiorum Moysi filii Schyr. i. Marmeti (sie!). Hameti. Hasen. Von Seite 73 Zeile 25 bis Seite 79 Zeile 35 befimdet sich in unserer Handschrift weiter ein Stiiek, meben welchem auf dem rechtem Rande die obem als Inhaltsangabe gesetztem Worte sich befinden, währemd auf dem linken immerm Ramde zwei andere Worte stehem: 3** fratr** Es ist also wohl keinem Zweifel umterworfen, dass dieses Stück ein Exemplar des fiir die Gesehiehte der Geometrie so wichtigen Werkes sein soll, das von Chasles in seinem Apercu historique am vielem Stellem hervorgehobem wird. Um so wumderbarer für mich war die Bemerkung, dass alle bis jetzt von diesem Werke veröffentlichtem Bruchstücke sich absolnt in unsrer Handschrift micht machweisen lassem. So fehlt z. B. der Lehrsatz, dem Ch a sles besonders hervorhebt, und dessen Uebersetzung mach dem Basler Codex Kinkelim in G r u m erts A rchiv Th. XXXIX, 186 gibt, voll- ständig, obwohl er nach Chasles der einzige dem Brüdern eigenthiimliche Satz ist. Nach Stein sch m ei der (diese Zeitschrift X. Jahrg. S. 488) ist num mur derjenige Theil der Handschriften als Verba filiorum etc. zu bezeichmem, dessem Ueberschrift ist: Tractatus de mensuratione superficierum et solidorum 18 Ueber die Handschrift R. 4, 2, Problematum Euclidis explieatio, der inprimis autem circuli et sphaerae. Aber auch die Worte, mit demem dieser Theil begimnt: Propterea quod uidimus quod conueniens est necessitas scientiae mensurae figurarum lassem sich bei uns micht machweisem, wohl aber beschäftigt sich die Abhandlung mit der Ausmessung der Flächen, insbe- somdere des Kreises, umd der Körper. Da ich weitere Vergleichungsmittel nicht besitze, so muss ich mich begnügem, hier diejemigen Bemerkungem folgem zu lassem, die unsere Hamdschrift möthig zu machen scheint. Leider ist meine Bitte an Herrm Professor Kink elim in B a sel um einige Auskunft über die Baseler Handschrift der Verba filiorum, die vor länger als einem Jahre gemacht ist, vollständig unbeachtet gebliehem. Vielleicht war sie etwas zu kühm, da aber die hervorragemdsten Persomen mir germ und bereitwillig Auskumft gegeben hattem, so hoffte ich auch hier keime abschlägige Antwort zu erhaltem. Wie schon gesagt blieb ich ganz ohme Erwiederung. Die Verba filiorum Moysi cet. beginnen in umserem Codex (Seite 73 Zeile 25—26): Longitudo est illud quod eætenditur secundum rectitudinem in duas partes || simul terminum. Darauf folgem die Erklärungem von latitudo und alti- tudo sowie der Flächen- und Körpereimheit (cuius longitudo est vna et latitudo est vna cuius anguli sunt recti ; cuius longitudo est vna, latitudo est vna et cuius altitudo est vna et eleuatio superficierum eius quarundem super alias est secum- dum angulos rectos). Darauf folgen Lehrsätze und Aufgabem am immerm Rande von 1—6 und damm nochmals von 1—5 numeriert. Diese Sätze und Aufgabem lautem : 1. 0mnis figure laterate contingentis circulum multiplicatio medietatis dya- metri circuli in medietatem omnium laterum figure contingentis circulum est embadum figure laterate. 2. Medietatis dyametri circuli multiplicatio in medietatem omnium laterum omnis figure in circulo contente est minor embado superficiei circuli. 3. Si fuerit omnis linea terminata et circulus tunc si fuerit linea terminata breuior linea continente circulum tunc possibile est quod fiat in circulo altera laterata quam contingat circulus et sunt latera eius coniuncti longius linea ter- minata et si fuerit linea terminata longior linea continente circulum tunc possi- bile est ut fiat supra circulum figura laterata contingens eum et erunt latera eius aggregata breuius linea terminata. 4. Medietatis dyametri cuiuslibet circuli multiplicatio in medietatem linee continentis ipsum est embadum superficiei ipsius. 5. Proportio dyametri omnis circuli ad lineam continentem ipsum est vna. 6. Que igitur sit proportio dyametri ad lineam continentem ipsum operabi- mus sicud Archimenides solus ita quod non fallatur inquisitor in propinquitate ueritatis proponens vnius ad alterum nisi minus minuto quod est pars 60' dya- metri. Et si uoluerit quod mom medium nisi minus secundo quod est pars 00* dyametri minuti et plus illa ut perueniat ad quamcumque limem uoluerit compu- tator terminare. Hierzu erlaube ich mir die Berechnung des Mamuscriptes Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTZE. 19 im Wortlaut folgen zu lassen: Sit circulus .a. c. b. cuius dyameler . a. b. cen- trum g. et prolraham er centro lineam g. z. continentem cum linea gb. terliam anguli rect et ergam super punctum . b. linee . g.b. lineam . b. z . orlogonaliler manifestum es quodarcus qui subtenditur angulo. b.g. z. est medie- las seacte circuli. a. c. b. et quod linea .b. z . est medietas lateris exagon con- lingentis circulum . a. cb. et duidam angulum g.b. z. (muss heissen. b.g. z.) in duo media cum linea .g. n . et diuidam angulum .g. b. n . in duo media per lineam . g . d. et diuidam angulum . b.g. d. in duo media per lineam .g . . . Mani- festum est quod arcus qui subtenditur angulo . b.g . h. est pars centesima et 92 circula. e.b. et quod linea . b. h. est medietas laleris figure habenlis 90 latera contingentis circulum . a . c. b. Tunc prefacientes vsus numeri in eo quod computatur pomamus lineam .g. z. 3 cenlum el . 6. cuius linee quadratum nu- mero erit nonaginla tria millia et sea centum el lriginla sea el erit linea . b. z . cenlum et quinquaginta tres quia angulus . b.g. z. terlia anguli recli et angulus g.b. z . est angulus reclus et erit quadralum linee .g. z. viginl tria milia el quadringenta el nouem et quadralum linee .g . b. septuaginta milia et ducena et uiginti septem igitur linea .g. b. est plus ducentis. Obwohl hier die Rech- nung offenbar noch nicht zum Ende gelangt ist, so schliesst sich doch an die hier mitgetheilten Worte unmittelbar ohne jeden Zwischenraum die zweite mit 1–5 bezeichnete Reihe von Sätzen an, und zwar beginnt die- selbe mit der letzten Zeile der Seite 76. Diese zweite Reihe von Sätzen behandelt den Körperinhalt. Ihr Wortlaut ist der Folgende: 1. Si fuerint quelibet quantitales quarum numeratio sit par el fueril augmentum super alias equales /uerilque prima earum maior composito prime medictalis earum adderit super compositionem secunde medietalis corum secun- dum equalitatem multiplicalionis medietalis summe numeration is earum in se et par ea in vnam additionem. Arithmetischer Lehnsatz. Er gibt die Regel für die Summe einer arithmetischen Reihe. 2. Quando a centro circuli super dyamelrum medietas dyamelri perpendi- culariter educetur a cuius termino superiore vna equalium cordarum totam cir- culi quartam per equalia diuisam cordarum donec eactra circulum cum dyamelro concurrat protrahelur longitudo que inter centrum comprehendtur et concur- sum lineis omnibus que a sectionibus quadranteequedistantis prolrahuntur intra circulum dyametro medio que dyamelris penitus adequatur. 3. Si/uerit intra circulum poligona superficies quod eac medietale laterum eius in vnam lineam coniunctorum medio circuli dyamelro producitur circulo minus esse si uero fuerit eaclra maius. 4. Cum rotunde pyramidis aacis centrobasis orthogonaliter obstiterit linea que ad circulum dyametris basis a uertice eadem in medietale circumferentie ducla pyramide eacterior reddit superficiem quia nec in maiorem nec in mino- rem. Quid per poligona declaratur ut supravnam manifestum es quod si resecta fuerit pyramidis a pyramide eril residui superficies eac ductu linee duas duorum circulorum dyamelros continualis eac alleraparte in medietales duarum circum- 20 Ueber die Handschrift R. 4, 2, Problematum Euclidis explicatio, der ferentiarum. Die hierim definierte abgekürzte Pyramide benemnt der Ver- fasser frutellum, und gibt mum endlich hierüber noch folgemdem Satz. 5. Cum frutellis et pyramide superposita compositum corpus in emisperio (d. h. hemisphaerio) concludetur aliudque concludens emisperia fueritque pyra- midis et frutellorum reuolutiones eiusdem longitudinis erit eius eaeterior super- ficies minor duplo circuli qui basis est eiusdem corporis emisperii maioris autem duplo basis emisperii minor. Mit dem Beweise dieses Satzes schliesst unsere Abhandlung. Die letzten Worte lautem (S. 79 Zeile 35): Ec hijs mani- festum est superficiem circuli majorem quam plani reperiri. Die einzige Stelle, die eime entfernte Aehnlichkeit mit dem bekammtem Werke Verba filio- rum cet. hat, ist der Satz 2. der zweitem Reihe. Derselbe stimmt nämlich im Anfange des Beweises und im Ende desselbem mit dem vom Stein- sch m eider a. a. O. S. 489 mitgetheiltem Anhange, dessem Ueberschrift ist: Iste modus est sufficiens in arte heptagoni cadentis in circulo, doch ist dieser Satz mit seinem Beweise allein sicherlich nicht diesem Amhange adäquat. § 8. Siebentes Stiick: Demonstratio magistri Campani de figura sectore. In Bezug auf diesem Gegenstand kamm ich mich kurz fassem. Was ins Besondere die Geschichte der Figura sector betrifft, so sehe mam dem drit- tem Brief Stein sc h m ei ders am den Fürstem B o n c o m p agni*) und die schom genammte Abhandlung ,, Ueb er die mittler n Bücher d er Ara- b er* im dieser Zeitschrift Jahrg. X. Der in dem ebemgemamntem Briefe als Anhang abgedruckte Tralatello De Figura Sectore, dort für das Werk des Thabit ben Corra gehaltem, obgleich im der Abhandlung in dieser Zeitschrift S. 496 diese Amsicht fallem gelassen ist mit Hinblick auf das uns vorliegende Manuscript, ist mum mit wenigem Variantem wörtlich mit dem in der Ueberschrift dieses Paragraphen genanmtem Stiicke unserer Handschrift identisch. Im Folgenden beziehe ich mich deshalb einfach auf diesem Abdruck und gebe mur die hauptsächlichstem Variantem am. Zu- mächst mache ich auf die verschiedene Zahl der Figurem aufmerksam. Die erste Figur des Abdrucks, eim Halbkreis mit einer auf dem Durchmesser ! stehendem Semkrechtem, fehlt bei ums gänzlich, ebenso der durch zwei semk- rechte Durchmesser getheilte kleine Kreis, Die Figur auf Seite 37 des obigen Abdruckes ist bei ums die erste, die auf Seite 36 gegebene bei ums die dritte, aber gerade umgekehrt; ausserdem sind aber bei uns moch drei Figurem vorhandem, die in dem Abdrucke sich micht fimden. Unser Manuscript begimnt Seite 79 Zeile 36—39 im Uebereinstimmung mit dem Abdrucke ,,Cum aliquis semicirculus diuiditur in duos arcus quolibet - / *) Intorno a Nasawi ed Abu Sahl El-Kuhi etc. Roma 1864. Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTZE. 21 modo contingat el (verschrieben für erit) corda dupli ºnius equalis corde dupli alterius. hoc enim | patet si perficias totum circulum et perpendicularem pro- trahas ad perficiendum cordam | nam erit corda dupli utriusque arcus. - Nur das grösser Gedruckte ist bei uns durch grössere Schrift ausgezeichnet. Auch die Zeilen 17–21 von Seite 36 des Abdrucks und der Beweis bis Seite 37, Col. 1, Zeile 1: chorde dupli. ce. Stimmen bis auf ein paar Wortver- schiedenheiten vollständig iiberein. Die damn folgenden Zeilen bis zum Zeichen I sind bei uns ein besonderer Absatz, und damn bilden die Zeilen 12–21 bis zu den Worten dupli arcus. ch. einen neuen Lehrsatz, der grösser geschrieben und mit Roth unterstrichen ist. Bis Zeile 33 intendimus ist damn Gleichheit vorhanden, damn aber bei uns der Beweis in drei Theile getheilt, die am Rande mit 1, 2, 3 gezählt sind. Der erste beginnt mit den Worten: Sit igitur residuum semicirculi und endigt mit den Worten des Abdrucks (S. 37, Col. 1, Zeile 57): arcus. ch. Der zweite Theil beginnt damn wieder mit: Sit ut residuum semicirculi und reicht bis zum Zeichen GI Col. 2, Zeile 34. Der dritte Theil endlich stimmt mit dem Schlusse des Tratatello vollständig iiberein. Zuletzt steht bei uns noch die Bemerkung (Seite 82, Zeile 4): Eacplicit demonstratio magistri campani de figura sectore. Dass unser Manuscript recht hat, wenn es so eintheilt, wie ich angegeben habe, sieht man leicht, da der Satz, um deswillen der ganze tractatus geschrieben ist, eben der bei uns hervorgehobeme Satz 3. ist, was man aus dem Abdrucke bei Stein- schneider ohne Weiteres wenigstens nicht erkennen kann”). § 9. Achtes Stick: Algorismus proportionum magistri Nicolay Orem. Wir sind jetzt zu einem der wichtigsten Theile unsrer Handschrift ge- langt, iiber den ich mir sehr ausführlich zu berichten erlauben werde. Die fragliche Abhandlung erstreckt sich von Zeile 5, Seite 82 bis zum Ende der Seite 93. Den Verfasser finde ich in den Werken über Geschichte der Ma- thematik nur erwähnt bei Montucla, Histoire des Mathématiques. 2° edition T. 1. p. 530. Hier sagt er unter Anderm: Nicolas Oresme ſit une traduction ou traité original de la sphère, et traduisit le livre ,, de Mundo“ d'Aristote. Il ful aussi auteur d'un traite, de Proportionibus proportionum" ou de Pro- portionibus “, reste manuscril. Selbst in Händen gehabt zu haben scheint Montu cla dieses Werk nicht, da er sonst wohl etwas mehr darüber gesagt haben wirde. In den mir zugänglichen Handschriftenkatalogen habe ich mur zwei andere Manuscripte entdecken können, eins in der Bibliothek des Sam. Pepys”) nämlich , Tractatus de proportionibus proportionum magistri *) In der Bibliotheca Mediceo - Laurenziana befindet sich ebenfalls ein Manu- script unter dem Titel: Tractatus Campani de proportione et proportion alitate et de figura, das offenbar auch mit unserm Tractate identisch sein dürfte. (M. s. Heilbronner, Historia matheseos uniuersae p. 553, § 44, N. 16.) **) M. s. Catalogus librorum manuscriptorum Angliae cet. Oxoniae 1697 Fol. T. II part. 1. Cat. MS. D. Sam. Pepysii pag. 209 Nº. 6780". 3 22 Ueber die Handschrift R. 4, 2, Problematum Euclidis explicatio, der - Nicolai Orem," das andere in der Biblioteca Magliabechiana in Florenzº). Aus dem Werke des Francis Meunier, Essai sur la vie et les ouvrages de Nicole Oresme, Paris 1857 entmehme ich noch, dass die Kaiserliche Biblio- thek in Paris ebenfalls eine Handschrift besitzt, die méglicherweise die Originalhandschrift sein dürfte. Die Katalogsnummer derselben ist Ancien fond latin 7371. Wenn aber Herr Meunier hinzufügt: traité contre l'astro- logie, so kann das nur daher riihren, dass erals Nichtmathematiker von dem Inhalte gar michts verstanden hat. Auch Chasles muss diese Hand- schrift nicht gekannt haben, da er somst sicherlich in seinem Apercu historique dieses für das XIV. Jahrhundert ausgezeichneten Mannes, der auch in die politische Geschichte thatkräftig eingegriffen hat, Erwähnung gethan hätte. Das Werk speciell, was wir vor uns haben, enth filt, wie ich machher machzuweisen hoffe, die ganze Rech nung mit Po- ten zen für ganze und gebrochne Exponen ten in einer Bezeich- nungsweise, die mit der uns rig en die grös ste Aehn lichkeit hat. Ehe ich jedoch zu dem Manuscripte selbst iibergehe, von dem ich, während diese Abhandlung in den Händen der Redaction war, zur Jubel- feier des 300jährigen Bestehens des hiesigen Gymnasiums im Auftrage des hiesigen Copernicus-Vereins für W is senschaft und Kunst einen Abdruck besorgt habe, der machher im Verlage von S. Calvary & Gmp. in Berlin im Buchhandel erschienen ist, will ich Einiges iiber den Ver- fasser hier beibringen und darin mach der in diesem Puncte selºr gründ- lichen Arbeit Meunier's das berichtigen, was in obiger Ausgabe zum Theil Unrichtiges mitgetheilt ist”). Nicolaus Oresmius (Synonyma finden sich: Orem, Oresmus, Ore simus, Oremius, Oranus, Horem), auf französisch Nicole Oresme gemannt, ist um das zweite Jahrzehnt des XIV. Jahrhunderts geboren; ob das Dorf Allemagne bei Caen in der Normandie sein Geburtsort ist, bleibt völlig ungewiss und beruht lediglich auf einer Localtradition. Wir wissen von ihm nur, dass er im Jahre 1348 in das College de Navarre in Paris eintrat, um Theologie zu studieren und dass erallgemein für einen Normannen galt. In Pariserwarber sich auch die Doctorwürde und wird daher auch wohl docteur de Paris oder — wie in unsrem Manuscripte – Parisius genannt. In dem Collège de Navarre blieb erals Schüler und später als Lehrer bis zum 4. Oct. 1356. Von dieser Zeit an bis zum 4. Dec. 1361 *) Die Katalogsnummer ist Conventi Sopressi I. IX. 26 früher Nº. 123 der Bi- bliothek des Klosters San Marco in Florenz. **) Quellen waren ausser dem citierten Werke Meuniers: Gallia christiana T. XI, Paris 1759 p. 788–89; Biographie universelle T. 32 p. 62–64 Paris 1822 s", Histoire littéraire de la France T. XXIV Quatorzième siecle. Paris 1862. 4" an ver- schiedenen Stellen, wieder abgedruckt in Victor le Clerc et Ernest Renan, Histoire littéraire de la France au XIP siecle 2 edit. T. I, II, Paris 1865 8', Du Pin, Bi- bliothèque des auteurs ecclesiastiques du S. XI. P. Utrecht 1731. T. XI. S. 82. Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorm. Vom MAxIMILIAN CURTZE. 23 - - - - - - - - - - erhielt er das Amt als Grand maitre dieses College. 1361 zum Dekam der Kirche zu R ouem gewählt, musste er, wemm auch nach langem Streubem, jenes Amt niederlegem. Sechzehm Jahre verwaltete er das Dekamat zu {ou e m bis zum 16. Nov. 1377. Während dieser Zeit hielt er dem Papste und den Kardinälem in Avign o n die berühmte Predigt über dem Text: ,,Juacta est salus mea ut veniat, et justitia mea ut reveletur** und zwar am 24. Dec. 1363. Seine Semdung durch Ch arle V 1 e S age im Jahre 1366, um dem Papst won seiner beabsichtigtem Flucht zurückzuhaltem, ist apokryph, ebenso wie die Behauptungem, dass er Lehrer Carl V. gewesen sei oder Archidiakomus von B ayeux oder Schatzmeister der St.-Chapelle zu Paris. Me unier zeigt die Unhaltbarkeit dieser Amgabem auf schlagende Weise. Währemd seines Aufenthaltes in Paris verfasste er seine lateini- schen Schriften, als Dekam vom Rouen auf Veramlassung des Königs Ch arle l e S age die französich geschriebemem. Nachdem er durch die Für- sprache seines königlichen Gömmers am 16. Nov. 1377 zum Bischof von Lisieux geweiht war, fehlte ihm fermer die Musse zu solchem Arbeitem und es simd auch dergleichem aus seinem spätern Lebem micht bekammt. O r e s m e starb am 11. Juli 1382. Du-Pim lässt ihm im Jahre 1:384 sterbem und fügt noch hinzu 7 Jahre nach seimer Investitur, aber mit Um- recht. Folgemde Stelle der Gallia christiana (S. 788): Defunctus die 11. Julii 1382, sepulturam accepit in cathedrali juæta sinistram chori portam et die se- quenti fit eius obitus in ecclesia Leacoviensi. Et certe vacabat sedes an. 13S2 die 5. Augusti eae reg. 123 Caroli VI in quo Nicolai Leacoviensis bonae memoriae episcopi fit mnentio, lässt über den 11. Juli 1382 als Todestag des Ores- mius keinem Zweifel Raum. Vom seinem Werken führe ich die mathematisch-physikalischem am : 1) Traite de la sphère gedruckt Paris s. ä., 1508, 1546 in 50 Capiteln, in dem Hamdschriftem meistens lateinisch übersetzt. 2) Tractatus de latitudinibus formarum oder de uniformitate et difformi- late intentionum gedruckt in dem Werke Questio de modulibus Bassani Politi etc. Venetiis sumptibus heredum etc. I). 0ctaviani Scoti etc. 1505 unter dem Titel: Incipit perutilis tractatus de latitudinibus formarum secundum Reveren- dum magistrum Nicholaum Horen*). Auch dieser Tractat befimdet sich in unserer Handschrift und wird vom Meu mi e r fälschlich als traité contre l'astrologie bezeichmet. 3) Algorismus proportionum, das Werk, mit dem wir ums zu beschäftigem *) Wie ich soeben aus Fabricius, /3ibliotheca mediae et in/imae latinitatis ersehe, ist diese Ausgabe bis jetzt umbekannt gebliebem. Aus derselbem Quelle theile ich noch mit, dass die Bibliothek des Collége de Navarre zu Paris vom diesem Werke, das dort aber gerade wie bei ums de latitudine formarum heisst, eim Manuscript, wahrscheinlich das Original, besitzt. Von dem Algorismus proportionum hat er nur Kunde durch J oh a m m e s P i c u s, Miram dula mus, aus dem wahrscheinlich auch Mo ntu cl a seime Notiz geschöpft hat. Auch M eum i e r kennt obige Ausgabe nicht. 3 * 24 Ueber die Handschrift R. 4° 2, Problematum Euclidis explicatio, der haben. Dies ist der Titel, den Oresmius selbst zweimal citiert. (Trad, des Politiques d'Aristote, VIII, 7. – Trad. du tr. du Ciel et du Monde, II, 18). Augenblicklich gedruckt. Berlin 1868. 4) Tractatus de proportionalitate motuum coelestium. Pariser Hand- schrift Ancien fond lat. 737 S A. – Codea. Vaticanus 4082. 5–7). Rationes et causae mirabilium in natura. – Plura quodlibeta et diversae quaestiones. – Solutiones praedictorum problematum. Alle drei ent- halten in dem Pariser Manuscript Fond St. Victor 439. 8) Uebersetzung des Buches de coelo et mundo des Aristoteles. Pariser Manscrpt. Anc. fond, français 7065*). Ich gehe iber zu der Betrachtung des Inhalts des Algorismus proportio- num, dessen ausführliche Darlegung ich auch mach der Herausgabe des ganzen Werkchens nicht für iiberflüssig halten kann. a) Der Algorismus proportionum ist in drei Tractate getheilt. Hiervon beschäftigt sich jedoch nur der erste mit dem wirklichen Algorismus, eine Regel, die sich im Zweiten Tractat findet, ausgenommen. Die beiden letzten Tractate behandeln nur Anwendungen der gegebenen Regeln auf die verschiedenen Zweige der Mathematik. Der erste Tractat beginnt (S. 82, Zeile 1–2): PNa media debet sie scribi |: wna tertia sic || et due tertie sic | | et sic de alijs. Der Be- griff proportio ist nicht definiert, doch ist er in dem im Alterthum und Mit- telalter hekannten Sinne von geometrischem Verhältniss verstanden. Es hat diesen Namen bei Or esme aber nur damn, wenn es ein fallendes ist, d. h. wenn der Antecedent grösser ist als der Consequent. Ist das Verhältniss ein steigendes, so heisst es stets fractio. Die Namen der verschiedenen Verhältnisse sind die des Boethius, wenn auch nicht voll- - ständig; er führt dabei aber neue Begriffe und neue Bezeichnungsweisen ein. Die proportio dupla, tripla etc. bezeichnet er durch 2", 3% oder 2", 3" - - - - - ... 1 u. s. w., die proportio sesquiallera, sesquitertia cet. dagegen durch |}}| * 1 a 1 1 - - - ſº | cet, oder auch durch ſº | 1P |, cet, also gerade noch wie wir auch bezeichnen. Die Verhältnisse 5: 3, 8:3 d. h. proportio superpar- tiens duas tertias, proportio dupla superpartiens duas tertias etc. bezeichnet er entsprechend durch || || [...] cet. oder auch durch ſº | ſº : 3_j' L2. 3 *) Dass die Franzosen von diesen Uebersetzungen selbst nichts mehr wissen, kann man aus dem im Jahre 1863 bei Ladrange in Paris erschienen Buche ,, Traité du Ciel d'Aristote traduit en français pour la première fois cet, par J. Bar- thelemy St. Hilaire ersehen, während gerade das Französiche des Oresmius in diesen Uebersetzungen sehr gerühmt wird (Histoire litt. de la France T. XXIV p. 182). Auch Iourdain, Sur les traductions latines d'Aristote hat nicht einmal dem Namen einer Erwähnung werth gehalten. Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE. 25 cet., also ebenfalls wie wir noch heute thun. Leonardo Pisano hat für - -- - - 1, 2 - diese Grössen die Zeichen 2 : 3. 3? d. h. gerade die umgekehrten des Ores me, wenigstens ist so in Libris, Histoire des Mathematiques en Italie gedruckt. Diese Zeichen des Leonardo Pisano benutzt Oresme in - - - - 2 einem ganz andern Sinne. Das Zeichen g? oder wie Oresme schreiben 2 - - - *) - würde g heisst nichts weiter als 25, um unsre Zeichen zu gebrauchen. Mit Worten ausgedrückt heisst das bei Oresme: due tertie proportionis duple oder auch kurz duo tertie duple. Wir werden später sehen, auf wel- chem Grundgedanken diese Bezeichnung beruht. Die Potenzen mit ge- brochenen Exponenten, von deren Gebrauch man bis jetzt annahm, dass derselbe durch Vieta zuerst in Anwendung gekommen sei*), treten aber wohl an dieser Stelle zuerst auf. Dergleichen Verhältnisse heissen bei un- serm Schriftsteller proportiones irrationales, die gewöhnlichen dagegen pro- portiones rationales, Bezeichnungen, die noch gäng und gebe sind. Die Rechnung mit solchen Verhältnissen gibt Oresme nun in 9 Regeln, zu denen dann die im zweiten Tractat als zehnte tritt. Der Algo- rismus ist aber nicht etwa die Rechnung mit Brüchen, sondern die Auf- suchung der zusammengesetzten Verhältnisse, wenn die einfachen oder zusammensetzenden Verhältnisse gegeben sind. Die Zusammensetzung directer Verhältnisse heisst Addition derselben, die Zusammensetzung eines directen und eines indirecten dagegen Subtraction der Verhält- nisse. Diese Bezeichnung findet sich schon bei Jordan us Nemorarius und zieht sich bis in Card ans Werk über Proportionen hinein. Die Regeln des Oresme für diese Rechnungen sind nun folgende: 1. Regel. Proportionem rationalem proportioni rationali addere, d. h. also, das zusammengesetzte Verhältniss zweier gleichartiger Verhältnisse bestimmen. Vorausgesetzt wird, dass die Verhältnisse in den kleinsten Zahlen gegeben sind. Dann lässt sich die Regel des Oresme in unsrer Art zu sprechen so ausdrücken: Man multipliciere die beiden grössten Zahlen, d. h. die Zähler, und ebenso die beiden klei- nern Zahlen, d. h. die Nenner, die gefundnen Zahlen bilden die Glieder des gesuchten Verhältnisses. Auf diese Weise, fährt er fort, kann man auch zwei, drei, vier und überhaupt eine beliebige Anzahl von Verhältnissen addieren, d. h. zu einem einzigen Verhältniss zusammensetzen. Sind die Verhältnisse, die man zu- sammensetzen soll, einander gleich, so heisst die Operation nach Oresme *) Klügels Wörterbuch sub verbo Potenz. Nach Prouhet, Sur l'invention des eaposants fractionnaires ou incommensurables (Nouv. Ann. de Math. T. 18. Bull. de Bibl. p. 42) war Simon Stevin von Brugge der Erfinder. (Briefliche Mitthei- lung des Herrn Prof. Cantor in Heidelberg). 26 Ueber die Handschrift R. 4, 2, Problematum Euclidis explieatio, der - " proportionemi duplari, triplari cet. Die proportio duplata, triplata, u. s. w. ist num aber offenbar mach dem Obigem das, was wir als quadratis ches, eu bisch e s u. s. w. Verhältniss bezeichnen. I)er technische Ausdruck fiir das quadratische, cubische Verhältniss vom 2:3 oder proportio sesquialtera ist mum aber bei 0 res m e folgemdes: due sesquialtere, tres sesquialtere, u. s. w., wo iiberall proportiones zu ergänzem ist. Num ist es auch klar, wie Oresme auf die irrationalem Verhältnisse, medietas sesquialtere, tertia pars sesquialtere u. dgl. gekommem, umd dass diese Begriffe wirklich das bedeu- tem, was ich ihnem obem als Simm unterlegte. Für dem Beweis bezieht der Verfasser sich auf die Arith m e tik des J o r d a n u s N em orarius*). In dieser befimdem sich die hierher gehörigem sätze iifi 5. Buche. Darim ist jedoch, wie im dem ganzen Werke des Jor- d a m u s mur gesagt, wie mam zwei Verhältnisse addierem und wie subtrahie- rem muss, irrationale Verhältnisse und alle übrigem Sätze des O r e smius sind ihm aber eigenthümlich, umd fimdem sich nicht im jemem Werke. Auch bei Ca r d a m u s **) habe ich sie vergeblich gesucht, sowie in andern mir zu Gebote stehendem Werkem aus dem Zeitem der Erfimdumg der Buchdrucker- kunst. Als selbstverständlich mimmt O r e s me am, dass z. B. due duple und tres duple zur Summe quinque duple habem; darin liegt aber offenbar der Satz der meuern Arithmetik: (1) . . . a" . a* — a"". 2. Regel. Proportionem rationalem a proportione rationali subtrahere, d. h. das zusammengesetzte Verhältniss zweier anderer Verhältnisse be- stimmen, wemm das eine direct, das amdere indirect ist. Die obige Voraus- setzung ist matiirlich hier ebenfalls massgebeud. Die vom Verfasser ge- gebme Lösumg lässt sich folgendermassem aussprechem : Ma n stelle die Verhältnisse als Briich e geschriebem mebem eiu an der u m d mul- tiplici e re iib e r s Kreuz, die s o b esti m m tem Zah le m sim d die G lie der de s g e s u c h t e m V e r h ält misses. V o m de m b e id e m ge- geb e n em Verhältnisse m ist d a sjenige das grössere, d esse m Zähler mit de m Ne n m e r d e s a m d e r m multiplici ert d as grössere Pro du ct gibt. Von diesem ist damm matürlich das am dere zu subtrahierem.l Z. B. subtrahiert er die proportio sesquialtera vom der proportio sesquitertia d. h. er dividiert 3 durch 4. Er findet 3 * 3 = 9, 2 : 4 = 8 und das zu- sammengesetzte Verhältniss, hier natürlich eaccessus genanmt, ist 9 : 8 d. h. proportio sesquioctava. Nach seimer Erklärung'ist ; > £, wie es seim muss. Aehmlich wie obem schliesst aber Oresme, dass z. B. quinque duple *) Jordani Nemorarii Clarissimi viri Elementa Arithmetica: cú demonstrationibus Jacobi Fabri Stapulensis. Parisiis 1496. Blatt 131 — 15". (NB! die Blätter sind nicht mumeriert.) Jordanus N e m orarius lebte um 1235. **) //ieronymi Cardani Mediolanensis etc. 0pus novum de proportionibus numerorum cet. praeterea Artis magnae sive de regulis algebraicis liber vnus cet. item De .4li:a regula liber cet. /3asileae 1570. Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorm. Vom MAxiMILIAN CURTZE. 27 Weniger due duple gleich tres duple simd, damit bringt er aber die Formel unsrer Arithmetik in Anwendung: (9) . . . '. — w-. Hier muss natiirlieh m > n sein, da- negative Zahlen für ihn nicht existierem. 3. Regel. Si proportio irrationalis fuerit partes aticuius rationalis, ipsam possibile est partem notare. Et hoc alterius rationalis licet nom eiusdem. vnum competentius nominatur*) pars quam partes. Der Simm dieser Worte lässt sich am leichtestem durch eine Formel veranschaulichem. Sie bedeutem nämlich michts anderes als: a. 1 (3) . . . a* = (a")-. Er hat z. B. das Exempel: due tertie quadruple sind gleich uma tertia qua- druple duplicate vel una tertia sedecuple, d. h. 43 — (4*)? — 16$. Aber 0 r es m e geht noch weiter. Er fügt nämlich hinzu: Vniversale vna tertia totius est due tertie medietatis vel subduple und umgekehrt: due ter- tie subduple sunt vna tertia duple et sic de quibuslibet partibus. Darim liegem die beiden Formeln : 1 p 1 (4) . . . am = (am) p , 1 p. 1 (5) - - - (ap) m = dt m. 4. Regel. Denominatorem proportionis irrationalis proprissime assignarè. Der Nenner eines irrationalem Verhältnisses ist dabei als der Nenner des Bruchexponentem aufgefasst. Die Aufgabe, deren Lösung hier O res m e gibt, ist in der Formel ausgedrückt: - - - p . mp 1 (6) (a*) q = (a 7)77, dabei ist aber vorausgesetzt, dass m und q beide durch n ohne Rest auf- gehem, n ist dabei das grösste gemeinschaftliche Vielfache. Ore sm e umter- scheidet hier zwei Artem ratiomaler Verhältnisse: 1) Proportio rationalis pri- maria, 2) Proportio rationalis secundaria, d. h. Verhältnisse, derem Glieder sich nicht als dieselbem Potenzen zweier Zahlen darstellen lassen, umd solche, bei denem dies möglich ist. Zur erstem Art gehörem proportio tripla und proportio sesquialtera, zur zweitem Art proportio quadrupla gleich due duple oder pro- portio “octupla gleich tres duple oder proportio 16 ad 9 gleich due sesquitertie u. s. w. In unsern Zeichem simd seine Regeln folgende: Ist zu transfor- *) So hat die Hamdschrift. Es ist mur der grossen Eile des Druckes, der des oben angegebnem Zweekes halber in s Tagem vollendet seim musste, zuzu- schreibem, dass notatur stehem gebliebem. Ich bemutze die Gelegenheit noch um zwei unangemehm auffallende Druckfehler zu motierem. Auf S. 5 Zeile 6 v. o. muss es heissem: S ei te 82 statt S ei te 32 umd in der Unterschrift auf der beige- gebemen photographischen Tafel : Seite 82 statt Seite 22. 28 Ueber die Handschrift R. 4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der p mieren (a")" und sind m und q relative Primzahlen, so ist nach der letzten Regel p 1. (7) (a") * = (a")". Sind aber m und nicht relative Primzahlen, sondern ist m=r.n, q=s.n, P 1 so erhält man die Formel (6) in der Form (a")% = (a"). Als Beispiele findet man: – 1 p an. – P – a. a) – 97 – 1 p – , 3). – – 3 (3) – 27– 5. Regel. Proportionem irrationalem proportioni rationali addere. Diese Regel enthält das, was man bei der Wurzelrechnung das Bringen einer Zahl unter das Wurzelzeichen nennt. Das irrationale Verhältniss wird da- bei nach Regel 4. als proprissime assignata angenommen. Die algebraische Formel, die unsre Regel ausdrückt, lässt sich folgendermassen schreiben 1 1 (8) . . . a. b“ = (a“. b)“. Darin liegt natürlich auch die andere Formel 1 - (9) . . . (a“) n = a. Als Beispiele findet man: “ I - 97 Y \ 1 - p - 3 2 = 2 (3). – (F) – (6) – 6. Regel. Proportionem irrationalem a proportioni rationali subtrahere. Im dieser Regel ist auch die Lösung des umgekehrten Problems enthalten, je nachdem nämlich das rationale oder das irrationale Verhältniss das grössere ist. Dieselbe gibt die Anweisung zu folgenden beiden allgemeinen Formeln: 1 1 b" b / (10) – () ( a“N (11) . . . () h" - Daraus zieht Oresme aber auch noch die allgemeinere Formel: 1 1 (l - - (/ (12) wenn „ = c ist, so ist auch –T = c“ 7. und 8. Regel. In additione irrationalis ad irrationalem et subtraccione irrationalis ab irrationali sunt regule generales pro quibuslibet quantitatibus. Man findet 2 Fälle erledigt, nämlich 1. addendo (Regel 7.); 2. subtrahendo 1 1 (Regel 8.). Es sei c =a“, d = b/, dann hat man zunächst nach Oresme / e c =a/und d = b/, d. h. die allgemeine Formel: Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE. 29 1. " (13) - - - (“ = ( P". Aus dieser Formel folgt nun zunächst addendo: 1 1 1 (14) . . c. d = a ° . b / = (a/ - be)./ und zweitens subtrahendo: 1 1 (º (l“ a/\/ 5) – “ – () (15) (l 1. l,“ h/ 9. Regel. Siaulem partes haben.teandem denominatorem. Dies ist ein specieller Fall der beiden letzten Regeln. Die gegebne Auflösung liefert unsere Formeln: 1 1 1. (16) . . . a.“ . b“ = (ab)“; 1. 1. - (!" ( \” (7) . . .“ – (). h“ Letztere Formel identisch mit Formel (12). Es folgt die allgemeine Bemerkung: Proportio duplatur, triplatur et quomodolibet multiplicelur et sesquialteratur aut quomodolibet aliter proportiona- liter augetur per additionem proportionis ad proportionem. Eodem modo per subtraacionem subduplatur, subtriplatur, subsesquialteratur etc. Darin liegen offenbar die Formeln 1 1 m+- 1 1 1. + 1 m+n (1 8) - - - CL // . (l “ – ( / ; ( // . (l “ – ( 7/ 7 – ( // / ; 1 – 1 1 1 1 / - // 7/- - - - - - (19) - - . " (L // ( 7“ – (l / ; (L // (l / – (/ // / ( // // % specielle Fälle der Formeln (1) und (2), oder Ausdehnung derselben auf gebrochne Exponenten. Wir haben endlich die Schlussworte des ersten Tractats (Seite 85, Zeile 32–38): Wna vero proportio per alleramnon multiplicaturmec diuiditur nis inproprie sicud multiplicare duas duplas per duas duplas sunt quatuor duple sed hoc non est nisi multiplicationumerorum quoniam multiplicare duas duplas per duas triplas nichil est sicud nec multiplicare homines per asinum et eodem modo de diuisione. ergo nulla species algorismi habet locum in proportione ad- ditio et subtraacio ut determinatum est sufficient. Explicit algorismus propor- tionum magistri Nicolay orem. parisius. Incipit secundus tractatus. Betrachten wir jetzt von unserm Gesichtspuncte aus den Hauptinhalt dieses ersten Tractates, so sehen wir augenblicklich, dass derselbe die voll- ständige Theorie der Potenzen mit positiven ganzen und gebrochnen Expo- nenten enthält, und zwar in einer Bezeichnung, die wie die unsrige auf einer Interpolation der ganzen Potenzen beruht, überhaupt mit der unsri- gen eine nicht zu verkennende Aehnlichkeit besitzt. Die Formeln (1)–(19), die sich augenblicklich ergeben, sobald man die vorgeschriebenen Opera- 30 Ueber die Handschrift R. 4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der tionen mit allgemeinen Symbolen vornimmt, enthalten alle Gesetze der Potenzrechnung, und, wenn wir die Wurzelbezeichnung in Anwendung bringen, auch die der Wurzelrechnung. Oresme führt ausserdem seine Rechnung an vielen Stellen ganz allgemein mit Buchstaben aus, z. B. die Rechnungen der Regel 7. und 8. gerade so, wie wir dieselbe dargestellt haben. In einem Anhange erlaube ich mir, einige charakteristische Stücke dieses ersten Tractates in diplomatisch genauem Abdrucke mitzutheilen*). b) Der secundus tractatus enthält ausser noch einer weitern Regel nur Anwendungen auf die verschiednen Zweige der Mathematik. Er beginnt (Seite 86, Zeile 1–3): Estautem istarum regularum de algorismo proportio- num utilitas ualde magna quia possunt ad inumerabilia proposita applicari quorum aliqua nunc occurrunt que pomuntur pro exemplis. Ehe ich jedoch zu diesen Anwendungen übergehe, werde ich vorher noch die Regel, welche sich, wie schon gesagt, in diesem Tractate findet, als Supplement des ersten Tractats hier hinzufügen. Dieselbe steht Seite 87, Zeile 29 bis Seite 88, Zeile 19, und lautet, wie folgt: Siduarum rerum fuerit proportio data proportionem quamlibet sibi multi- - - - - - - (/ - - plicem assignare. Das Verhältniss zwischen a und b, also se c, es seien ferner die Grössen d = a . e, f=b . g gegeben, und es sei auch das Ver- - / hältniss von g zu e bekannt, etwa “=h. Dann verlangt man das Ver- C hältniss d : f. Es werden drei Fälle unterschieden. 1. Man hat e =g, also h = 1. In diesem Falle findet man unmittel- bar d: f= a : b. 2. Es ist e > g also = h, weil die grössere Zahl stets der Zähler . . (l ist. Nach Voraussetzung ist ') = es und wenn man also, um Ores mes' Ausdrucksweise zu gebrauchen, die beiden Verhältnisse c und h addiert, C so entsteht = c. h. d. h. d:/= c. h. 3. Es ist g> e, folglich jetzt aus dem angegebnen Grunde =h. C Man unterscheidet wieder drei Fälle. (a) c =h d. h. a.: b=g: e oder als Product geschrieben ae = bg oder d=/. – (b) c > h dann ist = C, " = h, und weil c > h, das zweite Verhältniss vom ersten zu subtrahie- C (C' C ren. Man erhält bg T oder d: / = c: h. – (c) Endlich kann auch h D> c *) Die Einleitung S. 82, Zeile 5–21; Regel 4. S. 83, Zeile 9–42; Regel 7 und 8. Seite 84, Zeile 29. – Seite 85, Zeile 26. - Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Vom MAxiMiLiAN CURTZE. 31 - seim, damm ist das erste Verhältniss vom zweiten zu subtrahierem umd mam - b h. findet ” — * oder f : d = h : c. dte c. Mam sieht die gamze Procedur stimmt mit der, welche wir amwemdem, vollständig überein. Bei Ca r damus, a. a. 0. S. 2, Z. 14—26 und S. 6, Zeile 28 — S. 7, Z. 38 fimdet sich die mämliche Regel unter dem Namen M ulti- plicatio m u m d Divisio m zweier P r o p ortio m e m ; doch ist wohl ein- leuchtemd, dass die Multiplication und Divisiom, vom der Ores me behauptet, dass sie ummöglich sei, mit dieser Regel michts zu schaffem habem. Die Amwendumgem, die O res m e macht, beziehem sich in diesem zwei- tem Tractate auf G e o m e trie, Musik, W ii r fe ls piel, M e ch a m ik, im dritten auf die Th e orie der reguläre m ei m - u n d u m ges chri eb m e n Polygon e und die A stro m o mie. 1. Was ist das Verhältniss d reier W iirfel, w em mi d a s V er- hältnis s der G r u n d fläch em gegeb e n ist? Gegebem ist Basis a : Basis b = 2 : 1, Basis a : Basis c = 3 : 1. Mam findet Cubus a : Cubus b = 8*, cubus b : cubus c = (g)*, Basis b : Basis c = (g)*; Kante a : Kante b — 2}, Kante a : Kante c = 3*, Kante b : Kante c = (g)* Bemerkt wird noch, dass sich diese Betrachtungem direct auf die Verhältuisse von mehreren Kugelm . ausdehnem lassem, bei demen man das Verhältniss der grösstem Kreise kemnt. Mam hat deshalb 2. Es ist gegeb e m Kugel a : Kugel b = 24, Grösster Kreis a : G rösstem Kreis c = 34, wie heissem die Verhältnisse der Kugelm, der grösstem Kreis e u m d der Durch m esser? O res m e fimdet: Kugel a : Kngel c = 274, Kugel b : Kugel c = (%)*; Kreis a : Kreis b = 28, Kreis b : Kreis c — (%)*; Durchmesser a : Durchmesser b = 26, Durchmesser a : Durchmesser c = 3*, Durchmesser b : Durch. » - , _! messer c = (¥)r*. 3. J)ie folgemde Amwendumg ist zum Theil der Musik entnommen; am Rande steht: de quadratis musicis. G eg e b e n s i n d zwei Qua dr a te c d um d fg. U e b er dies elb e m s p a m mt mam je ein e Saite u m d zwar b ei dem erste n in der Diago male, b ei dem zweite m parallel ein er seite. Die erste saite gibt de m Tom mi, die zweite dem Tom fa, der U m ter sc hie d b ei der Töne ist ein h alber To n o d e r wie Oresme sagt dyesis. Verlam gt wird das Verhält miss d e r Q u a- drate e d u n d fg. Die Diagomale vom ed heisst a, die Seite voit fg ist b gemammt, umd die Seite des ersten Quadrates heisst c. Nach Boethius*) hat mam a : b = 256 : 243 und mach der Voraussetzung a : c = 2% : 1. *) B o ethius, De Institutione musica libri quinqueed. F rie dleim. I.eipzig 1867. Liber I. cap. 17, S. 204, Zeile 8—9: Estque verum semitonium minus ducentorum qua- draginta trium ad. CC/. VI. comparatio. 32 Ueber die Handschrift R. 4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der Also, sagt Oresme, ist b: c = 59049 /32768 also das Verhältniss der Quadrate fg: cd = /3486784401: 1073741824. 4. Es folgen jetzt Anwendungen der Regel dieses zweiten Tractates. Zunächst eine Aufgabe aus dem Würfelspiele (de ludo taxillorum). Man hat zwei Würfel und die Grundfläche des ersten ist doppelt so gross, als die des zweiten. Man macht einen Wurf, und es ist die Frage, wie ist das Verhältniss der Anzahl grosser Wür- fel, die auf seiner obern Fläche steht, zu der Anzahl kleiner Würfel, die auf desselben obern Fläche sich findet? Das Ver- hältniss eines grossen Würfels zu einem kleinen ist, wie in Questio I ge- funden, gleich 8:1. Es sei nun die Zahl auf dem grossen Würfel 1, auf dem kleinen 3, so ist das Verhältniss von 3 kleinen Würfeln zu einem sol- chen wie 3: 1. Da letzteres das grössere Verhältniss ist, so findet man subtrahendo das Verhältniss von 3 kleinen Würfeln zu einem grossen Wür- fel = (). Wäre die Zahl auf dem grossen Würfel die beträchtlichere gewesen, so hätte man addendo operieren müssen. Oresme macht am Ende die Bemerkung: Siquis autem est bene promtus in hocludo bene intelligere in proportionibus. Dass überhaupt dergleichen Spiele zur Zeit des Oresme sehr im Schwunge waren, kann man aus dem damals gerade ebenfalls viel getriebenen Spiele Rythmomachia d. h. Zahlenkampf sehen, wobei es auch der Hauptsache nach auf mittlere Proportionalen hinausläuft. Eine weit- läufige Auseinandersetzung dieses Spieles findet man in der oben citierten Ausgabe des Jordanus Nemorarius auf den zwei letzten Blättern. 5. Wie verhalten sich 3 Diagonalen eines Quadrates zu 4 Seiten desselben Quadrates? Man findet: 3 Diagonalen zu 4 Seiten = (). - 6 und 7. Das Ende des zweiten Tractates besteht endlich in zwei Aufgaben aus der Mechanik, die im Grunde ein und dieselbe Aufgabe bil- den. Zwei Kreise a und b, von denen der eine doppelt so gross ist als der zweite, drehen sich um ihre Mittelpuncte und zwar der Kreis a um sein Centrum 5mal, während der Kreis b um sein Centrum in derselben Zeit sich 7mal dreht; was ist das Ver- hältniss der Geschwindigkeiten bei der Kreise? Oder zweitens: die Seite und die Diagonale eines Quadrates werden in resp. 5 und 7 Tagen von zwei Puncten a und b durchlaufen, was ist in diesem Falle das Verhältniss der Geschwindigkeiten von a und b? Oresme findet, dass der Kreis oder Punct a sich im Verhältniss (#). schneller bewegt als der Punct b. Et ita dicendum est de similibus questionibus. Explicit secundus tractatus. [Incipit tertius. So endigt der zweite Tractat (S. 89, Zeile 12–13). c) Es folgt der dritte Tractat. Derselbe beginnt (Seite 89, Zeile 13–14): Nunc ergo ludendo in alio proposito ponatur triangulus equilaterus. a. b . c. inscriptus circulo cuius dyameter sit. a . e. Er beschäftigt sich zunächst mit den Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE. 33 - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Verhältnissen, die zwischen den regulären ein- und umgeschriebenen Viel- eckeñ eines und desselben Kreises bestehen. Zunächst beweist Oresme einige Lehrsätze, die er als Voraussetzungen für das Folgende benutzt. Wir finden 9 Theoreme dieser Art, von denen ich im Folgenden den Wortlaut gebe. Satz I. Im gleichseitigen Drei- eck ist das Verhältniss zwischen dem Quadrate des Durchmessers ae des umgeschriebnen Kreises und dem Quadrate der Seite a c des Dreiecks wie 4:3. (M. s. die Figur.) Satz II. Für das nämliche Drei- eck ist das Verhältniss zwischen dem Quadrate von a c zum Quadrate von ad gleich 4:3. Satz III. Es ist ferner das Quadrat von ad gleich dreimal dem Quadrate von cd. Satz IV. In der selben Figur ist das Verhältniss des Qua- drates von ad zum eingeschrieben Dreieck abc gleich 3. Satz V. Das umgeschrieb ne Quadrat ist doppelt so gross als das demselben Kreise eingeschriebne Quadrat. Satz VI. Das umgeschriebene reguläre Dreieck ist das Vierfache des gleichseitigen eingeschriebnen Dreiecks. Satz VII. Das eingeschriebne reguläre Sechseck ist dop- pelt so gross als das eingeschrieb ne reguläre Dreieck. Satz VIII. Das umgeschrieb ne reguläre Sechseck verhält sich zum eingeschriebnen regulären Sechseck wie 4:3. Satz IX. Das eingeschrieb ne reguläre Achteck ist die mitt- lere geometrische Proportionale zwischen dem ein - und um- geschriebnen Quadrate. Aus diesen Sätzen werden nun nach den im ersten und zweiten Tractat gegebenen Regeln die Verhältnisse zwischen den regulären ein- und umge- / schriebnen Polygonen von 3, 4, 6 und 8 Seiten entwickelt. Oresme stellt seine Resultate in zwei Figuren zusammen, die jedoch von zu grosser Aus- dehnung sind, als dass ich sie hier mittheilen könnte. Ich gebe deshalb im Nachfolgenden in anderer Art eine Uebersicht derselben, wobei ich der Kürze wegen überall das Wort regulär weggelassen habe. Umgeschriebnes Dreieck: Eingeschriebnen Dreieck = proportio quadrupla =4:1, Eingeschriebnen Viereck = medietas proportionis 27 : 4 =3/3:2, Eingeschriebnen Sechseck = proportio dupla = 2:1, Eingeschriebnen Achteck = medietas proportionis 27 : 8 = 3/3: 2/2, Umgeschriebnen Viereck = medietas proportionis 27:16 = 3/3:4, Umgeschriebnen Sechseck = proportiosesquialtera 3:2; - 34 Ueber die Handschrift R. 4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der - - - - - - - - Umgeschriebnes Viereck: Eingeschriebnen Dreieck = medietas proportionis 256 : 27 = 16:3/3, Eingeschriebnen Viereck = proportio dupla = 2:1, Eingeschriebnen Sechseck = medietas proportionis 64 : 27 = 8: 3/3, Eingeschriebnen Achteck = medietas proportionis duple = 1/2: 1, Umgeschriebnen Sechseck= medietas proportionissesquitertie = 2: V3; Umgeschriebenes Sechseck: Eingeschriebnen Dreieck = proportio dupla superpartiens = 8:3, Eingeschriebnen Viereck = medietas proportionis triple = V3 : 1, Eingeschriebnen Sechseck = proportiosesquitertia =4: 3, Eingeschriebnen Achteck = medietas proportionissesquiterlie=2: 3; Eingeschriebnes Achteck: Eingeschriebnen Dreieck = medietas proportionis 128 : 27 = 8/2:3/3 Eingeschriebnen Viereck = medietas proportionis duple = 2: 1. Eingeschriebnen Sechseck = medietas proportionis 32:27 =4/2:3/3 Eingeschriebnes Sechseck: Eingeschriebnen Dreieck = proportio dupla = 2 : 1 Eingeschriebnen Viereck = medietas proportionis 27 : 16 = 3/3: 4. Ein geschriebnes Viereck: Eingeschriebnen Dreieck = medietas proportionis 64 : 27 = 8: 3/3. Ores me macht hierzu noch die Bemerkung, dass in 6 von diesen Propor- tionen (27 als ein Glied vorkommt, und dass stets auf der Seite des Ver- hältnisses eine Quadratzahl unter dem Wurzelzeichen steht, auf welcher das Quadrat das zu Vergleichende ist. Das andere Glied ist dann jedesmal eine Cubikzahl. Z. B. das umgeschriebene Dreieck verhält sich zum einge- schriebnen Quadrat wie /3: 2”; ebenso das umgeschriebne Quadrat zum eingeschriebnen Dreieck wie 16*: 3 u. s. w. Auch den Satz bemerkt er, dass bei den umgeschriebnen Figuren diejenige die kleinere ist, welche die grössere Seitenzahl hat, und dass es bei den eingeschriebnen Figuren um- gekehrt sich verhält. Die beiden folgenden speciellen Fälle eines allgemeinen Satzes finden sich bei ihm: Das eingeschrieb ne reguläre Sechseck ist die mittlere Proportionale zwischen dem ein - und umge- schriebnen regulären Dreieck und der analoge Satz vom regulären eingeschriebenen Achteck, der schon oben (Satz IX.) angemerkt ist. Die beiden Reihen von Zahlen in stetiger Proportion 1, 2, 4, 8, 16, 1, 3, 9, 27, 81, nennt er harmonische Reihen, und jedes Verhältniss zwischen zwei Glie- dern derselben Reihe oder zwei Gliedern verschiedener Reihen heisst ihm ein harmonisches Verhältniss. Alle jene obigen Verhältnisse sind also ar- monice oder medietates armonicarum. Den Schluss des ganzen Werkes endlich bildet die Aufsuchung der Verhältnisse der vier Aspecten: De proportionibus aspectuum celi. Seine Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTZE. 35 - Resultate stellt er wieder in einer Figur zusammen, aus der ich dieselben hier wieder in anderer Form mittheile. Er findet: - Aspect us oppositus: Aspectus tertius = medietas proportionis sesquitertie = 2 : //3, Aspectus quartus = medietas proportionis duple = V2: 1, Aspectus seactilis = proportio dupla = 2 : 1; Aspect us tertius: Aspectus quartus = medietas proportionissesquialtere=/3: //2, Aspectus seactilis = medietas proportionis triple = /3: 1; A spectus quartus: Aspectus seaclilis = medietas proportionis duple = V2: 1. Die Endworte des Ganzen lauten (Seite 93, Zeile 17–18): Sie igitur se habent aspectus signorum celi secundum hanc considerationem et patet in figura. Darauf kommt noch die oben erwähnte Figur. Ich will hier noch darauf hinweisen, dass in den Schlussworten der Handschrift der Biblioteca Magliabechiana der Satz IX. auf alle regulären n-Ecke erweitert ist, wie ich dies schon in meiner Ausgabe des Algorismus proportionum, Berlin 1868 näher angedeutet habe. § 10. Neuntes Stück: Theorica motus longitudinum septem planetarum. Dieses Stück beginnt (Seite 94, Zeile 1–8) mit den Worten: IN phi- sica singulari et excellentissimo doctor Magistro Joannideganduno Petrus de guclina mathematicorum et uariabus disciplinis cum studio incendere Quia ea que de motibus planetarum et in theorica narrationequidem haben.teae geometris demonstrationibus idcirco conclusiones aliquas quasgirandus in sua theorica narrando propomit maacima imbecillitate meiingenii laboraui premom theorema- tum demonstratione. In quibus minus benedicta vnum ingenij claritas ac mcttc sollertia corrigat resecando resecal supplea et supplenda. Wer die beiden zuerst genannten Männer Joann es de Gandun o und Petrus de Gu clima gewesen sind, habe ich nicht ausfindig machen können*). Auch Fürst Bon compagni hat sich vergebens bemüht, mir darüber Auskunft zu verschaffen. Der weiter unten (Zeile 5) genannte Giran dus ist dagegen ohne Zweifel Gerardus Cremonensis, der in eben diesem Fürsten Boncompagni einen so vortrefflichen Biographen gefunden hat. Das hier vorliegende Stück unsrer Handschrift ist nun vor zugsweise deshalb interessant, als aus dem eben Mitgetheilten in Ver- *) Johannes de Gandu no oder de Ganda vo lebte um 1338. Er war ein berühmter Theolog und Philosoph und Vertheidiger Ludwig des Baiern gegen Johann XXII. Er schrieb unter Andern: Commentarius in Aristotelis de anima (Ve- netiis 1473, 1487, 1488 cet.); Quaestiones in librum physicorum Aristotelis (Venetiis 1488, 1501, 1544); und Expositio super libro de substantia orbis (Venetiis 1501). 36 Ueber die Handschrift R. 4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der - - - - - - - - - - - - - - - --- gleichung mit den Schlussworten hervorzugehen scheint, dass der Verfasser desselben gleichzeitig derjenige gewesen ist, der überhaupt unsern ganzen Codex geschrieben hat. Die Schlussworte setze ich, um dies augenschein- lich zu machen, gleich vollständig hierher. Dieselben lauten (Seite 105, Zeile 15–20): Hec igitur de theorica motus longitudinum . 7. planetarum ad prius propositas diuersas et inopinatas agibilium occupationes demonstrata suffi- physice contempla- ciant. Et vos amantissimi magistri qui astrorum et omnis lione uacar proponitis el polestis insufficientiam superparcetis quotiens uide- ritis hoc opusculum in meam commemorationem. Explicit anno domini M? CCC. LIX? Amen deo gracias. Ich füge diesem die 11 Lehrsätze und Aufgaben, aus denen unser Ma- nuscript zusammengesetzt ist, im Wortlaute hinzu. Vielleicht lässt sich da- durch aus andern Manuscripten Näheres über den Verfasser ermitteln. 1. Solem in suo ecentrico equaliter motum in orbe signorum inequalia duci. 2. Lineam eaceuntem a centro orbis signorum ad psius per/eriam equedis- tantem lineam eaceuntem a centro ecentrici adipsius peri/eriam medium motum solis demonstrare. 3. Medium motum solis ab opposito augis ecentrici eius usque ad augem minorem esse molu uero ab ipso uero auge usque ad augis oppositum maiorem. 4. Lineam uer molus et medij in auge el augis opposito vnam semper esse esl necessarium. 5. Maacimam equalionem solis alibi quam in medijs longitudinibus esse est impossibile. 6. Arcum equalionis solis in orbe signorum notum facere. 7. Centrum epicicli lune super centrum deferentis equales angulos in tem- poribus equalibus describere est impossibile. Super uero circuli eualitalis rni- formes angulos describere est necessarium. 8. Arcum equalionis centri in epiciclo lune palefacere. arcum quoque equalionis argumenti lune manifestare. 9. Argumentum equalionis centri in epiciclo trium superiorum notificare. arcum quoque equalionis centrieorundem in orbe signorum pate/acere. 10. Centro deferentis mercurij in aliqua linearum a centro orbis signorum eaceuntium que paruum circulum quem idem centrum deferentis motu describit contingunt eaceunte centro epicicli mercurij maxime propinquum fore centro or- bis Signorum est necessarium. Zu diesem Satze gehört als Lemma in den Beweis desselben einge schoben der letzte Satz: 11. Si a puncto eactra circulum signato qui tamen distat a circum/eren- tia eius quanta est semidyameler eiusdem due linee ducantur allera circulum ipsum contingens et a puncto sections ad punctum contactus ducalur corda ipsa corda est latus eacagoni circulo inscripti eidem. Hierin ist offenbar vor altero circulum contingens ausgefallen altera per centrum circuli, wie der Sinn augenblicklich ergibt. Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorm. Vom MAxiMILIAN CURTZE. 37 § 11. Zehntes Stiick: Geometria Bradwardini. Vom Seite 105, Zeile 21 bis Seite 110 fimdet sich michts Geschriebemes. Erst auf Seite 111 von Zeile 1 am begimnt die Geometria Bradwardini. Der Anfamg derselben lautet Zeile 1—10: Geometria bractardini | Geometria as- secutiua est arismetice. quodammodo nam | et posterioris ordinis est et numero- rum passiones deseruiunt in mag|nitudinibus propter quod euclides geometrie arismeticam interposuit, umd der Schluss (Seite 153, Zeile 9—11): Nunc au- tem cum equali arcu de zodiaco oritur quamque plus quamque minus | equino- ciali circulo sicud conuincitur per hanc conclusionem euidenter. Et in hoc com- pleta | est quarta et ultima pars thome Bradwardini. Ch asles in seinem Apercu historique S. 614 der deutschen Ausgabe würdigt dem Werth dieses Mammes mach Gebühr. Was er aber von seinem Lebensumständen anführt, ist ziemlich diirftig, selbst in Hinsicht auf die Diirftigkeit der Thatsachem, die wir überhaupt von seinem Leben kemmen, und die mam am besten zusammengestellt fimdet in dem Vorworte H. S a- vile's in der vom ihm veranstaltem Ausgabe der theologischem Schrift Bradwardim s: De causa Dei contra Pelagium et de uirtute causarum libri III. Londini 1618 in fol. Aus dieser Vorrede und eimigem amderm Quellem will ich hier zunächst die Hauptsachem kurz zusammenstellem. Thomas de Bradwardim a, eigentlich Bredwardin, aber gewöhnlich B r a dw ar dim u s gemamnt, ist geboren zu Hartfield bei Chich ester in England, also mit seimem berühmtem Vorgänger auf dem erzbischöflichem Stuhle zu Canter bury, Joh a m m es Peck kam, fast an demselbem Orte. Sein Geburtsjahr ist nicht machweisbar, doch dürfte dasselbe wohl noch im XIII. Jahrhundert zu suchen sein. Ebenso zweifelhaft ist es, ob er Francis- camer oder Domimikamer gewesen, doch scheint die erstere Amriahme die wahrscheimlichere. Im Jahre 1325 wurde er P r o ctor oder Procurator der Universität Oxford und las über Theologie, Philosophie nnd Mathematik mit solchem Erfolge, dass mam ihm dem Beinamen Doctor profundus bei- legte. Nach andern Naehriehtem, die aber wohl ziemlich umwahrscheinlich klingen, sei ihm dieser Beiname vom Papste gegeben. Später wurde er Kanzler der St. Paulskireh e in L o n d o m und auf Anrathem des derzei- tigem Erzbischofs vom Cam te r bury, Joh a m m St ratfo r d, vom König Edward III. zu seimem Beichtvater erwählt. Als solcher begleitete er die- sem in allem Kriegem, und soll durch seine, die Soldatem begeisterndem Redem viel zu dem Erfolgen desselben beigetragem haben. 1848 wurde er nach dem Tode seines Gömmers Stratford zweimal zum Erzbischof von Ca m ter b u ry gewählt, weil sein königl. Gönner ihm zuerst nicht von sich lassem wollte. Als aber der am seiner Statt Gewählte noch vor der Weihe starb, umd er durch das Capitel zum zweitem Male gewählt war, gab der König ihm frei, und am 19. Juli 1349 wurde seine Weihe in Avign on 4 38 Ueber die Handschrift R.4" 2, Problematum Euclidis explicatio, der - - - vollzogen. Aber schon am 26. August desselben Jahres 1349 starb er. Seinen Werth als Mathematiker würdigt, wie schon gesagt, Chas les. Seinen Werth als Theologe findet man gebührend gewürdigt in G. V. Lechlers Abhandlung De Thoma Bradnardino, die in Leipzig 1862 als Universitätsprogramm zum Rectoratswechsel ausgegeben ist. Ausser der oben erwähnten theologischen Schrift De causa Dei cet, sind von ihm ge- druckt, soweit ich darüber Nachricht habe: Geometria speculatiua Parisiis 1495, 1496, 1504, 1511, 1520 fol.; Arithmetica speculatiua Parisiis 1496, 1505, 1512 fol.; De proportionibus velocitatum Venetiis 1505 fol. Der als An- hang zu seiner Geometria specula/ra gedruckte, auch besonders herausge- gebne Tractatus de quadratura circuli editus a quodam archiepiscopo ordinis /ra/rum minorum ist schon von Chas les a. a. O. S. 614 als unecht nachge- wiesen. Derselbe geht auch unter dem Namen des Campanus, dessen Ehrenrettung in Bezug auf dieses Machwerk Chasl es ebenfalls a. a. O. Seite 611 geführt hat. Ich kehre zu unserm Manuscripte zurück. Dasselbe weicht von dem gedruckten Exemplare, soweit ich durch die Güte des Fürsten Boncom- pagni davon Nachricht habe, nur unwesentlich ab. Jedoch gibt es die Eintheilung der vier tractatus oder, wie dieselben bei uns heissen, parles in Capitula jedenfalls richtiger als die gedruckte Ausgabe. Die drei ersten Capitel der Ausgabe müssen aufhören, als solche ge- zählt zu werden. Sie enthalten die Suppositiones, Di/finitiones und Petitiones. Das im gedruckten Exemplare mit capitulum quartum bezeichnete hat bei uns richtig die Bezeichnung Capitulum primum de lineis mit 7 conclusiones. Dann folgt bei uns ebenso wie in der Ausgabe bezeichnet Capitulum secun- dum de figuris angulorum egredientibus mit 5 conclusiones: hierin sind die von Chasl es hervorgehobenen Sätze über die Sternpolygone enthalten. Das ist der tractatus oder pars 1. In der pars secunda muss das erste Capitel wieder nicht gezählt wer- den, es enthält nur Definitionen. Dann folgt übereinstimmend in der Aus- gabe und dem Manuscripte Capitulum tertium de triangulis mit 9 conclusiones: capilulum quartum de quadrangulis mit 5 Conclusiones; capilulum quintum de circulis mit 7? conclusiones; capilulum seactum de figuris ysoperimetricis, 5 con- clusiones. Chasl es gibt davon nur vier, indem die erste nur eine vorbe- reitende ist. Damit endet der tractatus oder pars 2. Bei der pars tertia müssen die beiden ersten Capitel wieder nicht mit- gezählt werden. Sie enthalten nur Definitionen. Capitulum primum= capi- tulum 3 der Ausgabe de proportionibus rationalibus enthält 6 regulas: das ca- pilulum secundum = capilulum quartum der Ausgabe de proportionibus irratio- malibus umfasst 7 conclusiones; capitulum tertium = capitulum quintum der Ausgabe de proportionibus linearum hat 5 conclusiones: endlich besitzt das capilulum quartum = capitulum seactum der Ausgabe de areis quadrangulis 5 conclusiones. Hierbei ist die Frage gerechtfertigt, ob die beiden Capitel Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE. 39 de proportionibus rationalibus et irrationalibus nicht etwa die Resultate des Algorismus proportionum enthalten, so dass also die beiden Zeitgenossen beide selbständig auf dieselbe Idee gekommen wären. Dass dies nicht der Fall ist, kann am einfachsten durch ein kurzes Resumé dieser Regeln und Lehrsätze gegeben werden, das ich deshalb hier folgen lasse. 1. Regula. Quanta est aliqua quantitas ad aliam lanla denominatur pro- Porto eius ad psam. 2. Regula. Proportio eaclremorum eac mediorum eius est proportionibus composita. Bezieht sich auf mehrere mittlere Proportionalen zwischen zwei Zahlen. 3. Regula. Proportiones sunt equales quarum denominationes equales. 4. Regula. Proportiones sunt inequales quarum denominationes inequales et in multiplicibus quidem secundum eundem ordinem se habet denominatio et proportio in superparticularibus uero ordine converso. 5. Regula. Quantitates sunt equales que ad vnam quantitatem conparate proportionen haben.t equalem. 6. Regula. Quantitates quarum equimultiplices sunt equales pse inter se Sunt equales. Aus der 5. Regel, sagt Brad ward in noch, lässt sich schliessen, dass alle unendlichen Grössen einander gleich sind, aus der 6. dagegen, dass dies unmöglich ist. In dem folgenden Stücke unseres Codex, dem Trac- tatus de continuo desselben Verfassers, ist über das Unendliche umständlich gehandelt. Ich werde daher an der geeigneten Stelle darauf zurückkommen. Das folgende Capitel de proportionibus irrationialibus enthält Lehrsätze wie folgende: 1. Omnis quantitas omni quantitate est proportionalis sed non omnis omni C0mmensuarabilis. - 2. Omnium duarum quantitatum communicantium est proportio alterius ad alleram tanquam numeri ad numerum. Sautem earum non fuerit proportio Sicud numeri ad numerum incommunicantes erunt. Dabei ist communicans = Commensurabilis. 3. Dyametri quadrati ad latus eiusdem est proportio irrationalis quia om- "is dyameter coste sui quadrati assimetrus. Diese Sätze sind hinreichend, da die folgenden noch weiter von den Untersuchungen abweichen, die Oresme im Algorismus proportionum an- gestellt hat. Die particula quarta enthält zunächst wieder Definitionen für den Raum. Diese bilden den Inhalt des Capitulum primum des Druckexemplars. In unserm Manuscript hat erst das Capitulum secundum der Ausgabe die Bezeichnung capitulum primum de lineis. Es enthält 5 conclusiones. Darauf folgt capitulum secundum principia solidorum = capitulum tertium et quartum der Ausgabe mit 7 conclusiones: das capitulum tertium de repletione loci = capitulum quartum et quintum der Ausgabe (capitulum quartum ist im Drucke 4* 40 Ueber die Handschrift R. 4, 2, Problematum Euclidis explicatio, der doppelt gezählt) enthält keine Conclusiones. Endlich umfasst das Schluss- capitel des ganzen Werkes capitulum quartum de spera = capitulum seaetum der Ausgabe 9 conclusiones. Aus dem Mitgetheiltem geht hervor, dass unser Manuscript dieses Werk gemau im demselben Umfange enthält, als die Hamdschrift Regina Suecorum N°. 1235 der Bibliothek des Vaticam. Wie diesem fehlem ihm der schom oben erwähnte Tractatus de quadratura circuli cet., der bestimmt unächt ist, und zweitens die Recollectio omnium proportionum numeralium, von der ich deshalb ebenfalls glauben möchte, dass sie erst durch dem Herausgeber des Druckexemplars zugesetzt ist. In der Ausgabe vom 1496, die Chas- les benutzte, scheint dieses Stück sich gar micht zu befimdem, da in der ziemlich genauem Analyse der Geometria speculatiua, die derselbe gibt, des- selbem gar nicht Erwähnung geschieht, wohl aber des Tractatus de quadra- lura circuli. Ehe ich zu dem mächsten Stücke unsrer Handschrift übergehe, bemerke ich moch, dass der Codex N° 15 der Handschriftsammlung des Fürstem B o m . c o m p agn i aus dem XV. Jahrhum dert auch ein Fragment einer Geometrie enthält (carto 162—169), das allein aus dem XIV. Jahrhundert stammt, mmd vom dem ich zuerst behauptet habe, es sei ein Fragment der Geometria Speculatiua des Bradw ar dim. Diese meine Vermuthung famd mach ge- nauer Untersuchumg ihre Bestätigung, und zwar umfasst dasselbe dem Am- fang derselbem bis Carto 7 numerata Bj verso Zeile 14, der Ausgabe vom 1495. In umserm Mamuscripte erstreckt sich dasselbe bis Seite 123, Zeile 28. Ganz vor kurzer Zeit bin ich durch Fürst B o m c o m p a gn i mit der Bitte um Veröffentlichung auf eine ziemlich aufällige Thatsache in Bezug auf die Geometrie des Bradw ardi m hingewiesem wordem. Sie ist kurz die folgende: Das Manuscript der Vaticam a Codeae 0ttobonianus 1389, Papierhand- schrift aus dem XV. Jahrhundert, im kleim 4'' vom 92 Seitem , die auf dem Vorderseitem mit I—VIII, 1—84 bezeichnet sind, enthält vom Blatt 4a bis Blatt 51* eine Geometrie, die dort dem Petrus d e D a cia zugeschriebem wird, der am Ende des XIII. und Anfamg des XIV. Jahrhumderts lebte. Es heisst nämlich Blatt 4°, Zeile 8—10: ,,Incipit summa artis Geometrie ual- de bona, edita a magistro petro de dacia/que quidem fuit | abstracta a Geometria Euclidis pro maiori parte.“ - Diese Worte sind roth gesehriebem. Damm heisst es weiter (Zeile 11—13): g Eometria assecutiva est arismetice | quodammodo nam et posterioris ordinis est . . . völlig übereimstimmend mit der Geometrie des Bradw ar- dim. Ebenso lautet der Schluss, Blatt 51^, Zeile 3—4 wie bei Bradwardin: , Et in hoc est completa. 4. et | vltima pars huius tractatus r Deo gracias amen. Von der Hand des Abschreibers hinzugefügt folgt num Blatt 51°, Z. 5—10 nochmals dieselbe Behauptung: €I Eæplicit hec breuis Theoria Geometrie valde bona e dita a magistro petro de dacia/que est multum vtilis volenti Intelligere, quod promittitur in opere sequenti (fuit | scripta per me Bertholomeum Juliani Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorm. Vom MAxiMiLIAN CURTZE. 41 -_- presbiterum magistrum | in artibus in va#nct. xx die Junij|Afïò domini mille- simo | cccc. $. iiij (Laudetur deus semper. amen, umd danm findet sich, ge- nau wie in der Handschrift Regina Suecorum 1235, die Perspectiua Communis des J oh a n n P e ckkam angehängt. Nach der Versicherung des Fürstem B o m c o m p agni umd des Herrm Nar ducci ist die Uebereimstimmung des Manuscriptes mit der Ausgabe der Geometria speculativa Brauardini, wie sie 1495 erschiemem ist, mit Ausnahme eimiger Wortveränderungem, eime vollständige. Ich muss mich umsomehr jedes weitern Urtheils enthaltem, als das Mamuscript, welches die Geome- trie dem P etrus d e Dacia zuschreibt, jüngerm Datums ist, als sämmtliche Handschriftem, die mir von der Geometria speculativa des Brad war dim be- kannt simd. Ich möchte aber die Vorstände der öffentlichem Bibliotheken bitten darauf Acht zu habem, ob etwa eine solche Behauptumg sich auch noch in anderm und vielleicht auch in früher datiertem Manuscriptem findet. Jede Mittheilung dieser Art wiirde ich mit dem aufrichtigstem Danke an- nehmen. § 12. Elftes Stück: Tractatus de continuo Bratwardini. Von Seite 153, Zeile 12 bis Seite 192, Zeile 15 folgt mun ein, wie es scheint, bis jetzt völlig unbekannt gebliebemes Werk desselbem Verfassers: Tractatus de continuo Bratnwardini. Wenigstens ist er in der mehrerwähntem Vorrede Savile* s zu der Ausgabe der Schrift de causa Dei contra Pelagium et de uirtute causarum, im der die übrigem Werke Br ad war dims aufgeführt werdem, nicht erwähnt. Derselbe dürfte, wemm er sich auch ziemlich nega- tiv verhält, doch micht ohne Interesse seim. Sein Anfang lautet (Seite 153, Zeile 12—14): Continum (sic!) est quantum cujus partes ad inuicem capulan- tur. Continuum | permanens est continuum cuius partes singule manent simul. continuum | successiuum est continuum cuius partes succedunt secundum prius et posterius. Diese Worte bilden zugleich die drei erstem Definitionem. Vom diesem zähleich 24. Zunächst kommen die Erklärungem derjenigen Formem, die zu dem Begriff Continuum permanens gehören. Es sind dies Kör p er, Flächem, Linie n. Daram schliesst sich die Definition: Indiuisibile est quod nunquam diuidi potest, umd damm die Erklärung von P u m ct: Punctus (sic!) est indiuisibile situatum. Es folgem die Erklärungem fiir die Continua successiua : 1. Tempus est continuum successiuum successionem mensurans. 2. Instans est certus athomus temporis. 3. Motus est continuum successiuum tempore mensu- ratum. 4. Motum esse est indiuisibilis series motus. 5. Materia motus est quod per motum acquiritur. 6. Gradus motus est illud materie motus suscitatis magis et minus quod acquiritur per aliquod motum esse. Die folgenden Definitionem gebem am, was es heisst, eim e Limie au f ein er am dern au ftragem; friiher ge we sem sein als et was A m de res; was fermer die Begriffe 42 Ueber die Handschrift R. 4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der Anfangen und Aufhören (Incipere und desinere) bedeuten. Die beiden letzten Definitionen endlich betreffen das Unendliche und es folgt dann ein langer, fast drei Seiten füllender Excurs über die unendlichen Grössen. Diese Definitionen sind: 1. Infinitum cathetice et simpliciter est quantum sine fine. 2. Infinitum sinkalhelice est secundum quidest quantum /initum et finitum maius islo et finitum maius isto maiori et sic sine/inc ultimo terminante et hoc est quantum et non tamen contra maius. Man sieht also, dass das infinitum ca- thelice unendlich ist, ohne dass man weiss, wie dasselbe entstanden ist, während das infinitum syncathetice als wachsende Grenze des Zunehmenden aufgefasst wird. In dem längern Excurse weist er vorzugsweise manche Einwürfe zurück, die dahin gemacht werden könnten, dass es überhaupt nur Unendliches nach der ersten Art gäbe und nicht nach der zweiten. Wenn dem so wäre, sagt er, so könnte man viele Probleme der Physik nicht lösen, wie z. B. das über Geschwindigkeit der Bewegung u. dergl. Ausserdem sucht er durch andere Aussprüche der beiden obigen Erklärungen den Begriff des Unendlichen so deutlich als möglich zu machen. Seine suppositiones sind folgende: 1. 0mne maius posse diuidi in equale et in differentiam qua eaccedit. – 2. Si finitum addatur finito totum erit finitum. – 3. vbi diuersitatis uel dissimilitudinis nulla est tum simile indicatur. – 4. Om- nes scientias ueras esse, ubi non supponitur continuum ex indiuisibilibus componi. – 5. Omnia media distare omnia diuisa mediari. – 6. Omne corpus superficies alque punctum uniformiter posse moueri. – 7. Omnium duorum mo- tuum localium eodem tempore uel equalibus temporibus continuatorum ueloci- tates et spacia illis pertransita proportionales eacistere. – 8. Omnium duorum motuum localium super idem spacium simul equalia deditorum proportionales e contrario semper esse. – 9. Quacunque uelocitate uel tarditate potest vnum mobile moueruel vnum spacium quodcunque. – 10. Esse uel non esse finitum certo tempore mensuratur. In der Thesis Nr. 4 ist eigentlich der ganze Inhalt des Werkes im Voraus gekennzeichnet. Derselbe besteht aus einer Durchnahme der Mei- nungen über die Zusammensetzung des Stetigen. Vorangehen eine Anzahl Sätze, die Brad war din zur Bekämpfung dieser Ansichten benutzt. Ich führe davon die wichtigsten an: 1. Nullum indiuisibile maius alio esse. – 3. Nullius continui multa indiuisibilia in eodem situ indiuisibili situari. Darin liegt offenbar der Begriff der Undurchdringlichkeit. – 8. Inter nullas rectas sibi superpositas puncta mediare. – 9. Lineam reclam secundum totum uel par- tem magnam recte alteri superponi et habere aliquod punctum intra secum com- munem cum ista non contingit. – 10. Linee recte vnam partem magnam alie recte imponiet aliam partem magnam superponi eidemuel aliudad latus distare ab illa impossibile comprobatur. Hier tritt zuerst eine Eigenthümlichkeit auf dass nämlich die Richtigkeit des Satzes dadurch nachgewiesen wird, dass eine grosse Zahl von Sätzen angeführt werden, die stattfinden müssten, wenn derselbe nicht richtig wäre. Diese Sätze sind später als selbständige Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE. 43 ------------- ------ -- - - - - - - - Theoreme aufgeführt, hier aber nur als Theile des Beweises am Rande mit 1–5 bezeichnet. Man findet darunter: Wenn dem nicht so wäre, so wäre ein Rechter grösser als der andere, der Theil wäre gleich dem Ganzen, Scheitelwinkel wären nicht gleich, Parallelen schnitten sich u. s. w. Es folgen dann eine ganze Reihe von Conclusio- nes, die mit den letzten beiden nur in geringfügigen Umständen unter- schieden sind. – 14. Ouelibet recta secans rectam secat eam in aliquo suo puncto et non in pluribus quam in vno. – 15. Nulle recle in aliquo puncto con- curentes ad punctum internum illis haben.toptatum. – Dazu das Corollar: Nulle recte ducte a basi trianguli ad angulum illi oppositum se tangere citra il- lum. – Für angulus steht dabei fälschlich latus. – 16. Aufgabe: Angulum rectilineum assignatum in duos angulos rectilineos et datum latus trianguli rec- tilinei in duas rectas, triangulum rectilineum totum datum inter angulos rectili- neos per rectam parliri. – 17. Aufgabe: Angulum contingentie quamlibet in angulum contingentie et angulum perferie super rectam basim trianguli contin- genlie oppositam angulo contingentie in duas rectas et totum triangulum contin- tingentie in triangulum contingentie minorem et triangulum a portionibus circum- ferentie et rectam contentum per circulum maiorem secare. In der Auflösung wird erwähnt Themistij de speris (d. h. sphaeris) pr. 3. primi libri, ein, so viel ich weiss, unbekanntes Werk. Den Namen finde ich nur in Heilbron- ner: Historia math. univ. S. 572. Themist. Aleac. in Canones Ptolemaei, wo nach dem Index Heilbronn er das Wort Themist. als Themistocles liest. Es könnte die hier erwähnte Handschrift wohl das Werk de sphaeris sein, sie befindet sich nach Heilbronner in der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris. – Die folgende Aufgabe lehrt über einer bestimmten Geraden einen Kreisabschnitt kleiner als der Halbkreis zu construieren, dann folgt der Satz: 19. Si super eandum cordamuel cordas equales portiones inequales cir- eumferentiarum medietate minoris consistant minorem portionem maioris circuli circumferentiequemaioris. maior uero minoris. Sivero circulorum uel circum- ferentiarum inequalium et super eandem cordam constitit portiones medietate minores ille erunt necessario inequales et maior circulus et circumferentia mino- rem portionem habebit, minor uero maiorem. In dem Beweise nimmt Brad- war din auf eine Erscheinung Rücksicht, aus der er zu erklären versucht, weshalb das Wasser auf der Erde trotz der Kugelgestalt nicht herunter- läuft, nämlich auf das, was wir Capillarität nennen. Ich kann wenigstens die folgenden Worte auf andere Weise nicht erklären: Continuum fluidum congregari et maacima uasis latera uacua derelinqui alqueliquidi semiplene ultra uasis dyamelrum continue eleuari. Rursum tale uas semiplenum ascendens fieri aliquotiens magis plenum aliquotiens uero plenum et superius cumulalum et ali- quum internum quod affluent quedam partes descendens effici minus plenum. Si uero tale uas ponatur maxima lo“ huius per totum contraria prioribus cuenire. – 20. Rectam perpendiculariter eaceuntem a puncto medio corde ad punctum medium archus portionis circuli medietate minoris circulum in duas medietates 44 Ueber die Handschrift R. 4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der -------- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - diuidere et utrumque angulum portionis minori et angulum circumferentie par- liri ipsam insuper portionem minoris linealemque secare. – 21. Silinee punctum aliquod uel pars aliqua moueatur localiter quamlibel parlem magnam et quodlibet medium punctum quod est cum eius uno extremo necessario commoueri. – 24. Quocumque motu locali signato potest motus localis uniformis et continuus in omniproportione recle finite ad rectam finilam uelocior et tardior inveniri. Dazu das Corrollar: Quodcumque spacium finitum quocunque tempore finilo posse vnformiter et continue pertransiri. – Lehrsatz 25 ist derselbe Ausspruch für molus successiuus. Der 26. spricht aus, dass bei einer Ortsbewegung ein Continuum nicht gleichzeitig mehrere Lagen einnehmen könne. – 27. Omnis inceptiouel desinentionon mensuratur tempore. – 24. Omne quod non est al- quale et crit tale nunc incipituel aliquando incipiel esse tale. – 29. Omne quod es aliquale et non semper tale nunc desinituel aliquando desinel esse tale. Jetzt beginnen die Sätze, welche die Ansichten über die Zusammen- setzung der Continua enthalten. Am Rande steht als Glosse Nola quinque opiniones de compositione Continui. Die verschiedenen Meinungen über diese Zusammensetzung sind zusammengestellt vor dem Beweise des Satzes 31. Da diese Uebersicht von Wichtigkeit ist, so erlaube ich mir dieselbe mit den eigenen Worten des Verfassers hier zu reproducieren. Dieselbe lautet (Seite 165, Zeile 29–39): Pro intellectu huius conclusionis est scien- dum quod circa compositionem continui sunt 5 opiniones famose inter ueteres philosophos et modernos . pomunt enim quidam ut a + anreys (2)*) et plurimi modernorum continuum non componi er athomissed er partibus diuisibilibus sine fine L Alij autem dicunt ipsum componiew indiuisibilibus dupliciter uariantes quum democritus ponit continuum componieac corporibus indiuisibilibus. alij autem eac punctis et hij dupliciter quia pylhagoras primus huius secte et plato (C waltherus*) modernus pomunt ipsum componiea finitis indiuisibilibus. alij autem eac infinilis et sunt bipartiti quia quidam eorum ut henricus modernus dicit ipsum componiea infinitis ihdiuisibilibus in medietate coniunctis alijautem ul teuf*) (?) ex infinitis ad inuicem mediatis. Die Refutation aller dieser Ansichten unternimmt nun Brad war din, indem er sich aus allen Wissenschaften seine Gründe holt. Zunächst be- weist er, dass wenn irgend ein Continuum auf eine bestimmte Weise zusammen- gesetzt, dass dann jedes andere Continuum in ähnlicher Weise zusammenge- setzt sein muss, und wendet sich dann zuerst gegen die Ansicht des Py- thagoras und Henricus. Von diesen Sätzen, durch die er diese zurück- weist, fängt jeder mit Sisic an und zeigt, dass daraus völlig absurde Be- hauptungen gefolgert werden könnten. Z. B. 40. Sisic angulum reclum esse *) Vielleicht Averroes? oder Aristoteles? **) Nicht Joannes Walterus, der 1412 starb, sondern wahrscheinlich Wal- terus Evesham, der 1316 astronomische Beobachtungen machte. ***) Später ist dieser Name lincof geschrieben. Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE. 45 minimum angulorum nec angulum esse acutum et omnes oblusos equales esse ad inuicem nec aliquum angulum oblusum penitus reperiri. – 42. Sisic linee eque- distantes concurrunt. –49. Sisic indiuisibile diuidetur. – 52. Sisic aliquum tardissimum motum esse. – 53. Sisic continuum eac athomis integrari. – 55. Si sic omne continuum componitur - eac indiuisibilibus infinitis et lamen eac fini- lis et nec eac finitis nec infinitis et componitur eac athomis el non componitur eac illis. Ehe zur Widerlegung der zweiten Ansicht fortgeschritten wird, be- weist unser Verfasser zunächst den Satz 46. In nullo continuo athoma in medietate coniungi. Dann wendet er sich gegen die Ansicht, dass das Con- linuum aus einer endlichen Zahl von indiuisibilia zusammengesetzt sei, d. h. gegen die des Waltherus. Seine Hauptbeweismittel sind folgende: 57. Si continuum eac/initis athomis componitur sicud numerus athomorum vnius con- tinui ad numerum athomorum allerius ita continuum ad alium sehabere. – 58. Sisic athoma in conliuno in medietate coniunguntur. In dem Beweise bedient er sich eines Satzes, der seine eigne Ansicht weiter ins Klare setzt, nämlich: Omnia continua habere athoma infinita sed ex athomis non componi. – 59. Sisic debilissimus gradus soni se habe sicud vnitas et ceterise sine medio con- iungentes ut sequens series numerorum. – 65. Sisic tonus partiri non potest. – Dann folgen zunächst wieder einige Sätze, die die Meinung des Brad- war din aussprechen: 66. Omnis recta linea habet particulares lineas infini- tas. – 67. Omnem angulum rectilineumuel contingentieintales angulos diui- dere infinitos. – 68. Omnem triangulum rectilineumsiue contingentie in in- finitastales angulos posse diuidiuel partiri. – 69. Omnis superficies habet superficies et lineas infinitas et puncta similiter infinita. – 70. Omne conti- nuum componitur exinfinitis continuis eidem speciei et habet athoma propria infinita. Nachdem dies nachgewiesen, wendet er sich wieder gegen die oben aufgestellte Ansicht. 72. Sisic certum circulum assignare quo maior esse non: – 73. Sisic perferiam circuli esse duplam dyametris. – 75. Si sic alique parles circumferenlie circularis sunt recle et angulum rectilineum conti- nentes. – 81. Sisic aliquis triangulus tres angulos rectos habe etlinee eque- distantes concurrunt. – 82. Si sic aliquis triangulus est subsesquiterlius ad quadratum qui subduplus est ad idem. – 86. Si sic omnis quadratidyameter sui lateriest equalis. – 87. Si sic aliquod quadratum est circulus. – 92. Si sic nullam esse uisionem rectam fractam siue refleacam lucis uel coloris. – 93. Sisic omnes speras celestes et elementares earum a terra esse quantitatis equa- lis et equeuelociter circum/erri. – 95. Si substantia composita eac/initis sub- stantiis athomis componitur condensationem materie prime non fieri per athoma prioribus pauciora. – 96. Sisic de substantia rarefactionem malerie prime non fieri per athoma materie plura primis. – 98. Sisic de substantia condensatio- nem et rare/actionem non esse possibilem. – 99. Coroll. Substantiam natura- lem ex finitis athomis non componi. – 101. Sisic inpartibile in media par- lietur. – 105. Sisic motum non esse omnino. – 106. Sisic sanitalem habitam 46 Ueber die Handschrift R. 4° 2, Problematum Euclidis explicatio, der non seruare nec perditam restaurare. — 109. Si sic non contingit recte scribere nec recte loqui. — 111. Si sic idem est iustum et iniustum. Mit Satz 114 fängt er ein amderes Princip am zu bekämpfen, dass mäm- lich das Contimuum aus umendlich vielem indiuisibilibus zusammengesetzt sei. Vom den oben aufgestelltem ist dies der letzte in Verbindung mit dem des Henricus. Die Hauptsätze lautem: 114. Si omne continuum eae indiuisibili- bus infinitis componitur esse continuum eiusdem generis et uthoma propria eodem genere proportionalia reperiri. — 118. Si sic condensationem et rarefactionem omnino non esse. — 121. Si sic aliqua superficies erit summe alba et similiter summe nigra. — 124. Si sic agens naturale corporeum est equalis actiuitatis cum athomo naturali et aliquod maioris et quodlibet infinite. — 126. Si sic de con- tinuo substantiam et qualitatem eae substantiis infinitis et qualitatibus integrari. — 127. Si sic athoma infinita in omni proportione finita et infinita ad alia in- finita procul dubio se habere. — 128. Si sic omnia athoma infinita quibuscum- que infinitis athomis adequari eaccedere et eaccedi omnia continua consimiliter continuis equalia esse eccedentia et eaccessa. — 131. Si sic aliquod continuum in eodem situ indiuisibili situari. — 133. Si sic omnis quadrati medietas est maior toto quadrato. — 136. Si sic omnis linea circularis est equalis cuilibet linee circulari et costa quadrato dyametris et omnis recta necessario omni recte erit equalis. Jetzt folgem einige Sätze, die wieder die Meinung des Brad- w ar dim aussprechem sollem. 137. Nullum continuum ex indiuisibilibus in- finitis integrari uel componi. — 138. Nullum continuum ex infinitis indiuisi- bilibus immediatis componi. — 139. Nullum continuum ex indiuisibilibus mediatis componitur. — 140. Nullum continuum ex athomis integrari Damm heisst es, und dies ist schon obem einmal als Meinung des Bradwardin ausgesprochen: vnum sequitur et elicitur. Omne continuum ex infinitis con- tinuis similis speciei cum illo compomi. Am Ende des Beweises folgt damn die Bemerkung: Hiis tandem perscrutatis nunc adiuncto consilio est inue- stigandum an indiuisibilia continuorum sint realiter distincta ut ponitur. Damm kommt der Satz 141, der aber eigentlich aus eimem längerm Excurse be- steht. Derselbe begimnt: Est igitur premittendum quod in continuatione siue discontinuatione corporum liquidorum nullam materiam primam nec aliquam substantiam primam nec qualitatem primam uel secundam corumpi et de quanti- tate et indiuisibilibus quantitatis similiter esse constat. Danm folgen die Sätze: 142. 0mnem substantiam esse per se impossibile carere omni accidente. — 143. Omne quod non est pars nec causa alterius potest corrumpi altero toto saluo, z. B. vnus homo moritur altero uiuente. — 144. Quare potest esse continuum et finitum sine aliquo indiuisibili continuante et finitante. — 145. Si indiuisibilia continuorum sint realiter ut ponuntur substantia naturalis indiuisibiles substantias habet. — 146. Si sic indiuisibilia omnis continui in medietate coniungi. — 147. Si sic continuum eae athomis integrari. — 148. Si sic aliquod accidens substantiam primam non habere. — 149. Si sic potest non improbabiliter apparere omne corpus esse tenacitatis et resistentie infinite. — Κönigl. Gymnasialbibliothek zu Thorm. Vom MAXIMILIAN CURTZE. 47 --_ 150. Superficiem lineam siue punctum omnino non esse und hieraus endlich der Schluss des Gamzem: Continuum non continuari nec finitari per talia sed se ipso. Die letzten Worte des Tractates enthaltem davom den Beweis und und lautem (Seite 192, Zeile 10—15): Prima autem illius corrollarii sequitur e.ac | illa conclusione plane. secunda uero pars eius sic patet. Si continuum non . continuatur | nec finitetur per indiuisibilia talia et non contingit assignare aliquod aliud per quod | continuum terminetur uel finiatur et continuum terminatur et continuatur igitur continuatur et /initur se ipso | Sic igitur primus liber qui est de compositione continuj quantum ad sua essentialia finem | capit. amen. 4 Ex- plicit tractatus bratwardini (sic!) de continuo. Hieraus diirfte zu schliessen seim, dass das uns hier vorliegende Stück nicht das ganze Werk des Brad war dim umfasst, somdern mur den erstem Theil desselben, wenn auch die letzten Worte wieder das Gegentheil be- hauptem. § 13. Zwölftes Stiick: Liber de ponderibus Jordani Nemorarii. Bei diesem Stücke könnem wir uns wieder kurz fassem, da dasselbe in dem Drucke: Liber Jordani | Nemorarii viri Clarissimi | De Ponderibus Proposi- tiones XIII. | etc. Am Ende Eaccussum Norimbergae per Jo. Petreium, | Anno domini M. D. XXXIII. 16 Blatt in 4?, leicht zu erlangem ist. Uuser Exem- plar unterscheidet sich aber wesentlich von diesem Abdrucke, besonders dadurch, dass es eine bei weitem gedrängtere Recension darstellt, so dass mam fast annehmen möchte, dass der Druck durch Petrus A pia m u s, dem Herausgeber dieses Werkes, interpoliert sei. Unser Manuscript begimnt (Seite 192, Zeile 16—20): Omnis ponderosi motum ad medium esse. Quanto gravius est uelocius descendere. | Grauius esse in descendendo quanto motus eius ad medium est rectior. | Secundum situm grauius esse quanto in eodem situ mi- nus oblique est descensus. | 0bliquiorem autem descensum in eadem quantitate minus capere de directo. Minus graue alio || secundum situm quod descensu al- terius sequitur contrario motu. Situm autem equalitatis esse equedistantiam | superficiei orizontis. Im Drucke beginnt das liber de ponderibus auf Blatt 3" umd der Amfang unsres Manuscriptes umfasst die Zeilem 26—33 von Blatt 4*. Es fehlt also wieder die ganze Einleitumg des Werkes. Vom dem 12 Sätzem die umser Manuscript im Gegensatz zu dem Drucke nur enthält, sind mur 11 hervorgehobem, während der 12. eigentlich mur ein Corollar des vorhergehendem ist. Der Satz 13 fehlt bei uns völlig, doch ist auf Seite 197 noch so viel Platz, dass in der kurzen Fassumg, die bei uns die Be- weise haberi, dieser Satz noch Raum haben würde. Der Beweis der Propositio prima umfasst im Drucke Blatt 4" bis Blatt 6°, Zeile 14, während bei uns derselbe mur 9 Zeilen lamg ist. Er enthält im Wesentlichen das, was im Drucke in dem zweitem Absatze von Blatt 4", der mit Sequitur aliud commentum beginnt, enthaltem ist. Jedoch nur bis 48 Ueber die Handschrift R. 4. 2, Problematum Euclidis explicatio, der - - - - zum Ende des Blattes. Aehnlich verhält es sich mit den übrigen Beweisem und zwar simd unsre Beweise immer die Theile, welche mit Aliud commen- tum sequitur oder ähnlichen Phrasem eingeleitet werdem, jedoch auch vom diesem immer mur eine Amzahl von Zeilem. Da aber unsere Beweise stets vollständig das lieferm, was sie machweisen sollen, so ist wohl der Schluss gerechtfertigt, dass entweder, wie schom gesagt, der Herausgeber selbstän- dig zugesetzt hat, oder dass er aus verschiednem Hamdsehriftem, die ver- schiedme Beweise gabem, diese mebemeimamder gestellt hat und durch die obige Einleitung zu dem Beweisem eimer andern Handschrift als der zuerst benutztem, dies hat anzeigen wollem. Da es gerade vom diesem Stücke eine ganze Reihe vom Manuscripten gibt, liesse sich vielleicht emtscheidem, welche vom diesem Ammahmem die richtige ist. - Unser Manuscript schliesst (Seite 197, Zeile 11—12): Dico | ergo quoniam pondus canonij . b . x . cum sit secundum . b . . . substantie . a . b. (I und zeigt schom dureh das Strophemzeichen, dass es unvollemdet abgebrochen ist. Der Beweis des 12. Satzes stimmt im Allgemeinem mit dem in der Aus- gabe des A p i a mus, doch ist keine wörtliche Uebereinstimmumg und es ist deshalb auch unmöglich zu bezeichmem, bis zu welchem Puncte dieses Druckes unser Manuscript sich erstreckt. § 14. Dreizehntes Stück: De latitudine formarum magistri Nicholai Horem. Wir kommen jetzt zu dem letzten Stücke unsrer Handschrift Seite 198—206. Es ist das Stück, welches auf der Seite 1 bezeichmet ist durch item de latitudine formarum. Nach einer Mittheilung des Fürstem B o m c o m- p agni stimmt umser Mam ascript mit der Ausgabe überein, die vom ihm im dem äusserst seltmem Buche ,,0uestio de Modalibus Bassani Politi etc. Venetiis mandato ~ sumptibus heredum quondâ Nobilis uiri D. 0ctauiani Scoti etc. 1505 unter dem Titel ,, Incipit perutilis tractatus de latitudinibus formarum .fum Reuerendù magrm Nicholaù //oren** gemacht ist. Ich glaube der Seltenheit dieses Werkes wegem michts Unmützes zu thum, wenn ich eine Uebersicht des Hauptinhaltes desselbem hier folgem lasse. Dieser Tractat begimnt (Seite 198, Zeile 1—5): Quia formarum latitu- dines multipliciter uariantur et multiplicitas | difficillime discernitur nisi ad figu- ras geometricas consideratio | referatur. Ideo premissis quibusdam latitudinum diuisionibus | cum suis diffinitionibus infinitas species earundem demum ad in finitas species figurarum applicatio eae quibus clarius apparebit. Was hier forma bedeutet, ergibt sich aus eimigen Sätzen und Beweisem des tractatus de continuo Bradwardini sowie aus den Bemerkungen zu dem letztem Lehr- satze dieses Tractates. Danach ist forma jede Erscheinung in der Natur, z. B. umter amdern jede Bewegung, jede Veränderung in der Wärme u. dgl. mehr. Diese formae werdem mum in ler Art durch geometrische Figurem Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE. 49 ------- --------------------------- dargestellt, dass, wie noch jetzt, die eine Grösse, von der die Form ab- hängig gedacht wird, als longitudo aufgetragen wird, während die latitudo in äquidistanten Puncten der longitudo senkrecht auf dieser, in dem näm- lichen Masse gemessen, errichtet wird. Longitudo und Latitudo ist also genau das was wir Abscissen und Ordinaten nennen, auf physikalische Vor- gänge angewendet. Die Endpuncte der Ordinaten werden, wie noch jetzt, durch einen zusammenhängenden Zug verbunden. Gradus latitudinis ist der Unterschied zweier aufeinanderfolgender Ordinaten. Beginnen die Ordi- naten mit dem Werthe Null, so heisst das non gradus, fangen sie dagegen mit einer bestimmten Länge an, so wird das certus gradus genannt. Die ganze Schrift ist, wie in den mitgetheilten Anfangsworten schon angedeutet ist, in zwei Theile getheilt. Der erste enthält Erklärungen der verschiednen Arten der Latitudo. Von der Longitudo natürlich kann es nur eine Art geben, da diese stets in gleiche Theile getheilt angesehen wird. Die Latitudo zerfällt zunächst in Latitudo vniformis und latitudo difformis. Erstere ist eiusdem gradus per totum die latitudo difformis autem est per oppo- situm. Die erstere wird also durch eine zu der Abscissenlinie parallele Gerade vorgestellt, d. h. durch ein Rechteck. Die zweite aber durch irgend eine andere Figur. Die Latitudo dormis zerfällt wieder in secundum se totam dormis und in secundam partem d/formis. Das Erstere braucht hier keine weitere Er- klärung, das Letztere aber ist, wenn ein Theil der betreffenden Curve eine zur Abscissenaxe parallele Gerade vorstellt, der übrige Theil aber eine zur Abscissenaxe geneigte Gerade oder eine krumme Linie. Die Lati- tudo secundum se totam difformis wird wieder eingetheilt in: latitudo vnifor- miter difformis, d. h. solche, bei welcher der eaccessus graduum immer der nämliche ist, und difformiter difformis d. h. solche, bei welcher diese Gleich- heit nicht stattfindet. Die erste Art hat als entsprechende Curve nothwen- dig eine unter einem beliebigen spitzen Winkel gegen die Abscissenaxe geneigte Gerade, die letzte Art irgend eine andere krumme Linie. Die erste Art kann anfangen a non gradu, muss dann aber aufhören ad certum gradum, oder sie kann beginnen a certo gradu und dann entweder ad non gradum oder ad certum gradum endigen. Ein viertes ist offenbar nicht möglich. Die latitudo diformiter difformis wird in ähnlicher Weise wieder einge- theilt im latitudo secundum se totam di//ormiter difformis und in latitudo non secundum se totam difformiter dfformis. Ich glaube kaum, dass ich diesen beiden unterschiednen Arten noch weitere Erklärung hinzuzusetzen brauche. Bei der ersten dieser beiden Arten unterscheidet er nun wieder latitudo vniformiter difformiter difformis d. h. solche Veränderung, dass die eaccessus graduum immer dieselbe Proportion, dass also die latitudines selbst eine arithmetische Reihe zweiter Ordnung bilden. Als Beispiel ist auf dem Rande angegeben eine Figur, an deren Ordinaten die Werthe stehen: 50 Ueber die Handschrift R. 49 2, Problematum Euclidis explicatio, der 0, 1, 2, 4, 7, 11, 16, 22, 29, 37, 46, 56, 67, 79. Alle übrige Arten der latitudo bezeichnet er durch latitudo difformiler difformiter difformis. Der erste Theil schliesst dann (S. 199, Zeile 3–6): Notandum quod in supra- dictis diffinitionibus utcunque declaratur eaccessus graduum interseequedistan- tium debet accipidistantia secundum partes latitudinis exclusiue et inclusiue ul loquilur de distantia graduum situali et non graduali. Der zweite Theil bringt nun Beispiele zu den im ersten Theile aufge- stellten Arten der Latitudo per figuras geometricas. Er ist in drei Capitel ge- theilt. Das erste enthält diuisiones, das zweite supposita, das dritte endlich propositiones et di/finitiones. Die Begriffe von Linea, figura, augulus, linea recta, linea curua, figura plana, figura curua, angulus rectilineus, angulus curuus, figura angularis, figura non angularis setzt er zunächst aus dem ersten und zweiten Buche des Euclid als bekannt voraus, und gibt dann die Eintheilung der geometrischen Figuren. Er unterscheidet figura monan- gula, figura duplangula, triangula, ..., multiangula, er sagt dabei noch, es gäbe solcher verschiedener Arten ebensoviele als es verschiedne Zahlen gäbe. Eine zweite Eintheilung ist die in solche Figuren, die nur durch krumme Linien begrenzt werden, wie die Figur, die von zwei Kreisbogen eingeschlossen wird, und in gemischtlinige Figuren, die durch eine gerade und eine krumme Linie umschlossen sind. Dabei sind noch die Erklärungen von portio circuli = Kreiabschnitt und zwar portio maior und portiomi- nor, jenachdem der Abschnitt grösser oder kleiner als der Halbkreis ist, von arcus und corda. Weiter theilt er ein in figure rectilinee, und figure curuilinee. Die letzte Eintheilung endlich ist in figure plane und figure curue und Ores me macht dabei darauf aufmerksam, dass figura curuilinea und figura curua wohl zu unterscheiden seien, da eine figura curuilinea sehr wohl eine figura plana sein könne. Das ist das erste Capitel. Das zweite Capitel enthält die Voraussetzungen. Diese sind: 1. Quesecun- dum aliquam proportionem sicse habentadinuicem rationem participant quantitatis. – 2. Omne quodeaccessugraduali eaccedit aliud uel eacceditur per medium quanti- tatis ab aliquoymaginandum est. – 3. Eaccessus gradualis, Latitudo gradus et intentio forme dem sunt. eac comuni vsuloquentium in tali materia. – 4. Omne quod eaccessu graduali eaccedit aliud uel eaccedilur ab alio habet latitudinem gra- dualem. – 5. Omne quod secundum aliquam perfectam dimensionem quantum est secundum illam dimensionem eaccedere potest uel eaccedi. – 6. Omne quod secundum dimensiones plures quantum est secundum plures dimensiones eaccedere potest uel eaccedi. – 7. Omne quod eaccedit uel eacceditur ab aliquo secundum aliquam dimensionem ymaginandum estel est quantum. – 8. Quod solum secun- dum eactensionem Suarum parlium eaccedit aliud uel eacceditur estymaginandum in proposito vnam solam habere dimensionem. – 9. Quod secundum intentionem suarum partium ymaginabilium eaccedit aliud uel eacceditur ab alio ymaginan- dum est in proposito duas habere dimensiones ideo ymaginandum est tanquam latitudo et longitudosiue superficies. – 10. Extensio forme ymaginanda est Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorm. Von MAxiMiLiAN CURTZE. 51 - - per lineam rectam. Intentio uero per figuram planam supra datam lineam rectam consurgentem. — 11. Cuilibet puncto in linea recta supra quam figura plana collocatur oportet (?) propria latitudo in dicta figura. — 12. Quodlibet punctum in eaetensione propriam habet intensionem. — 13. Forme permanentes uel yma- ginate tanquam permanentes habent eaetensionem secundum eaetensionem sui sub- jecti. forme uero successiue uel ymaginate tamquam successiue secundum ea- tensionem sue durationis. Im drittem Capitel emdlich werdem die propositiones und diffinitiones der verschiedenem Arten der Figurem gegebem als Erläuterung zu dem erstem Theile. Dieser Lehrsiitze ziihle ich 29. Der erste spricht aus, dass jede Latitudo irgend einer Form als eine ebene Figur dargestellt werden könne. Durch die folgemde wird eine mur krummlinige Figur ausgeschlossem, denm die Abscissenlinie mnss eine Gerade sein, daher kaum 3. keine Form durch einem ganzem Kreis dargestellt werden, noch 4. iiberhaupt durch eine Figur ohne Winkel oder 5. durch eine figura monangula, somdern sie ist 6. stets durch eine mehrwinklige Figur darzustellem. Es kamm 7. keime Form durch eine Figur dargestellt werdem, die mit der Abscissenlinie einem Winkel grösser als eim Rechter macht. Dies ist sogleich klar, sobald mam beachtet, dass zu damaliger Zeit negative Abscissem moch micht bekannt warem, und mur unter dieser Bedimgumg der erwähnte Fall eintretem kamm. Dieser Eigenschaft wegen kann 8. keime Form durch eine portio maior dargestellt werden, weil der Winkel, mit dem diese auf der Sehme aufsteht, eim stum- pfer ist. 9. Jede latitudo vniformis hat denselben certus gradus von Amfang bis zu Emde. Also ist 10. diejenige Form difformis, die vom non gradus be- gimnt. 11. Es ist jede Form, die a certo gradu amfängt und ad certum gradum emdigt, durch eine am Amfange spitzwinklige Figur zu verzeichmem. Spe- ciell ist 13. eine latitudo vniformiter difformis, die a non gradu anfängt, durch eine Figur mit geradlinig spitzem Winkel darzustellen. Jede latitudo diffor- miter difformis aber muss, wemn sie a non gradu beginnt, durch eime krumme Limie mit anfamgemdem krummlinigem spitzen Winkel amsteigem, umd jede la- titudo difformis, die mit dem non gradus aufhört, wird 15. umgekehrt durch eine absteigemde krumme Limie mit schliessemdem spitzem Winkel dargestellt. 16. Jedelatitudo vniformiter difformis per totum kamm durch ein geradlimiges Dreieck dargestellt werdem, jede latitudo uniformis terminata ad certum gradum aber 17. durch ein Parallelogramm, odereigentlich durch ein Rechteck. Dagegenist 18. keine Form, die irgendwo difformis ist, aber Amfangs und zu Ende unifor- mis, durch ein geradlimiges Dreieck darstellbar. Ores me führt eine ganze Reihe verschiedmer Formem auf, die die betreffende Figur amnehmen kann, sagt aber zuletzt poteris in infinitum uariare. Fängt eine latitudo vniformiter difformis a non gradu an, so ist 19. das geradlimige Dreieck, was sie dar- stellt, am Anfange spitzwinklig und am Emde rechtwinklig, umgekehrt, wenn sie 20. a certo gradu anfängt nmd ad non gradum emdigt, durch ein entgegemgesetzt liegemdes Dreieck; fängt sie emdlich a certo gradu am und 52 Ueber die Handschrift R. 4° 2, Problematum Euclidis explicatio, der --- - - ---------------- - endigt auch ad certum gradum, so ist 21. die entsprechende Figur ein Tra- pez, dessen beide parallele Seiten auf der Abscissenlinie senkrecht stehen, der eine der beiden obern Winkel ist ein spitzer, der andere ein stumpfer. 22. Keine Latitudo, die von non gradus beginnt und auch mit dem non gra- dus endigt, ist uniformis oder vniformiter difformis, sie kann aber theilweise vniformis oder vniformiter difformis sein. 23. Jede latitudo, die vniformiter dif- formis vom non gradus beginnt und ebenso vniformiler difformis mit dem non gradus schliesst, ist durch eine Figur vorzustellen, die am letzten Ende der Basis einen spitzen Winkel bildet. Keine latitudo diformiter difformis kann 24. durch eine geradlinige Figur dargestellt werden, es ist folglich 25. jede latitudo secundum se totam difformiter difformis noch oben durch eine krumme Linie begrenzt, ebenso muss 26. eine latitudo, die nur zum Theil difformitér difformis ist, zum Theil durch eine krumme Linie begrenzt wer- den. Die latitudovniformiter difformiter difformis beginnt 27. a non gradu, endet aber immer ad certum gradum; sie ist daher 28. darzustellen durch ein Drei- eck, das einen rechten geradlinigen Basiswinkel hat, die beiden andern Winkel sind aber krummlinige spitze Winkel. Endlich sagt der letzte Satz 29. aus, dass wenn die Latitudo einer bestimmten Form in irgend einer Weise variiert, die entsprechende Figur in ähnlicher Weise sich verändert. An diese Sätze schliessen sich eine Reihe von Bemerkungen, die nicht ohne Interesse sind. 1. Jeder Kreisabschnitt ist diformiter difformiter diſſor- mis. Doch muss derselbe kleiner als der Halbkreis sein, wie oben schon bemerkt ist. – 2. Bei einer solchen Figur wächst die latitudo von Anfang bis zur Mitte und nimmt dann wieder bis zum Ende ab. – 3. Bei einer sol- chen Figur ist die Aenderung der Geschwindigkeit des Wachsens und Fal- lens am obersten Puncte am langsamsten. – 4. ist dagegen zu beachten, dass die grösste Geschwindigkeit der Zunahme des Wachthums am Anfange der Figur und die grösste Schnelligkeit der Abnahme des Wachthums am Ende der Figur sich findet. – 5. Die Geschwindigkeit der Zunahme des Wachsthums nimmt stetig ab bis zum höchsten Puncte des Bogens, und dann nimmt umgekehrt die Schnelligkeit der Abnahme des Wachsthums von diesem Puncte bis zum Endpuncte des Bogens stetig zu. Im Anfangs- und Endpuncte ist die grösste Zu- und Abnahme-Geschwindigkeit. – 6. Wenn die latitudo vniformiter difformiter difformis zwischen den gradus eaccessium equedistantium immer dieselbe Proportion bewahrt, so ist dabei der Anfangs- und Endpunct derselben ausgeschlossen. – 7. Das Verhält- miss zwischen Form und Form ist dasselbe, wie zwischen den entsprechen- den Figuren. Dabei ist das Verhältniss irrational, sobald eine der Figuren oder beide krummlinig sind. Aus diesem letzten Satze folgert er noch einige Zusätze: 1. Zwei gleichförmige Bewegungen haben ein rationales Verhält- miss, ebenso 2. eine gleichförmige und eine gleichförmig ungleichförmige Bewegung. Dagegen ist 3. das Verhältniss zwischen einer gleichförmigen oder gleichförmig ungleichförmigen und einer ungleichförmig ungleichför- Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MAXIMILIAN CURTzE. 53 ------ migen Bewegung irrational. Dann folgen endlich die Schlussworte (Seite 206, Zeile 37–39): Plura igitur alia corrollaria equalia per talem materiam euertipossunt er precedentis que consideranlibus faciliter patent. ideo transeo. C deo gracias virginique gloriose. Dass das Werk, mit dem wir uns soeben beschäftigten, von dem gröss- ten Werthe für die Geschichte der Mathematik ist, sieht man auf den ersten Blick. Der Begriff latitudo formarum ist offenbar ein sehr wesentlicher Vor- läufer der Geometrie des Descartes. Dieser Begriff, dessen Dasein allen Geschichtsschreibern der Mathematik entgangen zu sein scheint, obwohl er ganz allgemein in Anwendung gewesen sein muss, erstreckt sich nachweis- bar bis in den Anfang des XVI. Jahrhunderts und wahrscheinlich noch weiter, so dass er geradezu unmittelbar an Descartes und seinen Vor- gänger heranreicht. Auch die Bemerkung Keplers, dass der Zuwachs einer Variablen z. B. der Ordinate einer Curve in der unmittelbaren Nähe eines Maximums oder Minimums gleich Null ist*), finden wir in den Bemer- kungen zu dem letzten Lehrsatz 29. des Oresme ausgesprochen, hier so- gar in ganz allgemeiner Form, da der Begriff von Forma jede Art verän- derlicher Grösse bedeuten kann. Auch die Bemerkung dürfte noch hervor- zuheben sein, dass, wenn man für zwei beliebige Formen derselben Art die entsprechenden Figuren gefunden hat, man für die Formen, sobald es nur auf das Verhältniss ankommt, diese Figuren substituieren kann (7. Be- merkung zu Satz 29.), sowie die Erklärung dahin, dass obwohl nur eine bestimmte Anzahl von Ordinaten in den Figuren gezeichnet werden, doch jedem Puncte der longitudo eine bestimmte Ordinate zukommt, dass also die Veränderung der Latitudo eine stetige ist, eine wesentliche Eigenschaft der Descartschen Betrachtungen. Oresme hat es also verdient in der Geschichte der Mathematik mit grösserem Nachdrucke genannt zu werden, als ihm dies bis jetzt zu Theil geworden. Jedenfalls sind die beiden Abhandlungen, durch deren glück- liche Vereinigung in unsrem Codex es mir möglich geworden, den obigen Nachweis zu führen, von gleichem wenn nicht grösserem wissenschaftlichen Werthe als die beiden dem Brad war din eigenthümlichen Theile seiner Geometria speculatiua. § 15. Ueber die Handschrift R. Fol. 23 derselben Bibliothek und Schluss- bemerkungen. - Ausser der im Vorhergehenden genau analysierten Handschrift besitzt unsre Bibliothek augenblicklich noch ein Manuscript wenigstens zum Theil *) Chasles, Aperçu. S. 53 der deutschen Uebersetzung. 5 54 Ueber die Handschrift R. 4° 2, Problematum Euclidis explicatio, der mathematischen Inhalts, dasselbe ist in klein Folio auf Pergament und um- fasst 22 Blatt ohne jede Bezeichnung. Es stammt aus dem zweiten Jahr- zehnt des 14. Jahrhunderts. Blatt 1“ enthält eine Darstellung des decadischen Zahlensystems auf dem Abacus ohne Anwendung der Null. Ich lasse dasselbe in verkleiner- tem Maassstab nebenbei abdrucken. Cêties Decies Mille Centü | Decem Mil Centü Decč Perse mille mille . . . – --- --- - Milia milia | milia le vnu milia millia 1 1 1 1 1 1 1 1 | 1 Ducaties Vigesies Bis Ducêta Viginti Duo Ducé Vi mille mille mille - - - --- wir gin Per se --- --- --- milia milia milia ta - milia milia milia ti 2 2 2 | 2 | 2 | 2 | 2 | 2 2 - - – - - - - Tricöties Tredecies Ter Tricêta Trigita Tria Tricê Tri mille mille mille .. gin Perse --- --- - - - milia milia milia ta milia milia milia ta 3 3 3 | 3 | 3 3 | 3 3 3 11 – – - Qudriges Qdragess Quater Quadri Quadra Qua Qua Qua mille mille mille genta ginta tuor drin dra Perse millia milia milia milia milia milia gëta gita 4 4 4 4 4 4 | 4 | 4 | 4 Qugesies Quiqges Quiquies Quigº Quiqua Quiq Quin Qui mille mille mille ta ginta itag" qua Perse --- - - - --- --- --- - milia milia milia milia milia mºa ta ginta 5 5 5 5 5 5 5 | 5 5 –– –- 11 - u Sexigëta . Sexgesies Sexies Sexin Sexa Sex Sexin Sex mille mille mille genta ginta ili gen gin Per SG milia milia milia milia milia mº a ta G 6 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 u –– -- SeptIgët Septugese Sepcies Septin Septua Septë Sep Sep mille mille mille genta ginta ... tin tua Perse - - - - - - --- --- - - - milia - milia milia milia milia milia gentaginta 7 7 7 7 7 | 7 7 | 7 | 7 – – – – -- OctIgEta . Octugeses Occies Octin Octua Octo Octin Octo mille mille mille genta ginta ili gen . Per S (" milia milia milia milia milia ma ta ginta S S 8 8 8 8 8 8 S - 11 11 - - – Nongët Nomgesies Nonies Nonin Nona Nouë Non Nona mille mille mille genta ginta | ... gen gin Perse milia milia milia milia milia milia ta ta 9 ) 9 | 9 9 9 | 9 | 9 | 9 - - - Rönigl. Gymnasialbibliothek zu Thorm. Vom MAxIMILIAN CURTZE. 55 Blatt 1" Pronosticaciones super. ajj. signa celi in corpore humano für jedes Zeichem drei Pronosticationem. Auf ihm findet mam auch die Bemerkung . 1364. epacte. 26. Die folgenden Blätter 2°—7" umfassem damm eim Calenda- rium für das Jahr 1328. Dasselbe enthält: 1. die Tage d e s M om ats; 2. Quatuor cicli premacionis lune ; 3. die gold m e Zahl; 4. die W o ch em- b u chstab em; 5. die Tag esläm ge; 6. die S o m m e m h öh e. Ausserdem ist eime Rubrik für dem lateim is c h e m Kai e m d e r vorhamdem umd eime für die Feste. Am Fusse jeder Seite, mit Ausmahme der erstem, fimdet sich moch eine Promosticatiom für dem Momat. Auf einem eingelegten Blatt Papier liest mam die Bemerkung: Deest in hoc martyrologio. s. Calendario festum Visitationis Mariae d. 2. Jul. quod institutum est a. 1389. ab Vrbano VI, confirmatum postea a Bonifacio IX Vrbani successore et in concilio Basil., vom moderner Hand, wahrscheimlich dem letztem Jahrhundert amgehörig. Der Rest der Hamdschrift endlich enthält eime theologia dogmatica in 80 Capitelm vom der nämlichen Hand geschriebem, als der erste Theil des Codex. In früherm Zeitem bis 1724 war unsre Bibliothek, die 1594 gegründet ist, sehr reich an mathematischem Manuscriptem. Nach dem grossem Blut- bade in Th o r m im Jahre 1724, bei welchem auch das Gymnasium aus seimer Localität vertrieben wurde, sind die meistem dieser Manuscripte, wie lässt sich nicht machweisem, abhandem gekommem, und mur die beidem oben beschriebemen sind gerettet wordem. Da es jedoch für literarische Zwecke vielleicht vom Werth ist, so gebe ich hier eim Verzeichniss der mathemati- schem Manuscripte, die 1724 moch vorhamden warem, aus der Notitia Biblio- thecae Gymnasii Thorumensis vom Petrus J ae michius, die 1724 in J e m a erschienem ist. Diese sind*): II. Liber Physicus; III. Dialectica et physica : V. Glossa super Aristotelis librum physicum de anima et coelo scripta a Tilemanno; XIX. Elementa Euclidis cum commentar. Campani, continens 790 Conclusiones fini- tas an. 1354 in 17 fer. natitiuit. ; adiungitur Arsaniches**) de mensura Circu- li; XXI. De concordia Astronomiae et Theologiae Fr. Petri Alliaco Cardinal. ser. 1414. Eiusdem calculatio de aetatibus mundi ante Christum etc., Eiusdem declaratio figurarum coeli seu facierum dierum revolut. Calculatio X figurarum et significatio. Elucidarius Astronomiae de Natiuitate JEsu Christi. Tractatus de Concordia discordantium Astronomorum super significationibus triplicitatum signorum Zodiaci ; XXII. Liber mathematicus : XXIII. Euclidis problemata cum eæplicatione (Jetzt R. 4° 2); XXIV. Arithmetica ; XXV. Jo. Aegidii Historia Naturalis ; XXVIII. In lib. Aristotelis Phys. de Coelo et mundo ; XXIX. Liber de metallis et lapidibus ; XXX. Liber physicus : XXXI. Liber physicus; XXXV. *) Die Nummerm sind die des Jänichenschem Katalogs. **) D. i. Archime de s. 56 Ueber die Handschrift R.422, Problematum Euclidis explicatio, der Quaestiones physicae : XXXVI. Liber physicus: CV. Canones tabularum apo- thécarii, mathematici et astrologici Hist. de S. Jodaco. – Zu bedauern ist es jedenfalls, dass von diesen 16 Manuscripten nur ein einziges erhalten ist. Nach den Bemerkungen des Jaenichen zu dem Manuscpript XXI. von Petrus de Alliaco, scheint dasselbe die Originalhandschrift die- ses berühmten Mannes, nachmaligen Cardinals und Erzbischofs von Cambrai enthalten zu haben. N a c h schrift. Bei der Besprechung des liber trium/ratrum habe ich oben gesagt, dass ich auf eine Anfrage an Herrn Prof. Kinkelin in Basel wegen der dort befindlichen Handschrift dieses Werkes keine Antwort erhalten hätte. Ich wandte mich seitdem auf andern Wege an die öffentliche Bibliothek in Basel und erhielt am 19. Juli d. J. durch Herrn Prof. Vischer, Bibliothekarge- nannter Bibliothek, vorläufig mit einem freundlichen Briefe des Herrn Prof. Kinkelin, d. d. 17. Januar 1868, der eine Beschreibung der Handschrift enthält, eine Abschrift des liber trium/ratrum, die eben derselbe sich zu sei- nem Privatgebrauch angefertigt hat. Indem ich für diese Zusendungen hier- mit öffentlich meinen Dank abstatte, bedauere ich, dass ich durch das un- angenehme Zusammentreffen von Umständen zu der oben erwähnten Be- merkung gekommen bin. Ich entnehme dem besagten Manuscripte noch, dass unser liber trium fratrum nur die sechs ersten Sätze des im Ganzen 19 Sätze umfassenden Werkes enthält und bis auf die Einleitung fast wörtlich gleichlautend mit der Basler Handschrift. Auch möchte ich noch bemerken, dass in dem Co- dex, der das liber trium fratrum enthält, das liber carastonis und wahrschein- lich anch der Algorismus proportionum sich vorfinden. Auch die Abhandlung Thabit ben Corra's, de figura sectore, die von Steinschneider fälschlich mit der gleichnamigen Abhandlung des Campanus identificiert wird, findet sich in dem Basler Codex. (F. II, 33.) Weitere Mittheilungen über dieses Manuscript, das mir auf einige Mo- nate zur Disposition stehen wird, behalte ich mir vor. Thorn, d. 25. Juli 1868. CURTzE. Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn. Von MaximiliaN CURtze. 57 Am h a n g. Einige Stellen aus dem Algorismus Proportionum Magistri Nicolay Orem nach der Lesart der Handschrift R. 4. 2 der Königlichen Gymnasialbibliothek zu Thorn. I. Die Einleitung: Seite 82, Zeile 5–21. - - . . . 1 . . . 1 - - WNa media debet sic scribi vna tertia sic 3 et due tertie sic et sic dealijs et numerus qui supra uirgulam dicitur numerator iste uero qui est subuirguladicitur denominator C Proportio dupla scribitur isto modo 2“ et tripla isto modo 3“ et sic de alijs. Proportio sesquialtera sic p. 1 1 . 2 – ------- - - - : „ ... | P - D.. - - - - - a ne --- et sesquitertia sic Proportio superpartiens duas scribitur tertias scribitur sic Proportio dupla superpartiens duas quartas scri- - - . 2 - - - - - - - . | 1 . p bitur sic - et sic dealijs. Medietas duple scribitur sic quarta 1 . p . 1 - - - – et sic de aliis. Et quecun- 2 et sie de alij q que proportio rationalis scribitur per suos terminos sev numeros minimos sicud dicetur proportio. 13.ad.9. queuocatur superpartiens quatuor nomas. «) Similiter proportio irrationalis sicud medietas superpartiens . . . scribitur pars duple sesquialtere scribitur sic sic. Medietas proportionis. 5. ad . 3“. et ita de alijs. COmnisproportio irrationalis de qua nunc est mentio (?) denominatura proportione rationali taliter quoddicitur pars eius autpartes sicud dicendo medietas duple aut tertia pars triple uel due tertie quadruple vnum patet quod in denomina- tionis/loco/talis proportionis irrationalis sunt tria scilicet numerator deno- minator et proportio rationalis a qua denominatur cuius ista irrationalis dici- tur pars autpartes sicud cum dicitur una medietas duple vnitas est numera- tor uel loco numeratoris. 2 . est denominator et proportio dupla estista a qua ista denominatur et itapotest patere faciliter dealijs C. II. Regel 4: Seite 83, Zeile 9–42. C Denominatorem proportionis irrationalis proprissime assignare. Pro isto sciendum est quod proportio rationalisdicitur primaria que non potest diuidi in proportiones rationales equales Et estilla inter cuius numeros 58 Anhang. mimimos nullus est numerus medius proportionalis sev numeri | medij proportio- males sicud est dupla auttripla aut sesquialtera. Sedista uocatur secundaria que potest | sic diuidi et inter cuius mumeros est mumerus uel numeri medij propor- tionales id estim medio loco | proportionales sicud sunt quadruplaque diuiditur in duas duplas et octupla in tres duplas. Similiter | monupla in duas triplas et sic de alijs (I. Proposita itaque proportiome irrationali qualibet, Si demo- mimentur | partes tumc per regulam precedentem fiat quod uocetur pars quo posito uideatur si | proportio rationalis a qua demominatur sit primaria. Et si sic tunc standum est quia proportio | irrationalis de qua est sermo est competentissime momimata sicud dicendo vma tertia | sextuple uel uma tertia duple et sic de alijs. Si uero proportio rationalis a qua demomimatur sit secundaria | uideatur quot habet proportiones rationales primarias que sunt eius partes equales. Et si mumerus | quotiens istarum partium et denomi- mator proportionis irrationalis proposite sunt incommunicantes stamdum | est in tali denominatione. Sicud si dicatur vna medietas octuple talis denomi- matio est propria. | quia octupla habet tres partes equales rationales scilicettres duplas et duo est demominator | proportionis irrationalis proposite . modo . 3. et. 2. sumt numeri incommunicantes ideo medietas octuple mom est pars alterius proportionis rationalis mimoris quam octupla quamuis bene partes sit quia medietas | octuple est [j-£| sed talis denominatio non esset pro- pria. Si autem uumerus minor | primarum partium talis proportionis ratio- malis secundarie a qua denominatur proportio irrationalis et denominator | illius proportionis irrationalis que est pars ipsius sint numeri communican- tes tunc accipitur | maximus numerus in quo communicant et per ipsum diui- dendus est vterque.illorum et diui|dendo mumerum partium proportionis secundarie prouenit numerus proportionum partialium ex quibus | componi- tur proportio rationalis a qua denominatur proportio proprissime proposita. Diuidendo uero denominatorem | proportionis per eundem maximum nume- rum prius habitum uemit denominator proportionis irrationalis | proprissimus et quesitus. Verbi gratia. Proponatur proportio que uocetur ;!; | tune agendo per tertiam regulam patet quod ipsa est vna quarta proportionis. 64* Sed quia. 64* | componitur ex. 6. duplis et . 6. qui est numerus par- tium primariarum istius. 64'° et |. 4. qui est denominator proportionis pro- posite sunt communicantes in . 2. ergo diuidendo |. 6. per . 2. exiet . 3. igitur proportio proposita est pars trium duplarum sev pars octuple. Simi- liter di|uidemdo. 4. per . 2. venit. 2. igitur proportio proposita est vna medietas . patet ergo | ex hac regula quod proportio proposita est vna me- TIp 2. 8 petentior. Eodem modo vna duodecima quatuor triplarum | sev 81'° est vma tertia triple et similiter vna quarta sex triplarum est. 4. trium triplarum sev 271° etc. dietas octuple et scribitur sic [ ] Et | ista est eius demominatio com- Anhang. 59 - III. Regel 7 — 9: Seite S4, Zeile 29 — Seite 85, Zeile 26. €I In additione irrationalis ad irrationalem et subtraxione irrationalis ab irrationali | sunt regule generales pro quibuslibet quantitatibus.: — Sit itaque pars mota | rei mote addenda parti note rei mote uel demenda. Verbi gratia. Sit |. c . pars rei . a . et . d . sit pars rei . b . et quod . c . denomi- netur mumero . e . et . d . numero . f. | Ducam igitur . a. in. f. idem com- tinuabo totidem . a . quotus est | numerus . f. et exibit . g . Similiter ducam . b . im . e. et uenit . h . erit ergo . c . pars ipsius |. g . secundum nume- rum qui fit ex ductu. e. im . f. et secundum eundum numerum erit. d. pars ipsius | . h , igitur sicud . c. ad . g . ita d . ad . h. 4I Addendo igitur sequi- tur quod sicud. c. ad . g . | et etiam . d. ad . h . ita aggregatum ex. c. et . d. ad aggregatum ex. g. et . h . ergo additum | uel aggregatum . c. d. est pars aggregati . g . h . secundum mumerum qui fit ex ductu | . e . im . f. CI Subtrahendo uero sequitur Quod si. g. extrahatur ex. h. aut e contrario || et . c . ex. d. aut e contrario residuum erit residui tota pars quota pars. c. erat | ipsius . g. [aut quota pars . c . erat ipsius . g.] aut quota pars erat . d.ipsius |. h. et hoc est secundum mumerum qui fit ex. e. in . f. [Eacemplum in additione]. Verbi gratia in additione proportionum | irrationalium. Et sit medietas duple addenda cum tertia parte triple proportionis . continuabo | ex vna parte tres duplas ut docet prima regula et hoc facio quia alia pro- a termario et dicitur tertia pars et ex altera parte portio denominatur ibidem et per idem continuabo duas | triplas et multiplicabo denominationes partium vnum per alterum sev. 2. per . 3. et uenit. 6. | igitur medietas duple est sexta pars trium duplarum. Et similiter tertia pars triple est sexta pars | duarum triplarum ergo aggregatum ex medietate duple et tertia parte triple est sexta pars aggregati ex tribus duplis et duobus triplis. Et per primam regulam patet quod tale aggregatum | est proportio . 72'* scilicet. 72. ad. 1. igitur addendo medietatem duple proportionis et tertiam partem | triple venit sexta pars proportionis. 72'° €I [Exemplum in subtraacione]. Verbi gra- tia in subtraxione proportionum irrationalium. | Subtrahatur medietas duple proportionis a tertia parte triple. Primo igitur subtrahatur aggregatum ex tribus duplis ab aggregato ex duobus triplis per secumdam regulam et re- manet | sesquioctaua igitur subtrahemdo sextam partem a sexta parte scilicet medietatem duple atertia parte | triple remam et sexta pars sesquioctave. Nam medietas duple est sexta pars trium | duplarum et tertia pars triple est sexta pars duarum triplarum igitur subtrahendo sextam a sexta | residui quod re- manet subtrahemdo totam a toto. Et hoc est facile demonstrare || 4I Si autem partes habent eandem denominationem. Tume preter [regulam gemeralem propo- sitam potest dari facilior regula specialis ista. Quid si tertia pars. a.] addatur tertia parti . b . exibit tertia pars illius quod fieret ex additione . a. ad. b . Similiter si tertia pars . a . subtrahatur a tertia parte . b . remanebit tertia pars residui | quod restat per subtraxiomem . a. de. b. Vt si dupla addatur 6() Amhamg. triple venit sextupla | ergo si medietas duple addatur medietate triple venit medietas sextuple. Similiter | si dupla subtrahatur a tripla remanet sesqui altera ergo Si tertia duple subtrahatur | a tertia triple remanet tertia pars sesquialtere et ita de alijs. Add.tio autem | probat subtraxionem et e con- trario sicud im alijs. €I. - IV. Die Regel des zweiten Tractates: Seite S7, Zeile 2S — Seite 88, Zeile 12. €I Adhuc occurrit alia difficultas uel utilitas et alius modus operam|di sed vna regula primitus est ponenda et est ista. Si duarum rerum fuerit pro- portio data proportionem quamlibet sibi multiplicem assignare. Sit. a. maius et . b . | mimus et eorum proportio data sit . c . sitque . d . multiplex ad . a . secundum mumerum . e . || sit etiam . f. multiplex ad . b. secundum numerum . g. et proportio inter . g. et . e. sit . h . Si igitur | numeri. e. et . g. sumt equales manifestum est quod proportio . d . ad . f. est sicud proportio . a. | ad . b . que est data. Si autem . e . est maior quam . g . tunc simul addemde | sunt due proportiones . c . et . h . et proportio ex eis confecta est proportio . d . ad . f. quesita. Verbi gratia | Sit . c . sesquial- tera et . h . sesquitertia et quod . e. sit . 4. et . g. 3. tunc patet quod. 4. | a . excedunt . 3. a. in sesquitertia. Et. 3. a. excedunt. 3. b. in sesqui- altera | igitur . 4. a . excedunt . 3. b. in proportione composita ex sesqui- altera et sesquitertia sev im | dupla igitur . d . excedit. f. in ista propor- tiome. Si uero e contrario . g . fuerit maior quam . e. | tunc igitur uel . h . et . c . proportiones sumt equales et ergo . d . et . f. sunt equalia quomiam | si . a . est sesquialterum ad . b . tunc tria . c . sunt equalia duobus. a. Sed si || proportiones*. c . et . h . sunt imequales et sicud prius . g . sit maior mimerus quam . e . tune de | istis proportionibus subtrahenda est minor a maiore secundum regulas superius positas | Et proportio residua est propor- tio. d . ad . f. Et si . e . est maior quam . g . tunc . d . est maius | quam . f. Et si e contrario tunc e contrario. Verbi gratia. Si. c. est proportio ses- quialtera et . h . sesquitertia | tumc tria. a. faciunt magis quam . 4. b. quod : patet quia . 3. a. ad . 3. b. sunt in | proportione sesquialtera Sed. 4. b. ad . 3. b. est proportio sesquitertia ergo tria . a . sunt magis | quam. 4. b. per proportionem im qua sesquialtera excedit sesquitertiam scilicet per ses- quioctavam | ergo proportio . d. ad. f. est sesquioctaua. Eodem modo agen- dum est si fuerit e contrario | scilicet si . h. sit maior quam . c . ut si . h . sit sesquialtera et. e. sesquitertia sed tunc | euenit e contrario scilicet quod.f. erit maius quam . d . im proportione sesquioctaua autem prius . d . erat sicud I. 9. et . f. 8. nunc autem . f. est mouem et . d. 8. et similiter agendum est de proportionibus | irrationalibus. zza DER AL(0RISMUS PROPORTION NI (()LAUS () RIESME. ZUM ERSTEN MALE NACH DER LESART DER HANDSCHRIFT R. 4". 2. DER KÖNIGLICHEN GYMNASIAL-BIBLIOTHEK ZU THORN HERAUSGEGEBEN VON E. L. W. M. (URT/E. MIT EINER LITHOGRAPHIERTEN TAFEL. %x - - e-Gº - %-- -- s /F. /é? DEM GYMNASIUM TU THORN ZUR DRITTEN SAECULARFEIER DEN 8. MAERZ 1868 DER COPERNIKUS-VEREIN FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST ZU THORN. - º - - º º cº- º -º-º-º-º- * Zºº & S 4 - EINLEITUNG. Der hier zum ersten Male abgedruckte Text des Algorismus Proportionum Magistri Nicolai Oresmii ist in einer Handschrift der hiesigen Königl. Gymnasialbibliothek aus dem XIV. Jahrhundert enthalten, die den Katalogtitel , R. 49 2. Problematum Euclidis eac- plicatio" führt. Er umfasst in dieser Handschrift Seite 32 Zeile 5 bis Seite 93 Zeile 18, zum Theil sehr unleserlich geschrieben. Auf die grosse Bedeutung desselben für die Geschichte der Mathematik habe ich wohl zuerst hingewiesen in meiner Abhandlung in der Zeitschrift für Mathematik und Physik, XIII. Jahrgang, Heft 2: Ueber die Handschrift R. 40 2, Problematum Euclidis ex- plicatio, der Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn, die eine genaue Analyse der ganzen Handschrift enthält. Da ich nicht glaube an- nehmen zu dirfen, dass die Ergebnisse derselben allgemein bekannt sind, so werde ich hier die Hauptresultate in Bezug auf die vor- liegende Schrift nochmals zusammenfassen, besonders auch deshalb, weil dieselben aus dem Werke des Or e s m e selbst sich erst mach eingehendem Studium gewinnen lassen. Ehe ich jedoch hierzu ilbergehe, stelle ich das zusammen, was ich iber die Lebens- umstände des Oresmius aus verschiedenen Quellen habe finden können.") *) Gallia christiana, Th. XI, Paris 1759. S. 788–89. – Biographie universelle. T. 32. p. 62–64, Paris 1822. – Histoire littéraire de la France T. XXIV Quatorzième siècle. Paris 1862 an verschiedenen Stellen. — Du Pin, Biblio- thèque des auteurs ecclesiastiques du S. XIV. Utrecht 1731 T. XI p. 82. — Fabricius, Bibliotheca latina mediae et infimae aetatis. T. V. p. 369. Ham- burg 1736. — 6 — Nicolaus Oresmius (Ore sme, Orem, Oran us, Horen) war geboren im Dorfe Allemagne bei Caen in der Norman die wahrscheinlich am Anfang des XIV. Jahrhunderts. Seine Studien machte er am Collége de Navarre, nachher an der Universität in Paris underwarb sich dort auch die Doctorwürde – Du Pin memnt ihn am a. O. Docteur de Paris, unser Manuscript Parisius —; bald wurde er weit berähmt, so dass ihn König Johann von Frankreich auserwählte, die Studien des nachmaligen Königs Charles V. le Sage zu leiten. Dieser Monarch zählte ihn durch sein ganzes weiteres Leben zu seinen treuesten Rathgebern und hielt inn sich stets zur Seite. 1356 erhielt Oresme die Stellung als Grand-maitre des Collége de Navarre, an derselben Anstalt, der er seine erste Bildung zu danken hatte. Er hatte dort vorzugsweise Theologie, aber auch Mathematik zu lehren, und aus dieser Zeit scheinen seine mathematischen Abhandlungen zu stammen. Er blieb in seinem Amte bis zum Jahre 1361. In diesem Jahre tibernahm er das De- canat zu Rouen und wurde gleichzeitig Schatzmeister der Saint- Chapelle zu Paris. 1363 sandte ihn sein königlicher Gönner nach Avignon, um den Papst Urban W. von seiner beabsichtig- ten Flucht zurück zuhalten, und bei dieser Gelegenheit hielt er seine beriſhmte Predigt ilber den Text aus Jesaias: Jua'ta est salus mea, welche die Fehler und Schwächen des Papstes und der Kar- dinále schonungslos geiselte. Seit 1370 beschäftigte er sich auf Ge- heiss seines frihern Schülers mit Uebersetzungen griechischer Auto- ren nach lateinischen Uebersetzungen ins Französische, namentlich die Bücher vom Himmel und der Welt, die Ethik und Po- litik des Aristoteles hat er so französisch geliefert. Auch die Bibel soll er in seiner Muttersprache wiedergegeben haben. Trotz- dem gerade das Französisch in diesen Uebersetzungen sehr geriihmt wird, *) konnte doch noch im Jahre 1866 von dem bekannten J. Barth elemy Saint-Hilaire eine Uebersetzung des Werkes de coelo erscheinen, welche auf dem Titel die Bemerkung hat traduit en français pour la première fois. Es ist also im Allgemei- *) Histoire littéraire de la France a. a. O. S. 182. – 7 – nen die Erinnerung an diese Uebersetzungen selbst im Vaterlande des Oresmius verloren gegangen“). Am 16. November 1377 wurde Ores me endlich auf Verwen- dung des Königs in Avignon zum Bischof von Lisieux geweiht und starb als solcher den 11. Juli 1382. Nach Du Pin a. a. O. wäre er im Jahre 1384, wie er hinzufügt, sieben Jahre nach erhalt- ner Investitur gestorben, aber eine Stelle der Gallia christiana S. 788 des erwähnten Bandes: Defunctus die 11. Juli 1382, sepu- turam accepit in cathedralijuacta sinistram chori portam et die sequentift ejus obitus in ecclesia Leacoviens. Et certe vacabat sedes an. 1382 die 5. August er reg. 123. Carol VI. in quo Nicolai Lero- viensis bonae memoriae episcop fit mentio; lässt wohl kaum einem Zweifel Raum über den 11. Juli 1382 als Todestag des Oresmius. Von seinen Werken sind im Drucke erschienen: 1. Liber de mutatione monetae, a bono Principe non permittenda (Bibliotheca sanctorum Patrum, T. IX. Paris 1589, 1644. auch zu Cöln und Leyden. Ferner Helmstedt 1622, und in den Actis publicis monetariis von Th. v. Hagelstein Th. 1, S. 247, Augustae 1692). Authenticität angezweifelt. 2. Juacta est salus mea, ut veniat etc., die oben erwähnte Pre- digt. (In Catalogus testium veritatis des Facius Illyri- cus Th. 1, ferner in den Lection es memorabilium von Joh. Wolfius Th. 2, S. 648 auch apart gedruckt Wittenberg 1604, cura Sal. Gesneri). 3. Epistolae Lucifer ad praelatos Ecclesiae. (In den Lectt. memorabill. des Joh. Wolfius Th. 1, S. 654 und separat, durch Flacius Illyricus besorgt, Magdeburg 1549). 4. Tractatus de Antichristo, eius ministris, aduentu, signis propinquis et remots et S. Scriptura (Edmund Marten, Monu- menta Th. X. S. 1274). Letztere beiden als echt angezweifelt. 5. Aristotels Politica et Oeconomica cum Glossematbus, Fran- zösisch. Paris 1486, in Fol. *) Dies lässt sich auch daraus schliessen, dass auch Jourdain, Sur les traduc- tions latines d'Aristote weder in der ersten noch zweiten Auflage des Oresme erwähnt. Auch in der Bearbeitung, die Stahr von der ersten Auflage geliefert, fehlt der Name des Oresme völlig. 6. Aristotelis Ethicorum libri X. sowie einige Schriften des Cicero und Anderer, ebenfalls französisch, Paris 1488, in Fol. 7. Franciscº Petrarchae de remediºs utriusque fortunae liber; ebenfalls französisch, Paris 1534. Wahrscheinlich nicht von Oresme. 8. Traité de la sphère in 50 Capiteln, Paris 1546. 9. Tractatus de latitudinibus formarum. (In dem Werke Questio de Modulibus Bassani Soliti cet. Venetiis 1505*). Dieses Werk des Oresme befindet sich auch in unsrem Codex und ist ebenfalls von grosser Wichtigkeit für die Geschiehte der Mathematik. Zum ersten Male gedruckt erscheint hier der Tractatus de pro- portionibus proportionum oder der Algorismus proportionum. Hiervon verschieden ist jedenfalls der in der Bibliothek des Collége de Na- varre befindliche Tractatus de proportione Velocitatum in motbus. Dort wird auch noch aufbewahrt ein Tractatus de Instantibus, so- wie ein Tractatus de Configuratione qualitatum, wahrscheinlich auch mathematisch-psysikalischen Inhalts. Der Algorismus proportionum ist nur in sehr wenigen Exem- plaren vorhanden. Ausser unsrem Manuscripte kenne ich nur zwei andere, eines in der Bibliothek des Sam. Pepys in der Bodle- jana, das andere in der Bibliothek des Klosters San-Marco in Florenz"). Letzteres hat ebenfalls den Titel Algorismus Propor- *) Auf diese Ausgabe des tractatus de latitudinibus formarum bin ich auf eine Anfrage hin durch Fürst Boncompagni aufmerksam gemacht. In dem an- geführten Werke ist der Titel: Incipit perutilis tractatus de latitudinibus for- marum secundum Reuerendum Magistrum Nicholaum Horen. Ich war deshalb zweifelhaft, ob Oresme wirklich der Verfasser sei, doch Fabricius a. a. O. löste diese Unsicherheit, da er denselben Tractat als in der Bibliothek des Collége de Navarre befindlich unter Oresme's Namen aufführt. *) Indem dies gedruckt wird, erhalte ich durch die fast unerschöpfliche Grossmuth des Fürsten Bon compagni in Rom Abschrift des Anfangs und des Endes dieser Handschrift. Dieselbe befindet sich jetzt in der Biblioteca Maglia - be chiana in Florenz und führt die Nummer „Conventi sopressi I, IX, 26“, früher No. 123 der Bibliothek des Klosters San Marco. Nach diesen Auszügen zu urtheilen enthält dieselbe nur das Werk bis § 4 des 2ten Tractats ein- schliesslich, obwohl es auch möglich ist, dass nur eine andere Anordnung beliebt ist. Man sehe auch die folgende Anmerkung. In Bezug auf das erste Mscrpt. vergleiche man: Catalogus libr. Mscrpt. Angliae et Hiberniae in unum Collecti Oxoniae, 1697. Fol. Tom. II. Part. 1, p. 209 No. 6780. 61. – 9 – tonum. Beide Handschriften standen mir nicht zu Gebote, und so ist die nachfolgende Ausgabe ganz allein nach unsrem Manuscripte besorgt. Der Inhalt des Algorismus proportionum ist nun folgender. Nach einer Einleitung, die die neuen Bezeichnungen des Verfassers, welcher er sich später bedient, enthält, folgen neun Regeln, welche die Zusammensetzung der Proportionen behandeln; unter Propor- tion, wie stets im Mittelalter, das geometrische Verhältniss verstan- den. Proportion in unsrem Sinne ist Proportionabilitas oder simi- litudo proportiönum. Unter Verhältniss versteht er stets ein fallen- des, das steigende Verhältniss dagegen kennt er nur unter dem Namen fractio. Der Werth eines Verhältnisses ist bei ihm also stets eine ganze oder eine gemischte Zahl. Diese schreibt er dem Wesen nach genau so, wie wir es noch jetzt zu thun pflegen, und also umgekehrt wie Leonard von Pisa, der den Bruch immer vor- anschreibt. Sind die beiden Verhältnisse, deren zusammengesetztes Verhältniss gesucht wird, beide gleichzeitig direct oder indirect, so heisst ihm die Operation Addition zweier Verhältnisse. Im ent- gegengesetzten Falle Subtraction derselben. Sind bei der Addition die Verhältnisse gleich, so entsteht das quadratische, cubische etc. Verhältniss. Diese bezeichnet er speciell durch duae duplae (raison doublée double sagen die Franzosen), tres duplae etc., und hierin ist ein Analogon zu unsrer Potenzbezeichnung 2“, 2" cet nicht zu ver- kennen. Mit Zeichen schriebe dies Oresme 2. 2". Nun erweitert er diese Potenzbezeichnung dahin, dass er auch von medietas, tertia 1 -2P. pars duplae u. s. w. spricht; das heisst in seinen Zeichen * 1 1 in moderner Bezeichnung aber 2*, 2, . . . . Es treten also hier wohl zuerst die Potenzen mit gebrochenen Exponenten auf, und zwar wie noch jetzt in der Auffassung als interpolierte Glieder zwischen den Potenzen mit ganzen Exponenten. Bisher wurde die Erfindung dieser Bezeichnungsweise dem Simon Stevin von Brügge, dessen Werke am Anfange des 17. Jahrhunderts in Leyden erschienen sind, zugeschrieben. Man sehe darüber die Abhandlung Prouh et's, Sur l'nvention des exposants fractionnaires ou incommensurables – 10 – (Nouvelles Annales de Mathématiques. T. XVIII. Bulle- tin de Bibliographie p. 42). Es ist daher wohl eine nicht ganz unwichtige Thatsache, dass der ganze Algorithmus dieser Grössenarten sich schon fast 300 Jahre vor Stevin in so weit aus- gebildeter Weise vorfindet. Die erwähnten neun Regeln, welche den ersten Tractatus bilden, enthalten nun die Rechnung mit Potenzen und Wurzeln in ziemlicher Vollständigkeit. Wollte man mit moderner Bezeichnung die Formeln angeben, die Oresmius entwickelt, so erhielte man die folgenden: 1) a". a" = a"+", (Regel 1); 2) Ä=a - , (Regel 2) m __ 3) a" = (a")", (Regel 3); 1 ( P \ _ 4) a" = a), (Regel 3); ( ) 1 5) \a"/" = a", (Regel 3); 6) (a") = \a" JTFT, (Regel 4); P - 1 7) (a") - (amp)T (Regel 4) 1 Il 1 8) a.b" = (a". b)T, (Regel 5); 9) bº - (...), (Regel 6); 3. 1 10) – “– = (*) F ) b () , (Regel 6); __ 1 an a - n 11) bi - () , (Regel 6); _ p 12) a" = aF, (Regel 7); — 11 — I. 1 1 1 13) a S. b T — (af. b*)T, (Regel 7); 1 I. a ET a f YET 14) -,- = (;)", (Regel 8); bT 1 1 1 15) a T. b T = (a. b) T, (Rege19); 1 + - 16) (;)" — *;, (Regel 9); bT, 1 1 17) an. a5 — a"*5, (§. 11); 1 18) a; = a. m , (§. 11.). aT Der zweite Tractat enthält noch eine weitere Regel, die man folgendermassen in modernen Zeichen wiedergeben kann: Ist a : b = c : 1 und gleichzeitig entweder m : m = h : 1 oder n : m = h : 1, so hat man: ma: nb = c.h : 1 oder ma: nb =;: 1 wobei auch der Fall eintretem kann, dass ma < nb, wo damn die letzte Form sich verwandelt in: mb : ma=* : 1. C. Es ist das die Operation, welche man wohl Multiplication zweier Proportionen genamnt hat. Die wichtigstem Anwendungen, die Ore sm e macht, enthält der dritte Tractat. Ich mache besonders auf die Verhältnisse der regu- lärem Polygone aufmerksam und einige Theoreme, specielle Fälle des Satzes: Das reguläre eingeschriebene 2n eck ist die mittlere Propor- tionale zwischen dem um- und eingesehriebenem regulären n - eck "). ") In der obem angeführtem Handschrift der Biblio te c a Magli ab echiana heissen die Schlussworte: Et nota quod demonstratio de octogono est generalis etiam ad alias figuras inscriptas et circumscriptas, semper data mea proportione – 12 – Citiert werden Boetius, de institutione musica. (Tr. II. § 4, 2); Euclides, Elementa (Tr. II. § 1, 2; § 3, 1; Tr. III. § 1, 2; § 1, 5; § 1, 7; § 12, 4); Jordanus Nemorarius, Arithmetica (Tr. I. § 2, 4; § 3, 2). cum duobus lateribus. Vergleicht man dies mit der Ultima suppositio des 3ten Tractats, so sieht man unmittelbar, dass der im Text angeführte Satz dadurch in seiner ganzen Allgemeinheit ausgesprochen ist. In dieser Schlussbemerkung liegt auch der Grund, weshalb ich oben von einer möglichen Umstellung der Tractate gesprochen habe. Meunier, Essai sur la vie et les ouvrages de Nicole Oresme, Paris 1857. gibt eine Handschrift des Algorismus Proportionum in der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris an, Anc. fond latin. ms. no. 7371 Wenn er aber zu derselben sowie zu dem auch in derselben enthaltenen Tractatus de latitudinibus formarum hinzufügt: Traité contre l'astrologie, so dürfte wohl die Bemerkung erlaubt sein, dass derselbe sich nicht bemüht zu haben scheint, den wirklichen Inhalt dieser beiden Werke zu erforschen. Auch die oben an- gegebene Ausgabe des Tractatus de latitudinibus formarum kennt er nicht. ALG0RISMUS PR0P0RTI0NUM MAGISTRI NICOLAY ()REM. PARISIUS, IN NOMINE D OMINI IN CIPIT AT, G O R IS MUS P R O P O RTION U M. Na media debet sic scribi g, vna tertia sic 3. et due tertie sic g; et sic de alijs. et numerus, qui supra uirgulam, dicitur mu- 'nerator, iste uero, qui est sub uirgula, dicitur denominator. 2. Pro- portio dupla scribitur isto modo 2.'*, et tripla isto modo 3.'*; et sic - - - - - p 1 - _ _ - de alijs. Proportio sesquialtera sic scribitur 1. et sesquitertia %* 1 * 1 - - - - - . . p 2 * 3* Proportio superpartiens duas tertias scribitur sic 1. 3* Pro- - - - - . . p 2 - Portio dupla superpartiens duas quartas scribitur sic 2. ;;; et sic de alijs. 8. Medietas duple scribitur sic #2', quarta pars duple ses- - - - . 1 p - - '{uialtere scribitur sic j? . g; et sic de alijs. 4. Et quecumque pro- Portio rationalis scribitur per suos terminos sev numeros minimos, $icud dicetur proportio. 13. ad. 9., que uocatur superpartiens qua- 'uor monas. 5. Similiter proportio irrationalis sicud medietas super- Partiens â scribitur sic: Medietas proportionis. 5. ad tria; et ita de alijs. 6. Omnis proportio irrationalis, de qua nunc est mencio, enominatur a proportione rationali taliter, quod dicitur pars eius “ut partes; sicud dicendo medietas triple, aut tertia pars triple, Vel due tertie quadruple, vnum patet quod in denominatoris [loco] talis proportionis irrationalis sunt tria, sev numerator, denominator - — 14 — et proportio rationalis, a qua denominatur, cuius ista [ir]rationalis dicitur pars aut partes. sicud cum dicitur vna medietas duple, vni- tas est numerator uel loco numeratoris, . 2. est denominator et pro- portio dupla est ista, a qua ista denominatur. et ita potest patere faciliter de alijs. — 2. Prima Regula. Proportionem rationalem proportioni ratio- mali addere. Ponatur vterque in suis minimis numeris et mnltipli- cetur minor terminus uel numerus vnius per minorem alterius et maior per maiorem et exibunt numeri sev termini proportionis com- posite ex ambabus datis. . 2. Et ita possunt addi tres aut quelibet, addendo duas illarum in simul et demum toti composito ex amba- bus addendo tertiam, demum quartam et sic ultimam. 3. Verbi gratia. uolo simul addere sesquitertiam et quintuplam. Primi numeri sesquitertie sunt. 4. et . 3. et alterius. 5. et. 1. Multiplicabo itaque, 'ut dictum est, tria per vnum et. 4. per. 5. et ueniunt. 20. et tres, quarum proportio est sextupla superpartiens $. 4. Et ita potest pro- portio duplari, triplari quamcumlibet. Et hoc potest demonstrari et satis habetur ex sexta conclusione quinti arismetice Jordani. 3. Sedunda Regula. Proportionem rationalem a proportione rationali subtrahere. Ponatur, ut prius, quelibet in suis numeris minimis. Demum ducetur contradictione crucis minor numerus ! vnius per maiorem alterius et ita de reliquis et exibunt termini illius proportionis, in qua maior excedit minorem de proportionibus datis . et illa erat maior, cuius maior terminus ductus in mimorem terminum alterius producit numerum maiorem. 2. Verbi gratia. Subtrahatur sesquitertia a sesquialtera. Primi numeri sesquitertie sunt. 4. et. 3., et primi numeri sev termini sesquialtere sunt . 3. et . 2. Multiplicabo. 4. per. 2., tumc sunt. 8. et iterum. 3. per . 3. et sunt. 9.; igitür proportio sesquialtera est maior quam sesquitertia per proportionem. 9. ad . 8., uel per sesquioctuam (Fig. 1.) . hoc autem demonstrari potest ex. 27. secundi arismetice Jordami. 4. Tertia Regula. Si proportio, irrationalis fuerit partes alicuius rationalis, ipsam possibile est partem notare. Et hoc alte- rius rationalis, licet non eiusdem , vnum competentius notatur pars quam partes. — 2. Sit itaque . b. irrationalis partes. a. rationalis , igitur ipsum . b. habebit numeratorem et demominatorem. Dico ergo, quod non mutato denominatore ipsum . b. erit pars alicuiu* — 15 — proportionis multiplicis ad . a. secundum numeratorem. Et quia omni proportioni rationali contingit dare quomodolibet multipli- cem, quelibet erit irrationalis, de qua est mencio, pars alterius ratio- nalis. 8. Verbi gratia . proponatur proportio, que sit due tertie qua- druple; et quia duo est numerator, ipsa erit vna tertia quadruple duplicate; sev sedecuple; et sic de alijs . 4. et regula est, quoniam vniversaliter vna tertia totius est due tertie medietatis uel subduple et e contrario, due tertie subduple proportionis sunt vna tertia duple. Et sic de quibuslibet partibus. 5. Quarta Regula. Denominatorem proportionis irrationalis pro- prissime assignare. Pro isto sciendum est, quod proportio rationa- lis dicitur primaria, que non potest diuidi in proportiones rationales equales. Et est illa, inter cuius numeros minimos nullus est nume- rus medius proportionalis sev numeri medii proportionales; sicud est dupla aut tripla aut sesquialtera. 2. Sed ista uocatur secun- daria, que potest sic diuidi et inter cuius numeros est numerus uel numeri medij proportionales, id est medio loco proportionales. sicud sunt quadrupla, que diuiditur in duas duplas, et octupla in tres duplas. Similiter monupla in duas triplas; et sic de aliis. 3. Proposita itaque proportione irrationali qualibet, si denominentur partes tunc per regulam precedentem fiat quod uocetur pars. quo posito uideatur, si proportio rationalis, a qua denominatur, sit pri- maria. Et si sic, tunc standum est, quia proportio irrationalis, de qua est sermo, est competentissime nomimata; sicud dicendo vna tertia sextuple uel vna tertia duple; et sic de alijs. 4. Si uero proportio rationalis, a qua denominatur, sit secundaria, uideatur, quot habet proportiones rationales primarias, que sunt eius partes equales. Et si numerus quotiens istarum partium et denominator proportionis irrationalis proposite sunt incommunicantes, standum est in tali denominatione. 5. Sicud si dicatur vna medietas octu- ple, talis denominatio est propria, quia octupla habet . 3. partes equales rationales sev tres duplas et duo est denominator propor- tionis irrationalis proposite. modo. 3. et. 2. sunt numeri incommu- nicantes, ideo medietas octuple non est pars alicuius proportionis rationalis minoris quam octuple; quamuis bene partes sit, quia me- dietas octuple est j4! sed talis denominatio non esset propria. 6. Si autem numerus minor, id est primarum partium talis propor- tionis rationalis secundarie, a qua denominatur proportio irrationa- lis, et denominator illius proportionis irrationalis, que est pars ipsius, — 16 — sint numeri communicantes; tunc accipitur maximus numerus, in quo communicant, et per ipsum diuidendus est uterque illorum, et diuidendo numerum partium proportionis secundarie prouenit nume- rus proportionum partialium, ex quibus componitur proportio ratio- nalis a qua denominatur proportio proprissime proposita. Diuidendo uero denominatorem proportionis per eumdem maximum numerum prius habitum uenit denominator proportionis irrationalis proprissi- 'mus et quesitum. — 7. Verbi gratia. proponatur proportio, que - 3 - - uocetur £4'. tunc agendo per tertiam regulam patet, quod ipsa est vna quarta proportionis . 64P. Sed quia. 64P. componitur ex. 6. duplis et. 6., qui est numerus partium primariarum istius 64ple., et . 4., qui est denominator proportionis proposite, sunt communicantes in . 2.; ergo diuidendo. 6. per. 2. exient . 3. igitur proportio propo- sita est pars trium duplarum sev pars octuple. Similiter diuidendo .4. per. 2. venit. 2., igitur proportio proposita est vna medietas. patet ergo ex hac regula quod proporüo proposita est vma medietas octuple et scribitur sic }8'. Et ista est eius denominatio com- petentior. s. Eodem modo vna duodecima quatuor triplarum sev. 81P. est vna tertia triple, et similiter vna quarta sex triplarum 1 . . - est *9* trium triplarum sev. 27 P. etc. 6. (luinta Regula. Proportionem irrationalem proportioni rá- tionali addere. Sit . b . irrationalis addenda proportioni rationali, cuius. b. est pars et a qua proprissime denominatur secundum prio- res regulas; tunc capiatur denominator ipsius. b. et totidem. a. adda- tur de proportione, quotus est iste denominator per primam regulam et totum aggregatum sit. c. Dico ergo, quod proportio composita ex. a. et. b. erit pars ipsius. c. denominata eadem denominatione, qua. b. denominabatur pars sue proportionis denominantis sev. d. 2. Verbi gratia. addatur vna tertia duple proportioni sesquialtere. continuentur ergo. 3. sesquialtere cum dupla et exibit proportio - 3 . - - sextupla superpartiens q, qui est proportio. 27. ad. 4. Et ista pro- - - - - ... 1 an 8 portio sic resultans scribitur sic ;6 *T* 7. Sexta Regula, Proportionem árrationalem a proportione rationali subtrahere. Sit. a. proportio rationalis, .b. irrationalis de- mominata a proportione rationali, que sit. d. igitur siue . a. sit maior — 17 — quam. b. siue minor. multiplicetur. a. per denominatorem ipsius. b.; et idem est, quam accipere proportionem compositam ex totidem . a., quotus est ille denominator ipsius. b., et hoc docet facere prima regula. Sit igitur ista proportio composita aut producta. c. Tunc per secundam regulam cognoscatur, vtrum. c. sit maior quam. d. aut minor. Si. c. sit maior, tumc. a. erat maior quam. b. Et si. d. est maior quam . c., tunc . b. erat maior quam. a. Et quoque dato subtrahatur minor a maiori illarum proportiomum sev. c. et. d., quod fit per secundam regulam, et residuum sit . f. Dico igitur, quod si. f. subtrahatur ex . b. aut e contrario, residuum erit tota pars ipsius. f., quota pars. b. erat ipsius. d. — 2. Verbi gratia. subtra- hatur sesquitertia a medietate duple. continuabo duas sesquitertias et exibit proportio, que est. 16. ad. 9., que est minor quam dupla; et ergo subtrahatur a dupla et remanebit sesquioctaua. igitur subtra- hendo sesquitertiam a medietate duple remanet medietas sesquioctaue. 3. Item si uelis subtrahere tertiam partem duple a sesquialtera, con- tinuentur . 3. sesquialtere et uenit. 27. ad . 8., a qua subtrahatur dupla et restabit proportio. 27. ad. 16. ergo si vna tertia duple subtrahatur a sesquialtera, remanebit vma tertia. 27. ad. 16. et hoc est tertia pars illius, quod restaret, si tota dupla subtrahetur a tri- bus sesquialteris. 4. Et ex hoc potest faciliter demonstrari regula ista vniversalis: quia si primum subtrahatur a secundo et remanet tertium, igitur et si tertia pars primi subtrahatur a tertia parte secundi remanet tertia pars tertij; et ita de medietate uel quarta parte uel quinta etc. 8, 9. Septima et 0ctaua Regula. In additione irrationalis ad írrationalem et subtraaeione írrationalis ab árrationali sunt regule generales pro quibuslibet quantitatibus. Sit itaque pars nota rei mote addenda parti mote rei note uel demenda. Verbi gratia. sit. c. pars rei. a. et. d. sit pars rei. b., et quod. c. denominetur numero .e. et. d. numero. f. Ducam igitur. a.im. f., idem continuabo totidem . a., quotus est mumerus. f. et exibit. g. Similiter ducam. b. in . e. et uenit. h. erit ergo. c. pars ipsius. g. secundum numerum qui fit ex ductu. e. in. f., et secundum eundem numerum erit. d. pars ipsius . h.; igitur sicud. c. ad. g. ita. d. ad. h. 2. Addendo igitur sequi- tur, quod sicud. c. ad. g. et etiam. d. ad. h., ita aggregatum ex. c. et. d. ad aggregatum ex. g. et. h.; ergo additum uel aggregatum • c. d. est pars aggregati . g. h. secundum numerum, qui fit ex ductu. e. in . f. 8. Subtrahendo uero sequitur, quod si. g. extrahatur ex . h. aut e contrario et . c. ex. d. aut e contrario, residuum erit resi- 2 — 18 — dui tota pars, quota pars. c. erat ipsius. g., aut quota pars erat. d. ipsius .h. et hoc est secundum numerum, qui fit ex. e. in . f. 4. [Exemplum im additione]. Verbi gratia in additione proportionum irrationa- lium. Et sit medietas duple addenda cum tertia parte triple pro- portionis. Continuabo ex vna parte. 3. duplas, ut docet prima re- gula, et hoc facio, quia alia proportio denominatur a ternario et dicitur tertia pars. et ex altera parte ibidem et per idem continuabo duas triplas et multiplicabo denominationes partium vmum per alle- rum sev . 2. per .3., et uenit . 6.; igitur medietas duple est sexta pars trium duplarum. Et similiter tertia pars triple est sexta pars duarum triplarum, ergo aggregatum ex medietate duple et tertia parte triple est sexta pars aggregati ex tribus duplis et duabus triplis. Et per primam regulam patet quod tale aggregatum est proportio 72P. sev. 72, ad. 1. igitur addendo medietatem duple pro- portionis tertia parte triple venit sexta pars proportionis 72P. 5. [Exemplum in subtraxi o m e.] Verbi gratia in subtraxione proportionum irrationalium. Subtrahatur medietas duple proportionis a tertia parte triple. Primo igitur subtrahatur aggregatum ex tribus duplis ab aggregato ex duobus triplis per secundam regulam et remanet sesquioctaua. igitur subtrahendo sextam partem a sexta parte sev medietatem duple a tertia parte triple remanet sexta pars sesquioctaue. (Fig. 2.) 6. Nam medietas duple est sexta pars trium duplarum et tertia pars triple est sexta pars duarum triplarum. igitur subtrahendo sextam a sexta residui quod remanet subtrahendo totam a toto. Et hoc est facile demonstrare. 10. Nona Regula. Si autem partes habent eandem denomina- tionem. Tunc preter regulam generalem propositam potest dari facilior regula specialis ista. Quid si tertia pars. a. addatur tertia parti. b., exibit tertia pars illius, quod fieret ex additione. a. ad. b. 2. Similiter si tertia pars. a. subtrahatur a tertia parte. b. remanebit tertia pars residui, quod restat per subtraxionem . a. de . b. 3. Vt si dupla addatur triple venit sextupla, ergo si medietas duple addatur medietate triple, venit medietas sextuple. 4. Similiter si dupla sub- trahatur a tripla, remanet sesquialtera, ergo, si tertia duple subtra- hatur a tertia triple, remanet tertia pars sesquialtere; et ita* de alijs. 5. Additio autem probat subtraxionem et e contrario sicud in alijs. 11. Proportio duplatur, triplatur et quomodolibet multiplicetur etiam sesquialteratur aut quomodolibet proportionaliter augetur per additionem proportionis ad proportionem, Vt si quis uellet habere — 19 — proportionem sesquitertiam ad duplam, oportet addere proportioni duple tertiam partem eius per quintam regulam. Et uenit tertia pars sedecuple, ita quod tertia pars sedecuple est sesquitertia ad duplam. 2. Eodem modo per subtractionem subduplatur, subtripla- tur, subsesquialteratur etc. — 3. Vna uero proportio per alteram non multiplicetur nec diuiditur nisi inproprie, sicud multiplicare duplas duas per duas duplas sunt quatuor duple. sed hoc non est, nisi multiplicatio numerorum, quoniam multiplicare duas duplas per duas triplas nichil est, sicud nec multiplicare hominem per asinum et eodem modo de diuisione. 4. ergo nulla species algorismi habet locum, in proportione additio et subtractio, ut determinatum est, sufficient. EXPLICIT ALGORISMUS PROPORTIONUM MAGISTRI NICOLAY OREM. PARISIUS. INCIPIT SECUNDUS TRACTATUS. st autem istarum regularum de algorismo proportionum utilitas Eì. magna, quia possunt ad innumerabilia proposita applicari, quorum aliqua numc occurrunt, que ponuntur pro exemplis. 2. (luestio Prima. Sint igitur duo corpora cubica. a. b., et basis . a. sit dupla ad basêm. b., queritur, que est proportio cuborum.: — Premittitur, quod proportio cuborum similium est sicud proportio suorum laterum sev linearis proportio triplicata et superficiei sev basium proportio duplicata per 19, 6 Euclidis. 8. Erit igitur pro- portio corporum sicud suarum basium proportio sesquialterata. oportet igitur sesquialterare duplâm; et hoc [est] addere medietatem duple cum dupla, quod potest fieri per quintam regulam et resulta- bit medietas octuple; et hoc est proportio cuborum de quibus erat questio. 2. Questio Secunda. Sit igãtur alia. Sint igitur tria corpora cubica . a . b. c., et sit . a. triplum ad. c. et basis . a sit dupla ad basim. b. Queritur ergo de proportione istorum corporum. Item de proportione suarum basium. — 2. Premittantur: Quoniam basis. a. - 2 — 20 — ponitur dupla ad basim . b. oportet sicud prius sesquialterare duplam et uenit proportio. a. ad . b. sev medietas octuple. 3. Que si sub- trahatur [a]. a. ad. c. sev a proportione tripla, sicud docet regula sexta, exibit uel restabit proportio. b. ad . c. et erit medietas ses- quioctaue. 4. Item quia proportio basium est sicud proportio cu- borum sesquialterata, erit basis . a. ad basim . b. proportio, que est due tertie triple, igitur per tertiam regulam basis. a. ad basim . c. est vna tertia proportionis nonuple. 