10.LiliſilllllllllllllllllIII Œ Œ Œ Œ Œ œŒ œ Œ Œ © ®,,,,,,,,,,,,, ,,,( )º». II. • z*:S EITTIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIĘ N ſº | | | | | | | | | | | |, '...': 'ſaeiae!!!!!!!!!íſ!{i!!!!!!!r=;| j [; saeae:Naesſae!!!!!!!!!!!!!TILLIAU,LjL[jſ]] №ſ Līſ | i r í i--; F »0 \ ¿Y ſſſſſſſſ ∞∞∞∞∞∞∞∞∞∞∞∞∞∞∞∞ &#.üzzá،--å ŒIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII] ∞ √© √∞ √≠ √© √∞ √© ºfitiºn IIIIIIIIIIIIIIIIIIII US sº GTT TÄTIT -> Wº Sº ܺ IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII ∞ º2 SE & D º . «Es » D -4D fº- F &D H & º DSD - P & E D - - - D & D F & Fºº F. - - - - - - KÄ - - - - - - - - - - F Tººl Tºººººººººººººººººººººº IIITT WIºnºnº Nº. Dissertations English Literature. v. 1 Contents. Arnster. Sir John Denham. 2. Aronstein. Benj. Disraeli's dichtungen. - 3. Bluhm. Autobiographisches in David Cooperfield. 4. Boerner. Dr. Samuel Johnson. « 5. Borchard. Textgeschichte von Thomson's seasons. 6. Borkowsky. Quellen zu Swift’s Gül liver. - 7. Bülbring. ForeWords to Daniel Defoes hi ished work The comol e te English G 8. Bundt. Akenside' s leben u. Ferke. . . H j 0eber Thomas Lodge's leben und Werke. 10. Chas es. Cheveley. 11. Cheney. The sources of Tindale's New Testament. 12. Dick. Die Gestas Romanörun nach der Innsbrucker hand Schrift W. J. 1Z42 . . . . . »- »- . . - - 13. Diebler. Henrisone's fabel d 12 htungen. Hert S n Ü S O und Ub . Sir John Den „“D Ä Sº „“ r \-- Ein Beitrag - - - - - - - zur Geschichte der englischen Litteratur. ---------“N-N-“N-“N- Inaugural- Dissertation verfasst und der philosophischen Facultät der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg M. ZU !" Erlangung der Doctorwürde vorgelegt VOIl C a r 1 A r m Ster aus Erfurt. –> * z-S- T>- s s Halle a. S. 1884. # joe . . .: " : sº * * ZAo, 7 V. l Motto: „He is one of the writers that improved our taste, and advanced our language, and whom we ought therefore to read with gra- titude, though, having done much, he left much to do.“ (Johnson, Lives, I. 78.) ir John Denham ) wurde im Jahre 1615 zu Dublin #geboren. Er war der einzige Sohn des Sir John Den- ham aus Little Horseley in Essex, Chiefbarons der Schatz- kammer von Jrland und eines der Lordjustices dieses König- reichs und der Eleonore, Tochter des Sir Garret More, Barons von Mellefont. Er wurde in London erzogen, wohin sein Vater 1617 als Richter der Schatzkammer in England ver- setzt wurde. Die Schule besuchte er in London oder West- minster. - Michaelis 1631 wurde er, reif für die Universität, im Trinity-College in Oxford immatriculirt. „But being looked upon as a slow and dreaming young man,“ sagt Wood, „by his Seniors and contemporaries and given more to cards and dice than his study, they could never the least imagine, that he could ever enrich the world with his fancie, or issue of his brain, as he afterwards did.“ Hier verbrachte er drei Jahre und verliess Schliesslich die Universität mit dem Grade eines Baccalaureus. Nun besuchte er Lincolns-Jnn, wo er seine Zeit zwischen dem *) cf. Johnson: Lives of the most eminent English Poets. ed. Cun- ninghäm, London 1854. Vol. I. p. 67. – Cibber: The Lives of the Poets etc. London 1753. Vol. III. p. 1 seqq. Athenae Oxonienses, London 1692. p. 301 seqq. u. – 4 – Studium der Rechte und der Poesie theilte. Die erste Frucht seiner dichterischen Thätigkeit war die theilweise Uebersetzung des zweiten Buches der Aeneis, welche er 1636 veröffentlichte. Doch war die Beschäftigung mit der Poesie nicht im Stande, ihn gegen die „cards and dice“ zu schützen; er gerieth in die Hände von Spielern, die ihn oft seiner ganzen Baarschaft be- raubten. Seinem Vater konnte dies natürlich nicht verschwiegen bleiben. Der Lebenswandel seines Sohnes erbitterte ihn so sehr, dass er, als alle Vorstellungen und Vorwürfe fruchtlos blieben, ihn zu verstossen drohte. Das half, wenn auch nur auf einige Zeit; und um seinen Vater von seiner festen Absicht, sich zu bessern, zu überzeugen, schrieb John seinen Essay on Gaming, in welchem er die Hässlichkeit dieses Lasters schilderte. Doch nicht lange hielten seine guten Vorsätze Stand. Kaum hatte ihn der Tod von der väterlichen Autorität befreit, 1) so ergab er sich der Leidenschaft des Spieles noch mehr als früher, und in kurzer Zeit verlor er mehrere tausend Pfund, die ihm sein Vater hinterlassen, Gegen Ende des Jahres?) 1641 veröffentlichte er eine Tra- gödie, „the Sophy,“ welche zuerst ihm die öffentliche Aufmerk- samkeit zuwandte und sehr bewundert wurde, besonders von Waller, der von ihm sagt: „that he broke out like the Irish rebellion, threescore thousand strong, when nobody was aware, or in the least suspected it.“ Kurze Zeit darauf wurde er Ober-Sheriff der Grafschaft Surrey und der König machte ihn zum Gouverneur von Farn- ham Castle; doch war Denham's militärische Laufbahn sehr kurz. Er wusste in militärischen Angelegenheiten nicht recht Bescheid und gab daher seinen Posten bald wieder auf, worauf er sich zu König Karl I. nach Oxford begab. Ob er später an den Kämpfen wie andre Cavalierpoeten als Sir John Suck- *) Athen. Oxon. p. 302. Sein Vater starb am 6. Jan. 1638 und wurde in Egham Church in Surrey begraben. « *) Johnson giebt an 1642. – Athen. Oxon, Cibber, Allibone: A Critical Dictionary etc., I, 492, Ward: Hist. of Engl. Dram. Literature, L0ndon 1875, II. 351 haben 1641. ling, Cleveland, Lovelace persönlichen Antheil genommen hat, ist unbekannt; wahrscheinlich aber ist seine Thätigkeit im Interesse des Königs nur eine private gewesen. Doch verfolgte er immer die Sache des Königs mit grossem Eifer, und die Gedichte, die in jene Zeit gehören, verdanken ihre Entstehung meistens hervorragenden politischen Ereignissen. In diesen übergiesst er entweder die Feinde des Königs mit der Lauge seines Spottes, oder er beklagt die Unfälle der königlichen Partei, wie in dem Gedicht: „On the Earl of Strafford's tryal and death.“ - Seine Anhänglichkeit und Treue gegen das Königshaus scheinen ein Erbtheil seines Vaters gewesen zu sein. Im Jahre 1634 hatte Karl I. im ganzen Reiche Schiffsgeld!) erhoben, wo- bei jede Grafschaft mit einer Summe abgeschätzt und später der von jedem einzelnen Individuum zu leistende Beitrag festgesetzt wurde. Diese Steuer hatte, wie manche andere, Unzufrieden- heit im Volke erregt, so dass der König an die Justices of the Common-Pleas einen Brief richtete, in welchem er ihnen die Frage nach der Berechtigung zu seinem Vorgehen vorlegte. Am Fusse der bejahenden Antwort findet sich unter anderen auch der Name des Vaters unseres Dichters. ?) – Nach dem Tode Straffords überschritt das Parlament in seinen Forderungen immer mehr die Grenzen einer monarchischen Verfassung und so traten schliesslich die Parteien immer schroffer einander gegenüber. Der Versuch des Königs, fünf der heftigsten Führer der Widerstandspartei während der Sitzung verhaften zu lassen, misslang. Sie entflohen, wurden aber am nächsten Tage vom Volke im Triumph in das Parlamentshaus zurückgeführt. Darüber erzürnt, begab sich Karl nach York und beschloss Krieg. Doch begann dieser mit ungleichen Streitkräften. Während der König ohne Geld war und sein Heer an Allem Mangel litt, be- sass das Parlament nicht nur alle öffentlichen Einnahmen, son- dern wurde auch durch Privatbeiträge reichlich unterstützt. ) Hume: History of England, VI, 303. 2) Waller: Works, London 1758, p. 248. Speeches and Letters. – 6 – Dennoch war Karls kleines, aber geübtes Heer anfangs im Vor- theil gegen die Truppen des Parlaments, mit denen Graf Essex ins Feld zog. In zwei Treffen behielt die von Karls Neffen Ruprecht von der Pfalz geführte königliche Reiterei die Ober- hand. Auch das zweite Jahr begann für das Parlament mit Verlusten. Bei Reading) in der Nähe von Stratton stiessen nach verschiedenen Scharmützeln und Gefechten die beiden Heere am 16. Mai 1643 aufeinander. Stamford hatte ungefähr 7000 Mann zu seiner Verfügung, während das Heer des Königs kaum die Hälfte zählte und in jeder Weise Mangel litt. Lange währte das Gefecht mit zweifelhaftem Erfolge, bis, als den König- lichen die Munition ausging, diese eine verzweifelte Tapferkeit entwickelten und schliesslich festen Fuss fassten. Der Führer des Parlamentsheeres wurde gefangen genommen und damit die Schlacht zu Gunsten der Royalisten entschieden. Ein gleiches Schicksal hatte das Parlamentsheer am 13. Juli. Diese Nieder- lagen erregten natürlich grossen Schrecken unter den Anhängern des Parlamentes, grosse Freude aber im königlichen Heere, an welcher auch Denham Theil nahm und ihr Ausdruck gab in den beiden Gedichten „a western wonder“, und „a second west- ern wonder“, in welchem er die Führer der Gegenpartei ver- spottete. Gleicherweise mussten auch die inneren Vorgänge im Wirkungskreise der Parlamentsmitglieder seiner Laune herhalten. Zeugniss davon geben seine beiden Gedichte „a speech against peace at the close committee“ und „to the five members of the Honourable House of Commons.“ Im ersten verspottete er das Comité welches sich 1643 gebildet und welchem die beiden Häuser ihre Macht übertragen hatten. Wer seinem Argwohn ausgesetzt war, musste ins Gefängniss wandern; die alten Gefängnisse waren gefüllt und sogar Haufen von Royalisten auf Schiffen eingesperrt. Kein Wunder, wenn Denham seinem Hass gegen dasselbe in fliessenden Versen Luft machte und ihm in seinem Gedichte un- gerechte Mittel und selbstsüchtige Absichten vorwarf. Im zweiten macht er sich über die „great violation of privilege“ und die *) Hume, VI. p. 519. Clarendon: History of the Rebellion etc., Oxford 1706, II, 270. - – 7 – Einreichung von Petitionen durch alle Altersstufen und Ge- schlechter lustig, wobei er ebenfalls mit den Mitgliedern des Parlamentes nicht in glimpflichster Weise verfuhr. ) Alles, was zur Parlamentspartei gehörte, ihr freundlich gesinnt und geneigt war, war ihm unausstehlich. Die Eigenthümlichkeiten der Puri- taner, ihr Blick, ihre Kleidung, ihre sittlichen Skrupel, waren schon seit Elisabeths Zeit Lieblingsthemata der Spötter ge- wesen. Noch grotesker erschienen diese Sonderbarkeiten an einer Sekte, die sich aus ihnen herausentwickelte, an den Quäkern. Vom Volke wurden diese zur Restaurationszeit als die verächt- lichsten Fanatiker bezeichnet, von den Puritanern selbst verfolgt; nichtsdestoweniger verwechselte das Volk oft beide mit einander. Vor den Bürgerkriegen musste. Jeder die Tadellosigkeit ihrer mora- lischen Aufführung anerkennen; doch verdienten sie dieses Lob später nicht mehr. So lange sie unterdrückt waren, genossen sie mit Recht den Ruf eines sittlichen Lebenswandels; später aber fanden sich auch unter ihnen Leute ein, welche nur durch ihr Aeusseres ihre Zugehörigkeit zu erkennen gaben, im Geheimen jedoch sich allen Lastern, dem Betruge, Raube und fleischlichen Vergehungen überliessen. Das Bild eines solchen zeichnet Denham in seinen „News from Colchester, or, A proper new ballad of certain carnal passages betwixt a quaker and a colt, at Horseley, near Colchester, in Essex,“ und benutzt die Gele- genheit, in diesem einen über die ganze Sekte derb loszuziehen. – *) Wie gerechtfertigt Denhams Spott und sein Zorn über die Aufnahme dieser Petitionen von Seiten des Parlamentes war, zeigt Hume in seiner History, VI, 477 deutlich: „A petition from the apprentices was graciously received . . . An other petition was presented by several poor people or beggars, in the name of many thousands more: The commons gave thanks for these petitions. The very women were seized with the same rage. A brewer's wife, followed by many thousands of her sex, brought á petition to the house. – Pym came to the door of the house; and, having told the female zealots, that their petition was thankfully accepted, he begged that their prayers for the success of the commons might follow their pe- tition. – All petitions, in the meantime, which favoured the church or monarchy, from whatever hand they came, not only were discouraged; but the petitioners were sent for, imprisoned or prosecuted as delinquents.“ – 8 – Trotz des Getümmels und der Aufregung der Bürgerkriege fand Denham noch Zeit genug, sich ernstlich der Poesie zu widmen. Die Frucht seines Aufenthalts bei Karl I. in Oxford war Coopers Hill, das ihm seinen Platz in der Reihe der englischen Dichter sicherte. Es wurde 1643 veröffentlicht) und erregte solches Aufsehen, dass in neidischer Weise das Gerücht verbreitet wurde, Denham sei gar nicht der Verfasser desselben, sondern habe es für vierzig Pfund von einem Geistlichen er- standen. Dasselbe Schicksal hatten später Addison und Pope, welchen ebenfalls die Autorschaft des Cato einerseits und des Essay on Criticism andrerseits in gleicher Weise streitig gemacht wurde. s - Es wurde vor und nach der Restauration öfter gedruckt und auch von Moses Pengry?) in Oxford in lateinische Verse übertragen. Dryden nennt es in seiner Dedication der Rival Ladies ein Gedicht, „which your Lordship knows for the Majesty of the Style, is, and ever will be the exact Standard of good Writing“ – Am 15. Juli 1645 wurden die Königlichen bei Naseby ge- schlagen, 1646 floh Karl I. zu den Schotten, 1647 wurde er an das Parlament ausgeliefert, doch immer blieb Denham seinem Könige treu, und suchte, wo er konnte, für ihn thätig und ihm behülflich zu sein. Denham hat uns darüber selbst berichtet in der Dedication seiner Gedichte an Karl II. Er sagt daselbst*): „After the Delivery of your Royal Father's Person into the Hands of the Army, I undertaking to the Queen-Mother that I would find some means to get Access to him, she was pleased to send me; and by the help of Hugh Peters I got my Admittance, and coming well instructed from the Queen (his Majesty having been *) cf. Johnson, vol. I, p. 68. *) Cibber, p. 3. Ueber Pengry findet sich bei Wood, II, p. 861: „Moses Pengry was about this time Chaplain to Will. Earl of Devonshire, towhose son Will Lord Cavendish he dedicated his translation into excellent Latin verses of Sir John Denham's English Poem called Cooper's Hill, which Mr. Pengry intituled Cooper's Hill latine redditum etc., Oxon. 1676.“ *)Poems and Translations. Written by Sir John Denham. 5. Edit. London 1709. - „ . löng kept in the Dark) he was pleased to discourse very freely with me of the whole State of his Affairs . . . At his Departure from Hampton-Court, he was pleased to command me to stay privately at London, to send to him and receive from him all * . » his Letters from and to all his Correspondents at home and abroad, and I was furnish'd with nine several Cyphers in order to it: Which Trust I performed with great Safety to the Persons with whom we corresponded; but about nine Months after being discovered by their knowledge of Mr. Cowley's Hand, I happily escaped both for myself and those that held Correspondence with me.“ - Noch grössere Unternehmungen im Dienste des Königs standen ihm bevor. Im Jahre 1648 entführte) er James, den Herzog von York, aus St. James-Palast. Derselbe befand sich nebst seinen Geschwistern daselbst unter der Aufsicht Al- gernons, Grafen von Northumberland, wo sie alle mög- liche Freiheit genossen. Der König, welcher sich in Hampton- Court aufhielt, hatte James schon früher anempfohlen, jede Gelegenheit, die sich ihm zum Entfliehen darböte, zu benutzen, und diese liess auch nicht lange auf sich warten. Bamfield, der dem Könige im letzten Kriege als Oberst gedient hatte, war doch, wie Clarendon?) erzählt, den Puritanern nicht verdächtig, und leitete das Unternehmen. Eines Abends, als der Herzog wie gewöhnlich mit den andern Kindern spielte, wurde er aus dem Garten, in welchem sie sich aufhielten, entführt; alles war so gut angeordnet, dass der Herzog zur bestimmten Stunde am verabredeten Platze eintraf. Zu Schiffe wurde er dann nach Frankreich zum Prinzen von Wales und zur Königin-Mutter gebracht. . - »- Cibber weist darauf hin, dass nur Wood die Ausführung des Planes Denham zuschreibe, während Clarendon, der doch eine höhere Autorität sei, nicht diesen, sondern an seiner Stelle Bamfield nenne. Doch die Autorität Clarendons ist nicht so hoch, wie er glaubt. Die Ungenauigkeit der Einzelheiten )Athen, Oxon. p. 302. Cibber, p. 3. Johnson, I. p. 69. *) Clarendon: Hist. III. p. 129 seqq. - in Clarendons Geschichte ist so gross, dass es kaum eine andre aus jener Zeit giebt, welche gerade in diesen so wenig vertrauenswürdig ist. Clarendon befand sich durchaus nicht in Verhältnissen, welche ihm gestatteten, einen wirklich correkten Bericht vieler der Ereignisse zu geben, welche er erzählte. Nur eine sehr kurze Zeit ausgenommen, befand er sich gar nicht auf dem Schauplatze jener Ereignisse, indem er diese nur aus der Ferne sah, war er vielen Irrthümern ausgesetzt. Wenn auch wirklich Denham nicht öffentlich an dem Unternehmen betheiligt gewesen ist, so ist es doch in hohem Grade wahrscheinlich, dass der König ihm seinen Sohn anvertraute, nachdem Denham sich durch die gewissenhafte Besorgung seiner Correspondenz seines Vertrauenswürdig und zu solchen Unternehmungen ge- schickt gezeigt hatte. Dazu kommt noch, dass Bamfield sicher- lich anders belohnt worden wäre, wenn er mehr als ein unter- geordneter Theilnehmer an der Entführung gewesen wäre. Von diesem schreibt Clarendon: „though the Service which Bamfield had performed was very well esteemed, yet they thought the making him a Groom of his Bed-Chamber would be an ample recompense.“ So lange Denham mit Karl I. zusammengewesen war, hatte er es sich auf dessen Wunsch versagt, zu dichten. Den- ham berichtet darüber in der Dedication, und diese Stelle zeigt zugleich, wie nahe er sowohl Karl I. als auch dessen Sohn gestanden. - - - „One Morning waiting on him (Karl I.) at Causham, smiling upon me, he said he cóuld tell me some News of myself, which was, that he had seen some Verses of mine the Evening before (being those to Sir R. Fanshaw) and asking me when I made them, I told him two or three Years since; he was pleased to say, that having never seen them before, He was afraid I had written them since my Return into England, and though he liked them well, he would advice me to write no more; alledging, that when Men are young and have little else to do, they might vent the Overflowings of their Fancy that way; but when they were thought fit for more serious Employments, if they still – 11 – persisted in that Course, it would look, as if they minded not the way to any better. Whereupon I stood corrected as long as I had the Honour to wait upon him. – – That time was too hot and busie for such idle Speculations, but after I had the good. Fortune to wait upon your Majesty (Karl II.) in Holland and France, you were pleased sometimes to give me Arguments to divert and put off the evil hours of our Banishment, which now and then fell not short of your Majesty's Expectation.