5. Et quia basis . a. ad basim . b. est proportio dupla, ut positum est, ideo per sextam regulam subtrahenda est proportio dupla ab vna tertia nonuple. Et habebi- tur proportio basis . b. ad basim . c.; et hoc est proportio, que dicitur vna tertia sesquioctaue. (Fig. 3.) 6. Quod patet aliter. quia cubus . b. ad cubum . c. est medietas sesquioctaue, ut iam dictum est, igitur basis ad basim est proportio sesquialterata. ergo a medietate sesquioctaue subtrahenda est tertia pars eius per octauam regulam et habebitur quod prius. 7. Vel breuius per fractiones. patet quod subsesquialterando medietatem sesquioctaue restant due tertie medietatis sesquioctaue et due tertie medietatis ut vna tertia totius, ut notum est, igitur proportio basis. b. ad basim. c. [est] vna tertia sesquioctaue. s. Iterum proportio laterum cuborum est sicud proportio basium subduplicata; igitur statim patet, quod latus lineare. a. ad latus . b. est medietas duple. 9. Similiter per idem - - 1 m. - - lateris. a. ad latus. c. proportio est #8 . 10. Etiam lateris. b. ad latus. c. tertia pars medietatis sesquioctaue vel sexta pars sesqui- octaue. — (Fig. 4.) 3. Eodem modo potest queri de proportione sperarum et dyametrorum et maximorum circulorum. vmum idem est uidendum de basibus rectis cuborum sicud de maximis circulis sperarum rectis earum. Et similiter de lateribus rectis cuborum sicud de dyametris sperarum rectis earum, ut patet ex secunda et quinta et ultima 12. Euclidis. 2. Questio Tertia. Ideo adhuc gratia exercitij fiat altera questio, et sint. 3. spere. a. b. c. Et sit proportio spere. a. ad. b. medietas duple. Et ipsius spere . a. maæimus circulus ad maæimum circulum spere. e. sit in medietate triple. Queritur igitur de proportione spe- rarum. Item de proportione maæimorum circulorum earundem spe- rarum. Item de proportione dyametrorum. 4. Solutio -prime questio- nis ex hoc patet. Quoniam maximus circulus . a. ad maximum circulum ipsius. c. est in medietate triple, ergo proportio spere. a. 3 - - ad speram . c. est j8" ., sev vna quarta trium triplarum uel 27". 4. Et quia spere. a. ad speram. b. est medietas duple, inde est, quod - 1 medietas duple subtrahenda est ab ;27". per octauam regulam et remanebit proportio spere . a. ad speram . c., que est vna octaua pars proportionis . 729. ad . 16. Igitur per quartam regulam ista proportio est idem, quod quarta pars proportionis . 37. ad . 4. 5. Ad secundam questionem solutio talis est. Quia positum est quod spera. a. ad speram. b. se habet in medietate duple, igitur proportio maximi circuli. a. ad maximum circulum . b. est due tertie medie- tatis duple. Et patet per tertiam regulam, quod hoc est tertia pars duple. 6. Et quia tunc maximi circuli . a. ad maximum circulum ipsius. c. est medietas triple, inde est, quod per octauam regulam subtrahenda est vna tertia duple a medietate triple, et remanebit proportio maximi circuli ipsius. b. ad maximum circulum . c. ; et - - 1 - - - - ista proportio est a proportionis. 27. ad . 4, 7. Solutio tertie questionis, que est de dyametris, patent [sic!] ex solutione secunde, eo quod dyametrorum sperarum est proportio sicud maximorum circulorum proportio subduplicata. Erit ergo dyameter. a. ad dya- metrum. b. in proportione, que est #2" . Similiter proportio dyame- tri. a. ad dyametrum. c. [est] vna quarta triple. s. Sic erit dyametri . b. ad dyametrum . c. vna 12a. proportionis, que est . 27. ad .4. (Fig. 5.) 9. Et per idem potest queri de cubis, ut de taxillis, uariando difficilius questiones quomodolibet. Et possunt fieri facile, ut patet in exemplo in casu nunc dato. 4. Questio Quarta. [D e quadratis musicis]. Sint ęterum duo qnadrata et dyameter vnius ad costam alterius resonet dyesin , uel semitonium vnius in sonis. Queritur que sit proportio horum quadratorum. — 2. Premittitur: Sit vnum istorum. d. e. cuius dya- meter sit. a. et eosta ipsius sit. c. ; et alterum quadratum sit. f. g., cuius costa uel corda sibi equalis sit . b.; et sit. a. longior quam . b., cuius igitur proportio. a. ad. b., qui in somis est dyesis, in mu- meris est sicud proportio . 256. ad . 243. ut patet per Boetium. (Fig. 6.) 3. Et proportio . a. ad . c. est medietas duple . ergo subtrahenda est vna istarum proportionum ab altera. Et per sextam regulam patet, quod prima est minor quam secunda, et . b. est — 22 — - - maius quam . c. in proportione, que restabit per illam subtractionem, et quod proportio . b. ad. c. est medietas proportionis istius numeri , 59049. ad istum numerum. 32768. 4. Et quia proportio quadra- torum est sicud suorum laterum proportio duplicata, oportet du- plicare proportionem istorum laterum sev proportionem . b. ad. c., sicud docet prima regula, et inuenitur , quod quadratum . f. g. est maius quadrato. e. d. in proportione, que est medietas proportionis istius mumeri. 3486784401. ad istum numerum. 1073741824.; talis est ergo proportio quadratorum de quibus querebamus. 5. Adhuc occurrit alia difficultas uel utilitas et alius modus operandi, sed vna regula primitus est ponenda et est ista. 2. Regula. Si duarum rerum fuerit proportio data proportionem quamlibet sόδέ multiplicem assignare. 3. Sit . a. maius et. b. minus et eorum proportio data sit . c., sitque . d. multiplex ad . a. secundum numerum . e., sit etiam. f. multiplex ad . b. secundum numerum . g. et proportio inter . g. et . e. sit . h. 4. [Primus casu s]. Si igi- tur numeri . e. et . g. sunt equales manifestum est, quod proportio . d. ad. f. est sicud proportio. a. ad. b., que est data. 5. Sec undus casus]. Si autem. e. est maior quam . g., tunc simul addende sunt due proportiones. c. et. h. et proportio ex eis confecta est proportio . d. ad . f. quesita. 6. Verbi gratia . sit. c. sesquialtera et . h. sesqui- tertia et quod. e. sit. 4. et. g. tres, tunc patet, quod. 4. a. excedunt . 3. a. in sesquitertia. Et 3. a. excedunt tria. b. in sesquialtera igitur . 4. a. excedunt. 3. b. in proportione composita ex sesquialtera et sesquitertia sev in dupla. igitur. d. exedit. f. in ista proportione. (Fig. 7.) 7. [Tertius casu s]. Si uero e contrario . g . fuerit maior quam . e., tunc igitur uel. h. et. c. proportiones sunt equales et ergo. d. et. f. sunt equalia, quoniam si. a. est sesquialterum ad . b. tunc tria. b. sunt equalia duobus. a. 8. Sed si proportiones. c. et . h. sunt imequales et sicud primus. g. sit maior numerus quam . e., tunc de istis proportionibus subtrahenda est minor a maiore secun- dum regulas superius positas. Et proportio residua est proportio , . d. ad. f. 9. Et si. e. est maior quam. g., tunc . d. est maius quam . f. Et si e contrario, tunc e contrario. 10. Verbi gratia si. c. est pro- portio sesquialtera et. h. sesquitertia, tunc tria. a. faciunt magis quam. 4. b. quod patet, quia. 3. a. ad. 3. b. sunt in proportione sesquialtera. Sed. 4. c. ad. 3. b. est proportio sesquitertia; ergo tria. a. sunt magis quam 4. b. in proportione in qua sesquialtera excedit sesquitertiam sev per sesquioctauam. ergo proportio. d. ad. f. est sesquioctaua. (Fig. 8.) 11. Eodem modo agendum est, si — 23 — fuerit e contrario, sev si. h. sit maior quam. c. ut si. h. sit sesqui- altera et. c.* sesquitertia. sed tunc euenit e contrario, sev quod. f. erit maius quam. d. in proportione sesquioctaua. autem. d. erat si- cud. g. et. f. 8., nunc autem . f. est mouem et . d. 8. et similiter agendum est de proportionibus irrationalibus. 6. Questio Quinta. Sint igitur duo cubi. a. b. et basis ipsíus . a. sit tripla ad basim. b. Queritur ergo, que sit proportio quinque . b., id est àggregati eae qwinque talibus, sicud est. b., ad vnum. a. 2. Premittitur: quod basis. a. ad basim. b. ponitur tripla et proportio cuborum sicud suorum basium sesquialterata, igitur ad proportionem triplam addenda est medietas triple per tertiam regulam. Et uenit proportio. a. ad . b. vel medietas proportionis. 27P.; et patet per sextam regulam, quod ista proportio est maior quam tripla, igitur . a. est maius quam 3. b. Et per eamdem sextam regulam patet, quod proportio vij ad quinque est medietas proportionis. 27. ad. 25. 3. Et sic possunt formari et solui questiones. 7. Questio Sexta. Et fiet adhuc vna de ludo taxillorum. Sint duo taaeillę ęnequales et sit basis maioris dupla ad basim mi- noris tunc proäciantur et queritur de proportione tot magnorum, quo- tus est numerus in basê sua superiore, ad tot ídem paruos simul sumptos, quâ vniuersaliter sint in sua basi superiore. 2. Et tunc oportebit aliquantum vti additione, aliquantum subtractione. 3. Verbi gratia. sit in maiori. 1. et in minori tria. queritur ergo de proportione trium paruorum simul ad vnum magnum. 4. Premittitur: quod pro- portio vnius magni ad vnum paruum est medietas octuple et pro- portio trium paruorum ad vnum eorum est tripla, ergo subtrahenda est medietas octuple a tripla per sextam regulam et restat trium paruorum ad vnum magnum proportio, que est medietas sesqui- octaue. (Fig. 9.) 5. Et ita agendum est in alijs numeris proiectis. Sed quamcumque veniret maior numerus in taxillo maiore, tunc vtendum erit additione proportionum. 6. Si quis autem esset bene promtus in hoc ludo, bene intelligeret in proportionibus. 8. (luestio Septima. Similiter sí queritur, que est proportio trium dyametrorum ad quatuor costas eorum quadratorum. 2. Per idem patet, quod proportio sesquitertia subtrahenda est a medietate duple, quia est minor. igitur. 3. dyametri excedunt. 4. costas. [Et] per sextam regulam patet, quod hoc est in medietate sesquioctaue; . et sic de consimilibus. — 24 — 9. Questio 0ctaua. Sit íterum circulus . c. duplus ad circulum . d. et moueatur. a. circa. c. et. b. circa. d. et perficiat. a. quinque reuolutiones in [tempore], quo. b. perficiat. 7. Queritur igitur de pro- portione uelocitatum istorum motuum. 2. Premittitur: quod circulus . c. ponitur dupIus ad circulum. d., igitur proportio circumferentie ipsius. c. ad circumferentiam ipsius. d. est medietas duple. 3. Sit itaque . e. circumferentia ipsius . c. et. f. circumferentia ipsius. d. ergo proportio. 5. e. ad. 5. f. est medietas duple, sed proportio . 7. f. ad. 5. f. est proportio superpartiens duas quintas et per eam- dem sextam patet, quod medietas duple est maior quam superpar- tiens duas quintas. 4. Et per eandem sextam patet subtrahendo, quod excessus iste est medietas proportionis. 50. ad. 49. 5. Et quo- niam proportio uelöcitatum est sicud proportio spatiorum pertransi- torum in eodem tempore, sequitur, quod. a. moueatur velocius. b. in proportione, que est medietas proportionis . 50. ad. 49. — (Fig. 10). 10. 0uestio Nona. Eodem modo si ponitur, quod . a . pertran- siret dyametrum quadratâ in . 7. diebus et. b. costam eiusdem qua- dratô in. 5. Et queritur de proportione velocitatum. 2. Premitten- dum est quod [si] . c. pertransiret dyametrum in . 5. diebus, tunc patet, qnod. c. esset uelocius quam. a. in proportione superpartiente duas quintas, et ideo est uelocius. b. in medietate duple. 3. ergo. a. est uelocius. b. in ista proportione, in qua medietas duple excedit superpartientem duas quintas et ista est medietas proportionis. 50. ad. 49. ut dictum est ante, et ita dicendum est de similibus que- stionibus. EXPLICIT SECUNDUS TRACTATUS. [INCIPIT TERTIUS.] unc ergo |udendo in alio proposito ponatur triangulus equilate* N. . a. b. c. (Fig. 11) inscriptus circulo, cuius dyameter sit . a. e. diuidens trigonum et eius latus. b. c. per equalia in puncto . d.; tunc primo aliquas suppositiones. Et postea conclusiones. 2. Prima supp0sitio. Quadratum dyametris . a. e. est sesqnitertium quadrato lateris. a. c. hec suppositio satis patet ex octaua. 13. Eucli- – 25 – dis et probatur, quia protracta linea. c. e. erit triangulus in semicir- culo rectus per. 30, tertij; ergo quadratum. a. e. ut duo quadrata. a. c. et . c. e. per penultimam primi, et quia linea. c. e. est latus exagoni et per . 9. equalis semidyametro, per 15. quarti erit quadratum . a. c. quadruplum quadrato . c. e .; ergo quadratum . a. e. erit sesquiter- tium quadrate. a. c. etc. – 3. Secunda suppositio. Quadratum. a. c. est sesquitertium quadrati. a. d. quia angulus. d. est rectus, qua- dratum. a. c. velut duo quadrata. a. d. et. d. c . Et quoniam linea a. c. dupla est linea. c. d. erit quadratum. a. c. quadruplum qua- drato. c. d. ergo sesquitertium quadrato. a. d. – 4. Tertia suppo- sitio. Quadratum. a. d. triplum est quadrato. c. d. patet, quia per precedentem quadratum. a. c. est sesquitertium quadrato. a. d. et quadruplum quadrato . c. d.; ergo qnadratum . a. d. triplum est quadrato. c. d. – 5. Quarta suppositio. Proportio quadrati [.. a. d..] ad trigonum inscriptum est medietas triple . quoniam quadratum . a. d. ad quadratum. c. d. est triplum per precedentem, igitur pro- portio linee I. a. d. l ad lineam. c. d. est medietas triple per. 19. sexti. Sit ergo. d. f. medio loco proportionalis inter . a. d. et . c. d. ergo proportio quadrati . a. d. ad. d. f. est equale ei, quod fit ex a . d. in . d. c. per. 17. sexti. Et illud, quod fit ex. a. d. in. c. d. est equale trigono; igitur quadratum . d. f. est equale trigono . sed iam patuit, quod proportio quadrati. a. d. ad quadratum . d. f. est medietas triple, ergo proportio. a. d. ad trigonum est medietas triple, quod est propositum. – 6. Quinta suppositio. Quadratum circum- scriptum duplum est quadrato inscripto, patet satis, quia dyameter quadrati inscripti equalis est lateri seu coste quadrati circumscripti. ergo lateris circumscripti ad latus inscripti proportio est medietas duple; igitur quadrati ad quadratum est proportio dupla. – 7. Sexta suppositio. Trigonus circumscriptus trigono inscripto est quadruplus. Quoniam si a tribus punctis. a. b . c. trigoni inscripti protrahuntur 3. linee contingentes circulum, constituunt trigonum circumscriptum, cuius vmus angulus sit. g., igitur supra punctum . a. sunt tres anguli trium trigonorum e quales et similiter supra punctum. b. duplatus a. b . est conveniens (?), igitur per. 26. primi Euclidis . a. b. g. et a. b . c. sunt equales et ita de alijs. igitur trigonus circumscriptus continet quatuor trigonos equales trigono inscripto etc. (Fig. 11). 2. Prima Conclusio. Proportio quadrati lateris trigoni equila- teri ad trigonum eundem est medietas proportionis . 16 , ad. 3. sev medietas quintuple sesquitertie. 2. Quoniam secundam figuram prius positam quadratum lateris . a. c. est sesquitertium quadrato linee – 26 — . a. d. per secundam suppositionem, ut proportio Iquadratil . a. d. ad trigonum est medietas triple per quartam suppositionem, ergo proportio quadrati a . c. ad trigonum est composita ex sesquitertia et medietate triple, et per additionem proportionum secundam quin- tam regulam patet, quod ista est medietas . 16. ad. 3., quod est propositum. 3. Secunda Conclusio. Proportio quadrati circumscripti circulo ad trigonum equilaterum eidem circulo inscriptum est medietas istius numer. .256. ad stum numerum. 27. Quod sic patet. nam quadra- tum circumscriptum est quadratum dyametri. a . e. Et illud quadra- tum dyametri. a . e. est sesquitertium quadrati lateris. a. c. per pri- mam suppositionem. Et proportio quadrati. a. c. ad trigonum est medietas proportionis. 16. ad. 3. per precedentcm. 3. ergo proportio quadrati circumscripti ad trigonum inscriptum est composita ex ses- quitertia et medietate proportionis. 16. ad. 3.; et per quintam regu- lam algorismi proportionum constat, quod ista proportio est medie- tas proportionis. 256. ad 27, sev medietas monuple superpartientis . 13. vicesimas septimas, quod scribitur sic º ... — 4. Tertia Conclusio. Proportio trigoni circumscripti ad qua- dratum circumscriptum est medietas proportionis. 27. ad. 16. 2. Quo- niam trigonus circumscriptus est quadruplus ad trigonum inscriptum per sextam suppositionem et proportio quadrati circumscripti ad tri- gonum inscriptum est medietas proportionis. 256. ad 27, per pre- cedentem, igitur ista medietas subtrahenda est a proportione quadru- pla per sextam regulam et restabit proportio trigoni circumscripti ad quadratum circumscriptum sev medietas proportionis. 27. ad . 16. 3. Quoniam si duo inequalia componuntur ad tertium, verbi gratia ... a . et . b. ad. c., si proportio. a. ad. c. subtrahatur a proportione. b. ad. c. aut e contrario, remanet proportio. b. ad. a. 4. Sic ergo pa- tet propositum. 5. Quarta Conclusio. Proportio quadrati inscripti ad trigonum inscriptum est medietas proportionis. 64, ad. 27. 2. Probatur sic: proportio quadrati circumscripti ad trigonum inscriptum est medietas . 256. ad. 27. per secundam conclusionem et proportio quadrati cir- cumscripti ad quadratum inscriptum est dupla per quintam suppo- sitionem. 3. ergo proportio dupla subtrahenda est [a] medietate pro- portionis. 256. ad. 27. per sextam regulam et restabit medietas pro- – 27 — portionis. 64, ad. 27., que est proportio quadrati inscripti ad trigo- num inscriptum et hoc fuit probandum. — 6. Quinta Conclusio. Proportio trigoni circumscripti ad qua- dratum inscriptum est medietas proportionis. 27, ad. 4. 2. Quoniam hec proportio componitur ex proportione trigoni circumscripti ad quadratum circumscriptum, que est medietas proportionis. 27. ad. 16. per tertiam conclusionem, et ex proportione quadrati circumscripti ad quadratum inscriptum, qui est dupla per quintam suppositionem, et proportio ex hijs composita est medietas proportionis. 27. ad. 4. per quintam regulam; ergo hec proportio est, quam querimus. 3. Hoc idem potest probari ex sexta suppositione et quarta conclu- sione et sexta regula, subtrahendo medietatem proportionis . 64. ad. 27. a proportione quadrupla, et venit, ut prius, medietas propor- tionis. 27. ad. 4, ; ergo conclusio uera. — 7. Sic ergo dictum sit de trigonis et quadratis tam inscriptis quam circumscriptis quarum proportiones ponentur preterea in figura. (Fig. 12.) Nunc ergo ad figuras alias transeamus et ponitur adhuc vna suppositio talis: 3. Septima suppositio. Eragonus in- scriptus duplus est trigono inscripto, quod patet faciliter inscribendo exagonum circa trigonum et diuidendo trigonum in tres triangulos per tres lineas protractas ab angulis trigoni ad centrum circuli, et tunc fierent in exagono. 6. ſtrilanguli similes et equales, quod faci- liter patet, quorum. 3. continet trigonus inscriptus; igitur exagonus est trigono duplus. [Corr ollarium.] Ex quo cum sexta supposi- tione statim sequitur, quod trigonus circumscriptus duplus est eaca- gono inscripto. — (Fig. 13). 8. Ex quo corrollario cum tertia conclusione et sexta regula patet sexta conclusio, que talis est: 2. Sexta conclusio. Proportio quadrati circumscripti ad eaca- gonum inscriptum est medietas proportionis. 64, ad. 27. 3. Vnum patet, quod est eaderm proportio sicud quadrati inscripti ad trigo- num inscriptum. 4. Et potest statim probari ex precedentis supposi- tione, conclusione et regula, agendo sicud prins. – 9. Septima conclusio. Proportio exagoni inscripti ad quadra- tum inscriptum est medietas proportionis. 27. ad. 16. 2. hec conclu- sio [patet] per eundem modum, sicud et alia, et hoc ex septima suppositione et quarta conclusione et sexta regula. Et hec propor- — 28 — tio est eadem sicud trianguli circumscripti ad quadratum circum- scriptum. 3. Hec ergo sufficiant de exagono inscripto. — 10. Sed videamus de exagono circumscripto et premittatur iterum altera suppositio et est ista. 2. 0ctaua suppositio. Ecagonus circumscríptus eæagono inscripto est sesquêtertium. patet sic: Descri- batur in circulo latus exagoni, quod sit. e. f., factoque trigono super centrum. a. protahatur. a. g. et. a. c. et sit. e. g. contingens circulum equedistans linee. e. f. ; erit ergo.. g. c. latus exagoni circumscripti. Protrahaturque . a. et . b. per medium trigonum, qui est equilaterus et ergo quadratum . a. c. est sesquitertium quadrato . d . b . per secundam suppositionem ; ergo . a. b . ad. a. c. est medietas sesqui- tertie . sed . a. b. et. a. c. sunt equales, igitur . a. c . ad. a. e. sev latus maioris trigoni ad latus minoris est medietas sesquitertie. Et quoniam duo trianguli . a. c . b. et . a . e. d. sunt equales, ergo per quartam sexti proportio . b . c . ad. e. d. est medietas sesquitertie. igitur . g. c., lateris exagoni circumscripti, ad . e. f., latus exagoni inscripti, est medietas sesquitertie; igitur exagonum circumscriptum ad exagonum inscriptum est proportio sesquitertia, quod est pro- positum. (Fig. 14.) 1 1. Ex isto suppositione cum predictis conclusionibus et regulis algorismi positis superius possunt inuestigari proportiones exagoni circumscripti ad omnia aut data et dicta modo et formas superius annotatas. 2. Et omnes igitur he proportiones omnium figurarum predictarum sunt armonice uel medietates armonicarum, quas omnes, ut pateant clarius, ponuntur in figura ista (Fig. 12). 3. Inspice, quam pulcre . 27 . est proportionum plurium medietarum in . 6. modo maior terminus, modo minor terminus uicibus alternatis. 4. Omnisque proportio superior medietas est numeri quadrati ad cu- bicum aut e contrario. Et semper in superioribus proportionibus medietans numerus quadratus est a parte figure quadrate. 5. Scien- dum autem est quod . a ., trigonus circumscriptus, magis est quam . b. et. b. est maius . g . Similiter. g. maius quam. c. Et sit. b. quadratum circumscriptum et . g . exagonus circumscriptus, . c . exagonus inscriptus, . e. trigonus inscriptus. 6. Communiter notan- dum erit quod omnium figurarum circulo inscriptarum equilaterum ista, que habet plura latera, semper est maior , seù èe cìrcu\o ìm- scriptis est e contrario, que plurium fuerint angulorum ue\ \aterum. ita est . d., quadratum inscriptum, minor, quod esset satis facile demonstrare. 7. Sed mon oportet, dicunt terminare uel exire pro- — 29 — portionem. 8. Similitudines itaque proportionum, que sunt in pre- cedenti figura, satis patent intuenti . quoniam sicud. a. ad. c. ita . c. ad. e. et ita. b. ad. d. Iterum sicud.. b. ad. c. ita. d. ad. e. — 12. Per eundem modum potest inuestigari proportio cuius- libet figure ad quamlibet istarum, si scietur eius proportio ad vnam earum. Et ergo gratia exempli probatur adhuc vna altera suppo- sitio sev geometrica conclusio, qne talis est. 2. Sequitur Ultima suppositio. Octogonus circulo inscriptus est medium proportionale ¢nter quadratum eidem circulo inscriptum et quadratum eidem cir- cumscriptum. (Fig. 15.) Scribatur circulus, cuius centrum sit. a.; cui inscribatur quadratum, cuius vnum latus sit. b. d. et etiam octogo- mus, cuis vnum latus sit. b. f., et circumscribatur quadratum, cuius vnum latus sit. k. c., ut patet in exemplo, in quo apparet, quod quadratum . a. b. c. d. est quarta pars quadrati circumscripti et eius dyameter . a . c. diuidatur per medium in puncto . e. per lineam . b. d., que est latus quadrati inscripti, et similiter linea. a. k. diui- ditur per medium in puncto . g. Et est iste aliud punctum qnadrati. a. g. b. e., cuius linea . a. b. est dyameter. ergo proportio. a. b. ad . a. c . est sicud dyametri ad costam, sev medietas duple. 3. Sed . a. b . et . a. f. sunt equales ergo . a. f. ad. a. e. proportio est medietas duple et . a. c. [ad] . a . e. est dupla proportio, igitur . a. f. est medium proportionale inter . a. c . et . a. e. 4. Ymagi- namus igitur trianguli (sic!) . a . b . c . et . a . b . e., que sunt im eadem altitudine . igitur per primam sexti Euclidis earum proportio est sicud suorum basium, ergo etiam eorum multiplicium. Sed tres figure date sunt huius, quia primus triangulus est octaua pars quadrati circumscripti et secundus octaua pars quadrati inscripti . ergo iste figure sunt continue proportionales secundum medietatem proportionis duple. — 13. Proportio itaque octogoni inscripti ad quadratum in- scriptum est medietas duple et ad omnes figuras, de quibus prius dicimus, habet tales proportiones, quales hic inferius descri- buntur (Fig. 16). 2. Quod potest probari per regulas, supposi- tiones et conclusiones prius positas. 3. Et sicud de alijs dicebatur, omnes he proportiones sunt armonice uel medietates armonicarum. 4. Verum ymaginande sunt due series numerorum ab vnitate con- tinue proportionalium, vna secundam proportionem duplam, ut: 1. 2, 4. 8. 16. etc. in infinitum, altera secundam proportionem triplam, vt: 1. 3. 9. 27. etc. 5. Et isti numeri dicuntur armonici. Et que- libet proportio inter duos istorum, siue sint eiusdem ordinationis, siue vnius de alia et alter de alia, dicitur armonica Et tum hec (sic!) numeri ex eis generati dicuntur armonici. 6. Sed non ita principaliter. pro talibus itaque figuris, que dicta sunt, sufficiant. - 14. De proportionibus Aspectuum Celi. Ponam rursum. 4. linee recte in circulo, que sint distantie recte sev quatuor principalium aspectuum, que ponuntur in celo. 2. Protrahanturque he linee ab vno puncto et sint. a . b , . a. c., . a. d. et . a. e. Sitgue . a. e aspectus sextilis, ergo ipsum . a. e. erit latus exagoni inscripti cir- culo. Sit etiam . a. d. aspectus quartus, ergo ipsum . a. d. erit latus quadrati circulo inscripti; et sit . a. c. aspectus tertius, ergo ipsa linea . a. c. erit latus trigoni equilateri circuli inscripti. Sitgue . a. b. aspectus oppositus, ergo . a. b. erit dyameter circuli, ergo etiam erit dyameter quadrati cui. a. d. est latus. 3. Dicamus ergo quod proportio . a. b. ad . a. d. est medietas duple, quia sicud dyametri ad costam quadrati. 4. Et proportio. a. b. ad . a. e. est proportio dupla, quia. a. e. est latus exagoni circulo inscripti et per conclusionem erit semidyameter et subdupla dyametro. 5. Ergo si proportio . a. b . ad . a. d., que est medietas duple, subtrahatur a proportione . a. b . ad . a. e , que est dupla, restabit proportio a . b . ad . a. e. sev medietas duple. 6. Et quoniam quadratum linee . a. b . est sesquitertium quadrato linee . a. c . per primanº suppositionem, erit proportio linee . a . b . ad lineam. a . c . medie tas sesquitertie. 7. Et si hec proportioque est medietas sesquitertie, subtrahatur a proportione linee . a. b . ad lineam . a. d. que est medietas duple, sicud docet nona regula, restabit proportio . a. c . ad . a. d. Et per eandem regulam patet, quod hec proportio esº medietas sesquialtere. 8. Si autem hec proportio . a. c. ad. a. d . que est medietas sesquialtere, addatur cum proportione a d, ad a. e, que est medietas duple, uenit proportio. a. c. ad. a. e. E per nonam regulam patet, quod proportio est medietas triple. 9. Siº igitur se habent aspectus signorum celi secundum hanc considera tionem et patet in figura. (Fig. 17). [EXPLICIT TERTIUS TRACTATUS.] | - | - | - 6/4/6 wóży - */*** ***/ | */*/*/ – 9/ // - > - 2 ×órzy {' - - » Ż * * * * | »pln!' - ^ '/'/ % | / * <> • >. - - */ | 0 - `*•. .• ---- --- „w - | | - \ * * * * © → → | * * * * • ` - | \ - » Z / >*/ /// / „oń! - - - '6 • ~zzzzzz» • - • ./' // 3/ / • • | ^× | 9 » » zaz/ * × → >ja » • ozz • Ž'* o*/ ^• –/ – - - - - - - `, ` `- '/'.$?////// - - | - - → człows* */* * * * *?|-: #*/ -... > •– 7 zł 6 • • 4 - 6 • * * »iró?9 - _ */ a */*/ „! - 1'> - +%7222 ••• ;// | //-,-,-) - 7 - 7% /> */** | „ - /pu wywów - - - **/ × • - *^* /* - > _ • /* ^ `< – | - • -_ JAZZ/_` | - - | | •/ 6 • „W” ip* 1 244,- - § 2 - - • ,)("/ %> - ` • • • • • • \ 6, toor: | ,/(.* // ' \ // " \ %* | o pog'iI/ qpw.* | »//4''/ »/a/mp } • • • \ g » – _ •Á'* • » •%^&*// - | | **/ 4 */ * */ / Z // 2 // – / 63/ Druck von J. Draeger's Buchdruckerei (C. Feicht) in Berlin. MATHEMATISCHEN SCHRIFTEN DES 2 NICOLE ORESME. (Circa 1320–1382). - - - EIN MATHEMATISCH – BIBLIOGRAPHISCHER VERSUCH VON MaximilAN CURTze, Ordentlichenn Lehrer am Gymnasium zu Thorn. - --- - BERLIN, 870. VERLAG VON S. CALVARY & COMP. (G. H. SIMON). Obervvasserstrasse No. 11. |- |- Die Marterarischen ScHRIFTEN Des Nicole DREsse (Circa 132O–1882.) - Durch eine Handschrift der hiesigen Gymnasialbibliothek mit der Bezeichnung „R. 49. 2“ (d. h. Libri Manuscripti in 4°., Bd. 2), auf welche mich ein Zufall aufmerksam machte, wurde ich veranlasst, zunächst im Jahre 1868 im Namen des hiesigen Copernicus-Vereins für Wissenschaft und Kunst ein völlig unbekannt gebliebenes interessantes Werk des Nicole Oresme als Festschrift zur dreihundertjährigen Jubelfeier unseres Gymnasiums zu veröffent- lichen!). In einer darauf im Auftrage des Fürsten Don Baldassarre Boncompagni in Rom verfassten Analyse der obigen Handschrift stellte ich dann nach den mir durch denselben aus Frankreich und Italien gütigst übersendeten genauen Notizen, für welche ich ihm und den Herren, welche mir in seinem Auftrage dieselben mittheilten, hier meinen aufrichtigen Dank abzustatten nicht unterlassen kann, eine exactere Liste aller mathemathischen Werke unseres Schriftstellers auf, durch welche sowohl die höchst ungenaue und mangelhafte Zusammenstel- lung des neuesten Werkes über Oresme”) als die nach diesem Werke von mir im 13. Jahr- gang der Zeitschrift für Mathematik und Physik gegebene”) in vielen Fällen ergänzt und berichtigt wurden. Trotzdem die betreffende Analyse schon im Jahre 1868 zum Abdrucke gelangen sollte, ist dieselbe bis jetzt noch nicht erschienen; ich benutze deshalb den Raum des diesjährigen Programms dazu, jene Zusammenstellung der Werke des Oresme, soweit sie sich auf Mathematik und Physik beziehen, in erweiterter Gestalt, und so viel ich es vermag, mit r kurzer Inhaltsangabe der einzelnen Werke versehen der Öffentlichkeit zu übergeben. Ursprüng- ich hatte ich einen andern Aufsatz für das Programm bestimmt; eine heftige Augenentzündung hat mich genöthigt, den jetzigen dafür zu substituieren. Ich hoffe, dass meine Arbeit dazu beitragen dürfte, Nicole Oresme als einem der Hauptrepräsentanten der mathematischen Disciplinen im XIV. Jahrhundert in der Geschichte der Wissenschaft einen mindestens ebenso bevorzugten Platz einzuräumen, als ihn sein etwas älterer Zeitgenosse Thomas Bradwardinus *) Der Algorismus Proportionum des Nicolaus Oresme. Zum ersten Male nach der Lesart der Handschrift R. 49. 2 der Königl. Gymnasialbibliothek zu Thorn herausgegeben von E. L. W. M. Curtze. Mit einer lithographierten Tafel. *) Essay sur la vie et les ouvrages de Nicole Oresme. Par Francis Meunier. Paris 1857. *) Ueber die Handschrift R. 49. 2, Problematum Euclidis explicatio, der Königl. Gymna- sialbibliothek zu Thorn. Von Maximilian Curtze. (Zeitschrift für Math. und Physik. 13. Jahrg. Supplement; S. 45–104.) durch Chasles classisches Werk’) erlangt hat. Nicole Oresme ist bis jetzt von den Ge- schichtsschreibern der mathemathischen Disciplinen fast völlig mit Stillschweigen übergangen; nur bei Montucla findet man die nachfolgende kurze Notizº), die übrigens, wie wir später sehen werden, nicht einmal richtig ist: Nicolas Oresme fit une traduction ou traité , original de la sphère et traduisit le livre ... de Mundo“ d’Aristote. Il fut aussi sauteur d’un traité de Proportionibus proportionum “ ou, de Proportionibus “ ...resté manuscrit. “ - Nicole Oresme, auch wohl Jean genannt"), stammte aus der Normandie; ob aber, wie behauptet wird, Caen, ob das Dörfchen Allemagne bei Caen seine Wiege gesehen, ist ohne jede Beglaubigung. Die letzte Angabe beruht jedoch auf einer Localtradition, die man wohl ohne Weiteres wenigstens nicht abweisen darf. Soviel steht mindestens fest, dassim XIV. Jahr- hundert sowohl als im XVII. der Name Oresme in Urkunden der Stadt Caen verkommt. Auch das Jahr der Geburt Oresme's ist nicht bekannt, doch missen die ersten 25 Jahre des XIV. Jahrhunderts dasselbe in sich schliessen, da er im Jahre 1348 als. Boursier in das Collège de Navarre in Paris trat, was kaum vor dem zwanzigsten und nach dem dreissigsten Lebensjahre ge- schehen sein dürfte. Sein Eintritt in dies Collége in dem genannten Jahre, dem Jahre der grossen Pest, die Paris verheerte, ist die erste beglaubigte Thatsache, die wir aus seinem Leben kennen. Während der Jahre 1352–1353 findet sich noch ein Guillaume Ores meals Boursier im Ver- zeichniss der Anstalt, den man ohne jede Beglaubigung zu einem Bruder Nicole’s gemacht hat. Nicole blieb von 1348–1361 dieser Studienanstalt, welche zugleich Hospital, Seminar und Collège war, sei es als Schüler, sei es als. Professor der Theologie, sei es als Grand-Maitre, d. h. Director, erhalten. 1361 zum Decan der Kirche zu Rouen gewählt verlangte er nichts destoweniger, gegen die Bestimmungen-der Stiftungsurkunde des Collège de Navarre, Grand- maitre desselben Zu bleiben. Sein Amtsnachfolger, Simon Fréron, belangte ibn deshalb bein Parlament. Zuerst abgewiesen, appellierte er und erhielt am 4 December 1361 seine Ermen- nung Zu dem erwähnten Posten; Oresme musste weichen. Da die Regel des Collége die fran- zösische Sprache verpánte und nur die lateinische duldete, so sind alle vor 1361 geschriebenen Werke Oresme's in letzterer Sprache abgefasst; dagegen stammen die französisch geschriebe- men erst aus späterer Zeit. Wenn aber Meunier aus der Sprache allein Schliessen will, dass z. B. das Werk ... Contra judiciarios Astronomos etc.” vor 1361 entstanden sei, so ist º im. Irrthum, da die Einleitung selbst das Jahr 1374 der Abfassungszeit angibt. Seit 1361 dirſte sich Oresme vorzugsweise in Rouen auſgehalten haben. Am Weihnachstsheiligabend 1363 finden wir inn, ohne dass man den Grund seines dortigen Aufenthaltes kennt, in Avignon. Er hielt an diesem Tage seine berähmte Predigt liber den Text aus Jesaias: ...Juxta est salus mea, ut veniat, et justitia mea, ut revelet ur," dem Introitus der Tagesmesse entnom- *) Chasles, A perçu historique sur l’origine et le développement des méthodes en Géo- métrie, particulièrement de celles qui se rap portent à la Géométrie moderne. Bruxelles 1837. Deutsch von Sohnke unter dem Titel: Geschichte der Geometrie hauptsächlich mit Bezug auf die neuere Methode. Von Chasles. Halle 1839. *) I. T. Montu cla, , Histoire des mathématiques. Nouvelle édition considérable ment augmentée et prolongée jusque vers l’époque actuelle". Paris 1799–1802. 4 vol. (Vol 1, p. 530). °) Für Nicole findet man in den Ausgaben und Handschriften Nicolas, Nicolaus, Joannes, Jean, für Oresme lateinisch Orem, Oren us, Ore simus, Oresmius, Oremius, Horen, Horem; französisch Oresmius, Oréme, Oresmes, d’Oresme, d’Oresmieux, Orem, Orem e. - -- 3 - men. In derselben geisselt er die Schwächen und Fehler des Papstes und der Cardiniile in schonungsloser Weise. Auch 1366 soll Oresme nochmals in Avignon gewesen sein als. Spre- cher der Gesandschaft, die Charles V. Le Sage an Papst Urban VI. sandte, um denselben von seiner beabsichtigten Flucht zurückzuhalten. Meunier und vor ilm die Histoire littéraire de la France") haben aber nachgewiesen, dass dieser zweite Aufenthalt in Avignon apokryph ist. Oresme erwähnt selbst seine Rede von 1363 vielfach, nirgend aber nimmt er die von 1366 für sich in Anspruch, die überhaupt Wieles enthält, was dem bessern Wissen des Oresme widerspricht. Seit seiner Ernennung zum Dekan von Rouen trat Oresme in nähere Verbindung mit Charles V. Le Sage. Man hat inn zum Lehrer dieses Fürsten machen wollen; aber, fragt Meunier mit Recht, wann soll das geschehen sein? Vor 1348 braucht der 1337 geborene Dauphin wohl einen Lehrer, aber Oresme ist selbst noch nicht einmal Schüler, 1348–1356 ist er Boursier im Collège de Navarre, 1356 endlich ist er in der Lage als Lehrer aufzutre- ten: aber seit 1356 war Charles V. schon Regent von Frankreich und konnte des Lehrers entbehren. Das Lehramt des Oresme wird aber gewöhnlich erst 1360–1361 gelegt! Für Sei- men königlichen Gönner Übersetzte er verschiedene Schriften des Aristoteles inach den schon worhandenen lateinischen Uebersetzungen inºs Französische; zum Theil sind dieselben noch un- gedruckt, doch hat er durch sie, sowie durch seinen ursprünglich französisch geschriebenen Traité de la sphère, so Zu sagen, die Wissenschaftliche Sprache der exacten Studien Frank- reichs geschaffen. Die von ihm angewendeten Termini technici gebraucht man dort noch heute. Beispiele findet man bei Meunier in nicht kleiner Zahl. So wenig als Oresme Lehrer Charles V. war, ist er, wie einige behaupten, Archidiakonus von Bayeux, oder Trésorier der St. Chapelle zu Paris gewesen. Dagegen nemnt er sich in seiner Uebersetzung der Politik des Aristoteles selbst , Chapelain du roi “. Als wāhrend seiner Beschäftigung mit der Uebersetzung der Bücher de Coelo et Mundo des Aristoteles im Auftrage des Königs das Bisthum von Lisieux vacant Wurde, Wollte Charles inn auf diesen Bischofssitz befórdern. Der machgeborne Bruder Charles’, Louis Herzog von Anjou, dagegen befürwortete einen gewissen de Dormans. Der König setzte jedoch die Wahl Oresme's durch, und so wurde dieser am 16. November 1677 zum Bischofernannt und am 28. Januar des mächsten Jahres in Paris geweiht. Charles war selbst bei diesem feierlichen Acte Zugegen und schenkte seinem Schützling Zwei kostbare mit Edelsteinen geschmückte Ringe. Kurz vor seiner Weihe hatte er, mit dem Titel eines Conseiller du roi ausgestattet, die Ehre, in Begleitung anderer ausge- gezeichneter Persänlichkeiten den Kaiser Karl IV, und seinen Sohn Wenzel, die auf einer Wallfahrt nach der Kapelle von St. Denis begriffen waren, dort zu empfangen und an das könig- | liche Hoflager zu geleiten. Am 18. Juni 1378 wurde er in der Kirche zu Lisieux feierlich vereidigt. " Diesen Ort hat er seitdem wohl auch kaum auf längere Zeit verlassen, bis zu Seinem am 11. Juli 1382 erfolgten Tode. Einige lassen ihn erst 1384 sterben, Z. B. Du Pinº), der noch aus- " drücklich hinzusetzt, 7 Jahre nach erhaltener Investitur, die Gallia Christiana") hat aber be- 7). Histoire littéraire de la France. Tome XXIV. Quatorzième siècle. A Paris, 1862 4°. p. 481. M. s. auch Victor le Clerc et Ernest Renan, Histoire littéraire de la France au XIV. siècle. Seconde édition. Tome I. Paris, 1866. S". S. 527. (Das letztere Werk ist nur eine neue Separatausgabe des ersten). *) Du Pin, Bibliothèque des auteurs ecclésiastiques du S. XIV. Utrecht 1731. T. XI. S. 83. *) Gallia Christiana. T. XL Paris 1759, col. 788–789. , Defunctus die 11. Julii 1382, sepultu- gram accepit in cathedrali juxta sinistram chori portam, & die sequenti fit ejus obitus in ,, ecclesia Lexoviensi. Et certe vacabat sedes an. 1382 die 5. Augusti, ex reg. 123 Caroli Vſ., ‘, in quo N. Lexoviensis bonae memoriae episcopi fit mentio “. 1 * 4 stimmt nachgewiesen, dass unser obiges Datum das richtige ist. In einem Decrete Charles VI. vom 5. August 1382 wird seiner schon als eines Verstorbenen gedacht. Die mathematisch physikalischen Werke des Oresme sind zahlreich und von hohem Werthe für die Entwickelung der Wissenschaft. Ich bespreche zunächst diejenigen, welche schon ge- druckt vorliegen, und reihe daran diejenigen, die sich nur im Manuscripte erhalten haben. So weit mir bekannt, gebe ich von jeder Schrift sämmtliche Handschriften und sämmtliche Aus- gaben an, von den als Incunabeln zu betrachtenden oder sonst durch ihre Seltenheit sich aus- zeichnenden auch die mir bekannten Exemplare. T- Tractatus proportionuna- Gedruckt in der Sammlung: Questio de moda- libus bassani politi Tractatus proportionü introductorius ad calculatioes suisset Tractatus proportionü thome barduardini | Tractatus proportionu nicholaioren | Tractat” de latitudinib" forma2 eiusdez nicholai | Tractat" de latudinib" forma2 blasij de parma Auctor sex inconue- nientium. Dieselbe bildet einen Folioband von 74 Bltt, von denen nur Bltt 2–16 mit den Zah- len 2–16 numeriert sind. Die Schrift ist gothisch mit zweispaltigem Drucke. Auf Bitt 74, Sp. 2, Zeile 16–19 findet man den Druckvermerk: CI Uenetijs mandato 2 sumptibus heredum quonda No-bilis Uiri. D. Octauiani Scoticiuis Modoetientis per Bonetum Locatellu Bergo- mensem presbyteru. Kalen- dis Semptembribus. 1505. Ausser den auf Bltt 1" (dem Titel) er- wähnten Werken enthält die Ausgabe noch zwei weitere Schriften: Dieselben sind auf Bltt 74" in folgender Weise angezeigt (Zeile 1–4): Questio subtilis doctoris Johanis de Casali de velocitate motus alteratiois Qestio blasij de Parma de tactu cor-porum durorum. In die- ser Sammlung findet sich Btt 17–26 die fragliche Schrift. Sie hat daselbst den Titel: CI Pro- portiones Nicolai horen, und beginnt mit den Worten: „Prohemium. (o) Mnis rationalis opinio „de velocitate motuum poniteam sequi aliquam proportionem.“ und schliesst: „Que in manu dei sunt 2 ipa solus novit: cui" oculis cucta sut nuda : aperta.“ Darauf folgt das Explicit: „CI Proportionum Nicholaihoren. Finis. Cum dei laude. Amen.“ Mir sind drei Exemplare die- ses Druckes bekannt: 1. Das im Besitze des Fürsten Boncompagni in Rom; 2. Das Exemplar der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris mit der Signatur: „ In fol. R. 221“. 3. Ein unvollständi- ges Exemplar der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel mit der Signatur „Quodl. 126. 4. fol.“ Dasselbe enthält nur Bltt 1–32; Blatt 32" ist weiss. Handschriften, welche genau das enthalten, was der oben aufgeführte Druck in sich schliesst, sind mir nicht bekannt, ausser etwa eine xacte Abschrift der Blätter 17“ – 26" desselben, Seite für Seite und Zeile für Zeile mit dem Original übereinstimmend, welche ich durch die Güte des Fürsten Boncompagni nach seinem Exemplare besitze. Die Handschriften geben sämmtlich, soweit ich nähere Notizen darüber kenne, nur Theile des ganzen Werkes wieder. In welchem Umfange der Oxforder Codex unsere Abhandlung ent- hält, ist mir nicht bekannt. Handschriften einzelner Theile dieses Druck-Werkes sind folgende: 1. Manuscript der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris , Fonds Latin N". 7371“ Bltt. 269“ – 278" aus dem XV. Jahrhundert. Das Manuscript hat die Uberschrift: „tractatus „de proportionibus proportionum ab oresme“ (Bltt. 269", Z. 1.) und beginnt unmittel- bar darauf mit den Worten: „(O)mnis rationalis opinio de velocitate motuum ponit „eam sequi aliquam proportionem“ (Z. 2–3). Von dem Drucke umfasste das Manu- Script nur Bltt. 17“ – 20", Sp. 2, Z. 24., d. h. die beiden ersten Capitel, die es aber in drei vertheilt. Es schliesst mit den Worten: „In hijs regulis dicta possent ex arisme- „tica et geometria probari demonstrari sed no luidiucius immorari. Explicit.“ 5 (Bitt. 278° , Z. 1–3) entsprechend dem Schlusse von Capitel II. des Druckes: „GI Multa in his „regu- lis dicta possent ex arismetica ex geometria demonstrari: sed- noluidiutius morari“. (Bltt, 20", Sp. 2, Z. 22–24). Die Abweichungen der Handschrift von dem gedruckten Texte sind sehr bedeutend. - 2. Copie der obigen Handschrift Zeile für Zeile und Seite für Seite mit dem Original übereinstimmend, die mir durch die Güte des Fürsten Boncompagni aus Paris übermittelt wurde. Geschrieben durch Herrn Eugène Janin. Für das Caput III. des Druckes das speciell „de proportionibus proportionum“ handelt, kenne ich keine Handschrift. - - Caput IV. des Druckes ist das Werk des Oresme, von dem Meunier fälschlich behauptet, es sei von dem in der Handschrift „Fonds Latin N°. 7371.“ enthaltenen Abschnitte – er nimmt ihn für das vollständige Werk – nicht verschieden, nämlich das nach Launoy") von ihm citierte de Proportione velocitatum in motibus. Caput V. und Caput VI. endlich enthält, wenn auch mit sehr erheblichen Abweichungen, die folgende Handschrift: 3. Manuscript der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris „Fonds Latin nº. 7378 A.“ Bltt. 14" – 17". Die Handschrift beginnt ohne Titel mit den Worten: „(A)d pauca respicientes „de facilienunciant ut dieit Aristoteles“. Die Übereinstimmung mit dem Drucke be- ginnt aber erst mit der Prima Conclusio, welche beginnt: „Si duo mobilia mou eantur super circulos“ entsprechend den Worten des Druckes Bltt. 25., Sp. 1, Z. 5: „Si duo „mobilia moueantur super circulos“. Das Manuscript schliesst in Uebereinstimmung mit dem oben angeführten Schlusse des Druckes: „que in manu Dei sunt et ipse solus nouit „cuius oculis nuda sunt omnia et aperta.“ Dann folgt das Explicit: „Explicit trac- „tatus breuis et utilis de proportionalitate motuum celestium datus et com- „pletus per magistrum nicholaum orem norm annum“. - - 4. In dem Werke Catalogi librorum manuscriptorum Angliae et Hiberniae in unum col- lecti. Oxoniae 1697, Fol. findet sich ebenfalls ein Manuscript des „Tractatus de Propor- tionibus Proportionum“ verzeichnet. Es heisst dort (T. II. P. 1. p. 209.) „Cat. MSS. „D. Sam. Pepysii: No. 6780. 61. Tractatus de Proportionibus Proportionum Magistri Nicolai „Orem, Pergam.“ Ob die Handschrift nur das enthält, was die Pariser unter Nr. 1. erwähnte umfasst, oder ob sie mit dem Drucke übereinstimmt, weiss ich nicht. Hier mit kurzen Worten eine Analyse des Inhaltes des „Tractatus de Proportio- nibus Proportionum in dem Umfange, wie ihn die Ausgabe Venetis 1505 enthält. Der- selbe zerfällt, wie schon aus dem Obigen erhellt in 6 Capitel. Das „Prohemium“ des er- wähnten Druckes gibt summarisch ihren Inhalt folgendermassen an: „Ad propositum accedo. „hunc tractatum per capitula dividendo. In quorum primo quedam preambula velut quedam „principia sic premittam quod liceteam breuis introductionis inde aliqua vera dicam... In se- „cundo conclusiones aliquas de proportionibus demonstrabo et subiungam quedam documenta „pauca. In tertio de proportionibus proportionum Specialiter pertractabo. In quart0 prius „dicta ad proportiones motuum applicabo. In quinto advelocitates condescendam. In Sexto „dicam de incommensurabilitate motuum celestium corrigendo quedam que alias ad pauca res- „piciens breuiter pertransiui.“ Das erste Capitel enthält zunächst Erklärungen: Quid sit dividere; Quid sit augere; 0) Historia Collegii Navarensis. 6 Quid sit subtrahere; Quid sit addere immer verstanden proportiones. Proportio hier, wie überall im mittelalterlichen Latein, gleich „ratio,“ „Verhältniss“. Darauf behandelt es die Media proportionalia und die verschiedene Zusammensetzung und Zerlegung der Verhält- nisse. Letztere lehrt er auf 7 verschiedene Weisen. Im Zweiten Capitel folgen zunächst spe- cielle Sätze über diese Zerlegungen; dann finden sich Sätze über mittlere Proportionalen zwi- schen zwei Verhältnissen; es folgt die Aufgabe, zu untersuchen, ob zwei Verhältnisse commen- surabel sind oder nicht. Zum Schluss folgt die Erklärung der bekannten lateinischen Namen der Verhältnisse, der proportio multiplex, superparticularis, superpartiens, multiplex superpar- ticularis, multiplex superpartiens; die Auffindung der Verhältnisse in den kleinsten Zahlen; und die Bestimmung einer oder mehrerer mittlern Proportionalen zwischen denselben. Das dritte Capitel handelt specieller de proportionibus proportionum. Zunächst kommen einige suppositio- nes (5), dann eine Reihe von Conclusionen über Commensurabilität zweier Verhältnisse aus den im vorigen Capitel erklärten Arten und zugehörige Zahlenbeispiele. Im vierten Capitel wird gehandelt de proportione motuum. Zunächst einige Voraussetzungen darunter folgende: „Velo- „citas sequitur proportionem potentie motoris ad mobile seu ad resistentiam eius.“ – „Omnes „potentie sunt equales: que idem mobile vel equalia possuntequali velocitate mouere.“ – Die Lehrsätze wenden sich zunächst gegen einige Sätze des Aristoteles, die sie als falsch nach- weisen; dann folgen einige Aufgaben die Natur der Bewegung zu bestimmen, sobald das Ver- hältniss der Geschwindigkeiten gegeben ist u. d. gl. Capitel fünf handelt über die Geschwin- digkeit der Bewegungen der Himmelskörper. Capitel sechs endlich über die Commensurabili- tät derselben. Aus dem Obigen sieht man, dass sowohl das von Meunier dem Werke hinzu- gefügte „inédit“ als auch die Bemerkung Montuclas „resté manuscrit“ auf Irrthum beruht. – Aus den Worten des Prohemium die wir oben angeführt, „corrigendo quedam que „alias ad pauca respiciens breviter transivi“ wird man geneigt, zu schliessen, dass Oresme noch ein Werk über die Commensurabilität der himmlischen Bewegungen hinterlassen habe. Dem ist nur wirklich so. Ein Vatikanisches Manuscript enthält: TT- Tractatus de incor anaensurabilitate naetuura Selestiura- Das Manuscript hat die Signatur „Codex Vaticanus 4082.“ und enthält das besprochene Werk Bllt 96 –108 Sp. 1. Das Manuscript, aus dem Anfange des XV. Jahrhunderts, be- ginnt: „(Z) Enonem et crispum maiora egisse affirmat seneca“ und schliesst: „Et „ecce sompnus abijt, dubia conclusio restatet ipse nescio quid super hoc iudex „decreuerit apollo. Ecce finem sine fine.“ Dann folgt die Subscriptio: „Explicit trac- „tatus de incommensurabilitate motuum celestium editus per magistrum nich0- „laum. oren et per me petrum defita padue. 11" nouembris 1401. deo gratias „amen: – scriptum.“ Dieses Werk sowohl als das besagte Manuscript ist Meunier sowie allen sonstigen Biographen des Oresme entgangen, denn das von Meunier erwähnte ist nichts weiter als Cap. V. und VI. des Druckes: Venetijs 1505. Näheres über den Inhalt ist mir nicht bekannt. TTL- A-1gorisraaus TEProportionuraa.- Gedruckt in der Ausgabe: Der Algo- rismus Proportionum des Nicolaus Oresme. Zum ersten Male nach der Lesart der Hand- schrift R. 49. 2 der Königlichen Gymnasialbibliothek zu Thorn | herausgegeben von E. L. W. M. Curtze. Mit einer lithographierten Tafel und einem photographischen Facsimile der Handschrift. | Berlin 1868. S. Calvary & Comp. | Specialgeschäft für Philologie & Naturwissen- schaft. | Oberwasserstrasse 11. 32 S. 89. (Seite 13–30). T Handschriften des Werkes gibt es eine grosse Zahl; hier die mir bekannten: 1. Manuscript der hiesigen Gymnasialbibliothek „R. 49. 2“; es umfasst daselbst Seite 82 Z. 5. bis Seite 93. Die Abhandlung beginnt daselbst mit den Worten: „Vna media debet „Sic scribi Vna 3“ sic et due 3°: Sic # et sic dealijs“. und schliesst: „ Sic igi- „tur se haben.t aspectus signorum celi secundum hanc considerationem et patet „in figura“. Auf Seite 85, Zeile 37–38 liest man: „ Explicit Algorismus proportio- „num magistri Nicolay or em. parisius. Incipit secundus tractatus“. Die Hand- schrift ist in dem darauf folgenden Stücke, das von derselben Hand geschrieben ist, datiert Vom Jahre 1359. 2. Handschrift der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris mit der Signatur „Fonds latin nr. 71 97“ Bltt 74–79". Das Werk ist daselbst betitelt (Bltt 74", Z. 1.) „Algorismus pro- „portionum“ und beginnt: „Vºn a medietas scribitur sic et vna tercia scribitur „Sic et due tercie sic # et sic dealijs“, und schliesst: „ Sic ergose habet aspec- „tus signorum celi secundum ist am considerationem et hec omnia patent in figu- „ris subscriptis et est finis.“ Der Name des Autors findet sich in der Handschrift nicht. Die dazu gehörigen Figuren sind am Ende alle zusammengestellt; zuletzt hat der Schreiber noch den Vers hinzugefügt: „ Hoc opus exegi festum sepissime fregi „Ille mihi parc at qui perpes in ethere regnat.“ Der Codex ist aus dem 15. Jahrhundert mit sehr schwerlesbaren Abbreviaturen. 3. Copie dieses Manuscriptes in meinem Besitze von der Hand des Herrn Eugène Ja- nin in Paris, der mir dieselbe auf Veranlassung des Fürsten Boncompagni übermittelte. In derselben sind die Abkürzungen bis auf einige wenige, deren Bedeutung nicht sogleich erkenn- bar war, aufgelöst. Sie umfasst 30 numerierte Seiten. 4. Manuscript des Magliabechiana in Florenz mit der Signatur „Conventi sopressi, I. IX. 26“. Bltt 38“ –46“. Dasselbe hat den Titel: „In nomine domini. Incipit Algoris- 1 „mus proportionum“. und beginnt: „(U)na medietas scribitur sic et una tertiä - 1 - - - - - - - - - „sic et due tertie sic et sic de aliis“ und endigt abweichend von den übrigen Handschriften: „Et nota quod demonstratio de octogono est generalis etiam ad „alias figuras inscriptas et circumscriptas semper data mea proportionalitate „cum duobus laterium (sic!)“. Der Name des Autors findet sich nicht darin. Der Text ist an - mehreren Stellen sehr verändert und hat wesentliche Umstellungen erfahren. Die Handschrift ist aus dem XVI. Jahrhundert. 5. Copie dieser Handschrift Seite für Seite und Zeile für Zeile mit dem Origiual überein- stimmend, von der Hand des Herrn Filippo Ricci in Florenz geschrieben, der mir dieselbe auf Veranlassung des Fürsten Boncompagni in Rom übermittelte. - 6. Manuscript der Vatikanischen Bibliothek zu Rom mit der Signatur „Codex Vatica- „nus 408 2“ Bitt 109–113". Das Manuscript beginnt ohne Titel: „v Na medietas sic „scribitur una tercia sie due tertie sic „ergo Se hab et aspectus celi signor um secundum ist am considerationem exem- „plum patet in figura“. Dann folgt die Subscriptio: „ Explicit Algorismus proportio- et ita de alijs“ und schliesst: „Sic „num venerabilis arcium doctoris magistri Nicolay hor em per me .p. defita. „1401. 8. marcijdeo gracias“. Es ist also aus dem ersten Jahre des XV. Jahrhunderts. 7. Manuscript der Oeffentlichen Bibliothek zu Basel (Universitätsbibliothek) mit der Si- gnatur „F. II. 33“ Bltt 95" –98" aus dem XV. Jahrhundert. Dasselbe hat den Titel: „Inci- 8 - º, pit Algorismus de proportionibus “und beginnt mit den Worten ,Una media debet º, sic scribi . Et una 3 * sic . Et due 3° Sic ; et sic de a lijs “ und schliesst: , sic ,igitur se habent aspectus signorum celi secundum is tam considerationem et º, patet in figura. (I Explicit". Blatt 96 und 97 sind verbunden und missten eigentlich in umgekehrter Reihe 97, 96 auf einander folgen. Auf Bltt 97", Z. 6 findet man Folgendes: ,CI Et in hoc explicit algorism us proportion um Magistri Nicolai. Oren. Pari- ºsius editus.“. Das gegenwärtige Manuscript ist mir durch die Freundlichkeit der Verwaltung der öffentlichen Bibliothek zu Basel seit långerer Zeit zur Benutzung glitigst tiberlassen wor- den, wofirich meinen ergebensten Dank an dieser Stelle zu sagen nicht unterlassen kann. Das Werk ist besonders deshalb merkwürdig, weil in ihm, soweit bekannt, wohl zu erst Potenzen mit gebrochenem Exponenten und die Rechnung mit denselben zur Anwendung kom- men. Als Erfinder der Potenzen mit gebrochenem Exponent galt bisher Vieta und Simon Stevin von Brügge. In Bezug auf den Inhalt des Werkes verweise ich auf die Einleitung zu meiner oben erwähnten Ausgabe und auf meine Arbeit in Schömilchs Zeitschrift für Ma- thematik XIII. Supplement. Hier nur ganz kurz die Bezeichnung, welche Oresme gebraucht, und die algebraischen Sätze, die er entwickelt: Die gewöhnliche Potenz schreibt er 2. 2P - 1. 1 - - 1 - - - = 2*, 3.9 P = 9°u. s. w.; nun heisst aber eben so . 2P = 2*, 3 9P =9° u. S. w., dagegen ist 1 - - - - - 23 dasselbe, was wir noch jetzt darunter verstehen. In moderner Bezeichnung sind Oresme's Regeln folgende: an m_ 1. a *. a n = an H- "; — = a”-"; a n =(a")n: 1 ( P_\ 1 ( #): 1 ( )} ( up \ 1. am – a m p; a P * = a "; am * = d n a: n, 1 1 - P_ 1 1 bn b | n . (au) q = (a "P) * : a.b " – (a". b)"; =|| * - 2. al a. * - 1. 1 1 3. d nº n d n d n 1 P. * -|| *-(?) –º bn • bn * - 1 1 1 1 a * af ef a “ . b + = (a+ be ) ºr ; T = \bº b f 1 1. 1 1 ſ a Y " a * 1 m + T a " , b º – (a . b) *; \b J TTI a”. a' = a - bn a": a = a " Der ;: Algorismus Proportionum “ ist Meunier unbekannt geblieben. Die Stellen welche in anderen Schriften des Oresme sich auf ibn beziehen hat jener auf den , Tractatus Proportionum bezogen. ") ii) , Meismement qui considere comment les proporcions d’au cunes notables figures *geometriques sont parties des proporcions armoniques de musique, si comme je demon- ºstray en j traictié appelé Algorisme de proporcions“. (Traduction des Politiques d’Aristote, VIII., 7). *Etºtout ce ay je autrefois entendément declaré en un livret que je ay nommé Algorisme 9 TV- Tractatus de latitudinibus forraaaruraa- Mehrfach gedruckt. 1. Paduae 1482. Ich kenne die Ausgabe nur aus einer Erwähnung in den Memorie de- gliscrittori e letterati Parmigiani raccolte dal Padre Ireneo Affö e continuate da Angelo Pezzana Tomo 6°. Prte 2“. Parma 1827, S. 132. Daselbst heisst es: „Incipiunt Quaestiones super Trac- „tatu de latitudinibus formarum determinatae per... Blasium de Parma de Pelicanis. Veggon- „si impresse in una vecchia Raccolta di cose filosofiche dopo il Trattato delle proporzioni „di Alberto da Sassonia, e quello de latitudinibus formarum di Giovanni Horen. Infine stanno „le note tipografiche in questo modo: Expliciunt quaestiones super tractatu de latitudinibus for- „marum Magistri Johannis Horen determinatae per... Blasium de Parma de Pelicanis... Im- „pressa Paduae per Matheum Cerdonis de vaindischzgracz. 1482. Die duodecim. Septembris“. Von diesem zweiten Commentar besitze ich Abschrift nach dem Exemplar der Biblioteca Pa- latina in Parma von der Hand des Bibliothekars Herrn Luigi Barbieri, der mir dieselbe im Auftrage des Fürsten Boncompagni zugehen liess. Dies Exemplar der Biblioteca Palatina in Parma enthält nur den Commentar des Biaggio da Parma, der mit eigenen Seitenzahlen versehen, sehr häufig, ja wohl fast immer, von dem Hauptwerke getrennt vorkommt. Eine zweite Ausgabe davon bildet das Incunabel: 2. Padue 1486. Mir ist das Exemplar der Hof- und Staatsbibliothek zu München durch den Oberbibliothekar derselben Herrn Prof. Halm gütigst mitgetheilt worden, wofür ich hier ihm meinen aufrichtigen Dank auszusprechen mir erlaube. Genanntes Exemplar besteht aus 20 Blatt, von denen nur Bltt. 1–3, 6, 9, 10, 11, 12, 17, 18, 19 mit den Zahlen 1–3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 11, 9 bezeichnet sind. Die Ausgabe ist ohne Signatur und ohne Custoden; go- thischer Druck, in 4". Format. Die Ausgabe hat auf Bltt. 1“. den Titel (Zeile 1–3): „Inci- pitperutilis”) tractatus de latitudinibusforma2 secundum”) Reveredu doctore magistrum Nicolau Horem. Die decima Januarij.“, und beginnt (Zeile 4–9): „Formarum quia latitudi- nes mul- „tiplicit variantur multiplices varietates difficilime discernunt: nisi ad figuras 2eometricas „(sic!) quo | damodo referunt'.“ Die Abhandlung schliesst Bltt. 11" (Zeile 12–16): „CI Plura „autem corolaria circa istam materiam elici possunt: sed ex prcdictis (sic!) po test faciliter ,,considerari quod supradictis appli | cari possunt: 2 ideo transeo 2 sic finem habe ! at tracta- „tatus de latitudinibus formarum“. Daran schliesst sich der Druckvermerk (Zeile 17–26): „Tractat” de forma2 lati | tudib” a veuerabili (sic!) docto remgro Nicolao horen. | edit?finit „foelicit. Impres | Susac diligeti cura emeda | tus padue per*) mrgm Ma- theü Cerdonis „d' vuindis- grecz. Anno dni. 1. 4. 8. 6. Die vero. 18. mesis Februarij“. Auch hier schliesst sich von Bltt 12“ anfangend der Commentar des Biagio da Parma an. Derselbe ist betitelt (Bltt 12“, Z. 1–3): „Incipiunt questiones super”) tractatu de | latitudIb" for2 det'mate per") de proporcions“. (Trad. du traité du ciel et du Monde, II. 18). Ich füge hierzu noch die beiden Stellen aus dem „Tractatus de Proportionibus“: „Denomination um inventio postea do cebitur quorum „multiplicatio adque (sic!) divisio habe turper algorismum“ (MS. No. 7371. Bltt 269b. Zeile 23–24). – „Inventio denomination um postea videbitur quorum multiplicatio et divisio in algorismo ,,docetur“ (Ebendas. Bltt 270b. Zeile 23–24). Die Ausgabe von 1505 setzt beidemale, da sie den Algorismus Proportionum nicht kennt, „in algebra habetur“. * Die Vorsilbe „per“ ist im Originale durch ein durchstrichnes p gegeben; da die Druckerei derglei- chen Typen nicht besass, so habe ich dieselbe ausgeschrieben. ”) Eigentlich ist „secundum“ im Originale abgekürzt; wegen Mangels der betreffenden Type in der Druckerei habe ich das Wort ausgeschrieben. *) Siehe die vorletzte Anmerkung. *) Wie eben. *) Wie eben. - - - venerad' doctore mgrm blasiüd' parma") d'pelicals“. Auf Bltt 19“. Z. 27–31 liest man den Druckvermerk: „Expliciut qoes super") tractatu de latitudib" fo ma2 mgri Johanis Horen det'miate per venrädu doctore artiuſ: mgrm Blasiu d' par ma d' pelicais. Impsse Padue Die: men | se 2 anno supradictis. In laude dei summi“. Das Exemplar der Hof- und Staatsbibliothek hat die Signatur „Inc. c. a. 463“. Bltt 19 und 20 ist weiss. 3. Venetiis 1505. In dem oben citierten Bande betitelt „Questio de modalibus bassani po- liti etc.“ ist unsere Abhandlung enthalten von Bltt 27*, Splt. 1 – Bltt 29, Splt. 2. Sie ist darin betitelt: „CI Incipitperutilistractatus de latudinibus forma2. secundum”) Reverendu doctore „mgrm Nicholau Horen“, beginnt mit den Worten: „Quia formaruzlatitudies“ und schliesst: „º ideo transeo: sic finem habeat tractatus de latudinibus formarum. GI Tractatus de for- „marum latitudinibus a Venerabili doctore magistro Nicolao horen editus finit feliciter.“ Auch hier folgt unmittelbar hinterher der Commentar Pelacanis. Derselbe ist darin betitelt (Bltt 30“, Sp. 1. Z. 1–3): „CI Incipiut qones super tractatu de latitudinib" forma rum determi- „nate per venerandum doctorem mgrm | Blasiu de Parma de pelicanis“. und hat die Subscri- ptio: „CI Expliciunt qoes super tractatu de latitudinibus for maru magri Johänis Horen deter- „minate per”) veneradü doctore artiu magrm Blasiu de Parma de pelicanis“. 4. Viennae 1515. Die Ausgabe ist betitelt: „Contenta in hoc libello Arithmetica commu- „nis. | Proportiones breves. De latitudinibus formarum. | Algorithmus. M. Georgij Peurbachij „in integris | Algorithmus Magistri Joannis de Gmunden de minucijs phisicis.“ Das Impressum lautet: „Impressum Vienne per Joannem Singrenium | Expensisvero Leonardi : Luce Alantse „fratrum Anno Domini M. ccccc. XV. | Decimonono die Maij“. Sie umfasst 54 Blatt in 4° ohne Numeration; auf Bltt 27" mit der Signatur g bis 37“ mit der Signatur i findet sich die be- treffende Schrift, hier betitelt: „Tractatus de Latudinibus forma- rum scd'm doctrina magistri „Nicolai Horen“. Sie beginnt: „Formaru quia latitudines multipliciter variant“ und schliesst: „et ideo transeo et sic finem habeat tractatus de latitudini bus formarum.“ Ich kenne drei Exemplare dieser Ausgabe. 1. Das im Besitze des Fürsten Boncompagni in Rom; 2. das im Besitze der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris mit der Signatur: „In 4° W. 939.“ 3. Das Exem- plar der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel mit der Signatur „Quodl. in 4° 28.“ Letz- teres Exemplar habe ich durch die Güte meines frühern Lehrers, des Herrn Oberbibliothekar Prof. Dr. O. v. Heinemann, auf längere Zeit zur Benutzung erhalten, was ich hier aufrichtig – dankend anerkenne. Von Manuscripten kenne ich hier nur ein einziges, das in dem schon früher erwähnten Codex „R. 4". 2“ der hiesigen Gymnasialbibliothek enthalten ist und zwar von Seite 198–206. Die Abhandlung beginnt daselbst ohne Titel und ohne Angabe des Verfassers: „(Q)ia forma- „rum latitudines multipliciter uariatur (sic)“ und schliesst mit den Worten: „Plura „igitur alia corrollaria circa presentem materiam euerci p0ssunt ex predictis „que considerantibus faciliter patent ideo transeo CI deo gracias Virginique glo- „riose“. Gegen die Drucke hat sie sehr bedeutende Varianten, wie diese auch unter sich viel- fach abweichende Lesarten zeigen. Alle diese Ausgaben und die Handschrift sind Meunier unbekannt, obwohl die letzten beiden Ausgaben in der Pariser Bibliothek vorhanden sind. Die Von Meunier unter dem Titel „Tractatus de latudinibus forma rum“ aufgeführte Schrift 1) Die Silbe „par“ ist auch durch ein durchstrichnesp gegeben. *) Wie oben Anmerkung 12. 9) Wie oben Anmerkung 13. ”) Wie oben Anmerkung 12. des Oresme ist die gleich zu erwähnende grössere Arbeit desselben über den nämlichen Ge- genstand, die ich mit einem zweiten ihr ebenfalls beigelegten Titel bezeichnen werde, um sie von der vorliegenden Abhandlung zu unterscheiden. Der Inhalt des Werkes ist von hohem Interesse. Um ihn zu verstehen, bedarf es zunächst einer Erklärung des Begriffes forma und des andern latitudo. Unter „forma“ wird jede Er- scheinung in der Natur, jede Bewegung, Veränderung der Wärme und dgl. verstanden; die „latitudo“ soll ermöglichen, die Erscheinungen geometrisch darzustellen. Diejenige Grösse, von welcher die forma abhängig gedacht wird, trägt Oresme als „longitudo“ auf einer geraden Linie von einem festen Puncte aus auf; die Grösse, welche die Abhängigkeit der „forma“ von der longitudo ausdrückt, als „latitudo“ auf in den entsprechenden Puncten der „longitudo“ errichteten Senkrechten. Die Endpuncte der Senkrechten denkt er sich dann durch krumme Linien verbunden in stetigem Zuge. Er hat also damit ein rechtwinkliges Coordinatensystem hergestellt, genau so wie Descartes das seinige entwickelt. Die Abhandlung selbst behandelt nun zuerst die Eintheilung der „figurae“ in Arten, dann die Bestimmung aller der Figuren, welche überhaupt zur Darstellung der „latitudines forma rum“ dienen können. Dabei sei bemerkt, dass Oresme nur die Puncte einer Curve im ersten Quadranten kennt, da ihm natürlich negative Abscissen oder Ordinaten unmöglich sein mussten; auch der Fall, dass einer Abscisse zwei Ordinaten zukämen, der z. B. bei einem Kreisabschnitte grösser als der Halbkreis ein- treten würde, wenn die Sehne als „longitudo“ benutzt wird, ist ihm unmöglich; einer „lon- gitudo“ enspricht stets eine und nur eine „latitudo“. Den genauern Inhalt mit Angabe der Hauptsätze des Oresme sehe man in meiner oben erwähnten Abhandlung über die Handschrift „R. 49 2“ in der Zeitschrift für Mathematik, XIII., Supplement. Ich will hier nur noch ei- niger wichtigerer Sätze gedenken. Bei einer Figur, wie sie ein Kreisabschnitt darstellt, wächst die „latitudo“ vom Anfange bis zur Mitte und nimmt dann wieder bis zum Ende ab; die Geschwindigkeit des Wachsens und Fallens ändert sich dabei im obersten Puncte am langsam- sten, in der Nähe der Endpuncte am raschesten; die Zu- und Abnahme der Geschwindigkeit tritt aber nicht sprungweise sondern stetig ein. – Das Verhältniss zwischen Form und Form ist dasselbe wie zwischen den entsprechenden Figuren. – U. s. w. Denselben Gegenstand, wahrscheinlich aber in ausgedehnterer und erweiterter Gestalt, be- handelt eine weitere Abhandlung des Oresme nämlich: TV – Tractatus die Unifornaitate et diffornnitate intension urma- Ich bemerke zunächst nur, dass „intensioformae“ dasselbe ist wie „latitudo formae“ (In dem „tractatus de latitudinibus formarum“ heisst es: „Excessus gradualis, „latitudo gradus et intensio forme idem sunt ex communi usu loquentium in „tali materia“). Gedruckte Ausgaben dieses Tractats sind mir nicht bekannt. Handschriften gibt es mehrfach: 1. Manuscript der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris „ Fonds latin nº 14,579“ früher „Fonds St. Victor nº 111.“ Darin beginnt die Abhandlung ohne Titel auf Bltt 18“: „Cum „ymaginationem meam de uniformitate et difformitate intension um ordinare „cepissem occurrerunt michi quedam alia que proposito interieci“. Sie zerfällt in drei Partes, von den beiden ersten jeder in 40 Capitel, der letzte in 13. Das erste Capitel des ersten Theiles beginnt auf Bltt 18": „Omnis res mensurabilis exceptis numeris »Ymaginatur ad modum quantitatis continue“. Der Schluss des Ganzen findet sich auf Bitt 40" und lautet: „multa quidem alia possent ex predictis inferri sed hec 2* 12 „tanquam quedam elicita sufficiunt gratia exercitii et exempli et de unifor- „mitate et difformitate dictum sit tantum et sic est finis huius tractatus“, dann folgt das Explicit: „Explicit tractatus magistrinicolay Oresme de vniformitate et dif- „formitate intension um. Deo gratias“. Die Handschrift stammt aus dem XV. Jahrhundert. 2. Manuscript derselben Bibliothek „Fonds latin n" 14580“ früher „Fonds St. Vic- „tor n° 100“ Bltt 37*. Sp. 1–Bltt 60". Sp. 2. Dasselbe beginnt ohne Titel: „Cum yma- „ginacionem veterum vel meam de uniformitate et difformitate intension um or- „dinare incepissem occurrerunt michi quedam alia que huic proposito interieci“. und schliesst: „ multa quidem alia possent ex dictis inferri Sed hec tanquam eli- „cita sufficiunt gracia exercitii. Deo gracias“ dann die Subscriptio: „ Explicit trac- „tatus de configuracionibus qualitatum.... dictarum magistri Nycolai Orem“. Der- selbe Name des Tractates findet sich auf Bltt 3" in folgender Weise angegeben: „Tractatus „a magistro Nicholao Oresme de configuratione qualitatum cuius sunt tres par- „tes principales. Prima 37. Secunda 46. Tertia 58“. s: Das Manuscript ist spätestens in den ersten Jahren des XV. Jahrhunderts ausgeführt, denn auf Bltt 222", Sp. 2 endigt es mit einem schriftlichen Verkaufsact aus den ersten Jahren des XV. Jahrh., dessen Gegenstand das Manuscript selbst ist, in lateinischer Sprache. Eine franzö- sische Uebersetzung, die man mir mitgetheilt, lautet: „Les éxecuteurs de défunt Germanus „de Rungiaco, possesseur du manuscrit, reconnaissent l'avoir vendu, par les mains de Jean „Lamasse, écolier de St. Victor, aux religieux du dit couvent de St. Victor, moyennant le prix „de 44 Sols qu'ils reconnaissent aussi avoir reçu, le 4 aoüt 1417“. 3. Nämliche Bibliothek Manuscript „Fonds latin N°. 7371“ Bltt 214“ –266*. Der Tractat hat in diesem Manuscripte den Titel: „De latitudinibus formarum ab Oresme. „Assit ad inceptum Sancta Maria meum“ und beginnt mit den Worten: „Cum ymagi- „nationem veterum de difformitate et uniformitate intentionum ordinare cepissem „occurerunt mihi quedam alia“ und schliesst: „et hoc de uniformitate et difformi- „tate dictum sit tantum et sic est finis huius tractatus. Deo laus. Amen“. Dann folgt die Subscriptio, die mit schwarzen Linien eingeschlossen ist: „ Explicit tractatus mgri „Nicholay Oresme de uniformitate et difformitate intension um. deo gratias. .amen. amen. qui plus wlt scribere scribat“. Auf Bltt 62" und 63“ findet sich in – dem Manuscripte ein Inhaltsverzeichniss, in welchem unsere Abhandlung folgendermassen be- zeichnet ist: „Tractatus editus a mgro Nicolao Oresme de latitudinibus forma- rum cuius sunt tres partes principales prima quadraginta capitulorum de con- „figuratione et potentia uniformitatis et difformitatis. 215. Secunda de figura- „cione et potentia successiuorum continens quadraginta tria capitula.folio 236. „Tercia tre decim capitulorum de aquisicione et mensura qualitatis et Velocitatis. „259“. Das Manuscript ist, wie schon früher gesagt wurde, aus dem XV. Jahrhundert. 4. Manuscript der Biblioteca Magliabechiana in Florenz „Conventi Sopressi I. IX. „26“ Bltt. 14“ – 36“. Die Handschrift beginnt: „Cum ymaginationem meam de unifor- „mitate et difformitate intension um ordinare cepissem occurrerunt quedam „alia que huic proposito interiecti (sic) etc“. ut patebit in tractatu“ und schliesst: „multa possent alia inferri sed ista gratia exempli sufficiant. Explicit“. Die Handschrift ist aus dem XVI. Jahrhundert, reicht also bis in die Nähe der Zeit Descar- tes hinan. Sie enthält den Namen des Verfassers nicht. Ueber den Inhalt kann ich Näheres nicht angeben, doch stimmt die kurze Inhaltsangabe der Handschrift „Fonds latin No. 7371. mit 13 dem Inhalte der Abhandlung, de latitudinibus formarum “, so dass diese letztere wohl als ein Auszug oder eine Bearbeitung der grössern Abhandlung zu betrachtenist. Damit wirde auch das in den Ausgaben sich iberall findende, secundum doctrinam magistri Nicolai ..Horen" nicht im Wiederspruche stehen. Meunier sagt von den unter No. I., III. und W. auſgeführten Abhandlungen des Oresme ,, Traités contre l'astrologie “.. Wer die von uns gegebne summarische Uebersicht des In- haltes vor Augen hat, wird mit uns nicht wissen, wie derselbe zu solcher Behauptung ge- kommen sein kann. Da ich die Abhandlung, die unter No. V. aufgeführt ist, nicht in Ab- schrift einsehen konnte, wendete ich mich an Herrn Filippo Ricci, Beamten der Maglia- bechiana, mit der Bitte, mir anzugeben, ob die Abhandlung de vniformitate et diffor- mitate intensionum etwa doch astrologischen Inhaltes wāre. Darauf erhielt ich auch von diesem die Bestätigung, dass questo scritto riguarda cose di geometria e non d'astrologia. TVI. Traité de la Sphère- Gedruckt. 1. Paris, ohne Jahr, durch Simon Dubois am Anfang des XVI. Jahrhunderts. Ein Exemplar der Ausgabe besitzt die Bibliothè- que Mazarine in Paris unter der No. 15785. – 2. Paris, 1508, gedruckt durch Simon Dubois. Ein Exemplar besitzt die Bibliothèque St-Geneviève in Paris mit der Signatur V. in 4°. 212°. Ich entnehme diese Notizen dem Werke Meuniers, da ich iber diese Ausgaben sonstige Nachrichten nicht besitze. - Manuscripte gibt es mehrere, doch scheint nur eines davon in französischer Sprache ab- gefasst zu sein, nämlich: - - 1. Manuscript der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris , Fonds Français No. 565° früher , Ancien fonds français No. 7065* Bltt. 1" – 22". Nähere Nachrichten über das Manu- script fehlen mir. In den Catalogi librorum manuscriptorum Angliae et Hiberniae in unum . collecti. Oxoniae 1697 in Fol. findet man drei Handschriften erwähnt. Von ihnen ist es un- - entschieden, ob sie französisch abgefasst sind, Oder ob sie eine lateinische Uebersetzung ent-- halten. Diese drei Handschriften sind: 2. A. a. O. T. L., P. 1.: ,, Codices MSS. Joannis Seldeni: (Pag. 166.) No. 3467. , 10 . . . Nicholao de Oresme de Motibus Sphaerarum. p. 180°. 3. A. a. O., T. L., P. I.: ...Cat. MSS. D. Henrici Savilii qui servantur in Biblio- º ...theca Saviliana (p. 300) No. 6562. 16. Nic. Orem tractatus breuis de motibus sphaerarum.“ 4. A. a. O., T. II., P. 1.: ,, Cat. MSS. Joan. Ayres; (p. 222). No. 7135. 4. Nicolaus ., Oresme de motibus sphaerarum. Partim Charta, partim Pergam. Scriptus liber (ni fallor) ...temp. VII. 49*. - - Meunier gibt auch noch als den Traité de la sphère enthaltend die Handschrift der Pa- * riser Bibliothek , Ancien fonds français No. 7487“ an. (Jetzt Fonds français No. ,,1357.*) Erfügt hinzu: , le dernier ne contient que des extraits de l'ouvrage, faits sous Charles ..VIII. par un certain Symon de Phares". In Bezug auf dieses Manuscript ist mir von Herrn Eugène Janin Folgendes mitgetheilt worden. - -- ... Je m'empresse de vous faire par avance cette recommandation de ne pas vous fier du ... tous aux déscriptions de M. Meunier en ce qui concerne ces deux mss. – Je me parle pas ., au point de Vue des appréciations philosophiques, mais au point de Vue paléographique.” , Le numéro Ancien fonds français 7487 ne doit étre mavrais", medites-vous ..,dans votre lettre, en me citant le passage de la page 58 du livre de M. Meunier. Un peu 14 ..plus loin dans votre même lettre vous me dites, en me citant le passage de la page 48 du smēme ouvrage de M. Meunier, que ce passage n'est pas d’accord avec la déscription que je ºvous ai donné et vous avez bien raison de me le dire. Il est évident pour moi que M. Meunier ºn'a parlé de ces deux mss. Que d'après des notes mal prises aux quelles je m'étonne qu'il ait ::pu comprendre quelque chose, surtout pour le ms. 7487. , Voici le passage de la page 58 de M. Meunier: 2°. Traité de la Sphère. Bibl. imp. sanc. f. français, ms. No. 7065 et ms. 7487. Ce dernier ne contient que des extraits de l'ou- º, wrage, faits sous Charles VIII. par un certain Symon de Phares “. ...Dabord ce chiffre'' 2", se refere au" 19, de la section “ II. ,(page 48) intitulée: ,, ou- ºvrages rédigés en français qui subsistent encore aujourd’hui et dont l’authenti- º, cité ne saurait etre révoquée endoute“. Il faudrait conclure de la (suivant M. Meunier) is que le ms. 7487 est un traité de la sphère authentiouement composé en français par Oresme *(avant 1382) avec des extraits de l'ouvrage faits (ou fait?) sous Charles VIII. par le certain “Simon de Phares (avant 1496) — et comme on ne peut supposer un tel anachronisme, qu'a *Woulu dire l'auteur? Si vous étes encore à temps, d’ajouter quelque chose au sujet de ce ms. ºdans votre écrit, se serait justice que de dire dans une note, que M. Meunier aurait mieux sfait de ne pas parler du manuscrit 7487, qui, au lieu d'être sun manuscrit redigé en sfrançais par Oresme etc., n'est pas autre chose que le seraanuscrit original“ de 5, l'astrologue de Charles VIII., Symon de Phares, intitulé , Recueil des plus célèbres ..astrologues et quelques hommes doctes". C'est une série de contes et curieuses bio- ºgraphies dont la dernière est datée de 1495; et le roarluscrit 74-87 rie corn- sº tiernt rien de plus- – Voici pour ce point de Votre lettre, sur le quel jose espérer ºque vous me douterez plus, quoique je sois bien loin de compte avec M. Meunier. “ Der Rest bezieht sich auf das Manuscript eines andern Werkes des Oresme, tiber wel- ches Meunier ebenso falsche und irreführende Mittheilungen gibt. Ich werde denselben an #der betreſſenden Stelle mittheilen. - - Nach Meunier ist der , traité de la sphère", kein originales Werk, es gibt keine neuen Thatsachen, sondern sammelt nur in französischer Sprache das, was das Alterthum und das Mittelalter iber das Weltsystem gefunden hatten, oder gefunden zu haben glaubten. Sein End- ºurtheil ist folgendes: , Son ouvrage, le premier qui ait 6té Écrit en français sur la sphère, est sun manuel remarquable pour le temps ou il parut. Le plan en est bon et le style clair et º précis. C'est d’Oresme que datent les principaux termes d'astronomie, de cosmographie et º, de géographie employés aujourd’hui pour l’exposition de ces sciences “.. — Darin haben wir schon oben eines der grüssten Verdienste Oresme's um seine Sprache anerkannt. - Die 50 Capitel, in welche das Werk zerfällt, handeln: , de la figure du monde et de ºces parties principales, de la nature du ciel, des parties du ciel, de la figure º, des esperes du ciel, de l'essel et des poles du monde et de l'equinocial, du º, mouvement des planetes, du zodiaque et de ces poles, de la division du zodiaque *dont vint ceste division, de la latitude du zodiaque, come signe peust estre º, en trois manieres, des deux colures, du meridian, de l’orizon, des deux manie- ºres d’orizon, de l’elevacion du pole, des quatre moin dre cercles, des arcs du jour et de la nuit, du levement ou rescon sement des signes en l’orizon droit, º, du levement et resconsement des signes en l’orizon ou l'espere oblique, de deux º, autres manieres du levement des signes, de l’ex centrique du Solail, de la plus 15 „grant moitié de l'an, de l'inequalité des jours naturels, d'une autre inequalité „des jours naturels, de la mesure de la terre, de la variacion qui est pour diver- „ses habitations, de la division de la terre en cinq parties, de la tierce plage „en especial, de la quarte plage en especial, de la division de labitacion de „la terre selon aucuns, de la division de la terre habitable selon les „astrologes, de la longitude des climatz, de la latitude de climatz, de „la quantité du plus long jour en ceste climat, de l'elevacion du pole „en chas c un climat, de la quantité de terre habitable, des habitacions qui sont „dehors les climatz, d'une merveilleuse consideracion ou circuite de la terre, „des causes pourquoij un lieu est habitable ou non, des extremités de la terre „habitable, de la difference des parties habitables selon leur latitude, de la „difference des parties bien habitable selon leur longitude, du croissement ,,et appetissement de la lune (declaracion plus plaine des choses dessus dictes), „des causes des eclipses en general, declipse de Solail en especial, d'eclipse de „la lune en especial, des coleurs la lune en temps d'eclipse et de l'eclipse „ des estoiles“ Man wird schon hierin ºn Theil des Gesagten bestätigt finden. TV7TT- TUTtrurma res futun 9er astrologiana. Possint praesciri- Noch nicht gedruckt; nur in einer Handsc. bekannt, nämlich in dem Manuscripte der Kai- serlichen Bibliothek „Fonds Latin No. 15126“ früher „Fonds St. Victor No. 439“ Bltt. 1“ – 39“. Sie beginnt: ,,Utrum res future per astrologiam possint presciri argui- „tur quod sic per Aristolelem C. A". primo politice“. Es folgen 55 Paragraphe oder gestellte Fragen, dann die Bemerkung: „Sed ut magis patet Veritas recitan da „sunt aliqua fundamenta et principia astrologie“ (Bltt. 13"). Diese Darlegung um- fasst Bltt. 13" – 19“. Hier findet sich die Rubrica: „Tunc arguitur reprobando acto- „res astrologie“. Es folgen 18 Unterabtheilungen bis Bltt. 21" darauf eine Erklärung „ut „autem appareat quantum veritatis habeat questio predicta et Solutio ratio- „num“ bis Bltt. 24". Von hier an folgen 10 gezählte Conclusiones bis Bltt. 28". Dann 24 ge- „questio contra diuinatores facta anno 1370 quam non feci causa alicuius „inuidie nec causa apparencie sed ut se corrigant et advertant quos detinuit zählte Wiederlegungen bis Bltt. 39". Hier liesst man folgenden Schluss: „et sic finitur „ error de un is quia sepe in astrologis Studui et codices earum reuovi et cu er „actoribus contuliet ad experiendum musavi sed ultra quam posuerim verita“ „tem non inueni igitur vigilate“. - Unmittelbar an die vorhergehende Schrift schliesst sich in demselben Codex Bltt. 39“ – 80° die folgende Schrift des Oresme an: TVTTT- TER.ationes et cause pluriuna. raairabiliuraa in natura- Sie beginnt mit den Worten: „Ut autem aliqualiter pacificentur alii homini (sic!) „quamvis sit extra propositum aliquorum que mirabilia videntur causa S pro- „posui hic declarare,“ ist in eine Anzahl von Capitel getheilt, die sich über Optik, Aku- stik und alle anderen geistigen Fähigkeiten verbreiten. Sie schliesst auf Bltt 80“: „Sed de hoc ,,et etiam de predictis quasi recapitulando et notabilia questionibus appli- „can do magis succincte inferius tangentur probleumata partitus ponendo et soluendo“. Darin ist die Schrift angedeutet, welche der jetzigen im nämlichen Manuscripte unmittelbar folgt (Bltt 80“ –93"), nämlich: 16 T>K- EPlura, quodlibeta et diverse questiones- Dieselbe beginnt ohne Titel: „Supradicta capitula satis sufficiunt intelligentiad ostendendum quod „propter diuersitatem affectuum et mirabilitatem non oportet tanquam ad cau- „sam recurrere ad celum et ad influentiam ignotam“; nach einigen Zeilen sagt er dann weiter: „ Per medium tamen cuiusdam tabule quasi recapitulando questiones quas- „dam breves prius tactas et ut aequa minus sufficitus ostensa declaren- „tur et addantur aequa et etiam aequa subtrahantur predicta tamen sup°° „brevit er subiungere prop0sui ut clare pateat“. Nun enthalten die folgenden Seiten von Bltt 80" an den Text von 44 gestellten Fragen. Die erste derselben ist: „ Utrum „Aristoteles et alii philosophi notabiles posuerunt demones concurrere ad ef- „fectus inferiorum et quod maniaci dicant futura vel preterita per demones“. Dieselben erstrecken sich bis Bltt 82“. Bltt 82" –93" enthalten eine grosse Zahl weiterer Fragen „circa visum“ (Bltt 82"); „circa auditum“ (Bltt 83*); „circa olfactum...