“ Ob von diesen Gedichten in seine Ausgabe eine Anzahl auf- genommen ist, und welche es sein könnten, ist nicht zu be- stimmen. Bestimmt wissen wir über seine dichterische Thätigkeit aus dieser Zeit nur, dass er 1648 Cicero's Cato Major ) über- setzte und in Verse brachte. Bald fand sich für ihn wieder eine Gelegenheit, seine Dienste der königlichen Familie zu widmen, deren Lage eine höchst traurige war. Im Jahre 1646 war die Königin Henriette und der Prinz von Wales nach Frankreich geflohen. Beide lebten?) meist in Paris, wo sie indessen, trotz der nahen Verwandtschaft, nur wenig Unterstützungen erhielten. . Der Königin war nur eine mässige Pension zugewiesen worden, und auch diese wurde nur unregelmässig und unvollständig ausgezahlt. Ihr Credit war so gering, dass, als eines Morgens der Cardinal von Retz ihr einen Besuch machte, sie ihm mittheilte, ihre Tochter müsste im Bett bleiben, da sie kein Feuer hätten, sich zu wärmen. In dieser Noth half wieder Denham. Er unternahm mit Lord Crofts eine Reise nach Polen und erhob von den dortigen Schotten eine Contribution von 10000 Pfund. Polen wurde, wie Johnson erzählt, zu jener Zeit von vielen Hausirern durch- zogen, die in diesem Lande mit geringem Handelsverkehr und von grosser Ausdehnung sehr zur Bequemlichkeit des Lebens beitrugen. Der Erfolg von Denhams Reise zeigt zur Genüge, dass die Zahl der unter ihnen befindlichen Schotten, keine un- beträchtliche war. Dass die Eintreibung dieser Summe nicht mühelos und allzuleicht von Statten ging, zeigt das Gedicht, ) Johnson, I, p. 69. - *)Hume. VII, 241. – 12 – welches Denham auf diese Reise verfasste. Die Schotten in Polen waren ursprünglich wenig geneigt, dem Könige irgend welche pekuniäre Unterstützung zu gewähren; das einzige, wo- durch sie ihm helfen wollten, waren ihre Gebete. Intriguen ver- schiedener Art scheinen gespielt zu haben, um diese Contribution zu hintertreiben, schliesslich aber hatten sie sich doch durch Wort und Eid verpflichtet, ihren Beitrag zu zahlen. Auch diesmal lässt uns Cibbers höhere Autorität, Cla- rendon, im Stich. Er nennt als denjenigen, der diese Reise unternommen, nur Lord Crofts. Doch bietet uns in diesem Falle für die Richtigkeit von Wood’s Aussage Denham selbst sichere Garantie in seinem Gedichte: „On my Lord Crofts and my Journey into Poland, from whence we brought 10000 Lstr. for his Majesty,- by the Decimation of his Scotish Subjects there.“ Um das Jahr 1652 kehrte Denham nach England zurück, doch ging es ihm hier nicht vom Besten. Seine Vermögens- verhältnisse befanden sich in zerrüttetem Zustande. Sein Hang zum Spiel hatte ihn noch nicht verlassen; dieser und der Krieg hatten ihn eines grossen Theiles seines Vermögens beraubt. Mit vielen Anderen hatte auch er durch den Parlamentsbeschluss vom 15. Juli 1651 zu leiden gehabt. Der Rest seiner Besitzung Egham war verkauft) worden. So war er froh, dass er vom Grafen Pembroke in Wilton aufgenommen wurde, bei dem er ungefähr ein Jahr, zum Theil in Wilton, zum Theil in London verlebte. « Ueber die nächste Zeit seines Lebens schweigen seine Bio- graphen. Ob er in England blieb oder nach Frankreich zurück- kehrte, ist unbekannt; erst mit der Rückkehr Karls II. wird er uns wieder sichtbar, und nun erhielt er auch den Lohn für seine Anhänglichkeit und seine treuen Dienste. Bei der Krönung Karls wurde er zum Ritter des Bathordens geschlagen. Karl I. *) Ahen.-Oxon. Einen Theil seines Besitzthums hatte Wither an sich gebracht. Wood erzählt p. 74 von Wither: „But being taken prisoner by the Cavaliers, Sir John Denham the Poet (some of whose land at Egham in Surrey Wither had got into his clutches) desired his Majesty not to hang him, because that so long as Wither lived Denham would not be accounted the worst Poet in England.“ - – 13 – hatte ihm für den Todesfall Inigo Jones' die Stelle eines königlichen Hofbaumeisters versprochen; was ihm der Vater nicht hatte halten können, das liess der Sohn in Erfüllung gehen. Denham bekleidete diese Stelle bis zu seinem Tode und scheint auch in derselben nach Pepys Aufzeichnungen und Wood’s!) Berichten nicht müssig gewesen zu sein. Auch scheint er endlich gelernt zu haben, sein Vermögen zu Rathe zu halten, denn wie Wood berichtet, erwarb er in jenem Amte 7000 Pfund, und Hamilton?) nennt ihn „comblé de richesses.“ Man könnte füglich erwarten, dass Denham sich an der Gunst seines Herrn und der Achtung, die er am Hofe und im Publikum genoss, zu seinem Glücke hätte genügen lassen. Doch dem war nicht so. Er trug sich mit Heirathsgedanken. Im Anfange der sechziger Jahre hatte er Mancini's Gedicht über die vier Cardinaltugenden übersetzt, doch, wie es scheint, ohne grossen Nutzen für sich, sonst hätte er wissen müssen, dass es der ersten dieser Tugenden, der Besonnenheit, entgegenhandeln hiess, als Mann von fünfzig Jahren ein junges Mädchen von achtzehn Jahren zu heirathen. Wood *) und Johnson 4) sprechen nur von dieser „second match“; über seine erste Ehe ist gar nichts bekannt. Desto mehr berichten Hamilton in den Mémoiren ) und Pepys in seinem Tagebuche über diese zweite. Miss Brookes, Denham's Gattin, war eine viel- umworbene Schönheit gewesen. Sie war eine Verwandte des Grafen von Bristol und hatte, wie Hamilton erzählt, während der Festlichkeiten, welche der Graf veranstaltete und an denen *) Pepys Diary. ed. Lord Braybrooke, London, Febr. 20, 1664–65. Near that is my Lord Berkeley beginning another on one side and Sir John Denham on the other. Sept. 28, 1668. Thence to my Lord Burlington's house the first time, I was there, it being the house built by Sir John Denham, next to Clarendon-house. – Athen. Oxon. p. 303. He died at his office (near Whitehall) which he before had built. ?) Hamilton: Mémoires du comte de Grammont, La Haye 1741, II. P. p. 1 Seqq. . . . » - *) Athen. Oxon. p. 302. *) Johnson, I. p. 69. *) Hamilton, II. p. 1 seqq. auch der König Theil nahm, die Augen des Monarchen auf sich gezogen. Doch vereitelte Mylady Castelmaine, welche die Zärt- lichkeiten des Königs nicht wieder mit einer Andren theilen wollte, seine Bemühungen. Der König durfte nicht mehr daran denken, sie erobern zu können, doch suchte ihn sein Bruder bei ihr zu ersetzen, und Miss Brookes erlaubte ihm auch, ihr den Hof zu machen, in der Erwartung, der Himmel werde noch anders über sie verfügen. Und dies geschah denn auch, indem John Denham sie als Gattin heimführte. Der Herzog von York hatte sie eine Zeitlang vernachlässigt, doch erregten die Verhältnisse einer so ungleichen Ehe sein Interesse, und seine Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg. Am 10. Juni 1666 schreibt Pepys, dass „the Duke of York is wholly given up to his new mistress, my lady Denham, going at noonday with all his gentlemen with him to visit her in Scotland Yard; she declaring she will not be his mistress, as Mrs. Price, to go up and down the Privy-stairs, but will be owned publicly; and so she is.“ Und unter dem 13. Okt. 1666 schreibt er: „To Whitehall and there the Duke of York (who is gone over to all his pleasures again, and leaves off care of business, what with his woman, my lady Denham and his hunting three times a week) was just come in from hunting;“ und am 15. Oktober meldet er uns: „The duke of York becoming a slave to this lady Denham and wholly minds her . . . which is a shame, and I am sorry for it, and that Sir W. Coventry do make her visits, but yet I hope it is not so.“ – All das wäre wohl geeignet gewesen, auch einen geduldigeren Gatten zu reizén und ihn zu einer That zu veranlassen, wie sie uns Hamilton) erzählt. „Il se dit tout ce qu'il falloit pour se pendre, s'il en eüt eu la fermeté. Le traitre aima mieux éprouver son courage contre une autre. Il lui falloit des exemples, pour exercer ses ressentiments dans un pays privilégié. Celui de Milord Chester- field ne suffisait pas pour ce qu'il méditait; outre qu'il n'avoit pas de maison de campagne, oü mener l'infortunée Denham. Ainsi, le vieux scélérat, lui fit faire un voyage bien plus long, *) II. p. 48. – 15 – sans sortir de Londres. La mort impitoyable l'enlewa du milieu de ses“plus chères espérances et de ses plus beaux jours.“ Pepys giebt allerdings auch an, dass der Verdacht rege geworden sei, Lady Denham wäre vergiftet. Am 7. Jan. 1667 schreibt er: „Lord Brouncker tells me that my lady Denham is at last dead. Some suspect her poisoned, but it will be best known when her body is opened to day; she dying yesterday morning.“ Doch muss die Sektion wohl die Grundlosigkeit des Verdachtes erwiesen haben, denn es hören danach alle Aufzeich- nungen über diese Geschichte bei Pepys auf; und es ist wohl anzunehmen, dass ihm bei dem nahen Verkehr, in welchem er mit Denham stand, der Ausgang der Sektion nicht verschwiegen geblieben wäre. Auch findet sich bei ihm keine Hindeutung auf das Aufsehen, welches, wie Hamilton erzählt, dieser Fall erregte. Nach diesem hätten die Einwohner des Stadtviertels, in welchem Denham wohnte, ihn steinigen wollen, und „la ville craignoit quelque grand désastre pour l'expiation de ces funestes effets de lajalousie.“ Der Ton, in welchem Hamilton von Denham redet, ist ein gehässiger; er bemüht sich, sein Aeusseres so ab- stossend wie möglich hinzustellen und ihn lächerlich zu machen. Wie dies, so mag Hamilton, der als feiner Cavalier und Ver- ehrer der Damen der natürliche Feind der Ehemänner war, auch die ganze Geschichte übertrieben haben. . Pepys hat nichts von dem, was Wood!) und nach ihm Johnson*) noch aus dieser Zeit berichten, dass nämlich Den- ham infolge seiner zweiten Heirath eine Zeit lang geistig gestört gewesen sei. Wenn es wirklich der Fall gewesen, so währte doch dieser Zustand nicht lange, und er scheint auch seine volle Geisteskraft wieder erlangt zu haben, da er noch im Stande war, ein Gedicht zu schreiben, welches zu den besten unter seinen kleineren zählt, nämlich „On Mr. Abraham Cowley his Death and Burial amongst the Ancient Poets.“ Er folgte Cowley bald nach. Denham starb am 19. oder 20. März 1668 und wurde am 23. in der Westminster-Abtei, *) Athen. Oxon. p. 303. *)Johnson, I, p. 71. in der Nähe der Gräber Geoffrey Chaucer’s und Abraham Cowley’s beigesetzt. ) Ueber Denhams Beziehungen zu hervorragenden Männern seiner Zeit finden sich nur wenige Aufzeichnungen, doch lässt seine Stellung zum Könige wohl annehmen, dass er mit den meisten derselben in näherem Umgange gestanden hat. Cowley Fans haw, Fletcher, die er besungen, Waller, Suckling, Lovelace und..andre haben wohl zu seinem intimeren Freundes- kreise gehört. Mit denen, „who“, wie Wood?) sagt, „took themselves to be the Wits of the time, John Donne, Sir Allan Broderick, William Crofts, scheint er auf dem besten Fusse gestanden zu haben. Mit diesen zusammen machte er sich über Davenant lustig. Jenes „foolish mischance“, das diesem seine Nase kostete und welches selbst dem Davenant befreundeten Sir John Suckling in seiner Session of the poets Veranlassung zum Spotte gab, bot ihnen Gelegenheit, ihren Witz an ihm zu üben. Auch seine Schwäche, seine niedrige Ab- stammung zu verbergen und seinem Namen eine adlige Färbung zu geben, forderte ihren Spott heraus. - * Jene Satiren gegen Davenants Person enthalten auch Angriffe gegen sein Gedicht Gondibert. Wood") erzählt, dass 1653 ein kleines Buch erschienen wäre: „Certain verses written by several of the author's friends, to be reprinted with the second edition of Gondibert“, auf welches Davenant mit einem andern geantwortet: „The incomparable Poem Gondibert windicated from *) Das Todesjahr Denhams findet sich verschiedentlich falsch an- gegeben. Die hauptsächlichsten und zuverlässigsten Quellen geben als dasselbe 1668 an: Pepys, March 21, 1668, Athen. Oxon p. 303, G. Jacob: Poetical Register, London 1719, I, p. 67, Johnson, I, p. 72 haben. Alle 1668. Cibber allein von den älteren Biographen hat 1688. Von ihm wahrscheinlich entnahmen Wood und Büchner diese Jahreszahl. Craik: A Manual of English Literature etc. Leipzig 1874, II, 20 bemerkt dazu: „It is remarkable, that many biographical notices of this poet make him to have survived till the Revolution and relate various stories of the miseries of his protracted old age; when the fact is, that he died in 1668, at the age of 53. *) Athen. Oxon. p. 294. *) Ebenda. – 17 – the Witcabals of four Esquires, Clinias, Dametas, Sancho and Jack-Pudding, unter welchen, wie Disraeli!) angiebt, Denham, Donne, Broderick und Crofts gemeint sind. Disraeli bemüht sich, den Gondibert als Davenants Hauptwerk hin- zustellen und meint, nur dem böswilligen Spotte witzig sein wollender Kritikaster sei es zuzuschreiben, dass diese grosse Dichtung ein Torso geblieben sei. Doch tragen nicht jene „Wits“, und unter ihnen also auch Denham die Schuld, sondern die Mängel des Gedichtes selbst, die seine Vorzüge weit überwiegen. ?) Auch andre mussten Denhams nicht immer feinen Spott über sich ergehen lassen, so Sir John Pooley, Mennis, Killegrew. Die betreffenden Gedichte, welche unter den 1667 herausgegebenen Various poems and translations eine Stelle ge- funden haben, sind: A Dialogue between Sir John Pooley and Mr. Thomas Killegrew, To Sir John Mennis, being invited from Calice to Bologne to eat a Pig, und On Mr. Tho. Killegrew's Return from his Embassie from Venice. Sir John Pooley hatte ebenfalls a foolish mischance betroffen, wenn es auch nicht von denselben Folgen, wie das Davenants, begleitet war. Verschiedene seiner Gedichte müssen verloren gegangen sein, besonders satirische. Wood leitet die Angabe von Den- hams Werken mit den Worten *) ein: „The things that he hath written and translated have been many, but those that are published are only these . . .“ - Auch die Beschreibung Hamiltons“) lässt darauf schliessen: „C'était un de ces plus beaux génies que l'Angleterre ait produits pour les ouvrages de l'esprit; Satyrique et goguenard dans ses poésies, il n'y pardonnait, ni aux froids écrivains, ni aux maris jaloux, ni à l'épouse. Tout y respirait les bons mots et les contes agréables; mais sa raillerie la plus fine et la plus piquante roulait d'ordinaire sur les aventures du mariage.“ *) Disraeli: Miscellanies, Paris 1840, p. 159. « *) Elze: Abhandlungen zu Shakespeare, Halle 1877. S. 139 ff. *) Athen. Oxon. p. 302. I *) Mémoires, p. 3 Seqq. – 18 – - Möglich ist es, dass Denham dieselben absichtlich nicht in die von ihm selbst herausgegebene Sammlung seiner Gedichte aufgenommen hat.) - » Von den Ausgaben der Werke Denhams giebt Wood eine Uebersicht. The Sophy, a tragedy, London 1642. Cooper's Hill, a poem. Oxon. 1643. Printed again with additions at London 1650 and 55. There again in 1667/68. An essay against gaming. Lond. hat Wood nicht zu Gesicht bekommen. »- s" - - Cato major, of old age, a poem. London 1648. The destruction of Troy or an essay upon the second book of Virgils Aeneis. London 1656. - Panegyrick on his excellency the Lord General George Monk, Commander etc. Printed at London in the month of Mar. 1659/60. Wood fügt hinzu, dass der Name Denhams auf dem Titel gefehlt habe; doch hätte man allgemein angenommen, dass er der Verfasser dieses Gedichts sei. Wahrscheinlich hat Wood hier Davenants Gedicht auf Monk im Auge. Various poems and translations. London 1667/68 etc. Das Gedicht On Mr. Abr. Cowley's death and burial war kurz vorher, im August 1667, besonders gedruckt worden. Unter den Various poems soll sich auch der Prologue to his Majesty at the first play befinden, das in Whitehall im Cockpit aufgeführt wurde und einen Theil des Programms der Festlich- keiten ausmachte, welche der Herzog von Albemarle zu Ehren der königlichen Herrschaften am 19. November 1660 veranstaltete. 1665 wurde dieser Prolog in London besonders gedruckt. A new version of the Psalms of David, die Wood ebenfalls nicht gesehen hat. Dieselbe wird von Samuel Woodford in seinen Occasional compositions in Engl. rimes, London 1668 erwähnt, von Dr. Johnson als a failure bezeichnet. Ob Denham der Verfasser des true Presbyterian without “---- *) Pepys Diary. Aug. 10, 1667. Sir John Denham's Poems are going to be all printed together and among others, some new things; and among them he showed me a copy of verses of his upon Sir John Mennis . . . – 19 – disguise ist, ist fraglich. Gedruckt wurde das Gedicht London 1680. Der Name Denhams ist auf dem Titel angegeben, doch wurde seine Autorschaft damals von vielen Seiten bestritten. In der Collection of Poems on Affairs of State erschienen vier Stücke, betitelt „Directions to a Painter“, deren erstes „Concerning the Dutch War“ Denham zugeschrieben wurde. Poems and Translations with the Sophy, a Tragedy. Written by the Honourable Sir John Denham, knight of the Bath er- schienen in London 1703 in vierter und 1709 in fünfter Auflage.) Die sechste Ausgabe von 1719 erwähnt Allibone. 1857 wurden Gedichte Denhams mit solchen Wallers von Gilfillan herausgegeben. Anderson hat in seinen British Poets, vol. V eine Auswahl von Denhams Gedichten veröffentlicht. Denham hat uns an Gedichten im Ganzen nur 25 hinter- lassen; doch sprechen verschiedene Umstände dafür, dass seine dichterische Thätigkeit bedeutender und umfassender gewesen ist. Wie schon angedeutet, sind wohl verschiedene nicht von ihm in seine Ausgabe von 1667 aufgenommen worden. Zu diesen gehören Gedichte verschiedenen Inhalts, besonders satirische. Wie Hamilton angiebt, ergoss sich Denhams Spott am liebsten über die Abenteuer der Ehe; doch findet sich in der Ausgabe von 1709 kein solches. Dass er diese nicht aufgenommen, lässt sich aus seinem späteren Schicksal erklären; es mochte ihm wohl nach seiner zweiten Heirath nicht passend erscheinen, Gedichte zu veröffentlichen, in denen er die Verhältnisse seiner !) Von sämmtlichen angeführten Ausgaben konnte ich nur die vierte und die fünfte Auflage von 1709 erhalten, in welchen verschiedene der von Wood angegebenen Gedichte fehlen. Die Ausgabe von Gilfillan war weder auf dem Wege des Buchhandels zu haben, noch konnte ich sie in verschiedenen unserer sonst gut versehenen, grösseren Bibliotheken aus- findig machen. Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe Von 1709. - 2* – 20 – Ehe unbewusst besungen hatte, und die nun durch die Tücke des Geschickes sich gegen ihn selbst wendeten. Auch von andern satirischen und humoristischen Gedichten – die gegen Davenant gerichteten, seine Travestie des 2. Buches der Aeneis, – sowie von andern ernsten Gedichten, religiösen Inhalts, ist nichts zu finden. Es waren diese Gedichte wohl meistens Gelegenheits- gedichte, und somit ohne bleibenden Werth. Das Schicksal von Dichtungen dieser Art aber beunruhigte die Dichter jener Zeit wenig, wie sie überhaupt meistens die Kinder ihrer Muse stief- mütterlich behandelten und sich um ihre Existenz wenig Sorge machten. - - Von lyrischen Gedichten ist nur eins zu nennen, ein kleines Gedicht aus „the Sophy“: „Morpheus, the humble god.“ Gedichte, deren Thema die Liebe war, und welche von seinen Zeitgenossen in Masse producirt wurden, finden sich unter seinen hinterlassenen Werken nicht. Im Friendship and single life against love and marriage) spricht er sich gegen die Liebe zu Gunsten gutgewählter Freundschaft aus. Vielleicht stammt dasselbe aus der Zeit seiner zweiten Ehe; entscheiden lässt sich darüber nichts. Wenn seine erhaltenen satirischen Gedichte wirklich eine Auswahl bilden, so ist dieselbe keine glückliche zu nennen. Sie lassen den Dichter von Coopers Hill nicht wieder erkennen; ebensowenig aber findet man die Feinheit des Spottes, die Ham- ilton an ihm rühmt. Es sind Gelegenheitsgedichte, meistens mit nicht allzuviel Witz, aber destomehr Behagen. Was ihm an leichtem Humor und Witz abgeht, ersetzt er oft durch scharfe Zunge und Grobheit, manchmal aber auch durch nicht geringe Zotenhaftigkeit. h Johnson?) bemerkt über sie mit Recht: „He appears to have had, in common with almost all mankind, the ambition of being upon proper occasion a merry fellow, and in Common with most of them to have been by nature, or by early habits, debarred from it. Nothingis less exhilarating than the ludicrousness of Denham; he does not fail for want of efforts: he is familiar, *)Poems, p. 76. *)Johnson, I. p. 72. – 21 – he is gross; but he is never merry, unless „the speech against peace in the close committee“ be excepted.“ – Von diesen Gedichten wesentlich verschieden sind diejenigen auf Fletcher, Fanshaw und Cowley. In ihnen zeigt sich dieselbe bilderreiche Sprache und die Vörliebe für die Re- flexion, die wir in Coopers Hill finden. Interessant sind dieselben besonders deshalb, weil in ihnen Denhams Verständniss für die Grösse seiner Zeitgenossen, ihre dichterische Begabung und ihre Leistungen sich offenbart. Es war damals an der Tages- ordnung, dass die Dichter sich gegenseitig lobten und als die grössten Dichter seit Spenser und Shakespeare hinstellten, wenn sie auch in der Reihe der Poeten jener Zeit keinen hohen Platz beanspruchen können. Denham besang unter seinen Zeit- genossen nur solche, deren Werth von der Nachwelt anerkannt worden ist, wenn auch das Urtheil derselben mit dem seinigen nicht übereinstimmt. Er erkennt Shakespeare’s, Jonson’s, Fletcher's Verdienst um die englische Bühne an, deren Glanz den Rom’s überstrahlt. Sie sitzen im Triumvirat „of wit“, doch Fletcher führt den Vorsitz, in ihm vereinigen sich Yet what from Johnson's Oyl and Sweat did flow Or what more easie Nature did bestow On Shakespeares gentler Muse, in thee full grown Their Graces both appear, yet so that none Can say here Nature ends and Art begins. ) Am höchsten aber steht ihm Cowley. Er steht über allen englischen Dichtern und in ihm vereinigen sich Alle. Dieser plünderte nicht wie Ben Jonson die römischen Geschichten von Dichtern und Rednern, den Witz Horazens und Virgils Pracht He did not steal but emulate. ?) Er braucht nicht Virgil als Richter zu scheuen, und die Nachwelt wird von ihm sagen, dass unter den Dichtern des Alter- thums nur dieser ihm gleichkomme. Diese Meinung theilte Denham mit vielen seiner Zeitgenossen, und in der That sind Wenige Dichter in ihrer eignen Zeit volksthümlicher gewesen und *) Poems, p. 113. ?) Poems, p. 86. > – 22 – mehr gepriesen worden als Cowley. Auch Milton soll gesagt haben, 1) dass die drei grössten englischen Dichter Spenser, Shakespeare und Cowley waren; doch folgt daraus noch nicht, dass er sie alle drei für gleich gehalten, und noch weniger, dass Cowley der grösste von ihnen sei, als welchen ihn Den- h am ansieht. « - Dasjenige Gedicht, welches Denham berühmt gemacht hat, und welches allein seinem Namen in der Literaturgeschichte einen Platz sichert, ist Coopers Hill. Mit diesem begründete er eine neue Dichtungsgattung, die später von englischen Dichtern mit grossem Erfolge cultivirt wurde und fast ausschliesslich auf die englische Literatur beschränkt blieb, die Poetische Landschafts- malerei. Coopers Hill ist die Schilderung eines Berges im Kirch- spiele Egham in Surrey und seiner Umgebung, untermischt mit historischen Erinnerungen und moralischen Reflexionen, welche dieses Bild in der Seele des Dichters wachruft. a) Johnson und mit ihm die andern Literarhistoriker erkennen Denham den Ruhm zu, diese Dichtungsgattung in die englische Poesie eingeführt zu haben. Nur der einzige Disraeli sträubt sich dagegen. Nicht Denham, sondern Drayton muss nach ihm als Vater dieser Gattung angesehen werden. Er sagt in den Amenities: *) „The author of the Polyolbion may truly be con- sidered as the inventor of a class of poems peculiar to our country, and which, when I was young were popular or fashionable. These are loco-descriptive poems. Such were Denham's Coopers Hill and its numerous and, some, happy imitations. Dr. Johnson has ascribed the invention of local poetry to Denham, who, he thought, had „traced a new scheme of poetry, copied by Garth and Pope, after whose names little will be gained by an enumeration of Smaller poets.“ Johnson and the critics of his day were wholly unacquainted with the Fathers of our poetry; nor is it true we have not had loco-descriptive poems since Garth and Pope, which may rank with theirs.“ Letzteres zu erörtern, gehört nicht hierher, mit Unrecht aber ) cf. Craik: Manual etc. II. 60. *) I. Disraeli Amenities of Literature, Paris 1841, p. 187. R – 23 – macht Disraeli Denham seinen Platz streitig. Das Poly- Olbion ist so zu sagen topographische Poesie; mit seiner Menge belehrenden Stoffes, Beschreibungen von Städten und Thürmen, Sittenschilderungen, Erzählungen von Legenden, von Helden- thaten Einzelner, deren Andenken nicht untergehen darf, mit seiner Menge geschichtlicher und topographischer Einzelheiten ist es eine sehr sorgfältige und genaue Beschreibung von England und Wales, aber kein loco deskriptives Gedicht im Genre von Coopers Hill und im Sinne Johnsons. Die Beschreibung und möglichst genaue Darstellung aller Einzelheiten ist darin die Hauptsache, die in Coopers Hill und den dahingehörigen Ge- dichten vollständig zurücktritt. . - Wie angesehen Coopers Hill bei Denham's Zeitgenossen war, zeigt Winstanley !) in seinem Werke: „The excellency of his Poetry may ben seen in his Coopers Hill, which whosoever will deny, may be accounted no Friend to the Muses.“ - Auch spätere Dichter schätzten es hoch, so Dryden und ahmten es nach: Garth in seinem „Poem on Claremont“ und Pope in seinem „Windsor Forest“. Pope übertrifft allerdings seine Vorgänger an Eleganz und Mannichfaltigkeit des Stiles und in der Art, in welcher er Beschreibung, Erzählung und Moral wechseln lässt. Er widmet Coopers Hill in seinem Windsor Forest die Zeilen: Ye sacred Ninel etc. s Auch unter den neueren Literarhistorikern hat Denham einen Lobredner gefunden. Günstiger als Taine, ?) der über- haupt Denham einen bedeutenden Platz unter seinen Zeit- genossen anweist und von ihm sagt: „Un d'eux (Dryden toujours à part) s'est élevé jusqu'au talent“ kann wohl kaum Jemand über dies Gedicht urtheilen. Ich führe seine Ausführung darüber zum grössten Theile wörtlich an, da sie eine Uebersicht über den Inhalt und Bemerkungen über Denham's Sprache und Dichtkunst enthält. u „Tous ces sujets sont appropriés à la noblesse et aux limites de l'esprit classique, et déploient ses forces sans révéler ses *) Winstanley: Lives of the most famous English Poets, London 1687. ?) Taine: Histoire de le Littérature anglaise, Paris 1863, II. p. 532 seqq. — 24 — faiblesses. Le beau langage rencontre alors toute sa beauté, parce qu'il est sincére. L'agrément s'y joint à la solidité; l'auteur de ,Cooper's Hill" sait plaire autant qu'imposer. Son poème est comme un parc monarchique, digne et nivelé sans doute, mais arrangé pour le plaisir des yeux et rempli de points de Vue choisis. Ils nous promène en détours aisés a travers une multitude d'idées variés. Il rencontre ici une montagne, là-bas un Souvenir de nymphes, souvenir classique qui ressemble à un portique de statues, plus loin le large cours d'un fleuve et à côté les. débris d’une abbaye : chaque page du poème est comme une allée distincte qui a sa perspective distincte. Un peu après, la pensée se reporte vers les superstitions du moyen age ignorant et vers les excés de la révolution récente; puis vient l'idée d'une chasse royale; on voit le Cerf inquiet arrété au milieu du feuillage... Denham n'est pas seulement courtisan, il est Anglais, c'est- à-dire préoccupé d’émotions morales. Souventil quitte son paysage pour entrer dans quelque réflexion grave; la politique, la religion, viennent déranger le plaisir de ses yeux; a propos d'une colline ou d'une forêt, il médite sur l’homme: le dehors le ramène au dedans, et l'impression des sens à la contemplation de l'ame. Lorsdu'il voit la Tamise se jeter dans la mer, il la compare à la vie mortelle qui court à la rencontre de l’éternité. Le front d'une montagne battue par les tempêtes lui rappelle la commune destinée de tout ce qui est haut et grand. Le cours du fleuve lui suggere des idées de réformation intérieure: O could I flow like thee, and make thy stream My great example, as it is my themeſ Tho' deep, yet clear; tho' gentle, yet not dull, Strong whithout rage, without overflowing full.” Johnson unterwirft diese Zeilen einer nåheren Betrach- tung, ) an deren Schlusse er hervorhebt, dass dieselben unter jene glücklichen Einfälle zu rechnen seien, die nicht absichtlich durch ,wit and labour* hervorgebracht seien, sondern unerwartet in einer Stunde entständen, in welcher die Muse dem Dichter besonders giinstig war. Dieselben waren nicht in der ursprüng- 1) Lives, I. p. 75. – 25 – lichen Gestalt des Gedichtes enthalten, und wenn auch die Stunde, die sie hervorrief, eine glückliche war, so sind sie doch, ebenso wie manche andre, nicht ohne wit and labour geschaffen. Dass Denham viel geändert hat, geht aus einer Bemerkung in Spence's Anecdotes) hervor: „At the end of his Coopers Hill (edition 1709), Mr. Pope had written the following note. – „This poem was first printed without the author's name, in 1643. In that edition a great number of verses are to be found, entirely omitted, and many others, since corrected and improved. Some few, the author afterwards added; and in particular the four celebrated lines on the Thames, „O could I flow like thee,“ etc. all with admirable judgment; and the whole read together is a very strong proof of what Mr. Waller says: P Poets lose half the praise they should have got, Could it be known what they discreetly blot“, eine Bemerkung, die mit derjenigen Johnsons nicht überein- stimmt. « - In seinem Lobe übersieht Taine die Fehler, die dem Ge- dichte anhaften ünd auf welche Johnson aufmerksam macht, dass nämlich die historischen Erinnerungen und Denhams mora- lische Ergüsse und Reflexionen im Verhältniss zur eigentlichen Be- *) cf dazu auch Wood, Athen. Oxon. p. 302. – Spence: Anecdotes, London 1858, p. 282. Unter dem Texte ist dann angegeben, welche Verse und in welcher Weise dieselben geändert sind. Die Zahl derselben ist nicht unbeträchtlich. „Edition 1709. – Verse 12: more boundless etc. – seven verses added instead of two bad ones. – v. 24–26: six verses only, instead of fourteen not near so good. – v. 30–38: were scattered among others far inferior. – v. 40: four verses omitted, in which he had compared Windsor Castle to a big-bellied woman! – v. 41–48: altered for the better. – v. 55–58: ditto, ditto; – v. 77–82: six verses, instead of eight inferior. – v. 86: two verses omitted. – v. 100–115: fifteen verses, instead of twenty-six far inferior. – v. 121: improved. – v. 127–132: altered much for the better. – v. 149–156: added. – v. 165, 166: altered. – v. 171–196: much omitted and much added; of the Thames. – v. 217–237: much altered. – v. 241–300: much added of the chase. – v. 307–310: simile added. – v. 319–322: altered for the better. – v. 327: six party lines omitted. – v. 342: party lines omitted, – v. 357: others of the same kind, omitted in the close. i – 26 – schreibung einen zu ausgedehnten Raum einnehmen; doch kommen dieselben gegenüber der sonstigen Schönheit des Gedichtes nicht in Betracht. Von der Modethorheit der damaligen Zeit, dem Conceptionismus, hat sich Denham nicht völlig freihalten können; doch folgte er ihm nicht in dem Masse wie viele seiner Zeitgenossen, die, wie Johnson sagt, „laboured after conceits, or novel turns of thought, usually false, and resting upon some equivocation of language or exceedingly remote analogy,“ Es wäre unmöglich, einen Dichter jener Zeit zu nennen, in dessen Werken sich nicht Spuren desselben in grösserem oder geringerem Masse fänden. Der einzige Unterschied, den man machen kann, ist der, dass die Einen ihm nur zufällig und gelegentlich folgten, ihn an- wandten, weil sie sich dem Geschmacke jener Zeit nicht ent- ziehen konnten, während die Anderen ihn absichtlich und unauf- hörlich anwandten, und die Aeusserungen dieser Geschmacks- verirrung für die feinsten und schönsten Ausflüsse ihrer Kunst hielten. Denham ist zu den erstern zu rechnen. Er arbeitete nicht darauf hin, durch conceits zu glänzen, ausgenommen in einigen von seinen kleineren humoristischen Gedichten und in dem Gedicht Friendship and single life. Seine Muse war re- flektirend, seine Gelehrsamkeit kein äusserlicher Firniss, seine Richtung eine ernstere; er hatte wirkliche Liebe zu den clas- sischen Schriftstellern, und sich in ihr Studium vertieft, wie seine Gedichte und vor allem seine Uebersetzungen zeigen. – Den zweiten Haupttheil von Denham’s Werken bilden seine Uebersetzungen. Er war einer der Ersten, welche einsahen, dass es für eine gute Uebersetzung nicht nothwendig sei, Zeile für Zeile, und Wort für Wort wiederzugeben. Wie sehr eine Solche sklavische Nachahmung die klarsten Theile verdunkelte und die schönsten Stellen verunstaltete, zeigt die Prüfung frü- herer englischer Uebersetzungen, welche zum Theil das Werk . von Männern waren, die nicht allein durch ihre kritische Kennt- miss, sondern auch durch ihren dichterischen Genius dazu wohl befähigt waren, infolge eines irregeleiteten Ehrgeizes aber zu- gleich die Originale und sich selbst herabwürdigten. Ben – 27 – Jonson ) hielt es für nothwendig, Horaz fast Wort für Wort zu übersetzen; Feltham, sein Zeitgenosse und Gegner, be- trachtet es als unerlässliches Erforderniss einer Uebersetzung, Zeile für Zeile wiederzugeben. Sandys, den Dry den den besten Versmacher seiner Zeit nennt, hat es sich viel Mühe kosten lassen, jedes Buch der englischen Metamorphosen in die- selbe Zahl von Versen einzuzwängen wie das Original. Holyday fasst nichts ins Auge, als zu zeigen, dass er seinen Autor ver- steht; er nimmt so wenig Rücksicht auf die Grösse der Diction, oder den Fluss seiner Zeilen, dass seine Metra kaum Verse genannt werden können; man kann sie nur mit Widerstreben durchlesen, und die Mühe, welche sie dem Leser verursachen, belohnt sich nicht durch ihr Verständniss. Cowley behauptete seine Freiheit; doch breitete er seine Schwingen so kühn aus, dass er seinen Autor hinter sich zurückliess. Denham sah wohl den richtigen Weg, beschritt ihn aber nicht mit dem rechten Erfolge. Erst Dryden war es aufbewahrt, die Grenzen der poetischen Freiheit zu bestimmen, und richtige Regeln und Bei- spiele der Uebersetzung zu liefern. - Da sich die Sprachen nach verschiedenen Principien ent- wickelt haben, ist es unmöglich, dieselben Ausdrücke in beiden Sprachen immer gleich elegant wiederzugeben. So lange sie mit und nebeneinander fortgehen, mag die treue Uebersetzung die beste sein; doch sobald sie auseinander gehen, muss jede Sprache ihren natürlichen Lauf verfolgen. Wo die Ueberein- stimmung nicht zu erlangen ist, muss man mit einem Aequivalent Zufrieden sein. Dry den sagt: „Translation is not so loose as paraphrase, nor so close as metaphrase.“ . Die Aehnlichkeit, welche nach Dryden?) zwischen Original und Uebersetzung herrschen soll, besteht in der Wahl des Stiles. Der Uebersetzer soll die Gedanken des Autors in solchem Gewande darstellen, wie sie dieser selbst ihnen gegeben haben würde, wenn die Sprache des Uebersetzers seine eigene gewesen wäre. Der Uebersetzer soll seinem Vorbild gleich sein, nicht *)Johnson, I. p. 347. *) cf. Johnson: Lives I, p. 348. – 28 – aber es zu übertreffen suchen. Der Autor, dem die Wahl seiner Bilder freisteht, sucht diejenigen aus, welche er am besten aus- schmücken kann; der Uebersetzer muss auf alle Fälle seinem Originale folgen, und selbst Gedanken ausdrücken, die er viel- leicht nicht gehabt und empfunden haben würde. Denham genügte die Art der Uebersetzung seiner Lands- Jeute nicht. Darüber und über den Weg, den er einzuschlagen beabsichtigt, spricht er sich an verschiedenen Orten aus, in den Vorreden zu seinen Uebersetzungen von Virgils 2. Buch der Aeneis und zum Cato Major. In seinem Gedicht „to Sir Richard Fanshaw“, das man füglich eine poetische Anleitung zum Ueber- setzen nennen könnte, sagt er: „That servile path thou nobly dost decline Of tracing word by word, and line by line. Those are the labour'd births of slavish brains, Not the effect of poetry, but pains; Cheap vulgar arts, whose narrowness affords No flight for thoughts, but poorly sticks at words. A new and nobler way thou dost pursue To make translations and translators too. They but preserve the ashes, thou the flame, True to his sense, but truer to his fame.