“ „circa gustum circa tactum“ (Bltt 83"); „circa digestiuam, circa nutritiuam (Bltt „84“); circa generatiuam virtutem et plasma“ uam“ (Bltt 84"); „circa operationes „anime seu etiam animam“ (Bltt 85"); „ circa lmunia“ (Bltt 89*) u. d. gl. mehr... Die- Ser Theil scheint nicht vollendet; er schliesst m enden Worten auf Bltt 93": ,,consimi- „liter potest queri de aliis generalibus. 1 licet quomodo frigus naturale et „fluens siue aquisitum et ita de humiditate et siccitate. Et ita de compositione „radicali et fluente“. Hinter dieser Abhandlung sind fast ein und ein halbes Blatt weiss, dann aber folgt eine weitere Schrift des Oresme, nämlich: 2K - Solutiones predictoruna. Probleurma.aturma.- Diese Auflösung um- fasst Bltt 95“–156" ist aber nicht vollständig erhalten. Sie bricht mitten in der Auf- lösung der Questio 44 ab. Die Abhandlung beginnt mit den Worten: „Supradicta pro- „blemata non Solum posita sunt ut superius dixi quod radicitus et in probabili- „ter soluantur de quolibet enim posset fieri longa questio et prolixus tractatus „sed ut in eis studentes et pro modic 0 admirantes percipiant et inquirant effe- 1 „ctuum causas naturales et ideo per modum tabule ipsa sine responsionibus po- M., Sui ut brevius Videantur“. Ul Die dann folgenden Antworten brechen, wie schon gesagt, mitten in der Antwort zu Fra- „uße 44 ab mit den Worten: „Et de agricolis dico quod quandoque minis princip um „p uel precibus talia faciunt“. „d Das ganze Manuscript, in welchem obige 4 Abhandlungen enthalten sind, ist im Anfange SC des XV. oder vielleicht auch noch am Ende des XIV. Jahrhunderts geschrieben. Dass die Werke von Oresme sind, ergibt sich aus dem Inhaltsverzeichniss, das von einer gleichzeiti- gen Hand sich auf Bltt 160° befindet (Bltt 157–159 sind herausgerissen). Dieses Inhaltsver- zeichniss lautet nämlich: „Que secuntur hic haben.tur scilicet. Questio determinata „a magistro Nicholao Oresme utrum res future per astrologiam possint presciri „1. Ab eodem rationes et cause plurium mirabiliüm in natura. 39. Plura quodli- „beta et diverse questiones ab eodem. 80. Soluciones ab eo dem predictorum pro- „bleumatum. 95. A. Impregnationis. B. talia faciunt. C. 156 et usque 162“. Auch „Launoy citiert die drei ersten Arbeiten (VII., VIII., IX.) als von Oresme herrührend. 2KT- Tractatus contra astronoraaos judiciarios- Ungedruckt, nur in einem Manuscripte bekannt, nämlich: 17 - - - - Manuscript der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris, Fonds latin N. 14580“ früher „Fonds „ St. Victor Nº. 100“ Bltt 100", Sp. 2.–104"; Sp. 1. Dasselbe beginnt: „Multi principes ,, et magnates noxia curiositate solliciti vanis nituntur artibus occulta per- „quirere et investigatione futura ad cuius erroris inpugnacionem ordinaui „tractatum qui sequitur“; und schliesst: „Semper mitenti quoniam infallabilis -, Veritas dicit Rex insipiens per dit populum suum et principatus S Sati stabi- „lis erit et sic est finis“. Dann folgt das Explicit: „Explicit tractatus quem edidit „Vir altissime Speculationis Magister Nicolaus orem contra astrolog0 S iudicia- „rios qui se prophetas volunt appellari“. Auf Bltt 3" des Manuscriptes findet sich, wie schon bei früherer Gelegenheit angegeben ist, eine Inhaltsanzeige des ganzen Codex; in dieser heisst es: „Tractatus ab Oresme contra astronomos Judiciarios. . . 100“. Derselbe Tractat hat sich auch in der Handschrift der nämlichen Bibliothek mit der Si- gnatur „Fonds latin No. 14579“ früher „Fonds St. Victor 111“ befunden, denn in der auf Bltt 5 enthaltenen Inhaltsangabe der Handschrift liest man: „Eius dem Ores me contra - ,,iudiciarios astronomos et principes in talibus se occupantes et intitulatur „de divinationibus. 50“; damit sollte angedeutet werden, dass auf Bltt 50 des Manuscripts der fragliche Tractat begönne. Die Blätter 48–59 sind aber aus der Handschrift ausgerissen, so dass die Arbeit selbst fehlt. Von dem Tractatus contra iudiciarios astronomos hat Oresme auch eine französische Bearbeitung, nicht Uebersetzung, geliefert. Nämlich: > *Man sehe Ratjen, Zur Geschichte der Kieler Universitätsbibliothek. (Programm der * ºversität, 1s53. VI. 2) s. 70. z. 36–30 "hºrn, den 27 August 1870. - M. Curtze, Druck von J. Buszczyński in Thorn. EINIGE MATERIALIEN ZUR GESCHICHTE DER MATHEMATISCHEN FACULTÄT DER ALTEN UNIVERSITÄT BOLOGNA. Vorträge, gehalten vor der Accademia delle Scienze dell' Istituto di Bologna am 9. u. 23. Mai sowie 12. December 1844 und 7. Mai 1846 VOIl Commendatore Professor Dr. SILvEsTRo GHERARD, Präsident des Technischen Instituts zu Florenz. Unter Mitwirkung des Verfassers in's Deutsche übersetzt VOI WTAXINTELIAMF GUBTZE, Ordentlichem Lehrer am Gymnasium zu Thorn, Ritter des Ordens der Italiänischen Krone, - Zweite vermehrte Auflage des italiänischen Originals. -> O-S- Berlin, 1871. S. CALVAR Y & CO M P. Specialgeschäft für Philologie und Naturwissenschaft. Oberwasserstrasse 11. - - - EIN PAAR EINLEITENDE woRTE DES DEUTSCHEN HERAUSGEBERS. Das Original der vorliegenden Uebersetzung ist zuerst er- schienen in den Annali delle Scienze Naturali di Bologna (Serie 2a, tom. 59, p. 241–368). Unter dem Titel: Di alcuni materiali per la Storia della Facoltà Matematica nell' antica Università di Bologna composti nella opportunità di stendere delle notizie sul Padre Bon Ave NTURA CA- vALIERI. Discorso letto all' Academia delle Scienze dell'Istituto di Bologna nelle sessioni dei 9 e 23 maggio 1844 del dottore SILVESTRO GHERARDI, Membro pensio- nario della stessa Academia, Prof. di Fisica nella P. Università, già Prof. di Mecanica e Idraulica nella me - desima. Bologna 1846. Tipi Sassi nelle Spaderie, wurde von dieser wichtigen Abhandlung eine Separatausgabe in nur sehr wenigen Exemplaren veranstaltet, die bald so selten wurden, dass sie noch nicht 20 Jahre nach ihrem Erscheinen mit dem zehn- bis fünfzehnfachen Preise bezahlt wurden. Hierin und in der Schwierigkeit, sich ausserhalb Italiens dort erschienene Werke zu verschaffen, liegt auch jedenfalls der Grund, dass es in Frankreich und Deutschland ganz unbeachtet geblieben ist Weder Victo- RIEN SARDoU in seinem Artikel CARDAN in der Nouvelle Biographie universelle”), noch TERQUEM in den Annales de mathématiques”), noch M. CANTo R in der Zeitschrift für Mathematik und Physikº) haben seine Resultate fir die Ge- schichte der Erfindung der Auflösung cubischer Gleichungen be- nutzt, sondern geben simmtlich nur die absichtlich gefälschten 1) T. 8, Paris 1854. p. 686 etc. 2) Année 1856, cahier du Nov. et Déc. 3) Jahrgang 2, Leipzig 1857. S. 353 ff.: Petrus Ramus, Michael Stifel, Hieronymus Cardamus, drei Chara kterbilder. Gherardi, Materialien. – 2 – Nachrichten CARDANS und TARTAGLIAS wieder. Noch im Jahre 1868 konnte HIPLER in seiner kleinen Broschüre iber CoPERNICUS ) iber den Lehrer dieses beriihmten Astronomen, DoMENICO MARIA NovARA DA FERRARA, schon lângst von GHERARDI wiederlegte Notizen bringen. Die Seltenheit des Werkes und seine hervorragende Wichtigkeit für die Geschichte der Mathematik liessen uns um so lieber der Aufforderung des Herrn Verfassers nachkommen, ihm bei Veranstaltung einer schon mehrfach erbetenenº) zweiten Ausgabe behilflich zu sein, die er in deutscher Sprache veranlasst wünschte, als Herr Prof. GRUNERT sich freundlichst erbot, eine Uebersetzung in sein Archiv aufzu- nehmen, und auch die Verlagshandlung dieser geschätzten Zeit- schrift die Erlaubniss gab, von den betreffenden Bogen eine ge- wisse, jedoch ziemlich beschränkte Zahl Separatabdrückezumachen. Wir ibernahmen daher mit grossem Vergnügen die Herstellung der Uebersetzung, um so vielleicht ein Bekannterwerden der wich- tigen Untersuchungen zu ermöglichen, die das Werkchen enthält. 1) Nikolaus Kopernikus und Martin Luther. Braunsberg, 1868. Auch in anderm Puncten ist diese, sonst höchst anregend geschriebene Broschire mit grosser Vorsicht aufzunehmen. 2) Man sehe z B. die Rendiconti del Reale Istituto Lombardo di Scienze e Lettere, Classe di Scienze Matematiche e Naturali, Fascicolo di novembre 1866, wo Prof. Codazza diesen Wunsch ausspricht. Ueber den Werth des Gherardischen Werkes kann man ausserdem vergleichen: Brunet, Manuel du Libraire et de l'amateur de Livres, T. V, p. 661–662 der letzten Ausgabe unter Tartaglia und die Introduction des Catalogue of the mathematical, historical e ct. p ortion of the celebrated library of M. G. Libri, Part. I, A–L, p. XIII-XV. EINILEITUNG. Die Liebe für die biographischen Studien, die in mir bei Gelegenheit des Berichtes erregt wurde, den ich iber die Hand- schriften und Werke des beriihmten GALVANI zu geben hatte, war der Grund, dass ich, obgleich meine Bemühungen in Bezug auf diesen noch nicht beendigt Warenº), eine andere glinzende Zierde dieses Archigymnasiums zum Vorwurf ihnlicher Unter- suchungen machte. Der Mann, den GALILEI – benvunderns- uoi diges Genie – und – zueiter Archimedes nannte, STEFANo DEGLI ANGELI – geometrischer Herkules –, VIVIANI – scharfsinnigster Geometer –, ToRRICELLI – Eröffner eines vahrhaft königlichen Weges durch die mathematischen Dor- men –, HoR BEs – Nebenbuhler des Archimedes und Apol- lonius, dem Andere andere ehrende und dankbare Beinamen gaben, war der Erste, der meine Gedanken fesselte, und dem später der grösste Theil der Musse gewidmet war, welche meine taglichen Berufsgeschäfte mir ibrigliessen. Ich durchsuchte Werke jeder Art, um weniger bekannte Thatsachen über ihm aufzufinden, die werth wären in das Gedächtniss der jetzt Lebenden zurückgerufen zu werden. Ich durchstóberte auch die Bücher, die Acten und die Handschriften der alten Studienanstalt, – die nicht am Sitze 1) Noch in der letzten Zeit ist es dem unermidlichen Eifer des Herrn Verfassers gelungen, werthvolle Handschriften dieses berùhmten Gelehrten auf- zufinden, woriber er in den Jahren 1868 und 1869 an die Accademia delle Scienze dell' Istituto di Bologna berichtet hat. Diese Berichte sind auch separat unter folgenden Titeln gedruckt worden: 1. Illustrazioni su tre distinti manoscritti del Celebre Galvani. Memoria del Prof. Commend. Silvestro Gherardi preceduta da un suo Ragguaglio sopra altri autografi Galvaniani pur novellamente trovati. Bologna Tipi Gamberini e Parmeggiani 1868- 25 S. 4º. – 2. Di due pre- ziosi MSS. del Galvani sulla Torpedine. Relazione del Prof. Commend. Silvestro Gherardi. Bologna. Tipi Gamberini e Parmeggiani 1869. 54 S. 4º. (Anm. d. Uebers.). l s – 4 – der modernen Universität der Nachfolgerin jener, auch nicht im Archigymnasium, dem ehrwürdigen Sitze derselben, sondern im Archive der Erhabenen Legation ) aufbewahrt werden –, um Notizen über ihn zu finden, die seinen Biographen entschlüpft wären oder dazu dienen könnten, einige, die sie iberliefert hatten, zu berichtigen. – Und da kann ich mich denn nicht enthalten, mitzutheilen, dass ich bei diesen letzten Untersuchungen so glick- lich war, unter einigen höchst interessanten Documenten einen wahren Edelstein wiederaufrufinden: Ein hochwichtiges Stück, einen Brief des grossen GALILEI, den dieser der Regierung von Bologna als Zeugniss für die Verdienste des P. CAVA- LIERI einreichte, als der Letztere sich um den Lehrstuhl bemihte, den er später inne hatte und mehr, als man sagen kann, verherrlichte; ein Zeugniss, dessen Existenz bekannt war, das aber vor mir Niemand gesehen hatteº). Ich liess auch aus dem Brief- , Il mo. Rdo. f. Bonaventura Caval- .,Der sehr Ehrwürdige Jesuater- 1) Jetzt im Archivio Notarile. (Anm. d. Uebers.) 2) Ich tauschte mich nicht, als ich dieses Document für so ausserst wichtig hielt. Man sehe dasselbe und den grossen Werth, den ilm Herr Piol a bei- legt, in dessen werthvollen Lobrede auf Cavalieri (Elogio di Bonaven- tura Cavalieri recitato inaugurandosi un monumento alla me- moria di lui all' occasione del sesto Congresso Scientifico Italiano in solenne ad un anza straordinaria dell' I. R. Istituto Lombardo di Scienze, Lettere ed Arti da Gabrio Piola Presi- dente dello stesso I. R. Istituto, e c. Con Note, Postille Mate- matiche e c. Milano Coi tipi di Giuseppe Bernardoni di Gio - vanni 1844, p. XI des Elogio und p. 12–13 ete. der Note ecc.). Ich hatte ibm dasselbe zusammen mit andern Documenten mitgetheilt, die genann- tem Archive entrommen waren, und mit den Notizen und Briefen, von demen gleich die Rede sein wird. Ich erlaube mir an dieser Stelle das obenerwahnte Capitolo di Lettera des grossen Galilei zu Gunsten des grossen Cavalieri dieser Uebersetzung in correcterer Weise und genauer dem Originale conform beizufügen, als das- selbe bis jetzt veròffentlicht ist. Dasselbe lautet, wie folgt: Capitolo di Lettera scritta dall' Eccellmo. Sign. Galileo Galilei al Sign. Cesare Marsilj. Di Firenze li 10 Marzo 1629. ,lieri Giesuato, il quale per honorarmi dice haver ricevuto da me qualche aiuto nel principio de' suoi studi Ma- ,thematici, sento che ricerca la lettura di tal facoltà in cotesta Università; e questo per poter con maggior libertà proseguire tale studio, nel quale egli bruder Bonaventura Cavalieri, der um mich zu ehren sagt, er habe am An- fange seiner mathematischen Studien von mir eimige Unterstützungerhalten, ,höre ich, halt an um die Professur ,in solcher Facultat an der dortigen , Universität; und zwarummit grösserer - - O - wechsel GALILEIs gewisse Briefe aufsuchen und copieren, suchte auch selbst Zweimal nach solchen und schrieb sie mir ab, die meinen Untersuchungen zu Statten kamenº). Endlich unterliess ich keine Untersuchung, um festzustellen, ob nicht irgend ein Ehrengedàchtniss, etwa eine Medaille, ein Porträt, oder wenigstens ein Vers auf einem Steineº) oder einer Mauer erinnerte oder an si sente haver talento e genio mirabile. , Freiheit dieses Studium fortsetzen zu ,1o se 'l giuditio mio può comprendere , können, wozu er wunderbares Talent , il vero, e l' attestation mia trovar cre- ,und Gemie zu haben fühlt. Ich, wenn dito alcuno, ingenuamente stimo, pochi, mein Verstand das Wahre erkennen ,da Archimede in quà, e forse niuno skann, und mein Zeugmiss irgend wel- ,essersi tanto internato e profondato schen Glauben findet, meine aufrichtig, ,nell' intelligenza della Geometria, sì , Wenige, seit Archimedes bis jetzt, ,come da alcune opere sue comprendo; vielleicht nicht ein Einziger seien so e per essere questa parte la più diffi- ,wie creingedrungen und haben sich ,cile, e quella sopra la quale tutte le ,so vertieſt in das Verständniss der altre mathematiche si appoggiano, non ,Geometrie, wie ich aus einigen seiner ho dubbio alcuno ch'egli nelle altre, ,Werke ersehe; und da dieser Theil , assai più facili di questa, non sia ,der schwierigste und deriemige ist, , per far passate mirabili. Ne ho vo- ,auf den alle andern mathematischen ,luto dar conto a V. S. (supponendo ,Wissenschaften sich stutzen, so habe ,che Ella sia per favorirlo) per entrare ich nicht den mindesten Zweifel, dass ,a parte nell' honore ch'io son sicuro ,er in den andern, sehr viel leichtern che Egli arrecherà a cotesta Cathedra, sals jene, im Stande sei, wunderbare qualvolta succeda che sia fatta elet- . Fortschritte zu machen. Dariber ,tione della persona sua.“ ,wollte ich Ew. H. Rechenschaft ge- ben (annehmend, dass Sie ihn unter- ,stützen wollen), um Theil nel men zu können an der Ehre, mit der Sie, wie ich sicher glaube, jenen Lehrstuhl ,bereichern werden, sobald es eintreten ,,sollte, dass die Wahl auf seine Per- ,,son fiele.“ 1) Diese Briefe sind ihrer bedeutenden Wichtigkeit halber dem grössten Theile nach vollständig oder auszugsweise von Herrn D on Gabrio Piola veröffentlicht worden. Man findet sie in den Note ecc. zerstreut, einen vor Allen wichtigen in der Postilla matematica III der vorgenannten Lobrede (p. 113 ff.). 2) Man sehe auf S. 76–77 der Anmerkungen zu dem genannten Elogio des Cavalieri die Anzeichen, die ich eines Tages iber die Existenz eines Erinnerungszeichens in Stein auf Cavalieri in der hiesigen Parochialkirche della Mascarella fand, wie dann der Stein wieder entleckt wurde und der Tenor der Inschrift desselben, endlich die Inschrift, die der ersten nach dem sogleich gefassten, aber noch immer Project gebliebenen Beschlusse hinzugefügt werden sollte, den Stein an einem schicklichen Platze wieder aufzurichten. Ich muss – 6 – irgend einem Orte dieser Stadt an den Geometer erinnert hätte, der keinem der Docenten oder Professoren nachgestanden, welche vorzugsweise den Ruhm dieses Archigymnasiums ausbreiteten, und der unvergleichlich viel höher stand, als sehr viele von denen, welche im Archigymnasium selbst mit einem Monumente aus- gezeichnet sind. Aus diesen, wenngleich zahlreichen und wichtigen Schrift- stücken und Notizen allein, die ich auf diesen verschiedenen Wegen gesammelt, hätte ich niemals ein Werk zu verfassen gedacht, wenn ich es nicht zu einem Anhang oder Ausführung einer der bessern Lebensbeschreibungen bestimmen konnte, die wir von dem grossen Jesuater besitzen, und diese so als nothwendiges Bindemittel jener Notizen und Schriftstücke benutzen, die zum grössten Theile dem Inhalte nach sehr verschieden und unter einander unverbunden waren. Das Letztere nun hatte ich die Absicht mit Musse zu thun. Ich wählte zu dem angegebenen Zwecke die gründliche und energische Lobrede auf ihn, die uns die berühmte Feder FRISIs hinterlassen!), nicht ohne das Vertrauen, dass durch hinzufügen, dass es dem hochgeehrten Dr. G. B. Bianconi, einem der Pa- trone genannter Kirche, gelang den Stein dazu finden, wo er ihn nach meinen Angaben und meinen Anstiftungen gesucht hatte. = Das Project ist später in geziemender Weise zur Ausführung gekommen, indem man einige Jahre darauf an der innern Mauer genannter Kirche den alten Denkstein auf Cavalieri mit einer daruntergesetzten sehr angemessenen Inschrift im Marmor wiederauf- richtete (Alles unter Aufsicht der Familie Bianconi, Mitpatronin dieser Kirche). - 1) Diese Lobrede auf Cavalieri war sicher die beste, die man vor Er- scheinen der obengenannten von Piola verfassten besass; sie wird ewig ihren Werth behalten sowohl dadurch, dass sie die erste des Gepriesenen würdige ist, als auch durch ihren vortrefflichen wissenschaftlichem Werth, ihre histo- rischen Episoden – obwohl man über die Unparteilichkeit einiger von ihnen Zweifel hegen kann –, ihren lebendigen und glänzenden Stil: aber sie wird, besonders in wissenschaftlicher Hinsicht, von der obengenannten Piolas be- deutend in den Schatten gestellt, die allen Wünschen Genüge leistet, ja sie noch übertrifft; die Cavalieri noch grösser hinstellt, als man bis jetzt glaubte, vielleicht noch viel grösser, als man ihn zu den Zeiten Frisis beurtheilen konnte, in denen man in der höhern algebraischen Analysis gewisse Fortschritte sowohl im Gebiete des reinen Calculs als in dem der Metaphysik entbehrte. Unter Vergleichung mit diesen wusste der neue Mailänder Cavalieri die ganze Originalität, Strenge und Ausdehnung der geometrischen Analysis des alten Cavalieri hervortreten zu lassen. Die waren Genies, wie der letztere, sind in der Tiefe des Wissens ihrem Zeitalter um ein gutes Stück voraus, und – 7 – mein Zuthun ihr Werth einigermassen erhöht werden könnte; denn anunzweideutigen Zeichen merkteich, dass – in wahrhaftunglaub- licher Weise – weder FRISI noch sonst Jemand von denen, die vorihm oder nach ihm CAvALIERI durch eine Lobrede verherr- lichten, daran gedacht hatten, die Acten dieser alten Studienanstalt zu Rathe zu ziehen, die ihn betreffen, in denen ich so Schätzbares gefunden hatte; in gleicher Weise nahm ich wahr, dass keiner von ihnen einige Briefe des obengenannten Briefwechsels gesehen oder hinreichend gewürdigt hatte, die CAVALIERI zur grössten Ehre gereichen und für ihn und seine Biographie von hôchstem Interesse sind, dass ihnen eine Leichenrede ), eine Sammlung von hier in Bologna auf den Tod CAVALIERIs herausgegebenen Gelegenheitsgedichten und eine Zahl anderer mehr oder weniger bemerkenswerther Thatsachen unbekannt geblieben waren. Im vergangenen Sommer aber liess mich der in Mailand unter Be- fòrderung und unter den Auspicien des dortigen K. K. Instituts gefasste Beschluss, zu Ehren CAVALIERIS ein Denkmal zu er- richten und eine neue Lobrede herauszugeben – zu enthüllen und vorzutragen bei der Feierlichkeit des sechsten italianischen wissenschaftlichen Congresses, den genannte Stadt am nichsten 5. September aufnehmen wird – meinen Entschluss dahin um- ändern, dem beriihmten Verfasser der Lobrede alle vorgenannten Schriftstücke und Notizen zur Disposition zu stellen. Dazu auf- gefordert von Seiten dieses Schriftstellers selbst, bevor ich noch ihm meinen Vorsatz mitgetheilt, unterstützte ich von da an, so viel in meiner Macht stand, den neuen Beschluss und die ge- wünschten Bemihungen durch Beantwortung aller Fragen dessel- es bedarf ganzer Jahrhunderte des Fortschrittes im Wissen selbst, um die volle Grösse ihrer Kraft genau zu messen. Aber hier bedurfte es auch des ganzen Wissens und des ganzen Eifers eines Piola, um das jetzt für Cavalieri zu thun. Jetzt kann man endlich sagen, dass dieser gewürdigt ist, und dass seine vollständige Würdigung in der Lobrede Piolas sich findet, diesem Denkmal, werthvoller als das, an sich hôchst löbliche, der Marmorstatue, die diesem grossen Manne errichtet wurde. 1) Ein nicht unwichtiger Beitrag zum Verständniss dieser Leichenrede findet sich im neuesten (Juli) Hefte des Bullettino di Bibliografia e di Storia delle Scienze Matematiche e Fisiche pubblicato da B. Boncompagni. T. II". Roma 1869, p. 299 – 312 (Notizia Scono- sciuta relativa a Bonaventura Cavalieri. Nota dell' Ingre. Fer- dinando Jacoli Professore nella Regia Scuola Allievi Macchi- misti di Marina (Genova)). (Anm. d. Uebers.). – 8 – ben, die ich mit Hilfe meiner Documente aufklären konnte, durch Nachrichten über Einzelnes, für ihn völlig Neues, was ich zufällig in den Antworten berührt hatte, endlich dadurch, dass ich einige meiner Notizen in einem Artikel zusammenstellte, der im No- vember – December-Hefte 1843 dieser Annali delle Scienze Naturali erschien, und in welchem ich zum Theil für CAVA- LIERI die Erfindung der sogenannten Dietzschen Wasserpumpe in Anspruch nehme. Von diesem Artikel war die Figurentafel schon gedruckt, bevor der mit so grossem Beifall aufgenommene Beschluss des K. K. Lombardischen Instituts zu meiner Kenntniss gelangt war *). Alle diese von mir mitgetheilten Schriftstücke und Notizen und die noch mitzutheilenden wurden von mir ein- fach als Anmerkungen zu verschiedenen Puncten der Schriften, des Lebens und der Arbeiten CAVALIERIs abgefasst, auf die sie sich bezogen. Aber indem ich so arbeitete musste ich, wieviel ich mich auch vorsah, von derselben nicht abgezogen zu werden, doch der Nothwendigkeit nachgeben, einige allgemeinere Notizen hineinzubringen, nämlich Notizen über die mathematische Facultät in der alten Bologneser Studienanstalt. Ein sehr umfassender Vorwurf und schwer zu behandeln! Denn die andern Universitäten 1) Ich bemerke dies, weil ich, wenn vorgenannte Tafel und alles Andre nicht schon vollständig zum Drucke des Artikels vorbereitet gewesen, als ge- nannter Beschluss mir bekannt wurde, auch diesen Artikel zur freien Disposition des trefflichen Verfassers des Elogio gestellt haben würde, wie ich es durch Briefe und mündlich – denn ich war zu diesem Zwecke nach Mailand gereist – mit allen meinen Studien über Cavalieri gethan habe. Bei unsrer beider- seitigen Beschäftigung mit demselben Gegenstande kamen wir meistens auf die- selben Gesichtspuncte, auf dieselben Urtheile, auf dieselben Schlüsse – wohl- verstanden, soweit dies mich betrifft, nur in Betreff der Sachen, die mein schwacher Verstand erfassen konnte –; und daher hatten wir sowohl in unsrer litterarischen Correspondenz als im Gespräche häufig Gelegenheit, uns gegenseitig gefällig zu sein. Gerade in Bezug auf jenen speciellen Gegenstand aber, den wir, ohne einer vom andern zu wissen, vornahmen und zunächst behandelten, konnten wir nicht mehr zu voller Uebereinstimmung gelangen. Und hier fühle ich mich verpflichtet dem berühmten italiänischen Mathematiker für die Art von Vorzug meinen Dank abzustatten, die er meinem vorgenannten Artikel in der betreffenden Stelle seiner Lobrede auf Cavalieri (Note ccc. p. 29–30) zu geben die Güte hatte, wo er bei Berührung des betreffenden Gegenstandes den Leser auf jenen Artikel in für mich sehr schmeichelhaften Ausdrücken ver- weist, statt seine eigene Arbeit über den vorliegenden Gegenstand abdrucken zu lassen. Ich zweifle aber sehr, ob dieser Wechsel für den Leser von Vortheil gewesen. – 9 – Italiens besitzen jede ihre Geschichte im Drucke mehr oder we- niger bis auf unsere Zeit fortgeführt, aber die berühmteste, die von Bologna, besitzt nur die von SARTI und FAT ToRINI vom XI. –XIV. Jahrhundert!), die in Betracht des Dunkels jener Jahrhunderte sehr werthvoll ist, auch in Bezug auf die alten berühmten Rechts- und ähnlichen Studien sehr schätzenswerth, aber für die mathematischen Studien und für die noch jüngeren der hauptsächlich beobachtenden Wissenschaften nichts oder wenig nützt. Jetzt wird, wie ich hoffe, jeder einsehen, wie es mir bei der fortschreitenden Zusammenstellung der Notizen über CAVA- LIERI nöthig zu sein schien, dieselben für den geehrten Präsi- denten des K. K. Lombardischen Instituts – den Verfasser jener erwähnten neuen Lobrede – mit einem solchen Auszug von Be- merkungen über die mathematische Facultät im Archigymnasium zu begleiten, der gleichsam als ein Ueberblick über diese Fa- cultät dienen konnte, um die Stellung, die CAVALIE RI darin einnahm und das, was er darin geleistet, besser zu erkennen. Aber dieser Auszug verlangte zunächst den Entwurf einer viel umfassendern Arbeit derselben Art, aus dem man ihn ent- nehmen konnte. Nun hier ist wirklich ein solcher Entwurf, dessen Ausarbeitung ich mir angelegen sein liess, und den ich heute der Akademie vorzulegen mir erlaube, indem ich lieber den sehr kleinen Theil vorführe, den ich zu einem gewissen Abschluss bringen konnte, und den ich in der Folge und in mehreren Ab- sätzen – wie es der Umfang der Arbeit fordert, welche einem gewaltig unter den Händen wächst – mir vollständig auszuführen vornehme. Ich habe die Zuversicht, dass man nicht blos wegen meiner geringen Fähigkeiten und der vielfachen von diesen Studien ablenkenden Beschäftigungen, sondern auch wegen der Schwierigkeit des Gegenstandes und anderer Schwierigkeiten ähn- licher Arbeiten die Unvollkommenheiten des Versuches verzeihen wird, den ich hierüber vorlege; einige von ihnen sehe ich schon jetzt und werde sie in gelegener Zeit zu verbessern versuchen können, wenn die Akademie einen gewissen Werth darauf legen zu dürfen glaubt. Bei der Ausarbeitung des genannten Entwurfs einer Ge- schichte und des vorliegenden Abrisses habe ich zunächst dem Gegenstande gedient, welcher den Anlass dazu lieferte. Ich habe mich deshalb grösstentheils auf diejenigen Thatsachen beschränkt, 1) De claris Archigymnasii Bononiensis Professoribus etc. – 10 – aus denen man leicht nützliche Vergleiche mit CAVALIERI, Auf- klärungen und Ergebnisse in Bezug auf Fragen ziehen konnte, die ihn betrafen. Jemehr ich jedoch in meinen Bemühungen vor- schritt, um so mehr entwickelten sich die Zielpuncte und dehnten sich auf alle Specialitäten des allgemeinen Gegenstandes aus; ich habe daher Puncte jeder Art berührt und auch wohl ausführ- lich besprochen, die für die Geschichte genannter Facultät und auch für die der Wissenschaft selbst von Interesse waren, was, wie ich hoffe, auch aus dieser ersten Schrift ersehen werden kann. Hierdurch wird, wenn derselben noch drei oder vier ähnliche Schriften hinzugefügt werden, wenn auch nicht die vollständige Geschichte, doch eine hinlänglich breite Vorarbeit zur Geschichte des Mathematischen Unterrichts an der Universität dieser erlauchten Stadt geliefert sein. Solange aber diese Vorarbeit noch nicht beendigt und der Akademie mitgetheilt ist, werde ich die ein- zelnen Theile derselben, wie ich es mit diesem ersten gemacht habe, als Materialien zur Geschichte der Mathematischen Facultät der alten Universität Bologna betiteln. Diese Benennung ist gut, wenn sie nicht überflüssig ist; und überflüssig scheint sie mir nicht, und würde sie mir selbst dann nicht schei- nen, wenn auch der Vorsatz, diese Vorarbeit zu vollenden, nicht zur Ausführung käme; in diesem Falle – der, so viel an mir liegt, nicht eintreten soll – würde diese Schrift oder die einzelnen mitgetheilten Schriften immer noch gesammelte Materialien für diese Geschichte darstellen und hätten folglich einen gewissen Nutzen für den, welcher eine solche zu schreiben sich anschickte. Um den Entwurf zu dieser Vorarbeit zu machen, den ich, wie ich mittheilte, schon zusammengestellt habe, genügte es die glän- zendsten Thatsachen genannter Facultät zu benutzen, die gerade ihres Glanzes wegen den Geschichtsschreibern der mathematischen Wissenschaften nicht entgehen konnten, ebenso wenig den so zahl- reichen Schriftstellern über unsre Litteratur, und noch weniger denen, welche uns Abhandlungen über die Docenten dieser alten Studienanstalt hinterliessen; Thatsachen, die überdies zum grössten Theile Unsterblichkeit erlangt haben, wegen der Unvergänglichkeit der Schriften jener Docenten, die ihre Förderer oder Haupturheber waren. Um aber aus dem Entwurfe die Arbeit selbst herzustellen, muss man in eine Menge Specialuntersuchungen sich einlassen, ähnlich denen, die ich über CAVALIERI erwähnte. Einige der- selben, die nämlich, welche sich auf die entlegeneren Zeiten be- – 11 – ziehen, werden durch die Dunkelheit und Spärlichkeit der Erinne- rungen mühevoll, die davon noch aufbewahrt sind; andere, die nämlich, welche die näher liegenden Zeiten behandeln, werden aus zu grosser Fülle des Stoffes mühsam; alle sind nachher schwer zu vollenden, zu ordnen und in eine historische Schrift zu ver- knüpfen. Unter den vielen Untersuchungen dieser Art, die ich schon unternommen, will ich die nennen, welche den grossen CAssINI betreffen, der dem Ruhme nach, welcher der mathema- tischen Facultät der alten Universität durch die einzelnen Nach- folger CAVALIERIs geworden ist, unter diesen der erste genannt werden kann, sowohl der Zeitfolge als dem Rufe nach. Ich fing sie vor längerer Zeit an, da ich sie schon vorher bei der Samm- lung von Notizen über seinen Vorgänger gefunden hatte, und ver- folgte sie mit Eifer, da ich dabei einzelne nutzbare Ergebnisse fand, obgleich der Zweck, dass sie für die Materialien dienen könnten, die ich mitzutheilen unternommen habe, meinem Geiste noch nicht vorschwebte. Ich bin zufrieden, wenn diese Bemühungen zu dem Ziele geführt werden können, das ich bezeichnete; und wenn dann durch sie die oftgenannte Geschichte so angeregt und genügend untersucht würde, dass sie von hier aus ihre Ausarbeitung und ihren Abschluss erhielte durch jemand, der sie vollendete und erläuterte, durch jemand, begabt mit Geist, mit Kenntniss der exacten und der schönen Wissenschaften, mit Eifer, Geduld und auch mit dem Blick, der dazu nöthig ist. Indem ich einen Augenblick zu dem mich zurückwende, von wo ich meinen Ausgang nahm, nämlich zu meinen speciellen Be- mühungen über CAVALIERI, von dessen Zeit der vorliegende Abriss noch weit entfernt bleibt, will ich, ohne Furcht zu prahlen, aussprechen, dass ich, wenn ich an den Glanz denke, den sie in der Königlichen Krone erlangen werden, die ihm ein PIOLA aufsetzen wird, darin schon einen Ersatz über jeden Wunsch hin- aus erblicke*). 1) Ich bin nicht in die Nothwendigkeit versetzt, etwas zur Begründung dieser meiner Ausdrücke hinzuzufügen, die um vier Monate der Ausgabe der neuen Lobrede auf Cavalieri vorangehen, nach dem, was ich in einer der vorhergehenden Anmerkungen von dieser entscheidenden Hauptarbeit gesagt habe, die in solcher Weise von jemand geschätzt ist, dem eine andere Autorität des Urtheils beiwohnt, als mir. Gewiss hätte ich niemals verstanden, aus meinen Studien über Cavalieri das herauszuholen, was Piola zur Verherrlichung dieses Namens und der Wissenschaft daraus entnahm. Aus diesem doppelten – 12 – Hochgeehrteste Collegen, ich habe in diesem Eingang, dem ich hier ein Ende setze, offen zeigen wollen, wie ich auf die Arbeit geführt bin, welche ich Ihnen hier darbiete, weil dies zum Ver- ständniss und zur Beurtheilung dieses Werkes von Nutzen war. Aber ich kann einen andern und vielleicht mächtigern Beweggrund, den ich bei dieser Erklärung hatte, nicht verbergen, der aus dem Vertrauen entstand, dass Sie gern hören würden, wie einer der Ihrigen, wenn auch in armseliger Weise, mit thätig war, CAVA- LIERI zu ehren, diesem von der ganzen Nation ihm geschuldeten Werke, aber vorzugsweise von Mailand, der Stadt seiner Geburt, und von Bologna, der Stadt seines Amtes und seiner berühm- testen Studien! Grunde bin ich daher hocherfreut gewesen, sie ihm abgetreten zu haben, der sie überdies mehr als belohnt hat durch die Art, mit der er von ihnen in seinem Werke gesprochen, indem er sie dem reichen Apparate seiner eigenen Studien einverleibte, der so viel wesentlicher und werthvoller ist. Diesen Grün- den meiner Freude fühle ich mich aber gedrungen einen andern hinzuzufügen: das hochgeschätzte Geschenk der ergebenen und beschützenden Freundschaft Piolas! Man würde sich eine sehr ungenaue und unter gewissen Ge- sichtspuncten sogar falsche Vorstellung des Zustandes irgend einer wissenschaftlichen Facultät der alten Universitäten zu einer beliebigen Zeit und ihrer Veränderungen von einem Zeitpuncte zum andern machen, wenn man sie einzig und allein oder auch nur vorzugsweise aus der Zahl und Art der Vorlesungen entnehmen wollte, ebenso aus der Eintheilung der auf jene Facultät be- züglichen Unterrichtsgegenstände, die sich aus den Rotoli dieser Universitäten ergeben zugleich mit den Namen der Do- centen und dem Stundenplan der Vorlesungen. Wie langsam auch die Fortschritte in jedem speciellen Zweige der Wissenschaft, die in ihnen gelehrt wurde, gewesen sein mögen, wenn man anfangend von den frühesten Zeiten gegen die unsere gelangt, so waren sie doch in Wirklichkeit viel bewegter, als man im Allgemeinen aus den Rotoli folgern würde. In diesen sieht man fast dieselben Vorlesungscurse von Jahrhundert zu Jahrhundert unverändert sich erhalten und erst sehr spät durch Errichtung neuer Lehrstühle oder durch grössere Theilung des jeder Wissenschaft eigenthüm- lichen Lehrstoffes den Fortschritten Rechnung tragen, die in diesen Wissenschaften schon eingetreten waren. Und doch wäre nicht erlaubt anzunehmen, dass diese Fortschritte immer oder auch nur sehr häufig ausserhalb der Universitäten eingetreten seien, nämlich durch die Arbeit von Gelehrten, die nicht zu ihnen gehörten, oder dass die Wissenschaften in ihnen, von den ausserhalb gehegten Wissenschaften gleich ins Schlepptau genommen, diesen nur von ferne gefolgt wären. Wie wäre das möglich, wenn dieselben Männer, die man hintereinander als Lehrer an den Universitäten auftreten sieht, grösstentheils die nämlichen waren, die sich an die Spitze der Bewegungen der Wissenschaft nach einer bessern Zukunft stellten, die durch ihre Schriften und das gesprochene Wort dieser Bewegung die Richtung gaben, sie beherrschten, – 14 – überall die verehrten Hauptbegründer eben dieser Fortschritte wurden? Der Widerspruch zwischen dem, was die Wissenschaften wirklich auf den Universitäten waren, und dem, was sie, wenn man den Acten folgt, gewesen zu sein scheinen, kommt ohne Zweifel aus Folgendem: dass einerseits die Spärlichkeit des öffent- lichen Aerars, mit welchem die Archigymnasien, wenn nicht bei ihrem Entstehen, doch bei ihrem Wachsthum unterhalten wurden, noch mehr aber die gewohnte und nicht immer tadelnswerthe Neigung, wie alle alten Sachen, so auch die alten Lehrpläne zu conservieren, mit denen die Archigymnasien entstanden oder ge- gründet waren, verbunden mit der absoluten Schwierigkeit in nutzenbringender Weise bei jedem, auch bemerkenswerthen Schritte der Wissenschaft diese Pläne zu ändern, sehr behutsam mit Schaf- fung und Hinzufügung neuer Lehrstühle vorgehen liess; dass aber andererseits die aufeinanderfolgenden Professoren auf diesen ver- alteten und lange Zeit stationär gebliebenen Lehrstühlen, sei es durch den natürlichen Trieb das eigene, dem augenblicklichen Stande der Wissenschaft entsprechende Wissen mitzutheilen, sei es durch den Nutzen, den sie daraus durch die zahlreichen Schüler erhielten, oder sei es auch durch die Verträge, die bei der Amts- übertragung stipuliert waren, dazu geführt wurden, wirklich Sachen zu behandeln, die weit über die Obliegenheiten hinausgingen, die aus den Titeln des jedesmaligen Unterrichtsfaches erscheinen, die in alter Zeit entstanden und benannt waren. Sie umfassten in ihren öffentlichen Vorlesungen im Archigymnasium, vorzugsweise aber in ihren Privatcollegien in ihren eigenen Wohnungen die neuen Materien, die durch das Wachsen der vorgetragenen Wissen- schaft gefordert wurden. Wer sollte das bezweifeln auch ohne den Apparat völlig sicherer Beweismittel, die man darüber hat, vorzugsweise in Bezug auf die grosse Zahl von Universitätslehrern, denen die Wissenschaft ganze Neuschöpfungen, Fortschritte, oder wichtige Einzelnheiten verdankt? Wer könnte glauben, dass sie sich in den engen Grenzen der ihnen durch die Rotoli vorge- zeichneten Instructionen halten konnten, die vielleicht von einigen mittelmässigen Vorgängern pünctlichst innegehalten waren? Seit 1589 hatte GALILEI den ersten Lehrstuhl der Mathe- matik an der Studienanstalt zu Pisa inne – mit einem jährlichen Gehalte von 60 Scudi! – Mit dieser Stellung war die Verpflich- tung verknüpft, in zwei Jahren die Elemente des EUKLIDES, die Sphaera des SACROBosco und des THEoDos IUs und das – 15 – Quadripartitum des PToLEMAEUs zu erklären ). Wer wird nun glauben, dass er sich an die Kärglichkeit solcher Instruction gehalten hat, die ebenso in den ältesten Rotoli dieser Wissen- schaft allen Docenten ad Mathematicam vorgeschrieben war? Aber als er einige Zeit später auf dem Puncte war zu versuchen sich von jenen Hindernissen los zu machen, indem er wichtigere und tiefere Lehren der alten mathematischen Wissenschaft zurück- rief, indem er die neue Mechanik des GUIDO UBALDO einführte und wichtigere neue Erfindungen. Anderer und eigene, wer würde glauben, dass er da, nachdem er kaum ein Triennium Vorlesungen gehalten, sich genöthigt sah, die Professur an dem heimischen Athenäum aufzugeben? Und doch war er damals erfreut, wenn nicht befriedigt, denn die Widerwärtigkeiten und die Verachtung, durch die er sich geplagt und beleidigt sah, waren ihm die Staffeln, um an das freiere Athenäum zu Padua überzugehen, um nachher mit Ehre und unvergänglichem Ruhm überhäuft zu werden und damit wieder die ganze Nation zu bedecken! Was war aber dazu der Grund? Vielleicht eine von ihm und durch seine neuen Lehren an günstigerem Orte gegründete Schule? Nein, nein: er kam um MOLETO in der Professur zu ersetzen, der nach Vorschrift der patavinischen Rotoli abwechselnd jährlich den EUCLIDEs und SACROBOscO hatte tractieren müssen, oder höchstens eben jenes Quadripartitum des ProLEMAEUs. Wer mögte aus denselben Gründen, daraus, dass in dem Rotolo dieser Studienanstalt von Bologna von 1629 zum ersten Male verzeichnet steht: „Ad. R. P. Bonaventura Cavalerius Mediolanensis Ordinis „Jesuatorum S. Hieronymi – Ad Mathematicam – legat „Euclidem“, entnehmen, dass es P. BoNAVENTURA gefiel, mit dieser bescheidenen Vorlesung seine Laufbahn in dem berühmten Archigymnasium zu eröffnen – wenn gleich in einem von ihm selbst geschriebenen Briefe?) die Stelle sich findet: „mi vado „preparando . . . per principiare a leggere Euclide ecc.“ –, er, der mit so grossen Erwartungen von Allen betrachtet wurde; er, dem das Manuscript seiner berühmten Geometrie vorangegangen war, in der das Unendliche zuerst unter einer vollständig ratio- malen, systematischen Form erschien, die Wissenschaft auf ihren 1) Fabroni, Historia Academia e Pisanae, Vol. 2, p. 392. 2) Es ist dies einer der Briefe, die ich Herrn Don Gabrio Piola mit- getheilt habe. Er ist vollständig abgedruckt in dem vorerwähnten Elogio (Note ecc. p. 16–17). – 16 – kühnsten und schwierigsten Flügen, wie auf den leichtesten Wegen begleitete und sie in ihrem ganzen Umfange beherrschte; er endlich, der sich als den GALILEI der reinern Mathematik fühlen musste? Man muss sich also sehr hüten, beim Durchgehen der Reihe der vorgedachten Rotoli, den Werth der Docenten und der gehal- tenen Vorlesungen aus den Bezeichnungen zu entnehmen, unter denen sie in denselben aufgeführt sind. Darin sind die Professoren sehr häufig den zugewiesenen Lehrstühlen überlegen: und nicht immer, sogar selten, können die andern aufbewahrten Acten der alten Studienanstalten, wie etwa die oben erwähnten Vocationen jedes Professors, in nutzenbringender Weise in diesem Puncte den Rotoli zu Hilfe kommen. Aehnliches versteht sich für den, welcher die Tragweite eines Lehrgegenstandes und des Lehrenden aus der Besoldung desselben entnehmen wollte, ohne alle die Regeln und die vielfachen Rücksichten zu kennen, nach denen das Einkommen der Lehrstühle an den alten Universitäten festgesetzt, vermehrt und vermindert wurde, und ohne sich, je mehr er sich unsern Zeiten nähert, um das progressive Heruntergehen des Preises oder wahren Werthes des Geldes zu kümmern, der mit dem der übrigen Sachen sich veränderte. - Aus alle dem dürfte erhellen, wenn ich nicht irre, dass man ohne die beiden erörterten Kriterien zur Erkenntniss der Art und des Verdienstes der Professoren der alten Universitäten zu vernach- lässigen und den Werth, den die Universität selbst hatte, dennoch bei diesem Gegenstande mehr den Ruf zu beachten nöthig hat, den sie durch ihre Werke erlangten, durch die wichtigen Erfin- dungen, die ihnen von ihren Zeitgenossen zugeschrieben wurden, durch die Menge der Zuhörer und durch die Berühmtheit sowohl ihrer Schüler als derjenigen, die sie als Mitarbeiter oder Assi- stenten bei ihren Privatstudien hatten. Mit Hilfe dieser und ähn- licher die Docenten betreffenden Thatsachen wirken alsdann die Beschaffenheit, die Zahl der Vorlesungen, die Theilung der Lehr- gegenstände, welche einer Facultät angehören, was in den Rotoli verzeichnet steht, und auch die Abmessung der Gehälter zu- sammen, um genau den Stand dieser Facultät zu einer gewissen Zeit und die Veränderungen von einer Zeit zur andern zu kenn- zeichnen. Diese letzten Thatsachen können so angesehen werden, als ob sie gleichsam die Kette des historischen Gewebes dieser – 17 – Facultät bilden, während jene mit den Schlussfolgerungen, denen sie Entstehung geben, dazu gleichsam den Einschlag ausmachen. Nach diesen Bemerkungen, die sich mir aufdrängten, als ich ohne ihre Hilfe zuerst die Hunderte von Rotoli durchlief, komme ich ohne Weiteres zu meinen Materialien zur Geschichte der mathematischen Facultät der bologneser Studienanstalt: Ich bemerke, dass mir in ihr sechs mehr oder weniger hervor- tretende Epochen scheinen unterschieden werden zu müssen. In jeder derselben steigt der wohlthätige Einfluss dieser Facultät auf die Erhaltung und das Wachsthum der mathematischen Disciplinen in und ausserhalb Italiens über das gewöhnliche Mass, wird auch den entfernteren und ungebildeteren Gegenden, besonders in den älteren Epochen, fühlbar und verdient, dass der Ruhm dieser Fa- cultät in dem dankbaren Andenken der Nachwelt für alle Zeiten erhalten bleibt. Ich will für sie nicht gerade behaupten, aber ich glaube, dass es in Wahrheit keine entsprechende Facultät auf den vaterländischen Universitäten ihr an die Seite zu stellen gibt, die so berühmt und sowohlverdient wäre als sie in der Gesammt- heit ihrer sechs ruhmvollen Epochen betrachtet. Um zunächst mit der Darstellung der beiden ersten zu be- ginnen, – da auf diese allein die gegenwärtige Schrift sich be- zieht –, will ich kurz über meine Methode sprechen, die ich festhalte. Ich nenne zunächst in jeder Epoche die berühmtesten Docenten, die für sie bezeichnend sind, nicht ohne mit grösster Genauigkeit die Jahre anzugeben, in denen sie ihre Professur ausübten. Ich führe dann von jedem das an, was mir am Wesent- lichsten für die Geschichte scheint, die ich zum Zielpuncte habe, indem ich ausführlicher von denen spreche, denen die Nachwelt den Dank schuldig blieb, oder gegen die sie freigebig im Tadeln war, und indem ich über einige neue Betrachtungen anstelle, oder Berichtigungen der Angaben Anderer gebe. Ich unterlasse dabei nicht andere Docenten, die sie begleiteten, ihnen kurz vorhergingen oder folgten, zu erwähnen. Ich zähle dann die berühmtesten Namen von Gelehrten Bolognas auf oder von solchen, die sich dort aufhielten, welche in der Periode jeder Epoche die mathe- matischen Wissenschaften pflegten und die, obgleich nicht unter Gherardi, Materialien. 2 – 18 – die Zahl der Docenten der Universität aufgenommen, hier den Glanz dieser Studien vermehrten. – Alle diese Hauptdocenten, die in zweiter Linie stehenden, sowie die gelehrten Mathematiker, die nicht Docenten waren, sollen in dem Rahmen der genannten Epochen, die ich meiner Arbeit einverleiben werde, sobald sie voll- endet ist, an ihre richtigen Zeiten vertheilt werden. – Aber die Zusammensetzung und Organisation der Lehrmethode, alle die Verhältnisse, unter denen sie dauerte, alle Veränderungen auch die kleinsten, die sie im Laufe der Jahre erlitt, bilden einen Haupttheil in meinen Materialien, sowohl weil es mir, wie ich oben angegeben, scheint, dass darin Stoff zur ersten Kette des Gewebes unserer Geschichte gesehen oder gegeben werden soll, als auch wegen der Gelegenheit, die sie mir darboten, gewisse Ungenauigkeiten und falsche oder seltsame Meinungen zu besei- tigen, die in Bezug auf diesen Gegenstand von gewichtigen Schrift- stellern vorgebracht worden sind. Mit diesem Theile beschäftige ich mich vorzugsweise, wenn ich über die Zwischenräume spreche, welche eine Epoche von der andern trennen. ERSTE EPOCHE, Die erste Epoche der Mathematischen Facultāt der alten Studienanstalt zu Bologna wird mir durch einen Mann dar- gestellt und bezeichnet, durch CEcco D'Ascoli oder FRAN- cEsco DI SIMONE STABILI, der während drei oder vier Jahre, von 1322–1325, hier die Astrologie lehrte ). Der Beginn der- selben würde nach der Meinung derjenigen noch um 75 Jahre hinaufsteigen, welche behaupten, es sei um 1250 an dieser Studien- anstalt der beriihmte GUID o BoNATTI aus Forli, wie er selbst sagt, oder aus Florenz, wie andere wollen, Professor der Astro- logie gewesen. Sicherlich erstreckt sich diese Epoche aber iber 1325 nur wenig hinaus, da man viele Jahre nach CEcco die Professur der Astrologie keinem wirklich beriihmten Namen anvertraut sieht, wenn man nicht vielleicht PELACANI genannt BIAGIO DA PARMA (aut diabolus est, aut Blasius Parmensis sagten von ihm die Pariser) ausnimmt, der von 1380–1384 hier zuerst diese Professur und spàter die der Philosophie inne hatte und der, wie in andern Studienfächern, so auch in der Mathematik als Autoritāt galt, da er dadurch, dasser sich mit Statik und Perspective beschäf- tigte, die damals noch in den Kinderschuhen steckten, einen gewissen Ruf hinterliess 2). Dieselbe Epoche würde endlich nach der Zeit des unglückseligen Ascolaners, wenn nicht gerade mit 1) Alidosi, Li Dottori forestieri che in Bologna hanno letto e cc., p. 16 unter Cech o da Ascolo. 2) Alidosi, Li Dottori forestieri ecc. p. 12 unter Biagio da Parma. – Cossali, Origi ne, Trasporto in Italia, primi pro- gressi in essa dell' Algebra ecc. Vol. 2. p. 107. – Franchini, La Storia dell' Algebra ecc. in dem Supplemento al suo Saggio, p. 40. – Libri, Histoire des Sciences Math é matiques en Italie, T. 2. p. 208–209 – G. J. Vossius, D e scientiis Mathematicis e cc. Cap. 26. S 12. n. 6. – Irene o Affò, Memorie degli scrittori e lette- rati Parmigiani. T. 2. p. 108–125. – 20 – - ihm selbst einen neuen und wahrhaften Glanz erlangt haben. Denn es scheint wenigstens am Ende dieses Zeitraums die Errichtung eines neuen fest mit der Astrologie verbundenen Lehrstuhls einzu- treten, nämlich des Lehrstuhls der Arithmetik und Geometrie, und zwar dadurch, dass dies bei geeigneten Doctoren, die in den Rotoli aufgeführt werden, meistens gleichzeitig bei verschiedenen, beigefügt wird, die sie daher nicht immer allein, sondern oftmals mit der Astronomie verbunden ausübten. – Dass der Astrolog oder Astronom manches Jahr auch die Function des Arithmetikers vertrat, schliesse ich aus Folgendem, dass nämlich in dem Rotolo von 1466 FONDI ebenso wie in den vorhergehenden und nachfolgenden Rotoli ad Lecturam Astronomiae verzeichnet, speciell das Liber Algorisimi de minutis et integris") zu lesen bestimmt ist; das wird er im Schuljahre 1466–1467 gethan haben, da bekanntlich alle Rotoli dieser alten Studienanstalt das Datum des ersten October jedes Jahres tragen, und da man jedes Schuljahr mit dem 5. desselben Monats beginnend und mit den Sommerferien des nächsten Jahres endend annahm – das muss man stets gegenwärtig haben, so oft ich die Jahrgänge der Rotoli und der Professuren erwähne –. Es ist übrigens völlig gesichert, dass von 1383 an in dieser Stu- dienanstalt berühmte D0centen für die Kunst des Abacus, Arith- metik und Geometrie bekannt zu werden anfangen, und dass sie später immer reichlich damit versehen war. Davon aber aus- führlicher an seinem Orte. 1) Das Liber Algorismide minutiis et integris dürfte dasjenige sein, welches in dem Codex F. II. 33 der Öffentlichen Bibliothek zu Basel, einer überaus reichhaltigen und werthvollen Handschrift, von Blatt 99a –105a sich unter dem Titel Algorismus demonstratus und Blatt 87a –95a unter dem Titel Algo- rismus de minuciis findet. Diese beiden Stücke, von einer Hand des 14. Jahr- hunderts geschrieben, sind identisch mit dem 1543 zuerst anonym, später unter dem Namen Schoners herausgegebenen Algorithmus demonstratus, von dem man bis jetzt annahm, es sei ein nachgelassenes Werk Regiomontans (Man sehe z. B. Weidler, Historia Astronomiae etc., Vitembergae CIOIOCCXLI p. 321–322: „5. A. 1534. Norimbergae Jo. Schonerus eiusdem „Algorithmum demonstratum . . . . evulgavit.“). Die Abfassung des Algoris- mus demonstratus würde also mindestens in das XIV. Jahrhundert hinauf- zurücken sein, und dürften dadurch die Schlüsse die Cantor in seinen Ma- thematischen Beiträgen zum Culturleben der Völker, Halle 1863, aus der später angenommenen Abfassungszeit zieht, zu modificieren sein. Eine genaue Beschreibung des Algorithmus Demonstratus, Norimbergae 1543, findet man im Bullettino Boncompagni, T. 2., fasc. di Settembre e Ottobre 1869, p. 426–427. (Anm. d. Uebers.). – 21 – Von GUIDO BONATTI, der für den ersten Mann Seines Jahrhunderts galt, den DANTE unter la perduta gente setzt 1), wenn erauch am Ende seines Lebens sich zum Bruder Franciskaner machte und demüthig sein Brod sich bissenweise erbettelte”), sage ich weiter Nichts, da mir durch keinen Beweis festzustehen scheint, dass er jemals Professor in dieser Mutter der Studien gewesen ist. – Won CEcco D’Ascoli, der bis Vor Sechs Jahren won heute (1844) an gerechnet durch sein tragisches, beklagens- werthes Ende bekannter war, als durch seine Werke, will ich Zumáchst anſâhren, dass er sehr mahe an SACROB osco blühend unter den ersten Commentatoren der Sphaera mundi desselben war; ein Werk, das in den Schulen der Astrologie Oder Astronomie eine àhnliche Dauer behaupten zu missen schien, wie das des EUKLIDEs in den Schulen der Geometrie, das aber statt dessen nach Verlauf einiger Jahrhunderte bei der Auffindung und Er- kenntniss der wirklichen Fortschritte in der Astronomie für immer vertrieben wurde. – Eine Schicksalsdifferenz Zwischen diesen beiden Büchern, welche ohne Weiteres den ungeheueren Unter- schied des Zustandes der Astronomie und der Geometrie bei den Alten zeigt im Vergleich Zu dem, was nach der Wiederherstellung der mathematischen Wissenschaften eintrat. — Im Druck hat man die angeführten Commentare CEccos ūber die Sphaera des SACROBOSCO, die er Zumáchst hier in Bologna herausgab. Sie wurden, nicht bei seinen Lebzeiten, wielmehr viel später, all- gemein gering geschätzt, weil man ihnen Schuld gab, sie seien mit astrologischen Träumereien, mit Magie, Negromantie undSchlimmern beschmutzt, obgleich man librigens guten Grund hat anyunehmen, dass diesen Gegenständen die Worlesungen desselben an dieser Stu- diemanstalt zum Theil den weitverbreiteten Ruhm, den allgemeinen Applaus verdankten, den sie nach sichern Ueberlieſerungen erlangt haben "). Das sicherste Beweismittel dafār wire noch die That- sache, die von ihm berichtet wird, dass ergleich nach vollendeter Studienzeit Zum Professor an dieser Anstalt gewählt sei?). Diese Wahl hätte daher in der Jugend CEC cos statt haben müssen, 1) Inferno, Canto XX am Ende. 2) Bernardino Baldi, Cronica de' mate matici unter Guido Bon a to p. 81. – Libri, Histoire etc. T. 2. p. 54 f. 3) A lidosi, a. a. O. 4) De Claris Archigymnasii Bon oniens is professoribus, T. 1., P. l. p. 435. – 22 – vielleicht als er mit grossen Ehren aus dieser Schule heraustrat, und man müsste sie daher genau von der getrennt halten, welche ihn auf den Lehrstuhl brachte, von dem wir sprechen: diese, welche nicht bezweifelt werden kann, fiel in sein Greisenalter. Unter den andern Werken, die man von ihm aufzählt – es sind neun oder zehn – und die grösstentheils nur in Handschriften existieren, darf ich die beiden nicht gänzlich verschweigen, deren Titel sind: Praele- ctiones ordinariae Astrologiae habitae Bononiae; und Epi- stola seu Tractatulus de qualitate planetarum. Von ihnen spricht ihr Verfasser im Eingange zu obengenanntem Commentare, in dem er unter Anderm von der Zweiten anführt, er habe sie geschickt „ad publicum Cancellarium Bononiae ut scholaribus suis traderei“ – ein vielleicht nicht zu verachtendes Document von der Existenz der Würde eines Kanzlers bei der Universität Bologna schon seit jener Zeit –. Es verdient ferner das Werk CEccos eine specielle Erwähnung, das durch Herrn Prof. LIBRI wieder in Erinnerung gebracht worden ist!), und dessen Titel schon seine Wichtigkeit darlegt: Historia de insulis in Oceano et Mediterraneo sitis. Aber das in Wahrheit unsterbliche Werk CECCOS ist die Acerba, eine wissenschaftliche Encyclopädie in Vulgärversen, origineller als manches ähnliche Werk jenes Jahrhunderts, insofern es über Meteorologie und Optik, sowie über die andern Theile der Physik, über Zoologie, Mineralogie, Physiologie und überhaupt über alle Zweige der Naturwissenschaften viele Begriffe enthält, die auf überraschende Weise einigen unserer Fundamentalbegriffe sich nähern. Von den zwanzig und vielleicht noch mehr Schrift- stellern, die früher sich speciell mit CECCO beschäftigt haben und mit seinen Schriften, hatte Niemand die Acerba vom wissen- schaftlichen Gesichtspunct aus gebührendermassen analysiert. Diese Pflicht erfüllte vor sechs Jahren?) der vorgenannte berühmte LIBRI im 2. Theile seiner Geschichte der mathematischen Wissen- schaften in Italien (p. 191–201), diesem Werke in dem er so viele Kränze, so vielen Ruhm für seine Nation zurückgefordert und neu erwiesen hat, einem Werke, das wir als Zünder und leitenden Meister dieser unserer Studien anerkennen. Er erfüllte 1) Histoire etc., T. 2. p. 200, note 2. 2) Man beachte, dass die erste Ausgabe des vorliegenden Werkes 1846 erschien und 1844 verfasst ist. (Anm. d. Uebers.). – 23 – sie, indem er mit Recht die grosse Zahl von Gelehrten in der langen Zeit tadelte, dass sie nicht die so grossen und so vielen offendaliegenden Schätze der Acerba gesehen, und indem er die Gegenwart und Zukunft, vorzugsweise aber die Italiäner antreibt, sie endlich einmal richtig zu würdigen. Und ohne Zweifel war der erste Astrologe der bologneser Studienanstalt durch die vor- genannten Begriffe – deren beste Probe man bei LIBRI nach- sehen kann –, von denen einige, die sich unter den entsprechenden Begriffen der ältesten Philosophen wiederfinden, davon die Auslese bilden, während andere unbedingt ihre Analogie nur in den Werken des allermodernsten Wissens finden, seinem Jahrhundert weit voran. Als Dichter und Schriftsteller unendlich viel unter dem Gigant, den er zum Schüler hatte, unter DANTE, übertraf er diesen als Physiker, weil er weniger Metaphysiker war, und von grösserer Originalität und Erfindungskraft in den naturwissenschaftlichen Disciplinen. Vielleicht war eben diese Originalität der Acerba in diesen Disciplinen nicht der letzte Grund für die lange Ver- nachlässigung, in welche sie gerieth. Uebrigens wurde sie im Jahrhundert der Erfindung der Buchdruckerkunst und im Anfange des folgenden vieler Ausgaben und eines Commentars gewürdigt, so wie sie schon vor jener Erfindung und auch noch nach der- selben in vielen Handschriften verbreitet wurde. Einige ehren sie mit dem Titel eines Opus divinum. Dieser Titel blieb aber nicht haften, da er übertrieben ist, und da er nicht durch ein- gehende und zahlreiche Studien über dieselbe empfohlen wurde. Ihr Studium wurde aus den vorgenannten Ursachen vernachlässigt, aber auch aus folgender anderen, die besser ist: weil seine Verse für das Ohr der allergenauesten Kritiker, wie der allerleicht- fertigsten nicht schön sind. Monsignor BERNARDINo BALDI nennt die Acerba nur, um ihre Verse als äusserst plump (gof- fissimi) zu tadeln – er schrieb, sagt er von CECCO, ein Werk über Naturwissenschaften und Meteorologie in sehr plumpen Versen –; denn er wusste den ausgezeichneten wesentlichen In- halt nicht zu verstehen, wie er nicht genügend TARTAG LIA be- griff, um Bedeutendes GovANNI BATTIs TA BENEDETTI ver- kannte (dessen Schüler in den exacten Wissenschaften GALILE war *), wenn dieser es überhaupt von irgend jemand war), wie er 1) Diese Thatsache, die aus der neuen und glänzenden Analyse Libris über die Werke Benedettis sich ergibt, (M. s. Histoire etc., T. 3. p. 121 – 24 – CARDAN, FERRO, BOMBELLI, FERRARI und andere ausge- zeichnete Geister Seiner Zeit gar nicht nannte – nimlich in seiner erwähnten Cronica –: um aber jeden dieser Männer zu begreifen und gerecht zu würdigen, war es nicht genug, in den Mathematici veteres sehr bekannt, gelehrt und erfahren zu sein, wie er es in der grossen Schule des Com MANDIN gelernt hatte. LIBRI beklagt, dass die Acerba wenig gelesen sei und auch noch immer zu wenig gelesen Werde, und fügt hinzu, dass sie vielleicht mehr gelesen sein wirde, wenn man davon Wenigstens eine erträgliche Ausgabe besisse, dass alle Ausgaben, die er da- von gesehen – und die jüngste und beste von ihm citierte ist von 1510 –, abscheulich seien, der Text sei darin in jedem Verse verindertº). Er kannte also die feine und schöne Ausgabe der Acerba in 8º nicht, die ANDREoLA im Jahre 1820 in Venedig besorgte unter der Aufsicht der sehr lobenswerthen Herausgeber u. ff und p. 161. Anm. 2) wurde von dem gewichtigen, wohlverdienten und scharfsinnigen Michel Angelo Ricci in einem seiner Briefe vom 14. Nov. 1666 an den Fürsten Leopold v. Toscana vollständig klar ausgesprochen. Zur Be- stätigung der Analyse Libris nach dieser Seite hin, und zum Beweise des genauen Studiums, das man zu jener Zeit in Italien uber die neuern vaterländischen Ma- thematiker anstellte, scheint es mir vortheilhaft, die eigenen Worte Ric cis zu wiederholen, von demen ich nicht wüsste, dass schon jemals jemand darauf him- gewiesen hatte; da sind sie: , Es sind von Lorenzo Crasso die Lebens- ,beschreibungen verschiedener Litteraten herausgekommen, und wo er von Galilei ,spricht, habe ich mit Bedauern gesehen, dass er das Mediceische Gestirn von ,den Jupiterstrabanten unterscheidet . . . ..: dass er Galilei zu furchtsam dar- ,stellt, seine Hauptmeinungen iiber die Naturphilosophie bekannt zu machen, von , denen er glaubt, er habe sie aus Celio Calcagnini und Patrizio geschöpft, ,mit Verschweigung Ben e dettis, der ihm die Wege mehr vie jeder andere bahnte ,und für ihn vielleicht der einzige Lehrmeister bei seiner Philosophie war, wie es Eu'. Hoheit durch Vergleichung der Gedanken des Einen mit denen des Andern, ,,die so in Uebereinstimmung sind, wohl gemerkt haben (M. s. Angelo Fa- broni, Lettere inedite di uomini illustri, T. 2. Firenze 1775, p. 142). Um in gewisser Weise den letzten der drei Fehler des Crasso zu entschul- digen, den der erhabene Kardinal bemerkt hat, mag man sich erinnern, dass Celio Calcagnini seinen kleinen Tractat: Quod Coelum stet, terra autem moveatur vor 1543 herausgab, in welchem Jahre das unsterbliche Werk des Copernicus: De revolutionibus orbium coelestium ver- offentlicht wurde (M. s. Tiraboschi, Storia della Letteratura Ita- liana, T. 8, P. 2. Appendice al Capo 2, Memoria ha un\ NA. Tommaso Guido Calcagnini, Della vita e degli Scritti di Celio Calcag - mini, Commentario, Roma 1818. p. 30–31). 1) Histoire etc. T. 2. p. 194–195, note 2. — 25 — eines Parnaso ltaliamo, welche in dem Worbericht an dem Leser in dem Bändchen der Aeerba — es ist der XII. desigenanntem Parnaso, Se colo II. Didascalici Primi — mit vollem Rechte auf die Verläumdungen anderer in Bezug ihres trefflichen Unter- nehmens mit folgendem Wortem entgegen: ,, }er unsern Parnass ,,sieht, hat die Genugthuung, das lesen zu können, was bis „dahin nicht lesbar par** (p. XIII). In dieser Ausgabe konnte ich ohne Beschwerde alle Stellen der Acerba und ihren Sinm vergleichem, die LIBRI mit Hilfe vorgenannter Ausgabe von 1510 und verschiedener Handschriften eitiert, und da ich keine be- merkenswerthem Unterschiede gefundem habe, glaubte ich dies für ein Kriterium der Genauigkeit der venetianischen Herausgeber haltem zu dürfen, da die Genauigkeit LIBRIs in ähnlichen Mate- riem sehr zuverlässig ist. Drei schöne Codices des Gedichtes in Rede existierem in der Bibliothek dieser Universität i). Der Herr Bibliothekar DR. VEg- GETTI (dem man für eine nochmalige genaue Vergleichung und für die Ordnung der zahlreichen handschriftlichen Codices dieser Bibliothek zu Dank verpflichtet ist) machte mich darauf aufmerk- sam und überliess sie mir zur Benutzung, als ich an der Hand des obengedachten Bandes von LIBRI einige Studien über die Acerba machte, die mich wünschen liessen, einen Codex nach- zuschlagen. Würdig und geziemend wäre esfür uns, Hochgeehrteste Collegen, dass wir den Spurem und den Anspornungen des grossen Mathematikers und tiefen Gelehrten folgend daraus Nutzen zögen; von ihm, dem es gefiel, solche und so zahlreiche andere kleinliche und beschwerliche Vergleiche anzustellen in der edlen Absicht, das vaterländische Wissem in all seine Rechte wieder einzusetzen. Nur Unwissenheit und Wohlgefallem an Spitzfindigkeiten haben einigen Kritikern eingegebem und bei andern die unhaltbare Con- 1) Hier die Bezeichnungem entnommen aus den altem Katalogen der Biblio- thek: I. Ce c c o d'As coli, Tractatus qui dicitur A c c e rb actus vol- g ar men te 1'Acerba e c c. Am Ende steht: Finis Laus Deo 1462 die duo- decimo mensis Augusti per me Joannem de Fabis Notarium transcriptus. Codex chartaceus An. 1462. fol. — II. Dasselbe mit dem Titel A c erb attas (Tra- ctatus qui dicitur Acerbattas); Codex chartaceus Saeculi XV. fol. — III. Das- selbe mit dem Titel Liber Acerbae Aetatis; Codex chartaceus Saeculi XIV. 4°. Bemerkenswerth ist, dass der zweite in Terzinem, der erste und dritte dagegen in Sestimem geschrieben sind. – 26 – jectur zur Geltung bringen können, dass der sonderbare Name, unter dem sich das Gedicht der Acerba fortgepflanzt hat, aus der, Absicht des Verfassers entsprungen sei, von vornherein anzu- deuten, dieses Werk sei eine Frucht seiner unreifen (acerbi) oder jugendlichen Studien; und das in blinder Beobachtung des Titels: Liber Acerbae Aetatis magistri Cechi de Eschulo, den man als Aufschrift in gewissen Handschriften und àlterem Ausgaben der Acerba liest, von jenen vielen, die von dem wohl- verdienten QUADRIO und MAzzU CHELLI und andern durch- gesehen sind Ausser dem Ernste des Werkes iberreden nicht wenige Stellen desselben, die beim Durchblüttern sogleich in die Augen springen, dass wenn auch der AscolANER sie in der Jugend angefangen, er doch den wesentlichen Inhalt sicherlich erst spät hineintrug und es erst im reifern Alter der Feile unter- zog voller Erfahrung und Kenntniss. Folgende Verse aber, mit denen er zornig Bologna anredet: ,0 Bolognesi, o, anime di foco A picol tempo ueneriti al punto Che cadera Bologna apoco apoco ,0r ue ricordi, comel divin archo ,0ie peccato con la pena a giunto , Et aspectando assag più se fa carchoº). Verse (sicherlich nicht plump), mit denen das Capitel XV des 2. Buches der Acerba beginnt, wurden von CEcco hôchst wahr- scheinlich, als er auf Bologna ibel zu sprechen war, verfasstº); nicht 1) Wir haben diese Sestine wörtlich aus dem altesten der drei vorgemannten Codices der hiesigen Bibliothek copiert. Im Wortlaut dieser Sestine haben die gemanntem venetianischen Herausgeber der Acerba sich eimige Freiheit im zweiten und sechsten Verse genommen, die sie so drucken lassen: , In picciol tempo arriverete al punto“ und , Ed aspettando più, più si fa carco. In allen drei Handschriften namlich liest man an Stelle der Präposition. In die andere A und anstatt arriverete findet sich ueneriti, voy verete, vui uérete; ebenso findet sich in allen drei Handschriften an Stelle des ersten più des letzten Verses das Wort assay, das nur im jüngsten assai geschrieben ist. 2) Man weiss dass er die ersten Angriffe, die Wurzel seines letzten Leidens, in dieser Stadt aushielt durch die Intriguem, wie man sagt, eines Tommaso Del Garbo, eines Florentiner Arztes und zugleich seines Rivalen bei Bewer- bung um die Professur an dieser Studienanstalt. (Alidosi, a. a. O.; Maz- zuchelli, Gli scrittori d'Italia, Vol. 1. P. 2. p. 1151 ff. unter Ascoli (Cecco o sia Francesco d')). – 27 – eher also als 1322, denn nicht früher fing er an, die seinem Pro- cesse, der ihn zu Grunde richtete, zunächstliegende Professur aus- zuüben, wenn es nicht die einzige war, die er inne hatte: und es ist ferner allbekannt, dass er im Jahre 1327 zu Florenz im Alter von 70 Jahren zu Tode gebracht wurde"). Wegen des kurzen Zeitraums zwischen seinem Eintritt in genannte Professur und seinem Tod ist es sogar anzunehmen erlaubt, dass er Theile der Acerba während seiner Professur selbst verfasste und sie seinen Zuhörern mittheilte. Diese Conjecturen erhalten grosse Wahrscheinlichkeit aus dem Grunde, dass das Gedicht in Rede sich als unvollendet zeigt, mit seinem letzten Buche von einer Kürze, die zuviel zu wünschen lässt, als dass man es für beendigt halten könnte, mit seinem letzten als untergeschoben angesehenen Capitel, u. s. w.*) Sehr wahrscheinlich ist dagegen die Meinung anderer Kritiker, gelehrter und geachteter als die obengenannten, dass nämlich mit acervo oder acerbo, was später durch Unwissenheit der Abschreiber in acerba verdreht sei, CEC Co die Absicht gehabt habe, die Masse oder die Anhäufung von Kenntnissen und kühnen Behauptungen über fast alles Wissbare zu bezeichnen, was sein Werk ist °). 1) Alles bringt zu dem Glauben, dass er nach dem Geschmacke der Braten (arrosti), wie ihn die Heiligste Inquisition so sehr liebte, lebendig verbrannt wurde. Wir erlauben uns hierüber einen Auszug aus der Biographie Ceccos mitzutheilen, die in dem Dizionario Biografico Universale per cura di Fr. Pre dari, Milano 1865–1867, Vol. 2". p. 629 enthalten ist: „Sta- „bili (Francesco) bekannter unter dem Namen Cecco d'Ascoli . . . . „wurde in der Stadt Ascoli im Jahre 1257 geboren. Vor dem Inquisitions- „tribunal in Bologna angeklagt, er habe schlecht und gegen die Regel von dem „katholischen Glauben gesprochen, wurde er zu öffentlicher Busse, zu einer Geld- „strafe und zum Verluste seiner Titel eines Lehrers und Doctors verurtheilt, „ausserdem wurden ihm seine sämmtlichen astrologischen Schriften weggenommen. „Sehr niedergeschlagen über ein so hartes Urtheil verliess er Bologna und „begab sich nach Florenz. Aber das heilige Ufficium folgte ihm immer „auf dem Fusse, und hier erwartete ihn noch grösseres Unglück - - - - Aus „dem Texte des Decretes des Inquisitors von Florenz selbst ergibt sich, „dass er unter Anklage der Ketzerei zum Feuertode verdammt wurde, und dieses „gottlose Urtheil wurde im Laufe des Jahres 1327 öffentlich vollstreckt.“ 2) Libri, Histoire etc., T. 2. p. 194, Anm. 1. 3) Dieser Meinung, zuerst durch eine grosses Aufsehen machende Kritik des P. Quadrio (Della Storia e delle Ragione d' ogni Poesia, Vol. 4, p. 38–41, Ausgabe von Bologna; Libri, Histoire etc., T. 2. p. 192–193, Anm. 2) empfohlen, muss man sofort zustimmen. Aber wie dann – 28 – Nicht so sehr die Astrologie und Magie an sich, welche dieses Werk, was auch behauptet wird, verunstalten, als vielmehr, dass der Verfasser für einen Astrolog und nichtsnutzigen Negromant erklärt wurde, trug dazu bei, sie auch bei den Neuern in Misscredit zu setzen und zu bewirken, dass sie nicht gelesen Wurden. Aber unsere Zeiten sind wahrhaftig nicht mehr, Gott sei gedankt, danach angethan, sich durch dergleichen Vor- urtheile berücken zu lassen und nicht die Strahlen aufzunehmen und zur Kenntnissnahme zu empfehlen, die in Mitten der dichtesten Finsterniss erscheinen, die Niemandem mehr grosse Furcht einjagt. Und dennoch musste ich mich vor einiger Zeit sehr verwundern, dass einer unserer italiänischen Gelehrten, dem ich in Etwas meinen Aerger bemerklich machte, dass er in einem bestimmten wissenschaftlichen Werke in keiner Weise CECCO und seine Acerba erwähnt hätte, ganz offen antwortete: „Sie bemerken „mir, dass Sie keine Notiz (in seinem Werke) der Acerba des „Cecco d'Ascoli gefunden haben; aber mir scheint, man „dürfe ein Buch nicht erwähnen, das eher die Arbeit eines „Astrologen genannt werden kann, als das eines urtheilsvollen „Schriftstellers.“ Wenn ich geglaubt hätte, dass diese Behaup- tung der Mühe einer Antwort werth wäre, so würde diese gewesen sein: dass (von demselben Gesichtspuncte aus, von dem ich sie dem Gelehrten empfohlen hatte) die Arbeit unter Andern so weder die Einfügung des obenerwähnten Titels: Liber Acer bae Aetatis und anderer ähnlicher erklären? Jener hochgelehrte Schriftsteller nimmt als das Wahrscheinlichste an, dass der von Cecco selbst geschriebene Titel des Ge- dichtes Liber Acer vatus gewesen sei, der nach seiner Erklärung sehr nahe die Absicht des Dichters ausspricht, und dass man durch starke und immer grössere Verstümmelungen dieses Titels durch die Abschreiber zu den Titeln übergegangen sei: Liber Acerbatus, Liber Acer battus, Liber Acerbae Aetatis, Acerba Aetas, u. s. w. „In der That“, fügt er hinzu (p. 40), „von den so zahlreichen Manuscripten, die ich von diesem Werke ange- „merkt habe, sind die, welche die letzten Titelformen haben, der Zeit nach „sämmtlich später als jene andern, die den Titel Acerbattus tragen.“ Ich bedaure, dass diese Beweisführung durch die drei genannten Handschriften der hiesigen Bibliothek widerlegt wird. Denn, wie aus unserer betreffenden Anmerkung erhellt, ist die älteste von ihnen gerade diejenige, welche den Titel Liber Acerbae Aetatis hat, von dem ich, um nach Art Quadrios zu argumentieren, sagen müsste, er sei später in die Titel Acerbattas, Acer- batt us der beiden andern Codices umgewandelt. Es wäre übrigens möglich, dass sie sämmtlich aus einem noch älteren Manuscripte abgeschrieben wären, als sie selbst sind, das die Bezeichnung A cervatus oder ähnliche trug. – 29 – von CRESCIMBENI beurtheilt würde, noch von APPIANI, noch von ANTONELLI, noch von QUADRIO, noch von MAzzUCHELLI u. A. Alle diese Schriftsteller von anerkannter Autoritāt, wie sie CEcco einerseits einen schätzbaren litterarischen Ruhm zuerkennen in Anbetracht seines Gedichtes und anderer Versuche in von ihm erfundenen Versmassº), so erheben sie sich sogar dazu, ibn mit nicht genug zu lobender Humanitāt und Billigkeit gegen jene Be- schuldigungen zu vertheidigen, die an Gedanken und astrologische Tractate von ihm anhaften, die sein so herbes Geschick herbei- führten. In diesem verdienstlichen Werke zeichneten sich am Meisten ANTONELLI aus Ascoli und der P. APPIANI von der Gesellschaft Jesu aus durch ihre vertheidigenden Lebensschilde- rungen CECCO S. Ueber diesen und sein ervãhntes Ende schliessen wir mit Wiedergabe eines Abschnittes bei QUADRIO, einer andern Zierde desselben Ordens, der mir darüber sehr richtig zu sein scheint und gerade geeignet, die Zeiten C Eccos zu charakteri- sieren: , Es waren diese Zeiten“, sagt also QUADRIO *), ,so durch Unwissenheit versperrt, dass jeder Mensch, der auch nur ein klein Wenig in den mathematischen Wissenschaften ,und der Naturphilosophie unterrichtet war, unter dem Volke sogleich als Zauberer verschrieen wurde und als Zugabe ,eingekerkert und verurtheilt.“ Und damit setze ich auch meinen Betrachtungen über die erste Epoche ein Ziel und gehe sogleich zur zweiten über, ohne für jetzt Etwas dem Wenigen hinzuzufügen, was ich schon in Bezug auf Beschaffenheit, Zahl und Verbindung der Unterrichts- fächer in dieser Facultāt bemerkt habe. Dieses Thema habe ich angekündigt, wollte ich mit der nothigen Ausführlichkeit behan- deln, wenn ich speciell iber die Zwischenràume zwischen einer Epoche und der folgenden spräche. Der Stoff aber, den mir Ge- legenheit gegeben war zu diesem Zwecke in Betreff der beiden ältesten Epochen zu sammeln, gehört vielmehr der zweiten und dem Intervalle zwischen dieser und der dritten an, als der ersten; die Behandlung wird daber vortheilhaft der der Docenten der zweiten Epoche nachgestellt. Sie wird sogar den vorliegenden 1) Cecco d'Ascoli gilt als Erfinder des le Zingaresche genannten Me- trums (Quadrio, Della Storia etc. d'ogni Poesia, Vol. 2. Lib. 2. p. 284; Mailänder Ausgabe). 