“ !) Diese Gedanken führt er in seinen Vorreden weiter aus. „Es giebt“, sagt er, „so wenig Uebersetzungen,?) die Lob ver- dienen, dass ich kaum eine sah, die Verzeihung verdiente. Und diese Uebersetzungen sind meist so unglücklich, dass sie den Ruhm der Autoren schmälern, ohne den der Uebersetzer zu er- höhen. Am härtesten ist in dieser Hinsicht Virgil behandelt worden, der wegen seiner Grösse so schwer nachzuahmen ist.“ Denham ist nicht so eitel, seine Uebersetzung dem Original gleich zu schätzen; er hält sich nicht für besser als die andern Nachahmer; doch wenn er durch die Uebersetzung ihn weniger herabzuwürdigen sucht, geschieht es, um ihm zu seinem Rechte !) Poems, p. 114. *) Preface to the Destruction of Troy. p. 22. – 29 – zu verhelfen. Und die Hoffnung darauf ist der eigentliche Grund zu seinem Essay, durch den er diejenigen, welche Jugend, Musse und besseres Vermögen geeigneter zu solchen Unterneh- mungen macht, diesen neuen Weg der Uebersetzung zeigen will. Er fährt fort, es sei ein gewöhnlicher Irrthum, fidus interpres des Dichters sein zu wollen; der Uebersetzer habe nicht allein Sprache in Sprache, sondern auch Poesie in Poesie umzugiessen. Dieselbe aber sei so subtilen Geistes, dass, wenn man diesen aus einer Sprache in die andre überführen wolle, derselbe leicht verdampfe, und wenn er nicht durch einen neuen ersetzt würde, nichts als ein caput mortuum zurücklasse. Jede Sprache habe gewisse Eigenthümlichkeiten, die ihr Leben und Kraft verleihen. Die Anmuth des Lateinischen gehe verloren, wenn man es ins Englische übertrage und umgekehrt. Die Sprache selbst auch bleibe nicht immer dieselbe, sondern ändere sich wie die Mode unserer Kleider, und wenn somit Virgil Englisch sprechen müsse, solle er nicht bloss als Mann dieser Nation, sondern dieses Zeit- alters sprechen. Und wenn auch das Gewand, was er ihm ge- geben, nicht so natürlich und leicht auf einem so bedeutenden Manne sitze, so sei es doch besser als der Narrenrock, den ihm die Franzosen und Italiener umgehängt hätten. Auch habe er sich bemüht, stets den richtigen Sinn in wohltönenden Aus- drücken wiederzugeben; wo er dieses Ziel nicht erreicht habe, liege es an der englischen Sprache oder an seiner unvollkom- menen Kunst; wo er darüber hinausgeschossen habe, sei es eine Folge des öfteren Lesens, und somit doch immer verursacht durch die Eindrücke, welche das Werk auf ihn gemacht, also zu ver- zeihen. – d Leider ist es Denham nicht immer gelungen, seine An- sichten von den Pflichten eines Uebersetzers gegen sein Original auch praktisch zu verwerthen, so redliche Mühe er sich auch gegeben haben mag. In seiner ersten Virgilübersetzung von 1636 hat er sich noch nicht von der alten Manier, dem Sinne von Vers zu Vers zu folgen, frei zu machen gewusst. Es finden sich häufig wortgetreue Stellen; ja, er geht sogar so weit, da, wo sich bei Virgil ein Halbvers, ein Versfragment findet, ebenfalls – 30 – ein solches zu setzen. Diese finden sich auch in der Passion of Dido. - »- So findet sich Destruction v. 63 und 64: .. Now hear the Grecian fraud and from this one Conjecture all the rest. welchem entspricht Aeneis II, v. 65: - Accipe nunc Danaum insidias, et crimine ab uno disce omnes. -- e Aeneis II, 232 entspricht Denhams v. 231: Then to invoke The Goddess, and let in the fatal horse * We all consent. »- Ebenso sind Aeneis II, 345 und 467 bei Denham in Halb- versen wiedergegeben v. 334 und 454. Nicht immer hat er richtig und genau übersetzt. So braucht er die Apposition Ithakus (Aeneis II, 128) als Eigennamen für Ulysses, ohne dass man aus dem Sinne ersehen kann, es sei dieselbe Person gemeint. v. 127: - w “ at least constrain'd By Ithacus, he solemnly design’d Me for the sacrifice. Aeneis II, 242 heisst es: vier Mal etc., während Denham übersetzt: - »- Three times it stuck, as oft the clashing soun Of Arms was -heard. - , Zuweilen auch hat er seine Uebersetzung seinem Zeitalter zu sehr angepasst. Hm zweiten Couplet redet Aeneas die Königin an: Madam, when you command us to review - * Our Fate, you make our old wounds bleed anew, welche Anrede an die Bezeichnung antiker Königinnen und Heroinen bei den französischen Klassikern gemahnt. Den Pyrrhus schickt er zur Hölle: « - 534: Then Pyrrhus, go a messenger to Hell. Der Anführer der griechischen Flotte ist ein Admiral: 255: When from the Admiral's high Poop appears A light. – v – 31 – Die Freiheit der Uebersetzung besteht in gelegentlichen kleineren Zusammenziehungen oder Auslassungen und andern Satzverbindungen. Hält er einerseits genau die Halbverse Virgils ein, so führt er an andern Stellen den betreffenden Abschnitt gleich in den nächsten über. - Epitheta, welche der antiken Schilderung eigenthümlich sind, und durch welche Virgil in Nachahmung Homers die Si- tuation malerischer und den Gang der Darstellung ruhiger und breiter macht, lässt er öfter weg, während er an anderen Stellen zeigt, dass ihre Beibehaltung und Uebertragung ins Englische ihm keine allzugrossen Schwierigkeiten macht. Am freiesten hat er die letzten fünf Zeilen der 558 Hexa- meter, die er übersetzt hat, behandelt; er braucht zu ihrer Wiedergabe, was bei ihm höchst selten geschieht, mehr Verse, nämlich acht. Im Allgemeinen hat er sich bemüht, die Zahl der Hexameter möglichst einzuhalten; die 558 Hexameter Virgils giebt er in 550 fünffüssigen jambischen Versen wieder. Die Form, die er für seine Uebersetzung gewählt hat, ist das für den Stoff am besten passende heroische Couplet; und zwar fallen in diesem zweiten Buche, wie in der Passion of Dido, der me- trische und syntaktische Schluss des Couplets nicht immer zu- sammen. Der Satz greift oft sogar ins dritte Couplet über, wodurch eine grössere innere Verbindung der einzelnen Couplets hergestellt und die Eintönigkeit der späteren Art vermieden wird. Eingemischt finden sich Triplets, aber nicht so häufig, wie Johnson meint. Es kommen in den 550 Versen nur 6 Triplets vor. Man sollte meinen, er habe sie in besondrer Absicht an- gewendet, etwa um den Schluss einer Rede zu markiren, irgend einen Fortschritt in der Handlung zu bezeichnen, oder irgend ein Ereigniss als von besondrer Wichtigkeit und Bedeutung hervor- zuheben, überhaupt, um das Ganze in kleinere Abtheilungen zu scheiden, aber er hat sie wohl nur aus Bequemlichkeit, des leich- teren Reimes wegen, benutzt. Das eine Mal sind zwei Triplets nur durch ein Couplet, das zweite Mal gar nicht getrennt; die übrigen beiden sind jedes für sich eingemischt, und treten so weniger als die anderen, aber doch immer noch genug durch – 32 – den Reim, weniger durch die syntaktische Fügung aus dem all- gemeinen Rahmen heraus, um störend zu wirken und die Ver- muthung einer besondern Absicht bei ihrer Verwendung nahe zu legen. Es finden sich dieselben auch nur in dieser Ueber- setzung; in den übrigen wie in seinen andern in heroischen Couplets geschriebenen Gedichten hat er sie aufgegeben. Die syntaktische Freiheit des Couplets wahrt er sich auch noch, wenigstens zum grossen Theil, in der Passion of Dido for Aeneas,”) der Uebersetzung eines Theiles des 4. Buches der Aeneis. In diesem Werke kann ihm Niemand den Vorwurf machen, sich zu genau und zu eng an seine Vorlage angeschlossen zu haben. Im Grunde kann man die Passion weniger eine Uebersetzung nennen, sondern sie vielmehr nur betrachten als eine freie Bear- beitung verschiedener Abtheilungen, die ihm geeignet schienen, in ihrer Gesammtheit ein anschauliches Bild der Liebe und Lei- denschaft Didos für Aeneas zu geben. Sie enthält die Verse: 276–392,408–15,418–49,477,495–503,583–629, 644–705; von denen besonders die letzten Verse sehr frei behandelt sind. Der Unterschied zwischen der Anzahl der Verse bei Virgil und bei Denham ist an und für sich nicht gross, und beträgt nur 17 Zeilen; dafür kommen aber auch nur 258 Verse Denhams auf 275 Virgils, während in seiner Uebersetzung des 2. Buches auf 279 Verse Virgils 275 Denhams kommen, also eine geringere Freiheit in der Uebertragung erkennen lassen. Auch in diesen Versen zeigt sich die Kraft. Denhams, um deren willen er von seinen Zeitgenossen und späteren Kri- tikern gerühmt?) wird. Die Behandlung des Stoffes ist eine ganz andere als z. B. diejenige Wallers, der ebenfalls einen Theil des 4. Buches übersetzt hat; und eine Gegenüberstellung beider zeigt ihren Unterschied, und lässt die „sweetness“ Wallers im Gegensatz zu Denhams „strength“ recht deutlich erkennen. Wa ll er mildert die kräftigen Ausdrücke und Wendungen Virgils. - !) Poems, p. 123. - *) Pope, Essay on Criticism, l. 361. – Johnson, Lives ed. Cunningh, I, 75. - 1 – 33 – Waller ) übersetzt v. 437 ff.: All this her weeping sister does repeat To the stern man; and fruitless were her tears! Fate, and great Jove, had stop'd his gentle ears. As when loud winds a well-grown oak would rend Up by the roots, this way and that they bend His reeling trunk; and with a boist'rous sound Scatter his leaves, and strew them on the ground: He fixed stands; as deep his root doth lie Down to the centre, as his top is high: No less on ev'ry side the Heroe prest, » Feels love, and pity shake his noble breast etc. Bei Denham?) lautet dieselbe Stelle: Thus she intreats him; such Messages with Tears Condoling Anne to him, and from him bears; But him no Prayer's, no Arguments can move, The Fates resist, his Ears are stopt by Jove: As when fierce Northern Blasts from th’Alpes descend, From his firm Roots with strugling Gusts to rend An Aged sturdy Oak, the ratling Sound º. Grows loud, with Leafs and scatter'd Arms the Ground Is over-laid; yet he stands fixt, as high As his proud Head is rais'd towards the Sky, So low tow'rds Hell his Roots descend. – Andrer Art ist Denhams Uebersetzung von Cicero's Cato Major, welcher Johnson die „clearness“ der Prosa und die „sprightliness“ der Poesie abspricht. Ob der Stoff für eine poetische Nachahmung geeignet war, mag dahin gestellt bleiben, jedenfalls schien es Denham so. Wie andern Gedichten, schickt er auch diesmal eine kleine Benachrichtigung voraus, wie er darauf gekommen, dieses Werk vorzunehmen, was er damit beabsichtigt, und in welcher Absicht er es gerade so gestaltet !)Part of the fourth Book of Virgil's Aeneis translated Poems, p. 101. *) Poems, p. 130. -“ 3 – 34 – hat, wie es ist. Denham verlangt gar nicht, dass man es als eine Uebersetzung ansehen sollte. Er kann, wie er sagt, es weder als das Eigenthum des Tullius, noch als das seine be- trachten, da es nicht nur durch den Wechsel des Stiles, sondern auch durch Zufügung und Weglassung ein anderes als das Ori- ginal geworden. Deshalb räth er dem Leser, bei der Lektüre des Werkes weder den Autor noch den Uebersetzer ins Auge zu fassen, sondern Cato selbst: „for to me Cicero did not so much appear to write, as Cato to speak.“ Wenn er seine Copie dem Original nicht gleichstellen will, so meint er doch, dass er durch Aufpfropfen von Versen auf Prosa, viele Früchte verbessert und ihnen einen milderen und angenehmeren Geschmack ver- liehen habe. *- Ursprünglich hatte er die Absicht gehabt, Cicero's Cato in Prosa zu übertragen, in welcher ja sich eine treue Uebersetzung hätte herstellen lassen, doch fand er ihn zur Uebertragung in Verse wohl geeignet. Die drei ersten Theile widmete er seinen alten Freunden, um die melancholischen Gedanken zu zerstreuen, welche das Gefühl des Alters, der Schwäche und des Todes in ihnen aufsteigen lässt. Den letzten Theil widmet er den vielen, die nicht an die Unsterblichkeit der Seele glauben, oder nicht daran denken, um sie davon zu überzeugen. Wenn sogar ein heidnischer Philosoph solche Argumente aus der Vernunft, Natur und andern Ursachen bringe, welche keiner der atheistischen Sophisten seiner Zeit widerlegen könne; wenn sie überzeugt sind, dass es eine Unsterblichkeit der Seele giebt, dann hofft er, werden sie die Folgen erwägen und nimmer sprechen und leben, als ob es eine solche nicht gäbe. Veranlassung zu einer solchen Aus- einandersetzung hatte er den damaligen Zeitverhältnissen gemäss genug; irgend eine Wirkung oder einen Erfolg wird sie nicht gehabt haben. So gross, wie Denham annimmt, ist die Veränderung nicht, die er durch seine Uebertragung dem Cato Major hat an- gedeihen lassen. Das, was er übersetzt hat, hat er trotz der Verwandlung in Verse ziemlich wörtlich und genau übersetzt. *)To the Reader. p. 179. – 35 – Denham fügt noch hinzu, er habe sich die Freiheit genommen, das auszulassen, was nur für jenes Zeitalter nothwendig und jenem Schauplatz angemessen gewesen sei, und hinzugefügt, was für sein Zeitalter passe, indem er den Sinn zusammengedrängt und in eine geringere Anzahl von Worten gefasst hätte: „according to the Style and Ear of these times.“ Die Form, in welche Cicero seine Gedanken gekleidet hat, den Dialog, hat Denham beibehalten. In der Einleitung be- fragen Cajus Lälius und der jüngere Publ. Scipio Africanus den Cato nach den Mitteln, durch welche die Last des Alters leichter ertragen würde. Die einleitenden §§ 1 – 3, 1) enthaltend die Widmung an Titus Pomponius Atticus übergeht. Denham, da sie nicht zu seinem Gegenstand gehören. Die Reihenfolge, in welcher er die einzelnen Theile geordnet hat, ist nach den be- züglichen §§ folgende: § 4 – 10 als Einleitung, welchen ohne weiteren Uebergang das Argument folgt. Der erste Theil enthält §§ 15–20, dann holt er 10–13 aus der Einleitung nach, darauf folgen Schluss von § 20 und §§ 21–24; Schluss von § 25 und § 26. D - Der zweite Theil ist einfacher und enthält §§ 27–30 und 32–38. Der dritte Theil hat §§ 39, 40, und § 41 erste Hälfte; § 42; § 44 im Auszuge; §§ 46, 47; §§ 48 und 49 zum Theil; danach schaltet er § 43 ein; §§ 51–54 auszugsweise; § 55; § 56 zum Theil; §§ 57 und 58 auszugsweise; § 61 Schluss, und §§ 62–65. Den vierten Theil bilden §§ 66–85, von welchen 80 und 81 etwas zusammengezogen sind. Es fehlen demnach §§ 1–3; § 25 erster Theil; § 31; zweiter Theil von § 41, § 43 und § 44, sowie von § 49; §§ 50, 59–61. " « Dass Denhams Uebersetzung nicht immer, allerdings nicht oft, nicht so klar ist, wie Cicero's Prosa, liegt in der Natur der Sache, denn er war durch Metrum und Reim beschränkt; aber *) Die §§ beziehen sich auf M. Tullii Ciceronis Opera. C. L. Kayser, Leipzig 1864, v. VII, p. 235–67. 3* – 36 – sie ist immerhin deutlich und lesbar genug. Die Einwürfe, welche Cato bei Cicero selbst andeutet, hebt er vielleicht durch die Form nicht immer genügend hervor, so dass sie als solche ohne Mühe aus dem Texte herauszulesen wären; aber im übrigen entbehrt seine Uebersetzung nicht der Deutlichkeit und die Verse gehören auch noch nicht zu den schlechtesten, die er gemacht hat. « Die Aenderungen, die er vorgenommen, sowie die Zufügungen sind nicht bedeutend. Nur ein paar kurze Zeilen am Schluss des dritten Theiles rühren von ihm her; sonst giebt er nur Cicero's Gedanken im möglichsten Anschluss an dessen Worte wieder. Die Weglassungen sind meist geschichtlicher Art, oder das darin Gesagte steht nicht in Bezug zum Thema; so ver- schiedene §§, in denen Cicero, wie er es liebt, mit seinen Kennt- nissen zu glänzen sucht. Andre Kapitel, wie die Schilderung des Landlebens in §§ 53 und 54, die Cicero ziemlich breit aus- geführt hat, giebt Denham in gedrängterer Darstellung. Die letzte Uebersetzung Denhams (denn die von Sarpedon's Rede an Glaucus aus dem 12. Buche des Homer ist zu gering) ist die von Mancini's de quatuor virtutibus.) Auch hier macht uns Denham mit der Enstehungsgeschichte seiner Uebersetzung bekannt. Gelegentlich eines Sommerausfluges hatte er sich mit dem Original, das, wie er bemerkt, nicht ohne Anerkennung durch zwei gelehrte Hände, Ben Jonsons und Sir Kenelme Digby's gegangen war, bekannt gemacht und solch Gefallen daran gefunden, dass er unternahm, es von der alten englischen Verkleidung, die ihm ein alter Mönch angelegt, zu befreien und *) Mancini, de quatuor virtutibus, Antverpiae excudebat Joannes Crinitus. Anno 1540. Mancini war, wie Denham sagt, a person of Quality in Italy; Zeit- genosse Petrarca's und Mantuaner. k Sein Opus enthält verschiedene Vorreden; an diese schliesst sich an De Quatuor Fontibus Honestatis, qui a ratione habent originem; dies zerfällt in De Ortu prudentiae, de Ortu justitiae, de ortu magnanimitatis und de ortu temperantiae. Danach geht er auf die Beschreibuug der Prudentia über, deren verschiedene Arten er dem Leser vorführen will, und mit dieser beginnt Denham's Uebersetzung. - – 37 – es in ein neues Gewand zu kleiden. Denham übersetzte indess nur die beiden ersten Cardinaltugenden, „of Prudence“ and „of Justice“, aus Rücksicht auf das Original, wie er sagt, da die beiden andern nicht mehr als Wiederholungen der beiden ersten wären, und um Mancini Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, auch nicht mehr sein könnten, da sie nur Ausläufer derselben W2, I'EI1. Ueber die Art der Uebersetzung ist wenig zu bemerken. Denham hat auch hier den Weg, den er andern gezeigt, nicht in der rechten Weise verfolgt. Er übersetzt im Allgemeinen frei, aber, und das ist immer noch häufig genug, wo es angeht, folgt er getreu seiner Vorlage. Dazu mag beigetragen haben, dass Mancini sein Gedicht in nicht immer schön klingenden und angenehm zu lesenden Distichen verfasst hat, und diese ja ebenso wie das Couplet den Sinn in zwei Zeilen fassen. In dieser Uebersetzung fällt auch mit ganz geringen Ausnahmen der me- trische und syntaktische Schluss des Couplets zusammen, welche Praxis ja Denham in die englische Poesie eingeführt hat. In den übrigen in heroischen Couplets geschriebenen Gedichten und Uebersetzungen vor Mancini's de quatuor virtutibus finden sich ausnahmslos beide Arten des Couplets mit einander gemischt, bald weniger, bald mehr. Am meisten von diesen weist Cato Major noch die Art des Couplets mit zusammenfallendem me- trischen und syntaktischem Schlusse auf; auf diese Uebersetzung mag der französische Alexandriner von Einfluss gewesen sein; aber erst in dem Gedicht Mancinis wird dies Couplet durchweg, principiell durchgeführt, so dass wir vielleicht nur dem äusseren Einfluss dieses Gedichts die Einführung des in dieser Weise gebauten Couplets in die englische Literatur zuzuschreiben haben. Für die Wörtlichkeit seiner Uebersetzung mögen einige wenige Beispiele genügen. - d " De prudentia, v. 1 findet sich: Primum honestatis locus est disquirere quid sit Verum vel falsum: quae mala, quidve bonum. – 38 – Denham, p. 140: Wisdom's first progress is, to take a view What's decent or undecent, false or true. Mancini, v. 3: Estautem prudens, quisquis disquirit honestum A turpi: ut tantum possit honesta sequi. Denham, p. 140: « He's truly prudent, who can separate Honest from vile and still adhere to that. « Mancini, V. 121: Jure igitur miles reprehendit philosophantem, Gymnasio clamat dum nimis ille senex « Inquit enim miles: Dico venerande magister, Quid tibi clamores, verbaque vestra volunt. Denham, p. 146: s - «- The Soldier the Philosopher well blam'd, Who long and loudly in the Schools declaim'd; Tell (said the Soldier) venerable Sir, Why all these Words, this Clamour, and this Stir? Denhams Name wird in der Literaturgeschichte erwähnt nur seines Coopers's Hill wegen. Dass er nebst Waller einen neuen Weg der Uebersetzung anbahnte, den Dryden später mit grösserem Geschick verfolgte, wird nur von Johnson berück- sichtigt und hervorgehoben. Ueber seine dramatische Thätigkeit schweigen die Literarhistoriker ganz, oder sie gehen kurz darüber hinweg. Nur Ward) bespricht Denhams Tragödie, the Sophy, und erklärt sie für eines der besten Trauerspiele jener Zeit, wenn auch von seinen Zeitgenossen der Werth derselben über- schätzt worden sei. - Denham hat nur dies eine Drama verfasst. Büchner’s *== *) Ward: Hist. II, p. 351. – 39 – Angabe, 1) dass er uns deren zwei hinterlassen habe, beruht auf einem Irrthum. Alle Quellen berichten nur von the Sophy; sicherlich auch hätte Denham, wenn er noch sonst als drama- tischer Dichter thätig gewesen, dieses Erzeugniss seiner Muse mit in die von ihm selbst besorgte Ausgabe aufgenommen. Als Uebersetzer französischer Stücke ist er allerdings wirksam ge- wesen; doch sind dieselben in der Ausgabe seiner Werke nicht berücksichtigt. Während ihrer Verbannung in Frankreich hatten Karl II. und seine Cavaliere französische Dichterwerke kennen“ und bewundern gelernt. So wurden nach ihrer Rückkehr am englischen Hofe auch Uebersetzungen französischer Dramen auf- geführt. Corneille’s Horace war von Charles Cotton und von Catherine Philips ins Englische übertragen worden. Letztere Bearbeitung wurde am Hofe aufgeführt, *) und zu dieser hatte Denham den fünften Akt übersetzt. Vielleicht hat dieser Umstand Büchner veranlasst, ihm zwei Stücke zuzuschreiben. Aufgeführt wurde the Sophy von the kings servants in Blackfriars *) und mit grossem Beifall aufgenommen. In einem gleichzeitigen Stücke; Andromeda (IV, 5) wird es, wie Ward berichtet, namentlich erwähnt, was ziemlich selten der Fall war. In Bezug auf die Fabel that es Denham seinen Zeitgenossen nach, welche ihre Stoffe Novellen und Reisebeschreibungen oder ihren grossen Vorgängern entlehnten. Denham“) fand seinen Stoff im Grossen und Ganzen vor in Thomas Herberts Travels,5) die im Jahre 1634 erschienen. Denselben Stoff hat Robert Baron 8) in seinem Mirza benutzt. Leider konnte ich dieses *) Büchner: Gesch. der engl. Poesie, Darmstadt 1855 Theil 2, S. 5. *) Pepys Diary, Jan. 19, 1668. To the kings house, to see Horace. Dazu die Anmerkung von Lord Braybrooke. - *) G. Jacob: Poet. Reg. I, p. 68. *) G. Jacob, p. 66. - « »- *) Eine englische Ausgabe derselben war mir nicht zugänglich. Zum Vergleich mit dem Drama konnte ich nur eine holländische Uebersetzung von 1658 benutzen: Th. Herberts Zee and Lant-Reyse na verscheyde Deelen van Asia en Africa. Dordrecht. W. °) Allibone: Crit. Dict. Artikel Robert Baron, b. about 30. was a student at Cambridge. He publ. 1647 The Cyprian Academy, Pocula Castalia etc. London 1650. He was also the author of Mirza, a tragedy. – 40 – Trauerspiel nicht ausfindig machen, um es mit Denhams Sophy vergleichen zu können. - *. - Ward sagt, dass the Sophy zweifelsohne unter der Inspi- ration würdiger Vorbilder verfasst sei. Es bestehe einige Aehn- lichkeit zwischen der Fabel von the Sophy und der von Chap- man's Revenge for Honour, und eine gewisse Gleichheit zwischen den beiden Dramatikern in dem moralischen Ernst ihrer politischen Gedanken. Doch ist diese Aehnlichkeit nur eine geringe und äussere, und berechtigt uns nicht zu der Annahme, dass einer auf den andern von bedeutendem Einflusse gewesen sei. Die erste Scene des vierten Aktes, welche Ward erwähnt, in welcher, wie er sagt, in der politischen Klugheit, die sie lehre, sich etwas edleres als Parteigeist erkennen lasse, und welche Könige wie Rebellen lehre, die Religion nicht als Werkzeug oder als Deckmantel zu gebrauehen, ist als eine Anspielung auf die damaligen Zeitverhältnisse zu betrachten. Dass Denham ihr eine gewisse Bedeutung unterlegte und sie hervortreten lassen wollte, geht daraus hervor, dass er die Rede Abdals und Morats, um die es sich hier handelt, in heroischen Couplets!) schrieb, während das Drama sonst im Blankvers geschrieben ist. Der Inhalt der Tragödie ist folgender: I. Die erste Scene macht uns durch eine Unterredung zweier Freunde des Prinzen Mirza, Abdal und Morat, mit der gegen- wärtigen, bedenklichen Lage Persiens bekannt. Der Prinz ist gegen die Uebermacht der Türken zu Felde gezogen; doch wage seine Freunde aus Furcht vor dem Könige Abbas nicht, diesen mit der Gefahr des Prinzen bekannt zu machen; auch die Ver- trauten des Abbas, besonders Haly, würden dazu nicht im Stande sein, da sie dem Könige alles im Spiegel der Schmeichelei zeigen. -) - - Abbas selbst ist über den Ausgang des Krieges unbesorgt, und der Erfolg giebt ihm Recht. Der siegreiche Prinz wird von ihm freundlich empfangen, doch vermag dessen Gattin Erythäa in den allgemeinen Siegesjubel nicht einzustimmen, da sie in einem ) Es sind 25 heroische Couplets. Poems, p. 284. – -41 – schrecklichen Traume den Prinzen geblendet und als unglück- lichen Gefangenen sah, und dies als böse Vorbedeutung ansieht. Ausser ihr ist nur noch Einer am Hofe wenig erbaut von dem Siege, Haly. Dieser gesteht seinem Vertrauten Mirvan, dass ihn das Glück des Prinzen bekümmere, durch diesen sei seine Grösse am Hofe verdunkelt. Vergebens habe er sich bei ihm einzuschmeicheln versucht. Die Vergnügungen am Hofe würden nicht, wie Mirwan meint, seinen Ehrgeiz schwächen. Sie verabreden schliesslich, den König auf seinen Sohn eifer- süchtig zu machen und ihn selbst für Haly arbeiten zu lassen. II. Der Prinz will von neuem in den Krieg ziehen, vorher aber seine tapferen Gefangenen, die türkischen Paschas, dem Könige empfehlen, und bittet Haly, ihn dabei zu unterstützen. Haly ergreift die Gelegenheit, den Prinzen durch Schilderung der Freuden am Hofe zurückzuhalten, wird aber derb abgewiesen. Die schlechte Aufnahme erbittert Haly. Seine Lage scheint ihm bedenklich; der König ist alt, und nach seinem Tode ist vom Prinzen wenig Tröstliches zu erwarten. Daher muss der Prinz aus dem Wege. Dem Könige weiss er schlau beizubringen, wie er über den Thaten seines Sohnes in Vergessenheit gerathen, und dass der letztere nach der Krone strebe. Die Abreise des Prinzen weiss er zur Steigerung des Verdachtes zu benutzen und ebenso seinen Wunsch, den Paschas Stellen im Heere zu ver- leihen. «. m »- Haly ist mit seinem ersten Erfolge zufrieden. Mit Mirvan beräth er den Fortgang der Intrigue. Ein untergeschobener Brief der Paschas an den Prinzen soll dem Könige übergeben werden, die ganze Sache aber durch den Kaliphen ein feierliches Gepräge erhalten, dieser selbst aber zwischen ihnen und der Wuth des Volkes stehen. - Die türkischen Paschas weiss er zur Flucht zu bewegen, indem er ihnen vorspiegelt, ihr Leben sei in Gefahr, ihr, sowie des Prinzen Untergang beschlossen, in ihren Provinzen fänden sie Gelegenheit, dem Prinzen zu dienen. III. Diese Flucht bekräftigt des Königs Argwohn gegen Mirza. Sein Untergang ist beschlossene Sache, und der Kaliph – 42 – muss als Vertreter der Religion Abbas beistehen. Haly hat ihn in seiner Rolle unterwiesen, und so theilt er den versammelten Grossen des Landes mit, dass Mahomet ihm in einer Vision die aufrührerischen Pläne Mirza's geoffenbart. Vergebens suchen Abdal und Morat den Prinzen zu vertheidigen. Ein Brief der Paschas an Mirza schliesst die Kette der Verdachtsgründe. Der Prinz ist zurückberufen worden, und Haly erhält den Befehl, ihn zu blenden. Erythäa, welche wieder schreckliche Träume gehabt hat, sucht ebenso wie Morat, ihn zu warnen; doch schon erscheint Haly mit den Henkersknechten. Einen Augenblick schwankt er noch zwischen dem Prinzen und Abbas, entscheidet sich aber für letzteren. IV. Der Racheakt ist an dem Prinzen vollzogen; sein Gemüth durch sein Unglück verdüstert. Leben will er nur, um gerächt zu sterben. Der König indess bereut seine rasche That. Was er an Mirza verbrochen, will er an dessen Kindern wieder gut machen. Haly hat die Reue des Königs vorausgesehen und beschliesst, den Prinzen zu vergiften. – Der Kaliph soll im Auftrage Abbas dem Prinzen die Rachegedanken ausreden, er- reicht aber gerade das Gegentheil. An seinem Vater will er sich rächen, indem er seine Kinder tödtet. Auf seinen Wunsch kommt seine Tochter Fatyma zu ihm, doch wird er durch die Berufung derselben auf die Liebe zu ihrer Mutter so erschüttert, die unbewusst schon in den vorhergehenden Scenen seine mör- derischen Absichten bekämpft und ihn wankend gemacht hat, dass er sie - unverletzt wieder fortschickt und seine Unschuld mit in die andre Welt hinüberzunehmen beschliesst. V. Inzwischen sind die türkischen Paschas verkleidet wieder eingetroffen, um Haly anzuklagen. Des Königs Glaube an Haly ist erschüttert, doch dieser hat sich gegen Alles gesichert und die Stellen am Hofe mit seinen Kreaturen besetzt. Er lässt die Paschas zum Tode führen und hält den König gefangen, dem er seine Verrätherei offenbart. Abbas bittet seinen von Haly vergifteten Sohn um Verzeihung; den Tod desselben vermag er nicht zu überleben. - s So ist Haly beider ledig geworden, doch sein Ende naht. – 43 – Die Freude des Prinzen, Abdal und Morat, die geflohen waren, um des Prinzen Heer herbeizurufen, kommen heran, zu spät, um den Prinzen zu retten, doch noch früh genug, die Nachfolge seines Sohnes Sophy zu sichern, die ihm Haly zu Gunsten eines Andern streitig machen will, und ihm Haly und seine Helfers- helfer zur Bestrafung zu übergeben. Denham ist von seiner Quelle in mehreren Momenten be- deutend abgewichen. Von den Namen finden sich nur die des Abbas, Mirza, Fatyma, Sophy und Solyman in Herberts Erzäh- lung und werden zum Theil daselbst von anderen Personen ge- tragen. Von Vertrauten des Königs werden zwei genannt, doch sind dieselben ohne Einfluss auf den Verlauf der Geschichte. Die übrigen Namen mag Denham aus anderen Erzählungen und Dramen entlehnt haben; so findet sich beispielsweise der Name Morat in Sucklings Brennoralt wieder. Nach Herberts Bericht) hatte Abbas von verschiedenen Frauen verschiedene Kinder, die seinem Argwohn und seiner Grausamkeit zum Opfer fielen, so dass von ihnen nur Sophy (bei Denham Mirza genannt) übrig blieb, welcher in glücklichen Kriegen sich Ruhm erwarb. Von einem dieser Feldzüge brachte er eine arabische Prinzessin heim, die er heirathete, aus welcher Ehe zwei Kinder entsprossten, Sophy und Fatyma. Im ferneren Verlauf der Erzählung stimmen dann mit der Tragödie überein die Liebe Abbas zu Eatyma, der Argwohn des Abbas gegen den Prinzen, der Krieg gegen auswärtige Feinde, aus welchem der Prinz zurückkehrt, die Blendung desselben, seine Absicht, sich durch den Tod seiner Tochter an Abbas zu rächen und sein Tod durch Gift. - Auch einzelne kleinere Ausführungen stimmen mit dem Drama überein, so die Art, in welcher der König die Blendung des Prinzen ins Werk setzt; ferner: wie Sophy seiner Mutter die Theilnahme an der Regierung nach seines Vaters und Gross- vaters Tode anbietet, ebenso der Wunsch des Abbas, dem Volke gegenüber eine Entschuldigung zu seinem Vorgehen gegen den Prinzen zu haben. Die Gestalt der Prinzessin wie der Freunde *)a. a. O. p. 85. »- ad-h – 44 – des Prinzen sind bei Herbert nur mit wenigen Strichen an- gedeutet. - Wesentlich aber ist Denham in der Motivirung des Unter- ganges des Prinzen und in der ganzen Ausführung seines Cha- rakters von Heberts Erzählung abgewichen. Im Drama fällt Mirza einzig und allein den Privatinteressen und Ränken Haly's zum Opfer, wobei der König als Werkzeug dienen muss; bei Hebert lautet die Geschichte so: Die Gunst, welche Sophy (Mirza) beim Volke genoss, erregte den Neid und Argwohn seines Vaters und dieser trachtete danach, sich seiner zu entledigen. Um ihn zu kränken und gegen sich aufzureizen, liess er Magar, den Erzieher und Freund des Prinzen erwürgen. Das Gerücht dieser That dringt auch zu dem Prinzen, der aus dem Kriege herbeieilt, um seinen Vater zu bitten, ihm die Gründe seiner Handlung anzugeben. Dieser lässt ihn indess hart an und bezeichnet schliesslich als solchen Mirza-Sophy's Wider- spänstigkeit. Vergebens betheuert der Prinz seine Aufrichtigkeit; Abbas reizt ihn mehr und mehr, um einigen Schein von Recht für sein Vorhaben zu gewinnen. Der Prinz, durch seine Hitze und seinen Zorn rasend gemacht, glaubt Magar vor seinen Augen erwürgen zu sehen und zieht sein Schwert, um diesen zu schützen. Nun ist Abbas eine Handhabe zu seiner Gräuelthat gegeben. Er beredet den Prinzen, sein Schwert abzulegen, verlässt ihn und schickt an seiner Stelle sieben Stumme, die nach hartem Kampfe den Prinzen überwältigen. F * Eine weitere bedeutsame Aenderung ist der Ausgang des Kampfes, der in Mirza's Seele entsteht, als es sich darum han- delt, seinem Rachegefühl gegen seinen Vater genug zu thun. Bei Denham siegt die Liebe zu seiner Gattin und seinen Kindern über das Verlangen, seine Rache zu sättigen, während bei Herbert der Prinz seine Tochter umbringt und sein Sohn nur durch die herzueilende Mutter aus seinen Händen gerettet wird. - Die dritte grössere Abweichung ist der Tod des Königs. Abbas stirbt im Drama am Todtenbette seines Sohnes, über- wältigt von der Erinnerung an seine vielen Verbrechen und von – 45 – der Reue über seine Unthat gegen Mirza, wohingegen der ge- schichtliche Abbas noch verschiedene Jahre in Frieden regierte. Die letzte Aenderung allein, da sie dem Drama von wirk- lichem Vortheil gewesen, ist eine glückliche zu nennen; durch sie wird unser Mitleid erregt, und werden wir mit Abbas ausgesöhnt.– Nicht so die beiden anderen. Zu der an zweiter Stelle angeführten Abweichung ist Denham wohl bestimmt worden durch die Er- innerung an die Scene zwischen Arthur und Herbert in Shake- speares König Johann, deren Bühnenerfolg er zur Genüge kannte, und die ihm Veranlassung zu dieser, allerdings nicht weniger rührenden und wirksamen Scene gab. Durch die beiden ersten Veränderungen leidet die Handlung und ist der Untergang des Prinzen ungenügend motivirt. Denham's Tragödie ist dramatisirte Erzählung, deren ein- zelne Theile nur äusserlich zusammenhängen, nicht durch innere Nothwendigkeit verknüpft und dramatisch begründet sind. Es lassen sich zwei Theile unterscheiden, die jeder für sich ent- wickelt werden, das Interesse theilen und die Einheit der Hand- lung zerstören. Den Hauptpunkt bildete für Denham die Scene zwischen Mirza und Fatyma, im vierten Akte, welche die vorhergehenden Scenen, der Monolog des Prinzen, der Dialog zwischen dem Kaliphen und Mirza, und diesem und seiner Gattin im selben Akte vorbereiten. In diesen entwickelt der Dichter, allerdings in feiner Weise, wie gerade durch die Bemühungen des Abbas und seiner Verbündeten, den Prinzen von Rache- gedanken abzuwenden, dieser Plan in seiner Seele auftaucht und feste Gestaltung gewinnt, dann aber von Erythäa ohne ihr Wissen bekämpft wird, und schliesslich die Liebe zur Gattin in seiner Brust den Sieg über sein Verlangen nach Rache davonträgt. Für dieses Seelendrama des Prinzen, wie ich es nennen möchte, aber dient die vorhergehende Handlung, deren Träger der In- triguant ist, das eigentliche Spiel, das bisher unser Interesse ganz und gar in Anspruch genommen, nur als Grundlage. Es entsteht hierdurch ein Zwiespalt der Handlung. Missverhältnisse lassen sich schon im Aeusseren erkennen. Die drei ersten Akte umfassen zusammen weniger Zeit, sie sind kürzer als die beiden – 46 – letzten. Und dies geschieht infolge des Auftretens des Prinzen, das von langen Monologen und Dialogen begleitet ist. Die ersten drei Akte sind voll Leben und Handlung; in ihnen wird das Interesse vollständig auf die Aktion des Intriguanten hingelenkt, die Handlung stetig in kurzen und knappen Monologen und Dialogen Haly's und Mirwans und der ihren Plänen zunächst dienenden Personen fortgeführt. Der Prinz ist Nebensache, er tritt wenig auf und dient nur als Mittel zur Erfüllung der Zwecke Haly's. Diese Handlung des Intriguanten tritt im vierten Akte vor dem Prinzen, der nun die Hauptrolle spielt, sein Seelen- drama beginnt und gewaltsam in den Vordergrund gerückt wird, vollständig in den Hintergrund zurück, und unser Interesse wird plötzlich von Haly auf Mirza hinübergelenkt. Erst nach dem Tode des Prinzen tritt die ursprüngliche Handlung wieder in ihre Rechte und wird durch den Sturz Haly's zu Ende geführt. Denham hat, sozusagen, ein Drama ins andere hineingebaut. Es liessen sich dieselben mit zwei Kreisen vergleichen, die ein- ander von innen berühren, deren Berührungspunkte Abbas, den Mittelpunkt des kleineren Mirza, den des grösseren Haly bildet. Zwei Wege waren für Denham offen, sein Drama zu einem kunstgerechten zu gestalten. Einmal konnte er Mirzas Schicksal episodisch behandeln, Abbas in den Mittelpunkt stellen und die Handlung der drei ersten Akte wie jetzt weiter und zum Schluss führen. Oder er konnte den Prinzen zum einzigen Mittelpunkt der Handlung machen, die in Herbert angegebene Episode mit Magar benutzen, und aus ihr eine wirkliche Auflehnung gegen seinen Vater und somit tragische Schuld des Prinzen her- leiten. Durch seine Aenderungen aber hat er nicht nur diese doppelte Handlung hervorgerufen, sondern auch den Untergang des Prinzen nicht dramatisch motivirt. Mirza sühnt mit seinem Tode keine tragische Schuld, die er durch Verfolgung einer selbstsüchtigen Idee auf sich geladen, er fällt nur den ehrgeizigen Plänen Haly’s zum Opfer. Er ist ein Muster aller männlichen Tugenden und bewahrt die Reinheit seines