2) Della Storia etc. d'ogni Poesia, Vol. 4, p. 89. " – 30 – Materialien von mir nachgestellt werden, oder auf andere und bessere Zeiten aufgeschoben. Denn die vorliegenden Materialien wuchsen mir über jedes Mass unter den Händen, was die ge- nannten Docenten betrifft, Grund ein darauf bezüglicher hoch- wichtiger historischer Stoff, der mir von allen Seiten gleichsam ausgeweidet werden zu müssen schien. Wenn ich so die Weit- läufigkeit in diesem nicht zu vermeiden wusste und ich schon sehr zaghaft bin, von Ihnen, Hochgeehrteste Collegen, das freund- liche Geschenk, mir nachsichtig zuzuhören, zu erhoffen, mögte ich nicht noch mehr verschulden, indem ich mich noch weiter ausdehne. ZWEITE EPOCHE. Die zweite Epoche der mathematischen Facultät der alten Studienanstalt zu Bologna, um Vieles lichtvoller und ansehn- licher als die vorhergehende, wird durch folgende Namen bezeich- net: 1. des DOMENICO MARIA NovARA (Domenico Maria, Domenico Maria da Ferrara, Domenico Maria Italo), der die Astronomie an der Universität Bologna von 1483–1503 las; 2. des SCIPIoNE FERRo (oder Ferreo, oder Ferri, oder Del Ferro) aus Bologna, der dem obengenannten Lehrobject der Geometrie und Arithmetik zur höchsten Ehre gereicht, die er gleichzeitig mit Andern, jetzt vergessenen, von 1496–1525 lehrte; 3. des FRA LUCA DA BORGO SAN SEPOLCRO oder PACIOLI, der für das Studienjahr 1501–1502, nachdem er, wie er selbst schriftlich hinterlassen, in ganz Italien herumgepilgert und die Mathematik in Perugia, Rom, Neapel, Pisa und Venedig gelehrt hatte, einen Augenblick auch hier anhielt, um dieser Uni- versität das Gold seiner Asche mitzutheilen!), denn wir sehen ihn unter den Docenten aufgeführt, jedoch nur in dem einzigen Rotolo genannten Jahres und in einer für damals aussergewöhnlichen Professur, die in demselben so bezeichnet ist: Ad Mathematicam. Zu diesen berühmten und verehrten Namen, welche vorzugs- weise die zweite glorreiche Epoche bezeichnen, kann man folgende, nicht unbekannte hinzufügen: 1. GIROLAMO MANFREDI (1469 1) Er war ungebildet in der Sprache, da er ohne irgend welche Auswahl die Vulgärsprache mit lateinischen Worten mengte und die einen wie die andern corrumpierte. Dies gab Annibale Caro Gelegenheit, die Werke des Fra Luca Asche (Ceneracci) zu nennen, weil in ihnen das Gold der Thatsachen begraben lag, wie die kleinen Goldstückchen zwischen den Aschen der Gold- arbeiter zu liegen pflegen. (Bernardino Baldi, Cronica de Mate- matici). – 32 – bis 1492), der nicht, wie MoNTUcLA annimmt, ein Vorfahr der MANFREDI unserer Tage ist. Er hatte eine der Professuren der Astronomie inne, verband sie aber mehrfach mit einer Professur der Medicin, obwohl er weder in der einen noch andern Wissen- schaft irgend etwas Nennenswerthes geleistet hat. In der Kirche S. Margherita in Bologna (jetzt schon seit Napoleon I. Zeiten geschlossen und zu profanen Zwecken benutzt) liessihm sein Sohn folgende Grabschrift setzen: Hieronymo Manfredo Bonon. Philosopho ac Medico suae aetatis memini secundo Astronomorumque citra invidiam facile primario posuit superstes Joan. filius suisque po- steris, vale atque illum valere opta.“ Ein anderes Epigramm auf seinen Tod, das uns, so wie die Grab- schrift, ALID osI ) aufbewahrt hat, verfasst durch Cav. CASIo in âhnlichen übertriebenen und schwülstigen Redensarten und Lob- preisungen, lautet: , Il Felsineo Hieronimo Manfredo , Fu tanto eccelso in prattica, e dottrina , Di Astrologia professo, et Medicina , Che non humano, anzi divino il credo. Wie war es möglich, jemand, der in der Astronomie Nichts, in der Medicin nur das Centiloquium de medicis et infirmis hinterlassen, ein Buch, das trotz seiner drei kurz hintereinander erfolgten Auflagen (Bononiae 1489, Venetiis 1500, Norim- bergae 1510) nicht werth ist, im Gedächtniss der Nachwelt fort- zuleben, in solcher Weise hoch zu stellen? 2. LUCA GAURICO (1506), wohlberiihmt. Gleichwohl ist GAURIco heute fast nur noch durch seine merkwürdigen Prophezeiungen mit Hilfe der Astrologia judiciaria bekannt. Vielleicht das einzige Mal, dass eine solche eintraf, wiederfuhr ihm selbst durch sie ein Unglück, so dass er sich wohl gehitet haben würde, das Unglück anderer vorauszusagen, wenn er sein eigenes hàtte voraussehen können. – Man höre darüber folgendes Bruchstück aus der Geschichte Bo- lognas. – Die BENTIVOGLI, im XII. Jahrhundert noch Ein- vohner, während des ganzen XV. Jahrhunderts von GIovANNI I. bis GIOVANNI II. mit wechselndem Glicke Herrscher von Bo- - 1) Li Dottori bolognesi e cc., p. 9 l. — 33 — logna, erriehteten ihren Thurm neben ihrem eigemem grossartigem weitberühmntem Palaste erst gegen Ende des gemanntem XV. Jahr- hunderts; dieser Thurm, der da gleichsam ein Symbol und eine Vorbedeutung ihrer höchsten Erhöhung und zugleich des plötzlichen Ruins der Familie werden sollte. Am 3. November 1489 feierte GiovANNI II. mit seinen Söhnen, nachdem durch das Horoseop der Astrologen die beste Constellation der Sterne bestimmt war (diese Astrologen warem vielleieht D. M. HIERONYMUs MAN- FREDUs, ein gewisser D. M. FERNANDUs DE VILLA LO Bos CoRDUBENsIs, DoMINI cUs MARIA DE FERRARIA u. s. w., die in dem Actem der Bologneser Studiemanstalt sämmtlich im genammtem Jahre ad Astronomiam aufgeführt sind), die Ceremonie des erstem Spatenstiches zum Fundamente des Thurmes. — Den 18. Januar 1490 wurde der Grundstein mit dem Wappen der BENTIvo G LI gelegt. — Im October 1495 war die Maurerarbeit fertig. — Aber kaum war der stolze Thurm, am Höhe mit dem höchstem noch heute bestehendem Thurme der Asimelli wett- eifernd, vollendet, als er vom Blitze getroffen wurde. Die Schmeichler, Nichtastrologem, hatten darin eine Weihe desselbem gesehem; aber um diesen Irrthum zu nehmen kam das Erdbebem von 1505, das dem Palast und den Thurm dazu zerspaltete umd Zerriss umd dem Palast mit völligem Einsturze bedrohte. — Der Astrologe LU CA GAURIco sagte daraus das £nde der fürst— lichen Burg und der Dynastie voraus: vier bis fünf heftige füge mit dem Seil (bekannte Art der Folter) und fünfundzwanzig Tage schweren Kerkers machten ihm darauf amtfmerksam, ein besserer Prophet fiir die Grossen zu sein *). Aber das Geschick, das diesmal dem Astrologen Recht gab, riss sehr bald die Höhe 1) G aurico, später vom P au 1 III., der dem Astrologem wohlwollte, zum Bischof von Civit a te im Königreich N e a p el gemacht (es war dies der- selbe Papst P aul III., welchem C o p er mi c u s seim Hauptwerk De re volu- tionibus orbium coelestium Libri VI. widmete, das er , nachdem er durch seime Freunde zuletzt dem Cardinal S ch ö m b e rg dazu dringend auf- gefordert war, seit 1586 zu veröffentlichen beschlossem, und das erst 1548 gleichzeitig mit seinem Tode erschiem), bezieht sich selbst offembar auf dieses ihm gescheheme Unglück mit folgenden Wortem seiner Widmung des T r a c ta- tu s de Sph a e r a an den Cardinal Cristoforo M a dru c ei: ,,Quippe, qui ,,dum tu adolescens in Civitate Felsinea literarum studiis invigilares, me insontem „in carceribus detrusum in praetorio a lictoribus et impiis latronum manibus atque ,,lividorum insidiis eripuisti cum honore maximo.** (M. s. die Sammlung seiner Werke Basel 1575, 3 Bde. in fol., T. 1., p. 12). G h er a rd i, Materialien. <3 – 34 – GIovANNI II. und seiner Dynastie nieder: dem Exil von 1506 folgte der erfolglose Restaurationsversuch von 1507 und diesem die Rache des Volkes, welches in wenigen Tagen den Palast vollständig der Erde gleichmachte und mit Vernichtung auch des Thurmes endete. 3. LoDov Co VITALI (1504–1553), und andere, welche diesen ersten um. Weniges vorausgingen, sie begleiteten oder ihnen un- mittelbar auf denselben Lehrstühlen an der Studienanstalt zu Bo- logna folgten (die drei aufgeführten waren nämlich sämmtlich für die Astronomie). Man könnte auch GIOVANNI BIANCHINI er- wähnen, der um 1455 blühete, wenn auch nicht Docent in Bo- logna und lange in Ferrara lebend, wo er das Bürgerrecht erworben, da er in Bologna geboren wurde und dort auch wahr- scheinlich die ersten Unterweisungen in dem Studium der Astro- nomie oder Astrologie, durch welche er vorzugsweise berühmt ist, erhielt !). BIANCHINI ist aber auch bekannt durch Arbeiten in der Arithmetik, Algebra und Geometrie. Es dürfte auch wohl nöthig sein, eines Instrumentes Erwähnung zu thun, das er erfand, um jedes Object in Sehweite oder auf kurze Distanz zu messen*). Der Name jedoch, der diese Epoche der mathematischen Fa- cultät der bologneser Studienanstalt am Weitesten berühmt ge- macht und am Meisten in dem allgemeinen Gedächtniss der Nach- welt befestigt hat, ist der eines Schülers; der des NICOLAUS COPERNICUs nämlich, der hierher um das Jahr 1497 kam, ehe er nach Rom ging, um dort einem Lehrstuhl der Mathematik Glanz zu verleihen, und nachdem er philosophischen und medici- nischen Studien auf der Universität Padua obgelegen ); hierher- gekommen als Jüngling von fünf Lustren, gerufen durch das 1) Ehe man über meine Gewohnheit, dass ich für diese ersten Epochen die Worte Astronomie und Astrologie verwechsele oder ohne Unterschied gebrauche, ein schiefes Gesicht oder mir Vorwürfe macht, möge man in Geduld den Rest der gegenwärtigen Schrift zu sehen abwarten, und vor Allem das, was ich über diesen Gegenstand, der nicht blos reine Wortangelegenheit ist, schon für die Schrift, welche dieser folgen soll, vorbereitet habe. 2) Fantuzzi, Notizie degli Scrittori Bolognesi, T. 2., p. 180 und 186. – Libri, Histoire etc., T. 3., p. 98. 3) Der Aufenthalt des Copernicus in Padua bei diesem ersten Auf- enthalte in Italien ist sehr zweifelhaft. Jedenfalls ist die Angabe Papado- polis, dass Copernicus 1499 in Padua den medicinischen Doctorgrad erworben, unwahr, da nach den neuerlichen Forschungen Prowes und Hip- lers aus ermländischen Archivalien feststeht, dass Copernicus vor seinem zweiten Aufenthalte in Italien (1501 – 506) medicinische Studien nicht gemacht hat. (Anm. d. Uebers.). – 35 – Renommé der Anstalt und den ausgezeichneten Ruf der Gelehrsam- keit des DoMENICO MARIA hielt er sich hier einige Zeit auf, um mit diesem zu lernen, zu vergleichen und seine geliebten astrono- mischen Studien zu treiben und ihn auch in diesen Studien und seinen astronomischen Beobachtungen zu unterstützen (wir sagen dies nur mit den Landsleuten des CoPERNICUs). DOMENI Co MARIA war damals in dem frischen Alter von 33 Jahren, ob- schon er davon 14 in dem öffentlichen Amte an genannter Anstalt gezählt hatte ). CoPERNICUs hat selbst die Zeit seines Auf- enthaltes in dieser Stadt bestimmt, da er in seinen Schriften hinterlassen hat, dass er an einem gewissen Tage des Jahres 1497 (septimo Idus, 9, Martij) um fünf Uhr Nachts hier die merk- würdige Bedeckung des glänzendsten Sternes (Palilicium. Alde- baran) der Hyaden hinter dem dunklen Theile des abnehmenden Mondes und in grösster Nähe des südlichen Horns desselben be- obachtete. Diese Beobachtung macht er in seinem Riesenwerke zum Hauptpunct, um die Wahrheit seiner Behauptungen über die Mondparallaxe darzuthun*). Da man um diese Zeit eine grosse Bewegung in dem mathe- matischen Unterrichte der Universität eintreten sieht, indem man in den entsprechenden Rotoli ein, zwei und endlich drei dem Hauptdocenten beigegebene Docenten aufgeführt findet; da diese Assistenten sehr häufig wechseln, und für eine specielle astrono- mische Vorlesung jedes Jahr der Professor wechselt, worüber in einer andern Schrift geredet werden soll; da alle für diese specielle Vor- lesung Bezeichneten fast immer Auswärtige, nicht selten selbst nicht einmal Italiäner sind, sondern Spanier, Russen, Polen, Deutsche (von Franzosen sah ich nicht einen!), so entstand schnell der Wunsch, die Hoffnung, in diesen fotoli die ruhmvolle Spur jenes grossen Namens aufzufinden, aber obwohl ich sie aufmerksam durchsuchte und wieder durchsuchte, ist diese Spur nicht vorhanden. Von dieser Eigenthümlichkeit will ich nicht sagen, dass sie einen sichern Grund dafür angäbe, dass COPERNICUs hier mehr Schüler als wie Assistent des NOVARA war, sondern nur, dass sie dafür ein wahrscheinliches und begründetes Indicium liefert. 1) Diese Behauptung, dass Domenico Maria erst 33 Jahre zählte, als Copernicus nach Bologna kam, wird später durch den Verfasser selbst widerlegt. Novara zählte damals 43 Jahre. (Anm. d. Uebers.). 2) De Revolutionibus Orbium Coelestium: Lib. 4., Cap. 27, Bltt. 128b – 129a der beiden ersten Ausgaben. 3 * – 36 — Es ist unzweifelhaft, dass die Epoche, von der wir eben sprechen, dass speciell Nov.ARA zum grossen Theile CoPERNICU's den Ruf verdanken, mit welchem sie gewöhnlich in das Gedächt- miss zurückzukommen pflegen. Es ist aber andererseits ebenso gewiss wahr, dass noch Niemand, soviel ich weiss, die Gleich- Zeitigkeit des SciPIONE FERRound des PAC101.1 mit Nova RA an dieser Studienanstalt hervorgehoben; durch den ersten von diesen — auch vom Zweiten abgesehen, da er hier nur ein kurzes Jahr sich aufhielt – erlangt die Epoche an und für sich schon eine vollständig von der Astronomie von CoPERNICUs und von Nov.ARA unabhängige Berühm theit; wie es auch ebenso sicher wahr ist, dass Letzterer eine grosse Achtung, die ganz sein eigenes Werk war, hinterliess, die viel allgemeiner anerkannt werden sollte, als sie es ist. Und won ihm wollen wir beginnen. Er bestimmte, wie LIBR1 schreibt (), von Neuem die Positionen der Sterne, die im Alma- gest des PTO LEMAEU's enthalten sind: Wenn dieses sich so verhält, so dirfte es mehr als nãthig hinreichen, damit ihm ohne jeden Zweifel die Eigenschaft eines beobachtenden Astronomen Zuerkannt werde *), die wir inm aus wielen andern, vielleicht sicherern Gründen Zukommen sehen werden. Da er selbst die Polhöhen für die verschiedenen Städte Italiens und auch für die Meerenge von Giberaltar im Allgemeinen um einen Grad und mehr grösser fand, als sie von PTO LEMAEU's angegeben waren, so Zog er daraus die kühne Folgerung, und hatte den Muth, sie Zu veröffentlichen, dass die Achse der tāglichen Bewegung ihre Richtung in der Zeit zwischen dem alexandrinischen Astronomen und ihm verändert, dass unser Pol sich dem Zenit genähert habe?); diese Annahme, die von ihm in einem gewissen Prognosticon acht Jahre, beyor er Cop ERNICUs kennen lernte, weröffentlicht wurde, begegnete zu seiner Genugthuung dem Geiste dieses *) und 1) Histoire etc., T. 3., p. 99. 2) Montu cla, der von Novar a nur erwähnt, dass er Lehrer des Co- pernicus gewesen, und die nicht hinreichend begründete Meinung ausspricht, die wir sogleich mittheilen werden, lässt in seiner Geschichte folgende Worte lesen: , Maria fut de plus, a ce qu’il paro it, observateur.” (Histoire des Math €matiques, T. 1., p. 540, nouvelle édition). 3) Gassendi, Vita Nicolai Copernici, Opera Miscellane a. T. 5., p. 441. 4) G as sendi, a. a. O. — 37 — wurde ihm später zu grossem Verdienste angerechnet, und wenn nieht anders um deswegen, dass er mit ihr sich gegen das tief eingewurzelte und bis auf seine Zeit allseitig für richtig ange- nommene Vorurtheil — das auch viele Jahre nach ihm festgehaltem und eingeschärft wurde — zu erheben gewagt hatte, nämlich gegen das von der Umveränderlichkeit der Elemente des Weltsystems. Es ist dies der einzige wirkliche Ehrentitel, dem man für gewöhn- lich heutigem Tages von NovARA erwähnt; mam will ausserdem, dass er ihm mit einem andern theile, mit einem neapolitanischen Rechtsgelehrtem, der ungefähr um dieselbe Zeit die vorgenannte Conjectur vorgeschlagen habe *). Wenn man aber die wichtigsten astronomischen Werke des XVI. und XVII. Jahrhunderts durchblättert, findet man nicht seltem NovARA als Autorität für Beobachtungen, für Beobachtungs- und Rechmungsmethodem, für eigenthümliche Ideen citiert, und bei alle dem eine Verehrung für ihn, die derjenigen gleicht, die man nur dem gelehrtesten Menschen bezeugt. Ich begnüge mich mit An- führung weniger Beispiele, die Auslese von demen, auf die ich gestossem bin; sicherlich würden jedoch die in diesem Berufe Erfahrenen noch viele andere und wielleicht weit geeignetere finden, als die meinigen sind. Als erste Thatsache theile ich gern eine Stelle mit aus dem Directorium G enerale Urano metricum des CAVALIERI; es ist ein Ehrentribut für seine berühmten Wor- gänger auf dem Lehrstuhle dieser Studienamstalt. Dieser Tribut , konnte seinerseits im Angesicht der ganzen Welt nicht mit grös- serer Sorgfalt verfasst sein, da das Directorium Uranometri- cum allem seimen grösserem und kleineren Werken vorausgeht. Hier die Stelle, die mam auf Seite 6 der Vorrede an dem Leser*) findet: „Cum ergo alijs studijs ipse detinerer, ac meo publice „Mathematica e.rplicanda offitio perfungerer, nihil minis, quam „de hoc opere construendo cogitabam : cum vero ad Astrono- „mica studia prae caeteris propaganda animum adderem, ut „praedecessorum meorum vestigijs inhaererem, qui adeo 1stro- „nomiam e.rcoluerunt, nempe inter caeteros praestantissimi „viri D o m i n i c u s Ma r i a Ferrariensis Cop e r n i c i Prae- „ceptor, P. Magister I g n a t i u s Da n t e s 0rd. Praedicatorum, „nec non Ma g i m u s etc.** — Der hochgelehrte und hochberühmte 1) Libri, Histoi re etc., T. 3., p. 99. 2) D i r e ct oriu m G enerale U r an o m et ri cu m, Bononiae 1632. – 38 – Pater GovANN BATTIsTA RICCIOL in seiner doppelten Chro- nik der Astronomen oder Astrologen und Kosmographen, die am Anfange des ersten Theiles des 1. Bandes seines Almagestum Novum enthalten ist, bemerkt, indem er seinen Landsmann DO- MENICO MARIA NovARA anführt, unter den andern Vorzügen desselben, dass er durch sein Wort und das Beispiel seiner Beob- achtungen seine Schüler zur Wiederherstellung der astronomischen Wissenschaft angespornt, und dass man von ihm sage, er habe die grösste Declination der Sonne, oder, was dasselbe ist, die Schiefe der Ekliptik zu 23" 29 bestimmt. Das Verdienst in solcher Bestimmung") unermüdlich zu sein, von der man die grosse Ausdauer in den Beobachtungen, die sie verlangt, kennt, ist nicht gering. Den späteren Astronomen dieses wichtige Datum verschafft zu haben, darf man für das wichtige Geschäft der Auf- findung der fortschreitenden Abnahme der vorgenannten Schiefe der Ekliptik nicht gering anschlagen. Es scheint auch unglaublich, dass er selbst nicht die Thatsache dieser Abnahme bemerkt haben sollte. Denn es kann ihm nicht unbekannt geblieben sein, dass die Schiefe der Ekliptik zu den Zeiten des ARATUs zu 24 Grad geschätzt wurde, dass fünf Jahrhunderte später ProLEMAEUs sie nur 23" 51 20“ fand, und dass noch spätere Astronomen als diese sie immer kleiner und kleiner bestimmten: er fand sie noch kleiner als alle früheren, musste also entweder die fortschreitende Abnahme annehmen, oder meinen, die alten Beobachtungen seien merkwürdig ungenau. Ohne Weiteres sieht man, welche von den beiden Annahmen der, welcher die Veränderung der Weltaxe an- kündigte, lieber ergreifen musste. Aber darüber in unserer dieser folgenden Schrift; indessen darf ich nicht verschweigen, dass die Thatsache, von der ich annahm, sie könne NOVARA nicht unbe- kannt geblieben sein, sich in dem Werke seines berühmtesten Schülers bemerkt und erklärt findet*). 1) „Dominicus Maria Italus inquit eandem (maximam. Solis declinationen) „habere gr. 23.mi. 29.“, so lese ich im Commentar des Clavius zur Sphaera des Sacrobosco (Romae, 1570. p. 130), und Clavius, fast um ein Jahr- hundert dem Novara näher als Riccioli, muss daher in diesem Puncte noch grösseres Vertrauen geniessen als jener. Auch Pifferi Sansovino zählt in seiner Sfera di G. Sacro Bosco tradotta e di chiarata, Siena 1604, den Angaben des Clavius folgend den Domenico Maria unter die Astronomen, welche die grösste Declination der Sonne bestimmt haben. (p. 255). 2) Copernicus, De Revolutionibus Orbium Coelestium, Lib. 2. Cap. 2.; Lib. 3., Cap. 2. und Cap. 10, — 39 — „Directionum tuarum nova forma sublucet mihi, quam „quidem a diurno Solis apparenti motu derivas. Sed cum s,librum nondum habuerim, in quo rationes reperiam, funda- ,,menta, et pericula tua non diffundar in multis. Scito tan- „tum, Dominicum Mariam Ferrariensem, Copernici praecep- „torem, fuisse una fere simili dirigendi via usum. Scripta s,egregii hujus Mathematici apud Abbatem Ludovicum Mar- „cellum, meum consobrinum, sunt. Tu dirigis Lunam eodem „ modo, quo Solem : Dominicus Maria Ferrariensis non. Tu „subsequenti Solis motu diurno unius ejusdem anni (ni fallor) „metiris directionum omnium spatium : Ferrariensis in singulos „annos motum Solis diurnum venatur. In Sole etiam quid- „piam singulare aliud, dirigendo inquirit, quod non bene modo „recordor. Experientiam tamen , quemadmodum naturalem „tuam rationem, earistimo tibi palmam daturam.** Diese Stelle sah ich mit Ueberraschung — am Meisten, weil ich bei Niemand erwähnt gefundem, dass NovARA Werke in Manuscript-oder ge- druckt hinterlassen habe ausser dem oben erwähntem Progno- sticom oder Kalender — in einem langen Briefe *) des Conte VIN c EN zo BIAN c H 1 *) an KEPLER , datiert aus Venedig den 1) Denselbem Brief findet man im Giorn ale de' Lettera ti d' Italia, L. 81., art. 13., p. 303.; Lib an ori (Ferra r a d'oro i mb r unito, Ferrara 1665. P. 8., p. 81) berichtet ebenso, dass die Werke N o v ara s von seiner eigenen Hand geschriebem sich im Archive des Comte Lelio R o v er ello be- fänden, endlich gibt L az a r o A g o sti m o C ott a im M u s e o N avare se, 2. 266. p. 101 auf die Autorität B ar affaldis folgende Schriften Nov aras an: Mu m dus sub stellis p arti t u s, ac gentium genia a stellis in- fu ta. — Orati o n e s. — Opus cul a d iv e r s a ast r o 1 ogi c a. — D e la mi s natur ali b u s. Weitere Mittheilungen über die gedruckten Schriften N o v ar as, vom demen vier bis jetzt gänzlich unbekannt waren, sehe man im Anhange. Ich werdamke dieselben der Güte des Fürstem B. B on compagni in Rom. (Amm. d. Uebers.). 2) Es scheint unmöglich, dass von diesem Vincenzo Bianchi (sonst nennt er sich oft Bi a n c o, Comes Vicentinus, obgleich er in V e n e dig und nicht in Vicem z a und zwar von einem Vater aus derselbem Stadt am 4. März 1583 geborem ist), weder Tir ab o s c hi noch die Biografia u n iversale noch andere der gebräuchlichen biographisch- litterarischem Werke, wenigstens diejenigen, welche die italiánischen Schriftsteller enthalten, etwas Anderes be- richten zu müssem glaubten als die ausgezeichnete Ehre, die für ihn aus seinem Briefwechsel mit einem Kepler über astrologische Fragen im eigentlichen Sinne und über solche in der reinem und wirklichen Astronomie sowie über verschiedene wissenschaftliche und litterarisch-historische Fragem entsprimgt; und auch daraus machen sie nicht viel! Und dennoch haben so viele berühmte – 40 – 14. März 1619, dem dreihundertachtundachtzigsten Briefe des Briefwechsels, der in dem schönen und höchst werthvollen Bande enthalten ist betitelt: Epistolae ad Joannem Keplerum etc. scriptae, insertis ad eas dem responsionibus Keplerianis etc., den HANs CHIUs im Jahre 1718 herausgab"). In demselben Briefe wird auch bei dem Gegenstande der Radiationes jener BIANCHINI erwähnt, von dem ich oben gesprochen; man äussert sich über die Bewegung der Erde mit gewichtigen und zugleich beissenden Gründen; auch über DE DOMINIS, der beständig in England lebte, wird eine höchst eigenthümliche und für seine moralische Geschichte höchst interessante Meinung vorgebracht, vaterländische Geschichtsschreiber wie Coronelli, Foscarini, Zeno, Cornero u. A. ihn seiner Zeit mit gebührender Ehre und Unparteilichkeit erwähnt; und selbst Mazzuchelli, auf dessen Fusstapfen Tiraboschi bei so vielen Gelegenheiten allein einherschreitet, hat in seiner breiten Manier sein Andenken erwähnt. Wir müssen bekennen, dass die Biographen und die mehr oder weniger allgemeinen biographischen Lexica damit einen grossen Fehler begehen; einen um so grössern Fehler, da sie dazu das vortreffliche Material des ausgezeichneten Werkes plündern konnten, das schon seit 28 Jahren heraus- gegeben ist: Delle Iscrizioni veneziane raccolte ed illustrate da Emmanuele Antonio Cicogna, cittadino Veneto, Venezia 1842, Vol. V9. p. 137 und 215–221. Man sehe, wie viel dieser treffliche Cicogna zum Lobe, aber auch zum Tadel dieses bizarren aber starken und umfassenden Geistes des Vincenzo Bianchi zu sagen weiss: Er war Cle- riker, Doctor der Theologie und beider Rechte u. s. w. – berühmter Orien- talist, Ritter des Ordens vom heiligen Michael, der ihm von Heinrich IV. von Frankreich verliehen wurde, als er in Paris als Königlicher Professor mit Beifall über die heilige alte Theologie der Hebräer las (1605 – 1606) in einem Alter von noch nicht mehr als 22–23 Jahren. – Ein Freund der kirchlichen Studien, aber unveränderlich verloren in die astronomischen und astrologischen, daher geziert mit den verschiedenartigsten und umfassendsten Kenntnissen, die ihm erleichtert und vermehrt wurden auf seinen Reisen in die Hauptstädte und die hauptsächlichsten Universitäten Europas, und man darf sich daher nicht wundern, dass er mit den berühmtesten Männern seiner Zeit, dem Cardinal Bellarmino, jenem Cardinal Medici, der nachmals Papst Leo XI., u. s. w. mit einem Kepler im Briefwechsel war. Wenn man des Letzteren Corre- spondenz mit Bianchi liest und die langen Discussionen und die feinsten Finessen sieht, die hie und da daran gegeben, ja verschwendet werden an die Directionen, an die Genituren und andere derartige astrologische Alfanzereien, auf die jener sich vollständig stützt, so würde man niemals glauben, dass Kepler das grosse positive beobachtende und mathematische Genie war, das er doch wirklich ist!: (ein Widerspruch, ein Gegensatz, unglaublich und doch wahr, auf den schon vielfach und auf andere und gewichtigere Argumente gestützt hingewiesen ist). 1) S. 612 u. ff – 41 – eine Meinung, die man nach der ähnlichen KEPLERs am Ende seines vorhergehenden Briefes ) völlig versteht. In der Antwort KEPLERs, die darauf folgt, datiert vom 14. April 1619?), findet man folgende Periode: „Dominici Mariae modum dirigendi Lu- „nam libenter widebo. Haesito enim etiam ipse circa Lunam. „potiusque ducem sequor, quam rationem propriam.“ Diese Stellen sind meinerseits keines Commentars bedürftig. Ich füge nur hinzu, dass diejenigen, die zwei oder drei Jahrhunderte später zur Welt gekommen, indem sie NovARA in seiner Eigen- schaft als Astronom rühmen, dennoch anführen zu müssen glauben, „dass er in seinen astrologischen Beobachtungen nicht den „Muth hatte, sich von dem gemeinem Volke zu entfernen“*), damit offen zeigen, dass sie weder den Mann noch die Zeit, soweit es diesen Gegenstand betrifft, irgendwie erkannt haben. Was diesen Gegenstand betrifft, so war damals, wenn irgend jemals, Jedermann Pöbel, und die Ungereimtheit gegen einen Ausgezeich- neten über eine grosse Masse hin geschleudert, hat etwas Unsin- niges oder im höchsten Grade Parteiisches. So dass ich, wenn, wie ich stark vermuthe, diese Ungezogenheit dadurch entstand, dass man die weltbekannte Inschrift des Leichensteins des Do- MEN ICO MARIA in der hiesigen Kirche der S. Annunziata – gesetzt von einem gewissen ZUCCATI – buchstäblich auffasste, aus der man entnahm, dass er im Alter von 50 Jahren im Jahre 1514 starb *), und in der seine astronomischen Verdienste unter einer rein astrologischen Form zusammengefasst wurden, antworte, 1) a. a. O, p. 612. 2) Ebendaselbst, p. 615 u. ff. 3) Tiraboschi, Storia della Letteratura Italiana. 4) „Objt An. Sal. M.D.XIV. Cal. sept.“ so liest man genau in der Inschrift bei Alidosi (Li Dottori forest. ecc., p. 19–20). Aber wenige Reihen vorher liest man ebendaselbst: „dass Domenico Maria... Docent der Astronomie war... „bis zum Jahre 1504, in dem er starb“ (Domenico Maria...fu Lettore d'Astronomia... fin' al 1504 che mor). Dass er diese Professur nur bis 1504 ausübte, ist ganz sicher, weil es sich aus den Rotoli ergibt (das letzte Rotolo, in dem Novara erscheint, ist das des Studien- oder Schuljahres 1503–1504); dass er darauf in demselben Jahre starb, steht mit der Inschrift nicht in Uebereinstimmung. Die Untersuchung derselben auf dem Epitaphium hätte die Sache aufklären können: aber den Stein, sei es, dass er zerstört wurde oder mit Tünche be- deckt, habe ich in der hiesigen Kirche S. Annunziata fuori di S. Mammolo nicht wieder auffinden können. Der P. Riccioli schreibt in dem erwähnten Werke unter der Jahreszahl 1484 der ersten Chronik: „Dom. Maria Ferrariensis „floret et 1514 moritur“, und dies ist mit dem Epitaphium in Uebereinstimmung: – 42 – dass gerade diese Form den allgemeinen Geist erkennen lässt, der in dergleichen Gegenständen damals herrschte, wie man die Astronomen haben wollte, und was sie thun mussten, wenn sie aber in der zweiten Chronik (p. 33), wo er schreibt: „docuitque illam (Astro- „nomiam Bononiae) ab anno 1484 ad 1514“, widerspricht er den Rotoli, die nicht irren können. Alles in Allem mag wahr sein, dass Novara 1514 starb, aber es ist unzweifelhaft, dass die beiden letzten Jahrfünft seines kurzen Lebens für diese öffentliche Universität verloren waren, sei es nun, dass dem frühreifen Geiste, der ihn mit 19 Jahren auf einen so wichtigen Lehrstuhl erhob, früh- zeitig, wie es zu sein pflegt, die Kraft des Körpers fehlte; sei es, dass er nach 21 Jahren eines so hochberühmten Aufenthaltes in Bologna sich von dort entfernte, um später dahin zurückzukehren, dort seine Tage zu beschliessen. Diese zweite Annahme würde die richtige sein, wenn sich die Behauptung Borsettis bewahrheitete, dass Novara die Mathematik auch in Ferrara, Perugia und Rom lehrte (Borsetti, Historia Almi Ferrariae Gym- nasii, P. 2a., p. 80), da es nicht wahrscheinlich ist, dass drei Universitäten ihn noch vor jenem unreifen Alter von 19 Jahren als Docent besessen haben. Vielmehr entsteht, wenn man die Thatsachen in dieser Weise auseinanderlegt, sogleich der Argwohn eines Irrthums in der Annahme, dass Novara mit 19 Jahren habe auf den Lehrstuhl der Astronomie an der berühmtesten da- maligen Universität steigen können; ein Argwohn, der eine Begründung bei Alidosi fände, wenn man annähme, dass zwischen den beiden Zahlen 1504 und MDXIV, die wir mitgetheilt haben, und von denen doch eine versehen sein muss, der Irrthum auf Seiten der zweiten falle, d. h., dass auf dem Leichen- stein gemeisselt war MDIV. Wenn dieselbe wiedergefunden würde, oder wenn irgend ein anderes Document dies sicher stellte, was ich sehr stark erwarte, so begönnen die 50 Jahre des Domenico Maria zwei Jahrfünft eher, als man es bis jetzt festgehalten, und sein Einfluss auf den jugendlichen Coper- nicus bei dessen Ankunft in Bologna wäre grösser gewesen; es würde auch so das, was man von ihm erzählt und was uns aus jenen Zeiten übermittelt wird, noch viel glaubhafter erscheinen. = Man hat später gefunden, dass der Irrthum genau in obiger Weise stattgefunden. Ghirard a cci meldet in seiner Storia progressiva di Bologna (Parte 1a. Bologna 1596 bei Lebzeiten des Verfassers, der 1598 starb, und Eben daselbst l 605; Parte 2a. Bo- logna 1657. Der dritte Theil ist noch nicht gedruckt und befindet sich im Manuscripte im Archivio Arcivescovile in Bologna. In diesem dritten Theile fand ich die nachfolgende Notiz) von dem berühmten Astronomen, er sei am 15. August 1504 an der Pest gestorben. Folgende Betrachtung dürfte auch ohne dieses positive Zeugniss Ghirard.accis genügen, die Jahreszahl MDIV an Stelle von MDXIV als die einzig mögliche anzuerkennen. In der erwähnten Inschrift heisst es: „Pierj iuvenes populus: gens curia lugent „Externi Reges Bentivolea Domus.“ etc. Nach dem, was wir oben (S. 32–34) in Bezug auf Luca Gaurico mitgetheilt, bestand aber das Haus der Bentivogli im Jahre 1514 in Bologna nicht – 43 – dazu auch nicht gerade Neigung hatten, um dem Publicum zu dienen (jenen: „Pierij juvenes, Populus, Gens, Curia, Ertern „Reges, Bentivolea Domus“, welche nach der Inschrift bitter- lich den Tod NoVARAs beklagten), und um Mittel zu erhalten, den echten Theil der Wissenschaft zu treiben; ich würde auch ebenso antworten, auf einige mitgetheilte Stellen mich stützend – und jeder, der weiss in welcher Hauptabsicht man die unge- heuren Anstrengungen in Bezug auf die Directiones und Radia- tiones Dienste leisten liess, wird mich verstehen –, dass jener sich in astrologischen Gegenständen auf dieselbe Höhe wie ein KEPLER erhob: es ist also die Behauptung, dass er sich in dieser Beziehung mit dem gemeinen Volke vermischt habe, sehr wohlfeil und unwahr!). - Wir kommen zu DAL FERRO und zu PACIOLI. Nicht sobald hatte ich in dem Rotolo von 1501 gelesen: „D. M. Lucas „de Burgo Siti Sepulchri Ordinis Minorum“ als ich verwundert stehen blieb – durch eine Ueberlegung, die jedem sehr bald in den Sinn kommen wird –, wie Niemand von den Mathematikern, die über die Erfindung des FRA LUCA und des FERRo gesprochen mehr, sondern war schon im Jahre 1506–1507 durch die Volkswuth vertrieben. Es wäre also wohl kaum anzunehmen, dass man in diesem Jahre 1514 eine solche Bemerkung einer Grabschrift einfügen konnte, während 1504, wo die Bentivogli noch auf dem Gipfel ihrer Macht standen, dieselbe am richtigen Platze war. = Endlich berichtet auch Vossius (a. a. O. Cap. 35, § 45) von Domenico Maria Folgendes: „Anno 1450 in Italia claruit Dominicus Maria „Bononiensis, Copernici Praeceptor.“ Ohne das Bononiensis zu berühren, das mit Recht den Ferraresen missfällt, begnügen wir uns mit der Bemerkung, dass, wenn der Tod Novaras eher in das Jahr 1504 als zehn Jahre später fällt, der Fehler in der Jahreszahl 1450, die Vossius beibringt, kleiner sein würde; er würde ferner gar nicht da sein, wenn nur jenes claruit eher auf das Geboren- werden, als auf das Blühen des Novara bezogen werden könnte. 1) Der berühmte Tiraboschi hätte, statt hier wie in andern ähnlichen Fällen seine Meinung ohne hinreichende Kenntniss der Sache zu geben und in dem merkwürdigen Vorurtheil befangen, die Menschen der vergangenen Welt mit den Ideen der Welt von jetzt zu beurtheilen, vielmehr belieben sollen, Nachforschungen über die nachgelassenen Schriften Novaras anzustellen, eine ganz für ihn und sein Werk passende Sache. Diesen Fehler an dem Für- sten der Geschichtschreiber unserer Litteratur bemerken wir frei- müthig, aber ohne den Zweck, im Allgemeinen jene grosse Achtung und Ver- ehrung verringern zu wollen, die man ihm schuldet, und die auch wir ihm aussprechen wie irgend jemand, auch als Zeichen der Dankbarkeit für diese unsere Arbeit. – 44 – haben, die Anstellung jenes in Bologna wenn auch nur während eines Jahres, doch während eines Jahres der langen Anstellung des Andern angemerkt hatten, und zupar als etuvas höchst Merk- viirdiges. Es ging daber der Gedanke, sofort in dieser Beziehung das Zeugniss des Rotolo, wenn auch an und für sich schon von höchster Autoritàt, zu bestâtigen, jedem andern vor. In der Ta- vola dei cognomi delli Dottori et Rettori, die man am Ende des citierten Buches von A LIDOSI, Li Dottori Forestieri che in Bologna hanno letto, findet, traf ich weder auf PA- CIoLI, noch DA BoRGO SAN SEPOLCRO, noch FRA LUCA und hielt deshalb zunâchst dafür, dass A LIDO SI dieser merk- würdige Professor von fremdher entgangen wäre. Als ich aber hernach im Buche selbst nachsuchte fand ich ihn auf Seite 50 erwähntº). Nachher erfuhr ich durch einen Liebhaber ahnlicher Untersuchungenº), dass in der Bibliothek der Universität eine 1) , Luca da Borgo S. Sepolcro dell' Ordine Minore del 1501 leggeva , Matematica. Ha in stampa una Somma d'Aritmetica et di Geomet. Das Ver- sehen Alidosis, dass er namlich die Erwähnung dieses Docenten in der vor- genannten Tavola nicht aufführt, sondern sie dagegen allein in der folgendem Tavola delle Provincie, Città e Luoghi de Dottori, et Rettori citiert, wo man dieselbe unter dem Schlagwort Borgo San Sepolcro findet (man bemerke, dass ein gewisser Milani, ebenfalls aus B orgo San Sepolcro, in jeder der beiden Tavole genannt ist), dirfte der Grund sein, dass weder Tiraboschi noch Andere Fra Luca in der Reihe der Professoren dieser alten Studien- anstalt aufgezahlt haben. 2) Herr Serafino Mazzetti, erzbischöficher Archivar, der in seinen Memorie Storiche della Università di Bologna, die er schon ver- öffentlicht hat, und in abnlichen Werken, an denen er noch arbeitet, an der Hand der nòthigen Documente viele Irrthümer, die Alidosi, Fantuzzi und Anderen unserer Schriftsteller entgamgen sind, berichtigt hat und noch be- richtigt. = Die vorgemannten Memorie storiche sopra l'Università e L'Istituto delle Scienze di Bologna erschienen im Jahre 1840. – Das andere innliche Werk, das ich oben erwahnte, erschien später in zwei Bänden 1847 und 1848. Der erste umfangreichere mit dem Titel: Reper- torio di tutti i professori antichi e moderni della famosa Uni- versità e del celebre Istituto delle scienze di Bologna, der zweite betitelt: Alcune aggiunte e correzioni alle Opere dell' Alidosi, del Cavazza, del Sarti, del Fantuzzi, e del Tiraboschi, per quella parte soltanto che tratta de professori dell' Università di Bologna. Diese drei Arbeiten Mazzettis, von gutem Rufe, vorzugsweise aber das Repertorio sind für die, welche dergleichen Notizen bedürfen, von grossem Nutzen. Da er fühlte, er sei einfach Compilator, zwar genau, aber nicht mit hinreichenden Kenntnissen versehen, um sich in den Stoff vertiefen handschriftliche Notiz über die Ordensbrüder des heiligen FRAN- CISCUs, welche Lehrstühle an der alten Studienanstalt von Bo– logna inne hatten, aufbewahrt werde, und bei Vergleichung dieser Notiz fand ich Folgendes: dass nach den Monumenten jenes Klo- sters des S. FRANCISCUs der Padre Maestro LUCA PACIOLI DA BoRG o S. SEPOLCRO zum Docent der Mathematik im Jahre 1501 erwählt sei, dass er jene Wissenschaft auch in Rom von 1489 an las, und dass von ihm Poss EVINUs (Appar. Sacr.) und WADING (De Scriptoribus Ordinis Minorum) sprechen. Es ist somit unzweifelhaft, dass PACIOLI nach Bologna kam und an der Universität im Jahre 1501– 1502 Vorlesungen hielt. Nach den Vergleichungen, die ich über sein Leben anstellen konnte, schien es mir, dass er auf der Flucht von dem Hofe des LODO – vICO IL MORO bei Ankunft der Franzosen in der Lombardei zugleich mit dem grossen LEONARDO DA VINCI, seinem Ver- trauten und Theilnehmer der Mühen und Ehren an jenem Hofe, hierher gekommen. Damals hatte er schon alle seine Werke mit Ausnahme der Divina Proporzione ans Licht gegeben, die er 1509 dem PIETRO SoDERINI widmete, lebenslänglichem Gonfa- loniere der Republik Florenz; dieses systematische Werk, welches durch die von LEONARDO gestochenen Figuren und vielleicht auch durch seine andere Mitarbeiterschaft einen seltenen Werth besitzt, und nach dessen Veröffentlichung FRA LUCA sehr bald gestorben zu sein scheint!). Die hervorragenden und vielfältigen Verdienste dieses grossen Sammlers der mathematischen Wissenschaften würden eine Dar- stellung in einem engen Rahmen schlecht ertragen; aber eine geziemende können wir ihnen hier nicht bestimmen und dürften es vielleicht nicht einmal in Rücksicht auf das ganz kurze Zu- sammensein PACIOLIs mit der Versammlung ausgezeichneter Mathematiker, mit denen unsere zweite Epoche ausgestattet ist. - und immer für die Richtigkeit aufkommen zu können, gab er seine handschrift- lichen Werke, bevor er sie dem Drucke anvertraute, oder auch die Correctur- abzüge verschiedenen Professoren der Universität und andern Gelehrten zur Durch- sicht und zur Revision. Er hatte auch die Güte, sie mir mitzutheilen, und ich entsprach, soviel ich verstand und konnte, seinem Vertrauen, indem ich ihm Be- richtigungen, Zusätze, Modificationen einiger Urtheile vorschlug, die, muss ich sagen, der arme Serafino Mazzetti (der in noch jugendlichem Alter 1855 starb) zum grössten Theile acceptierte. 1) Libri, Histoire etc., T. 3., p. 133 ff. – 46 – Indem wir also über ihn auf die Geschichtsschreiber der Mathe- matik verweisen, vorzugsweise auf Coss AL1 und LIBRI, gehen wir zu einer bemerkenswerthen Parallele in Betreff PACoLs und DAL FERRos über; es wird dies ein gleichsam augenblick- liches sich Vertiefen in den historischen Vorwurf sein, dessen wir beim Beschluss der Betrachtungen über die erste Epoche erwähnten. Den also, welcher in seiner Summa de Arithmetica Geo- metria, die zuerst 1494 gedruckt ist, diejenigen Gleichungen von höherem als dem 2. Grade neben einander stellt, welche durch eine allgemeine Regel zu lösen möglich ist, und neben zwei, die sich auf folgende reducieren: fr” + gar = " , fr” + n = gr, geschrieben hatte: „impossibile“!), findet män hier sieben Jahre später in derselben Facultät als Lehrer mit dem Geiste der damals schon oder sehr bald nachher im Besitze des Schlüssels zur Lösung genau ähnlicher Gleichungen war, als die Gleichungen waren, von deren Lösung der Ausspruch der Unmöglichkeit fiel. gethan von dem grossen Arithmetiker, Algebristen und Geometer FRA LUCA. Jeder versteht, dass der bezeichnete Geist SCIPION E FERRO war, dem damals das sechste Jahr der bescheidenen Professur der Arithmetik und Geometrie währte, bescheiden im Vergleich zu der – 4d Mathematicam –, die man dem verehrten Veteranen anvertraut hatte. Die Worte, welche dieser seiner Meinung der Un– möglichkeit in Betreff der allgemeinen Auflösung genannter Glei- chungen hinzufügt, durch welche Worte, die vage, schlecht be- stimmte, man mögte fast sagen metaphysische Ideen aussprechen, er verworren merken lässt, dass er unter der ausgesprochenen Unmöglichkeit keine absolute Unmöglichkeit versteht, sondern vielmehr eine auf den damaligen Zustand der Wissenschaft bezüg- liche, können in Wirklichkeit kaum irgend welche Hilfe bei dem Versuche zu dieser allgemeinen Lösung zu gelangen gewähren. Er sagt dort nämlich, dass für die Auflösung solcher „aguaglia- „menti . . . non sipo dare regola generale, se non ale volte „a tastoni“ in gewissen Specialfällen, und dass die Aufsuchung dieser allgemeinen Regel auf eine Linie mit der Quadratur des 1) Summa de Arithmetica, Geometria, Proportioniet Pro- portionalita ecc., Prima parte principale, distinctio octava, Tractatus sextus Art. 2., Blatt 149a. der Ausgabe von Tusculamum 1523. – 47 – Kreises zu stellen sei: – . E pero quando in li toi aguaglia- menti te ritrovi termini de diversi intervalli fra loro dispro- porzionati“ (FRA LUCA geht hier auf die beiden mitgetheilten Gleichungen 3. Grades ein), - dirai che larte ancora a tal caso non a datto modo, si commo ancora non e dato modo al quadrare del cerchio. Siche ista sta n t si m al chel caso ,sia possibile, e per anco el modo absolverlo non sia dato per la improportionalita che e cativa“ ). Mit gutem Grunde könnte folglich º) der grosse CARDAN entschuldigt werden – was auch CossALI º) dariber sagt – sich nicht zuerst auf die Aufiòsung des Aguagliamento di cubo e cose al numero gelegt zu haben (so drückte man damals die Gleichungen von der Form 1) Summa etc., Articulus quartus, – De modo formandi plura capitula secundum erigentiam casuum –, am Ende. Blatt 150a. der genannten Ausgabe. 2) Libri, Histoire etc., T. 3., p. l 5 l. 3) Cossali figt bei Wiedergabe der Stelle des Fra Luca, die auch wir oben angegeben haben, nach den Worten , al quadrare del cerchio “ zwischen Parenthesen hinzu: , per tutti i philosophi pmarime Aristotile scibile“ mit der Be- merkung, er habe diese andern Worte aus derselben Summa etc. des Fra Luca Bltt. 106 aufgenommen. Damit wollte Cossali ohne Zweifel beweisen, dass Fra Luca in derselben Weise, wie er die Quadratur des Kreises für vissbar oder auffindbar hielt, sich auch dazu bringen liess, die allgemeine Auf- lösung der vorgenannten Capitula fir wissbar oder auffindbar zu halten (Ori- gine, Trasporto in Italia, Primi Progressi in essa dell' Alge- bra. Storia critica ecc. Vol. 2., Parma 1799, p. 97). Aber es ist gleichwohl vòllig klar, dass Fra Luca durch eine derartige Vergleichung nicht die Absicht haben konnte, von dem Gedanken der ausgesprochenen Un- möglichkeit etwas Anderes oder wenig mehr auszuschliessen als die Idee einer metaphysischen Unmöglichkeit. Die sehr entfernte Möglichkeit, die durch eine solche Ausschliessung blieb, verschwand gleichsam im Geiste jedes strengen Geometers, der nicht Sophist war; ein solcher musste vielmehr die Worte des Fra Luca in folgender Weise umkehren: Es ist vergeblich eine allgemeine Regel zur Behandlung dieser Capitel zu suchen, wie es vergeblich wäre die genaue Quadratur des Kreises zu suchen. Der ganze Passus ibrigens, dem Cossali die mitgetheilten Worte entnahm, ist folgender: ..Ars imitatur naturam in quantum potest. Non pero a tutte cose operabili si po dare modo si per carentia determini a noi ignoti, si anche perche lo perscrutare humano (finora) non a tinto el fine del suo desiderio: commo per tutti phylosophi, maxime Ari- stotile, de la quadratura del cerchio se dici esser scibile, avenga che fin mo per nullo sia precisamente trovata. Quantunche per Archimede Siracusano el modo pratico operativo a sua dimensione con certa aprorinatione a noi sia dato ecc.” (Summa etc., Distinctio septi ma, Tractatus secundus, A rti culus quintus, Blatt 106a º der erwahnten Ausgabe). – 48 – r” + pr = q aus, indem man die Unbekannte ºr cosa nannte), unter Anführung des sehr beachtenswerthen Ausspruchs: „ Dece- „ptus enim ego verbis Lucae Pacioli, qui ultra sua capitula, ..generale ullum aliud esse posse negat (quanquam tot jam „antea, rebus a me inventis ) sub manibus esset) desperabam „tamen invenire, quod quaerere non audebam“?); ein Aus- spruch, der nur die höchste Achtung vor der Autorität des FRA LUCA ausdrückt; der aufdeckt, wie sehr unerwartet damals die erwähnte allgemeine Auflösung War; wie schon allein der Versuch ein grosses Zeichen eines kühnen Geistes, das Gelingen der Ent- deckung endlich ein sicheres Beweismittel eines tiefen Erfindungs- geistes und Beförderers der Wissenschaft war. Nichts aber kann dem emphatischen Ausspruche gleichen, den man über alle dieses in der nämlichen Ars Magna liest: „Scipio Ferreus Bononiensis „capitulum cubi et rerum numero aequalium invenit, rem sane „pulchram et admirabilem ; cum omzem humanam subtilitatem, „omnis ingenij mortalis claritatem ars haec superet. donum „profecto coeleste, erperimentum autem virttis animorum, „atque adeo illustre, ut, qui haec attigerit, nihil non intelligere „posse se credat. Huius aemulatione Nicolaus Tartalea Brirel- „lensis, amicus noster, cum in certamen cum illius discipulo .. Antonio Maria Florido vemisset, capitulum idem, “e vince- „retur, invenit, qui mihi ipsum multis precibus eroratus tra- „didit.“ (Cap. I., am Anfang). – Diese Empfindungen des Menschen, der aus der Erfindung den grössten Vortheil zog, indem er sie zur Vermehrung der Wissenschaft fruchtbringend machte und für seine Schule ausdehnte, vor allen aber durch die Anregung, die er dadurch seinem Schüler FERRARI gab, einem andern vor- trefflichen bologneser Genie, der daraus die höchsten und schwie- rigsten Lorbeern pflückte, reichen ohne Weiteres zu der Ueber- zeugung hin, wie sehr ScIPIoNE FFRRO durch diese Entdeckung den grössten Geistern seiner Zeit überlegen war und sich wohl- verdient um die Mathematik gemacht hat. *). Vor ihm geriethen 1) Zwischen diesen Parenthesen findet sich übrigens eine sehr übertriebene Prahlerei, eine Unwahrheit des Verfassers, die jeder aus dem Folgenden ent- decken wird, und die auch den Vorwürfen und Spöttereien des Tartaglia nicht entging (M. s. Opere del Tartaglia, Venetia 1606. – Quesiti et Inventioni diverse, Libro nono, Quesito 38, p. 273–274). 2) Ars Magna, Cap. I am Anfang. 3) Libri, Histoire etc., T. 3., p. 151. – 49 – die Algebristen von der grössten Erfindungskraft, die sich mit den Gleichungen 3. Grades versuchten, ohne es zu merken, in falsche Lösungen !); und die Algebristen der reinsten und höchsten Lehre, die man nicht besser ins Gesammt repräsentieren kann als durch FRA LUCA, erklärten, wie wir gesehen, solche Lösungen für unmöglich ausser in einzelnen speciellen Fällen durch Umher– tappen. FERRO zuerst warf die Barriere nieder, die man schon für unübersteiglich hielt, eine Barriere, die ausserdem nur durch einen einzigen Schritt von der getrennt ist, welche die Gesammt- kräfte eines LAGRANGE und der noch Neueren nicht hingereicht haben niederzureissen, und auf welche unauslöschlich geschrieben zu sein scheint – unpassierbar –*). Aber welchen Weg schlug DAL FERRo ein, welche ganz neue Methode erfand er, die ihn zu der fremdartigen Erfindung führte? Welches war die von ihm gefundene Regel für die all- gemeine Auflösung dieser Gleichungen, wie der Beweis dieser Regel? Trug er sie in seinen Vorlesungen vor, setzte er sie in einer Schrift auseinander, publicierte er sie, theilte er sie mit oder vertraute er sie irgend jemand an? Und wir können auch noch hinzufügen: Entdeckte FRA LUCA, wen er an der Studien- anstalt Bologna zur Seite hatte, oder entdeckte dieser sich ihm, indem er ihn theilnehmen liess an seinem Juwel oder den noth- wendigen Schätzen zu seinem Besitze? So hören Sie zunächst als alle Antwort auf diese und ähnliche Fragen eine traurige Ver- neinung! *); die ernste und beredte Verneinung eines LAG RANGE in den Mémoires de l'Académie de Berlin *). Ehe er uns mit seinen ausgezeichneten Arbeiten über die algebraische Auf- lösung der Gleichungen beschenkt, erwähnt er mit gebührendem Lobe seine vaterländischen Analytiker des XVI. Jahrhunderts, die sie mit grösstem Erfolge beförderten, lässt dabei aber seinen Ver- druss wahrnehmen, dass man die primitive Auflösung der Gleichungen 3. Grades nicht kenne, d. h. den Weg, die Methode mit der man zu ihr gelangte"). Durchlaufen Sie nachher die 1) Libri, Histoire etc., T. 2., p. 213. 2) Libri, Histoire etc., T. 3., p. 148 u. 151. 3) Libri, Histoire etc., T. 3., p. 150. Anm. 1. 4) Année 1770, p. 135–136. 5) Nachdem der unvergleichliche Analytiker darauf hingewiesen, dass die Lösung der Gleichungen 3. und 4. Grades zuerst von Cardan veröffentlicht wurde, und dass man, was die Lösung von Buchstabengleichungen betrifft, Gherardi, Materialien. 4 – 50 – ausfuhrliche Geschichte dieses Riesenschrittes der Algebra bei CossALI 1); sammeln Sie Auszüge aus den Werken LIBRIsº) und anderer Schriftsteller, die mit solchen Gegenständen vertraut sind, und als ganze Genugthuung für alle vorgelegten Fragen missen Sie sich mit dem Wenigen begnügen, was in der folgenden Erzählungersichtlich gemacht ist die ich selbst zusammengestellt, nachdem ich Alles gelesen und auf Alles Acht gehabt. Ein ge- Wisser ANTONIO MARIA DEL FIORE (jener sogenannte FLORI- DUs des CARDAN), ein praktischer Rechner, der in Italien herum- reiste, um den Mathematikern, mit denen er zusammentraf, Aufgaben zur Lösung aufzugeben, trafim Jahre 15.30 in Brescia mit einem gewissen ZUANE DE' ToNINI DA CoI (von CARDAN JOANN Es Co LLA genannt) und spiter am Ende des Jahres 1534 zu Venedig mit Nico Lò TARTAGLIA zusammen, welche in jenen Städten mathematische Schulen hielten, und forderte sie zum Wettkampf iber Probleme heraus, welche in Zeichen umgesetzt auf Gleichungen dritten Grades führten. DE' TONINI wendete sich an TARTAGLIA zuerst in Verona, nachher in Venedig, ehe und nachdem dieser direct von DAL FIORE gefordert War, und suchte, indem er selbst die Miene eines Angreifers annahm, von diesem grossen Geiste Waffen zur Vertheidigung und zum Angriff zu erhalten. Was darauf zwischen DE' TONINI und TARTAGLIA vorging, macht für uns jetzt wenig aus. Dagegen ist es von grösster Wichtigkeit, zu wissen, dass TARTAGLIA zunâchst meinte, der einzige Zweck der Herausforderer sei, zu täuschen und glauben zu machen, sie seien im Stande diese Pro- bleme nach allgemeinen Regeln zu lòsen, obgleich sie nach dem Urtheil des FRA LUCA und Anderer die Unmöglichkeit der Sache kannten und von derselben überzeugt wärenº). Er verachtete - heute noch keinen Schritt weiter sei, als man zu den Zeiten jenes gewesen, fügt er hinzu: , Les premiers succès des Analistes Italiens dans cette matière paroissent avoir éte le terme des decouvertes qu'on y pouvoit faire. Dann im Begriff die Gleichungen dritten Grades unter der Form cº + na: + p = 0 zu behandeln, sagt er: ,C'est dans cet état que les equations du troisième degré ont été d'abord traitées par Scipio Ferreo, et par Tartalea è qui on doit leur resolution; mais non ignore le chemin qui le s y a conduits.“ 1) Origine, Trasporto in Italia, Primi Progressi in essa dell' Algebra, Storia critica ecc., Vol. 2., Cap. 2., p. 96–145. 2) Histoire etc., T. 3., p. 148–154 und an andern Orten. 3) Tartaglia, Opere ecc., Quesiti ecc., Lib. 9, p. 228–224, 228– 229, 235, 237. - – 51 – daher zunächst die Herausforderung COLLAs und noch mehr die DAL FIOR Es, in dem er nichts Weiter erblickte als einen ge- wöhnlichen Rechner, wenn auch von grosser Praxis. Als er aber versichern hörte, dass ein grosser Mathematiker schon vor dreissig Jahren DAL FIORE das Geheimniss gezeigt habe, jene allgemeine Regel zur Auflösung der verwickelten Probleme, deren Besitz, mit welchem sich jener FIoRE brüstete, er für eine seiner falschesten Aufschneidereien gehalten, machte er sich augenblick- lich daran, sie zu suchen, sie aus seinem eigenen Geiste hervor- spriessen zu lassen und er erfand sie wieder, hielt sie dann verborgen und benutzte sie nur, um den vorgenannten Abenteurer in Bestürzung zu versetzen. TONINI, ärgerlich, dass er weder von dem einen noch von dem andern die allgemeine Regel oder Formel zur Auf- lösung des Cubo e cose eguali a numero") hatte erhalten können, 1) Zu den Zeiten des Tartaglia und auch noch ein gut Stück nachher wurden die Gleichungen r” + pr= q, r* = pr + q, r” + q= pr getrennt behandelt, und man gab für jede die betreffende Regel oder auflösende Formel; denn damals war es nichts Einfaches, den Wechsel der Zeichen in den Coeffi- cienten p, q zu machen, den Uebergang von einem Falle zum andern und das Zusammenfassen aller in eine einzige Formel. Nachdem Tartaglia die cu- bische Gleichung unter der Form r” -pr= q behandelt und allgemein gelöst hatte, auf welche Form alle algebraischen Fragen führten, die Dal Fiore vorgelegt hatte, behandelte er sie sofort und löste sie ebenso unter den andern beiden Formen. Nichtsdestoweniger spreche ich hier und im weitern Verfolg nur von der Gleichung r” + pac =q und von der einzigen auf sie bezüglichen Regel aus folgenden Gründen: der Kürze halber, und weil der Kern des Ganzen oder die eigentliche zu überwindende Schwierigkeit sich auch damals darauf reducierte, die Gleichung unter einer der drei Formen aufzulösen, und auch aus den Gründen, die im Laufe dieser Schrift sich zeigen werden, speciell aber in der Anmerkung (b) am Ende derselben. Aehnliche Beweggründe haben mich veranlasst, im Texte die Gleichung r” + mºr* = n gar nicht zu erwähnen, die Tartaglia wirklich 4 bis 5 Jahre vor der andern r” + px = q behandelte, da sie die Fragen umfasste, die Fiore am Ende des Jahres 1534 vorlegte, wie wir gesagt haben, und einige der Fragen, die im Jahre 1530 gegen Colla gerichtet waren. Tartaglia selbst war es, der uns erzählt, er habe die Glei- chung c” +ma? = n Jahre lang vor der andern r* + pr=q nicht bloss behan- delt, sondern allgemein gelöst; diese Behauptung, die man nicht für einen Augen- blick, wie jemand gemeint hat, sondern eine lange Zeit hindurch geglaubt hat, und zwar immer nur zu viel, da er darin einen grossen Irrthum beging, den Cossali, aber vielleicht nicht vollständig, aufdeckte – (Origine etc., im gen. Bande p. 98–99, 105–106, 113). – In unserer erwähnten Anmerkung (b) kommen wir zu gelegener Zeit auf diesen Gegenstand zurück. – Wir berühren dies mit dem Hauptzwecke, sogleich eine andere Prahlerei Tartaglias - 4 * – 52 – geht darauf nach Mailand, meldet CARDAN, diese Formel sei gefunden, der Erfinder sei SCIPIONE FERRo aus Bologna, jetzt sei sie im Besitze DAL FIORES und TART AGLIAS, und setzte ihn auf solche Weise in die grösste Leidenschaft, sie kennen zu lernen. CARDAN lässt TART AG LIA bitten und ersucht ihn direct selbst in einem Briefe vom 2. Januar 1539 um die sehr ge- wünschte Regel. Das, was weiter folgt: Zuerst die Verweigerung der Bitte; dann die theilweise Erhörung durch die Ueberlieferung Lügen zu strafen, dass es nämlich für ihn das Geschäft einer kurzen Zeit, von Tagen, gewesen, mit aller seiner Mühe, Kunst und Studium die allgemeine Regel für die Gleichung r* + px = q wiederzufinden; eine Prahlerei, die er am An- fange der Geschichte des Quesito XXV. glaubhaft zu machen sucht, und die er ferner in dem Verse: „Questi trovai et non con passi tardi“ seines berühmten, Cardan mitgetheilten, Capitels und auch anderswo ausspricht (Tartaglia, Opere ecc., Quesiti etc., p. 234–235, 266 u. s. w.). Aber müssen nicht die Jahre, in denen er die allgemeine Regel für cubische Glei- chungen von der Form r” + mx* = n zu finden bemüht war, obgleich er darin nicht reüssierte, ihm vielleicht als zum wirklichen Auffinden derselben für diese Gleichungen, aber von der Form r“ + px = q, aufgewendete Zeit angerechnet werden? Also nicht mit solcher Geschwindigkeit, nicht in wenigen Tagen, sondern in nicht weniger als vier bis fünf Jahren gelangte er dazu, sie nach Ferro von Neuem aufzufinden, wenn man ihm auch zugeben will, dass es unmittelbar nach der Herausforderung durch Dal Fiore gewesen ist, die für ihn selbst der grösste Antrieb zu diesem Nachfund war. Und erst nachdem er dies gethan, wird er, indem er die Behandlung der Gleichung x” + mºr?=n auf directem Wege wieder aufnahm, nicht auf Umwegen wie zuerst, – wenn man alle seine wahrhaften Berichte zusammenfasst –, in Wirklichkeit dazu ge- kommen sein, auch die Regel für diese zu entdecken: und der directe Weg scheint, wie er es auch noch jetzt sein würde, der gewesen zu sein, die Gleichung r*+mx*=n zu transformieren und sie auf die Fundamentalgleichung r”+ pr=q zu reducieren (Cossali, Origine ecc. dell' Algebra, Vol. 2, p. 157 etc.). Ich habe vorausgeschickt: indem man alle seine wahrhaften Berichte zusammen- fasst, weil es mir scheint, dass aus verschiedenen Ueberlegungen der Verdacht, sie seien wenig der Wahrheit gemäss und künstlich zu seinem Nutzen gemacht (also ohne jeden Zweifel prahlerisch) auf sie hätte fallen müssen; die, welche am offensten daliegt und doch dem wohlverdienten Cossali entgangen ist, ist die folgende: dass Tartaglia seine Berichte Jahre und Jahre nach den Disputationen und Mittheilungen mit Colla, mit Fiore und mit Card an ans Licht gab, mit gemachten und übertriebenen Thatsachen und vor Allem nach der vorangegangenen Veröffentlichung der Ars Magna des Cardan, aus der er sehr viel entnehmen konnte, sehr sehr viel mehr, als er gegeben und auch als das, was er zur Zeit der Disputationen und jener Mitthei- lungen entdeckt hatte (die Ars Magna erschien zu Anfang des Jahres 1545 – 53 – des berihmten Capitels in Versen (den vollständigen Text dieses Capitolo in Rima sehe man im Anhange): ,9uando che 'l cubo con le cose appresso ,Se agguaglia a qualche numero discreto“ ecc., e CC. , der vorhergegangene Schwur CARDANs, niemals die unter diesen und die Quesiti et Inventioni diverse des Tartaglia kamen erst im folgenden Jahre 1546 an das Licht“). Zuletzt will ich Alle noch auf eine Sache aufmerksam machen. Halt man sich streng an das, was uns Tartaglia im neunten Buche seiner Quesiti ecc. uber die erste Aufiòsung der cubischen Gleichungen erzählt, so miisste man sagen, und es ist gesagt worden und als res judicata angenommen, dass Colla aus eigenem Antrieb Tartaglia zum Streit iber Probleme aufgefordert habe, die auf diese Gleichungen führten, ohne Anreizung von anderer Seite, oder ohne irgend Gelegenheit gehabt zu haben zu bezwecken, dass die Heraus- forderung sich gerade auf Probleme genannter Art richtete. Ich habe dagegen behauptet, dass, ehe er den Mathematiker aus Brescia herausforderte, er selbst schon von Fiore wegen ahnlicher Probleme herausgefordert war. Fragte man, weshalb ich hierin von der allgemeinen Meinung abweiche, so würde meine Antwort in Folgendem bestehen. Zuerst kann man nicht leugnen, dass sich mit der zu jener Zeit auch bei Mathematikern von grossem Geiste und bedeu- tenden Kenntnissen tief eingewurzelten Meinung von der Unmöglichkeit eine allgemeinen Regel zur Aufiòsung der cubischen Gleichungen zu findenº) nur “) Lagrange, ein leuchtendes Beispiel wegen des Eifers, den er immer der histo- rischen Seite der von ihm behandelten Gegenstände zuwendet, sagt, diese beiden Werke seien zur selben Zeit veròffentlicht (Lezioni elementari sulle matematiche date alla Scuola Normale di Francia l'anno 1795. Traduzione. Milano 1839, Lezione terza, p. 46). Und ist denn in der That der Unterschied ungefähr eines Jahres in der Veròffentlichung derselben so gross, um sie nicht gleichzeitig nennen zu können ? Unter dem Gesichtspunct aber, unter dem wir sie betrachten, würde ein noch kleinerer Unterschied immer betrichtlich sein. Vermöge dieses konnte Cardan es mit dem Rivalen aufnehmen: Von Euch habe ich das Capitel in Versen, oder, wenn Ihr wollt, die Aufiòsungs- formel des Cubo e cose eguali a numero, nichts mehr, ich erkenne es an: aber ich bin Euch in allem Uebrigen zuvorgekommen. Von mir, aus meiner Ars Magna könnt ihr vielen Inhalt entnommen haben, um Eure alten Quesiti zu misten, vorziglich die, welche Ihr mit Euren Freunden gehabt habt; z. B. das Q uesito, das ibr unter Nr. 42 mit der Jahreszahl von 1541 beschreibt und das Euch von Eurem Gevatter Vent worth e vorgelegt ist (Tar- taglia, a. a. O. p. 279–284). Diese Frage würde nach Cossali (M. s. unsere Anmerk. (b) am Ende) die directe Aufiòsung der Gleichungen von der Form a º + marº=n enthalten. “) Wenn es noch eines Beweises für die obenerwähnte eingewurzelte Meinung bedurfte, Rönnte man den Titel anführen, den Tartaglia seinem Libro non o delli Quesiti ecc. hinzufügt; da ist er: ,, Sopra la scientia Arithmetica, Geometrica, et in la pratica , speculativa de Algebra, et Almucabala, volgarmente detta Regola de la cosa, over ,, Arte maggiore, et massime della inventione de Capitoli de Cosa, e Cubo egual a ,,numero, et altri suoi ederenti et dependenti, Et simelmente de censi (d. h. Quadrate der Unbekannten), e cubi egual a numero, et suoi dependenti, quali dal li sapienti ,, sono stati giudicati impossibili.“ – 54 – Versen versteckte Regel zu verrathen; die darauf durch diesen von dem Andern geforderten Aufklärungen, die zuerst gewährt wurden dann der vergebliche Versuch dieses Letzteren durch seine letzte Antwort den richtigen Weg zu verlegen; der Abbruch jedes Briefwechsels zwischen ihnen, der am Anfang des Jahres 1540 eintrat, und die von CARD AN 1545 gemachte Veröffentlichung der Ars Magna, durch die das Geheimniss der Regel gebrochen auf ganz wunderliche und unglaubliche Weise vereinigen liesse, dass Colla ein Mathematiker von Werth, wenn auch nicht von grossem, mit einem Tar- taglia Disputationen hätte anfangen können, die gerade auf der Existenz einer solchen Regel beruhen, ohne ungefähr zu wissen, dass sie schon entdeckt sei; wenn es also leicht sein kann, dass er es gewusst hat, ehe er Tartaglia zur Disputation herausforderte, so ist es ebenso leicht möglich, dass er es von Fiore gehört hat. Im Rücksicht auf diesen lief das Gespräch schlecht ab. Und war er auch ohne jede Kenntniss, ohne jede Theorie, wie ihn uns Tar- taglia darstellt; er besass die Regel und konnte auch mit ein wenig Praxis, die dieser ihm nicht abspricht, munter herausfordern und hierhin und dahin mit der Peitsche schlagen. Dem steht nicht entgegen, dass die Fragen, mit denen Tartaglia von Colla angegriffen wurde, sich in die schwierigeren oder seltsameren Gleichungen, wie der brescianer Mathematiker an einer Stelle sagt, r” +mr* = n, r*+rr*+sr=t übertragen liessen, als die Gleichung r” + pa = q ist, welche die Probleme darstellt, die ihm selbst von Fiore gestellt waren. Denn es könnte sogar ein leichter Kunstgriff Collas sein, den Brescianer mit fremdartigeren Capiteln anzugreifen, um damit die Regel für einen weniger fremdartigen Gegenstand zu erhalten; es läge auch nicht ausser- halb der Wahrscheinlichkeit, dass Fiore selbst den einen von ihnen zur Disputation über Probleme der einen Art, den andern über solche von anderer Art herausgefordert, die aber beide vom dritten Grade. Zweitens möge man gefälligst überlegen, dass unserer Meinung ihrem Wesen nach von keiner Stelle der bezüglichen von Tartaglia überlieferten Geschichte widersprochen, sie dagegen von einigen Passus derselben eingegeben oder unterstützt wird. Und um die Wahrheit zu sagen, im Quesito XVIII sehen wir Fiore vor seiner offenen und feierlichen Herausforderung des Tartaglia auf der Bühne erscheinen, indem er diesem unter der Hand das Problem von den Weinfässern, die man wässern will, u. s. w. übermittelt (Tartaglia, Opere e cc., p. 226, 262); könnte er also nicht in derselben Weise, das heisst versteckt, einige Zeit vorher in Scene getreten sein, ohne dass Tartaglia es gewusst? In der Geschichte des Quesito XL haben wir ein gutes Indicium (was auch Andere vielleicht darüber gemeint haben), dass Colla direct mit Fiore sich einliess und ihn immer über Fragen der genannten Natur reizte, und stets mit dem Zwecke, ihm sein Geheimniss zu entreissen (a. a. O. p. 275). Obgleich dies 1539 geschah, also viel später als in dem Jahre, das wir jetzt brauchten, berechtigt nicht dennoch dies Beispiel anzunehmen, eine ähnliche Geschichte sei auch eher, vielleicht sogar schon 1530 passiert? Und ferner: Von wem, wenn nicht von Fiore, hätte Colla den Namen und das Vaterland desjenigen kennen gelernt, der – 55 – wurde; die grobe Auslassung TARTAGLIAs über diesen Bruch in seinem Libro nono delli Quesiti et Inventioni diverse, und der mathematische Wettkampf durch gedruckte Herausforde- rungen (Cartelli), die den berühmteren Mathematikern und aus- gezeichneten Personen in Italien mitgetheilt wurden, der sich sogleich zwischen dem schon genannten FERRARI und TAR- TAGLIA selbst entspann; – derselbe nahm am 10. Februar 1547 seinen Anfang und endete kläglich am 10. August des folgen- den Jahres mit einer feierlichen Disputation zwischen beiden Brust gegen Brust in der Kirche S. Maria del Giardino in Mailand vor einem zahlreichen Volke, in Gegenwart eines Haufens von Freunden oder Parteigängern des ersten und von anderer Seite im Beisein eines einzigen unwissenden Bruders –: alle diese Thatsachen und Erzählungen, die es für mich genügt, kurz zu erwähnen, bilden den umfangreichen und merkwürdigen Gegen- stand der vielerwähnten Geschichte; eine Geschichte, die einzig dasteht in der gesammten Geschichte der Mathematik durch alle ihre Ä eine Geschichte, die den feurigen und fruchtbaren Geist der Italiäner offenbart, der bei Gelegenheit auch von wenig phantasiereichen Materien angeregt wird, von Materien, die weniger als geeignet scheinen mögten, um in den Gemüthern die Art von Ferment zu erzeugen, aus der jede Art des Studiums zuerst die cubischen Gleichungen löste? Aus der oben in unserem Texte folgenden Erzählung ist klar, dass es Colla war, welcher den Namen und das Vaterland dem Card an mittheilte, während bei Tartaglia, in seiner erwähnten Erzählung, der erste Erfinder selbst nur unter der Benennung eines „grossen Mathematikers“, die Fiore in den Mund gelegt wird, sich zu erkennen gibt, und, man bemerke wohl, mit affectierter Ungläubigkeit von Seiten des Tartaglia, dass nicht nur nicht Fiore, sondern nicht einmal der angerufene grosse Mathematiker wirklich die höchst dunkle Regel entdeckt hätten (Tar- taglia, Opere ecc. ecc., p. 235 u. 237). Im Uebrigen lasse ich die Wahr- heit in Betreff meiner Meinung dahingestellt, aber mit der Ueberzeugung, dass, wenn andere Beweismittel nothwendig wären, um ihr unzweifelhafte Zustimmung zu verschaffen, auch andere Beweismittel verlangt werden müssten, um ihr zu widersprechen. Ich bin auf dieselbe durch eine aufmerksame und unparteiische Lectüre der ganzen Angelegenheit geführt worden. Der Leser wird sehen, ob nicht aus dem Folgenden diese Meinung Bestätigung erhalten wird, und ob ich sie nicht wie ein Vorspiel zu dem gemacht habe, was ich eben zu beweisen im Begriffe bin, zu dem Einfluss, will ich sagen, dem directesten Antheil, der viel grösser ist, als man bis jetzt angenommen hat, welchen die Originalentdeckung Ferros auf die algebraischen Entdeckungen hatte, die in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts beendigt wurden. wundersame Hilfe erhält; eine Geschichte fermer, höchst interessant durch die wichtigem Entdeckungen, welche die Reihe der Dispu- tationem umd der hauptsächlichen einschlagenden Thatsachen, die sie bilden, der Wissenschaft eintrug. Das mussich übrigens noch über diese Thatsachen erklärem, dass der Ueberbringer des oben- erwähntem Capitels in Versen an CARDAN TARTAGLIA selbst in Person war, als Gast des ersterem in Mailand, dass ausserdem kein Anderer gegenwärtig war, als der obengenannte FERRARI (wie aus einem neuem Documente erhellen wird, das wir seinerzeit mittheilen werden), und dass die Uebergabe statt hatte am 25. März 1539; FERRARI war damals im siebenzehntem Jahre seines Lebens. Ich muss fermer noch die wichtige Thatsache bemerken: dass nämlich, wenn nicht CARDAN in der schom oft erwähntem Ars Magna und machher in amdern seiner Werke (z. B. in dem Buche De libris propriis *)) SciPioNE FERRo erwähnt hätte und zwar aus einem nebensächlichen Grunde, den man schon bemerkt haben wird (umd den mam noch besser aus CARDAN selbst in der vorhergehenden Anmerkung 1. ersehen wird), nach dem Urtheile der vorgenanntem Historiker der Name desselben, der Name des erstem Entdeckers in dieser höchst dunklen Materie, 1) Die erste Ausgabe dieses Buches von Card a n ist, glaube ich, von 1557 (Lu gd u mi apud G u 1. R o uilliu m). In ihm liest mam auf Seite 37 folgendem Passus, dem man vollständig ebenso auf Seite 16 der Baseler Aus- gabe desselben Buches und anderer Werke desselben Verfassers liest (per seb ast. Hemrici petri A n. Sal. h u m. 1585) und auf Seite 66 und 108 des T. I der Sammlung aller seiner Werke: „Tunc vero contigit ut Briciensis ,,nomine Joannes Colla, vir . . . ingeniosus, ac in Mathematicis exercitatus, Me- ,,diolanum veniret : retulitque inventas esse duas regulas Algebrae, ut vocant, cubi „et numeri invicem comparatorum** (hier erscheint ein grober Druckfehler, der in alle obengemanntem Ausgabem von der ersten zur letzten übergegangen ist, ein Fehler, von Niemandem, die dem gegenwärtigen Passus zu Ehren Ferros citierem oder mittheilem, bemerkt; es scheint nämlich, dass mam lesem muss: cubi Rerum (oder L a te r um) et numeri invicem comparatorum. — M. s. die letzte aus der Ars Magna mitgetheilte Stelle). ,,Sciscitatus sum, a quo? A Scipione Ferreo ,,Bononiensi, inquit. Quis habet? Nicolaus Tartalea, dixit, et Antonius Maria ,,Floridus. Sed Tartalea, cum Mediolanum venisset, illas me docuit, quamvis ,,satis invitus. Has cum diligenter perscrutatus essem, cum Ludovico Ferrario, ,,inventa demonstratione alias innumeras etiam adinvenimus, ut ex his librum ,, Artis Magnae conficerem.** Man beachte dem grossem und ehrenvollem Theil, der hier in dieser dunklen Untersuchung und Erfindung von dem Meister dem Schüler zugesprochen wird. verloren gegangen sein würdeº). TARTAGLIA hâtte ihn nach der Behauptung der ndimlichen Geschichtsschreiber niemals aus- gesprochen, weder in den Quesiti et Inventioni ecc., noch im General Trattato di Numeri e Misure (Arithmetik, Geo- metrie und Algebra), noch in irgend einem andern seiner Werke. Jener ZUANNE DE' ToNINI DA CoI oder GIOVANNI Coi. LA hinterliess keine Frucht seines amerkanntenº) Geistes, aus der sich jener Name hâtte entrehmen lassen mit irgend einer der vielen parteiischen Einzelnheiten, die in Betreff dieses Gegen- standes hochst erwünscht sein würden. Von jenem abentheuernden Abacisten DEL FIoRE (Herausforderer der NEwToNs von da- mals) weiss man fast Nichts weiter, als das, was ich mitgetheilt habe. Doch wird es nicht entgangen sein, dass man seinem Be- kenntniss oder dem Vertrauen auf sein Wort verdankt, dass wir wissen, dass FERRO der geWesen ist und nochimmer als der ver- ehrt wird, welcher zuerst die cubischen Gleichungen lòste, und dass die Epoche dieses hichst glücklichen Fortschrittes der Algebra um das Jahr 1500 fixiert werden konnte (jenen ungefähr dreissig Jahre vor dem Jahre 1530, von welchem die obenerwähnten Her- ausforderungen FIORES datieren). Seitdem ich aber ein wenig Uebersicht über diese Sachen gewonnen, konnte ich mich niemals iberreden, dass diese Ange- legenheiten genau so vor sich gegangen, wie sie die Erzählung in Bezug auf DAL FERRo vorträgt. Für mich hatte diese Er- zählung immer etwas Histórchenhaftes. Für mich, muss ich bekennen, hatte die Ueberlegung immer zu viel Kraft, dass die grossen Männer selbst sehr wohl den Werth ihrer Erfindungen kennen, wenn auch entweder, Weil sie inmitten einer boshaften Mittelmàssigkeit leben, oder durch die sogenannte Unwissenheit 1) , Le nom de celui qui resolut le premier ces équations ne nous est arrivé que par hasard: aucun historien du temps ne le cite, et sa méthode a peri avec lui“ (Libri, Histoire etc., T. 3. p. 148 – 149). – , Questo Italiano“ (Scipione Ferro) . . . gode il vanto di essersi il primo innoltrato con regola al- l'analisi di equazioni di 3º. grado, sciogliendo il caso cº + pr = q: regola della quale communico la pratica ad un suo scolare Antonio Maria Fiore, o del Fiore. Qui finisce tosto la storia dell' invenzione di Scipione del Ferro, ignota af- º fatto rimanendo la via da lui tenuta “ (Cossali, Origine ecc. dell' Algebra, Vol. 2. p. 97). 2) Cossali, Origine e cc. dell' Algebra, Vol. 2. p. 102 u. ff.; M. s auch den Anfang der Stelle aus Cardan in der vorletzten Anmerkung. – 58 – der Zeit, oder durch andere Widerwärtigkeiten die Erfindungen von den Zeitgenossen nicht gerecht gewürdigt, aufgenommen und applaudiert wurden. Sie selbst sahen sich dann vor, indem sie dafür sorgten, sie weit um sich zu verbreiten und sie der Nach- welt zu übermitteln, die früher oder später, aber sicher, sich dankbar und als Rächerin des vernachlässigten Verdienstes erhebt; sie sahen sich vor, indem sie dieselben zu irgend welchem Ge- brauche, der sie lebendig oder im Gedächtniss hält, anvertrauten. Indem wir jetzt darüber weggehen, dass keiner der angezogenen unglücklicheren Fälle, nach Allem, was bekannt ist, DAL FERRo bei seiner ausgezeichneten Erfindung begegnen konnte, frage ich aber, hätte er, auch bei allen möglichen Hindernissen und Wider- wärtigkeiten, von derselben einen schlechteren Gebrauch machen können, einen derselben, sich selbst und der hochberühmten Studien- anstalt weniger würdigen, als dass er sie jenem unsinnigen Anhängsel FIORE anvertraute und nichts Anderes that, als was man nach der Erzählung glauben sollte? Man hatte es nur mit einem seiner Schüler zu thun, als solcher gab er sich in Brescia und Venedig aus; der Schüler reichte nicht heran an den grossen Mathema- tiker; sein Geheimniss einem solchen anvertrauen, das hiess Erfindung und Erfinder einem schlechten Eindruck preisgeben; ist es möglich, dass FERRO, einmal entschlossen, einen so zurück- haltenden Gebrauch derselben zu machen, nicht hätte einen ein- zigen Würdigen, würdiger als FroRE, unter den Zuhörern von sechs Jahrfünften an öffentlicher Schule finden können? Aber es ist nicht nöthig, dass ich mich dabei noch weiter mit anderen Betrachtungen aufhalte. Sie werden schon jedem beifallen, wenn ich kund zu thun habe, dass die vorgebrachten Zweifel für mich ein Sporn und ein Mittel waren, um dazu zu gelangen, manche Thatsache von Wichtigkeit wieder aufzufinden, die sie bestätigt und zum grossen Theile löst, und die einen auf den Weg zu weiteren ähnlichen Funden bringen kann. Meine Untersuchungen und irgendwelche Ausarbeitungen hierüber dürfen nicht vollständig in diese meine gegenwärtige Arbeit eintreten. Vielmehr müssen sie, ausser einer gedrängten Mittheilung dessen, was SCIP oNE FERRo näher angeht und die zweite Epoche der mathematischen Facultät des bologneser Studiums, für eine der folgenden Schriften aufbewahrt werden, auch in der Hoffnung, sie vermehren zu können. Aber ich rede zu einer Versammlung, von der jedes Mitglied beitragen kann, dieses interessante und dank- — 59 — bare Thema zu fördern, und nicht wenige derselben würden sich weit höher erhebem als ich. Aber ich arbeite Materialiem Zur Geschichte, eine Art won Arbeit, bei der man nicht genau die fortschreitende Ordnung der Dinge und Zeitem zu beachten nöthig hat. Damit ist also der Fadem meiner Untersuchungem fast voll- ständig am Ende. IKeiner der obenerwähnten Schriftsteller suchte Zu sehen oder sah die obengenanntem gedruckten Cartelli des mathematischen Wettkampfes wirklich, der zwischen FERRARI und TARTAGH, IA geführt ist. Nur unser sehr wohl verdienter FANTUZZI thut zunächst in dem Artikel: FERRARI Lodovico seiner Notizie degli Scrittori Bolognesi dieser Cartelli, wenn auch in zwei- deutiger Weise, Erwähnung: „Der genannte P. Abate Cassati *) .. . . . sagt, er habe in der Biblioteca Belgiojosa in Mailand „die Abhandlungen über die Streitfragem gesehen, die Ferrari „mit Tartaglia gehabt, und zwar mit folgenden hortem : ...Q uae s t i o n u m m o n u m e n t a , q u a s c u m Tarta l e a h a- „,.b u i t (nämlich Ferrari) i mp r e s s a in s p e r i in libro ... Bibliothecae B e l giojo s i a n a e; I t a l i c u s /ib e r est, ...w ma m s i e r c ip ia s l a t i n am Ep i s t o l am Ferr a rii a d „, Tar tale a m Me d i o l a n i dat a m Kal. 4p r il is 1547, „,ac p a rtim Ve n e t iis eae c u s u s p er 0 c t a v ia n um ,, ,Sc o t t u m , et partim, ut v id e t u r, Medio l an i. In i- ...tio libri, i t alic u m est c a r m en MSS. Jo a n n is A n - „, .* o n ii Cazz u l i qui in l i t e r a t i s m e dio l a n e n s i b u s est „,a p u d Pic in ell u m, et A rg e la t u m *)•.** — Schade! dass LIBRI, statt bei der erstem und einfachsten Interpretation dieses Textes des CAssATI, die aueh durch den Text FANTUzzis eingegeben wird, stehen zu bleiben, diese (?uaestionum monu- menta für eine Darstellumg der Herausforderungen, die zwischem FERRARI und TARTAGLIA vorgekommen, gemommen hat und nicht gesehen, dass es sich um die Originalcartelli der Heraus- forderung selbst (Vorlage und Antwort, Proposte und Risposte) 1) Francisci Cicer ei Epistolarum Lib. XII etc. Milamo 1782, T. I. p. 59 u. 62. Epistola X, Anmerk. 2. Diese Ammerkung des Cassati, des Herausgebers der Briefe des Cicere o, der ein Schüler Ferraris in Mail a m d war, emthält dem folgendem lateinischen Passus, der sich auf genamnte Cartelli bezieht. 2) Fantuzzi, Notizie degli Scrittori Bologn esi, T. 3. p. 322. – 60 – handelte, die von beiden Seiten zwischen dem 10. Februar 1547 und dem 24. Juli 1548 hintereinander ans Licht gegeben und nachher von einem Gelehrten gesammelt wurden, um jenes Buch der Biblioteca Belgiojosiana zu bilden, das CAssATI gesehen und beschrieben. Undebenso schade! dass LIBRI den lateinischen Brief FERRARIs an TARTAGLIA, der speciell im Texte des CAssATI erwähnt ist, gleichfalls für einen der Briefe des FER- RARI genommen hat, die in die gemannte Darstellung aufge- nominen seien, und nicht vielmehr, wie es wirklich ist, fir eins der Cartelli der Herausforderung selbst, die alle die Form von Briefen besitzen (wie auch der Sinn verlangt, den man in ihn- lichen Fällen mit dem Worte Cartello verknipft), und für sich allein, ohne andere Darstellung, eben jenes Buch bilden ). Wenn ihm die erwähnte Vermuthung in den Sinn gekommen wäre, so darf man annehmen, dass er Alles gethan haben Würde, sich die Möglichkeit der Untersuchung eines so kostbaren Documentes, vielmehr einer Anhäufung von Documenten zu verschaffen. Aber FANTUzzi handelt ein zweites Mal, und diesmal auf die deut- lichste und ausführlichste Weise, von den vorgenannten Cartelli. Im letzten Theile seines schon erwähnten Werkes, der Zusätze und Verbesserungen zu dem Hauptwerke enthält, figt er vier volle Blätter dem vorgedachten Artikel iber Lodovico FERRARI hinzu, den er früher mit einem einzigen Blatte abgefertigtº). Ich bemerke diese Eigenthümlichkeit vor Allem deshalb, weil sie es um so unbegreifbarer macht, wie der Zusatz den genannten Historikern entgangen sein konnte, die wirklich bestimmte An- zeichen davon geben, dass sie ihn nicht gesehen haben. Derselbe 1) ,On n'a imprimé de lui (von Lodovico Ferrari) que des lettres insérées dans la relation de la grande querelle qu'il eut avec Tartaglia (Li- bri, Histoire etc.; T. 3. p. 181, er citiert auch in der Anmerkung die oben mitgetheilte Stelle Fantuzzi s und auch eine Stelle aus dem Leben Ferraris von Cardan, die wir nachher wörtlich mittheilen werden). Uebrigens fasst auch Tiraboschi diese monumenta quaestionum etc. in dem Passus des Cassati als Darstellung oder Acten der Disputationen etc., und nicht für die Schriften dieser Disputationen selbst auf wie das Wort monumenta auch bedeutet, das zu allgemein ist, und deshalb von Cassati schlecht gewählt. Hier die bezigliche Stelle Tiraboschis: , Nella sceltissima biblioteca del Sig. Principe Belgiojoso , in Milano si conservano stampati gli Atti delle Dispute del Ferrari sostenute ,contro il Tartaglia, come ha avvertito l'eruditissimo P. ab. Cassati ecc.“ (Storia della Letteratura Italiana, T. 7, P. 2, L. 2, C. 2, $ 44, Anm. (a)). 2) Notizie degli Scrittori Bolognesi, T. 9, p. 99–106. – 61 – ist unglaublich interessant. Er enthält einen Auszug mit Original- stellen aller sechs Cartelli oder Antworten des TART AGLIA auf die sechs Cartelli oder Aufgaben des FERRARI und auch einen Auszug des fünften Cartello des letzteren. FANTUzzi sagt, dass diese verschiedenen Druckbogen des Wettkampfes zwischen FERRARI und TART AGLIA ihm in die Hände gerathen, nach– dem er sein Werk vollendet, und dass er glaube, dem Leser etwas Angenehmes zu thun, wenn er in seinem Zusatze den Hauptinhalt dieses Streites gäbe, wenn ihm auch die Fragen des Ferrari fehlten (eine hat er hernach noch gesehen und gibt davon, wie wir schon angemerkt, später einen Auszug): aber, setzt er mit gutem Grunde hinzu, aus den Antworten Tartaglias kann man dessen ungeachtet ableiten, was Fer– rari geschrieben. FANTUzzI kannte die grosse Seltenheit und die hohe Wichtigkeit solcher Drucke sowohl im bibliographischen als im wissenschaftlichen Sinne nicht, und man kann ihm daraus keinen Vorwurf machen; anderenfalls würde er sie vollständig reproduciert haben, ohne ein Wort wegzulassen oder zu verändern, vorzugsweise was den Brief FERRARIs betrifft, den er einsehen konnte, und der für sich allein ein Werk von 28 Blättern in gewöhnlichem 49 (dem Formate aller Cartelli) bildet; oder er hätte dafür gesorgt, dass sie nicht verloren gehen konnten, indem er sie z. B. in irgend einer öffentlichen Bibliothek niederlegte (in den öffentlichen und Privatbibliotheken, sowie in den Buchhand- lungen dieser Stadt habe ich sie vergeblich gesucht und wieder gesucht). Es scheint, dass auch er nicht gewahr wurde, dass er in diesen Drucken selbst ein gut Theil jener Monumenta Quae- stionum besass, über welche der mitgetheilte Passus des CAs- SATI handelte, und auf welche sicher zum Theil auch CARDAN in der von ihm verfassten Lebensbeschreibung FERRARIs anzu- spielen scheint, wenn er schreibt: „ Inde statim . . . certavit „cum Joanne Colla et post cum Nicolao Tartalea . . . mathe- „maticis sui temporis clarissimis, publiceque eos superavit: „cuius rei adhuc ertant Moniment a Publica“ ). Ferner hat weder FANTUzzI noch irgend ein Mathematiker, so viel ich weiss, zwei höchst werthvolle Stellen der vorgenannten Cartelli richtig gewürdigt, die in Bezug auf SCIPIONE FERRO alle Auf- merksamkeit verdient hätten; Stellen, die in den erwähnten Aus- 1) T. 9, p. 568–569 der Sammlung der Werke des Card an. – 62 – zügen von FANTUzzi selbst originaliter wiedergegeben sind: dieser nicht, weil er sie sonst dazu benutzt hâtte, seinen magern Artikel iber SCIPIONE FERRO umzuschmelzen und zu vermehren, den er statt dessen so liess, wie er ibm zuerst aus der Feder gekommen; die Mathematiker nicht, weil sonst, wenn nichts Anderes, die Geschichte der ersten Aufiòsung der cubischen Gleichungen anders erzählt werden würde, als sie erzählt wird, und der bologneser Algebrist der zweiten Epoche der mathema- tischen Facultāt der bologneser Studienanstalt mehr und mit mehr Grund in den Schulen und in den Handbüchern der Algebra und Geometrie geehrt werden würde. Wir geben hier die zwei Stellen wieder, auf die wir uns bezogen haben, als die von den durch FANTUzzi aus allen Cartelli ausgewählten, welche in directer Weise der vorgenannten Epoche angehören. Die erste ist aus der . Seconda Risposta data da Nicolò Tartalea a Messer , Lodovico Ferraro delle Matematice Lettor Publico in Melano ,ecc.;“ sie steht Seite 6 des Originaldruckes, auf Seite 102 des T. 9 von FANTUzzI und ist folgendermassen gefasst: , Dapoi consequentemente diceti, che me aprovareti tal cosa non esser mia inventione“ (es handelt sich um die allgemeine Aufiòsung der Gleichung vº + pa = q), ,attento che za cinque anni essendo ,voi insieme con el Cardano a Bologna un Anibale della nave , huomo ingenioso, et humano, elguale vi mostro un libro de , man dun Scipione ferreo suo Socero, inelgual questa mede- ,sima inventione elegantemente, et dottamente haveva anotata. ,62uesta particolarita non mi par cosa licita a doverla ,desputare ne manco negare, perche saria presuntione gran- dissima la mia a darme ad intendere quelle cose che da me sono state ritrovate che per altri tempi le non potesseno ,esser state ritrovate da altri, et simelmente che per lavenire , altri non le potesse ritrovare, Anchor che dal detto Signor , Hieronimo (sc. Cardano), over da me non fusseno state in luce poste ecc. ). Zur Aufklärung der Stelle und zur Stütze der Betrachtungen, die daraus im Ueberfluss entspringen, bemerke ich, dass das Cartello des FERRARI, auf welches sich die vor- gedachte zweite Antwort TARTAGLIA s bezieht, vom 1. April 1547 datiert ist, dass also die hochmerkwürdige Mittheilung des von der Hand des ScipionE FERRo geschriebenen Buches an 1) M. s. die Anmerkung (a) am Ende der Rede. – 63 – CARDAN und FERRARI in das Jahr 1542 fällt, das heisst drei Jahre vor der ersten Ausgabe der Ars Magna Card an 8. Will etwa jemand wissen, wer der Vorzeigende, jener ANNIBALE DALLA NAVE war? Unter den Notizen, die ich mir aus den Rotoli der alten bologneser Studienanstalt abgeschrieben, finde ich Folgendes: „In dem Rotolo des Jahres 1526, welches das „erste ist, in welchem SCIPIONE DEL FERRO fehlt, ist zum „ersten Male und für dieselbe Professur als FERRO aufgeführt „ANNIBALE DALLA NAVE: Ad Arithmeticam et Geometriam „– Hannibal Navius!) –. Er erscheint dann fortdauernd und „immer für die nämliche Professur in den Rotoli bis zu der des „Jahres 1558 inclusive.“ Das ist also die fremdartige Erfindung FERRos, die nicht blos hier geboren wurde, sondern auch hier in der mathematischen Facultät der Studienanstalt über ein halbes Jahrhundert hindurch blühte; durch fünf Lustren ungefähr, indem der Erfinder selbst lebte und las; durch andere sechs und noch mehr in dem Buche von seiner Hand, in welchem diese Erfindung gelehrt und elegant erklärt war: „in quo istud inventum eleganter et docte erpli- „catum tradebatur“ (Aehnliches werden wir auch in einem an- 1) Wenn der Annibale di Scipione (nur so bezeichnet), der in dem unmittelbar vorhergehenden Rotolo, d. h. also für 1525, in Verbindung mit Del Ferro für dieselbe Vorlesung verzeichnet steht, demselben Hannibal Navius, Annibale dalla Nave, entspricht, wie man fast beschwören könnte und wie. sehe ich, der obengenannte Mazzetti in seinem erwähnten und empfohlenen Repertorio di tutti i professori ecc. ohne Schatten eines Zweifels an- nimmt (p. 107, no. 990), so würde dadurch die schon so lange Laufbahn des Dalla oder Della Nave an dieser Studienanstalt noch länger werden. In dem genannten Jahre hätte er als Assistent seines Schwiegervaters Del Ferro gedient, der schon durch 28 – 29 Lehrjahre und wahrscheinlich auch durch Alter und Trübsal niedergedrückt war. – Ich erlaube mir hier das wieder- zugeben, was Mazzetti an der erwähnten Stelle sicherlich zu weiter Ehre des Dalla Nave mittheilt, dass nämlich Dalla Nave den hochberühmten Ulisse Aldrovandi unter seinen Schülern gezählt habe. Von diesem ist bekannt, dass er schon als Jüngling mit grossen Versprechungen dem Studium der Arith- metik sich widmete, um sich dieselbe so bald als möglich im Handel zu Nutze zu machen, den er bekanntlich ausübte, bis er sich dem Studium der Natur- geschichte vollständig hingab, in der er soviel leistete und hoch über seinen Zeitgenossen stand. Er hinterliess darin der Nachwelt ungeheure Materialien, die man noch heute mit Vortheil einsehen und benutzen kann, und die man wohl als das grösste Monument ansehen darf, welches vielleicht jemals von einem einzigen Manne der Wissenschaft errichtet ist. – 64 – deren Documente finden, das wir später vorführen werden); jenes Buch, das unzweifelhaft aus Gemeinsamkeit der Studien und des Vaterlandes, noch mehr aber wohl aus väterlicher hochehrenvoller Liebe vom Verfasser und Meister auf den Schüler und Nachfolger auf dem Lehrstuhle überging, vom Schwiegervater auf den Schwieger- sohn. Indem dieser es in verbindlicher Weise demjenigen Ab- schrift zu machen lieh, dem er es, wenn irgend jemand, mit grösster Eifersucht hätte verheimlichen sollen, bewies er so, welchen Ge- brauch er sich davon zum Nutzen der Wissenschaft und der Stu- dierenden zu machen berufen hielt (und vielleicht hatte der Erfinder selbst ihm dies empfohlen). Aus alle dem und aus der Ueber- legung, dass in jenen Zeiten an der Universität Bologna die Tausend und aber Tausend Schüler und Gelehrten aus der ganzen Welt zusammenkamen und zum Theil sich jährlich erneuerten, zweshalb auch eine mündliche Mittheilung, eine Vorlesung in einem Hörsaale des Archigymnasiums wiederhallen und verbreitet werden konnte wie die feierlichsten unserer Publicationen durch den Druck (eine Thatsache, die man immer bei der Geschichte aller alten Studienanstalten gegenwärtig haben muss, vorzüglich bei den D0centen, deren Schriften nicht bis auf uns gekommen sind oder erst spät veröffentlicht wurden), wird man in Etwas schliessen, ob es möglich sein konnte, ob es möglich war, dass die Original- erfindung FERRos nur mit jenem schwerfälligen und zufälligen Erfolg aus Bologna ausging, wie er aus der oben erwähnten Er- zählung erhellt; ob es möglich sein konnte, ob es möglich war, dass hier gleichsam eine vernachlässigte Pflanze in unfruchtbarem und undankbarem Boden entstehen konnte, wie man aus jener Erzählung leicht folgern könnte. Ich komme jetzt nicht zur Beantwortung aller Zweifel, die über den Gegenstand in Rede vorgebracht werden könnten und von denen einige vielleicht bei diesen meinen letzten Worten entstehen werden. Zum Beispiel: Wie lässt sich, gerade nach jenen Worten verstehen, dass die Erfindung des FERRo in jenen 30 Jahren, die der Bericht angibt, vollständig unbekannt blieb, an deren Anfang dieselbe uns zu- fällig sich gezeigt haben sollte, um der Herausforderung FIOR Es Glauben zu verschaffen, und die wir später fast dem ganzen Zeit- raum entsprechen sahen, die jener auf seinem Lehrstuhle sass, nachdem er seine Erfindung gemacht hatte? Ohne die Vermuthung, die hieraus entsteht, zurückzudrängen, dass FERRO mit einer gewissen Eifersucht seine Entdeckung gehütet habe – eine Art – 65 – der Zurückhaltung, die in mehrfacher Hinsicht viel entschuldbarer bei ihm ist als bei TARTAGLIA, von dem wir unzweifelhaft wissen, dass er sie benutzen wollte –, wollen wir bemerken, dass anzunehmen erlaubt ist, es sei die Erinnerung an andere Mittheilungen der von FERRo gemachten Erfindung in dem ge- nannten Zeitintervall verloren gegangen, während dessen sie nicht vollständig unbekannt blieb, sondern im Gegentheil bekannt war und in soweit fruchtbar gemacht, als eine Erfindung von dieser Höhe und der entsprechenden Art der Studien es unter den nicht sehr günstigen Bedingungen am Anfange des XVI. Jahrhunderts sein konnte. Es ist erlaubt anzunehmen, wir wiederholen es, dass sie bekannt und fruchtbar gemacht war, wenn nicht viel, so doch sicherlich bedeutend mehr, als es scheinen mögte, wenn man auf die bezüglichen Schriften TARTAGLIAs und CARDANs völliges Vertrauen setzt; Schriften, die, so wie es nöthig ist, vorzugsweise unter Vergleichung der Cartelli untersucht, Widersprüche auf- decken, Verschweigungen und andere Anzeichen geringer Wahr- heitsliebe und ungeheuer parteiischer Gesinnung. Dass es uns aufbewahrt war, nach drei Jahrhunderten! sowohl die Cartelli als den ersten vollständigen Beweis für eine der vorgedachten Mit- theilungen, vielleicht die hauptsächlichste, gleichsam aus dem Grabe zu reissen, berechtigt das nicht, auch die Existenz ähnlicher vergessener, oder deren Andenken verloren gegangen ist, zu ver- muthen, und zu hoffen, dass auch diese, wenn mit der nöthigen Anstrengung danach gesucht wird, wieder aufgefunden werden könnten? Aber wir überlassen. Andern, den Gegenstand besser zu behandeln (auf den wir aber nicht ermangeln werden, in unserer folgenden Schrift bei jeder Gelegenheit ein Auge zu haben), indem sie Beispiele von nicht weniger wichtigen Erfindungen anführen, die nicht weniger unerwartet entstanden als jene, die mit ihrem Erfinder dasselbe oder noch schlimmeres Schicksal erduldeten; und genau in der nämlichen Weise nicht durch ihre Schuld, nicht durch die Schuld der Länder, die sie entstehen sahen, vielmehr durch eine Anhäufung von zufälligem Missgeschick, das nicht immer vollständig angebbar ist, meistens aus Grund der Magerkeit der Studien, auf denen man grosse Theile der weiten Geschichte der Wissenschaft hat errichten müssen. An ähnlichen Beispielen ist kein grosser Mangel! Wir kommen endlich zu der zweiten der beiden Stellen der Cartelli FERRARIs und TART AGLIAs, die wir aus FANTUzz1 Gherardi, Materialien. 5 – 66 – zu reproducieren versprochen haben: diese Stelle sowie die schon mitgetheilte erste, sind zu lesen im 9. Theile des citierten Werkes, das 1794 erschien, also fünf Jahre bevor COSSALI seine tief- sinnige und werthvolle Geschichte publicirte; die Stelle lautet buchstäblich, wie folgt: „Jo m'allegro, Messer Nicoló (es ist FERRAR1, der in seinem fünften Cartello an seinen Gegner schreibt) „che in questi vostri quesiti, m'habbiate dato materia di gio- „vare a quei che si dilettano di Geometria, et di Arithmetica, „non essendo tuttavia pervenuti anchora al colmo delle pre- „dette scienze. Equesto, percioche ne vostri primi diecesette „quesiti si contiene quella bella inventione di operare senza „mutare l'apertura del compasso, la qualio non so da chi si „havesse principio, ma io so bene, che da circa a cinquant „anni in quä molti bei ingegni si sono affaticati per accrescerla, „fra quali, in gran parte e stato la felice memoria di messer „Scipione da l Ferro cittadino Bolognese“ ) (bis hierher nach FANTUzzI, T. 9, p. 106, und hier weiter nach dem Original- Cartello). „Jo dunque voglio esser quello, che a tal inventione „dia tutta la perfettione, che puÖ havere, dimostrando per „questa via, mon solamente alcune propositioni, trovate da „mostri maggiori, ma etiandio tutto Euclide“*). Das Cartello, dem obige Stelle angehört, wurde in Mailand mit dem Datum des Monat October 1547 gedruckt. Am Anfange des XVI. Jahr- 1) Woher kannte aber Ferrari die Existenz dieser speciellen geometrischen Untersuchungen des berühmten Mitbürgers? Vielmehr wie konnte er sie so untersuchen, dass er ein so bestimmtes lobendes Urtheil abgeben konnte? Waren sie etwa in demselben Werke von der Hand Ferros, das Dalla Nave besass, enthalten oder in einem zweiten Werke desselben Verfassers separat behandelt, das ebenso wie das erste Ferrari und Card an mitgetheilt war? Die eine oder die andere Voraussetzung oder eine ähnliche Thatsache muss man festhalten, da bei der Bekanntheit des Lebens von Ferrari die Vermuthung unzulässig ist, dass er aus der lebendigen Rede des Ferro Kennt- miss der Studien desselben hätte erlangen können. 2) Man sehe p. 25 des Originalcartello, welches folgenden Titel führt: „Quinto Cartello di Lodovico Ferraro contra Messer Nicolo Tartaglia, nel quale „si dichiara come detto Messer Nicolos' e disdetto ecc.: con la Reprovatione del „medesimo Lodovico“- (nämlich der Lösungen, die in der vierten Antwort des Messer Nicolo enthalten): „oltre di co con la Risolutione fatta integramente dal „medesimo Lodovico alle trentuna dimande (des andern).“ Die angezogene Stelle findet sich genau am Anfange dieser Risolutione, die so überschrieben ist: „Risolutione Jatta per Lodovico Ferraro a trentaun quesit mandatigl da risol- „vere per Messer Nicolo Tartaglia.“ – 67 – hunderts erweiterte also, nach dem, was uns FERRARI erzählt, SCIPIONE DAL FERRoum ein Betrichtliches jene Art geome- trischer Studien, in denen später sovohl CARD AN als TAR- TAGLIA und FERRARI selbst, sowie BENEDETTI einer nach dem andern sich ibten, und an denen in den uns nãchsten Zeiten man sich den treffichen Geist des tugendsamen MAs CIIERONI erfreuen sah ). Aus keinem Geschichtswerke, aus keinem Erinne- rungszeichen kennen wir das Jahr der Geburt und des Todes des seltenen Geistes des FERRo; die für jene Jahrhunderte so hochst spärlichen Documente dieser alten Studienanstalt, dienen nur dazu, die Zeit seiner Laufbahn in derselben zu fixiren, das heisst die 30 Jahre von 1496,97 bis zum Jahre 1525/26, in denen er seinen Lehrstuhl inne hatte. Endlich lernen wir aus diesen andern Do- cumenten, den Cartelli des FERRARI und TARTAGLIA und den Notizen über die Herausforderung FIOREs, die uns von CAR- DAN und TARTAGLIA iberliefert worden sind, dass FERRO gerade während dieser genannten Laufbahn, aber davongehend, ehe er sie zur Vollendung gebracht, in den dunkelsten algebrai- schen Disciplinen nicht nur, sondern auch in den geistreichsten und originellsten geometrischen blühete. Die beiden Stellen, die ich aus den Cartelli des FERRARI und TARTAGLIA wiedergegeben, sind die, um die es uns haupt- sächlich zu thun War. Ich werde aber noch eine dritte, immer mach FANTUzzI mittheilen, die eine meiner friheren Behaup- tungen beweist, die für unseren Gegenstand nicht ohne Gewicht ist: Da poi diceti (wohlverstanden, es ist TARTAGLIA, der hier und zwar in seiner obenerwähnten Seconda Risposta ecc. schreibt), ,acioche non me maraviglia, donde che voi siati ad- ,vertito de tutte le mie bosie, che a me retornati in memoria, ,come che voi ve trovasti in la medesima casa con el Car- dano, quando che mi fui a Mellano alloggiato in la mede- ,sima, con lui, et che ve trovasti presente a tutte le nostre 1) Libri, Histoire etc., T. 3, p. 122. Bei der dritten Epoche der mathematischen Facultat der alten Studienanstalt Bologna missen wir im Speciellen von Ferrari sprechen, der Hauptzierde dieser Epoche wenn auch nur für eine ganz kurze Zeit, und werden uns dann zu seinem fünften Cartello venden, zu diesen speciell italinischen geometrischen Untersuchungen, in Be- treff deren wir einige erläuternde und ihre Geschichte berichtigende Notizen bereit haben. Wer jedoch die oben citierte Stelle Libris unter Vergleich des zuletzt mitgetheilten Passus des Ferrari durehläuſt, wird sogleich eine Be- richtigung dieser Art machen können. 5 - – 68 – parole ecc. . . . Ve rispondo che ho molto accaro che voi siati , quello che si trovava a quel tempo in casa sua quando che gli insignai tal mia inventione ecc. ). Es sind nun schon drei oder vier Jahre, dass ich nicht mehr das Werk unseres FANTUzzI nöthig habe, um diese und andere Stellen der beriihmten, aber in Vergessenheit gerathenen Cartelli zu lesen und wieder zu lesenº). Ich besitze sie simmtlich ausser 1) Fantuzzi, Notizie ecc., T. 9, p. 102. 2) Sie hatten wirklich einstmals grosse Beriihmtheit und kamen spater durch Zusammenwirkung verschiedener Umstände in Vergessenheit – den hauptsächlichsten von ihmen werden wir sehr bald andeuten –, oder blieben vorzugsweise dem Gelehrten von Profession unbekannt, wie wir schon gesehen haben. Aber es wird, hoffen wir, die Bestâtigung der beiden Thatsachen, die wir eben auseinandergesetzt haben, nicht unangenehm sein. In der Vorrede an den Leser des unsterblichen Werkes von Rafael Bombelli: ., L'Al- gebra “ geschicht der Cartelli in der Art Erwähnung, dass es scheint, dies hätte sie vor jener Art von Tod sichern sollen, dem ihre Vergessenheit bis heute gleichzustellen ist. Man mag sie in Erwägung ziehen in folgendem Pas- sus, den ich aus der erwähnten Vorrede verbotenus abschreibe: , . . . ma in ,vero alcuno non è stato, che nel secreto della cosa sia penetrato, oltre che il , Cardano Melanese nella sua arte magna, ove di questa scientia assai disse, ma ,nel dire fu oscuro; ne trattò parimente in certi suoi cartelli, i quali con Lodo- ,vico Ferrarij nostro Bolognese scrisse contro a Nicolò Tartaglia Bresciano, ne i quali bellissimi, et ingeniosi Problemi si veggiono di questa scientia, ma con tanta poca modestia del Tartaglia (come quello il quale di sua natura era così assue- fatto a dir male, che all'hora egli pensava di haver dato honorato saggio di se, quando che di alcuno havesse sparlato) che offese quasi tutti i nobili intelletti, veggiendo com' egli, e del Cardano, e del Ferrario straparli ingegni a questi nostri tempi più tosto divini, che humani ecc. “ Der beriihmte Libri spielt sicherlich auf diese Stelle an, wenn er bei seiner schönen und begründeten Vertheidigung Tartaglias, der von vielen zur Erbitterung und Zorn gereizt genannt wird, Bombelli in folgender Weise citiert: , Voyez la preface de l'Algèbre de Bombelli, où l'auteur montre un peu de partialité pour son concitoyen Ferrariº (Histoire etc., T. 3, p. 155, Anmerkung). Wenn wir auch in hohem Grade zugeben, dass sich in der mitgetheilten Stelle des grossen bolog- neser Schriftstellers Parteilichkeit zum Schaden Tartaglias zeigt, wenn nicht in amderer Art, darin, dass er von ihm Schlechtes und micht Gutes sagt, so ist dies doch mehr zu Gunsten Car dans als zu der des Mitbürgers des Verfassers. Sogar, genauer besehen, ibergeht er in seiner parteiischen Schätzung des Car- dan auch etwas zum Schaden seines Mitbürgers. Dem magnum der Meister seine Hand darin gehabt haben und seinen Schüler in dem schriftlichen Streite mit Tartaglia dirigiert und unterstützt haben, wie es in noch höherem Grade Tartaglia selbst fortwährend annimmt und in ironischer Weise in seinen Antworten zu insinuieren sucht, obgleich diese Insinuation, weit entfernt Unter- – 69 – dem Sechsten unter denen des TARTAGLIA, der seine letzte Risposta enthält. Ich besitze siegeordnet und in einem aufs Beste erhaltenen Bande vereinigt, der der Bibliothek der hiesigen Padri stützung zu finden, in den Auſgaben oder den Cartelli des Ferrari offen ge- leugnet wird (m. s. die Anmerkungen (a) und (b) am Ende dieser Schrift): so ist doch die Meinung in jeder Art wohlfeil und unwahrscheinlich, den Theil, den Card an an diesen Cartelli gehabt, als so bedeutend und so gross zu betrachten, dass man sie die seinigen mennen könnte, wie sie Bomb elli aus- drücklich mennt. — Seiner Zeit, und zwar in einer andern Schriſt, kommen wir auf diesen Punct zurück in der Hoffnung, mit guten Gründen jeme Entscheidung zu empfehlen, welche ein jeder, wenn er uns folgt, in dem vorgedachten Streite Tartaglia's mit Ferrari in Betreff Ferraris fällen wird, die Entscheidung nämlich, dass’ er ein tapferer Kämpe des Cardan war. — Es darf aber nicht Wunder mehmen, dass Libri die Parteilichkeit des Bombellischen Passus unter dem zuletzt erwähnten Gesichtspuncte entgangen ist, da er die Cartelli nicht geschen hat. Man könnte sich vielmehr wundern, dass ihm die Stelle nur in dem secundáren Gesichtspunct der Voreingenommenheit des Verfassers in die Augen gefallen ist, nicht aber unter dem Hauptgesichtspunct, dass darin die - Cartelli selbst lobend erwähnt werden wegen der sehr schönen und sinnreichen Probleme, die man darin findet! Wie mogte er, für den , Poca Javilla gran fiamma seconda “ auf Grund jener Ausdrücke, die auch unser Fantuzzi enthielt (Notizie ecc., T 3, p. 322, Anmerk. (6)), nicht zu sich und Anderen sagen: man suche und suche immer wieder jene Cartelli? Dagegen ist die cinzige oder haupt- sächliche Erwähnung bezäglich der Herausſorderungen und Öffentlichen Dispu- tationen Tartaglias mit seinen Gegnern, die man in dem Werke Libris findet, wärtlich folgende (Histoire etc., T. 3, p. 154, Anm. (1): , Tartaglia ºnous a conservé la plupart des questions qui furent proposées à cette époque , (Tartaglia, General Trattato, part. V. ſ. 71–90, lib, I11)"; als ob diese Fragen in der Zeit, wo sie zur Disputation gestellt wurden, das heisst 9–11 Jahre, bevor der General Tratt a to erschien, nicht schon gedruckten Cartelli an- vertraut gewesen wärcm und daher schon an und für sich fahig, sāmmtlich originaliter aufbewahrt zu werdem. Untersucht man àbrigens unter Vergleichung der Cartelli sãmmtliche Stellen des General Trattato, die sich auf die Herausſorderungen und Disputationen in Rede beziehen, so springen cinem, wie leicht zu glauben, die nicht geringen und leichten Parteilichkeiten Tar- taglias in die Augen, sei es in Rücksicht auf den Inhalt der genannten Fragen, sei es speciell in Bezug auf die Thatsachen, welche den Herausſorde- rungen vorausgingen, ihnen den Ursprung gaben und den Gegenstand der ersten Cartelli bilden: diese ersten werden von Tartaglia fast gånzlich mit Still- schweigen übergangen. So vermeidet er in seinem grösseren Werke auch den Namen des Ersten auſzubewahren, der die Gleichungen 3. Grades auflöste! Ich registriere hier sämmtliche vorerwähnte Stellen, die ich habe finden können (um diejenigen von einer wirklichen Mühe zu befreien, demen es gefallen mügte, sie zu untersuchen und cine Vergleichung mit den Cartelli zu machen, sobald dell' Oratorio angehörte, und der nach vielen fruchtlosen Recher- chen mir endlich von einem unserer Buchhändler und Bibliographen angeboten Wurde ). Es gibt wenig Drucke von Wichtigkeit, für ich, wenn ich einige Aufmunterung finde und die Nothwendigkeit einsehe, mich bestimmte, sie vollständig durch den Druck zu reproducieren, wie ich geneigt bin): Prima Parte del General Trattato e cc., in Vin egi a 1556, in der Dedication; – Seconda Parte e cc., Ibid., e o d., Bltt. 30 (diese Stelle ist höchst interessant, weil man aus ihr einen schwachen Schimmer des Weges erhält, auf welchem der Verfasser selbst sagt, dazu gekommen zu sein, eine allgemeine Regel fiir das Capitel cubi et rerum aequalium numero etc. zu finden. Cossali, Origine e cc. dell' Algebra, T. 2, p. 142–143, 147 u. s. w.; Libri, Histoire etc., T. 3, p. 150, note (1)); – Seconda Parte ecc. ecc., Bltt. 41–44 (auf dem ersten Blatte findet man eine kurze Nachricht iber die Disputationen mit gedruckten Cartelli etc., an welche sich Cossali, ohne nach Weiterem zu suchen, in seiner Geschichte halt, um einen Bericht iber die Thatsachen zu geben, die bei diesen Disputationen mit g e dru e k ten Cartelli vorgekommen. – M. s. Cossali. Origin e dell' Algebra, T. 2, p. 131 ff.); – Seconda Parte ecc. ecc., Bltt. 46–48, 51, 52, 67-69, 80, 82, 153, 154; – Quarta Parte e cc. in Vincei a 1560, Bltt. 16–17; – Quinta Parte ecc., Ibid., e o d., Bltt. 15–16, 18, 21 – 23, 31, 42, 63, 64 und endlich 66–90. 1) Herr Angelo Gaetano Masetti, durch vieles Studium und lange Praxis in der Bibliographie sehr erfahren. Ihm, der den hohen Werth des Buches erkannte (das viel seltener ist als die seltensten Bücher der Biblio- graphen, da Niemand von ihnen, soweit ich selbst verglichen habe oder durch Andere habe vergleichen lassen, ein ahnliches gesehen zu haben schcint), werde ich stets grosse Dankbarkeit bewahren, dass er durch seine Nachforschungen zu einer Ehrenrettung Ferros beigetragen, und auch, dass er mir jenes Buch, die Frucht derselben, zu jenem höchst bescheidenen Preise iberlassen hat, den meine Mittel mir nur erlaubten. – Hier ist der geeignete Platz, zu bemerken, dass ein ahmliches Buch sovvohl in der Bibliothek der Universität als der Stadt fehlt. Es findet sich ebensowenig in den offentlichen Bibliotheken Mai lands, wo ich es selbst im Juli 1844 suchte (nachdem ich vorher ohne Erfolg in der Biblioteca Belgioiosa machgesehen), indem ich den Bibliothekaren mein Exemplar vorlegte: dasselbe wurde angestaunt und für eine grosse Seltenheit er- klärt, besonders von dem hochst unterrichteten Vorsteher der Ambrosiana. Ich habe es mit demselbem Misserfolg in der Biblioteca Quirini an a von Brescia (Bibliothek des berihmten Cardinals Quirini) und den Öffentlichen Bibliotheken von Padua gesucht, sovie bei den vorziglichsten Buchhändlern dieser letzteren Stadt (die sehr reich an den bestem alten Waare sind, die man, wegen der Seltenheit der Kaufer, zu sehr guten Bedingungen erwerben kann), In der Marciana zu Venedig aber fand ich einen Miscellaneenband mit der Signatur – 51514 und 1514 BF. 4 –, welcher das zweite Cartello Ferraris an Tartaglia enthalt, das heisst das einzige unter allen, das in lateinischer Sprache abgefasst ist. Ich fand es vollständig mit dem zweiten Cartello Ferraris identisch, das in meinem Exemplare enthalten ist. Das – 71 – die man einen so triftigen Grund, sie zu Rarissimis zu machen, angeben könnte, als der Hauptgrund ist, den man für die Cartelli des FERRARI und TART AG LIA angiebt, am meisten aber für die vollständige Sammlung derselben, und den man endlich nothwen- digerweise aus ihrer Erscheinungsweise entnimmt. Der Grund, auf den ich anspiele, entspringt aus dem Zusammenfluss von völlig Cartello, von dem ich spreche, ist im Kataloge genannter Bibliothek, der mir von dem Präfecten derselben, Herrn Cav. Monsignor Pietro Bettio, Ehren- canonicus von S. Marco, gütigst vorgelegt wurde, unter Lodovico Fer- rari aufgeführt, und es ist die einzige Schrift dieses Autors, die in jenem Kataloge erscheint. – Mit diesem Cartello der Marciana*) in Venedig und den vorgenannten Auszügen der anderen Cartelli bei Fantuzzi hätte man zu den hauptsächlichsten Thatsachen gelangen können, welche die vorliegende Schrift zur Ehrenrettung des Scipione Del Ferro enthält. “) Ich bin jetzt im Stande, über dieses werthvolle Schriftchen der Marciana genauere Angaben zu machen, und solche die ein schnelles Auffinden desselben ermöglichen, die zu erlangen mir bei meinem gar zu kurzen Besuche der Marciana im Juli 1844 unmöglich war: Grund die Plackereien der Ortspolizei, die mir nicht länger als 24 Stunden den Auf- enthalt in Venedig gestattete (während ich in Mailand und Padua jede nöthige Er- laubniss zum Aufenthalte erhalten und dieselbe einen Monat und mehr benutzt hatte!). Dahin in glücklicheren Zeiten, am Anfange des Jahres 1867, zurückgekehrt wollte ich mit grösserer Bequemlichkeit das Werkchen, das schon beschriebene zweite Cartello Ferraris, wiedersehen (eine vollständigere Beschreibung sehe man auf p. 77, Z. 1 ff.). Es wurde mir durch den gegenwärtigen Königl. Bibliothekar, Herrn Abb. Dott. Cav. Giuseppe Valen- tinelli vorgelegt. Es ist das dritte von sieben in Pergament zusammengebundenen Werk- chen, die einen Band von ungefähr 17 mm. Dicke, 150 mm. Breite und 200mm. Höhe bilden. Auf dem Rücken des Bandes steht geschrieben: ,, Belus Lucianus; “ man sieht da eine No. 5 aber durchstrichen; der n9 51514 der Signatur von 1844, die noch immer sichtbar ist, aber durchstrichen, ist mit neuerer Tinte die Nummer 2554 substituiert; auf der Vorder- seite des Deckels befindet sich auch noch die zweite Bezeichnung von 1844, nämlich ,,1514 BF. 4“ aber durch einen Strich mit Bleistift durchzogen. – Auf dem Titel des ersten der genannten sieben Werke, aus denen das Bändchen besteht, und der beginnt ,, Lucianus Belus de Roccha Contrata Physicus ac Medicus“ ist mit Tinte die Signatur CXC/III. 3 geschrieben, die, wie mir versichert wurde, den augenblicklichen Standort des Bandes in der Bibliothek anzeigt. – Das zweite Werk trägt auf dem Titelblatt die Worte: „Jacobi Sadolet Curtius.“ – Das dritte ist das unsrige. – Das vierte von 1532 und das fünfte sind von einem gewissen Hercules Bonacossus und enthalten, glaube ich, Medicinische Kleinigkeiten. – Das sechste ist eine ,,Oratio Cinthii Joan. Baptistae Giraldi,“ Secretärs des Herzogs von Ferrara, mit dem Datum des Jahres 1553. – Das siebente endlich, das kein Titelblatt besitzt, ist ein Brief von Giovan battista Giraldi an Messer Giovan battista Pigna und die Antwort dieses an jenen, in denen sie über Ariosto schreien! – Welches Kriterium entschied wohl über die Zusammen- setzung dieses Missellaneenbandes!! Und dennoch ohne die Gesellschaft der sechs, unserm Werke so viel man will fremdartigen Werkchen würde dasselbe, ein Heftchen von 6 Blatt, unweigerlich in der ungeheuern Büchersammlung verloren gegangen sein, welche die Mar- ciana bildet. – Das ist, die mehr oder weniger ausgedehnten Bibliotheken, so gut sie auch bei der Aufstellung und in den Katalogen geordnet sein mögen, sind für die kleinen Bücher stets ein Chaos, in dem sie sich verlieren oder vergeblich gesucht werden, Wenigstens wenn man nicht durch das bequeme Mittel, viele zu vereinigen, ein jedes theilnehmen lässt an dem Vortheil des grossen Umfangs und der Masse, der die dicken Bücher kenntlich macht und sie zugleich vor dem Unrecht der Zeit und der Menschen schützt (?). – 72 – eigenthümlichen Bedingungen, die bei dem Druck und der Ver- öffentlichung der Cartelli eingetreten. Sie erschienen vereinzelt in dem kurzen Zeitraum von etwas mehr als anderthalb Jahren, sechs in Mailand, sechs in Venedig, aber ohne dass aus ihnen erhellt, dass die einen wirklich in Mailand, die andern in Venedig gedruckt sind, da in allen der Name des Druckers fehlt (als ob sie gleichsam wie Schandflecke veröffentlicht wären, was auch CAss ATI in dem Passus, den wir oben (S. 59) angezogen haben, in Bezug auf die des TART AG LIA sagen mag); und jeder kaum gedruckt unter die Leute gebracht, um an eine bedeutende Zahl von Professoren und berühmte Liebhaber der Mathematik und Litteraten Italiens vertheilt zu werden (in dem ersten Cartello des FERRARI sind die Gelehrten der Hauptstädte Italiens ge- druckt aufgeführt, denen dieses Cartello übermacht werden sollte; für Bologna findet man: Achille Bochio, Ludovico Wital, Han- nibal dalla Nave, Nicold Simo); sämmtlich ohne Seitenzahlen, eines sogar ohne das Buchstabenregister am Fusse derselben, die übrigen mit einem von einem zum andern variablen Register; endlich wie es scheint zum grossen Theile ohne Titelblatt oder mit einem fiegenden Blatte statt eines solchen, sicherlich ferner mit einigen fliegenden Blättern (Cartino). Aus alle dem ihre leichte Zerstreuung, Verlust und Vernichtung, vorzugsweise nach Beendigung des Wettstreits. Die ganze Sammlung verlangte ferner zu ihrer Bildung Sorgfalt und ein Specialinteresse, das sich bei Wenigen vorfand. Man füge hinzu, dass diese Sammlung eines eigenen gedruckten Titelblattes ermangelte, und folglich die Ergänzung durch ein dergleichen handschriftliches nöthig machte. Daher die Nothwendigkeit specieller Kenntnisse für den, der dieses richtig besorgen sollte, für die richtige Angabe des Bandes dieser Sammlung in den Katalogen der Bibliotheken u. s. w.; daher ferner der Ursprung der Irrthümer, denen man den Verlust oder das nicht Erkennen einiger Exemplare desselben zuzuschreiben haben dürfte. Mein Exemplar zum Beispiel enthält mit nicht alter Schrift und Tinte den Titel „Tartalea Prof. di Mate- matiche“ und nichts weiter! Weshalb TART ALEA und nicht FERRARI, obwohl der erste Druck, welcher in meinem Bande auf fünf weisse Blätter folgt, dem zweiten sowohl nach der Unter- schrift als nach seinem ganzen Tenor angehört? Ja, dieser Druck, der also das erste Cartello des FERRARI darstellt, das erste Von allen Cartelli in Rede, fängt buchstäblich mit den Worten an: – 73 – , Messer Nicolò Tartalea, und vielleicht las der Messer Titel- fabrikant des gedachten Bandes nicht mehr als eben diese Worte. Ich bin auf alle diese Kleinigkeiten gekommen und bleibe auch noch weiter dabei in der angenehmen Ueberzeugung, dass siedazu dienen könnten, irgend ein Exemplar der verlorenen Cartelli wieder- finden zu lassen. Dass man von den verlorenen und nicht ver- nichteten eine ganze Zahl, nicht blos einzelme wiederzufinden hoffen darf lassen gerade die vorliegenden Kleinigkeiten erkennen, noch besser aber folgende Worte, die ich der , Nachschrift (Da poi scritta) “ entnehme, welche die erste Antuort des TARTAGLIA schliesst: , Accioche questa mia risposta non vi paia molto privata ne ho fatto imprimere 1000. per man- darne anchora io generalmente per tutta Italia ecc. . . . . me apparso de drizzarvene a voi 54. . . . . delle quale ne tenereti una per voi, et delle altre 53. ne mandareti una a cadauno de detti Signori ecc. “ (nimlich diejenigen Herren, denen FERRARI sein erstes Cartello gesendet). Mein Band aller sechs Cartelli des FERRARI und fünf des TARTAGLIA trigt ein sicheres Kennzeichen an sich, dass er aus der Sammlung der- jenigen Zusammengestellt ist, die dem Nico Lò SIMO zur Zeit, als sie erschienen, ibermittelt waren (NIco Lò SIM o erscheint seit 1544 in den Rotoli dieser Studienanstalt Ad Arithmeticam, 5 Jahre nachher sieht man ihn unter die Professoren der Astro- nomie ibergehen und unter diesen bleibt er bis zum Rotolo von 1563). Denn unter der ersten oder letzten Seite jedes Cartello steht mit alterthümlicher Tinte und Schrift geschrieben: , Al Signor Nicolo Simo“; dagegen steht am Fusse der ersten Seite der ersten Antwort des TARTAGLIA folgende handschriftliche Adresse: , Al Mag. et eccell. Signor Nicolo Simo. Auch am untern Rande der letzten Seite des ersten Cartello FERRARIS steht Folgendes geschrieben: , V. S. si degni conservarla (gleich als ob der Absender dieses Druckes Vorausgesehen hàtte, dass man schon erwarten dirfte, es würden andere folgen). Da ich jetzt im Begriffe bin meinem ganzen Vortrage ein Ende zu setzen, Weil ich den Theil vollendet habe, den ich in Bezug auf die bedeutenderen Männer der zweiten Epoche der Mathematischen Facultát im Bologneser Archigymnasium unter den Händen hatteº), darf ich nicht mehr aufschieben, einem leb- 1) Ich will hoffen, dass die vielleicht iberflüssige Länge dieses Theiles meimer Rede wegen der Neuheit und Wichtigkeit des Inhaltes der Cartelli ver- – 74 – haften Wunsche zu entsprechen, von dem ich glaube, dass er in Ihnen allen, Hochgeehrteste Collegen, entstanden sei, nämlich eine andere Textstelle aus den genannten Cartelli zu hören, eine ziehen wird, die ich ausführlich und in allen Specialitäten zu behandeln für nöthig hielt. Wenn ich auch hier, vor den Cartelli an sich, Scipione Ferro, die Ehrenrettung seines Ruhmes, die aus ihnen entspringt, hätte erwähnen können, die ich vorzugsweise bei allen diesen Ausarbeitungen zum Zielpuncte hatte, und für welche ich keine Untersuchungen, keine Vergleiche und deshalb keine Ausdehnung dieser Schrift scheuete. Dass ferner die Ehrenrettung des nicht weniger unglücklichen als grossen Analysten, die uns so sehr am Herzen liegt, in diesen unseren Zeiten zu gelegener Zeit kommen dürfte (einer Zeit so reich und zufrieden über die fortdauernden eigenen Erfindungen, und die jeder- zeit immer verachtender und vergesslicher zu werden scheint nicht blos in Bezug auf die alten, sondern selbst der von vorgestern), mögte folgende Thatsache vielleicht besser als jede andere zu bezeugen genügen, die wir bis jetzt angeführt haben. In den ersten Ausgaben (von 1808 u. s. w.) der Elementi di Al- gebra e Geometria, die mit dem berühmten Namen Brun a ccis geschmückt sind (unseres Lehrers, der, wo es auch sei, bei uns stets in höchster Verehrung stehen wird), wird Scipione Ferreo erwähnt und der studierenden Jugend gebührendermassen gezeigt da, wo es sich um die Auflösung der cubischen Gleichungen handelt. In den folgenden Auflagen derselben Elementi aber, nach dem Tode dieses Trefflichen wieder durchgesehen und herausgegeben, er- scheint Scipione Ferreo nicht mehr; dieser Name wurde darin, so zu sagen, cassiert!! Eine Thatsache, die in Wahrheit um so tadelnswerther und ärger- licher ist, in so fern sie unter dem Namen einer Verbesserung gemacht zu sein scheinen könnte, nämlich als eine der Correctionen, durch welche nach dem Sinne des Titelblattes diese Ausgaben bereichert wurden. Und wohlverstanden, zu unserem grossen Kummer!, einige dieser Ausgaben sind auf Grund einer Mailänder revidiert, erläutert, verbessert und herausgegeben worden in dieser Vaterstadt des Scipione Ferro (1826, 1830 u. s. w.)!! Und wenn nun das Andenken an und die Verehrung für die ersten Erfinder sich der Jugend nicht durch die Elementarbücher einprägen, so ist stark zu fürchten, dass sie, wenn sie erst in die höheren Studien gelangt und selbst fähig sind, das Erbtheil der Wissenschaft zu vermehren, keinen Gedanken mehr auf jene wendet. Denn von wievielen werden die historischen Werke, die dazu bestimmt sind, sie in geeigneter Weise zusammen mit ihren entsprechenden Beiträgen für dieses Erb- theil in Erinnerung zu halten, nur überhaupt noch dem Titel nach gekannt, von wievielen heutigen Tages noch gelesen? Hier ist der geeignete Platz zu erwäh- nen dass eines von dieser Art Werken, der Saggio sulla Storia delle mate- matiche von Franchini (Lucca 1821. – Ein Werk, wenn auch wenig ge- ordnet, doch höchst werthvoll, weil es mit Kürze möglichste Genauigkeit, ferner sicherlich grosses Wissen, kritischen Blick und Gelehrsamkeit verbindet), den Scipione Ferro gar nicht erwähnte, während Tartaglia sowohl, als Cardan und Ferrari jeder seine Stelle hatte (p. 162–163). Aber im letzten Supplemente zu diesem Saggio (d, h in der früher erwähnten Storia dell' – 75 – Stelle entnommen aus meinem Exemplare derselben, jene Stelle des zweiten Cartello FERRARIs, auf die sich die hauptsächlichen Passus, die Sie schon von TART AGLIA gehört haben, beziehen, eines der Cartelli, welche FANTUzzI nicht kannte. Folgendes liest man in gedachtem Cartello in der ganzen Ausdehnung der dritten Seite: ... Sed prius, ne obstupescas miratus unde ego „omnia tua mendacia quasi ab Apolline monitus resciverim, „tibi in memoriam revoco, me in eadem domo cum Cardanus „te hospitio ercepisset. omnibus vestris sermonibus, quibus „mirum in modum tum delectabar, interfuisse. Cardanus ergo „er te accepit inventiunculam illam ) cubi et laterum aequalium „numero, quam ut ab interitu - cui vicina erat. revocaret, in „subtilissimo. atque eruditissimo suo volumine, velut languen- „tem et semimortuam arbusculam in amplissimo, feracissimo „et amoenissimo horto inseruit. te inventorem celebravit, te „eroratum sibi tradidisse commemoravit – Guid vis amplius ? „Nolebam divulgari: – cur? Nequisquam alius meis inventis „frueretur. Hic quamvis in re tenui, mulliusque propemodum ...usus ostendis tamen te impium, et nefarium, ab hominumque „consuetudine erturbandum. Cum enim non solum nobis, sed „patriae et universo humano generi nati simus cur, siquid „in te est boni, caeteris nom vis impertiri? Yolebam, inquis, „in publicum edere, sed in meis libris. – Quis vetat ? non ne Algebra ecc. Lucca 1827) verbessert der hochgelchrte Verfasser seine Aus- lassung, und liefert da, in die Fusstapfen Cossalis tretend, folgenden Artikel (p. 40–41): „ Scipione Ferri professö le matematiche in Bologna dal 1496 al „1526. Il poco che a storia c'insegna intorno al suo merito, siriduce a sapers „che sciolse l'equazione r” + pr = q con un metodo generale, da lui partecipato „al suo scolare Antonio del Fiore; ma cid basta per autorizzarci ad annoverarlo „fra i primi calcolatori del tempo suo . . . . Antonio del Fiore, divenuto alteroper „la regola confidatagl dal suo maestro Scipione Ferro . . . ard. sfidare ad una „publica prova di algebrico talento il valoroso Tartaglia ecc.“ Wir haben diesen Artikel Franchinis zur Ehrenrettung Ferros in seiner ganzen Vollständig- keit auch deshalb mittheilen wollen, weil er das Bedürfniss der grössern Ehren- rettung für Ferro bestätigt, um welche wir uns bemühen. 1) Es ist überflüssig, dass ich irgend Jemand auf die Leugnung der Wich- tigkeit, auf die affectierte Verachtung der Erfindung an sich aufmerksam mache, welche die ganze obige Periode athmet; Erdichtungen die nicht die schlechteste Frucht des übermächtigen Parteigeistes dieser Cartelli sind, und die von Tar- taglia in seiner dritten Antwort natürlich durch die Verse zurückgewiesen werden, wie man in der Anmerkung (b) am Ende dieser Schrift sehen wird. „tibi adhuc integrum est, licetque quotvis volumina componere, .,eamque tuam inventionem vel seaecenties (si ita libuerit) ! „ascribere? Ad haec, videtur me tibi haec satis iusta caussa, ,.qua in virum praestanti ingenio. atque eaeimia doctrina, qui ,,te apud doctissimum illum Caesaris legatum, et apud excel- ..leyatissimum 4lfonsum 4valum mirifice laudaverat, tu tan- „topere tamque impudenter invehereris? Quid? si probavero, ..quod tibi luce clarius est, mos quoque non ignorare illud non „esse tuum inventum. Si Cardano non concedes, ut tua, num .,saltem permittes, ut aliorum inventa raos doceat ? Anno ab „hinc quinto, cum Cardawus Florentiam proficisceretur, egoque „ei comes essem , Bononiae Annibalem de Nave virum inge- „niosum, et humanum visimus qui nobis ostendit libellum manu „Scipionis Ferrei soceri sui jam diu conscriptum, in quo istud „inventum, eleganter et docte e.vplicatum , tradebatur. Quod „non ascriberem , ne viderer more tuo ea, quae mecum face- „rent, confingere, nisi Annibal ipse adhuc viveret, et posset in ,,hac controversia testis adhiberi. Sed quid ea:ternis testibus „opus est ? No/z ne tu fateris in ultima parte istius tui libri* (nämlich im letzten Theile, d. h. im schon erwähnten libro nono de' Quesiti et Inventioni des TARTAGLIA), ,, in ea ..inquam parte, in qua tam impudenter Cardanum nominas, ,, Antonium Floreum adversarium tuum multis ante te annis „dictam invezationem possedisse ? Ergo necesse est ad tuas „illas ineptas fictiones confugias . . . etc.**. Da ist diese be- merkenswerthe Stelle des elegantem lateinischen Cartello FERRARIs, aus der ich vorzugsweise die ganze vorgehende Discussion entmahm, und von der ich deshalb glaubte, dass Sie grosses Verlangem haben würdem, sie im Originale kennen zu lernem, nach der Spur, welche Sie davom in dem erstem mitgetheilten Passus des TAR- TAgLIA erhielten. Wie es auch um meine Annahme stehem möge, so war es doch für mich fest bestimmt, dass ich mit dieser Stelle dem letzten Theil meiner Schrift zieren wollte, ohne welche es mir gewesen wäre, als ob dieser Theil seiner wahrsten und festesten Stütze ermangele. Jeder von Ihnem, Hochgeehrteste Collegen, kann sie Zugleich mit den andern vorgelegtem Stellem und mit den in Bezug auf die Cartelli und meime Sammlung derselben behauptetem Thatsachem in dem Volumen selbst finden, das ich hier zur Einsicht darreiche; an ihm kann mam sicher die grössere und amständige Erhaltung für eine Seltenheit seiner Art. – 77 – sehen !). Sie sehen, dass das lateinische Cartello aus eilf Seiten compressen Druckes besteht, mit Ausnahme der eilften Seite, die nur wenige Zeilen ausser dem Datum enthält: „Medio- „lani Cal. Aprilis MDXLVII“ (das Datum findet sich in ähn- licher Weise in allen Cartelli), und ausser der Unterschrift dreier Zeugen (ähnliche Unterschriften finden sich gleichfalls unter den übrigen Cartelli), endlich ausser den Buchstaben: ., N. P. M. M..“ deren Sinn ich nicht kenne. (Das erste und letzte der Cartelli TART AGLIAs zeigt auf dem Titelblatt die Anfangsbuchstaben: „V O. P.,“ deren Sinn ich ebenfalls nicht verstehe.) Die Unter- schrift des Verfassers fehlt auf dieser eilften und letzten Seite gegen den Gebrauch in allen andern Cartelli. Dieselbe wird aber ersetzt durch die concise Ueberschrift des Cartello: „. Ludovicus „Ferrarius Nicolao Tartaleae,“ die der ganzen nervigen und eleganten Darstellung entspricht: eine werthvolle Eigenschaft, die man in allen Cartelli Ferraris wiedererkennt, und die selbst die 1) Ich werde dafür sorgen, dass er unter den seltensten Büchern der städtischen Bibliothek aufgestellt wird, die jetzt ihren festen Platz in der herr- lichen Aula des alten Archigymnasiums hat, die in prächtigster Weise in unsern Tagen mit grosser Freigebigkeit der Stadt und lobenswerther Sorgfalt des Wohlweisen Magistrats restauriert ist. Da das Buch vorzugsweise zur Wieder- erlangung eines Ruhmes der Vaterstadt und des Archigymnasiums dient, so steht es besser in der genannten Bibliothek als in der der modernen Univer- sität. = Später war ich so glücklich auch das letzte Cartello, d. h. die letzte Antwort Tartaglias, wieder aufzufinden und zu erwerben; damit wurde mein so schon sehr werthvoller Band Cartelli complett und folglich von viel grösserm Werthe, als vorher. Die dafür verwendeten Kosten, noch mehr aber die Bedürfnisse der Familie im Exile riethen uns und zwangen mich, ihn dem berühmten Libri für die ansehnliche, freigebige Summe von 500 Fres. zu überlassen, die er mir, ohne meinem Verlangen ein Wort entgegenzusetzen, bewilligte: er kannte besser als jeder Andere den Werth des Bandes, und wusste auch, dass mir eine genaue handschriftliche Copie desselben blieb, die ich mir unter meinen Augen hatte anfertigen lassen, sobald ich mich ent- schlossen, mich desselben zu berauben. – Ich will nicht einen andern wichtigen Antrieb zu der fraglichen Cession an Libri verschweigen; es war die Hoffnung, dass die Leiden, die Geschäfte und der Gesundheitszustand desselben ihn nicht verhindern würden, seinen hohen Geist dem Studium des in seiner Art einzigen Bandes zu widmen und daraus für die Wissenschaft grössere, ja viel grössere Früchte zu entnehmen, als ich es gekonnt hätte; eine Hoffnung dennoch, ohne Schuld des grossen Geistes und unglücklichen Mannes, zu sehr getäuscht! (Der Band ist dann in der weltberühmten Auction der Librischen Bibliothek, die 1861 vom 25. April in London an gehalten wurde, mit verkauft worden. Wer denselben erstanden, ist mir unbekannt geblieben. Anm. d. Uebers.) – 78 – Grobheiten und Erdichtungen schön und entschuldbar zu machen scheint. Es sieht jetzt. Jeder, dass man im Grunde diesem Cartello, speciell aber dem mitgetheilten Passus die sichersten thatsäch- lichen Gründe verdankt, die wir zur Richtigstellung und bessern Grundlegung der Geschichte der ersten Auflösung der cubischen Gleichungen besitzen. Diese Geschichte, die eng mit der zweiten Epoche der genannten Facultät verknüpft, vielleicht in dieser Weise berichtigt und wiederhergestellt heute, wenn ich nicht irre, ihren grössten und lebhaftesten Glanz bildet, der niemals geschwächt werden kann: ein Glanz, welcher durch den vermehrt, den diese Epoche durch NOVARA erhält, sowie durch jenen andern, der auf sie von den Namen des COPERNICUs und PA- CIO LI Zurückstrahlt, und auch durch den Zuwachs, den die Unter- richtszweige der Facultät in dieser Periode erhielten (wie wir oben berührt haben, was aber in einer spätern Schrift zu beweisen sein wird), diese Epoche auszeichnet und ihr ein nicht geringeres Ansehen giebt, als irgend eine andere der sechs Epochen besitzt, die wir in genannter Facultät während der ganzen Dauer der alten Universität unterscheiden. Ich lasse jetzt unter der Form von Zusätzen zu allen bisher in Bezug auf FERRO und die Cartelli durchgesprochenen That- sachen, die hauptsächlichsten Puncte folgen, welche zu der ge- nannten Geschichte Berichtigungen liefern ). 1. SCIPIONE DEL FERRO verfasste ein Werk über die allgemeine Auflösung der Gleichungen dritten Grades, deren erster Erfinder er war. Dieses Werk wurde CARD AN zugleich mit FERRARI mitgetheilt. Diese durcharbeiteten dasselbe wirklich ein Triennium bevor der eine von ihnen die Ars Magna herausgab, die Arbeit beider. Sie erkannten die genannte Erfin- dung als elegant und gelehrt gelöst an, was ohne Zweifel heissen soll, dass in jenem Werke nicht blos die Endregel oder Auflö- sungsformel, sondern eine Methode zu derselben zu gelangen, eine Erklärung und vollständiger Beweis derselben enthalten war. 2. Aus dem früher Auseinandergesetzten weiss man ferner, dass CARD AN ungefähr ein zweites Triennium vorher von TAR- 1) Der folgende letzte Theil der vorliegenden Schriſt wurde vor der Accademia dell' Istituto di Bologna in der Sitzung vom 7. Mai 1846 gelesen. - 79 - TAG LIA gleichfalls eine bezügliche Mittheilung erhalten hatte: übrigens eine Mittheilung der blossen Formel und dies dazu noch räthselhaft in einem Schriftstück in Versen ausgesprochen; so dass die erste Arbeit CARDANs über diese der Zeit nach erste Mit- theilung die hätte sein müssen, sie aus ihrer Räthselform zu lösen, um die Formel in reiner Fassung zu erhalten. Bei dieser Bemühung fand er Schwierigkeiten und er erröthete nicht, bei deren Entzifferung sich an den Mittheilenden selbst zu wenden, der zuerst gefällig, später versuchte, ihn damit noch mehr zu verwirren. 3. Weil die Thatsache, die unter No. 1 mitgetheilt ist unbekannt war, und man nur die Zwischen CARDAN und TAR- TAGLIA vorgekommenen Mittheilungen, die in No. 2 enthalten sind, kannte, so konnte man vernünftiger Weise, man musste sogar mit Nothwendigkeit daran festhalten, dass nicht nur die Entwickelung der oft erwähnten Formel aus dem Capitel in Versen, sondern auch der Beweis der Formel, was wirklich mehr sagen will, und der Weg oder die Methode, um zu ihr zu gelangen, die zuerst in der Ars magna erschien, ganz und gar aus der Mühle CARDANs und seines Schülers FERRARI gekommen, der ihn beträchtlich bei der Erfindung und Ausarbeitung der Materialien dieses tiefsinnigen Werkes unterstützte. Jetzt aber nach der berichtigten Kenntniss der besagten Thatsachen kann man hieran mit gutem Grunde zweifeln. Durch diese Kenntniss kommt nämlich die andere Meinung ganz von selbst ins Gesichtsfeld, dass CARDAN und sein Mitarbeiter nicht blos von der Formel, sondern auch von ihrem Beweise, von dem Wege oder der Methode, um dahin zu gelangen, zuerst durch das Werk FERRos vollständige Kenntniss erhielten: das heisst, dass sie wirklich dieses Werk genau durcharbeiteten, bevor sie nach der höchst mangelhaften Mittheilung TART AG LIAs wenn auch nicht zu Allem, was sich in Bezug auf die cubischen Gleichungen in der Ars Magna findet, aber doch zu einer Methode und zu einem Beweise genannter Art zu gelangen verstanden. Unter richtiger Abwägung aller Umstände, wird diese neue Annahme höchst wahrscheinlich. Ihr wird zunächst durch kein Wort FERRARLs in seinen Cartelli widersprochen, vielmehr wird sie durch jene Stelle, die Sie ge- hört haben, unterstützt: „Si Cardano non concedes, ut tua. „num sallem permittes, ut aliorum inventa nos doceat ?... Es scheint ihr, es ist wahr, von der Stelle des Buches CARDANs — 80 — De libris propriis, die wir oben (S. 56) abgeschriebem, und die wir hier widerholem,- wiedersprochen zu werdem: ,, Has (re- „gulas) cum diligenter perscrutatus essem, cum Ludovico „ Ferrario, inventa demonstratione, alias innttmeras etiam ad- „invenimus, ut e.r his librum Artis Magnae conficerem. “Aber wenn wir auch mit Stillschweigem übergehen, dass der Wider- spruch dieser Stelle und anderer ähnlicher ') mit der vorgetragenem 1) „Inde autem illo habito** (das Capitcl de cubi et rerum aequalium numero, das er von Tarta gli a crhaltem), ,, DEMONSTRATIONEM VENATUS, „intelleri complura alia posse haberi. Ac eo studio, auctaque iam confidentia, „per me partim ac etiam aliqua per Ludovicum Ferrarium, olim alumnum nostrum, „inveni** (C ar d a ni A rs M ag m a Cap. I, am Eingang). — ,, Cum autem ,.intellexissem capitulum, quod Nicolaus Tartalea mihi tradiderat, ab eo fuisse ,,demonstratione inventum Geometrica, cogitavi eam viam esse regiam, ad omnia ,,capitula venanda** (Eb enda selbst, Cap. VI — De modis inveniendi capitula nova — n" 5). — Im Eingamge des Cap. XI. derselben A rs Magna, welches De cubo rebus aequalibus numero handelt, liest mam ferner Folgemdes: ,, Scipio ,,Ferreus Bononiensis ... capitulum hoc invenit, tradidit vero Anthonio Mariae ,,Florido Veneto, qui cum in certamen cum Nicolao Tartalea Brjrellense aliquando „venisset, occasionem dedit, ut Nicolaus invenerit et ipse, qui cum nobis rogantibus „tradidisset, SUPRESSA DEM0NSTRATIONE, fret; hoc auxilio, demon- ,,strationem quaesivimus, eamque in modos, quod dìfficillimum fuit, redactam sic ,,subijciemus.“ In Betreff dieser Stelle wird jeder erkennem, dass darim die Thatsache der unbestimmten Mittheilumg am Fiore ausgesproehen ist, eine Thatsache, die dem Mittheilenden mur als cim dictum de dicto bekannt ist, dagegem dic amdere Thatsache völlig verschwiegen ist, dass dieselbe Erfindung ganz bestimmt und in vollständiger Weise an D a 1 1 a N ave mitgetheilt war; welche Thatsache Ca r dam auf die directeste und bestimmteste Weise in Erfah- rumg gebracht hatte. Ich darf. mich auch dem Glaubem himgeben, dass nach dem obigen Auseimandersetzungem cs jeder für viel wahrscheinlicher halten wird, dass Fiore die Regel F erros in der hiesigen öffentlichem Schule der Arithmetik umd Geometrie lernte, als dass sie ihm als ein Geheimniss vertraut wurde, wozu die betreffende Erzählung, die wir obem mitgetheilt habem, führen würde. Wenn mam aus der Regel ein Geheimniss hätte machen wollem, das mur für einige Lieblingsschüler aufbewahrt wurde, so würde unter ihnem miemals ein Fremdling gezählt worden sein, als der er sich uns nach dem Ausspruche C a rd a n s zeigt: „Antonio Maria Fior del q. maestro Pelegrino** (T a rt a glia, O p ere, Quesiti et Inventioni e c c., Libro nono, p. 258). Dieser vene- tianische Schüler in B o 1 ogm a hat also meiner Meinung nach die Ferrosche Regel an der öffentlichen Studienamstalt gelernt und viel wahrscheinlicher zur Zeit der Professur D alla N aves als zur Zeit der Professur F erros; er würde sie sonst nicht, nachdem er in seim Vaterland zurückgekehrt, in der Art gebraucht habem, die mam erzählte, nämlich in der Art seines Gleichem, eines, der ,,non aveva scientia, non theorica, ma solamente gran pratica** (Tarta gli a, a. a. 0., p. 235). – 8 – Ansicht nicht so vollständig ausgesprochen und handgreiflich ist, wer wird jemals die Behauptung CARDANs in Bezug auf diesen Gegenstand buchstäblich nehmen, der an den verschiedenen Stellen nicht übereinstimmend und immer prahlerisch berichtet; die Be- hauptungen eines Menschen seines Charakters, selbst wenn man denselben aus dem Gemälde entnimmt, das er selbst davon in dem Buche De vita propria entwirft? In zweiter Stelle er- kennen wir aus der Nachricht, die uns TART AG LIA!) über die ersten Schritte CARDANs in dieser Materie hinterlassen hat (auch wenn wir der Uebertreibung und dem Unwillen des Gegners gebührend Rechnung tragen), wie dieser unschlüssig und für damals beinahe der Kenntnisse und der Praxis baar war, die ausser der geistigen Kraft verlangt wurde, um in den schwierigen Gegenstand einzudringen und noch viel mehr um ihn zu durchdringen und sich zum Herren desselben zu machen, als welcher er sich, und zwar mehr als nöthig, nachher (sechs Jahre später) beim Er- scheinen der Ars Magna zeigt. Ist es daher nicht höchst wahr- scheinlich, dass er nach der dargelegten Ansicht, bevor er das Werk des berühmten bologneser Professors gesehen, sich noch nicht soweit in den Gegenstand in Rede vertieft hatte, dass es genügend gewesen, einen zu der Formel führenden Weg, einen allgemeinen und exacten Beweis derselben zu entdecken; dass er daher bei seiner Durchreise mit FERRARI durch Bologna seine Zuflucht zu dem Mitbürger, vielleicht sogar Freund dieses Letztern, ANNIBALE DALLA NAVE, genommen hat, damit dieser ihm alle Einzelheiten der Erfindung des eigenen Schwiegervaters und Vor- gängers im Lehramte zeige; und dass, als sie in zuvorkommender Weise das genannte handschriftliche Werk zur genauen Durchsicht erhielten, dieses Werk ihnen sowohl jenen Weg, als jenen Beweis zeigte, von wo aus weiter jeder von ihnen ohne Hinderniss durch sein Genie die dunkle Materie fördern, die Auflösung der biquadratischen Gleichungen entdecken u. s. w., in Summa in 1) Man sehe vor Allem im Libro mono der Ques iti et Inventioni diverse die Antwort Tartaglias auf die Frage 38, die Cardan gestellt hatte, in der er gegen das Ende hin ihm tödtliche Vorwürfe macht, dass er einem enormen Fehler, den er bei der Ausziehung der Cubikwurzel begangen, nicht erkennen, noch weniger habe verbessern können, obgleich er durch ihn sogleich darauf aufmerksam gemacht sei, und dass er bei dem Versuche den ersten Irrthum aufrecht zu erhalten und zu vertheidigen, in noch grössern Irr- thum gerathen sei. (A. a. O. p. 273–274). Gherardi, Materialien. 6 - – 82 – einigen Jahren dahin gelangen konnte, auf die hervorragende Höhe hinaufzusteigen, auf der er in der Ars Magna bewundert wird, und durch welche sie sich, auch nach unserer Meinung, als ausgezeich- nete Mathematiker offenbaren? Das absolute Stillschweigen des mailänder Algebraikers und Philosophen in allen seinen so zahl- reichen Werken über das erwähnenswerthe Abenteuer, dass das Buch von FERROs Hand ihm in Bologna unter die Augen gelegt wurde (ein offenbar verdächtiges Stillschweigen); jene Lob- preisungen (S. o. S. 48), die er FERRo ertheilt (vielleicht als eine Art Compensation oder als eine nöthigenfalls für das er- wähnte Stillschweigen anführbare Entschuldigung), und die in dem Munde dessen übermässig übertrieben sein würden, der ihn durch die Erfindung der Methode und des allgemeinen Beweises, die steilste Klippe des Gegenstandes, übertroffen hätte; liefern diese Thatsachen nicht etwa eine bedeutende Stütze für die oben vor- gelegte Meinung? 4. Wenn aber auch der Eine oder Andere diese Meinung nicht ohne Zögern unterschreiben mögte, so glaube ich doch, dass Niemand zweifeln dürfte, dass CARDAN und FERRARI aus der Untersuchung des Werkes von FERRo eine grosse Unterstützung erhalten haben, originelle Gedanken, fremde Kenntnisse und Lehren für die Ausarbeitung der Ars Magna. Mögen sie auch, ehe sie das Werk gesehen, im Besitze einer Methode gewesen sein, zu der Regel zu gelangen, und eines Beweises derselben, so ist es beinahe unmöglich, dass jene sowohl wie dieser, sowie die ganze Auseinandersetzung des Gegenstandes genau mit dem überein- stimmte, was sie in dem Werke in aller Bequemlichkeit lesen und wiederlesen konnten. Es ist ferner unbedingt richtig, dass sie mit diesem ihre eigenen Studien verschmelzen mussten, so dass der Inhalt desselben als in die Ars Magna übernommen angesehen werden muss, besonders in dem Theile, der von den Gleichungen dritten Grades handelt. Wenn auch nicht eigentlich der Weg, der zu der allgemeinen Auflösungsformel dieser Glei- chungen führte, und den der erste Erfinder derselben befolgte, sowie der nothwendige Beweis, den er fand, so müssen doch Auszüge aus dem einen und dem Andern mittelst der Veröffent- lichung durch den Druck seit dem Jahre 1545 als bekannt ange- sehen werden, dem Jahre der ersten Ausgabe der sovielgenannten Schrift CARDANs. Es wird daher die Meinung, dass man die Methoden, durch welche SCIPIONE FERRO und TART AGLIA, – 83 – ehe sie die cubischen Gleichungen auflösten, sich wirklich zu Herren dieser Lösung machten, nicht kenne, eine Meinung, die bis jetzt, was FERRO betrifft für absolut richtig von Niemand in Zweifel gezogen ist, in Bezug auf TARTAGLIA nicht so absolut und nicht ohne Wiederspruch!), vielleicht in Bezug auf den zweiten bestehen oder aufrecht erhalten werden können, nicht mehr aber in Bezug auf den andern. Die Methode dieses findet sich in der Ars Magna vermischt mit Gutem und Schlechtem, mit den wichtigen, so grossen Erfindungen CARD AN S und FER- RARIS und der transcedentalen und affectierten Dunkelheit CAR- DANS selbst, sie findet sich aber unzweifelhaft darin. 5. Was TARTAGLIA betrifft, so gilt das nicht mehr, was bis jetzt von Allen geglaubt wurde, d. h., dass er den Namen des ersten Erfinders und Förderers dieser verborgenen Studien niemals ausgesprochen haben würde; jenes grossen Mathema- tikers oder grossen beobachtenden Meisters?), über den übrigens die allgemeine Meinung dass er sich wohlverdient gemacht hätte sich nur auf die Aussage, die von einem Abacisten über seinen glücklichen Erfolg in jenen Studien verbreitet wurde, stützt. TAR- TAGLIA wurde, wie man gesehen hat, gezwungen, diesen Namen in seinem zweiten Cartello an FERRARI zu nennen, in dem er gleich- zeitig aussprach, dass er die obengenannte Hauptthatsache in Betreff des Werkes des SCIPIONE FERRO weder bestreite, noch in Zweifel 1) Wallis, Nugmez, Andres, Montu cla u. s. w., Lagrange (m. s. oben S. 49–50) sind für die mitgetheilte Meinung auch in Bezug auf Tartag- lia gewesen. (Cossali, Origine ecc. dell' Algebra, T. 2, pag. 139–147, 164–165); dagegen haben Cossali und nach ihm Franchini geglaubt, dass der Weg, den Tartaglia bei dieser Erfindung inne gehalten, sich zeichnen lasse, und sie haben ihn gezeichnet nach den Spuren, die er selbst im Libro nono de' Quesiti ecc. und im General Trattato hinterlassen (Cossali, a. a. O., p. 145–158, u. s. w.; Franchini, La Storia dell' Algebra ecc., p. 46–47). Nach solcher Reife der historisch-kritischen Studien über die Thatsachen durch die trefflichen Bemühungen der beiden Italiäner Lagrange und Cossali hat ein dritter Italiäner, Libri, vor 6 Jahren sie einem neuen Examen unterworfen und hat sich mit Lagrange übereinstimmend ausge- sprochen (Histoire etc., T. 3, p. 150 Anm. 1 und p. 157–158). Mein unmassgebliches Urtheil über den vorliegenden Gegenstand, das gleichwohl eine gewisse Beachtung verdienen dürfte, wegen des neu darin eingeführten Elements, wird aus dem Reste dieser Schrift, vor Allem aber aus der Anmerkung (b) am Ende derselben sich zeigen, 2) Cossali, Origine ecc. dell' Algebra T. 2, p. 99. 6 – 84 – ziehe, die unter den Augen des Gegners sicherlich zu sehr geringer Freude des TARTAGLIA selbst und ebenso CARDANS gedruckt war. Und bei dieser Erklärung ging er offen aus der geraden Strasse, indem er sich bemühte dem FERRARI zu antworten, dass, wenn auch jemand anders ihm in Bezug auf die Erfindung dieser Sache Zuvorgekommen, er sie doch von Niemandem gelernt habe, sondern sie aus sich selbst wiedergefunden!), und lässt die Hauptfrage ohne gehörige Antwort, die ihm wirklich gestellt war, nämlich wie er vernünftiger Weise darüber schelten könne, dass CARDAN die Erfindung eines Dritten veröffentlicht habe, jene nämlich, die er in trefflicher Weise in dem schon zur Zeit FERROS geschriebenen Werke gesehen hatte? Wir unterlassen die Untersuchungen ge- wisser anderer Züge des sehr, sehr seltsamen Betragens des TAR- TAGLIA in diesem ganzen Handel über die erste Auflösung der Gleichungen 3. Grades”), die einen Zweifel rege machen könnten; 1) „Maben posso dir con verita tal cosa mai haverla vista appresso de alcun „Autore, et esser stata da me (et con celerita – hier steht aber geradezu eine Lüge, wie wir schon S. 51–52 Anmerkung 1) angemerkt haben) „ritrovata con „altre particolarita forsi di maggiore importanza: “ so lautet die Fortsetzung der ersten Stelle, die wir aus dem vorgenannten zweiten Cartello des Tartaglia mitgetheilt haben (S. 62). 2) Dass er z. B. sich hütete, in den so zahlreichen Stellen seines Ge- neral Trattato e cc., in denen er die Cartelli zwischen sich und Ferrari berührt und wiederberührt, in irgend welcher Weise des Werkes Erwähnung zu thun, das Ferro über die Auflösung der so oft genannten Gleichungen ver- fasste. Die Stelle, welche ihm die beste Gelegenheit gegeben hätte, darüber zu reden (in welchem Sinne er dies auch zu thun geglaubt hätte), wäre die ge- wesen, wo der Verfasser von der Disputation vermittelst der Cartelli erzählt, im Parte 2a, lib. 29, Cap. 69 No. 7 des General Trattato ecc. (Blatt 41 der ersten venetianer Ausgabe von 1556); und auch noch nicht einmal ein Wort findet man in der Erzählung über das Werk und seinen Verfasser! Und allein auf solche Erzählung stützt sich der Bericht, den man über diesen Streit bei Cossali findet (Origine ecc. dell' Algebra, Vol. 29, p. 131 und ff. m. s. auch Anmerkung 2) auf S. 68 ff.)! Man weiss ferner dass Tar- taglia 1559, d. h. 14 Jahre nach dem Erscheinen der Ars Magna Cardans starb, ohne in dieser ganzen Zeit seine Auflösungsmethode zu veröffentlichen, die man nicht einmal nach seinem Tode unter den Materialien zu seiner Al- gebra gefunden zu haben scheint (m. s. Libri, Histoire etc., T. 3. p. 157–158; Cossali, a. a. O., p. 138–139). Wenn es sich nicht um einen Mann von einen so ganz ausserhalb des gewöhnlichen liegenden Charakter handelte, wäre es da nicht vielleicht erlaubt, ohne weitere Beweismittel nöthig zu haben, bestimmt zu behaupten, dass er seine Methode deshalb nicht ver- öffentlichte, weil er einsah, dass sie genau mit der Methode übereinstimmte, die – 85 – den Zweifel nämlich, ob nicht auch er in gewisser Weise zu fürchten hatte, man könnte entdecken, dass auch er. Etwas von der Originalerfindung FERROs gekannt, dass er etwas Licht, irgend eine Spur davon, wenn nicht noch mehr, erreicht hätte, ehe er zu der Lösung gelangte, die er vollständig als sein Eigen- thum ausgab. Einen solchen Zweifel dürfte man vielleicht für sehr fern halten, er wird aber durch verschiedene Gründe ver- stärkt: 1. Aus dem Geringen, was da für einen Mann von dem durchdringenden Verstande, der Kenntniss und der Praxis des TARTAGLIA, sobald er in die Rennbahn eintrat, nöthig war, um den Geist der neuen algebraischen Methoden zu begreifen; 2. Ans der Leichtigkeit, die man sogleich erkennt, dass ein Mann von der Art FIORES sich, wenn auch nicht sein ganzes Geheimniss (oder eigentlich das, was man sagt, das er als Geheimniss fest- hielt) habe entschlüpfen oder entreissen lassen, so doch das Wenige desselben, was für den Andern schon genügend war. Bedienten sich denn nicht selbst die grösserm Gegner in dem obenerzählten Wettkampf der List, dass sie etwas Unvorhergesehenes in die Disputation, in die Fragen zu bringen suchten, um daraus Licht zu erhalten, um zu tasten? (und nicht ohne Frucht, soweit man davon erzählt!): Versuchten sie nicht auch sich mittelst dritter Personen auf das Vertrauen eines von ihnen hin auszuholen!)? Und wenn TART AGLIA nicht unmittelbar von FIORE in dieses Geheimniss eingeführt sein könnte, ist es da nicht sehr leicht in dem Werke der Rivalen enthalten war? Man sage nicht, dass ihn Streitig- keiten, Verfolgungen, Unglück davon abgezogen, und dass er dann vom Tode überrascht seinen gereiften ehrenvollen Vorsatz, alle seine bezüglichen Erfin- dungen in dem grossen Werke – dem General Trattato ecc. – heraus- zugeben, nicht ausführen konnte (man sehe unsre Note (a) am Ende und die Dedicationen des ersten, dritten und vierten Theiles des General Trattato ecc., sowie Cossali, a. a. O., p. 137–138); denn er hätte diese Kenntniss für die Welt in einem Separatwerke vorausnehmen können, sogar müssen, wenn der allgemeine Nutzen der Wissenschaft in ihm nur in Etwas einen persönlichen halsstarrigen Verdruss überwogen hätte, wenn er wirklich über ihre Neuheit und Wichtigkeit im Vergleiche zu dem, was sein Rival in der Ars Magna geschenkt hatte, sicher gewesen. Man sehe die Anmer- kung (b) am Ende der Abhandlung. 