Charakters bis ans Ende, wenn sie auch vorübergehend durch sein Verhalten gegen seine Tochter Fatyma getrübt wird. – 47 – Wenn übrigens der Ausgang dieser Scene derselbe wie bei Herbert wäre, würde sie doch im Drama seinen Untergang nicht motiviren; sein Tod ist schon von Haly vorher beschlossen, veranlasst durch die Reue des Königs. Die Reinheit des Cha- rakters erregt aber grosse Zweifel an ihrer Existenzberechtigung. Sie ist zu gross, als dass sie wahrscheinlich sein könnte. Er wird von seiner Gattin und seinen Kindern geliebt; seinem Vater steht er nahe; seine Freunde und das Volk vergöttern ihn; seine Feinde macht er durch seine Grossmuth zu seinen Freunden. Es genügt das zur Reinheit des Charakters vollkommen; aber dass er seine Rache aufgiebt, ja, in einem langen Monologe zu Anfang des fünften Aktes, der, nebenbei gesagt, gar keinen Fort- schritt der Handlung bezeichnet, sondern nur vom Dichter in der Absicht eingelegt ist, Mirza seinen schwarzen Feinden gegen- über in seiner Glorie zu zeigen, dass er in diesem Monologe über das Glück, blind zu sein, philosophirt und seine eigene Blindheit preist, das geht über das Mass menschlicher Tugend- haftigkeit hinaus, und uns wird ob derselben bange, und wir bezweifeln, ob dazu ein Vorbild auf Erden, noch dazu in jener Zeit zu finden wäre. Die einzige Schuld, die man ihm aufbürden könnte, wäre seine Vertrauensseligkeit und sein Stolz auf seine Tugend. Er kennt Haly’s Stellung zu seinem Vater und zu sich, dessen ehrgeizige Bestrebungen, zieht aber doch wieder zu Felde, seinem Feinde Gelegenheit gebend, seinen Untergang einzuleiten. Doch würde dies noch keine Schuld sein, die seinen Fall berech- tigen und tragisch motiviren könnte. Obenein hat der Dichter kaum Gewicht darauf gelegt, sondern vielmehr, wie schon gesagt, nur sich bemüht, die Entwicklung auf jene Scene zwischen Fatyma und Mirza hinzudrängen; als Mirza seines Augenlichts durch Haly beraubt wird, wendet er sich nicht gegen diesen, wie doch natürlich wäre, da er ihn als Anstifter seines Unglücks ansehen und erkennen muss, sondern gegen sein eigen Fleisch und Blut. Zweierlei ist Denham hoch anzurechnen; dass er nicht, wozu ihn sein Stoff wohl hätte veranlassen können, diesen zu einem Schauer- und Blutdrama gestaltete, wie sie in der damaligen Zeit die Bühne beherrschten, und dass er im Gegensatz zu den – 48 – meisten seiner Zeitgenossen den Dialog von Obscönitäten frei hielt. Auch in Bezug auf die Einmischung des komischen Ele- mentes hat er sich enge Grenzen gezogen. Vollständig konnte er dasselbe nicht ausser Acht lassen, seines Publikums wegen, welches es verlangte, aber er beschränkte es auf ein Minimum. Solyman ist die einzige komische Figur der Tragödie und tritt nur in wenig Scenen auf; und auch diesen ist noch des Rüh- renden genug beigemischt. - Seine dramatischen Personen sind die Charaktertypen der Tragödien jener Zeit. Das Drama unter der Regierung Karls I. war nicht nur arm an Mannichfaltigkeit der Handlung, sondern auch der Charaktere. Schon Beaumont und Fletcher treten in dieser Beziehung weit hinter Shakespeare und Ben Jonson zurück; noch viel weniger aber war bei ihren Nachfolgern be- deutende dramatische Gestaltungskraft zu finden. Die Einheit der Zeit und des Ortes hat mehr Berücksich- tigung erfahren, als die der Handlung, wenn auch der persische Hintergrund nicht immer gewahrt bleibt und die Personen beim Jupiter und Phöbus schwören. Die Zeit umfasst nur wenige Tage, und den Ort der Handlung bildet die Residenz, wenn er sich nicht ganz und gar auf den Palast des Abbas beschränkt. Die Eintheilung in Scenen scheint. Den ham wieder auf- gegeben zu haben. Im ersten Akte finden sich nur die Bezeich- “-- nungen erste und zweite Scene; die folgenden Akte aber haben nur die Bezeichnung erste Scene hinter der Zahl des betreffenden Aktes. Die Scenenschlüsse werden meist durch Couplets an- gedeutet. - « » - Der Prolog wie der Epilog stehen zur Tragödie in keiner Beziehung, sondern sie empfehlen, wie üblich, in humoristischer Weise das Drama dem Wohlwollen der Zuhörer. Es bleibt nun noch übrig, einen kurzen Blick auf den Vers- bau von Denhams Dichtungen zu werfen. Der Form nach lassen sich seine Gedichte in zwei Hauptgruppen scheiden. Seine grösseren, ernsten Gedichte sind mit Ausnahme desjenigen auf Cowley in heroischen Couplets geschrieben; für seine humori- stischen und satyrischen hat er fast immer die Strophenform gewählt. Einige dieser kleineren Gedichte weisen entschieden daktylischen Rhythmus auf, während einige andere sehr unregel- mässig gebaut sind, und es für sie zahlreicher Elisionen und Zerdehnungen u. s. w. bedarf, um jambischen Rhythmus herzu- stellen, wenn man nicht vorzieht, theilweise ebenfalls Daktylen anzunehmen. Zu den Gedichten dieser Art gehören das auf Mennis, die News from Colchester, mit der Reimstellung ab ccb u. a. Dieselben unregelmässigen Verse zeigt das Gedicht On my Lord Crofts and my journey, das aus Strophen besteht, die in je zwei Quatrains und ein Triplet zerfallen, welche je auf einen Reim ausgehen. Die erste Zeile des ersten Quatrains jeder Strophe besteht nur aus einem Fusse. - Daktylische Verse sind in der englischen Poesie schon früh angewendet worden, im 17. Jahrhundert finden sich verschiedene volksthümliche Gedichte in diesem Versmasse; sie scheinen da sogar ziemlich beliebt gewesen zu sein. Denham mag daher dieses Versmass gewählt haben, um den betreffenden Gedichten – mit Ausnahme desjenigen auf Killegrew beziehen sie sich auf Ereignisse aus dem Anfange der Bürgerkriege – eine grössere Verbreitung zu ermöglichen. Die Reimstellung aab.ccb findet sich in On Th. Killegrew, und zwar sind a und c zweifüssige, b dreifüssige Verse; die humble Petition besteht aus vierfüssigen, aneinandergeschobenen Couplets, a western wonder und a second western wonder be- stehen aus vierzeiligen Strophen, von denen die ungeraden Zeilen vierfüssig, die geraden dreifüssig sind. Der Reim ist in diesen Gedichten, wie gewöhnlich in saty- «- 4 – 50 – - rischen, ohne grosse Sorgfalt behandelt.) Zweiwortige zu ein- wortigen Ausgängen finden sich an allen Stellen. *) Die vierfüssigen jambischen Verse sind im Allgemeinen regel- mässig gebaut und zeigen wenig Trochäen und einsilbige Füsse. Es gehören hierzu fünf Gedichte, das auf Cowley in Couplets, Natura naturata, Friendship and single life, und das auf Pooley in Triplets, eine fünfzeilige Strophe A Song aus the Sophy mit der Reimstellung aab bb, und the Speech against pèace in sechszeiligen Strophen mit Schweifreim. Von diesen Gedichten hat nur das auf Pooley durchaus weibliche Reime, unter denen sich auch einige finden, die man entweder als gleitende, oder durch Elision als weibliche ansehen kann. *) Auch Beispiele für den zweiwortigen und unreinen Reim *) giebt das Gedicht genug, sowie einen hervorragenden Fall des Enjambements, 5) das in satirischen Gedichten ja häufig des grösseren Effekts halber angewendet wird. Die übrigen in vierfüssigen Versen geschriebenen Gedichte haben männliche Reime; nur in the Speech wechseln männliche und weibliche Reime, am wenigsten in den beiden ersten Zeilen. Die Pause findet sich meist regelmässig nach dem zweiten Fusse, sonst nach und in allen Füssen, mit Nebenpausen, oder auch nur solchen; in und nach dem ersten besonders, wenn ein Trochäus diesen bildet. Einsilbige Füsse finden sich besonders in A Song am Anfang der Zeile. In fünffüssigen Jamben sind geschrieben die Occasional Imitation, bestehend aus fünf Quatrains, abab, Coopers Hill, die Gedichte auf Fletcher und Fans haw und die Ueber- Setzungen. - « *) together: ever; after: water; deceiving: thanksgiving. *) Poet: know it; faulty: taughtye; loath'em: Hotham; did lye: Chidleigh; behind him: find him; would be: should be *) gravity: pravity: concavity; formality: quality: mortality. *) avail you: fail you: ail you; quick Sir: Elixir. – matter: fornicater: water; Ceconomick: laconick: mackeronick; learning: discerning: warning. °) p. 114: Yet be of comfort, I shall send a Person of knowledge, who can mend a Disaster in your mether end-a. – 51 – Gelegentlich der Uebersetzungen sind diese Verse zum Theil schon besprochen. Die Freiheiten Denhams sind die auch von anderen Dichtern angewendeten. Die Pause findet sich haupt- sächlich nach dem zweiten Fusse, nach und in dem ersten Fusse verbunden mit einem Trochäus. Im ersten Fusse finden sich häufig Trochäen, selten in den übrigen; nur wenige Verse haben am Anfang des ersten und zweiten Hemistichs einen Trochäus. Verse aus einsilbigen Wörtern sind nicht selten; nur in wenigen Fällen sind diese schlecht gebaut. Der Reim ist männlich; von weiblichen finden sich nur zwei Beispiele. In verschiedenen Versenden hat Denham in Wörtern wie power, tower etc. durch Elision des e weiblichen Ausgang vermieden. In der Wahl des Reimwortes ist Denham wenig bedenklich; er hat sich den Reim ziemlich leicht gemacht; ungefähr 12% müssen wir zu den unreinen !) rechnen, ohne dabei die schwachen mitzuzählen und diejenigen, welche oi und i reimen, wie dies fast von allen Dichtern geschieht. Der sogenannte schwache Reim?) findet sich an erster und *) Denham reimt: are: spare, despair, care; hath: faith; have: gave und grave; cast: embrac'd, grac'd; plac'd: fast; place: alas: was; peace: possess; increase: less; great: retreat; releast: rest; were: fear; beat: great; dear: prefer; head: speed;then: been; him: seem; gives: derives; arrive: give; oblige: siege. one wurde lang gesprochen; es reimt zu religion, separation, devotion; million: none. crown reimt zu own; own: resurrection; flow: brow; shore: pow'r; pow'r: shore und door; more: poor; come: whom; dooms: comes; move: Strove, love, Jove; love: approve, grove; proud: load; bail: goal; undone: soon; do: foe, know, go; transform'd: return'd; forget: remit; allow: so. oi: i in: join'd: confin'd, design'd; shine: join; spoils: stiles und reviles; join: thine; toil'd: smil'd. *) Athamas: was; disesteem: them; embassy: fly; Hecate: sea; poverty: be; philosophy: die; conquered: led. marriage-bed: merited; Curii: authority. . »- eSteem: diadem; sea: eternity; please: varieties; cure: calenture; rage: parentage; all: original; sun: Antomedon; fly: perfidiously; thy: Italy; be: amity; rise: colonies; wise: opportunities; live: contemplative; bent: dis- paragment; Paul: Hannibal;tree: ivory. – 52 – an beiden Stellen weniger häufig; am häufigsten an zweiter Stelle. * M Die Blankverse Denhams in the Sophy zeigen im All- gemeinen einen guten jambischen Rhythmus, sind indessen an Anzahl der Füsse sehr verschieden. Namentlich finden sich viele kürzere Verse eingemischt, die sich in manchen Fällen zu einem guten Blankvers vereinigen lassen; so oft die unter mehrere Personen getheilte Rede. Viele der längeren Verse lassen sich durch Elision, Verschleifung und namentlich die Annahme der überschüssigen Silbe in richtige Blankverse umwandeln. Ein Drittel der Verse wohl hat weiblichen Ausgang, darunter Ver- schiedene zweiwortigen. Im Allgemeinen ist eine genaue Beur- theilung von Denhams Blankvers nicht möglich, da der Druck ziemlich nachlässig ist, und an verschiedenen Stellen die Anordnung des Dialogs nach Versen unmöglich oder wenigstens sehr schwierig ist; an manchen Stellen mag der Dichter Verse mit ungebundner Rede haben wechseln lassen. Wirkliche Prosa findet sich nur in den wenigen komischen Scenen und in den Briefen; und diese wieder sind zum Theil so gedruckt, dass man versucht ist, sie als Verse zu lesen. Vita. s * *-* - • Carolus Armster natus sum in urbe cui nomen est Erfurt, die V. mensis martis h. s. anni LX, patre Christiano, matre Amalia de gente Rudloff, quos adhuc superstites esse valde gaudeo. Fide institutus sum evangelica. Ab anno h. s. LXV scholam realem Erfordensem frequentavi, donec vere anni h. s. LXXIX testimonio maturitatis instructus Halam me contuli, ubi linguarum recentium studio me dedidi et per octo semestria audivi vv. ill.: Cantor, Elze, Erdmann, Gering, Haym, Herbst, Knoblauch, Pott, Suchier, Thiele, Ulrici, Wangerin, Wiltheiss, Zacher. Quibus viris optime de me meritis cum omnibus tum C. E1 ze gratias nunc ago quam plurimas. . BENJAMIN DISRAELIS DICHTUNGEN. DISRAELIS LEBEN UND JUGENDSCHRIFTEN. INAUGURAI-DI§§ERTAI)N - ZUR ERLANGUNG *. - DER PHILOSOPHISCHEN DOCTORWÜRDE BEI DER PHILosoPHIsCHEN FACULTÄT DER A KADEMIE ZU MÜNSTER EINGEREICHT VON PEH. ARONSTEIN W1SSENSCHAFTL. LEHRER AN DER GOETHESCHULE UND KAUFMÄNNISCHEN FORTBILDUNGS SCHULE ZU OFFENBACH A. M. » - OFFENBACH A. M. "TH EO)OR, STEINMETz HOE'RUCH AN ) LUNG (KARL SEYD). 1891. «- - - - - - - - - - - - Die benutzte Litteratur ist teils im Texte, teils in den Anmerkungen angeführt. -/ -->-->--- -------------------------- -- Vºd L=- k-–4 k r v= F=- G. Otto?s Hof-Buchdruckerei in Darmstadt. MEINEM LIEBEN WATER IN DANKBARKEIT GEWIDMET. W0RREDE. Die nachfolgenden Seiten bilden den ersten Teil einer umfangreichen Abhandlung über Disraelis Dichtun gen, welche der philosophischen Fakultät der Kgl. Akademie zu Münster (W) vollständig vorgelegen hat. Die Verwaltungen der Frhr. von Rothschild'schen öffentl. Bibliothek zu Frankfurt a/M. und der Grossherzogl. Hessischen Hofbibliothek zu Darmstadt sind bei Beschaffung der nötigen litterarischen Hülfsmittel mir in bereitwilligster Weise ge- fällig gewesen, wofür ich ihnen hierdurch aufrichtigsten Dank zu sagen nicht verfehle. Es Ph. Aronstein. IN-HALT, sº seite. EINLEITUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . - T. I. TEIL. DISRAELI'S LEBEN . . . . . . . . . . . 5 II. TEIL. DISRAELI'S DICHTUNGEN . . . . . . . . . 13 Erstes Buch. Disraeli's Jugend schriften . . 13 Erstes Capitel Verfehlte Versuche . . . . . . - 13 Zweites Capitel. Vivian Grey. Erster Teil . . . . 14 Drittes Capitel. Vivian Grey. Zweiter Teil. . . 24 Viertes Capitel. Kapitän Popanilla . . . . . . 28 Fünftes Capitel. Der junge Herzog , . . . . . . Z6. Sechstes Capitel. Kleinere Schriften . . . . . . . 42 Siebentes Capitel. Disraeli's Stellung zu den Zeitströ- mungen während seiner Jugend . . . . . . 44 ANHANG: ZEITTAFEL ZU DISRAEL'S LEBEN . . . . . . . . I-IX EINLEITUNG, In Folgendem will ich versuchen, Benjamin Disraeli, den späteren Earl of Beaconsfield, als Schriftsteller zu wür- digen. Es giebt zwar über denselben, wie das bei der Be- deutung des Mannes begreiflich ist, eine sehr ausgedehnte Litteratur, dennoch erscheint mir mein Versuch durchaus nicht als überflüssig. Von den Werken nämlich, die sich mit der Person Disraeli's beschäftigen, behandeln die meisten nur die politische Seite seiner Wirksamkeit; seine schrift- stellerische Thätigkeit dagegen wird gewöhnlich nur kurz er- wähnt, obgleich er noch heute neben Scott, Bulwer, Thackeray und Dickens zu den gelesensten Romandichtern Englands gehört. Allerdings hat Georg Brandes in seinem Buche über Lord Beaconsfield sich eingehend mit dessen litterarischen Erzeugnissen befasst, aber seine Behandlungsweise geht von anderen Gesichtspunkten aus und verfolgt andere Ziele, als diejenigen, welche ich mir gesteckt habe. Es folge zunächst eine chronologische Aufzählung der Schriften über Disraeli, verbunden mit einer kurzen Kritik derselben : 1. George Francis: The Right Honourable B. Dis- raeli London 1852 (vgl. Athenaeum 4./12. 1854. Edinburgh Rev. 1853 p. 420). Wenig gründlich und jetzt ganz veraltet. 2. The R. II. B. Disraeli M. P., A. Literary and Political Biography addressed to the New Generation. London 1854, anonym erschienen (Athen. 21./12. 1853), der Verfasser ist Thomas Macknight. Eine gehässige, einseitige Parteischrift. 1 – 2 – 3. John Mill: Disraeli, the author, orator and states- man. London 1863 (Athen. 2./5. 1863). Eine Gegenschrift gegen die vorige Biographie. Der Verfasser, ein begeisterter Anhänger Disraeli's, feiert diesen als gottbegnadeten Helden und als den vom Schicksal bestimmten Retter seines Vater- landes. Die Sprache ist schwungvoll, aber oft phrasenhaft, die Thatsachen sind ungenau berichtet und die Beurteilung ist kritiklos. 4. Friedr. Althaus in den „Englischen Charakter- bildern“ (Berlin 1870) und im „Neuen Plutarch“ (Bd. 9 Leipzig 1882) giebt eine gehässige und ziemlich oberflächliche Skizze von Disraeli's Leben und Wirken, die, anstatt den Mann unbe- fangen zu würdigen, sich mit der leichteren Aufgabe begnügt, ihn zu „entlarven“, d. h. in seinem 50jährigen öffentlichen Wirken Widersprüche aufzudecken und allen seinen Hand- lungen selbstsüchtige Motive unterzulegen. 5. T. P. O'Connor B. Disraeli, Lord Beaconsfield (6"ed. London 1884). Der Verfasser, ein hervorragender Abgeord- neter, behandelt Disraeli vorzugsweise als Politiker und zwar von einem gegnerischen Standpunkte aus. ºd 6. Anonym: B. Disraeli, Earl of Beaconsfield, a Political Biography. London 1877. Rein politisch, wie der Titel besagt, 7. Francis Hit ch man: The Public Life of the R. H. Earl of Beaconsfield. London 1879. 2. vols. 2. Aufl. London 1885. Dies ist die beste Biographie Disraeli's, ein fleissiges und gründliches, auf genauem Studium der Quellen beruhendes Werk. Dasselbe beschäftigt sich vorzugsweise mit dem öffent- lichen Leben Disraeli's und macht keinen Versuch, den Mann in der Gesammtheit seines Wirkens zu betrachten und zu beurteilen. 8. Cuch eval-Clavigny: Lord Beaconsfield et son temps. Paris 1880. Eine sehr gründliche Arbeit, vorzugs- weise politischen Inhalts. Der Verfasser ist ein Verehrer Lord Beaconsfield's. 9. Alex an der Ch. Ewald F. S. A.: The R. H. B. Disraeli, Earl of Beaconsfield K. G., and his times. London 1882, 2 vols. Ein Prachtwerk in der Ausstattung, fast aus- schliesslich politischen Inhalts. – 3 – 10. Georg Brandes: Lord Beaconsfield (B. Disraeli). Ein Charakterbild. Berlin 1879. Dies ist ein Versuch, aus den Schriften Disraeli's dessen Charakter aufzubauen. Der Verfasser stellt Disraeli mit einigen der Helden seiner Romane gleich, greift einzelne Äusse- rungen heraus und zeichnet so ein wenig getreues Bild des Staatsmannes, worin derselbe als ein von dämonischem Ehr- geize beseelter, rachsüchtiger, in seiner Jugend genialisch- lüderlicher, charakter- und überzeugungsloser Abenteurer erscheint. Trotz mancher scharfsinnigen und geistvollen Bemerkungen muss daher das Buch mehr als ein literar- historischer Sensationsroman, denn als eine ernsthafte Biographie bezeichnet werden. Auch standen dem Verfasser verschiedene wichtige Quellen für Disraeli's Leben, so besonders die Briefe, noch nicht zu Gebote, und in Folge dessen sind die That- sachen nicht immer getreu berichtet. M 11. T. C. Kebbel: Life of Lord Beaconsfield. (States- men Series) London 1888. Vorzugsweise politisch und nichts Neues beibringend. ! » 12. The Earl of Beaconsfield K. G. by J. A. Froude D. C. L. (The Queen's Prime Ministers ed. by Stuart J. Reid) London 1890. Der bekannte IIistoriker und Biograph Carlyle's bringt einige neue Thatsachen über Disraeli's Leben. Seine Gesammt- würdigung Disraeli's ist wohlwollend und objektiv gehalten. Doch beschäftigt er sich mehr mit dem Sozialpolitiker und Staatsmanne, als mit dem Schriftsteller. Die Jugendschriften Disraeli's werden zum Teil nur kurz erwähnt. Ausserdem sind noch von Wichtigkeit die Biographie Disraeli's in der grossen National Biography, und die Be- sprechungen der Werke Disraeli's in den Zeitschriften, be- sonders in der Literary Gazette, der Quarterly Review, der Edinburgh Review, der Westminster Review, dem Athenaeum und der Revue des deux Mondes. Was Bleibtreu und Engel in ihren Litteraturgeschichten über Disraeli sagen ist ebenso wertlos, als absprechend. V- «sv------ =s " Vergl. Academy 1888. I. 260 ff., Athen a e um 1888 I. 338 ff. 1. 1ERSTER TEIL. DISRAELI'S LEBEN. QUELLEN. Die Hauptquellen für die Kenntnis des Privatlebens Disraeli's sind: W. 1. Die Vorreden zu seinen Werken, besonders aber die von ihm verfasste Biographie seines Vaters Isaac Disraeli, welche der Ausgabe der Werke desselben (1849–1851) vor- gedruckt ist, ferner die Vorrede zu der Gesammtausgabe - seiner eigenen Werke von 1870. 2. Die Romane Disraeli's, welche viele persönliche An- spielungen enthalten, besonders Vivian Grey, The Young Duke, Contarini Fleming und Endymion. 3. Lord Beaconsfield's Home Letters 1830/31 ed. by Ralph Disraeli. London 1885. 4. Lord Beaconsfield's Correspondence with his sister 1832–1852 ed. by Ralph Disraeli. London 1886. Die übrigen Briefschaften Disraeli's sind noch nicht heraus- gegeben. Froude in seiner Biographie teilt einiges aus dem ungedruckten Briefwechsel Disraeli's mit einer langjährigen treuen Freundin und Verehrerin, Mrs. Willyams, mit. Disraeli stammte aus einer jüdisch-spanischen Familie. Dieselbe führte in Spanien einen anderen (nicht mehr zu er- mittelnden) Namen und nahm den Namen D’Israeli erst an, – 5 – als sie, um der spanischen Inquisition unter Torquemada zu entgehen, um das Jahr 1500 nach Venedig auswanderte. Der Name D'Israeli, welcher, wie Disraeli erzählt, nie- mals vor- oder nachher von einer anderen Familie geführt worden ist, sollte ihren Ursprung auf immer kenntlich machen.” In Venedig lebte die Familie über zweihundert Jahre und erwarb dort ein grosses Vermögen. Im Jahre 1748 wanderte ein jüngerer Sohn der Familie, Benjamin D’Israeli, als 18jäh- riger Jüngling nach England aus, liess sich in Enfield nieder und heiratete eine schöne Jüdin, die eine unüberwindliche Ab- neigung gegen ihre eigene Rasse hatte. Er war energisch, hatte Glück und war eine Zeit lang der Nebenbuhler der Roth- schilds.” Er hoffte daher, eine grosse Finanzdynastie zu gründen, aber sein einziger Sohn, Isaac D'Israeli, vereitelte diese Hoff- nung. Derselbe zeigte eine entschiedene Abneigung gegen Geldgeschäfte jeder Art, beschäftigte sich ausschliesslich mit der Litteratur und verfasste während eines beschaulichen, er- eignislosen Gelehrtenlebens eine Reihe literarhistorischer oder besser „literaranekdotischer“ Werke, die noch heute geschätzt und gelesen werden. Im Jahre 1802 heiratete Isaac D’Israeli Maria, die Tochter des George Bassevi aus Brighton. Aus dieser Ehe entsprossen vier Kinder, zunächst eine Tochter Sarah, dann drei Söhne, von denen Benjamin, der spätere Staatsmann, der älteste war. Benjamin Disraeli wurde zu London am 21./12. 1804 geboren und an demselben Tage durch den bekannten Ritus in das Judentum aufgenommen. Aus seiner Jugend wissen Disraeli erwähnt einmal gelegentlich eine Familie Lara als mit der seinigen verwandt (Letter to Mrs. Willyams vom 23./7. 1859 bei Froude p. 107). * Die Vorrede zu den Curiosities of Literature by Isaac Disraeli, ed. by Benj. Disraeli, ist die Quelle hierfür sowie für alles Folgende. * 1815 wurde ihm die Unterbringung einer russischen Anleihe angeboten. Er nahm das Angebot nicht an, und das Haus Rothschild machte das Geschäft. * Die wichtigsten derselben sind: Curiosities of Literature 1791– 1822. 3 Tle. Calumnities of Authors 1812. 2 Bde. Quarrels of Authors 1814. 3 Bde. Amenities of Literature 1841. 3 Bde. – 6 – wir wenig und sind zum grossen Teile auf Vermutungen und auf Rückschlüsse aus seinen vielfach autobiographischen Jugend- romanen angewiesen. In eine öffentliche Schule schickte man ihn nicht, da seine Mutter den dort herrschenden Pennalismus und das Vorurteil gegen die Juden fürchtete. Er besuchte mehrere Privatanstalten, zunächst die eines gewissen Poticary zu Blackheath und dann die des Dr. Cogan zu Walthamstow. Übrigens scheint er auf der Schule alles Mögliche betrieben zu haben, nur nicht die Schulwissenschaften. Auch hatte er jedenfalls unter dem Vorurteile gegen die Juden zu leiden, wusste sich aber Achtung und Ruhe zu verschaffen.? - Übrigens war er kein Jude mehr, als er zu Dr. Cogan kam. Im Jahre 1817 war sein Grossvater gestorben, und Isaac D’Israeli, der sich mit der jüdischen Gemeinde ent- zweit hatte und als freisinniger Deist gegen das orthodoxe Judentum eine grosse Abneigung empfand,” liess sich mit seiner ganzen Familie in St. Andrew's Church taufen. Benjamin Disraeli blieb nur kurze Zeit in Walthamstow und verlebte dann einige Jahre in dem Hause seines Vaters, in welchem er Gelegenheit hatte, bedeutende Schriftsteller und einflussreiche Mitglieder der Aristokratie kennen zu lernen. Im Jahre 1821 kam er zu einem Advokaten in die Lehre, bei dem er drei Jahre lang arbeitete. Darauf liess er sich in Lincoln's Inn als Rechtsstudent eintragen, übte aber den Beruf eines Juristen niemals praktisch aus. Im Jahre 1825 hatte sein Vater London verlassen und ein altes herr- schaftliches Haus in Buckinghamshire gemietet, welches zwei - * Vivian Grey I. Chap. II: „Mr. Grey wished Eton, but his lady was one of those women, whom nothing in the world can persuade, that a public school is anything else but a place where boys are roasted alive.“ * Vgl. Vivian Grey I. Chap. IV. Contarini Fleming I, 9 „Seditious stranger“ nennt ohne Ursache der Lehrer den Vivian Grey. Da dieser Ausdruck im Roman ganz unbegründet ist, so muss er wohl eine Erinnerung aus des Verfassers eigener Jugend sein, die sich eingeschlichen hat. Vgl. Brandes, Lord Beaconsfield p. 19 u. 20. * Er verfasste eine Schrift „The Genius of Judaism“, die diesen Standpunkt vertritt. – 7 – Meilen von IIigh Wycombe lang entfernt war und „Bradenham House“ genannt wurde . Um diese Zeit begann Benjamin Disraeli auch zu schrift- stellern. Nach einem misslungenen journalistischen Versuche? veröffentlichte er 1826 (ohne Namen) seinen ersten Roman: Vivian Grey“, der ihn, wie einst Child Harold den Lord Byron, mit einem Schlage berühmt machte. Da er um diese Zeit sehr an Gehirnblutwallungen litt, unternahm er zu seiner Kräftigung eine Reise nach der Schweiz, Deutschland, Frankreich und Italien. Nach seiner Rückkehr (1827) veröffentlichte er den zweiten Teil des „Vivian Grey“ und im folgenden Jahre eine sozialpolitische Satire im Style Swift's, „Captain Popanilla.“ Seine Gesundheit war aber noch immer sehr schwankend, und so fasste er abermals den Plan zu einer längeren Reise. Im Juni 1830 trat er mit dem Bräutigam seiner Schwester, Mr. William Meredith, die Fahrt an. Zuerst ging es nach Spanien, wo sich seine Gesundheit schon merklich besserte.” Dann setzte er nach Malta über. Hier traf er einen Freund, James Clay, in dessen Jacht beide nach Corfu segelten, um an dem Kampfe der Türken gegen die albanesischen Empörer teilzunehmen.“ Aber der Krieg war schon zu Ende, und so begnügten sie sich damit, zuerst den türkischen Statthalter in Arta und dann den Grossvezier in Janina aufzusuchen. Von dort reisten sie weiter nach Griechenland und Constantinopel und sodann über Troja, Cypern und Jaffa nach Jerusalem, wo sie den Februar 1831 verbrachten. Im April brachen sie nach Ägypten auf, gingen den Nil hinauf bis Theben und be- schlossen dann heimzukehren. * Disraeli war vollständig ge- ==ssms-m-sº- Die Schilderung des Umzugs der Familie Ferrars in dem letzten Romane Disraeli's „Endymion“ ist vielleicht eine Erinnerung hieran. * S. weiter unten p. 14. * Home Letters: Briefe vom 1./7. 1830. „This last fortnight I have made regular progress, or rather felt, perhaps, the progress which I had already made. It is all the sun, not society, or change of scene. . . . . . * Vgl. a. a. O. Cf. auch Contarini Fleming B. V, VI, VII, welche eine oft wörtlich mit den Briefen übereinstimmende Beschreibung dieser Reise enthalten. * Home Letters: 28./5. 1831. „I am delighted with my father's – 8 – nesen und freute sich auf neues energisches literarisches Schaffen. Leider starb sein Reisegefährte vor der Abreise in Alexandria. Seine Schwester Sarah blieb in Folge dessen ledig und widmete sich ganz ihrem Bruder, dem sie zeitlebens eine kluge und treue Beraterin war. Disraeli's Familien- briefe aus jener Zeit lassen in ihm einen liebenswürdigen und lebensfrohen Jüngling von frischer Empfindung und em- pfänglichem Gemüte erkennen, bei dem das affektierte Auf- treten nur etwas Äusserliches, eine Maske für das Publikum war. Im Jahre 1831 erschien von ihm ein, schon vor der Reise verfasster, Roman, „der junge Herzog“, und in den folgenden Jahren veröffentlichte er nach einander eine Reihe von Werken, in denen er die Eindrücke seiner Reise vor- arbeitete: „Contarini Fleming“ (1832), „David Alroy“, die Satiren „Ixion in Heaven“ und „The Infernal Marriage“ (1833) sowie das Bruchstück eines verunglückten Gedichtes, „das revolutionäre Epos“ betitelt (1834). Er war während dieser Jahre einer der „Löwen“ der Salons und erregte Aufsehen durch die Schönheit seiner Er- scheinung, seine auffallende stutzerhafte Kleidung und seine glänzende Unterhaltungsgabe. Besonders verkehrte er in dem Salon der Lady Blessington, wo er den Grafen d'Orsay kennen lernte? und auch andere Grössen des Tages traf, so z. B. Louis Napoléon, den späteren Kaiser. Übrigens stak er in diesen Tagen stets in Schulden, die ihn oft an den Rand des Unterganges brachten und ihn zu Wucherern seine Zu- flucht zu nehmen zwangen ”. Diese Schulden wurden noch durch seine politischen Bestrebungen vermehrt. Wie Vivian Grey, „lechzte er nach progress. How I long to be with him, dearest of men, flashing our quills together, standing together in our chivalry, as we will do now, that I have got the use of my brain for the first time in my life.“ * Vgl. die Schilderung des Amerikaners N. P. Willis, der ihn 1832 in dem Salon der Lady Blessington traf. Bei Froude p. 52/53. * Er widmete ihm später seinen Roman „Henriette Temple“ und verewigte ihn in einem der Charaktere desselben. * Vgl. seine Romane „Henriette Temple“ VI, 6 und „Tancred“, wo er die Wucherer und das Bewusstsein des Verschuldetseins mit grosser Lebenswahrheit schildert. Vgl. Froude p. 52, 69. – 9 – dem Senat“ und fünfmal hinter einander machte er vergebens den Versuch, in das Parlament zu gelangen. Erst trat er als unabhängiger Tory-Radikaler auf und sprach für drei- jährige Parlamente und geheime Wahl. Als er dann durch mehrfache Misserfolge belehrt wurde, dass er sich einer der beiden grossen Parteien anschliessen müsse, um zu seinem Ziele zu gelangen, wählte er die ihm am meisten sympathische Partei der Tories. Zugleich schrieb er politische Pamphlete, in denen er seine politischen Ansichten und sein Urtheil über das Wesen der englischen Verfassung darlegte”, hatte einen hässlichen Streit mit dem Führer der Iren, O'Connell, und veröffentlichte namenlos satirische Briefe in der „Times“, welche die Führer der Whigs lächerlich machen sollten und Sir Robert Peel als den Mann der Zukunft priesen.” Durch diese ganze Thätigkeit erreichte er nichts weiter, als dass sein Name bekannt wurde. Sein einziger sonstiger Erfolg war die Aufnahme in den konservativen aristokra- tischen Carlton Club. * So wandte er sich denn für einige Zeit wieder der schriftstellerischen Thätigkeit zu und veröffentlichte die un- politischen Romane „Henriette Temple“ (1836) und „Venetia“ (1837). - - Bald darauf starb Wilhelm IV., und die Königin Victoria bestieg den Thron. Ein neues Parlament musste gewählt werden, und in dieses trat endlich auch Disraeli ein. In den Vivian Grey I, 8: „He paced his chamber in an agitated spirit and panted for the senate'“. Vgl. die Briefe an seine Schwester: 7./2. 1833 „Heard Macaulay's best speech, Sheil and Charles Grant. Macaulay is admirable; but, between ourselves, I could floor them all. This entre nous: I was never more confident of anything than that I could carry everything before me in that House. The time will come. Cf. auch Brief vom 22./3. 1839. This is just one of those occasions in old days, when I used to feel so mortified at not being an M. P. * Das Pamphlet „What is he?“ (1833) und „Vindication of the English Constitution in a letter to a noble Lord“ (1835), beide zusammen ncu herausgegeben von Francis Hitchman. (London ohne Jahreszahl.) * Die Runnymede letters, welche 1836 erschienen und viel Aufsehen machten. Vgl. die Briefe an seine Schwester vom (ohne näheres Datum) Januar und 5. März 1836. * Brief vom 5./3. 1836. – 10 – Briefen an seine Schwester bricht er in ein wahres Triumph- geschrei hierüber aus. „Die Wolken“ schreibt er während der Wahl! „haben sich endlich zerstreut, und meine Aussichten sind so glänzend wie der Tag“ und als er gewählt ist:” „Ich bin sehr wohl, und meine Laufbahn fängt an, mir zu gefallen . . Ich kann kaum meine Ruhe bewahren.“ Aber auch die parlamentarische Laufbahn brachte ihm zunächst herbe Enttäuschungen. Seine Jungfernrede war ein vollständiger Misserfolg. Die Gegner, besonders die Iren unter O'Connell, gegen welchen er sich ganz besonders wandte, übertönten ihn durch lautes Lachen und Schreien, so dass er schliesslich den Kampf aufgab und mit den weissagenden Worten schloss, dass die Zeit kommen würde, in der man auf ihn hören würde”. In der That kam diese Zeit sehr bald. Keineswegs abgeschreckt durch den ersten Misserfolg, ja ihn für eine Vorbedeutung seines schliesslichen Sieges auf der- selben Bühne haltend“, sprach er, dem Rate des irischen Führers Sheil folgend, häufig, aber kurz und sachlich und war bald eins der angesehensten Mitglieder des Parlaments. Im Jahre 1839 heiratete er die Witwe seines früheren Parlamentsgenossen, Mrs. Wyndham Lewis. Die Dame war 15 Jahre älter als er, aber sehr reich. Die Verbindung, die Disraeli aus den ihn stark bedrängenden Geldschwierig- z. B. ---- * Brief von 1837 „Friday“ datiert: „The clouds have at last dis- pelled, and my prospects are bright as the day . . . . . * „I am very well and begin to enjoy my new career . . . . . . . I can s car cely keep my counten an ce“ 27./7. 1837. a * Rede vom 7./12. 1837 „I am not at all surprised at the reception which I have experienced. I have begun several things many times and I have often succeeded at last. I will sit down now, but the time will come, when you will hear me“. * Vgl. die Briefe vom 8./12. und 11./12. 1837. „It was like my first début at Aylesbury and perhaps in that sense may be aus pi- cious of ultimate triumph in the same scene“ . . . . . . . . . „Sheil uéat für ihn ein und sagte: „If ever the spirit of oratory was in a man, it was in that man, nothing can prevent him from being one of the first speakers in the House of Commons . . . . . .“ 18./12. „Nothing daunted and acting on the advice of Sheil, I spoke again last night and with complete success“ . . . . – 1 1 – keiten erlöste, war offenbar eine Vernunftehe, aber nichts desto weniger durchaus glücklich. Dankbarkeit auf der einen Seite und Bewunderung auf der andern? ersetzten zunächst und schufen dann eine innige Neigung. Nach der Hochzeit unternahm er eine Reise nach Frank- reich und Deutschland. In den folgenden Jahren wuchs sein Ansehn immer mehr, und als im Jahre 1841 die konser- vative Partei unter Peel nach langen Jahren zum ersten Male wieder zur Regierung kam, mochte er wohl auf Amt und Stellung gehofft haben." Allein Peel überging ihn, und so ging er 1842 wieder nach Paris, wo er vom König Louis Philipp sehr ausgezeichnet wurde und mit den ersten Staats- männern und Gelehrten verkehrte. * Es hatte sich in diesen Jahren eine kleine Partei um ihn gebildet, die aus jungen Männern von hohem Rang und tüchtigem Talent bestand und die mit der konservativen Regierung unter Peel nicht recht zufrieden war." Das Pro- gramm dieser Jung-England-Partei, die in Politik und Reli- gion der Reaktion huldigte, entwarf Disraeli in den drei Romanen: „Coningsby“ (1844), „Sybil“ (1845) und „Tancred“ (1847). Dieselben hatten einen ungeheuren Erfolg und sind auch ästhetisch seine bedeutendsten Werke. Als dann im Jahre 1846 Peel, entgegen seinen Ver- Disraeli's Ansicht über Heiraten und Liebe geht aus folgendem Briefe hervor: „22./5. 1833. By the bye, how would you like Lady Z – for a sister in law, very clever, 25000 E and domestic? As for love, all my friends who married for love and beauty, either beat their wives or live apart from them. This is literally the case. I may commit many follies, but I never intend to marry for „love“ which I am sure is a guarantee of infelicity.“ ? Viele Anekdoten werden hierüber berichtet. Disraeli widmete sciner Frau seinen Roman „Sybil“ und, als ihm im Jahre 1868 die Pairswürde angeboten wurde, schlug er sie für seine Person aus, erbat sic aber für seine Frau. * Brief vom 31./8. 