1) Tartaglia, Quesiti et Invention i diverse Libro nomo p. 275 seiner genannten Opere ecc.; Ebendaselbst, p. 228–229 und p. 249: Cossali, Origine ecc. dell' Algebra, V. 2., p. 123; Ebendaselbst p. 108 u. ff. – 86 – möglich, dass er es durch irgend einen Schüler oder Freund desselben, oder auch durch irgend einen andern Schüler FERRos wurde? Dieser Zweifel, der aus Mangel historischer Documente sich nur mit grösster Reserve vorbringen, sich aber auch wegen desselben Mangels ebensowenig gründlich wiederlegen lâsst, wird übrigens vielleicht geraden Wegs sich entfernen, nach den strengern Betrachtungen und Beweisen, als die beigebrachten sind, die ich in der 5fters erwähnten Anmerkung (b) am Ende entwickele. Da ich nun diesen Zweifel vorgebracht habe, mòchte ich nicht, ohne einen andern zu beriihren, endigen, der für den nicht völlig neu sein dirfte, der etwas Nachdenken auf dergleichen Studien wendet. Mir liegt es schon lange im Sinn, dass wohl Niemand die Algebra des RAFAEL BoMBELLI durchlaufen haben dirfte, ohne zu seiner grossen Verwunderung darin des SCIPIONE DEL FERRo in irgend einer Weise Erwähnung gethan zu finden. Wie konnte nur dieser genaue und tiefsinnige Schrift- steller, der nur ein Paar Jahrfünfte nach dem grossen Erfinder lebte, der Mitbürger desselben, der in Bologna 1572 das besagte Werk drucken liessº) (d. h. mur 46 Jahre nachdem FERRo nicht 1) Tiraboschi nemnt dieses Werk,,Trattato d' Aritmetica; “ dann behauptet er, dass es 1572 gedruckt sei und dann 1579 von Neuem (Storia della Letteratura Italiana, T. 7, Prt. 2a, Libr. 2, Cap. 2, $ 44). Wirklich finden sich Exemplare des Werkes von Bombelli mit der Jahres- zahl 1572 und Exemplare mit der Jahreszahl 1579. Der Titel des ersten ist der folgende: »L' Algebra Parte maggiore dell' Aritmetica, divisa » in tre Libri, di Rafael Bombelli da Bologna, Nuovamente posta » in luce – In Bologna nella Stamperia di Giovanni Rossi 1572, » con lic entia delli RR. VV. del Vesc. et Inquisit; “ dagegen lautet das Titelblatt des andern folgendermassen: » L' Algebra Opera di Rafael » Bombelli da Bologna, divisa in tre Libri, con la quale ciascuno » da se potrà venire in perfetta cognition e della teorica dell' » Aritmetica, con una tavola copiosa delle materie che in essa » si contengono, posta h ora in luce a beneficio delli studiosi di » detta professione – In Bologna per Giovanni Rossi 1579, con » licenza de' superiori. “ Es schien uns schwer glaublich, dass ein Buch dieser Art sich zu jener Zeit solcher Gunst hatte erfreuen können, die man annehmen misste, wenn zwei Ausgaben desselben an demselben Orte in dem kurzen Zeitraum von sieben Jahren veranstaltet wären; ich wollte daher die Exemplare mit dem einem und mit dem anderen Titel, welche die Bibliothek der hiesigen Universität besitzt, unter einander collationieren. Ich sah sofort dass sie identisch waren, Exemplare ein und derselben Ausgabe mit Ausnahme der Verschiedenheit des Titelblattes und ausgenommen, dass für die Exemplare mit – 87 – mehr als Docent an der hiesigen Studienanstalt erscheint, und man weiss nicht einmal ob in Folge seines Todes), eine Auslassung von solcher Wichtigkeit begehen? Das sind die Betrachtungen, dem zweiten Titel ein Neudruck von dem Dedicationsschreiben an Monsignor Rufini gemacht ist, immer noch unter Festhaltung des Datums: „In Bologna „il dº XXII di Giugno MDLXXII,“ das sich in den Enxemplaren mit dem ersten Titel findet. Dieses Datum lässt im Verein mit der Jahreszahl 1572 des Titels und dem Inhalte des Briefes erkennen, dass die Ausgabe, welche die Jahreszahl 1572 trägt, nicht ein Neudruck ist, wie die Worte „ Novamente „posta in luce,“ die man auf dem ältern Titelblatte liest, in der ersten Ueber- raschung annehmen lassen könnten; dies Novamente ist hier also im Sinne von Presentemente gefasst. – Der treffliche Lagrange hat von der Algebra Bombellis nur Exemplare mit dem zweiten Titelblatte gesehen, da er angibt, sie sei zu Bologna im Jahre 1579 gedruckt (Lezioni elementari sulle Matematiche e cc., Milano 1839, Lez. terza, p. 49). – Fantuzzi, der das Werk Bombellis mit beiden Titeln citiert, und zwar in der Art, dass er fast glauben macht, beide Ausgaben seien zwei verschiedene Werke desselben Verfassers, erwähnt noch einen Neudruck derselben Bologna 1593 auf die Autorität einer Bibliotheca Exotica,sive Catalogus Officinalis etc., die im Jahre 1610 in Frankfurt a. M. gedruckt ist, p. 196 (Fantuzzi, Storia dell' Algebra, T. 2, p. 283). Wir haben aber hier in Bologna die Schrift Bombellis mit diesem letzten Datum nicht auffinden können, und ich zweifle sehr, ob eine solche Ausgabe jemals existiert hat. In Bezug auf die Exemplare mit den beiden mitgetheilten Titeln, die zwei aufeinanderfolgende Ausgaben vorstellen sollen, fügen wir nur für den, welcher keine Idee von diesen kleinen buchhändlerischen Fälschungen hat, hinzu, dass unzweifelhaft der Drucker Rossi sich im Jahre 1579 noch im Besitz eines ansehnlichen Vorraths von der Algebra Bombellis befand, die er sieben Jahre früher gedruckt hatte, und deshalb in den Exemplaren derselben nur den Titel und die Dedication erneuerte in der Hoffnung, dass das frische Datum ihm grössern Absatz für seinen Vorrath verschaffen würde. – Einen derartigen Kunstgriff findet man bisweilen selbst von dem Drucker eines Ortes an dem Vorrath eines Werkes, das anderwärts gedruckt war, ausgeübt. Ich besitze zwei Exemplare der Mathematisch-Physikalischen Speculationen – Diversarum Specul. Mathem. et Phys. Liber – von G. B. Benedetti (die ich gesucht, nachdem ich vorzugsweise aus der Histoire Libris gesehen hatte, wie höchst werthvoll dieselben seien); davon trägt das eine auf dem Titelblatte das Datum – „ Tavrini apud Haeredem Nicolai Bevilaquae MDLXXXV“; das andere dagegen ist datiert: – „Venetiis MDXCIX apud Baretium Baretium, et „Socios“. – Das letztere würde man also für ein Exemplar eines in Venedig gemachten Neudruckes der ersten Turiner Ausgabe genannten Buches halten, von welcher das andere bestimmt ein Exemplar ist. Und doch ist es nicht so. Ausser dem Titelblatt, das etwas verändert ist, und dem Vorwort an den Leser, das in dem Exemplar mit dem Druckort Venedig neugedruckt ist, sind die beiden Exemplare vollständig identisch, es sind zwei Exemplare der einzigen – 88 – scheint mir, die jedem Leser BOMBELLIs aufgestossen sein müssen, der den, wenn auch kleinen Antheil im Gedächtniss hatte, der bei der Auflösung der cubischen Gleichungen FERRO zuge- theilt wurde. Vielleicht haben sie Manchen glauben machen, es sei das Gerücht erdichtet, dass ein so nahe bei dem genannten Schriftsteller lebender Mitbürger desselben zuerst für Italien den Ruhm des unerwarteten Fortschrittes der Algebra erobert habe. Für mich hingegen, als ich in diese Untersuchungen eintrat, als ich merkte, dass BOMBELLI Kenntniss von den berühmten Cartelli gehabt, da er, wie man oben (S. 68) gelesen, einen so richtigen Schluss daraus zieht; als ich mir überlegte, dass er ein Zeit- genosse, vielleicht sogar ein Coëtan jenes ANNIBALE DALLA NAVE gewesen sei, der das Werk des FERRO hergegeben; da es mir wahrscheinlich schien, dass er sogar ein Schüler dieses ANNIBALE gewesen, dagegen schwer glaublich, dass er das ge- nannte Werk nicht zu sehen gesucht und nicht gesehen habe, als er einmal auf die Abfassung eines Handbuches der Algebra sann, das alle neuesten Entdeckungen enthalten sollte, die ja alle aus derjenigen geflossen waren, die in jenem Werke auseinandergesetzt war; für mich, sage ich, mussten diese und ähnliche Ueberlegungen nothwendigerweise die Verwunderung über die merkwürdige Aus- lassung BoMBELLIs nur vergrössern. Aber bevor man seine Zuflucht zu Vermuthungen nimmt, und denselben Leben gibt, um jene Auslassungen zu erklären, die sehr wenig ehrenhaft für das Andenken des hochberühmten und höchstverdienten Schriftstellers gedreht werden könnten, und für ihn um so grösseres Unrecht wären, als man ihn als vollständig von jeder Parteileidenschaft ent- fernt betrachten muss, von denen TART AGLIA, CARD AN und FERRARI mehr oder weniger inficiert waren, muss man zu er- kennen suchen und genau Rechnung tragen den Zufällen und alle den Umständen, unter denen er sein berühmtes Werk vorbereitete und vollendete. Wir werden uns bei gelegener Zeit damit be- schäftigen, nämlich bei der Behandlung der dritten Epoche der mathematischen Facultät im bologneser Archigymnasium, und vielleicht dürfte sie, wie wir hoffen wollen, dazu dienen, BOM- Ausgabe von Turin 1585. Sämmtliche Seiten ganz genau gleich paginiert, dieselben Druckfehler und endlich dasselbe Druckfehlerverzeichniss in dem einen wie in dem andern: also genau wie in den beiden vorerwähnten Exemplaren der Algebra Bombellis. – 89 – BELLI, einen belebenden Schmuck jener Epoche, in Bezug auf ge- nannte Thatsache von dieser ungünstigen Erklärung zu befreien. Indessen dürfen wir hier Nichts verschweigen, was für unsern Zweck sich aus dem Dedicationsschreiben genannten Werkes er- gibt, und was gerechten Grund, ihn zu vertheidigen, liefert. Dass er nämlich dasselbe ausserhalb seines Vaterlandes schrieb, nachdem er einen grossen Theil seiner Jugend und auch einige Jahre seines Mannesalters ebenfalls ausserhalb desselben zugebracht; dass sein Lehrer jener CLEMENT1 aus CoRINALDo (eine Gegend des alten Herzogthums Urbino) war, von welchem gewisse hydraulische Berichte und Arbeiten ehrenvoll erwähnt werden, die er von 1540 bis 1580 ungefähr für die Sümpfe von Foligno und die noch wichtigern Geschäfte des Po bei Ferrara mit dem Reno bei Bologna und der Nera mit den Tiebersümpfen ausführte; dass er seine Mühe auf die Austrocknung des Chianasumpfes wandte, und dass er sich auch nicht weit davon aufhielt, als er in den Mussestunden, die ihm eine der vielen Stockungen, die man bei dieser heilbringenden Arbeit eintreten liess, lieferten (die deswegen von ihm mit Verdruss erwähnt werden), seine Algebra zusam- menstellen konnte, die er später in seiner Vaterstadt drucken liess, wie aus dem Datum der vorerwähnten Zueignung hervor- geht; dass er endlich sich einige Zeit in Rom aufgehalten, um Materialien für jenes Werk zu sammeln, wo er unter Mit- wirkung eines Studiengenossen ein griechisches Manuscript des DIOPHANTUs von Alexandria übersetzte. Es scheint mir hier auch die Bemerkung nicht zu übergehen, die von selbst ins Auge fällt: Wie konnten nur sowohl BOMBELLI als FERRARI, der verschiedene Jahre an der Vermessung des Stadtgebietes von Mailand arbeitete, dazu geführt werden, ihren Geist und ihre Arbeitskraft zu Unternehmungen von der erwähnten Art herzu- geben, nämlich zu der Austrocknung eines Sumpfes und zu der Ausführung eines Katasters; Unternehmungen, die sicherlich nicht so schwierig als langweilig und ermüdend sind, voller kleiner, aber auch voll höchst ansehnlicher Einzelnheiten, durch Widerspruch, Spitzfindigkeiten und Dornen aller Art; offenbar sehr weit abliegend von jener Art der Untersuchung, durch welche jeder von ihnen sich die Unsterblichkeit verdiente, und von den Neigungen, welche gewöhnlich diese Studien begleiten? Man hätte für Beide den Beweggrund des Nutzens, des eigenen Interesses. Bei Geistern jener Zeiten aber lässt sich ein edlerer Beweggrund nicht ab- – 90 – leugnen: das grosse öffentliche Interesse, das stets mit dergleichen Unternehmen verknüpft ist!). Wenn dieses von den Genies nicht um so mehr gefühlt und beachtet wird, je mehr sie vermögen, so zeigen sie dadurch, dass ihnen in Bezug auf die Menschheit das hauptsächlichste Zeichen der wahren Grösse fehlt. Daher meine ich, dass beide vorgenannte Algebristen nicht weniger deshalb gepriesen werden müssen, dass sie an den vorerwähnten Bemühun- gen Theil genommen, als wegen der Erfindungen und der Fort- schritte, die sie in der Algebra gemacht; dass folglich gerade wie es für diese geschehen, auch für jene Thätigkeit jede darauf bezügliche Thatsache aufgesucht werden müsste: darin würde man unbedingt ein gewisses Gepräge ihres Geistes finden. Dem- ungeachtet ist es nicht weniger richtig, dass Untersuchungen dieser Art, und so auch die, welche dazu dienen könnten, das merkwürdige Stillschweigen BoMBELLIs über ScIPIONE FERRO zu erklären, sehr schwierig und fast unfruchtbar sein. Der Grund davon ist meiner Meinung nach der folgende, dass man für Ge- lehrte in den exacten Wissenschaften, V0r Allem aber für die armen Mathematiker nicht so eifrig war genaue Notizen zu über- liefern, wie für die Litteraten. In Bezug auf letztere, selbst auf die armseligsten oder wenig berühmten wurden überall, vorzugs- weise aber in Italien, die allergewöhnlichsten Umstände ihres Lebens und ihrer Arbeiten mit Eifer gesammelt und dem öffent- lichen Urtheil übergeben *), während man von vielen Gelehrten in den exacten Wissenschaften von grossem Werthe kaum den Namen kennen würde, wenn er nicht auf ihren Erfindungen ein- gegraben geblieben. Diese Nachlässigkeit und jene Sorgfalt, die Schuld und das Verdienst sind meiner Meinung nach mehr als durch irgend etwas Anderes durch den verschiedenen Geist der 1) Man sehe Lettera del Professore Gherardi a Monsignor Gaspare Grassellini gegen das Ende (Nuovi Annali delle Scienze Naturali, Bologna, Marzo – Aprile 1850). [Wir geben diesen Brief als Anhang zu dieser Abhandlung. Anm. d. Uebers.] 2) Ich bediene mich hier eines Ausspruchs Libris (Histoire etc., T. 4, p. 98), der von ihm nur auf die Biographen der bologneser Schriftsteller an- gewendet wird, die ebenso weitschweifig in Bezug auf Dichter und Litteraten als kurz und knauserig sind in Bezug auf die meisten Mathematiker; ich dehne ihn aber auf die Biographen der Schriftsteller aller Länder aus, was mir mehr der Wahrheit zu entsprechen scheint, und aus dem so erweiterten Ausspruch ziehe ich eine Schlussfolgerung, die mir völlig mit der Wahrheit in Ueberein- stimmung zu sein scheint. – 9 – beiden Arten von gelehrten Biographen erklärbar, nämlich der wissenschaftlich und der litterarisch gebildeten, von denen die zweite Art mehr besorgt um die Ihrigen ist oder sicherlich war als die erste, und mehr als diese von dem Gefühle durchdrungen, den eigenen Körper zu stützen und zu erläutern. Aber jetzt habe der erste Theil meiner Arbeit ein Ende. Ich weiss nicht, wie er mir gelungen; ich mögte aber, dass man ihn von einigem Nutzen für den Hauptzweck hielte, den ich im Eingange auseinandergesetzt. Weniger angenehm, wenn auch sicher nicht weniger Nutzen bringend, wird der folgende Theil werden, weil ich, um jenem Zwecke richtig dienen zu können, gemäss den Zielpuncten, die ich ebenfalls im Eingange dargethan, mich, ehe ich mit diesem Theile zu der dritten Epoche der Mathematischen Facultät der weitberühmten Studienanstalt ge- lange, in zahlreiche kleine Specialitäten, in Vergleiche und Kri- tiken vertiefen muss, die nicht sehr angenehm sind aber für die Zusammensetzung des entsprechenden Unterrichtsgegenstandes und in Bezug auf seine Verbindungen in diesen entlegenen Zeiten unumgänglich nöthig. Änmerkungen (a), (b). Diese Anmerkungen sollen zur Aufklärung mehrerer Stellen des zweiten Theiles der vorliegenden Rede dienen. In der ersten betrachte ich im Speciellen den gleichsam wiederaufgeweckten Gegenstand des Streites TARTAGLIAs mit CARDAN und mit FERRARI und die bezüglichen Cartelli, welche durch ganz Italien an die grössten Mathematiker und Gelehrten versendet wurden. In der zweiten versuche ich die Behauptungen, die ich in der Rede in Bezug auf die wirklichen Anrechte, die für die Auf- lösung der cubischen Gleichungen bezüglich FERRO, CARDAN und TART AGLIA zu haben scheinen, auseinandergesetzt, zu präcisieren und besser zu beweisen: im Speciellen werden darin die Anmassungen TART AGLIAS in dieser Materie und die An- strengungen COSSALIS, dieselben aufrecht zu halten, gebührend beschränkt werden. In der ersten Anmerkung bin ich öfter von dem genannten Thema abgewichen, indem ich verschiedene Gegenstände behan- delte, die sich mir beiläufig während des Schreibens ergaben, was man vielleicht dem nicht Mass halten können meiner geringen Kräfte beimessen könnte. Dennoch führe ich die Anmerkung so vor, wie sie abgefasst wurde, ohne mich zu bemühen, bei dem eigent- lichen Zwecke zu bleiben oder nicht. Und ich glaube zuver- sichtlich hoffen zu dürfen, dass mir weder die Liebhaber gelehrter Sachen deshalb weniger Dank wissen werden, da dem die Ge- ringfügigkeit dieser meiner Untersuchungen nicht entgegensteht, noch die Anderen, weil sie das Ueberflüssige der Form unsrer Schrift als Materialien zur Geschichte zu Gute halten werden. – 93 - Anmerkung (a) (Seite 62 und sonst): Monsignor Bernardino Baldi sagt in seiner Cronica de' Mate- ma ti ci von Tartaglia Folgendes: ,Attese . . . . così poco alla bontà della ,lingua che muove a riso talhora chi legge le cose sue.“ In der That, hatte der beriihmte Abbate, der ein so feines Sprachgefühl besass die mitgetheilten Stellen gesehen, oder sogar einige der Antwort en des Brescianer Mathematikers auf die vorg elegten Fragen des Mailanders, so würde er reichlich Grund seinen Ausspruch zu stützen geſunden haben. Demungeachtet hatte von einem berúhmten und hochgelehrten Geometer, und nicht blos in litteris erfahrenen, wie er, nienals ein ahnlicher Spott gegen den souveranen Geist Tartaglias aus- gehen sollen. Uebrigens ist dieser Spott viel weniger begründet, als man glauben sollte, wenn man sich nur an die Behauptung des hochberiihmten Schülers und Nebenbuhlers des Command in halten will. Man bedenkt nicht, dass es, auch nach dem, was der Verfasser in einer Stelle selbst sagt, scheint, er habe bei diesen Antworten in die unverfalschte Brescianer Vulgärsprache hinab- gehen wollen, um damit bei dem Gegner Verdruss zu erregen. Dieser dagegen – blando sermone und undequaque ad decorem formatus – (wie von ihm richtig Cardan anfùhrt), schrieb seine Cartelli auf das Eleganteste, funf in seiner Muttersprache und eines in der lateinischen und er nannte jene Antworten Stottereien (tartagliate) (– , in risposta della mia replica ricevetti la vostra tar- ,tagliata; la quale come che molto lunga et confusa sia nondimeno altro non contiene, che nuove ingiurie, ecc. “ – so liest man am Anfange des dritten Cartello von Ferrari.) Ausserdem finden sich in diesen Antworten Tartaglias die Druckfehler haufenweise. Er ist etvas genauer in Bezug auf die Sprache in seinen Quesiti et Invenzioni diverse und in den tibrigen treffichen Ar- beiten, die in dem Bande gesammelt sind, der den Titel tragt: Opere del famosissimo Tartaglia (Venezia 1606). Noch mehr ist er es im G e- neral Trattato di numeri e misure und am Meisten in seinem Euclide Mega rense . . . . diligentemente rassettato et alla integrità ridotto ecc.; und in dem Buche, welches den Titel führt: Tutte le opere d' Arithmetica del famosissimo Nicolò Tartaglia. Besonders in diesen beiden letzten Werken sieht man nicht, wie der Tadel verdient sei, dass er zu wenig auf die Schönheit der Sprache gehalten, wenn er mur, um sie auf die absolut beste Form, in der sie, während er lebte, herauskamen, zu bringen sich der Unterstützung eines in der Vulgärsprache Erfahrenen bedient hatte, nach dem damals unter unsern grössten Gelehrten nicht seltenen Gebrauch. Sie hatten stets lateinische Werke zu lesen und zu schreiben und fanden sich stets, so oft sie eine Sache in Vulgärsprache verfassen wollten, in Verlegenheit versetzt, da sie nicht hinreichend die beste Form derselben kannten, das heisst die unsrer am Meisten auf Reinheit der Sprache haltenden Schriftsteller; sie benutzten deshalb solche, die daraus eine Profession machten. Dies geschah vorzugsweise durch Venetianer, bei denen auch jetzt noch der Anspruch in Kraft ist, damals aber allgemein herrschte, dass sie von allen Italiànern ver- standen würden, da sie in jener wirklich sanften und schönen Sprache redetem und schrieben, in welcher die Gesetze und Verordnungen der stolzen Republik – 94 – abgefasst und veroffentlicht wurden. Tartaglia bediente sich aber bei der Abfassung der Cartelli sicherlich nicht der Unterstützung eines Grammatikers oder Professors der schönen Wissenschaften. Er sagt dies selbst in seinem zweiten Cartello. Nachdem er das Lateinschreiben des Gegners iber den Gegenstand der Disputation verspottet hat, für den die Sprache vòllig ohne Einfluss war, und machdem er hat merken lassen, dass auch er, wenn es ihm gut geschienen, lateinisch zu antworten vermocht hâtte, kommen seine eigenen Worte folgendermassen: , Io non voglio pero dire che tal mia risposta fusse tanto , elegante ne piena de tanti fioriti vocaboli, come che e la vostra (se tal risposta , e vostra cioe da voi composta) anci confesso che la saria molto di quella infe- ..riore, il medesimo potria esser forsi questa insieme con laltra mia risposta a ,voi scritta IN LA MIA MATERNA LINGUA VOLGARE, cioe esser forsi molto inferiore, si in elegantia, come de piu fioriti vocaboli toscani, del ,vostro primo cartello, a me scritto in lingua Tosca, perche in effetto, essendo io , Brisciano (et non avendo io giamai imparato lingua tosca) Eglie necessario ..(NON VOLENDOME SERVIRE DI QUEGLI CHE DI TAL LINGUA FANNO PROFESSIONE, come fati forsi voi) che la pronontia mia, me ve ,dia in nota per Brisciano, cioe un puoco grossetto di loquella, come che la na- ,tura ne ha dato per privilegio, et massime a me piu che alli altri, Patientia et ,non si puo contrastar con la natura.“ Er stammelte von klein auf, wenn auch nicht von Natur, sondern durch das rauhe Eisen eines französischen Soldaten, der ihm den Mund aufspaltete (Tartaglia, Opere ecc., Lib. 6, p. 151 – 152); vielleicht blieb ihm Etwas von diesem Fehler zurück, und darauf will er wahrscheimlich mit den letzten mitgetheilten Worten anspielen; gewiss ist, dass dieser Fehler die Ursache zu seinem Beinamen war, unter dem er bei seinen Zeitgenossen gekannt wurde, und unter welchem er von der Nachvelt gekannt wird. Da ùbrigens Ferrari in seinem dritten Cartello auf die Berihrung des Gegners nicht reagiert – dass er sich nimlich, um seine Sachen zu schreiben, der Hilfe irgend eines Humamisten bedient habe, –, so wendet sich der Gegner selbst in seinem fünften Cartello (Blatt 2a) kraftiger zu seinem Angriff zurück und spricht in folgender Weise: , Hor vegnamo alle latine“ (scil. lettere). Poveretti voi“ (er beabsichtigt zugleich gegen Cardan und gegen Ferrari zu sprechen) , non sapeti, che la verita non puo stare lungo tempo occulta, in , Venetia da tre diverse persone me stato certificato chil vostro secondo Cartello ,a me scritto in lingua latina ve lo haveti fatto componere da un certo M. Mar- ,cantonio Maioraggio Eccellente humanista li in Milano, il medesimo ne stato referto da alcuni quali si trovorno alla presentia quando che quel fu portato da sottoscrivere al Magnifico messer Benedetto Rhamberti (der erste der drei im zweiten Cartello Ferraris unterschriebenen Zeugen). Ferrari antwortet ihm im sechstem Cartello (Blatt l a) folgendermassen: ,Che dichiate, che 'l mio ,secondo Cartello, il quale io vi scrisse in lingua latina, sia stato composto non ,da me, ma a mio nome dal Maioraggio Eccellente humanista, quando egli lo ,dicesse, io gli risponderei, come mi si convenisse, ma dicendolo voi di vostra , inventione, bastami rispondervi, che in vero io non accetto questa lode, che le ,cose mie siano simili a quelle de gli humanisti eccellenti: Ma che di voi posso ben dire io, che voi havete composto i vostri Cartelli di tal maniera, che io non ..ho cagione di attribuirgli al Signor Paolo Manutio, overo al Signor Mario Nizzolio, ma sono sforzato a dire che siano vostri, o, se pur ve gli havete fatti comporre, che l'auttore sia Giorgio Burattino, overo il Fornaio di Bergamo“º). Es wird vielleicht nicht missfallig aufgenommen, wenn ich für den er- wähnten Gebrauch, dass unsre Schriftsteller, auch die gewichtigsten, sich der Correctur der Grammatiker bei der Herausgabe einiger ibrer italianischen Ar- beiten bedienten, ein Beispiel beibringe; das höchst bemerkenswerthe Beispiel, das ein Werk des gròssten und eigentlichen Gegners jenes brescianer Ma- thematikers, d. h. des Cardam, bietet. Dieses Werk, das ich besitze, dirfte zu den grössten Seltenheiten gehören, da ich es von Niemandem erwähnt finde, und da es in der Sammlung seiner Werke fehlt. Der Titel desselben ist fol- gender: Lettera di M. Girolamo Cardano medico, et filosofo eccellentissimo, nella quale, ad un giovane sua Creatura scri - vendo, i giovani tutti alla virtù, et allo studio delle più lode - voli Discipline mirabilmente e shorta – in Bologna per Ales- sandro Benaccio (ohne Jahr): es ist in 8º, 30 Blatt ohne Seitenzahlen, davon das zweite Blatt von einer Widmung, datiert , di Bologna alli XXIIII ,d'Aprile 1563, eingenommen, gerichtet ,al molto magnifico Signor Conte Nicolò , Ludovigi Decano dell' illustre Regimento di Bologna. “ Die Vorrede dieser Widmung ist wörtlich folgendermassen abgefasst: Havend' io scritta una lettera, , gia sono molti giorni, per eshortare un Giovane a gli studi delle discipline, ella , pervene alle mani di M. Ubaldo Gerardi nostro Milanese, huomo dottissimo nella volgar lingua, non pure nella latina, e nella Greca, et perciò stipendiato dalla nobilissima Academia di S. Antonio in Bergamo, et quivi lettor publico. Egli veggendo il rozzo mio stile, co 'l quale io spiegava il sentimento di quella, da lui ,stimato però di non poca perfettione, disse volerlo a tutte sue forze vestir di por- pora; il che ha dipoi fatto per mio giudicio si bene, che mi dò a credere il ,vestimento essere più bello, et più leggiadro della persona, et gli ne tengo obligo singolare.“ Dann fahrt er fort dass ergeglaubt habe, dass es unter dieser Gestalt non esser fuor di proposito farne copia al mondo, “ und dass eres der Regierung von Bologna widme, als Zeichen seimer Ehrerbietung und Dankbarkeit u.s. w. Ich will jetzt weiter Nichts uber den merkwürdigen Brief, der darauf folgt, sagen, sondern ich will nur zu diesem beiläufigen Gegenstande hinzufügen, dass wenn das mitgetheilte Probmium des Cardan Herrn Libri unter die Augen gekommen, er vielleicht etwas gezógert haben würde von diesem zu schreiben: , on doit le placer parmi les hommes qui ont le mieux écrit en italien sur des matières philosophiques –; le dialogue intitulé ,Se la qualità può tra- a passare di subietto in subietto“ et son , Discorso del vacuo (Cardani Opera ,T. 2, p. 368 et 713) lui assurent un rang distingue parmi les écrivains italiens“ (Histoire etc., T. 3, p. 179 Text und Anmerk. (3)): da er hâtte argwöhnen können, dass der Verfasser sich auch für diese Arbeiten des von irgend einem Herrn Ubaldo herausgeputzten Purpurkleides bedient habe; wenn auch jene Widmung, von der wir den Eingang mitgetheilt, und von dem man wobl mit gutem Grunde glauben darf, dass Niemand anders daran Hand gelegt hat, sehr 1) Giorgio Burattino = Casperle im Puppentheater. Il Fornaio di Bergamo - Der Bäcker von Bergamo. – 96 — gut geschrieben ist; woraus man schliessen darf, dass Cardan, sobald er sich bemühete, die erlauchte Muttersprache lobenswerth zu schreiben, dieses wohl vermochte. Der besagte Argwohn hebt aber nicht auf, dass diese Bemi- hungen an sich, vielleicht auch der Brief, von dem wir Kenntniss gegeben, nicht im hāchsten Grade empfehlenswerth wiren unter dem Gesichtspuncte, von dem aus sie der berähmte Toskaner Libri betrachtet hat. Indem wir uns aber wieder zu Tartaglia und zu dem ersten Zwecke dieser Anmerkung wenden, dūrfen wir nicht vergessen, dass man ihm die erste Uebersetzung des Archime des mach dem griechischen Urtexte verdankt J. Ebenso scheint mir diese andere, wenn auch kleine Arbeit nicht verschwiegen werden zu dirfen (auch deshalb, weil ich -sie von Niemandem erwähnt finde): Jordani Opus colum de Pond erositate Nicolai Tartale ae studio correctum no visque figuris auctum. Cum Privilegio. Venetiis, a pud Curtium Troianum. MDLXV. In der von diesem Curtius ge- schriebenen Zueignung liest man: , — tibi . . . . dicare volui hunc Jordani ringeniosi, et acuti hominis librum de ponderibus, quem mihi suis in fragmentis , Nicolaus Tartalea familiaris meus, vir guidem praeclaris ornatus scientiffs excu- ,, dendum reliquit –“ ”). Es ist ein Büchlein in klein 4" von 24 Blatt, von denen die vier letzten (in einer Vulgärsprache, die sich sicherlich mehr dem Brescianischen oder Venetianischen nähert, als dem des Baldi) die Darle- 1) Archime dis Opera, Venetiis 1545. – Libri, Histoire etc., T. 3, p. 156, An- merkung. 2) Jordanus Nem or arius blühete um das Jahr 1200; er schrieb über Astrologie, Mechanik, Arithmetik, Geometrie, und Optik (M. s. Josephus Blancanus, Mathema- ticorum Chronologia, Sec. Duodec. a Christ.: Gerhardus Johannes Vossius, De Scientiis Mathematicis: Bernardino Baldi, Cronica de' Matematici, Artikel Giordano: Ch a sles, A per ºu historique sur l'origine et le developpe- ment des méthodes en géométrie, S. 596 und 603 der deutschen Uebersetzung von Sohnke, Halle 1839.) [Chasles führt folgende Schriften von Jordanus an (p. 603): 1. Arithmetik in zehn (nicht, wie irrthümlich steht, in zwei) Büchern; 2. Practische Arith- metik nach arabischer Methode Algorismus genannt; 3. Planisphaerium, darin die Haupt- eigenschaft der stereographischen Projection, dass jeder Kreis sich als Kreis projiciert; 4. De triangulis; 5. De geometria libri III, ; ausserdem habe er liber Optik und Mechanik geschrieben.]. Bernardino Baldi bemerkt, dass Jordanus sich nach einem Orte mit Namen Hemore Hemorarius nannte. Sein Werk De Pond erositate oder De Pon- deri bus wurde zuerst in Nürnberg durch Joannes Petreius im Jahre 1533 [Chas- les hat falschlich 1531] veróffentlicht. Clavius hielt es für ein Fragment, aus dem sich nicht viel entnehmen lasse (Vossius, a. a. O., De Scriptoribus Mechanic es, Cap. 48, § 29). Guido Ubaldo del Monte findet in seiner Mechanik (della Bilancia) darin falsche Annahmen (Baldi, Cronica etc.). Die erwähnten Bemühungen Tartaglia's um dieses Werk des Jordanus Nem or arius oder Hem or arius kamen also zu gelegener Zeit. [Won dem Werke de Pon dero sitate enthālt die Ausgabe: Liber Jordani Ne- m or a rii Wiri Clar is simi De Pon deri bus Proposition e s XIII. & ear un dem de- monstrationes, multarum que rerum rationes same pulcher rim as comple c- tens nunc in lucem edit us. Cu Gratia & priuilegio Imperiali, Petro A piano Mathem a tico Ingolstadiano ad XXX. annos co cesso. MDXXXIII. Am Ende: Excus sum N or imberg ae per Jo. Petreium, Anno domini M. D. XXXIII., nur ein Fragment, nämlich nur die ersten 13 Sätze des in den Handschriften aus 50 Sätzen, in der Ausgabe des Tartaglia aus 46 bestehenden Schriftchens des Jordanus. Won dieser Nürnberger Ausgabe trift der Ausspruch des Clavius zu, nicht aber für die Aus- gabe des Tartaglia, die vielmehr die Sache zum Abschluss bringt. Amm. d. Uebers.] – 97 – gung , delle esperienze fatte da Nicolò Tartaleaº zu verschiedenen Zeiten von (1541-155l) enthalten, um das specifische Gewicht verschiedener fester Körper durch Wagen in der Luft und im Wasser zu bestimmen ). Der Resultate dieser Experimente bedient er sich im ersten Buche seiner Travagliata In- vention e (De chiaration e 9) und in dem Ragionamento secondo sopra la sua Travagliata. Inventione, die in der genannten Sammlung seiner Werke enthalten sind. Ueber die darin mitgetheilten Zahlen macht der mehrfach erwähnte Libri die richtige Bemerkung, dass sie meistens zu klein erscheinen, under schöpft daraus die Vermuthung, dass Tartaglia (da er seine Versuche in Venedig ausgeführt) sich vielleicht des Meerwassers als Mass- einheit für das specifische Gewicht bedient habeº). Dieser Argwohn scheint aber wohl nicht mehr aufrecht erhalten werden zu können, denn auf den vier erwähnten Blättern, die ja die Originalexperimente enthalten, wird zweimal in folgender Weise erwähnt, das benutzte Wasser sei Regenwasser gewesen: – ,con , acqua di cisterna – , – acqua di pozzo Venetiano, cioè cisterna –. Dies ist andererseits im vollständiger Uebereinstimmung mit dem Sinne einer Stelle, die man in dem schon vorher erwähnten Ragionamento secondo liest, und die folgendermasscn lautetº): vero è che tutte queste proportioni delli detti i corpi materiali con l' acqua sono state da me ritrovate con l' acqua communa de ..pozzo, cioè dolce e non salsa, e però essendo la salsa alquanto più grave della dolce, varierà alquanto, ma poco ecc. Man muss also einen andern Grund dafür auſsuchen, dass diese Resultate cin wenig unter dem wahren Werthe sind, oder zu sein scheinen. Die Travagliata. Invention e des Tartaglia crinnert an eine un- barmherzige Beschuldigung, die von dem grossen Rivalen gegen ihm geschleu- dert wurde, und cben die gemeinschaftliche Ursache dieser Beschimpfung und der Herausforderung zwischen Ferrari und Tartaglia veranlasst uns, darüber Etwas weiter zu handeln (ungeachtet der Linge und der iber- flüssigen Ausdchnung, welche die vorliegende Note dadurch erlangt). In den letzten Worten derselben hat man auch den letzten Ausgang der Herausforde- rung ausgesprochen, beinahe vie er war, oder wenigstens, wie ihn sich Car - 1) Die obige Beschreibung der Tartaleaschen Ausgabe des Liber de Ponderositate von Jordanus ist, wenigstens nach dem mir vorliegendem Exemplare der Königl. Biblio- thek zu Berlin, nicht genau richtig, Dies Exemplar bestoht nicht aus 24 Blatt, sondern nur aus 23. Davon sind nur Blatt 2, 4–20 auf den Vorderseiten mit denselben Zahlen nume- riert. Blatt 3a-16b, Zeile 16 enthalten das genannte Werk des Jordanus; Blatt 16b Zeile 17-Blatt 19a das Werk des Archimedes, de Insi denti bus Aquae, 2tes Buch in lateinischer Uebersetzung; Blatt 20a-23a eine Schrift betitelt , Esperienze fatte da -, Nicolo Tartalea. 1541. Blatt 23b enthilt das Privileg des Buchhändlers zum Allein- verkauf des Buches. Der Theil des Archimedes ist im Buche selbst nicht betitelt, der- selbe ergibt sich aber aus dem Privileg Blatt 23b: dass mit Blatt 16b das Werk des Jor- danus zu Ende, folgt auch aus dem Worten: ,finitus liber Joradam de ratione Ponderis. ,, Et sic finit, die sich auf Blatt 16b, Zeile 15-16 finden. Ein Fragment des Liber de Ponderositate indet sich in dem Manuscript R. 4°. 2 der Gymnasialbibliothek zu Thorn, ein vollständiges Exemplar in der Handschrift F. II. 33 der offentlichen Bibliothek zu Basel, die fast simmtliche Werke des Jordanus enthilt. (Anm. des Uebers.) 2) Histoire etc., T. 3, p. 166. 3) Tartaglia, Opere, p. 31-32 der Ragionamenti. 7 G herardi, Materialien. – 98 – dan vorstellte. Der Hauptzweck der Travagliata Invention e war, zu lehren eine, regola generale da sulevare con ragione, e misura non solamente ogni ,affondata nave: ma una Torre solida di mettallo.“ Tartaglia veròffentlichte diese Regel, indem er sie als seine eigene Erfindung ausgab, zuerst im Jahre 1551 (Venedig in 4º); er erwähnte darin des Cardan gar nicht, der schon seit einigen Jahren, in der ersten Ausgabe des Buches , De Subtilitate“ und speciell unter dem Titel , Modus quo naves demersae gurgitibus recuperanturº (Liber I. De principiis rerum), eine âhnliche Erfindung, eine ahnliche Regel angegeben hatte. Der Brescianer Mathematiker fehlte gegen den Mai- länder Mathematiker (Arzt, Philosophen u. s. v.); er fehlte um so mehr, als es damals schon zum Bruche zwischen ihnen gekommen war und zwar wegen der wichtigeren Sache der Auflösung der cubischen Gleichungen. Gleichwohl war der Abstand der Mittheilung Car dans von dem Ganzen, was Tartaglia aus seiner erwähnten Erfindung zu machen und zu erarbeiten wusste, sehr be- deutend. Es ist daber hôchst wahrscheinlich, dass ohne den starken Antrieb dervorangehenden aufgebrachten Voreingenommenheit der erste es wohl nicht für nöthig erachtet haben würde, den Fehler des andern zu beachten, einen Fehler, den man für unbeabsichtigt halten konnte oder so geringfilgig, um darüber kein Wort zu verlieren. Ganz im Gegentheil stellt dieser, voll Zorn und Rachsucht, in seinem Buche D e Libris propri is bei der Gelegenheit, wo er alle seine Gegner, diejenigen, die seine Schriften und seine Person geschmahet hatten, Revue passieren lâsst, den Brescianer an die Spitze seiner Liste (., Nicolaus Tartalea, in suis novis inventionibus"), und bricht in folgende Worte aus: , Tartalea coactus est recinere palinodiamº): sed tamen puduit eum stare pro- missis, nec quod scripserat, delere voluit, sed in amentia perseveravit: corvo prorsus similis, vivens alienis laboribus, et fur manifestus alienorum studiorum, adeo impudens, ut quod edideram iam publice quadriennio ante de expiscandis navibus submersis, ipse edito libello, nec rem satis intelligens, suppressa de nobis mentione, inventionem illam, quia materna lingua Italica illam evulgavit, ut suam , publicavitº º). Diese Beschimpfung musste um so ungerechter erscheinen, und um so ver- verflicher, als nach der durch die ganze Ausdehmung von zwei und einem halben Jahrhundert allgemein angenommenen Meinung uber das Unrecht des Cardan gegem Tartaglia, die sich auf die Geschichte der ersten Lösung der cubischen Gleichungen gründete, zu dieser Beschimpfung die verabscheu- ungswerthe Seite der unverschämtesten Heuchelei hinzugekommen wäre. Wie durfte er den Nebenbuhler anklagen, dass er sich mit den Erfindungen anderer ausgeschmückt, er, der ihm der Haupterfindumg im Bezug auf die Gleichungen beraubte, ibn so zu seinem eigenen Nutzen um den Ruhm der ersten Veróffent- 1) Sicherlich hat hier Cardan, wenn auch zweifellos mit zu grosser Prahlerei, auf die Niederlage anspielen wollen, die durch seinen Kämpen Ferrari dem Tartaglia in der schon oben erwähnten letzten Disputation oder dem kriegerischen Schlusse in der Kirche S. Maria del Giardino de' Frati Zoccolanti in Mailand zugefügt wurde (Cos- sali, Origine e cc. dell' Algebra, V. II, p. 132–133, 135). 2) Cardanus, De Libris propriis, p. 57 der Ausgabe Basel, Henricpetri. – 99 — lichung derselben betrog?, indem er dabei sogar einen Schwur brach!") Nun Cardan wusste schr wohl, als er in dieser Form gegen Tartaglia loszog, dass die Monimenta Publica der Cartelli zwischen diesem und seinem eigenen Schüler und Kâmpen Ferrari zum Beweise dalagen, dass sein Schwur, die Erfindung nicht zu veróſſentlichen – die er von anderswo mit Mühe, in Räthsel- form, ohne Beweis erhalten hatte — , und gleichsam jede Pflicht gegen den schwierigen Mittheiler derselben mit dem Augenblicke selbst gelöst war, wo ihm, von anderer Seite, sogar von der ersten Quelle der Erfindung selbst, diese dar- gereicht wurde und er sie erhalten hatte ohne den Schatten cines Geheimnisses, vollkommen klar und mit dem nóthigen Beweise. Das ergibt sich in der That auf die allerunzweideutigste Weise aus den genannten Cartelli, und selbst aus dem Wenigen, was wir daraus für unsre Schriſt ausgezogen haben. Wir hoffen, es werde dies jedem einleuchten, der es für werth gehalten hat, unsere Abhand- lung vollständig zu lesen. Endlich konnte auch Card an nicht daran denken, dass das Geschick den Cartellis so ungúnstig sein wilrde, dass es sie so bald und für eine so lange Zeit, wenn auch nicht vollständig aus der Erinnerung, so doch aus aller Beachtung bei den Mathematikern fallen liess (Grund dazu wahrscheinlich zum Theil die Schmähungen und plumpen Persènlichkeiten, von denen sie voll sind, vorzugsweise die des Tartaglia, muss man sagen, und das Gute und Neue, was darin ist, besudeln — eine bemerkenswerthe Warnung für diejenigen, welche bei litterarischen Kämpfen nicht in jeder Weise den An- stand wahren! -). Es ist wahr, dass wenn Card an aus dem erwähnten Gesichtspuncte die Erhaltung der Cartelli winschen, er aus einem andern Grunde noch vielmehr ibre Ausstreichung oder Vernichtung erhoffen und den unglūcklichen Streit, durch den sie in Scene gingen, verabscheuen musste. Ich meine wegen des von ihm in der Ars magna und den spätern Werken bewahrten Stillschweigens iber die Thatsache, dass ihm das Werk von Ferro in Bologna vor Augen gelegt wurde. Er durſte hoffen, dass die Nach- welt inm leicht sein zweideutiges Unrecht gegen Tartaglia verzeihen wärde des Verdienstes halber, dass sie durch ihn das Geheimniss desselben und alles Uebrige erfuhr, was er daraus abzuleiten wusste; er konnte also diesen Schein ruhig tiber sich ergehen lassen. Dagegen durfte er sich auch nicht im Ge- ringsten schmeicheln, dass sie ebenso bereit sein wirde, ihm sein Unrecht gegen Ferro zu vergeben, wenn diese hinterlistig von ihm verschwiegene Thatsache bekannt geblieben oder wieder zu ihrer Kenntniss gelangt wire. Indem wir aber zu unsrem vorhergehenden Gegenstande zurückkehren, bemerken wir, dass die Hauptanklage Cardian s, die in dem mitgetheilten Passus des Buches De libris propriis enthalten ist, nicht blos auf cinem Irrthum beruhen, sondern schimpflich auf ibn zurückfallen wiłrde, wenn es wahr ware, dass der erste Druck seines andern Werkes De subtilitate erst im Jahre 1552 erschienen sei, wie Libri conjiciert hat *). Das ist aber nicht der Fall. Denn eben aus der Widmung von 1552, die man in der Ausgabe 1) Cossali, Origine ec c. dell' Algebra, V. 2, p. 130 u. ft. 2), La dedicace du traité de subtilitate est date de 1552; c. est probablement »l'année oil parut la première edition‘s (Histoire etc. T. 3, p. 176 Anmerk. (1)). – i00 – von 554 (Lugduni apud Philibert um Rolletium, 8") des zuletzt genannten Werkes liest (Seite 2 der Widmung), und aus dem Buche De libris propriis (p. 28 der- Ausgabe von Henri cpetri), sowie aus der Apologie Cardans in Calumniatorem librorum de Subtilitate (M. s. den Anfang der Apologie) entnehme ich klärlich, dass eine andere, wenn auch weniger umfangreiche, Ausgabe desselben Werkes, mehrere Jahre vor 1552 von dem Verfasser bei Johannes Petrejus zu Nürnberg veröffentlicht war. Ich habe diese primitive Ausgabe von Nürnberg nicht auffinden können, aber ich besitze einen Nachdruck derselben von 1551 in 89 (Parisiis ex Officina Michaelis Fez an dat, et Roberti Gran Ion etc.), und ich habe in der Bibliothek dieser Universität einen andern Nachdruck von 1550 in 129 gesehen (Lug duni, Philibertus Rolletius). Erwägt man dies Alles, so ergibt sich als sicher: 1. dass die zweite Ausgabe des Werkes in Rede erst am Anfange des Jahres 1554 erschien, obgleich der Verfasser zwei Jahre vor- her dem Drucker dazu alle Materialien übergeben hatte gleichzeitig mit der er- wähnten Widmung mit dem Datum Paris in der Mitte des Jahres 1552 (XI Calendas Maj, ano MDLLI Lutetiae in itinere); 2. dass die erste Aus- gabc desselben Werkes, weniger umfangreich als die zweite, verschiedene Male neu gedruckt wurde, und dass einer dieser Neudrucke vor 1551 fällt, in welchem Jahre die Travagliata Inventione des Tartaglia herauskam; 3. dass es endlich sehr gut bestehen kann, dass der erwähnte erste Nürnberger Druck schon seit vier Jahren herausgegeben war, als Tartaglia sein mehrfach ge- nanntes Werk veröffentlichte, jene vier Jahre, um die Cardan in dem mitge- theilten Passus versichert, dem Rivalen in Betreff der Erfindung jedes versun- kene Schiff zu heben u. s. w., zuvorgekommen zu sein. Zuletzt dürfte es nicht unnütz sein, darauf hinzuweisen, dass der mitgetheilte Titel „Modus quo naves „demersae gurgitibus recuperantur,“ sowie der ganze darunter fallende Gegenstand sich identisch sowohl in den Neudrucken der ersten Ausgabe des Tractats „De subtilitate,“ wie in der zweiten erweiterten Ausgabe von 1554, sowie ebenfalls in der dritten und letzten sehr vervollkommneten Ausgabe findet, näm- lich in derjenigen, welche die vorgenannte Apologie gegen den Verläumder (G. C. Scaliger) enthält; diese dritte Ausgabe scheint zuerst im Jahre 1560 erschienen zu sein"). Schliesslich: wenn Cardan wegen des mitgetheilten Passus Nachsicht verdient, dass er sich durch Unwillen hat hinreissen lassen, und er hat ihn wirklich in bedeutendem Masse (der Andere hat ihn aber eben- falls), so kann man ihm hier wenigstens auf keine Weise den Tadel jener Fälschungen, Verheimlichungen und anderer Züge offenen Treubruchs aufbürden, gegen die man niemals Gnade üben darf, und die nicht gerade so sehr selten waren in den litterarischen Fehden auch in den Zeiten nach dem XVI. Jahr- hundert, die um vieles höflicher und gebildeter waren! Um aber diese Anmerkung mit einem Gegenstande zu beschliessen, der demjenigen näher liegt, den wir vorzugsweise in diesem letzten Theile der Schrift betrachten, geziemt es sich, einige Stellen aus dem ersten und zweiten 1) Basel bei Henric petri. M. s. Cardani De Libris propriis, e.orum que usu Liber, p. 69 der vielgenannten Ausgabe. – 101 – Cartello Ferraris mitzutheilen, – in zweien von il nem wird Tartaglia des Diebstahls, des Eigendinkels, u. s. w. angeklagt – und die Antworten und ähnlichen Anklagen, welche das zweite Cartello des Letztern enthält. Es drehen sich diese Anklagen um die Sätze des Jordanus iber die Wissenschaft der Gewichte, die Tartaglia sich angeeignet und falsch bewiesen haben soll. Ich habe schon vorher bei Gelegenheit des Verkchens jenes alten Schriftstellers, das von Tartaglia commentiert und vermehrt wurde, erwähnt, dass in der Travagliata. Invention e und in dem Ragionamento secondo sopra la Trav. In ven. Tartaglia selbst die Resultate einiger seiner Versuche ilber das specifische Gewicht mitgetheilt habe, die sich auf vier Blättern voll- ständig beschrieben finden, die von ihm, wohl wegen der Aehnlichkeit des Gegenstandes, jenem Werkchen angehängt sind; dass ausserdem dasselbe nach seiner eigenen Anordnung sechs Jahre nach seinem Tode an die Oeffentlichkeit gelangte. Wir bemerken jetzt noch, dass er einen Theil des Inhaltes dieses Werkes im Libro ottavo dielli Quesiti et Inventioni diverse vorge- bracht hatte. Dies vorausgeschickt, wird man viel leichter die vorerwähnten Anklagen und Antworten verstehen. Da sind die Stellen Ferraris: Messer Nicolò Tartalea, mi è pervenuto alle mani un vostro libro, intitolato Quesiti et inventioni nuove, nell' ultimo trattato del quale, facendo voi mentione dell Eccel- lente Signor Hieronimo Cardano medico Melanese, il qual è hora publico Lettor , di medicina in Pavia, voi non vi vergognate di dir, che egli è ignorante nelle mathematice ecc. (das speciell ist der Anfang des ersten Cartells der Heraus- forderung). . . . . . Per dirvi il vero, penso che habbiate fatto questo, sapendo che il Signor Hieronimo è di così felice ingegno, che non solamente in medicina, , la qual è sua professione, è di quella sufficienza che si sa, ma anchor nelle ma- ,thematice, le quali altre volte egli usò a guisa di giuoco, per pigliarsi alcuna ,ricreatione et solazzo, è così ben riuscito che universalmente, per parlar con modestia, è tenuto fra primi mathematici . . . . Per tanto, io non solamente per difender la verità, ma anchor perche questo tocca a me principalmente, che sono creato suo, essendo sua Eccellentia impedita dal grado che tiene, ho deliberato far publicamente conoscere, o il vostro inganno, over (come piu tosto penso) la ; vostra malignità. Non col rendervi il contracambio in parole, il che potrei far, non con fittioni (come voi) ma lealmente. Atteso che, oltre mille errori de pri- ..mieri libri di quella vostra opera, havete anchor posto nel libro ottavo le propo- ,sitioni di Giordano come vostre, senza far mentione alcuna di lui: il che grida i furto. Et facendovi le dimostrationi di vostra testa, le quali per lo più non ,conchiudono, fate confessar con gran vostro vituperio all' Illustrissimo Signor :: Don Diego di Mendozza cose, che so io certo (percioche conosco in parte la sua gran dottrina) che egli non le direbbe per tutto l' oro del mondo: il che dichiara presuntione con ignoranza ecc. – Im zweiten Cartello nimmt Ferrari aus dem von Tartaglia (in seiner ersten Antwort) bewahrten Stillschweigen in Bezug auf die Anschuldigungen des Diebstahls, Eigendinkels und der Un- vissenheit, die in den letzten Sätzen der mitgetheilten Stelle gegen ihm ge- schieudert wurden, Gelegenheit, sie in folgender Weise in Erinnerung zu bringen: , Praeterea, e memoria ne erciderunt furta et errata tua, quae ego iam lacessitus iniuria in mea provocatione connumeravi? Te propositiones Jordani suffuratum, eas sine ulla authoris mentione tibi vendicasse: quas cum tuis futilibus argu- – 102 – mentis ridicule concludas, memorabili tamen tuo dedecore Caesaris legatum dig- ,nissimum virum interlocutorem, qui eis ut veris et efficacissimis assentiatur, intro- durisse etc. – Die Antworten des Tartaglia auf die wiederholten An- klagen des Gegners sind nun folgende: . Me replicati anchora quello che nello primo vostro Cartello me imputasti digando che io haveva posto nel mio libro ottavo alcune propositioni di Giordano come mie, senza far mentione alcuna di lui, il che crida furto, e che faccio le demostrationi de mia testa le quale la maggior parte non conchiudeno. A questo ve rispondo che in questo caso mi a basta che voi confessati che faccio le demostration de mia testa, et la demostra- ,tione (come dovresti sapere) è molto di maggior consideratione, Dottrina, e piu scientifica et di maggior difficulta, della pura Propositione. Perche ogni propo- ,sitione Mathematica, senza la sua demostratione è reputata de niun valore appresso - di cadaun Mathematico, perche il proponere è cosa facile, et ogni ignorante sapera formar una propositione, ma non dimostrarla. Se adunque la piu dottrinata, piu istimata, piu scientifica parte di tai propositioni me concedeti, et confirmati che la sia mia, come è, non è cosa inhonesta a dir tai propositioni esser mie, et tanto piu chel mio ordine non ha alcuna convenientia con quello di Giordano ecc.“ Und in diesem Tenor fabrt er fort sich zu vertheidigen, indem er noch weiter die angewendeten Gründe entwickelt und zuletzt hinzufügt: dass wenn er Jordan us nicht erwähnt habe per quella puoca parte che aveva tolto da lui, è stato per non tansarlo (d. i. tassarlo, tacciarlo) di non puoca oscurita si nelle propositioni, come nelle dimostrationi.“ – Und indem er sich so selbst klug von der Anklage (tansa) des Diebstahis befreit, schweigt er vòllig uber dic andere, dass der grösste Theil seiner Beweise nicht stimme, in denen auch Guidº Ubaldo Del Monte (in seiner Mechanik – della Bilanzia) Fehler ge- funden. Es scheint übrigens, dass dieser verehrungswerthe Beschitzer des jungen Galilei keine Kenntniss von dem machgelassemen Werke Tartaglias hatte, da er sich bei diesem Gegenstande allein auf die Quesiti et Inven- tioni diverse desselben beziehtº). Das ist nun sicher, dass die Absicht des Tartaglia (m. s. weiter oben), dass dieses Werk der Oeffentlichkeit uber- geben werde, ibn vollkommen und besser als die angeführten Gründe von der ersten Anklage Ferraris freisprechen. In Bezug auf seine Gründe mag die sich leicht ergebende Bemerkung nicht ibergangen werden, dass dieselben zum Theil gegen den Benutzer in Bezug auf das IIauptthema der Disputation durch Cartelli gedreht werden könnten: denn er hatte auch die Regel für die Gleichung arº + pac = q an Card an ohne Beweis gegeben. 1) Da die erste Ausgabe der Mechanik des Guid, Ubaldo Del Monte von 1577 ist (Mechanicorum Liber di catus ab auctor e G. Ubal. etc. Francisco Maria e II urbinatum amplissimo du ci: Pisauri apud Concord. 1577, fol. – M. s. Conte Gius. Mamiani, Elogi Stor. ecc., Elog. Stor. di Guidº Ubaldo ecc. Pesaro 1828, p. 50 u. S6 Anm. (13)) und das vorerwähnte Werk Tartaglias, wie wir wissen, im Jahre 1565 herausgekommen., so hitte Guidº Ubaldo in der That davon Kenntniss haben, und es also auch erwähnen oder an dem citierten Orte seines beriihmten Buches darauf hin- veisen können. Damit ist also in Bezug auf dieses Werk das als wahr nachgewiesen, was der ausgezeichnete Prof. Conte Gius. Mamiani Della Rovere fur viele mathematische Schriften eingetreten glaubt, die fast gleichzeitig mit demen des berihmten Pesareser ans Licht gebracht wurden, dass nimlich dieser von ihnen wahrscheinlich keine Kenntniss hatte. (M. s. das citierte Elogio, p. 51 am Ende), – 103 – Endlich wollen wir zu dem namlichen vorgenannten Zwecke eine Stelle mittheilen, die sich am Anfange des Ragionamento terzo del Tartaglia findet, in der er den Grund erzählt, dass er seine Erfindung genannt habe Invention Travagliata (,,nel qual si narra la causa di haver intitulata la sua inventione Invention Travagliata“). Da ist sie: , Nic. Ve dirò misser compare“ (das Raggionamento ist in Form eines Gespräches zwischen ihm und einem gewissen Ricardo ) seinem Gevatter abgeſasst) , io vi ho posta tal cognome (nimlich der Travagliata. Inventione), perche quando ,che ritrovai il principal soggetto di quella, io era nelli maggior travagli, che mai mi trovasse in tutto il tempo de mia vita. – Ric. A, a, so, so per quella vostra disputa con cartelli (sicher die Cartelli zwischen ihm und Ferrari), che ,havevate col Cardano da Milano per havervi stampato il vostro capitolo de cosa, ,e cubo egual a numero. – Nic. Apunto quella disputta non mi fu de travagli, ,anci di appiacer grandissimo. – Ric. Mo in che altri travagli ve ritrovate. – , Nic. Ve dirò me ritrovava in Bressa, più che forestiero, ecc. º): er fahrt dann fort die eigentlichen Ursachen seiner Mühen (Travagli) von damals zu er- zahlen, die sich alle auf die reducieren: dass das Vaterland auch mit ihm stiefmütterlich handelte. Fünf Jahre machdem er dieses merkwürdige und interessante Ragionamento verſasst hatte, im Jahre 1556, fasste er die Widmung der Prima parte seines General Trattato di numeri e misure ab; in dieser Widmung (die er an densclben Gevatter Ricardo richtet) bestâtigt er mit folgendcn Worten das, was wir dem zweiten Ragio - namento entrommen haben: , . . . ma credo che in cattiva hora lo incomin- sciasse (nimlich seinen General Trattato), perche circa duoi mesi doppo , . . . fui da duoi strani accidenti l'uno dietro all' altro, talmente interrotto, et , disturbato, che son stato circa otto anni, che a tal materia giamai ho posta cura, ,delli quali duoi accidenti, il piu piacevole fu di quelli nostri amici di Milano, che m'intertemirno circa un anno a componer cartelli. Il secondo poi, qual mi fu piu strano, et dannoso assai ecc.“ Animerkung (b) (S. 51, 85-86, u. s. w.) Zur Vervollständigung und Aufhellung der Anmerkung 1) auf S. 84–85 und der Anmerkungen auf S. 51–55, 83 und noch anderer Stellen der Rede haben wir die folgende ausgearbeitet. Indem wir dalmer den Sinn weiter ver- folgen, mit welchem die erste der vorgemannten Ammerkungen endete, beginnen wir folgendermassen: In der That wusste Tartaglia beim Erscheinen der Ars Magna sich im Besitze keines Gegenstandes iber die cubischen Gleichungen, durch die er den betreffenden Apparat dieses Werkes hatte vermehren können, 1) Es ist dies der spiter mehrfach erwihnte Ricardo Ventuorth. 2) M. s. Opere del famosissimo Tartaglia ecc., Ragionamenti sopra la Travagliata. Invention e ecc., p. 38. – 104 – wenn man sich daran halt, dass seine Erfindung in Betreff der Auflösung ge- nannter Gleichungen und der von ihm innegehaltene Weg zu derselben aus den betreffenden sorgfaltigen Untersuchungen Cossalis sich ergeben ). Die- selben missen aber, glaube ich, meinerseits ernstliche Zurückweisumgen erfahren, was das behauptete Verdienst der Originalität Tartaglias bei dieser Erfin- dung betrifft, und soveit sie behaupten mògten, dass von ihm Cardan viel mehr als die blosse Formel oder Formeln des Capitels in Versen lernte, aber nicht mehr darin, was die Identitāt der ursprünglichen Methoden des einen und andern betrifft, die sie bei der Behandlung dieser Gleichungen anwendeten, die mir im Gegentheil unwiderleglich von Cossali beviesen zu sein scheint. In der Form, dass, meiner Meinung nach, im Zusammenhange mit den im Texte dargelegten Thatsachen, Tartaglia und Cardan sich derselben Me- thode, identisch mit der Ferros, bedient haben, die von Letzterem in seinem Werke auseinandergesetzt, und von Cardan in sciner Ars Magna umfasst ist; eine Methode, die als erstem Erfinder sicherlich Ferro selbst angehört, vährend man Zweifel hegen darf, ob sie als zweitem Erfinder auch Tartaglia zugesprochen werden darf und in noch viel grösserm Masse, ob sie als drittem Erfinder auch Cardan zugetheilt werden kann, Mit der mamlichen Methode, die wir die Ferros che nennen wollen (nicht ohne die Hoffnung, dass das Gefühl ciner um so gerechtern Ehrenrettung, als sie spater kommt, ibrvon den nachkommenden Geschlechtern werdeº), trifft ferner ibrem wesentlichen Inhalte mach die Methode zusammen, welche der Holländer Hud dc 139 Jahre nach der Ars Magna bekannt machte; und wenn man auch auf die Unterschiede derselben Acht haben Will, der sich in beiden findet, so sind diese zu Gunsten der originalen italianischen Methode, welche die viel cinfachere ist. Daher scheint es, dass man nach keiner Richtung him in diesem Gegenstande Hudd e den Titel eines Erfinders zuerkennen kann, welchen der berilimte Lagrange ihm grossmüthig zusprechen zn missen glaubteº), bevor durch Cossali diese ganze dunkle alte Materie einer neuem, genauen und eingehenden Untersuchung unterworfen wurde, die wir haufig zu empfehlen Gelegenheit gehabt haben 4). Wir hatten aber auch dann und wann Gelegenheit auf die Parteilichkeit der erwähnten Untersuchungen zu Gunsten Tartaglias hinzuweisen, und die Voreingenommenheit gegen Cardan und auch indirect das Vorurtheil gegen unsern Scipione Ferro. Wir halten es nun der Mühe werth, nach unserm Vorsatze bei diesem Puncte zu verweilen. 1) Origine e cc. dell' Algebra, Vol. 2, p. 145-158, u. s. v. 2) Selbst im Vaterlande Ferros ist diesem Wunsche des Verfassers nicht entsprochen worden. Erst Luvini hat in der 6. Auflage seines verdienstlichen Werkes: Compendio di Algebra elementare, Torino, 1868, p. 295 ff unter Bezugmahme auf vorliegende Schrift eine richtige Darstellung des Ganges der Erfindung der sogenannten Cardanschen Regel gegeben. (Anm. d. Uebers.) 3) J. A. Serret ist in seinem Cours d'Alg è br e supérieure anderer Ansicht: er stellt die Auflösungsmethode IIud des als die einfachste hin, welche es gibt, und in seiner geschichtlichen Einleitung sagt anch er, dass wir den Gang, welchen Ferro und Tartag - lia zur Lösung eingeschlagen, nicht kennten. Auch erignoriert also die Thatsachen, welche das vorliegende Werk entwickelt hat. (Anm. d. Uebers.) 4) Lagrange, Mémoires de l'Académie de Berlin a. a. 0.: Derselbe, Le- zioni elementari sulle Matematiche ecc., p. 63; Cossali, origine ecc. dell' Algebra p. 146–147; Franchini, storia dell' Algebra ecc., p. 49. - – 105 – Zuerst missen wir folgende Thatsache amerkennen: Einige Stellen dermühe- vollen und hochgelehrten Geschichte Cossalis zeigen ohne Weiteres die logische Unparteilichkeit desselben in Bezug auf Ferro und dessen Erfindung; ausserdem ist alle Wahrscheinlichkeit, dass, wenn die Thatsache des Werkes des unglücklichen bologneser Algebristen zu seiner Kenntniss gekommen ware, er beinahe so wie wir in Bezug auf den Gegenstand in Rede geschlossen, und demgemäss den beziglichen Theil seiner Geschichte modificiert haben würde (wenn uns nicht hierin die Liebe zu unsrer Anschauungsweise tiuscht). Man durchlaufe jenen Theil, und einige der erwähnten Stellen werden jedem auf- fallen. Wir begnügen uns die beiden festzuhalten, die man auf S. 141 – 142 und S. 145 liestº). Die erste ist gegen Andres gerichtet, wo dieser be- hauptet, die Regel des Tartaglia habe den Vorzug, dass sie alla emeiner sei, und viele Fille umfasse, auf velche die des Scipione Ferro nicht anwendbar vàre: nun Cossali erwiedert: , da von der Regel dieses ersten Erfinders keine , Nachricht geblieben ist, so sehe ich nicht ein, mit welchem Grunde man behaupten könnte, dass sie auf keinen andern Fall als den der Gleichung cº +pr = q ,anuendbar sei; andererseits filirt die Aehnlichkeit dieses Falles vorzugsweise mit dem Falle cº = pr + q dazu, das Umgekehrte zu glauben.“ Aehnliche Vor- behalte ergeben sich aus der zweiten der vorerwähnten Stellen. Diese Mei- nungen Cossalis schliessen offenbar den Grundsatz ein (der auch sonst um- zweifelhaft ist), dass Alles, oder wenigstens das Hauptgeschäft, wirklich in der allgemeinen Lösung der Gleichung cº + pv = q bestand, oder, wenn man will, irgend einer der drei Gleichungen, die man damals zwischen cubus, res und numerus aufstellte, wie in der Anmerkung auf Seite 51 bemerkt worden ist. Und in Uebereinstimmung mit diesem Grundsatz gibt Cossali ohne einen Schatten des Zweifels zu, dass Tartaglia nach Entdeckung der allgemeinen Regel für die Gleichung a º - pr = q von Abend bis Morgen, wie er sich nicht wenig brüstet, sie auch für die andere cº = pr-i-q und bald auch für die dritte cº + q = pr finden konnte º). Man versteht nun ganz und gar nicht, in welchem Zusammenhange mit den vorgedachten Anschauungen derselbe ausgezeichnete Historiker dazu ge- kommen, folgendes Andere zu schreiben. Indem er in schärfster Weise das ganze Betragen Car dans in der Ars Magna gegen Tartaglia tadeltº), will er ibm verdammen, weil er darin Nichts weiter als von diesem erhalten aner- kenne, als die Regel für die Gleichung cº + pr = q, und ruft aus: Weshalb das verschweigen, vas Tartaglia noch weiter geſunden hatte (nimlich die Regeln für die beiden Gleichungen cº = pr + q, rº + q = pr), ,ucas ihm eigenthim- ,lich war, und was er ilm gleichfalls gegeben hatte? – Als ob nicht das Ganze sich auf die Regel für eine der drei Gleichungen reducierte und speciellº) auf die für die Gleichung rº + pr = q; und als ob es wahrscheinlich wäre, dass dem ersten Erfinder dieser Regel, nach dem er die Hauptsache iberwunden 1) Origine e cc. dell' Algebra, Vol. 2., a. a. 0. 2) Cossali, origine ecc. dell' Algebra, vol. 2, p. 99 100, l14, 155 u. s. w. 3) Cossali, a. a. O., p. 129–130. 4) Tartaglia, Opere e cc., p. 261. Gherardi, Materialien. 7 º – 106 – hatte, die einfache Fähigkeitzu einer ganz leichten Ausdehnung oder Anwendung der oft angeführten Regel gefehlt hâtte. Bald darauf gelangt derselbe Geschichtsschreiber, indem er noch bei dem- selben Unrecht Card ans verweilt, bis dabin, dasselbe als eine Heuchelei und freiwillige Verheimlichung von zuei Drittheilen des geschenkten Geheimnisses zu charakterisieren, und erschwert er noch, als Zulage, durch die Ueber- legung, dass das eingestandene Drittheil der Gabe gerade dem Theile der ganzen Erfindung entspreche, in welchem Andere schon Tartaglia zuvorge- kommen seien. Wer sieht hier aber nicht eine unglaubliche Voreingenommen- heit? Wer sieht nicht, dass um in dieser Weise die ganze Sache stickweise zu schätzen, es nòthig wäre, dass die drei Theile von gleichem Werthe wären, und dass nicht, wie es wirklich ist, gegenüber einem beliebigen derselben, die ibrigen verschwinden? In Uebereinstimmung mit diesen neuen Gesichtspuncten sieht man nachher Cossali unmuthig dem Wallis wegen seiner Angabe Vorwürfe machen: dass Card an als ersten Erfinder zweier Regeln für die Auflösung der cubischen Gleichungen Ferro begrüsse und als zweiten Erfinder Tartaglia: – , Cardanº (dabei bleibt Cossali), ,lobt ebenso wie Scipione Ferro, so auch Tartaglia nicht ,vegen zucei, sondern nur vegen einer Regel.“ – Die Wahrheit jedoch ist, dass Cardan, wenigstens im Buche De Libris propriis, gelegentlich zu ei Regeln erwähnt und nicht blos eine (wie sich aus einer unsrer Anmerkungen auf S. 56 ergibt); das rechtfertigt sowohl Wallis vollständig, als es auch uns in der Behauptung bestârkt, dass bei âhnlichen Angelegenheiten mit gutem Grunde das Erwähnen einer Regel oder zweier oder aller drei fast für gleich- bedeutend gehalten wurde. So glaubte dies unzweifelhaft Cardan und nicht anders Ferrari, aus dessen lateinischem Cartello wir bei dieser Gelegenheit die Redensart wieder erwähnen: , Cardanus ergo ex te accepit inventiunculam ,illam cubi et laterum aequalium numero etc ); als wir sie zuerst nieder- schrieben, tadelten wir sie wegen der Erniedrigung der Erfindung an sich, die er darin affectiert, aber nicht, weiler darin nur einen der Fälle der genannten Gleichung erwähnt, anstatt der ganzen Dreizahl derselben. Aber Tartaglia selbst, der sich viel mehr darum kümmert, ibergeht die schuldige Auslassung Cardans, die Cossali ibm unterstellt, und muckst nicht. Das ist in Wahrheit seine ganze Antwort auf die vollständige Stelle des Ferrarischen Cartello, die dem mitgetheilten Passus entsprichtº): , Ve rispondo che ho molto accaro che voi siati quello che si trovava a quel tempo in ,casa sua quando che gli insignai tal mia inventione. Ma ben me maraviglio di , Voi et di lui – d. i. Cardans – ,(perche so che Voi parlati per bocca sua) ,che habbiati ardire di humiliare tanto la detta mia inventione, con la quale vi ,havevi pensato di farve immortali (und so thaten sie in Wahrheit), Non ,vedeti Voi che egliè cosa nota a cadauno intelligente, et lui medesimo lo confessa , in detta opera (Card an in der Ars Magna) che tal mia inventione è l'anima – 107 – di tutto il detto suo volume. Non vedeti voi che cavando la detta mia pianta ,del detto vostro giardino, tal vostro giardino restaria una oscura selva, perche ,tutte le altre cose sostantiale derivano da detta mia pianta. Et tamen el non se vergogna de dire ) nella detta sua opera, che tutti li altri capituli che in quella si trovano oltra il mio esser tutte sue et vostre inventioni le quale erano state da me invente, et ritrovate gia 5 anni avanti che gli insegnasse a lui tal , mia particolarita, come che è noto a molti qua in Venetia, cioè lo Capitulo de censo, e cubo egual a numero con li altri suoi compagni, anchor che a quel tempo , non mi volsi scoprir con sua Eccellentia (man verstehe mit Cardan), accioche , quella non tentasse de trovarli, perche sapeva che tal cosa gli saria facile per , vigor della mia così humel pianta º). In der ganzen Antwort kein einziges Wort des Tadels im Sinne der von Cossali vorgebrachten Verdammung ! Diese sogar vollständig durch den Sinn des Ausdrucks selbst ausgeschlossen! Zuerst sieht man den Verfasser in Uebereinstimmung mit dem Gegner durch die Bezeichnungen inventione, capitulo, particolarità u. d. gl. alles das unter- scheiden, was er acht Jahren früher dem Card an mitgetheilt hatte; und als er dazu ùbergeht, sich für die Erfindung der andern Capituli, die in der Ars Magna enthalten sind, der Prioritāt zu riihmen, beeilt er sich, als ob er fürchtete, man könnte darunter die unmittelbar davon abhängigen und in Wirk- lichkeit von den genannten nicht verschiedenen Capitel des cubus et res aequales numero verstehen, hinzuzufügen: , cioè lo Capitulo de censo, e cubo egual a nu- i mero con li altri suoi compagni“; und unter diesen compagni verlangte erviel- leicht, dass man die Capitel verstehe, welche ausser dem Quadrate und dem Cubus auch die Seite enthalten, aber sicherlich nicht etwa die, welche allein aus dem Cubus und der Scite zusammengesetzt sind. Indem Cossali glauben macht, wir hâtten weder bei Tartaglia noch bei Card an ,einen Zug, der uns zeigte, bis zu welchem Grade die Erbitterung ,stieg, und von velcher Art der Streit zu ischen jenem und diesem warº, ibergeht er, wegen des Unrechts, das er an Letzterem aufsuchtº), es als natiirlich hinzustellen, dass der Erstere reclamierte, dass er ebenso Cardan die Ungerech- tigkeit, nur ein Drittheil des geschenkten Geheimnisses zu bekennen, vorrickte! ! Ich habe vielleicht zu lange bei diesem Gegenstande verveilt. Aber es ist Zeit, dass man dic wohlfeile Behauptung vernichtet, (die so haufig in so vielen Bücherm wiederholt wird, die selbst von grösserer Autoritàt in diesem Gegenstande sind, als selbst die von Andres, Tiraboschi u. s. w.), dass nâmlich Ferro stehen geblieben sei oder sich beschränkt habe auf den ein- zigen speciellen Fall der cubischen Gleichungen: res vel latus et cubus aequales numero. Es fehlen uns directe Beweismittel, um zeigen zu können, dass er zu den (von den vorgenannten wirklich verschiedenen) Fallen des cubus, census et numerus und des cubus, census, latus et numerus fortschritt: wer aber wird erst strenge Beweise suchen, um das für richtig zu halten, dass ibm die beiden Falle bekannt waren, welche ohne Weiteres mit dem seinigen verbunden sind? 1) M. s. oben S. 80. 2) Seite 5–6 der S e con da Risposta ecc. 3) Cossali, Origine e cc. dell' Algebra, Vol. 2, p. 130. – 108 – Wer wird speciell danach suchen, nachdem er die Thatsache in Betref des ,libellum manu Scipionis Ferrei . . . . iam diu conscriptum, in quo istud inven- ,tum, eleganter et docte explicatum, tradebaturº *) kennt? Doch jetzt Ferro bei Seite lassend, missen wir denn dann dem prahle- rischen Tartaglia den Ruhm zuerkennen, dass er zuerst das ,Capitulo de censo e cubo egual a numero, con li altri suoi compagni erfand, und zwar genau fünf Jahre bevor er Car dan seine Specialitāt (particolarità) des cubus et latus aequales numero lehrte? Es wird mir schwer, aber ich kann auch in diesem Gegenstande mit dem hochberihmten Cossali nicht im Geringsten iberein- stimmen, der diesen Ruhm als eine schöne Zierde seimes Schützlings betrachtet. Und zwar enthehme ich die hauptsächlichsten Gründe für meine abweichende Ansicht aus seiner eigenen Geschichte, aufmerksam und nicht knechtisch ge- lesen. Ilm verdanken wir, das muss man bekennen, dass wir verstehen und Geschmack finden können an dem, was jetzt für uns, die wir die Bezeichnungen und das Kauderwälsch unserer früheren Mathematiker nicht kennen, nicht mehr verständlich war. Die Werke von Leonardo Pisano meine ich, des Pa- cioli, Tartaglia, Cardan, Bomb elli und der andern geringern Alge- bristen unserer Nation, welche in dieser Ars Magna nicht blos (wie in den andern Künsten) die Keime hervorbrachte und in Europa ausstreute, sondern die Zuwüchse und die besten Früchte; die Wiederherstellerin und Lehrerin der Anfangsgründe, als Niemand irgend Etwas wusste, hôhere und erhabne Lehr- meisterin, als das Wissen durch sie iberall verbreitet war. Ich werde mach Möglichkeit versuchen die gewichtigsten Gründe meiner obenerwahnten abweichenden Ansicht in einige Puncte zusammenzufassen. l. Die Behauptung Tartaglias, dass die Erfindung der allgemeinen Auflösung der Gleichung cº + macº = n von ibm fünf Jahre vor dem 25. Marz 1539 gemacht sei, dem Tage, an dem er Card an die Regeln für die Glei- chung cº + pr - q mittheilteº), lâsst sich nicht aufrecht halten; der Zeit nach im Widerspruch mit den betreffenden Behauptungen desselben Tartag - lia, die im Libro non o der Quesiti et Inventioni diverse enthalten sind. Und in der That, die Erfindung würde, wenn man jener Behauptung folgt, in den Anfang des Jahres 1534 und, wenn man diesen andern folgt, in das Jahr 1530 fallenº); hâlt man sich an jene, so würde diese Erfindung Tartaglias nur ungefähr um ein Jahr seiner andern Erfindung über die Glei- chung cº + pa = q vorausgegangen sein (denn zu dieser gelangte er, nach seimer Angabe, am 12. und 13. Februar 1535) º); während bei Festhaltung der andern Behauptung die erste der zweiten um fünf Jahre vorangegangen ware. 2. Wir sahen, dass die Behauptungen des zweiten Cartello des Tar- 1) M. s. oben S. 62, 76. 2) Tartaglia, Opere ecc., Quesito 34, p. 265; Cossali, Origine e cc. dell' Algebra, V. 2, p. 115 ff. - 3) Tartaglia, a. a. O., Quesito 14, p. 223–224, Quesito 25, p. 237 und sonst; Cossali, a. a. 0., p. 98-99 und 101-102 etc. 4) Tartaglia, a. a. O., Quesito 25, p. 234–235; Cossali, a. a. O., p. 99-100. – 109 – taglia vollständig mit den Behauptungen der Quesiti desselben in Fol- gendem zusammentreffen: „er habe die cubischen Gleichungen von der Form „r” + mºr? =n behandelt und gelöst vor den Gleichungen von der Form „x*+px = q; oder er habe die erste gelöst, ohne durch die Auflösung der „letztern zu gehen“ –. Aber gerade der unglaubliche Dünkel des Brescianer Mathematikers, allgemein die Gleichung e” + mºr* = n vor der Gleichung r* + pr= q gelöst zu haben oder unabhängig von der Auflösung dieser letz- tern, ist für Cossali der erste Antrieb dazu gewesen, in diesem Puncte seine Erzählungen zu revidieren"). Nun aus dem Quesito 28*), aus dem Que- sito 31 *) und dem Quesito 32 *) legt Cossali mit grossem kritischen und wissenschaftlichen Scharfsinn mehrere Unrichtigkeiten und Widersprüche, Unachtsamkeiten und Verwirrungen Tartaglias über die eingebildete Ent- deckung und den Besitz der Regel für die Gleichung a” + mx* = n offen dar; daraus beweist er schliesslich, indem er ganz genau die Schlüsse und Rech- nungen Tartaglias selbst verfolgt, dass dieser von 1530–1539 über diesen Gegenstand höchstens zu einer Regel die Gleichung x” + mºr? = n zusammen- zusetzen gelangt sei und zwar in specieller Weise, indem er dem x eine ganz bestimmte Form gab, und daraus die Ausdrücke und eigenthümlichen Relationen herleitete, die m und n haben mussten; das heisst, die Gleichung, und zwar auf eine einzige Weise, aufstellen, aber nicht sie allgemein lösen, oder die Form von r bestimmen in m und n, und also den Werth von a, wenn m und n ge- geben sind *)! 3. Aus dieser Verwechselung von solcher Wichtigkeit!, die Tartaglia seit 1530 machte, hätte er sich nach Cossali in der ganzen Länge von 9 Jahren nicht herausgefunden. Ich behaupte aber, dass er auch noch nach 1539 in diesem grossen Irrthum verharrte, dass man sogar ganz sichere Gründe hat, zu glauben (was auch immer derselbe berühmte Historiker meint und hin- zufügt), dass Tartaglia ihn niemals eingesehen hätte. Denn man muss be- rücksichtigen (eine Thatsache, die Cossali völlig entgangen zu sein scheint), dass Tartaglia sein Libro nono der Quesiti et Inventioni diverse im Jahre 1546 herausgab. Welche Daten also auch den Ques iti von dem Verfasser beigeschrieben sind (und sie erstrecken sich von 1521 ausgehend, dem Datum des ersten Que sito, bis 1541, dem Datum des zweiundvierzigsten und letzten), alle Aussprüche, alle Meinungen, die in diesen Quesiti enthalten sind, müssen als Aussprüche und Meinungen die dem Verfasser im Jahre 1546 zugehörten, angesehen werden, wenn sie dann von ihm nicht zurückgenommen worden. Da dies nun in Bezug auf die Prahlerei, die Gleichung r” + mºr? = n vor der andern r” + pac =q gelöst zu haben, nicht geschieht und auch nicht in Bezug auf die vorerwähnte irrige Meinung oder grosse Illusion, die durch Cossali aufgedeckt ist, so muss man nothwendigerweise schliessen, dass er im Jahre 1546 sich noch nicht von ähnlichen Täuschungen freigemacht hatte. Und werden 1) Cossa li. a. a. 2) Tartaglia, a. O., p. 105–106. d- - 3) Tartaglia, a. a. - O. , P. 242, ff.; Cossa li, a. a. O., P. 103. , P. 249–250 etc.: Cossali, a. a. O., p. 104. P. 254 ff. und 262; Cossali, a. a. O., p. 104 und 113. 105 und 113–114. O O. 4) Tartaglia, a. O., 5) Cossali, a. a. P. – 110 – wir darin nicht bestärkt, wenn wir ihn auch ein Jahr später in der Gewalt desselben Irrthumes sehen, nämlich 1547 dem Datum seines zweiten Cartello, in welchem er aufrecht hält, er habe die Gleichung r” + mac* = n fünf Jahre vor dem März 1539 gelöst, und folglich ein Jahr bevor er die Regel für die Gleichung x* + pr= q gefunden? Die Wichtigkeit dieser Fehler Tartaglias wird um Quesiti und des Cartello ein respective zwei Jahre nach der Veröffentlichung der Cardanschen Ars Magna fallen. Wenn er auch damals nicht ein Wenig Acht hatte, sich nicht verbesserte, damals als er in dem Werke des Gegners: „die Kunst der Auflösung der Gleichungen 3. Grades zu ihrer ganzen Ausdehnung „gebracht, eine neue Kunst in Betreff der Auflösung der Gleichungen 4. Grades „entdeckt“ gesehen hatte, „gefolgt von hunderten von trefflichen Lichtblitzen, „welche die Natur der Gleichungen betreffen, kurz, die Regeln und neuen Kennt- „nisse in eine Theorie verwebt“), hat man da nicht Grund über ihn nachzu- denken, über seine Anmassung der Erfindung des Cubus et census aequales numero, das genügt nicht, ebenso in Bezug auf seine Behauptung der Erfindung des Cubus et latus aequales numero? Ueber die Ungereimtheit jener kann ich meinerseits keinen Zweifel finden, der Stich hielte; über die Richtigkeit dieser, welche bis jetzt von Niemand in Zweifel gezogen ist, steigert sich mir jetzt der im Texte der gegenwärtigen Arbeit erwähnte Zweifel und Argwohn *). Ein Algebraiker, der uns versichert, er habe r* + pac = g gelöst, und der dann 12 Jahre hintereinander behauptet und aufrecht hält, dass er vor der Gleichung x” + px = q die andere r” + mºr” = n gelöst habe, ohne jemals gewahr zu werden, dass er hier als allgemeine Lösung hinstellt, was davon sehr weit ent- fernt ist, und der in dem Irrthum beharrt ungeachtet der vielen Hinweise dar- auf, die ihm von anderer Seite kamen, gibt der, frage ich, Zeichen von Ge- nauigkeit und Klarheit der Ideen in diesem Gegenstande, von richtigem Urtheil, Beweisfertigkeit, aber vor Allem von ursprünglicher Erfindungskraft zu dem grössern Unternehmen, eine Regel für r” + px = q zu finden? Ich der ich durch hundert von anderswo hergenommene Beweise von seinem Geiste und hohem Wissen überzeugt bin, suche hierfür keine andere Antwort als diese: der erwähnte Zweifel und Argwohn ist begründet; man muss wirklich zweifeln, dass Tartaglia – suo marte – (um mit Wallis zu reden) diese Regel gefunden, man muss argwöhnen, dass dieselbe für ihn hinreichend aus der Disputation mit Fiore hindurchsickerte, oder aus uns verborgenen Mitthei- lungen, die er sich verschaffte, nachdem er gehört, dass sie existiere; dass er sie erfassen konnte und sich aneignen, ohne recht die speculativen oder ratio- nellen Grundlagen zu kennen, ohne sie wirklich als Erfinder zu besitzen *). Aber nein, würde sicherlich Cossali ausrufen, wenn er mich hörte, und würde sogleich folgendermaassen fortfahren: Lest, wie im Quesito 31, da- tiert vom 2. Januar 1539 *), Tartaglia selbst ein Urtheil spricht: „ dass 1) Cossali, a. a. O., p. 129. 2) M. s. S. 85–86 und sonst. 3) M. s. den Text der Abhandlung S. 65, 85–86. 4) Tartaglia, a. a. 0., p. 251; Cossali, a. a. 0., p. 109. so sichtbarer, wenn man beachtet, dass die Veröffentlichung der vorgenannten – 111 – „wenn Card an eine gewisse Frage, die auf die Aufgabe von res et cubus „aequales numero führte, nicht lösen konnte, er viel weniger andere Fragen zu „lösen gewusst hätte, die auf viel fremdartigere Capitel als das der cosa e cubo „equal a numero führten“; – und zwei dieser Capitel waren bestimmt von der Form r” +mt? = n. Hört, wie er im Que sito 34*) gegen Card an einige Zeit, ehe er nachgab, ihm das berühmte Stück in Versen zu dictieren, aus- spricht: „dass dieses gegen ihn so sehr den Bedürftigen in Bezug auf die ein- „fache Regel für res et cubus aequales numero mache, sei deshalb, weil sie ein „Schlüssel ist, der den Weg öffnet, um unendlich viele andere Capitel zu ent- „decken –; und dass folglich, wenn er sie einem beobachtenden Menschen lehre „im Verein mit einigen neuen Capiteln, die er schon daraus abgeleitet habe, „dieser leicht bei solcher Deutlichkeit andere Capitel finden könne (da es leicht sei „den schon gefundenen Sachen neue hinzuzufügen).“ – Endlich hört im Que- sito 42, das ihm im Jahre 1541 von seinem Gevatter Wentuorth gestellt war, ihn der Hauptsache nach Folgendes aussprechen: „Die Auflösung der „Capitel von der Form c” + mar? = n hänge nachweislich ab von der Auſ- „lösung der Capitel von der Form T* + pr= q, da jene mit diesen verkettet „wären“*). Ich glaube aber kaum, dass ich Etwas auf die Einwürfe zu ant- worten brauche, die hier gegen meine Meinung angeführt sind, und die man wirklich aus der Geschichte Cossalis an den vorher genau bezeichneten Stellen entnehmen kann. Dennoch wiederhole ich, dass man nicht aus dem Auge verlieren darf, dass Tartaglia die eben behandelten richtigen Ansichten auf die innigste Weise mit den vorher angeführten irrigen verbunden ein Jahr nach Veröffentlichung der Ars Magna Cardans veröffentlichte; dass er in letzterem Werke dieselben richtigen Ansichten wiedergefunden hatte, aber bei Weitem deutlicher und ausgedehnter, ausserdem durch strenge Beweise erläutert, durch darauf folgende Regeln und durch sehr glücklich gewählte Beispiele; dass er also die wiederholt genannten richtigen Ansichten aus diesem Werke ent- nommen haben kann; und dass dies endlich noch dadurch bedeutend wahr- scheinlich gemacht wird, wenn man sie von ihm mit den Irrthümern, die ihnen widersprechen, vermischt wiedergegeben sieht. Aber das letzte Argument Cossalis, das man gleichsam sein Schlacht- ross nennen könnte in dem Kampfe, dass der Brescianer Algebrist wirklich dazu gelangte, die Gleichung r” + mar* = n im Jahre 1541 oder kurze Zeit vorher zu lösen"), aber nicht im Jahre 1530 oder 1534, wie er sich anmaasst. und dass er dazu auf rationellem Wege gelangte, das heisst, indem er den bis dahin unbekannt gebliebenen Kunstgriff*) entdeckte, die Gleichung von dem Gliede zu befreien, welches das Quadrat der Unbekannten enthält, indem er sie in die andere Gleichung z”= pz + q dadurch verwandelte, dass er r= z– m setzte, das letzte Argument, sagte ich, ist folgendes: „dass die Form, unter der „Tartaglia seinem genannten englischen Edelmann und Gevatter Wentu orth 1) Tartaglia, a. a. 0., p. 265; Cossali, a. a. 0., p. 116. 2) Tartaglia, a. a. O., p. 281; Cossali, a. a. O.. P. 127-128. 3) Cossali, a. a. O., p. 165 u. ff. 4) Cossali, a. a. 0., P. 105–106 und 113–114. – l12 – ,die Aufi sung der Gleichung cº + 6aº = 10o mittheilte, klar macht, dass er ,wirklich den erwähnten Kunstgriff entdeckt hatte. In der That, fügt Cos- sali hinzu, setzt man a – 2 – . 6 = z – 2, und substituiert den Cubus und , das Quadrat von z – 2 in die Gleichung acº + 6aº = 100, so findet man ,zº – 12z + 16 = 100, das heisst zº = 12z + 84; eine Gleichung, welche das , Quadrat zº der Unbekannten nicht mehr enthält, und deren Auflösung . . . . ist: 3 3 2 = Va2 v 1700 + V 42 WiFoo; ,und hieraus: 3. 3 a = 2 – 6 – V42 F Viro, i V12 Vi – , 6, genau so wie sie Tartaglia dem Wentu orth angab ). Wir theilen sofort die Originalstelle Tartaglia s mit, die Cossali commentiert: , Trovatime (das ist die Frage, die Tartaglia seinem Gevatter Wen tuorth in den Mund legt) ,una quantità che multiplicata fia (= via, per, mit) la sua R. (Quadrat- wurzel), più 6, faccia aponto 100. Onde ponendo tal quantità sia un censo, ,la sua R. saria una cosa, alla quale giontovi 6, faria 1. cosa più 6, qual , multiplicandola fia 1. censo, faria 1. cubo più 6. censi, et questo saria egual ,,a 100. Die ganze Frage reduciert sich auf die letzten Worte, mamlich lost mir die Gleichung 1. cubus plus 6. censi aequales 100, das heisst, wenn man die res gleich a setzt, a º + 6acº = 100. – , In questo caso (so lautet die ganze Antwort Tartaglias) , la cosa valeva: o 3 V 42 y i7oo + V12 Viroo ,men el terzo di censi, cioè men 2, 2) – Ich habe denjenigen Theil des Werthes von a mit unsern Symbolen ausgedrückt, welcher im Originale nicht leicht von denen verstanden werden würde, die micht einige Uebung in der undeutlichen Bezeichnungsweise der Alten haben. Jenes men el terzo di censi, cioè men 2 zeigt wirklich, dass der Werth der Unbekannten in der Gleichung cº-f-6acº = 100 aus dem Werthe der Unbekannten einer andern Gleichung erhalten wird, wenn man diesen um den dritten Theil von 6, der Anzahl der Census, vermindert; dass man also vorläufig a = z – . . 6 = z – 2 setzt, indem man die neue Un- bekannte z nennt: daraus alles Uebrige wie bei Cossali. Man kann also dem Argumente desselben eine grosse Wahrscheinlichkeit nicht absprechen, man kann nicht sagen, dass, wenn man nur auf dies eine Beweismittel sieht, dasselbe seiner Angabe widerspräche. Er tāuschte auch Franchini, der es deshalb vollständig aus Cossali aufnahm, indem er schrieb: , Wir ,schliessen mit der Bemerkung, dass Tartaglia um seine Arbeiten iber die Glei- ,chungen des 3. Grades zu vollenden, die Methode erfand, sie von dem 2. Gliede ,zu befreien. In der That, als ihm von Wentuorth die Gleichung acº + 6acº = 100 ,vorgelegt war, gibt er um a auszudriicken dieselbe Formel, die man erhilt, wenn , man a - z – 2 setzt, und die Transformierte nach z auflöst.“º) 1) Cossali, a. a. O., p. 157–158, 127–128, 125. 2) Tartaglia, a. a. O., Quesito 42, datiert von 1541, p. 280. 3) Franchini, Storia dell' Algebra, p. 46-47. | — 113 — - Ich glaube aber, mit gebührender Achtung vor den beidem berühmten italiánischen Mathematikern, dass der angeführte Grumd der hinfälligste von Allem ist. Man öffne die Ars Magna; ,, jenes ausgezeichnete Werk, sagt eben- daselbst Franchini, „das immer ein Denkmal des Ruhmes fiir die italiänische ,, Mathematik bleiben wird, zum Verdrusse der Schriftsteller des Nordens, die seine ,,ansehnlichsten Zierden verheinlicht habem, um daraus einigen langsamen vater- ,,ländischen Geometern Kränze zu flechten**; mam öffne sie bei dem Cap. XV. betitelt ,, De cubo et quadratis aequalibus numero**, indem mam von den vorher- gehenden Capiteln und den Fingängen absieht (die so grosse umd scharfsinnige Lehren enthaltem, dass sie auch heute noch Staumen erregen), indem man vor Allem vom Cap. VII. De capitulorum transmutatione absieht (im demselben liest mam an erster Stelle einer gewissem typischen Transformation, — ,, si cubus et ,,quadratum aequantur numero, convertetur capitulum in cubum aequalem rebus et „numero*); und indem mam in dem eben ausgewählten Capitel XV. von der Demonstratio absieht, mit welcher dasselbe beginnt, und die über die Gründe der Behandlung und Auflösung auf allgemeinem Wege handelt, immer auf die strenge geometrische Weise angedeutet; auch abgesehem von dem erstem Theile der folgendem Regula, welche die allgemeimste Regel oder Auflösungsformel des cubus et quadrati aequales numero enthält; in Summa, indem mam sich allein auf das erste numerische Beispiel der Regula beschränkt: ,,Cubus et 6 quadrata“. liest mam darim, ,,aequantur 100: duc 2 ad cubum, fit 8; duplica, fit 16; abijce „eae 100; habebis cubum aequalem 84 plus 12 rebus; sunt autem 12 res, triplum »quadrati 2, tertiae partis 6, numeri quadratorum; res igitur est, eae Cap. 12., . . . o 3 VA2I- VT7G0 4. VAEIVT755, ,,ab hoc abjce 2, tertiam partem 6: erit rei aestimatio quaesita, quando cubus ,,et 6 quadrata aequantur 100, haec . . . . *-— *-—— v A3 + V 1700 -|- ^/33 — Vi700 minus 2.** Man würde es nicht glauben, wenn man es nicht mit Händen griffe, dass Cossali diese Stelle des Cap. XV. der Ars Magna mit geschlossenem Augem übergangen hätte (ein Capitel das er selbst in ausgezeichneter Weise commen- tiert, und dessem allgemeinen Theil er in unsere Symbole überträgt *)): wie ihm die augenfällige Bemerkung von der vollständigen Identität des Cardan- schem Exempels mit dem speciellen Capitel der gegebenem Gleichumg ar* -+- mac* = n, die Tartaglia für Wen tu orth löste, entgangen sein konnte?, und wie er ver- schweigen konnte, dass die Form, unter welcher von Tartaglia der Werth der Unbekannten gegeben wurde, in welcher Angabe seine ganze Auflösung besteht, umd in welcher Form alleim der Grumd für das Verdienst liegt, das mam ihm zuschreibem mögte, identisch die Form des Werthes der Unbekanntem des grossen C a r d a n ist, die dieser nicht blos amgibt, sondern in seinem Bei- spiele beweist? In der Art, dass der Brescianer Mathematiker, um bei der 1) M. s. C ossali, a. a. 0.,£p. 163, Distinzione 5a. G h e rardi, Materialien. S. – 114 – Nachwelt, nach der Meinung Cossalis, den herrlichen Ruhm zu erlangen, um den es sich handelt, nichts Anderes zu thun gebraucht hätte, als die letzte Zeile des genannten Exempels buchstäblich abzuschreiben; den ganzen Rest dieses Exempels schenkt ihm der Schutzredner. Aber soviel steht fest, die Identität beider Exempel, das eine veröffentlicht mit der Ars Magna im Jahre 1545, das andere mit den Ques iti et Inventioni diverse im Jahre 1546, eine Identität, die man nicht als zufällig annehmen kann, ist für denjenigen von beiden Schriftstellern verhängnissvoll, der zuletzt drucken liess. Und ich, der ich in der vorhergehenden Anmerkung mein Möglichstes that, um ihn von der Anklage zu befreien: –, vivens alienis laboribus, et fur manifestus alieno- „rum studiorum etc.“, welche zwei- bis dreimal von den Gegnern ihm zuge- schleudert wird, aber bei einem andern Gegenstande, hier weiss ich nicht, wie ihn vertheidigen. Und soviel steht ferner fest, der Ursprung aller Vorein- genommenheiten und aller Täuschungen Cossalis zu Gunsten Tartaglias und zum Schaden Cardans war folgender: dass er entweder zu beachten vergass, oder nicht genügend beachtete, dass die Quesiti et Inventioni diverse alle zusammen in dem vielerwähnten Jahre 1546 herauskamen und nicht schon in den Jahren, die der Verfasser beisetzte. Diese Auslassung, die in Nichts die ausgezeichneten Gaben Cossalis als Mathematiker aufhebt, führte ihn von Folgerung zu Folgerung, zu einer nicht geringen Abweichung von der histo- rischen Wahrheit auch unter andern Gesichtspuncten, und dazu, dass er sich in verschiedene Arten von Widersprüchen verwickelte. Ich will nicht die Be- weise anführen, die mich jetzt von meinem Thema abbringen würden, die aber vielleicht ein anderes Mal gelegener kommen werden. Ich will auch anführen, dass andere Geschichtsschreiber, welche den Gegenstand vor diesem hoch- berühmten Professor behandelten, indem sie die Thatsachen weniger genau tractierten als er, anderswo oberflächlich, ungenau, parteiisch u. s. w. waren (alles das sagt er über seine Vorgänger), aber hier erfassten sie, meiner Mei- nung nach, die Sachen viel besser als er. So ging es z. B. mit Wallis nnd Montucla. Indem sie dem Rechnung trugen, was man in vollster Offenheit in den Werken Cardans und Tartaglias sieht, dem, was wirklich ist, ohne allzu sehr zu suchen, zu divinieren und zu supplieren, was da nicht ist, und wovon wahrscheinlich nur ein geringer Theil durch den Geist derselben ging, standen sie auf sicherem Grunde, belohnten jeden nach seinem wahrscheinlichen, wenn nicht unerschütterlichen Verdienst; sie drückten nicht den Einen herab, um in der Uebereilung gesuchter Conjecturen den Andern zu erhöhen. Und endlich in Betreff des zweiten der genannten Historiker (dessen, gegen welchen Cossali wahrhaft unerbittlich ist – „impitoyable Cossal“ entschlüpft seiner Feder!), weit entfernt dass man, wie es Professor Cossali immer wollte, staunte ein gewisses Urtheil desselben über die Ansprüche Cardans und Tar- taglias an die so oft genannte Erfindung zu hören, zeigt er sich sogar hin- reichend genau und unparteiisch; es ist vielleicht das Beste, was man vor- bringen kann, wenn man nicht Ferro zum Vergleiche herbeizieht, das heisst das Anrecht dieses an derselben Entdeckung mit der fahrlässigen Kargheit Aller abwägt. Auch bin ich nicht in Zweifel in Betreff dieses Gegenstandes wie Cossali, ob der vorgenannte Dialog, der von Tartaglia zwischen sei- nem Gevatter Wentuorth und sich selbst eingeführt wird, unter die Hände – 115 – Montu clas gefallen sei, oder nicht; ich glaube vielmehr, dass wenn ihn Montu cla gesehen hat, er sich nicht versehen hat, wie ein Anderer. Aufmerksam, wie ich es gewesen bin bis zum Scrupel (oder wie ich es wenigstens zu sein bemüht gewesen bin), das Pro und Contra in Bezug auf jeden zweifelhaften oder streitigen Punct des historischen Stoffes zu suchen und zu sagen, den ich unter den Händen habe, mögte ich hoffen, in jeder Beziehung die Parteilichkeit vermieden zu haben; auch in Bezug auf Scipione Ferro, zu Gunsten dessen mein Widerstandsvermögen gegen dergleichen Versuche mehr als leicht hätte fehlen können. Mir sind ferner die Schwierigkeiten, welche hie und da meine Schlüsse und Conjecturen, die ich vorgetragen, erleiden könnten, nicht verborgen. Auf dergleichen trifft nothwendigerweise jeder, welcher die Discussion eines alten geschichtlichen Themas wieder aufnimmt, das schon streitig ist, obgleich er die Hilfe mancher neuen Notiz benutzt. Bei dem Lichte derselben verschwinden gewisse Dunkelheiten des Thema, aber neben den ver- schwundenen entstehen andere wegen des Ungenügenden des neuen Lichtes, Das Beste, was man in ähnlichen Verlegenheiten thun kann, ist nicht etwa, die Vernunft zu zwingen, das Licht der Gewissheit zu geben, das ohne weiter- gehende Kenntniss nicht erreichbar ist, sondern sie vielmehr verständig dazu zu benutzen, bis zu dem begrenzten erreichbaren Ziele die entstandene Dunkelheit aufzuhellen. Daher kommt es, dass die Urtheile der einfachern, oder augen- blicklichen Kritik oft viel mehr mit der Wahrheit, welche das weitere Studium des Gegenstandes nur nach und nach erobern lässt, in Uebereinstimmung sind, als die der künstlichen und ausgearbeiteten. Ich kann in Wahrheit behaupten, dass dies in dem Studium meines Gegenstandes eingetreten: je mehr ich vor- geschritten bin mit den Untersuchungen, mit den Vergleichungen, mit den Schlüssen, die sie betrafen, um so mehr erweiterten sich die Eingebungen der ersten leichthin gemachten Kritik, und fanden Bestätigung. Ich hege das Ver- trauen, dass jeder darin mit mir einig sein wird, wer es auch sei, der es für werth gehalten hat, vollständig – Text, kurze Anmerkungen, lange Anmer- kungen, diese sehr langen Anmerkungen – diese meine zu verschiedenartigen Materialien zu lesen. Ich will aber dafür noch einen neuen Beweis liefern. Es ist sicher, dass unter den genannten Vermuthungen diejenige sehr ein- leuchtend ist, anzunehmen, dass die Erfindung Ferros von Bologna auch noch auf andere Wege und auf andere Weise ausging als auf die beiden jetzt bekannten, der Disputation Fiores und der Mittheilung des Werkes von Ferro selbst, die sich Cardan und Ferrari verschafften”); es ist höchst wahrscheinlich, dass die Erfindung selbst oder wenigstens die betreffende Regel, eine Reihe von Jahren bevor Cardan und Tartaglia die Ars Magna und das Libro Nono delli Quesiti et Invention i diverse publicierten, viel ausgedehnter bekannt war, als man aus den Schriften dieser Herren ent- nehmen sollte, beide in diesem Puncte die Wahrheit zu verbergen besorgt, zu ihrem grössern Ruhme und zur Bewahrung ihres guten Namens. Daraus ent- sprang ein Argwohn: dass nämlich Tartaglia selbst, und zwar eher als der Gegner und unabhängig von den freiwilligen oder unerwarteten Mittheilungen 1) M. s. oben. S. 62; 85. – 116 – Fiores Etwas von der Originalerfindung des bologneser Algebristen hatte erreicht haben können, wenn auch nicht alles das, was er davon sein voll- ständiges Eigenthum nannte. Wir haben im Verlaufe der Schrift gesehen und sehen jetzt noch besser aus dem Inhalte gegenwärtiger Anmerkung verschiedene wohlbegründete Schlüsse zur Unterstützung dieses Argwohns kommen. Es könnte aber scheinen, als ob man diesen Schlüssen den Fehler, zuviel zu be- weisen, vorwerfen könnte; weil es zu weit gehe, was man in Bezug auf diesen verlange, dem Tartaglia selbst das wegzunehmen, was der Gegner ihm zur Zeit der Ars Magna zusprach, namlich die Wiederentdeckung der Regelund eines geometrischen Beweises derselben. Jeder Schein solcher Art fallt aber | ganz sicherlich bei der augenscheinlichen Ueberlegung der vielen Beweggründe parteiischer Rücksichtsnahme, die in jener Zeit Card an dem Tartaglia schuldete und sicherlich gegen ihn beobachtete, weil sie durch das gewichtige Interesse seines eigenen Decorums unterstützt wurden; Beweggründe, die ich mich hier anzuführen nicht aufhalte, da sie klar und offen aus verschiedenen Stellen meiner Schrift entspringen. Hier ist nun das, was zur Bestâtigung von Alledem dient und den versprochenen neuen Beweis bildet. Es ist eine Periode aus dem sechsten Cartello Ferraris, die ich nicht eher als jetzt, wo ich bei den letzten Zeilen meiner Arbeit bin, bemerkt habe; ich werde den Abschmitt aus dem ganzen Passus, dem er angehört, durch fettere Schrift hervorheben; ich theile die Stelle mit, nicht weil sie so in ihrer Ganzheit uns dient, son- dern weil sie dazu nützen wird, immer mehr den Geist der Cartelli erkennen zu lehren und vielleicht die Richtigkeit der Absicht, sie vollständig durch den Druck zu reproducierenº). Um ferner besser das Ganze zu verstehen, muss der Stelle Ferraris die Stelle aus der Quinta Risposta des Tartaglia vorausgeschickt werden, auf die jener sich bezieht; da ist sie: , Ma piu non mi , posso io avantare con verita non solamente voi signor Hieronimo (d. i. Cardan) ,esser stato mio Discipulo, ma discipulo de dui mei Discipuli, della qualcosa ,niuna persona si puo gloriar di me? Che voi siati stato mio discipulo non mi ,accade a provarlo, da poi che nel principio della vostra Arte magna, (per , acquietarmi de havermi mancato alla promessa fatta con giuramento) non sola- , mente lo confessati, ma anchora a carte 16. lo rettificati et narati di quanta , importantia siano le dette particolarita, che vi ho insignate, et chel sia el vero ,qui pongo le vostre parole precise. Cum autem intellerissem Capitulum, quod , Nicolaus Tartalea mihi tradiderat, ab eo fuisse Demonstratione inventum Geo- emetrica cogitavi eam vian esse regiam ad omnia capitula venanda, etc. º). Ei ,così per la virtu et proprieta de tal mia inventione, et per le cose che da quella , derivano haveti formata tal opra credendovi per la nobilita della detta mia in- , ventione de farve ambidui (d. i. Cardan und Ferrari) immortali, et per questa avidita non ve seti curato della fede vostra a me impegnata.“º) – ,Altro di stravagante (so antwortet nun Ferrari auf der zweiten Seite seines ,sechsten Cartello) , non aviso io che vi sia da farvi risposta, che quantunque habbiate scritto che 'l Signor Hieronimo vi lodi in una delle sue opere, questo 1) Man sehe oben S. 69–70. 2) M. s. oben S. 80. 3) Seite º der Quinta Risposta ecc. des Tartaglia. – 117 – - a me non tocca, se non inquanto voi vi dannate da voi stesso. Atteso, che ,,potendo il Signor Hieronimo attribuire quel capitolo al primo ,,inventore, cioè a messer Scipione dal Ferro Bolognese, et oltre ,,lui, anchora a messer Antonio Maria di Fiore, il quale voi con- »,fessate nel vostro libro che lo sapeva prima di voi, nondimeno, ,,egli è stato sì cortese, che vi ha voluto credere, che lo habbiate ,,trovato anchor voi, senza haverlo ricevuto da alcuno di loro, o, ,,da loro scolari, et vi ha celebrato insiememente con amendue loro. » Et voi in vece di questo beneficio: di quegli, che io vi ricordai nel mio secondo Cartello: et di molti altri ch' io ne posso far testimonio: havete fuor di propo- sito scritto di sua Signoria sì villanamente, che parete esser impazzito. Ma io mi godo, che l' humanità, la vertà et la dottrina di sua eccellenza è sì nota a tutto il mondo, che addoso di voi ricade la ignominia di questo sì gentil guider- ,done. Oltre a ciò, quando pur alle giudiciose et alte sue orecchie pervengano alcune di queste vostre maligne et invidiose parole, si havrà egli da allegrare, che sia detto mal di lui da un vostro pari. Perciò che le lodi, che vengono dalla integrità de buoni: et i biasmi, che vengono dalla malvagia invidia de rei, vogliono ugualmente, et si debbono spendere per una medesima moneta. Et tanto sia brevemente detto, per rintuzzare la naturale vostra maledicenza, alla quale quando io, uscendo della natural mia modestia, volessi rispondere, come si richie- derebbe a voi, io farei chiaro al mondo, che voi siete huomo, piu per udir male, che veramente vi si puo oporre, che per dirlo d'altrui con false inventioni come ,havete fatto.“ – Bei der Lecture dieses Passus muss man in der Schreibart des Verfassers, die von uns schon bei der Mittheilung verschiedener Stellen der seltenen Cartelli gelobt ist, ausser dem wichtigen Inhalt, den höchst em- pfehlenswerthen Schmuck einer gebildeten Sprache anerkennen. Sicherlich hat sich also auch in diesem Puncte, dass er mämlich mit grosser Leichtigkeit die Schönheit der Sprache erreichte, der hilfreiche Geist Car dans bei der Abfassung der Ars Magna, der erste Löser der biquadratischen Gleichungen, um seine Nation wohl verdient gemacht und nachahmenswerth für die mathematischen Schriftsteller seiner Zeit, die Cosimo Bertoli, die Danti, die Spini, die Bombelli und die andern, welche wirklich mit Eigenthümlichkeit und selbst mit Eleganz ihre Werke in der Vulgärsprache abfassten. Die Werke einiger von ihnen wurden später durch die schwer zu erlangende Erwähnung durch die Accademia della Crusca geehrt. Mit viel mehr Grund würde diese Ehre den Ferrarischen Cartelli gebührt haben, wenn nicht bei den Litteraten wie bei den Mathematikern dasselbe strafbare Geschick sie fast augenblicklich erreicht hatte. Grosses Glück wäre es gewesen, wenn Libri in seiner weitberiihmten Geschichte verweilt oder sich weiter verbreitet hâtte iber das specielle Thema des hauptsächlichsten Streitpunctes, der soveit moglich in dieser Anmerkung klar gelegt ist. Wir haben, glaube ich, gesehen, dass er in Bezug auf diesen Punct von Cosa li abweichender Meinung ist, wie wir es auch in Bezug auf andere historische Puncte der ersten Aufiòsung der cubischen Gleichungen ge- sehen haben. Und ich gebe mich diesem Glauben hin, wenn man auch aus dem Wenigen, was der hochberùhmte Schriftsteller in Betreff des vorgedachten – 118 – Thema ausspricht, wirklich grade das Gegentheil herleiten zu können glauben möchte; denn es könnte scheinen, dass er Tartaglia noch viel weitergehende Zugeständnisse machte als Cossali. Ich beziehe mich hier auf zwei Stellen des Textes auf S. 152 und 153 des dritten Theiles der Histoire des Scien- ces Mathématiques en Italie. Aber jeder der die zweite Anmerkung auf S. 152 dieses Werkes und desgleichen die zweite Note der S. 149 abwägt (man muss sie erwägen, indem man sich der neuhinzugekommenen Thatsachen bedient, die wir in gegenwärtiger Note in klares Licht zu stellen suchten), der wird, ich mögte daran nicht zweifeln, die Richtigkeit meiner ausgesprochenen Hoffnung einsehen. Ich schliesse mit einer Bemerkung, die, hoffe ich, mir auch eine gute Entschuldigung für die so grosse Länge der vorliegenden Anmerkung, sowie des zweiten Theiles der Abhandlung gewährt. Von den beiden Mitbewerbern des Scipione Ferro, welche die langsame, wenig eifrige oder ein wenig phantastische Geschichte aufgefunden hat, war der furchtsamste, für jemand der an seiner Rechtfertigung arbeiten will, unzweifelhaft Nicolo Tartaglia, nachdem erst die Thatsache des Libellum manu Scipionis Ferrei etc. wiedergefunden war –; denn die Thatsache betrifft nur allein den andern Mit- bewerber und nur am Ruhme dieses nimmt der Bologneser Algebrist Theil. Folg- lich gereichte die Wiederherstellung der guten Gründe Cardans, das aus dem Wege Räumen der weniger als gerechten Pretensionen, die dem Tartaglia zugestanden wurden, in doppelter Weise zur Ehrenrettung für Ferro. – 119 – Damit man sehe, welcher Auslese von trefflichen Männern die Cartelli mitgetheilt wurden, und auch weil diese genau dem Namen nach und nach den verschiedenen Städten, in denen sie zur Zeit sich aufhielten, als die Cartelli an die Oeffentlichkeit gelangten, zu kennen, zur Wiederauffindung einiger Exem- plare derselben beitragen kann, habe ich mich entschlossen hier das Verzeich- niss der erwähnten Männer mitzutheilen, das sich in dem ersten Cartello Fer- raris befindet und zwei Blatt von den vier Blättern einnimmt, die dasselbe bilden. „ IN ROMA.“ „Illmo et Reymo Monsignore Cardinal Sfrondato; Revmo Monsignor Phi- „lippo Archinto; Illmo Sign. Don Diego di Mendozza; Molto Magnifico Sign. „Latino Invenal; Revndo Sign. Alessandro Piccolhomini; Sign. Georgio Philandro; „Sign. Luca Gaurico; Sign. Ludovico Luceio.“ „ IN VENETIA.“ „Illustre et molto Revndo Sign. Gabriel Tadino; Clarissimo Cav. Sign. „Dominico Moresino; Clarissimo Sign. Bernardo Navagiero; Clarissimo Sign. „Marco Antonio da Mula; Magnifico Sig. Vincentio Fedel; Eccellente Sign. „Triphone Gabrieli; Magnifico Sign. Gio. Battista Ludovici; Sign. Hieronimo „Negro; Sign. Gio. Bernardo Feliciano.“ „ IN MELANO.“ „Illmo Sign. Benedetto Rhamberti; Illmo Sign. Nicold Secco; Magnifico „Sign. Bernardo Spina; Revndo Sign. Bonaventura Castione; Magnifico Sign. „Hieronimo Firenza; Magnifico Sign. Philippo Rainoldo; Eccemo Sign. Gio. Am- „brosio Cavenago; Eccente Sign. Gio. Angelo Candiano; Eccente Sign. Gio. Luca „dalla Croce; Eccente Sig. Francesco d'Arluno; Sign. Cabrio da Caravazzo.“ „ IN FIRENZE.“ „Revndo Sign. P. Francesco Gianbullari; Magnifico Sign. Carlo Fei; „Sign. Christoforo de Donini; Sign. Josefo de Tani.“ „ IN FERRARA.“ „Eccente Sign. Antonio Brasavola; Sign. Jason Fortuese.“ „ IN BOLOGNA.“ „Magnifico Sign. Cav. Achille Bochio; Eccente Sign. Ludovico Vital; „Sign. Hannibal dalla Nave; Sign. Nicoló Simo.“ – 120 – „ IN SALERNO.“ „Sign. Mattheo Mancino.“ „ IN PADOVA.“ „Eccemo Sign. Marco Antonio Genua; Magnifico et Eccente Sign. Sperone „Speroni; Eccemo Sign. Lazaro da Bassano.“ „ IN PA VIA.“ „Eccemo Sign. Andrea Alicato; Eccente Sign. Branda Porro; Sign. „Ottaviano Ferraro.“ „ IN PISA.“ „Eccemo Sign. Simon Portio; Sign. Antonio Lapini; Revndo frate Giovanni „Carmelitano; Sign. Sonzino Benzo.“ „ IN VERONA.“ „Eccemo Sign. Hieronimo Fracastoro.“ Man bemerke, dass aus einigen Stellen der Cartelli hervorgeht, dass diese in viel mehr Städte gesandt und an viel mehr Personen vertheilt wurden, als es aus dem mitgetheilten Verzeichniss erhellen würde: auf Seite neun des Quinto Cartello Ferraris liest man zum Beispiel Folgendes: „vi sono „diversi Gentilhuomini in Milano, che ne hannomandato (nämlich von den Car- „telli) a so e miei conoscenti in Napoli, in Roma, Mantoa, Firenze, et altri „luoghi . . . i Cartelli publicati (soll heissen divulgati) in Padoa, tutti gli ho „mandat io con mie lettere all Eccellentissimo Signor Marco Antonio Genua, „il qual (per sua cortesia e gentilezza) gli ha distribuiti alle persone virtuose, „come io nelle mie lettere il pregava, ecc. . . .“ Um nun zu verstehen, welche Art von Oeffentlichkeit Ferrari selbst für die mathematische Disputation, zu der er Tartaglia aufforderte, gewünscht, sogar gewollt hatte, dienen ohne Weiteres die folgenden Sätze, welche ich aus Seite 7–8 des lateinischen Cartello auszüglich mittheile: „ Propono quatuor „urbes aeque commodas (als Orte der öffentlichen Disputation) . . ., Romam „civitatum omnium praestantissimam, Florentiam, Pisas et Bononiam, in quam „propter concilium ibi futurum scientissimi viri undique confluent . . . De iudicibus, „nulla erit controversia, modo contentussis his, qui in urbe constituta doctiores, „et in mathematicis peritiores habebuntur.“ Endlich will ich auch noch die Namen der unterschriebenen Zeugen, drei an Zahl für jedes Cartello, mittheilen. Diejenigen, welche man in den ver- schiedenen Cartelli Ferraris findet, sind: Benedetto Rhamberti; Nicolo Secco; Mutio Iustinapolitano; Benedetto Pecchio; Giacomo Pirovano; Filippo Rainoldo; und Bernardo Spina. Jene dagegen, welche in den Cartelli des Tartaglia erscheinen, sind: Paulo Marescotto; Mario Nizolio; Tiberio Scardoa; Annibale Raymondo; Michele Tramezzino (libraro alla insegna della Sibilla); Dominico q. Donato Cantor; Agustino Bindoni (stampatore); P. Joseph Rodella, Carpene- dulense, Brisciano; Joseph Cgola; Bernardino Pegabosco ditto del mangano und Lucio de Alenis. In mehreren der Cartelli des einen und des andern – 121 – streitenden Theiles wird ein gewisser Ottaviano Scotto, Buchdrucker, genannt; aber nicht als Drucker irgend eines Cartello”), sondern vielmehr als Depositar des Geldes, welches von beiden Theilen vor der Disputation als Preis für die siegende Partei nach dem Vorschlage Ferraris ausgesetzt werden musste, der in folgendem Worten des ersten Cartello enthalten ist: , Et acciò che non vi rincresca fatica o spesa mi afferisco di giucar, et deporre quanti danari vorrete deporre anchor voi, infino alla somma di 200 scudi, acciò che il vincitor ac- quisti l'honore, non con danno suo, ma piu tosto con avantaggio.“º) Und mit diesen Worten des herrlichen Geistes, der mit Ferro das Vaterland gemein hatte, seine Erfindungen vertheidigte und erweiterte, ist es mir erwünscht, der Arbeit ein letztes Ende zu setzen, Zu Anmerkung 2) auf S. 5–6. Als ich vor einem Jahre den kurzen Zusatz zu der ebengenannten Anmer- kung niederschrieb, welchen man am Ende derselben liest, hatte ich das kleine Monument auf Cavalieri in der Kirche der Parochie della Mascarella noch nicht gesehen, auf welches sovohl die ursprüngliche Ammerkung als auf ein Project, wie der Zusatz selbst als auf ein Fait acompli sich bezogen. – Bei einer giinstigen Gelegenheit aber, das Monument zu besuchen (das nicht blos aus dem alten Denkstein und der neuen Inschrift, welche in der genannten An- merkung erwähnt sind, besteht, sondern ausserdem aus einer schönen darüber angebrachten Büste des grossen Jesuaters – was nicht mit Jesuit verwechselt verden darf), die sich mir vor wenigen Wochen darbot, fiel mir sogleich ein Widerspruch zwischen dem historischen Datum und meiner Schrift sovohl als der des trefflichen Piola auf; ein Widerspruch, den ich nicht umhin kann hier anzuerkennen und zu erklären, da mir durch die Güte des Herrn Prof. Grunert eine Neuausgabe der Arbeit ermöglicht ist. – Die moderne Inschrift des kleinen Monuments setzt gleich zu Anfang , An, MDCCCXXXXIII“ als Datum der Aufrichtung desselben fest; während ich im Jahre 1844, in dem ich der Aka- demie zu Bologna meine Materialien vortrug, und im Jahre 1846, in dem sie die Presse verliessen, behauptete und festhielt, das Monument sei noch nicht aufgerichtet, sondern noch völlig Project geblieben: das Namliche wiederholte meinen Informationem folgend, der berùhmte Piola in seinem bewundernswer- then Elogio auf Cavalieri º ; dass ich an demselben in gewisser wenn auch unscheinbarer Weise durch meine Notizen und Aufklärungen, und meine zu- fallig gesammelten und dem beriihmten Schriftsteller mindlich und schriftlich 1) M. s. S. 59 und 72. 2) M. s. das erwähnte Cartello Seite 3. 3) Elogio di Bonaventura Cavalieri ecc. Milano 1844, p. 76-77. sº – 122 – mitgetheilten Documente habe beitragen können, schätze ich und werde es immer als eine grosse Ehre und Befriedigung schätzen. Die Wahrheit zur Aufhellung des Widerspruchs ist so kurz als möglich und alles Specielle und Ueberflüssige weglassend Folgendes: „Das Project, das Monument wieder auf- zurichten, welches ungefähr 1840 kurz nach der Wiederauffindung des alten Denk- steins gefasst war, sollte im Jahre 1843 bei der feierlichen Gelegenheit eines Hochamtes in der dortigen Parochie und Kirche della Mascarella ausgeführt werden; wegen wichtiger, aber zur Zeit unüberwindlicher Schwierigkeiten wurde die Aufrichtung auf spätere Zeit verschoben; unterdessen starben bald darauf drei von den Herren Bianconi, den Mitpatronen der Kirche, denen die Sache vorzugsweise am Herzen lag: der eifrigste von ihnen, Gian Battista, Doctor der Philosophie und Mathematik, ein Jüngling von sehr guten Studien auch in der angewandten Physik, mein theurer Schüler, starb im Jahre 1847; aber der Ueberlebende von ihnen, Gian Giuseppe, der als Professor und Schriftsteller in den Naturwissenschaften mit Recht berühmt ist, kam im Jahre 1853 bei der zehnten Wiederkehr des vorerwähnten feierlichen Hochamtes dem heissen Ver- langen des verstorbenen Bruders Gian Battista nach, indem er das mehr- erwähnte Monument völlig auf seine eignen Kosten ausführen und aufstellen liess, und indem er in der ganz in Marmor gegrabenen Inschrift das ganze Verdienst jenem zusprach, und durch diesen liebevollen brüderlichen Gedanken bewogen erlaubte er sich das neue Datum 1853 der unzweifelhaften wirklichen Aufstellung mit dem Datum 1843 zu vertauschen, in welchem dieselbe nach allen von dem beklagten Bruder getroffenen Dispositionen hätte stattfinden müssen. Da ich nun einmal zu dieser geringfügigen Specialität gekommen bin, glaube ich, sie werde günstiger aufgenommen werden, wenn ich zum Schlusse dieses Zusatzes sowohl die alte Inschrift des Denksteins, als die neue Inschrift mittheile, wie sie auf dem vielerwähnten Monument des grossen Cavalieri zu lesen sind. (Auf ihn findet sich in dem alten restaurierten Archigymnasium zu Bologna auch nicht ein einziges Wort, nicht ein einziges Zeichen, das auf ihn hinwiese, wie sich gleicherweise Nichts findet über Novara, (Coperni- cus), Ferro, Pacioli, Cardan als Mathematiker – als Arzt, denke ich, ist es der Fall –, Ferrari, (Bombelli), Cataldi u. s. w.)!) Die alte Inschrift lautet: 1) Povera e nuda voi Geometria! rief mit mir eines Tages der berühmte Forbes aus, als wir bei einem gemeinsamen Besuche des Archigymnasiums die wirklich bewunderns- würdige Flucht von 12–15 prachtvollen Sälen in vollkommen gerader Linie durchwanderten und die Augen auf die Tausende von verschiedenen Inschriften auf den Wänden richteten, die zum grössten Theile über ganz obscure Namen waren, ohne auch nur den Namen eines ein- zigen Mathematikers zu finden. Wenn auch die Vernachlässigung der mathematischen Studien in alter Zeit, die hieraus hervortritt, vielleicht aus gewissen Specialgründen erklärt und bedauert werden kann, die mir von gelehrten Bolognesern als in dem damaligen Gefühle gegen dieselben zum Theile vorhanden versichert werden, so kann dies doch nicht auch jetzt noch verziehen werden, seitdem, vor 35 Jahren wenigstens, die staunenswerthe prachtvolle Restauration des Archigymnasiums vollständig auf Kosten der Bologneser Stadtbehörden vollendet wnrde. Weil man einen solchen Fehler wieder hätte gut machen können, ja müssen . . . . . wenn auch nur mit einer einzigen und einfachen Inschrift, welche nur die Wawnen der bedeutenderen Mathematiker enthielt, welche dem Archigymnasium zur Zierde gereichten, welche für Italien eine Ehre waren, und stets eine Ehre für dasselbe sein werden. – 123 – ID . O . M. A . R . P . Bonaventurae Cavalerio Mediolasi . Ordis - Jesuator in hoc coenobio Mascarellae Priori . Perpetuo Aposto99. Die neue dagegen: An . MDCCCXXXXIII . Lapis - qui . injuria . temporum . amotus . diffractusque- obscuro - loco . delituit . curante . Jo . Baptista . Bianconi . Doct . Phil . Mathem . Aedis . Patrono - egestus . restitutusque . est . IlC . Bonaventurae . Cavalerio. geometrae . maximo . qui . ab . anno . MDCXXIX. ad . annum . MDCXLVII. interiorem . mathesim . Bononiae . tradidit. testimonium . deesset. amplissimae . dignitatis . Der Sinn dieser Inschrift war schon 1840 meinem Landsmann und ge- nauen Freunde Avv. Cav. Luigi Crisostomo Ferrucci gegeben worden, seit 12 Jahren erstem Bibliothekar der Mediceo-Laurenzianischen Bibliothek zu Florenz: sie ging aus seiner hochgeehrten Feder hervor würdig seinem Rufe als Latinist, Epigraphiker und weitberühmter Schriftsteller, – 124 – ANIAN G. [Durch die Güte des Herrn Verfassers bin ich in die angenehme Lage versetzt, ausser dem schon im Anfange mitgetheilten Empfehlungsschreiben Galileis für Cavalieri, das ich als die grösste Zierde dieser deutschen Ausgabe bezeichnen mogte, in diesem Anhange nicht nur das Capitolo in Rima mittheilen zu können, durch welches Tartaglia seine Lösung der cubischen Gleichungen an Cardan ibermittelte, und das schon in Italien kaum noch gekannt, in Deutschland wohl ganz unbekannt sein durfte, sondern auch eine spitere Arbeit des Verfassers uber Ferrari, in Form eines Briefes an Monsignor spater Cardinal Grass e lini, die wir schon oben S. 90 erwähnt haben. Ich erlaube mir demselben hier- für meinen aufrichtigen Dank an dieser Stelle offentlich auszusprechen. D. Ueb.] Capitel in Terza Rima zur Auflösung der Gleichungen des dritten Grades von der Form rº + pa = + q, durch Tartaglia am 25. März 1539 an Cardan mitgetheiltº). Quando che 'l cubo con le cose appresso, Se agguaglia a qualche numero discreto: Trouan dui altri, differenti in esso. Dapoi terrai, questo per consueto, Che 'l lor produtto, sempre sia equale Al terzo cubo, delle cose neto º); El residuo poi suo generale, Delli lor lati cubi, ben sostratti Varra la tua cosa principale. In el secondo, de cotesti atti; Quando che 'l cubo restasse lui solo, Tu asseruerai quest' altri contratti, Del numer farai due, tal part à uolo º), Che l'una, in l'altra, si produca schietto, El terzo cubo delle cose in stolo º); Delle qual poi per commun precetto, Torrai li lati cubi, insieme gionti Et cotal somma, sarà il tuo concetto: El terzo, poi de questi nostri conti, Se solue col secondo, se ben guardi Che per natura son quali congionti. Questi trouai, S non con passi tardi Nel mille ciuquecentº è quattro è trenta; Con fondamenti ben saldi, e gagliardi, Nella Città dal mar intorno centa. 1) M. sehe Opere del famosissimo Nicol o Tartaglia ecc. Venezia 1506, p. 266. 2) Des Reimes wegen statt netto. 3) à uolo = in un subito. 4) Für stuolo. II. Schreibenº) des Professors Silvestro Gherardi an Monsignor Gaspare Grasselini iber einige Nachrichten das Leben und die Arbeiten des Lodovico Ferrari betreffend, entrommen den Materialien zur Geschichte der mathematischen Facultāt in der alten Universität Bologna, gesammelt von demselben Gherardi und zum Theil schon der Accademia delle Scienze dell' Istituto di Bologna mitgetheilt.”) Werthgeschätzteste Collegen! Das weitausgedehnte Thema, tiber das ich im letztvergangemen akademi- schen Jahre vor Ihnen zu lesen begonmen habe, betreffend die Geschichte der mathematischen Facultat in der alten Studienanstalt dieser Stadt, führt eine Be- quemlichkeit mit sich, durch welche ich, so wie ich bin, mit meinen schwachen Kräſtem ibm mich ambequemen kann, und mit dem Augenblicken von Zeit, die ich ihm, meinen amtlichen Geschäften enthommen, widmen kann. Diese Bequem- lichkeit ist folgende: dass die Behandlung dieses Thema, sovie die betreffenden Nachsuchungen und Recherchen über Handschriften und alte Bücher sich getrennt und mit Unterbrechungen anstellen lassen, und ohne die Nothwendig- keit, dass die Theile sich in der Ordnung der betreffenden Zeiten folgen, da es hinreicht, wenn sie unter sich das Bindemittel haben, dass sie demselben Gegenstande angehören. So ist es, weil ich mit meiner Arbeit Materialien zur Geschichte der genannten Facultat zu sammeln gewollt habe; es würde nicht so sein, wenn ich die wirkliche Abfassung der Geschichte selbst beabsichtigt hätte. Jetzt kann auch eine einfache Erlauterung, eine Uebung über ein be- liebiges Theilchen des weiten Gegenstandes gelegentlich gearbeitet und mitge- theilt werden, ohne abwarten zu mussen, bis sie an ihrem Ort in der ganzen 1) Dieses Schreiben findet sich abgedruckt in den Nuovi Annali delle Scienze Naturali di Bologna, fascic. di Marzo e Aprile 1859 und in einem daraus gemach- ten Sonderabdruck betitelt: Lettera del Professore Silvestro Gherardi a Mon- siginor Gaspare Grasselini. 14 S. 89. 2) M. s. Novi Commentarii Academia e etc. T. VIII, p. 519. Das vorliegende Schreiben wurde der Akademie in ihrer Sitzung vom 12. December 1844 mitgetheilt. – 126 – Arbeit gesetzt werde, nach dem Plane, nach welchem ich mir's vorstellte, dass die verschiedenen Theile sich untereinander verknüpfen liessen, und den ich in der schon mitgetheilten Schrift dargelegt habe. – Solches ist auch diese kurze Notiz, die ich heute mittheile. Zu ihrer Abfassung gab der sehr glückliche Zufall vorzugsweise Anlass, der mir im vergangenen October mit der hochge- lehrten und weltberühmten Persönlichkeit mich zu unterhalten Gelegenheit gab, an welche, mit ihrer gütigen Erlaubniss, dieselbe gerichtet ist. Seiner Excellenz dem Herrn Commendatore Monsignor Gaspare Grasselini, Pro-Präsident des Census in Rom etc., etc. Excellenz! Nicht so bald war ich beim Durchblättern der Storia del Catasto Prediale Milanese di Carlo Lupi, e on Aggiunta di Prefazione e Note!) zu den mit (B) und (L) bezeichneten Anmerkungen gekommen, als ich Sachen erwähnt fand, die einen Punct aus einer Arbeit berührten, die ich unter den Händen habe, betreffend die Geschichte der mathematischen Facultät an der alten Studienanstalt zu Bologna; ich nahm von daher Gelegenheit zu der nachfolgenden Schrift, die gleichsam aus dieser Arbeit einen Auszug 1) Pesaro 1844, in den Eser citazioni der dortigen Accademia Agraria aber auch separat veröffentlicht zu grösserer Bequemlichkeit der Ingenieure und Staatsöconomen. Die vorerwähnte Vorrede und die Anmerkungen am Ende des Textes sind aus der berühmten Feder desselben erhabenen Prälaten, der mit ausgezeichneter Güte diese meine Kleinigkeit anzunehmen geruht hat. Sie sind sehr geeignet die hohe Meinung von ihm zu bestätigen, die er den competentesten Richtern in dieser Materie eingeflösst hat, die von Amtswegen mit ihm über dieselbe zu verhandeln und zu discutieren hatten: ich habe ihn mehrfach mit Bewunderung sprechen gehört. Aber die Tiefe und umfassende Kenntniss, die der besitzt, der hier bei uns glücklicherweise dem Hauptunternehmen der Revision des öffentlichen Katasters vorsteht, und allen den fortdauernden Arbeiten des hochwichtigen Amtes des Census, lassen sich viel klarer erkennen in seiner Relazione su 1a e seguita revisione dell' estimo rustico delle due Provinci e di Urbino e Pesaro, welche 1843 veröffent- licht ist. – Jetzt bei dem Drucke dieser Schrift (November 1849) kann ich bei Gelegenheit noch zwei andere empfehlenswerthe ähnliche Relazioni von ihm über die Provinzen An- cona und Macerata und Fermo und Ascoli erwähnen, die 1845 und 1846 erschienen sind, und von denen alle Gebildeten eine neue Ausgabe zu sehen wünschen (wie man von der ersterwähnten machen musste), um den Bestellungen entsprechen zu können, die danach von allen Seiten, selbst von ausserhalb unsres Staates einlaufen, und sie zum allgemeinen Nutzen zu verbreiten. – Angesichts solches Wissens und solches Eifers für das öffentliche Wohl beklagen. Alle, dass die Zeiten (1847–1848) dem Census einen so trefflichen Führer verlieren liessen und, was mehr sagen will, dazu verleiteten, eine so glänzende Zierde der römischen Prälatur (als man es am Wenigsten erwartete!) von jedem Staatsamte zu entfer- nen. Er wurde später zur Würde des Purpurs erhoben kurz nach seiner Verwaltung von Bologna (1851–1857). Während derselben konnte er, um die Wahrheit zu sagen, weder Gutes, noch Schlechtes thun, wegen der Bevormundung durch die Oesterreicher, die im Belagerungszustande diese Provinz mitregierten. — 127 — bildet. Da dieselbe in einem ihrer Theile, wenn auch mur in entfernter Weise, auf die ausgedehntem Studien über dem Census sich bezieht, mit dem Ew. Excellenz 1 Sich zum grossem Nutzen der öffentlichem und Privatangelegenheitem bei ums beschäftigem, habe ich mir die Kühnheit genommem, sie Ew. Excellenz zuzueignem, indem ich bitte, sie als Zeichen der Ehrerbietung umd Damkbarkeit gegen Ew. Herrlichkeit Person amnehmen zu wollen. Das Schriftchem ist mun folgendes. Zur Erläuterung der Geschichte des ersten Mailänder Katasters ,,unter- „nommem im Jahre 1546 auf Befehl des Kaisers Karl V am dem Fürsten 1,,D. Ferrante Gonzaga, Gouverneur von Mailam d, welcher die soge- |,,nannten Prefetti dell' Estimo vier an der Zahl ernamnte, beauftragt mittelst „geübter und geehrter Erfahrenen eine allgememeine Abschätzung aller Landgüter „u. s. w. zu veranlassen** (M. s. die erwähntem Stori a del Cat. Pre d. Mi- lam e se etc., p. 121), dürfte es gut und nützlich sein, in das Gedächtniss der jetzt Lebendem den Antheil zurückzurufen, dem an diesem so bedeutemdem Unter- nehmen Lodovico Ferrari nahm, in seiner Sphäre sicherlich der bedeutendste Mamm unter Allem, welche bei dieser Arbeit erwähnt werdem. Seime Berühmtheit bei den Zeitgenossen war gross, aber sie hat dennoch, wie es ja bei dem meistem berühmten Männern geschieht, bei der Nachwelt eher zu- als abgenommen. Er löste zuerst die biquadratischen Gleiclumgem durch Erfin- dumg der Methode die mam noch heutigen Tages anwendet; eine Erfindung die für sich allein schom hinreichen würde, ihn an die Spitze der grössten Mathe- matiker seiner Zeit zu stellen *). Dies ist aber mieht der einzige Punct, durch dem er sich im höchstem Grade um die Wissenschaft umd ihre Anwendumgem verdient gemacht, obwohl von diesem allein zum Lobe Ferraris gewöhnlich [Erwähnung geschieht. Die anderen Ansprüche desselbem auf immerdauernden Ruhm und die Bewunderung der Nachwelt werden aus dem Auszug, den wir hier über seine Arbeitem geben, klar werden. Zur Welt gekommcm in B ol o gn a im Jahre 1522 von einem Vater, der ebenfalls hier geborem war, aber von Mailänder Abstammumg, verliess er als Waise Vaterland und Verwandte im jugemdlichem Alter von 15 Jahren. Aber ler kehrte dahim vier Jahrfünfte später zurück, wohin ihm der wunderbare Ruhm [seiner Thaten in diesem kurzen Zeitraum voranging. Im Verlaufe desselben [zuerst armseliger und niedriger Diener im Hause des grossen Cardam in [Mai 1 and, wusste er sehr bald sich zum Dienste eines Amanuensen des- selben zu befähigen und dann sich als Lieblingsschüler ansehen zu lassen; später mit grösstem Beifall aufgenommemer Professor der gesammtem Mathe- matik in jener Hauptstadt *) zum grossen Staunem der Personen, welche ihn ur drei Jahre früher gekannt hattem ; bald darauf triumphierender Heraus- orderer Collas und Tartaglias (der grössten Mathematiker ihrer Zeit) 1) Libri, Histo ire d e s scie nc es math émati ques e n Italie, T. 8, p. 1S0. 2) ,,Quid? Quod diebus festis intersum lectioni Arithmetices eae Euclide, et Sphae- „rae ex sacrobusto : has enim scientias publice profitetur Lodovicus Ferrarius omnittm „artium Praeceptor** (M. s. einen Brief des Franc esco Cicere o, datiert Maitand den 4. November 1544 in der Sammlung seiner Briefe gedruckt zu Mai 1 an d im Jahre 1782 urch dem Abbate P o m p e o Cassati unter dem Titel: Francisci Cic e rei Epistola- um Libri XII, T. 1, p. 59, Epistola X.) — 128 — über die dunkelstem umd moch micht gelöstem algebraischem und geometrischem Probleme, die untereimander im gedrucktem Cartelli oder mündlich in öffent- licher Disputation ausgewechselt wurden ; höchst scharfsinniger Algebrist, Geometer, Architekt und gründlicher Astronom ; sehr gewandter Schriftsteller in seiner Muttersprache, in der lateinischen und auch in der griechischem; vom Grossem und Königem als Lehrer ihrer eigenem Kinder gesucht; zuletzt Vorge- setzter der allgemeinem Landmessung ') für die Abschätzung des weitem Mai- länder Gebiets ; in welcher löblichen Arbeit er gut acht Jahre der gewöhmlich schönstem oder amgenehmstem des Lebens ausdauerte. — Es verdient alle Be- achtung, dass er sie übernahm, indem er sie den Aufträgem und Aemtern, in derem Besitz er schom war oder über die zu disponiren bei ihm stand, vorzog. Und gelte das Wahre: er zog sie vor dem Lehrstuhl, dem er in M ail am d inne hatte, mit dem Rufe dem mam oben kennen gelernt, und gut drei oder vier ausgezeichmeten und auch im Bezug auf dem Gewinn ansehmlichem Beru- fungen, die ihm gleichzeitig mit der für dem Mailänder Kataster kamem. Umd um ebem nur um diesen Bedacht zu sein, kümmerte er sich nicht im Mindesten um die Rathschläge seines Lehrers, der sehmlichst gewünscht hatte, dass er als noch nicht dreissigjährig sich micht von dem erwähntem Lehrstuhle wegen irgemd welches Glücksfalles entfernen mögte,*) Dies die hauptsächlichstem Gründe, sowohl für das hohe Ansehem, was Ferra ri bei der Commissiom in Rede besass, sowie für die hohe Einsicht der Auftraggeber, die eimen solchen Mann, wenn auch noch in der erstem Blüthe seines Lebens, dazu als Dirigent wolltem. Alles lässt glauben, dass er sich demselbem ausschliesslich micht vor dem Jahre, 1549 hingab. Denm in dem letzten Monaten des vorhergehendem Jahres 1548] weiss mam ihm noch am seinen Lehrstuhl in M ail a m d gefesselt. — Es ist ja, dem in der Geschichte der Auflösung der cubischen Gleichumgem Erfahrenen bekannt, dass gerade am 10. August dieses Jahres 1548 in einer Kirche Μailam d s jene öffentliche, grosses Geschrei erregende Disputation vorfiel, Brust gegem Brust zwischen ihm und Tartagli a, die endlich dem Cartelli 1) Tir ab os chi, Storia de 11a Leti eratura Ita!i an a ecc., T. VII, P. 2, Lib. 2, Cap. II, § 44, verwechselt vielleicht dem ersten Haupttheil jedes regulärem Landkatasters, mämlich die Ausmessumg des Terrains, mit der ganzem 0peration (M. s. die P r efa zi on e der citierten St o ri a d e 1 Cata sto P r e di a le M i 1 a n e s e), wenn er mit offenbarer Ueber- treibung behauptet, F errari habe auf Befehl des D on Ferrante G on zag a die allge- neine Abschätzung des Gebietes dieses Staates ausgeführt u. s. v. Der Passms aus deml. Leben F err a ris, das von seinem Lehrer Car da n gegehrieben ist, der Tir ab o s c h i als Beweismittel dient, um dieses bemerkenswerthe Amt des F er rari zu erwähnem, spricht einzig und allein aus, dass er der Vermessung des Landes vorstand (wie mam in der nächstem Anmerkung sehem wird). Dies ist auch mehr in Uebereimstimmung mit dem, was mam in der oben citiertem Ammerkung (B) auf p. 121 der Storia del Cat. Pred. Milanese liest.] Sicherlich aber war Ferrari wenn nicht einer der vier Prefetti dell' Estimo, die doril. erwähnt sind (M. s. auch Anmerkung (L) auf p. 142), doch der wirkliche Prefetto des geo-| dätischem Theiles dieser Schätzung. 2) ,, Duobus post annis simul vocatus est Romam, et a Prorege Galliarum Brisacco, ,,et P'enetias privata tamen conditione sed locupleti, tum a Cardinale Mantuano, et a ,,Caesare ut erudiret filium qui nunc est Imperator. Pervicit Cardinalis ; quod eodem ,,anno illius frater Ferdinandus Gonzaga Praefectus Provinciae muneri dimetiendi ,,agrum Mediolamensem eum praefecisset . . . . . Dissuaseram ego discessum. vole- ,,bamque esse contemtum praesenti fortuna etc.** (Card a mi*0 p er a 0 m mia e d. sp o- nius, T. IX, p. 568 in der Vita L u d o vici F erra rii b o n o niensis). — 129 — ein Ziel setzte und jedem andern litterarischem Streite zwischen ihnen — . Er mahm damn jene ehremvolle Stellung als Dirigent am auf dringendes Verlangen und in speciellem Dienste des Cardinal Ereo le Gonzaga, des Bruders des D on Ferrante, Gouverneurs von M ailam d, wie man in der mitgetheiltem Stelle Card a n s gelesem hat; als Einkommen für seime Mühen wurdem ihm 400 Goldkronem pro Jahr gezahlt, ausser dem Ersatz aller Kostem für seimen Unterhalt und dem zweier Diemer und eines Pferdes (ein für jene Zeiten gewiss höchst ansehnlichcs Gehalt)*). Durch die Beschwerden und Strapazen bei der genamntem Thätigkeit und auch (um mit Card a n zu redem) durch die geringe Mässigkeit seines Lebens zog sich umser Ferr a ri eim sehr unbequemes und lästiges Uebel zu. Wegen der Umannehmlichkeit und auch der Gefahrem desselben entschloss er sich plötzlich, diese Arbeit aufzugebem und in sein Vaterland zu kommen, um sich heilem zu lassem: dies muss umgefähr um das Jahr 1556 gewesen seim. Und nachdem er sich hier im Vaterlande ein Haus gebaut und eine arme Schwester, eine Wittwe, die er sehr liebte, zu sich genommem, fing er die philosophischen umd mathematischem Studiem wieder an, die er wegem des mailänder Katasters umterlassen hatte. Er emendierte auch mach dem Zeugmisse C a rd a m s die Commentariem Caesars und zierte sie mit Figuren; er beschäftigte sich mit Bemerkungen über Vitruv. . . . Aber wie lange? Hier dauerte seim Lebem mur eine sehr kurze Zeit, mur 9 bis 10 Jahre, indem er plötzlich (micht ohne Argwohn von Gift durch ein scheussliches Verbrechem seimer eigenem Schwester) in einem Alter von wenig mehr als acht Lustrem im October des Jahres 1565 starb. Wemige Monate vorher hatte sich Bologm a dadurch geehrt, dass es ihm unter seine Doctorem der Philosophie aufmahm, und erst seit einem Jahre unâ einigem Momatem hatte es ihm als Professor der reinen und angewen- deten Mathematik an seiner Universität begrüsst; ein Lehrgegenstand, darf mam sagem, gerade für ihm geschaffem. Es liegt micht ausser der Wahrscheinlichkeit, dass er in den vorgemanntem Jahren, in demem er im Vaterlande zubrachte, machdem er das Mailändische verlassem, mit B o m belli, einem anderem berühmtem bologneser Algebristem, Zeitgenossem wenn micht Altersgenossem von ihm, Umgang pflegte; dass er sich mit ihm über seine grösste Entdeckung der Auflösung der Gleichumgen des 4. Grades bespraeh, eim vom dem, welcher sie zuerst veröffentlichte, von Cardam nämlich im Cap. 39, Questio 4, Reg. 2 und Questio 5 der Ars Magna, ihm zuerkanntem Eigenthum, und dass er sich mit ihm auch über seine amdern amalytischem Erfindungen besprach. Denn wenn mam die A r s M ag m a gemau 1) ,, Pro qua opera pene quadringenti coronati in singulos annos numerabantur ,,. . . . . Accepitque octo in annis aureos coronatos pene quater mitte, certe plus tribus ,,mitlibus praeter omnem sumptum vitae : nam famulos duos et equum ei alebat Car- ,,dinalis, etc.** (Cardani opera etc., a. a. 0.). Dies lässt erkennem, dass Ferrari der Vorgesetzte des angegebenem Theils der Mailänder Schätzung war umd nicht blos für die Arbeitem am Schreibtisch, sonderm, und sogar vorzugsweise, für die auf dem Felde: eine Thatsache, die mam auch aus dem entnehmem kanm, was auf dem obigen Cardanschen Passus folgt. Dies würde die Kemntniss aller specialitátem seiner Operatiom, der Ausführung, der geometrischen Methoden, der angewendetem Instrumente m. s. w. mur um so viel interessanter machen. Möge doch diese Aufforderung nicht vergeblich sein ! G h er ar di, Materialien. 9 – 130 – durchgeht, so ist jenes nicht die einzige Erfindung, welche ihm zugeschrieben wird: ausser den scharfsinnigen Unterstützungen beim Studium der cubischen Gleichungen und dem strengen geometrischen Beweise der Auflösungsformel derselben, die von der andern Zierde der bologneser Studienanstalt, von Scipione Ferro, erfunden wurde, und bei der Ausdehnung dieser Regel, werden ihm ebenfalls die dunkelsten und geistreichsten Transformationsmethoden der Formeln, Eliminationsmethoden der Grössen u. s. w. zugeschrieben, in der Art, dass Ferrari als der wahrhaft schöpferische Geist erscheint, der dem Card an in den steilsten und abgelegensten Puncten des hochgelehrten Werkes Rath gibt, während Letzterer davon nur der einfache, übrigens ausgezeichnete Darsteller und Ordener ist. Der erwähnte Bombelli, der in der Vorrede A gli Lettori seines unsterblichen Werkes L' Algebra (Bologna 1572) Ferrari und Card an „ingegni . . . . pit tosto divini, che humani“ nennt, handelt im Texte seines Werkes selbst weitläufig von jener grössten Erfindung Ferraris und ihren Folgerungen, indem er den ersten Ruhm dem berühmten Mitbürger zutheilt. Aber über unsere erwähnte Annahme, dass sie sich zusammen besprochen haben, haben wir Nichts hinzuzufügen, was sie beweisen oder Lügen strafen könnte; Grund die elenden Notizen, die uns über das Leben dieser Koryphäen aufbe- wahrt sind und besonders durch ihre Mitbürger. Gedruckte Sachen dieses ebenso unglücklichen als ausserordentlichen (nach Aussage Cardans aber auch heftigen, zornigen, unklugen u. s.w.) Geistes findet man nicht erwähnt, wenn man ein lateinisches Epigramm sowie ein griechisches ausnimmt, die in Werken seiner Freunde enthalten und von ihm bis zu seiner öffentlichen Lehrthätigkeit in Mailand verfasst sind.!) Aber nach vielen Nachforschungen bin ich endlich so glücklich gewesen ein Exemplar der vor- erwähnten Cartelli wiederaufzufinden, die eines Tages hochberühmt, nachher in Vergessenheit gerathen und verloren gegangen sind; die Cartelli meine ich, die zwischen ihm und Tartaglia bei der mehrerwähnten Disputation gewechselt sind. Zwei von den sechs, welche Ferrari angehören, nur zwei genügen schon, um hinreichend die hohen Gaben seines Geistes zu bestätigen; und sie dienen auch dazu, was viel wichtiger ist, die Geschichte der Algebra und ebenso der Geometrie in einigen Rücksichten oder Folgerungen zu berichtigen und zu erläutern. Ich erkenne es auch als ein grosses Glück an, dass ich eine Hand- schrift von ihm wieder auffinden konnte, die noch nicht gedruckt ist, mit fol- gendem Titel: „Libellus Ludovici Ferrari de erroribus, qui nostro tempore con- „tingunt in celebratione Paschatis, et de eorum causis, ad Herculem Gonzagam „Cardinalem amplissimum ac Sacrosanctae Synodi Tridentinae Antistitem. Dat. „Bononiae VI Idus Novembris 1562“ (und das ist eine andere Arbeit Ferrari's, welche der Sorgfalt seines Lehrers entschlüpft ist, der hier in Bologna in seiner Wohnung, während er starb, und nach seinem Tode, seine Schriften und Bücher aufsuchte). Die Existenz dieses werthvollen Manuscriptes war schon durch den wohlverdienten Fantuzzi, den ich oben erwähnte, angedeutet wor- den; er sah auch und theilte in seinem Buche über die Bologneser Schriftsteller 1) Tiraboschi, a. a. 0. und Fantuzzi, Scrittori Bolognesi unter Ferrari, Lodovico. — 131 – einige der vorerwähnten Cartelli im Auszuge mit, die weder Cossali gesehen noch andere Schriftsteller iber die Geschichte der Mathematik (die aber auch nicht einmal den vorgedachten Auszug sahen oder inn tibersahen, der übrigens hinreicht diese Geschichte zu berichtigen). Bei Gelegenheit der Erwähnung dieses Manuscriptes durch Fantuzzi hat unser Libri nicht gezögert auszu- sprechen: , Si des ouvrages de Ferrari se conservent encore en manuscri's ils , meritent d'étre tirés de l'oubli oil ils sont restes depuis trois siècles“”). Und ich, auch in Beachtung einer so gewichtigen Meinung, mehme mir vor, das Manuscript als ganz einzigen Schmuck meiner erwähnten historischen Arbeit zugleich mit dem äusserst seltenen, vielleicht einzig vollständigen Bande der Cartelli zu veröffentlichen. Die Widmung dieses Manuscripts an den Cardinal Gonzaga, noch mehr aber der höfliche und unterthänige Brief ?), welcher der Abhandlung mit dem mitgetheilten Titel vorausgeht, lässt sehr an der Wahrheit einer Behauptung Cardians in der Lebensbeschreibung seines Schülers zweifeln; dass nämlich dieser mit dem Cardinal selbst wegen des bei der Arbeit an dem Mailänder Kataster sich zugezogenen Uebels hart aneinander gerathen sei, und auſgebracht tibcr ihn in unartiger Weise diese Arbeit verlassen habe.") Es ist ilbrigens auch nur zu wahrscheinlich, dass ausser dem worerwähnten Uebel viele andere Gründe, die leicht aus dem zu entmehmen sind, was von dem Widerstande, den Schwierigkeiten aller Art und endlich den persänlichen Gefahren, erzählt wird die den Arbeitern an diesem grossartigen Unternehmen zustiessen, Ferrari erbitterten und ihn zwangen nach einer hinreichend langen und harten Probe ohme Schuld oder derartige Unhöflichkeit zu entsagen.") Ich zweifle fermer micht sehr, dass bei Nachsuchung in den Registern, den Schriftstücken, den alten Archiven dieser hochberiſhmten Arbeit, um Documente für den Antheil zu entāecken, den er daran hat, man sehr der Erwāgung und des Studiums werthe Sachen finden wilrde auch in dem Lichte unserer Tage. In jeder Beziehung sehe ich sehr viel leichter, dass durch die Zerstörende Kraft der Zeit, hier unterstützt durch die Unachtsamkeit der Menschen, ähnliche Untersuchungen 1) Histoire etc., T. 3, p. 181. 2) Mehr um ein Beispiel des gewandten und ausgesuchten Stiles des Werfassers zu geben als zum Beweise unsrer Behauptung an dieser Stelle, geben wir hier einen Passus des un- gedruckten Manuscriptes wieder: , Hoc eo libentius feciº (so liest man gegen das Ende des genannten Widmungsschreibens), , , quod videam te in hac Sacrosancta Synodo Prae- ,sidem, qui non solum in Theologia, Philosophia, ac humanioribus litteris, quibus a ºteneris ungniculis continenter vacasti, emineas: sed disciplinis etiam mathematicis 2, aliquot annos felicissime operam dederis. Ita ut de te maxime sit sperandum; ut 5,7uod alii tentarunt, tu perficias: quod alii ob diſficultatem emiserunt, tu resumas, et ..absolvas: ac tandem huic de Paschate negotio supremain manum imponas. Mitto *igitur ad te, Amplissime Antistes, comemoratum libellum, tamguam ad summum ºxiudicem. Etc. “ 3), Perum fistulam in ano contrarit, ea qua, cum esset intemperans, malum con- ...travit habitum. Cumque nullis non officiis Cardinalis illum non demereretur, quasi ºuod fortunae, sibi imputari debuerat, a Cardinale acceptum referret, illi iratus non *obscure Bononian se contulit, ad sororem Magdalenam orbam viduam quam unice ºdiligebat, ibique extructa domo satis commode praeter vim morbi virit. Etc. “ (Cardani 0 per a omnia ed. Sponius, a. a. 0.) 4) M. s. Storia del Catas to Pre diale Milanese, p. 122, Anmerkung 2. – 132 – fruchtlos bleiben können, deswegen, weil Ferrari in diesem Unternehmen irgend einen Abdruck seines ebenso frühreifen als vollendeten Geistes nicht hinterlassen hat. Indem ich dies aber demjenigen überlasse, der die Spuren der angegebenen Untersuchungen in Händen hat, und die Mittel sie zu vollenden, will ich diese Schrift, wie sie nun auch sein mag, nicht schliessen, ohne sie durch eine Be- merkung zu bereichern, die nöthigenfalls einige von den Ansichten stützen und bestätigen dürfte, welche in der Anmerkung (L) der oft erwähnten Storia del Catasto Prediale Milanese (p. 142 – 145) ausgesprochen sind; Ansichten, die uns sehr gewichtig und sehr verständig klingen, und welche die Qualität der für das Hauptunternehmen eines öffentlichen Katasters gewünsch- ten und gesuchten Arbeiter betreffen. Diese Bemerkung ist: dass man den Entschluss, welchen der bologneser Algebrist fasste, seine Kräfte der Mailänder Schätzung zu leihen, unter den vom Card an beschriebenen und von mir treu wiedergegebenen Umständen, mit Erlaubniss dieses, sehr empfehlen und in sehr vielen Fällen des öffentlichen Wohles als ein hervorleuchtendes Beispiel anführen kann. So werden die ausgezeichneten Geometer, deren Arbeit nöthig war, um den Kataster unseres Staates zu vollenden und zu Ende zu führen, und denen die fortdauernde Materialität und die Beschwerden solcher Arbeit nothwendiger- weise drückend und langweilig werden, aus der Betrachtung Ferraris sehr grosse Stärkung und Kraft schöpfen; geboren mehr als irgend ein Anderer für den Ruhm in der theoretischen Mathematik, entschied er sich doch, sie für eine gleiche, sogar viel schwierigere Arbeit zu verlassen; und nicht blos jene: den sichersten Beifall der öffentlichen Schule, den geliebten Frieden der sitzenden Studien, endlich die Anziehungskraft des Glanzes eines königlichen Hofes. Die Kraft zu solchen Opfern kann nur durch ein einziges Gefühl eingeflösst werden, das für das öffentliche Wohl. Cardan scheint andeuten zu wollen, dass der hauptsächlichste Beweggrund Ferraris zu den Vorzug, welchen er dem mai- länder Kataster gab, der grosse Gewinn war; aber er selbst legt uns genügende Gründe vor Augen, woraus wir sehen, dass wenn sein Schüler nicht auf etwas Anderes geblickt hätte, er anders gewählt haben würde. Und indem ich hiermit diesem Schreiben ein Ende setze, bitte ich Ew. Excellenz, der ich dasselbe ehrerbietigst überreiche, um Verzeihung, wenn es Ihnen, wie ich sehr stark fürchte, noch viel weiter von dem entfernt zu sein scheinen sollte, was Sie nach den Sachen, die den Anstoss dazu gegeben, davon erwartet hätte, und in jeder Beziehung der Beachtung unwerth, wie ich noch mehr Grund zu befürchten habe. Bologna, den 1. November 1844. Ew. Excellenz ergebenster Diener und Bewunderer Prof. Silvestro Gherardi. – 133 — III. Angeregt durch einen im Copernicus-Vere in für W is senschaft und Kunst in Thorn von dem Uebersetzer gehaltenen Wortrag äber Domenico Maria Novara, der darauf in einem Provincialblatte zum Abdruck kam"), sowie durch die Anzeige dieses Wortrages in der Rivista Europe a *) hat Fürst Bon compagni in Rom uns gutigst uber die ge- druckten Schriften Novaras, von denen 5 in seinem Besitze und eins in dem der Univer- sität Bologna den Bibliographen völlig unbekannt geblieben sind, eine Reihe von Notizen zur Mittheilung an gedachten Verein, dessen Ehrenmits lied erist, zugesendet, die ich hier, mit seinergütigen Erlaubniss, dieser Uebersetzung mit seinen eigenen Worten anzufügen mirerlaube. La Bibliothèque de l’ Université royale de Bologne posséde un volume in 4" p", coté, A. V. K.K. VIII. 29" (c. est à dire salle (aula) cinquième, armoire KK, rayon VIII, numéro 29 des ouvrages placés dans ce rayon) formé de 156 feuillets, et contenant 33 opus- cules, dont les 1 – 30° Sont imprimés, et les 31°–33° sont manuscrits. Le 20° de ces 33 opuscules, formant les feuillets 97°–100° du mème volume, est composé de 4 feuillets non numérotés, imprimés en caractères semi-gothiques, et intitulé dans le 1* de ces feuillets (recto, lig. 1–2) (I Ad Illustriss: Dnm, d. Joannem benti. de aragonia c. Dominici marie ferr. de Nouarien. (sic!) pronosticon. In annii domini . Mccecc. Tout ce qui suit, jusqu' à la fin du recto du 4" feuillet est en italien. Le verso du méme feuillet contient dans les lignes 1–25, 28–40 un calendrier d' oppositions et conjonctions, et de jours heureux ou malheureux pour chaque mois de l'aunée en latin. Dans les lignes 26–27 du méme verso on lit: (I Datü Bonomie die 20 Januari. Meccc.c. p Egregium Artili : medicine doctorê, d. Magistrii. Dminicii (sic!) mariä ferr d' nouara matéaticii celeberrimuş. 1) Altpreuss is che Monatsschrift, WIBand, her a usgegeben von R. Reic ke und E. Wichert, Königsberg 1869 (8. Heft, S. 735 – 743. M. sehe auch B and VII, 3. Heft, S. 253–256.) 2) Rivista Europe a diretta in Firenze dial Prof. Angelo de Gubernatis, Wol. 2°, fasc. 3°, 19 maggio 1870. – 134 – Je prossède moi même et garde dans mon domicile à Rome, Rue du Corso, nº 213, troisième étage, un volume in 4", com- posé de 426 feuillets non numérotés et contenant 103 opuscules, dont le premier, composé de 4 feuillets non numérotés, est intitulé dans le 1º de ces feuillets (recto, lig. 1-2): Ad Illustrissimi Domini. D. Johant Beti. de Aragonia & c. Dominici Maria e Ferr . de Nouaria Pronosticon i anni l 50l. Dans les lignes 27–29 du verso du 4° de ces feuillets on lit: Datu; in gymnasio Bonon - die. 25. Ianuarii. 1501 . p Egregiu; Artiuº & medicine doctorem dnu; magistru; dominicum maria d nouaria Impressum p Benedictum Hectoris Bonon. ) Le 4° des 103 opuscules ci – dessus mentionnés, composé de 4 feuillets non numérotés, mais dont les deux premiers ont dans les marges inferieurs des rectos les signatures ,A iº, ,A ii“, est intitulé (1º feuillet recto, lig. 1–2): Ad Illustrissimi Dnm, D. Johanè Béti. de Aragonia Do et a dans les lignes 34 – 36 (dernières) du 4e feuillet verso la date suivante: CI Dati bon p eximiù Arti & medicinae doctore ac celebratum ma thematici. D. Magistrii Dominici maria Ferr. de Nouaria. In felici gymnasio bon. Anno Domini M. CCCCC, II. die 5. Mesis Februa.º) Le 9° des 103 opuscules ci – dessus mentionnés, composé de 4 feuillets non numérotés, est institulé dans le 1er de ces feuillets (recto, lig. 1–2): Ad Illustrissimum : dnm. D. Io. Benti. Dominici Maria e Ferrarien de Nouaria Pronosticon in Annun dni. 1503. Dans les lignes 27–32 du verso du 4º de ces feuillets on lit: Datum Bononiae p eximium artium & medicine (sic!) doctorem. D. ma gistrum Dominicum Mariam Ferrar. de nouaria. In Felici gymnasio Bonon. 1502. die. 20. Decembris Impressum Bononiae per Benedictum Hecto l reum Calchographum Bonon. Anno Salutis & c. º) - 1) Cet opuscule forme les feuillets 2e-5e du volume ci -dessus mentionné. 2) Cet opuscule ferme les feuillets 17e-20e du volume ci -dessus mentionné. 3) Cet opuscule forme les feuillets 34e-37e du méme volume, – 135 – Le 10° des 103 opuscules cités ci – dessus, composé de 4 feuillets non numérotés, est intitulé dans le 1er de ces feuillets (recto, lig. 1–2) Ad Illustrissimi domini. D. Io, Benti. Dominici Marie ferr. de No uaria pronosticon in anni dimi. 1504. Dans les lignes 27–31 du verso du 4e de ces feuillets on lit: Datum Bonoie per egregium artium 2 medicine doctorem Magi / strum Dominici Maria Ferr. de nouaria. die. 7. mensis decebris. 1503. Impressum Bonomie per Benedictum Hectorem Calchographum Bonon. Anno Salutis. cc. ) Le 12° des 103 opuscules ci-dessus mentionnés, composé de 4 feuillets, a dans le 1º de ces feuillets (recto, lig. 1 –2) le titre rapporté dans les lignes 4 – 5 de la présente page. Dans les lignes 27 – 31 du verso du 4° de ces feuillets on trouve ce qu' on lit dans les lignes 7 – Il de la présente page. Cet opuscule n'est que la traduction italienne du précedent.”) J' ai acheté le volume cité ci-dessus dans une vente faite à Rome des livres possédés par Louis Ciccolini, illustre mathématicien. On a publié un catalogue de cette vente intitulé: . CATALOGO DELLA | PREZIOSA LIBRERIA | Già APPARTENUTA alla ch . me dell'insigne Mattematico, ed astronomo | IL coMM° ,LoDovIco CiccoliNI, ecc. La vendita si effettuerà all'asta pubblica nel negozio librario di Francesco Archini, via del Collegio ., Romano num. 205., incominciando Lu- I medi 14 gennaio 1856, etc. | ROMA | FRATELLI PALLOTTA TIPOGRAFI in piazza Colonna“. In 8º. Dans ce catalogue (page 118, lig. 17 – 21, veNDITA X. (Giovedì 24 Gennaio 1856) on lit: ,82. Prognostica Astronomica ab anno 150 l ad amn. 1540. In grosso vol. in 4. di rari opuscoli intonsi stampati nella prima metà del XVI. Sec. , l . 20“ Dans ce passage du catalogue cité ci – dessus est décrit le volume ci – dessus mentionné. Ce volume est relié en carton 1) Cet opuscule forme les feuillets 38e-4le du volume cité ci -dessus. Le 25e des 33 opuscules contenus dans le volume de la Bibliothèque de l'Université de Bologne cité ci-dessus (feuillets 121e-124e) est aussi un exemplaire du pronostic pour l'année 1504 décrit ci-dessus, 2) Cet opuscule forme les feuillets 44e-47e du méme volume. –– 136 – recouvert intérieurement de papier blanc et extérieurement de parchemin. Sur le dos de ce volume on trouve collés deux carrés. dont le 1" en peau rouge contient les mots suivants dorés: „PROGNOSTICA AsTROLOGICA.“ Sur le 2". en peau verte est im- primé en caractères dorés: „AB ANNO 1501 AD 1540“. Le même volume a été décrit dans un cahier intitulé „IL DILUVIO DI ROMA“ qui est le 53° d' un recueil intitulé „ART E LETTERE“ par Benvenuto Gasparoni (page 84, lig. 29–41). Dans ce cahier (pages 85–91) a été reproduit le 70° des 103 opuscules cités ci-dessus, intitulé „Diluuio di Roma che fu a. VII. „d' Ottobre Lanno M.D.XXX. col numero delle case roinate, delle „ robbe perdute, animali morti, huomini e döne affo gate, c0 „ordinata discrittione di parte in parte &c.“ Je ne connais aucun exemplaire actuellement existant de l'édition de 1489 d'un Prognostic de Domenico Maria Novara cité par M. Gherardi dans son ouvrage intitulé DI ALCUNI MATERIALI ecc. Bologna 1846 ecc. (p. 33, lig. 1–17.) Les men- tions que j' en ai trouvées sont rapportées ci-après. La Bibliothèque Casanatense de Rome possède un exemplaire coté , M. WII. 14“ d'une édition intitulée: „TABVLAE | SECVN- „DoRvM MOBILIvM CoELEsTIvM, Ex quibus omnium syderum „aequabiles, & apparentes motus ad quouis tempora praeterita, „praesentia ac futura mira promptitudine colliguntur, Congruen- „tes cum obseruationibus Copernici, & canonibus Prutenicis, „Atque ad nouam Anni Gregoriani rationem, ac emendationem „Ecclesiastici Kalendarij accomodatae. Secundum longitudinem „Inclytae Venetiarum Wºrbis. | Authore | 10. ANTONIO MAGINO „PATAVINO Philosophiae, ac Mathematicarum professore. | CVM „PRIVILEG IIS. vENETIs, M. D. LXXXV. | Ex Officina Damiani „Zenari.“ Dans cette édition (p. 29, lig. 19–44, p. 30, lig. 1–11, CANON 8) on lit: „Quod porro in quorundam paucorum locorum latitudinibus etiam a „priori nostro edito Catalogo dissentiamus, vtpote Venetiarum, Veronae, „Patavij, &c. mempe eas aliquantisper augendo in causa sunt recentes ho- „rum locorum indubiae, repetitaeq; obseruationes, quae à Petro Pitato, atq; „alijs diligentissimis nostri saeculi viris factae sunt, imo & aliorum locorum „latitudines Ptolemaei debere augeri tum ex hoc, tum ex authoritate Do- „minici Mariae Ferrariensis opinamur, qui vir diuino ingenio praeditus „fuit Nicolai Copernici praeceptor, cuius in hac re sententiam placet stu- – 137 – odiosis communicare, presertim cum sciam, non ita facile eius scripta ad ,cuiusq; manus deuenire posse, is namque in quodam antiquo vaticinio manni 1489. Bononiae excusso praepomit haec verba. , Ego autem superiori-, obus annis contemplando Ptolemaei Cosmographiam inueni eleuatio-, ones Poli Borei ab eo positas in singulis regionibus ab his, quae nostri tem-, oporis sunt, gradu vno, ac decem minuta deficere, que diuersitas vitio Ta-, obulae nequaquam ascribi potest: non enim credibile est totam libri se-, priem in numeris Tabularum aequaliter depravatam esse. Ea propter ne-, »cesse est Polum Boreum versus punctum verticalem delatum concederer, ..longa itaq; temporis observatio iam nobis coepit detegere, quae nostris, ºmaioribus latitarunt, non quidem ex eorum ignauia: sed quia longi tem-, sporis obseruatione praedecessorum suorum caruere. Pauca enim admo-, ;:dum loca ante Ptol. in eleuationibus Poli obseruata fuere, sicut, & ipse, sitestatur in principio suae Cosmographiae: inquit enim: Solus Hypparcus, opaucorum locorum latitudines nobis tradidit, quamplures autem distan-, »tiarum praesertim, quae ad Solis Ortum, seu ad Occasum vergerent, ex ge-, »nerali quadam traditione conceptae fuerunt, non ex ipsorum Authorum, signauia: sed quod nondum diligentioris Mathematicae vsus foret: nimi-, * *rum igitur si priores hunc tardissimum motum non perceperunt: is » ,etenim in mille & septuaginta annis versus apicem habitantium gradu ::vno fere delatum se manifestat. Indicat autem hoc angustia freti Gadi- » stani, wbi tempore Ptolemaei Polus Boreus ab horizonte gradibus 36. cum • *quarta, nume vero 37. ac duplici quinta eleuatus apparet, similem quoq; , ºdiuersitatem indicat Leucopetra Calabriae, & singula loca Italiae, illa vi- , ºdelicet, que a Ptolemaeo ad nostra tempora non mutarunt. Ex hoc itaq; ; ::motu, quae nunc habitantur loca deserta tandem fient, ad illa, quae munc ; ::sub Torrida Zona decoquuntur, longo licet temporis spacio ad nostram ; ::coeli temperiem deducentur, ita vt tercentis & nonagintaquinq; mil- ºlibus annorum curriculo motus is perficiatur tardissimus.“ - - - - - - - - 7 On Voit par ce passage de l'edition citée ci-dessus intitulée *TABVLAE | SECVNDORVM MOBILIVM. “, etc. que le Pronostic Ci-dessus mentionné a €té certainement imprimé à Bologne en 1489, et que cette édition contenait tout ce qui est rapporté dans le même passage entre guillemets, depuis les mots , Ego autem. “ (voyez la présente page, lig. 3) jusqu' au mot stardissimus" (voyez ci-dessus, lig. 29). La Bibliothèque Cassanatense posséde aussi unexemplaire coté , L. W. 18" d' une édition intitulée: ,,GVILIELMI GIL- || BERTI º,COLCESTREN- sis, MEDICI LONDI- | NENSIs, DE MAGNETE, *MAGNETI- CISQve corport BVs, ET DE MAG- no magnete ºtellure; Physiologia noua, plurimis S argumentis, & earpe- wrimentis demonstrata. | LONDINI ExcvHDEBAT PETRVs SHORT ANNo || MDC." Dans cette édition (p. 212, lig. 29–37; p. 213, lig. 1, LIBER SEXTVs, CAP. II) on lit: — 138 – -- xis telluris magneticus, vt in ipsis primordijs mo- -- tiui mundi, per telluris media transibat: ita nunc per -- centrum ad eadem superficiei puncta tendit, per- -7 manente etiam aequinoctialis lineae circulo & pla- -- no. Non enim sine vastissima terrenae molis demo- -- litione, immutari naturales hij termini possunt, vt ºfacile est ex magneticis demonstrationibus colligere. Quare Do- »minici Mariae Ferrariensis, viri ingeniosissimi, qui fuit Nicolai Co- opernicipraeceptor, opinio delenda est, quae ex observationibus qui- ,busdam suis talis est.“ Tout de suite après on lit dans cette édition (p. 213, lig. 1–29) le passage ci-dessus mentionné de l'édition de 1489 cité ci-dessus. Après avoir rapporté ce passage G. Gilbert ajoute (GVILELMI GIL- | BERTI, etc. DE MAGNETE, etc., p. 213, lig. 29–33): , Ita iuxta has Dominici Mariae obser- ..uationes, polus Boreus altius eleuatur, & latitudines regionum ma- ..iores existunt, quam olim; unde immutationem arguit latitudinum. ..I.am vero Stadius contaria prorsus opinione decreuisse latitudines oper obseruationes probat.“ La Bibliothèque Angelica de Rome posséde un exemplaire coté.g. 4.9° d'une édition intitulée ERATOSTHENEs BATAvvs ...De Terrae ambitus vera quantitate, A will EBRORD0 SNELLIo, • Atº róv ć dzognºzov as 790 votov Šlotzgów, Suscitatus , LVGDVNI BATAVORVM, Apud IoDOCVM a CoISTER Ann. , clo Io CXVII." Dans cette édition (p. 40, lig. 25–28. LIBER I, CAP. VIII) on lit: ,Cujus mentionem nobis facit ...indefessi laboris & maximi ingenij vir Antonius Magi- ,nus ad suas tabulas canone octavo. verba ipsa, quia le- ,ctu non sunt indigna, huc transcribere placuit.“ Immédiatement après on trouve dans cette édition (p. 40, lig. 28–32; p. 41; p. 42, lig. 1–8) tout ce qu' on lit dans le passage ci-dessus rapporté de l' édition intitulée , TABVLAE | ..SECVNDORVM MOBILIVM. “, etc. depuis les mots, imo & aliorum" (voyez ci-dessus, p. 200, lig. 36) jusqu' au mot stardissimus" voyez ci-dessus p. 201, lig. 29. La Bibliothèque Angelica possede aussi un exemplaire coté ...h. 10. 21* d'un volume intitulé » AD MAGNANIMVM PRINCIPEM , HONORATVM II. MONOECI PRINCIPEM, etc. ALMAGESTI Novi ,, . PARs POSTERIOR | TOMI PRIMI". Dans ce volume (p. 348, col. 2, lig. 37–44. LIBRI IX, SECTIo IV, S. VII) on lit: – 139 – „Subfinem decimiquarti (sic!) saeculi Dominicus Ma- „ria Ferrariensis, vir summo ingenio praeditus, & Nico- „lai Copernici praeceptor, primus. quem sciam, hanc de „mutatione altitudinis poli opinionem excitauit, in quo- „dam tractatu seu vaticinio Bononiae edito Anno 1489 „ex quo Maginus Canone 8. secundorum Mobilium & „Gulielmus Gilbertus lib. 6. de Magnete cap. 2 verba hac „selegit.“ Tout de suite après on lit dans ce volume (p. 348, col. 2, lig. 44–75) le passage cité ci – dessus de l'édition ci – dessus mentionnée de 1489. Le Père Riccioli ajoute ensuite (AD MAG- NANIMVM PRINCIPEM, etc. ALMAGESTI NovI PARS POSTERIOR TOMI PRIMI, p. 348, col. 2, lig. 76–78; p. 349, col. 1, lig. 1–6): „Porro huic Dominici Mariae commëto subscripsit no- „uitatum plurimarum studiosus Jordanus Brunus Nola- „nus in suis libris de Maximo & Immenso, & de Infinito „ac Innumerabilibus pagina 306. & quod magis mirere, „Io. Antonius Maginus in tabulis Secundorum Mobiliü „Canone 8. vbi ait, se auxisse locorum latitudines in suo „catalogo, propter obseruationes recensiores Petri Pitati „& aliorum, qui eas auctas ac maiores, quam Ptolemaei „tempore, nacti sunt: additq.“ Le Père Riccioli rapporte ensuite (AD MAGNANIMvM PRIN- CIPEM, etc. ALMAGESTI NOVI | PARs PosTERIOR TOMI PRIMI, p. 349, col. 1, lig. 6–13) une partie du passage ci-dessus men- tionné de l' edition intitulée „TABvLAE | SECvNDORvM | MOBI- „LIVM“, etc. depuis les mots „imo & aliorum“ (voyez ci-dessus, p. 200, lig. 36); jusqu' aux mots „superioribus annis“ (voyez ci-dessus, p. 201, lig. 3–4). La Bibliothèque Barberini de Rome possède un exemplaire actuellement coté „O. XII. 13“ et anciennement côté „LXXII. E. 2“ d'une édition intitulée „TYCHONIs BRAHEI, EQVITIS DANI, „Astronomorum Coryphaei vITA. Authore PETRO G4SSEND0 „Regio Matheseos Professore | ACCEssIT NICOLAI CoPERNICI, „GEORGII PEvRBACHII, (& JoANNIs REGIOMONTANI | Astronomo- „rum celebrium vITA. | MARIsIIs, Apud Viduam PATHVRINI „DvPvis, viä Iacobaeä, sub signo Coronae Aureae. M. DC. LIV. „ CvM PRIVILEGIO REGIs“. Dans cette édition (dernière numé- ration, p. 5, lig. 26 36; p. 6, lig. 1–7; NICOLAI COPERNICI, etc. VITA, etc.) on lit: – 140 – ,Stitit se verò primium Bononiae, ob eruditionem, ac ,famam eximij viri Dominici Mariae Ferrariensis, qui ab an- ,,nis iam duodecim illic auocatus Astronomiam magna cum ,laude profitebatur, ac reperisse perhibebatur obliquitatum ,Eclipticae medio inter Pcurbachium, 8 Regionontanum ,loco, graduum putà 23. & minut. 29. Nec verò difficile fuit ,in Optimi viri familiaritatem admitti; quandò esse illi gra- ,tius nihil potuit, quàm auditorem habere, vt perspicacissi- ,mum, sic appetentissimum veritatis. Delectauit autem il- ,lum maximè non improbari Copernico suspicionem, qua ,,tenebatur, ne Poli in eodem loco altitudo non tam con- ,,stans foret, quam vulgò haberetur; quod ea deprehendere- ,tur à Ptolemaei; tempore in omnibus propenmodum Italiae ,locis increuisse, ac in Gaditano etiam freto, vbi cum tem- ,pore Ptolemaei Polus Boreus attolleretur gradibus solum ,36. cum quadrante, attolleretur iam tum gradibus 37. cum ,duabus quintis; quod ille quidem prodiderat in quodam , Prognostico, ante octo annos.“ Ce passage de la première édition de la vie de Copernic écrite par Gassendi, dans lequel on trouve cité le Pronostic ci- dessus mentionné, a été reproduit 1º dans le volume intitulé PETRI | GASSENDI | DINIENSIS, etc. MISCELLANEA, etc. ToMys ,QVINTvs, etc. LVGDVNI | Sumptibus LAVRENTII ANISSON, etc. M. DC. LVIII, etc., p. 499, col. 2, lig. 8–32; 2° dans le volume intitulé: , PETRI GAssENDI | DINIENSIS, etc. MISCELLANEA, etc. ,,Tomus Quintus, etc. FLORENTIAE | TYPIS REGIAE CELSITUDI- ,,NIs“, etc. (p. 441, col. 1, lig. 9–31) E DUND 39015 O6844 1305 SEP ) 6 1936 UNIV. OF M GH. UlBRARY