1841 „There is no news of any kind. All about appointments in the papers is moonshine. We arc frightened about the harvest, but as the glass has been gradually rising for some days, I do not despair . . . . . . * Vgl. die Briefe von 1842. * S. das Nähere weiter unten, – 12 – sprechungen, sich zur Aufhebung der Kornzölle bereit erklärte, unternahm Disraeli die Verteidigung der sich verraten glau- benden Schutzzöllner. Seine Reden gegen Peel sind Meister- werke in ihrer Art, sprudelnd von Witz und Geist, reich an glänzenden Bildern und Gleichnissen, die sich dem Gedächt- nisse unauslöschlich einprägen und zu geflügelten Worten geworden sind, voll von Bitterkeit und Sarkasmus. Sie ver- hinderten die Abschaffung der Kornzölle nicht, aber sie waren das Mittel der Erhebung Disraeli's. Es bildete sich eine Schutz- zollpartei, deren Führer dem Namen nach zwar zunächst Lord George Bentinck, deren wirklicher Führer aber Disraeli war. Diese Partei rächte sich noch in demselben Jahre durch den Sturz Sir Robert Peel's und verhalf ihren Feinden, den Whigs, zur Regierung. Bald darauf starb Lord George Bentinck, und Disraeli trat nun offen an die Spitze der konservativen Opposition. Der Spross eines damals in Eng- land noch nicht vollständig im Genuss der Bürgerrechte be- findlichen Volksstammes, der fünfmal durchgefallene Parla- mentskandidat, der verhöhnte Jungfernredner war der Führer der stolzesten Aristokratie der Welt geworden und sah das höchste Ziel des Ehrgeizes eines Engländers erreichbar vor sich. Dreimal wurde er in den folgenden Jahren Schatzkanzler und übte als solcher einen bedeutenden Einfluss auf die Gesetzgebung aus, besonders durch das grosse parlamen- tarische Reformgesetz von 1867, welches einen weiteren Schritt auf dem Wege zur Demokratisierung Englands bedeutete. Im Jahre 1868 wurde er zum ersten Male Premierminister, musste aber bald seinem Gegner Gladstone weichen. In der Musse schrieb er einen neuen Roman, der ungeheures Auf- sehn erregte: „Lothair“ (1870). Im Jahre 1874 wurde er zum zweiten Male Premierminister und lenkte während sechs ereig- nisvoller Jahre die Geschicke seines Vaterlandes. Die Be- urteilung seiner „imperialistischen“ Politik, die ihn, wenn auch nur für kurze Zeit, auf den Gipfel des Ruhmes hob, liegt ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit. Als er 1880 gestürzt wurde, wandte er sich noch einmal der Schrift- stellerei zu und verfasste den Roman: „Endymion“ (1880). Bald darauf am 19./4. 1881 starb er. ZWEITER TEIL. DISRAELI'S DICIITUNGEN. Die folgenden Seiten soll sich mit den Schriften Disraeli's, ihrem Inhalt, ihrer Tendenz und ihrem ästhetischen Werte beschäftigen. In den Rahmen unserer Betrachtung fallen selbstverständlich nur die dichterischen Werke des Mannes, sowohl die in ungebundener, als auch die in gebundener Form abgefassten. Seine Reden und politischen Pamphlete können nur zur Erläuterung herbeigezogen werden. Vor allem aber wird es zum Verständnis der Bedeutung Disraeli's nötig sein, ihn im Zusammenhange mit den geistigen Strömungen seiner Zeit zu behandeln, den Einflüssen nachzugehen, die auf ihn eingewirkt haben, und die Stellung festzustellen, die er zu den herrschenden Richtungen einnahm. Rein politische Fragen kommen auch hier nur soweit in Betracht, als sie zugleich all- gemein menschliche sind und eine ideale Tendenz besitzen. E R ST ES BU C H. ERSTES CAPITEL. VERFEHILTE VERSUCIIE. Benjamin Disraeli wuchs in einer litterarischen Atmo- sphäre auf. Sein Vater war ein Büchermensch im besten Sinne des Wortes; in seinem Hause verkehrten viele be- Die Ausführungen aus den Werken Disraeli's beziehen sich auf die Tanchmitz'sche Ausgabe. Soweit diese nicht vollständig ist, habe ich – 14 – rühmte Schriftsteller, vor allem der Dichter Samuel Rogers. So ist es nicht zu verwundern, dass der junge Rechtsstudent sich schon früh in der Litteratur versuchte. Es sind ihm mehrere verunglückte journalistische Ver- suche zugeschrieben worden. Sicher ist nur, dass er im Jahre 1826 eine Zeitschrift „The Star Chamber“ gründete, die sich kaum 2 Monate hielt (vom 19.4.–7./6.)! Diese Zeitschrift zeichnete sich durch ihre scharfe Gegner- schaft gegen die Whigs aus? und enthielt politische und litterarische Kritiken voll von Geist und Witz, aber auch voll von Frivolität und jugendlichem Dogmatismus. Die meisten Beiträge sind von Disraeli selbst, unter andern ein Gedicht von 446 Zeilen „The Dunciad of today“, * eine Satire auf gleichzeitige Liebhabereien, wie den Byronkultus und das Phil- hellenentum, sowie auf schlechte Reimer, die der Verfasser ziemlich sicher aus der grossen Zahl der damals namhaften Dichter herausfindet. Es bricht ab mit einer Ermahnung an die wirklichen Dichter. Weit wichtiger ist der gleichzeitig erschienene erste Roman Disraeli's: „Vivian Grey.“ ZWEITES CAPITEL. VIVIAN GREY. ERSTER TEIL. § 1. Inhalt des Romans. Vivian Grey ist der Sohn eines angesehenen Schriftstellers. Sein Vater, der ganz in gelehrten Studien aufgeht, kümmert sich nicht weiter um die Gesammtausgabe von 1870 benutzt. Die politischen Flugschriften „What is he?“ (1833) und „Vindication of the English Constitution“ (1835), die sich auch dort nicht finden, sind besonders herausgegeben von Francis Hitchman, dem Biographen Disraeli's. Die Reden habe ich benutzt in der Auswahl von T. E. Kebbel 2. vols. London 1882. Cf. Hitchman I p. 23. Lord Beaconsfield hat diese Zeitschrift nie anerkannt und später alle Exemplare aufgekauft. Im Brit. Museum befindet sich ein Exemplar. * Auch der alte Disraeli war Tory. Er schrieb als solcher eine „Inquiry into the Literary and Political Character of James I“ (1816) und „Commentaries of the Life and Reign of Charles I (1828). * In Anlehnung an Pope, der auch ein Lieblingsdichter seines Vaters war. Dieser hatte eingehende Studien über ihn gemacht. – 15 – ihn, als dass er ihm täglich ein Glas Wein giebt, ihn mit ungeschickter Liebkosung an den Ohren zupft und hofft, dass der „Bengel nicht schmieren wird“. Er muss zur Schule. Frau Grey will ihn nicht in eine öffentliche Schule schicken, weil die Jungen dort lebendig geröstet werden?, der Vater aber ist der Ansicht, dass alle Privaterziehung nichts tauge. So bleibt er denn ein Jahr lang zu Hause, bis sich schliesslich doch eine geeignete Schule für ihn findet. Aber auch dort hält es Vivian nicht sehr lange aus. Zunächst wird er durch seinen Witz, seine Gutmütigkeit und Ver- wegenheit der Held der Schule. Dann aber macht er sich einen Unterlehrer zum Feinde, der ihn bei dem Leiter der Schule anschwärzt. Dieser nennt ihn einmal einen „auf- rührerischen Fremden“ ”, die Knaben, die zum Teil auf Vivian's Ansehn neidisch sind, stimmen in den Ruf ein und „keinen Fremden“ erschallt es aus den Reihen der Mehrzahl. Vivian wirft den Stärksten zu Boden und rächt sich auf hinter- listige Weise, indem er sich mit eben jenem Unterlehrer ver- bindet und ihm hilft, die Knaben auf das schlimmste zu tyrannisieren. Schliesslich werden beide von der ganzen Schule überfallen, und während der Unterlehrer durchge- prügelt wird, hält sich Vivian die Anstürmenden mit geladener Pistole vom Leibe. Selbstverständlich wird er von der Schule gejagt und widmet sich nun ein Jahr lang in der Bibliothek seines Vaters ausschliesslich klassischen Studien. Er ist auf dem besten Wege, ein Bücherwurm zu werden, und will sich gerade in die Neuplatoniker vertiefen, als sein Vater ihn darauf aufmerksam macht, dass es doch Zeit sei, darüber nachzudenken, was er eigentlich vorhabe und wofür er auf der Welt da sei. Er beginnt daher die neuere Litteratur am-s =---- ---------ess-se--- - * „Mr. Grey’s parental duties being confined to giving his son a glass of claret per diem, pulling his ears with all the awkwardness of literary affection and trusting to God „that the urchim would never scribble“. Vivian Grey B. I Ch. I. * „His lady was one of those women, whom nothing in the world can persuade, that a publie school is anything else, but a place where boys are roasted alive“. Vgl. oben S. 6. * „Seditious stranger“ heisst der Ausdruck. Vivian Grey I, Ch. II. Vgl. darüber vorher p. 6, Anm. 2. – 16 – "d zu studieren und sich in der Gesellschaft zu bewegen. Bald fühlt er sich in derselben heimisch. Die feinen Damen beschützen und erziehen den eigenartigen Jüngling und ihr Einfluss macht sich in seinem Wesen bald bemerklich. Auch die Politik erregt seine Aufmerksamkeit und in ihr glaubt er, seinen Beruf gefunden zu haben. „Und jetzt war Alles ge- löst. Das unbestimmte Sehnen seiner Seele, welches ihn so oft beunruhigt hatte, war endlich erklärt. Die rätselhafte Leere, die er so oft gefühlt hatte, war endlich ausgefüllt; der grosse Gegenstand, der die Kräfte seines Geistes beschäftigen sollte, war endlich gefunden. Er schritt erregten Geistes durch das Zimmer und lechzte nach dem Senat.“ Er soll nach Oxford. Aber was ist Oxford diesem Knaben mit dem Geiste eines Mannes, der in menschlichen Herzen zu lesen versteht und menschliche Wesen zu leiten die Kraft in sich fühlt? Der blosse Gedanke erscheint ihm als eine Beleidigung. Er grübelt über die Laufbahn nach, die er einschlagen will. Rechtswissenschaft passt ihm nicht, denn, um ein grosser Advokat zu werden, muss er es aufgeben, ein grosser Mann sein zu wollen. Das Heer ist im Frieden lockend nur für Narren. Die Kirche würde ihm am ehesten behagen, aber er hat dort keine Aussicht: es fehlt ihm an Geld und vornehmer Abstammung. Dies verhilft ihm zu einer grossen Entdeckung. Ist nicht der Verstand eine Macht, wie der Reichtum und vornehme Geburt? Warum haben denn so viele ruhmreiche Philosophen und Dichter ihr Leben in Dachstuben verbracht und sind arm und elend gestorben? Weil diese Männer nur ihr eigenes herrliches Ich ergründet und dabei das Studium ihrer Nebenmenschen vergessen oder verschmäht haben. „Ja! Wir müssen uns in den grossen Haufen mischen; wir müssen * „And now every thing was solved! The inexplicable longings of his soul, which had so often perplexed him, were at length explained. The want, the indefinable want, which he had so constantly experienced, was at last supplied; the grand object, on which to bring the powers of his mind to bear and work was at last provided. He paced his chamber in an agitated spirit, and panted for the Senate“. V. G. I. Ch. VIII. – 17 – auf seine Gefühle eingehen; wir müssen seinen Schwächen schmeicheln, mit den Sorgen, die wir nicht fühlen, Mitgefühl heucheln und die Lustigkeit der Narren teilen . . . Um Menschen zu beherrschen, müssen wir Menschen sein; um zu zeigen, dass wir stark sind, müssen wir schwach sein; um zu zeigen, dass wir Riesen sind, müssen wir Zwerge sein . . . . . . unsere Weisheit muss sich verbergen unter Thorheit und unsere Beständigkeit unter Launen . . . . Die Menschen also,“ so schliesst Vivian diese pseudophilosophische Tirade, „sie sind mein grosses Spiel“. ! Und nun kommen die Folgerungen. Wie manchem hohen Adligen fehlt es nur an Geist, um Minister zu werden? Und was fehlt Vivian Grey? – Der Einfluss jenes Adligen. Wie, wenn beide Personen sich nun gegenseitig unterstützten ? „Angenommen, ich käme in Verbindung mit solch einem Granden, bin ich vorbereitet? . . . . . Ich habe den Geist dafür und die Ge- walt der Rede. Nur eins thut Not, Mut, ungebrochener voller Mut, und sollte Vivian Furcht kennen? Er beantwortete seine eigene Frage mit bitter spottendem Lachen“.” Sein Vater, dem er seine Gefühle auseinandersetzt, warnt ihn vor der Einbildung, in kurzer Zeit ein grosser Mann werden zu können. Arbeit und echte Geisteskultur seien die beste Vorbereitung hierfür. Er willigt jedoch ein, dass Vivian den Besuch der Universität noch etwas hinausschiebt. Vivian zögert nicht lange mit der Ausführung seiner Pläne. Eines Tages hat IIerr IIorace Grey die Ehre, den sms== ====s sms-s- ========-g V. G. I Ch. IX „Yes! we must mix with the herd; we must enter into their feelings; we must humour their weaknesses, we must sympathise with the sorrows that we do not feel; and share the merri- ment of fools. Oh, yes to rule men, we must be men; to prove that we are strong, we must be weak; to prove that we are giants, we must be dwarfs . . . . Our wisdom must be concealed under folly, and our Constancy under caprice. . . . . Mankind, then, is my great game.“ * „Supposing I am im contact with this magnifico, am I preparel ? I have the mind for the conception; and I can perform right skilfully upon the most splendid of musical instruments – the human voice – to make those conceptions beloved by others. There wants but one thing more – courage, pure, perfect courage; – and does Vivian know fear?“ He laughed an answer of bitterest derision, V. G. I, Ch. IX, 2 – – 18 – Marquis von Carabas, einen einflussreichen und geistesarmen Adligen, recht nach Vivian's Sinne zu begrüssen. Vivian schmeichelt ihm, erhält eine Einladung und wird bald der Freund und unentbehrliche Begleiter des Marquis, der ihn allen seinen Freunden vorstellt als „einen ungeheuer klugen jungen Manne und den nettsten Kerl, den er kennt“. Auf dem Schlosse des Marquis ist ein grosses Fest. Dort versammeln sich hohe Adlige, berühmte Schriftsteller, schlaue Advokaten und Millionäre. Vivian fühlt sich in dieser Ge- sellschaft ganz heimisch, schmeichelt jedem Vorurteil und überdenkt mit dem Marquis den Plan zur Gründung einer Carabas-Partei, welche die Regierung an sich reissen soll. Der Ausgang erscheint ihm nicht zweifelhaft. „Denn es war einer der ersten Glaubenssätze Vivian Grey’s, dass Alles möglich sei. Gewiss scheiterten viele Leute und, Alles in Allem genommen, wurde von der grossen Mcnge nur wenig erreicht. Aber all dies Scheitern und all das Misslingen liess sich zurückführen auf einen Mangel an physischem oder moralischem Mute . . . Nun war Vivian aber überzeugt, dass es in dieser Welt wenigstens eine Persönlichkeit gebe, die weder an Geist noch an Leib memmenhaft sei, und so war er schon längst zu dem angenehmen Schlusse gekommen, es sei un- möglich, dass seine Laufbahn anders als höchst glänzend aus- fallen könne.“ ? Nach langen Intriguen enthüllt endlich Vivian seinem Freunde dem Marquis seine Pläne und, da man doch seiner Jugend und Unerfahrenheit ein leicht erklärliches Mistrauen 4. Der Name ist dem bekannten Liede von Béranger: „Le Mar- quis de Carabas“ entnommen. * „For it was one of the first principles of Mr. Vivian Grey, „t hat every thing was possible“ Men did fail in life, to be sure, and after all, very little was done by the generality; but still all those - failures, and all this in efficiency might be traced to a want of physical and mental courage . . . . . Now Vivian Grey was conscious that there was at least one person in the world, who was no craven either in body or in mind, and so he had long come to the comfortable conclusion, that it wat impossible that his career could be anything but the most brilliant. V. G. II, Ch. VIII. – 19 – entgegenbringt, so verspricht Vivian einen bedeutenden und für den Augenblick kalt gestellten Politiker, den Herrn Frederick Cleveland, für die neue Partei zu gewinnen. Auch dies gelingt. Vivian weiss in dem kenntnisreichen, durch Undank verbitterten Politiker den schlummernden Ehr- geiz zu wecken. Cleveland übernimmt die Führung der neuen Partei, und Alles scheint erreicht. Aber schnell, wie er erstanden ist, fällt der luftige Bau der Pläne Vivians zusammen. Er besitzt eine Feindin in einer Schwägerin des Marquis, einem leidenschaftlichen und excentri- schen Weibe mit einer dunklen Vergangenheit. Sie sucht erst ihn, durch Gift aus dem Wege zu räumen und, als das nicht gerät, heuchelt sie leidenschaftliche Liebe zu ihm und unter- gräbt im geheimen seine Stellung. Die Adligen fallen einer nach dem andern von Vivian ab, der Marquis wird seines IIof- amtes entsetzt und jagt Vivian aus seinem Hause. Cleveland, der einsieht, dass er sich von einem Knaben hat missbrauchen lassen, fügt Vivian eine tötliche Beleidigung zu, und es kommt zu einem Duell, in welchem Vivian seinen Gegner tötet. Darauf fällt er aber in eine ernste Krankheit und unternimmt nach seiner Genesung eine Reise nach Deutschland. § 2. Aufnahme und gleichzeitige Kritik des Romans. Der erste Teil von Vivian Grey erschien im Jahre 1826 anonym und erregte ein ungeheueres Aufsehen. Dieser Erfolg beruhte allerdings zunächst auf einem mehr stofflichen, als ästhetischen Interesse. Die vornehme Gesell- schaft glaubte sich nämlich in den Personen des Romans wiederzuerkennen. Es erschienen nach einander mehrere Schlüssel, von denen einer schon 1827 die zehnte Auflage er- reichte. Die Kritik verhielt sich verschieden. Die Wochen- schriften „Literary Chronicle“ und „Literary Gazette“(22/4 1826) besprachen den Roman in günstiger Weise und sagten ihm einen grossen Erfolg voraus. Die Vierteljahrs-Zeitschriften ignorier- Disraeli hat in Contarini Fleming den Eindruck seines Romans geschildert: „You must read Manstein, everybody is reading it. It i? full of imagination and very personal . . . . we are all in it . . . .“ C. F. II, 14. 2* – 20 – ten ihn entweder vollständig oder behandelten ihn sehr ab- sprechend und von oben herab, so besonders die „Quarterly Review“ (Bd. 2 p. 319); dass aber der Erfolg desselben doch nicht ein blosser Skandal-Erfolg gewesen sein kann, zeigt die Thatsache, dass er bis heute beliebt geblieben ist, ob- gleich Disraeli, dem er späterhin aus mehreren Gründen recht unangenehm war, ihn zu unterdrücken versuchte." Sehen wir nun zunächst zu, welches die Tendenz des Ro- mans ist, besonders wie es sich mit jenen persönlichen und subjektiven Beziehungen verhält. § 3. Tendenz des Romans. Das persönliche und subjektive Element in dem selben. Es unter- liegt keinem Zweifel, dass Disraeli in Vivian Grey seine scharfe Beobachtungsgabe und frühreife Menschenkenntnis verwertet hat, dass er den Personen, die er in den Salons der vornehmen Welt traf oder besprechen hörte, Züge zur Darstellung seiner Charaktere entlehnt hat. Es liegt eine gewisse Kühnheit darin, die wohl zu seinem Charakter passt, wenn ein 21jähriger junger Mann es wagt, Minister und Oppositionsführer, berühmte Schriftsteller und Kritiker, Lord- kanzler und Grafen, Herzöge und Fürsten zum Ziele seiner Satire zu machen.” Es liegt nahe, den Verfasser selbst in Vivian Grey wiederzufinden.” Beider Väter sind Schriftsteller von Ruf, * In der Gesammtausgabe von 1870 sagt Disraeli selbst darüber: „Vivian Grey is essentially a puerile work, but it has baffled even the efforts of his creator to suppress it. Its fate has been strange and not the least remarkable thing is, that four years after its first publication I must ask the indulgence of the reader for its continued and inevitable reappearance.“ Heine erwähnt den Roman zusammen mit einigen andern in den Engl. Fragmenten. Ausg. von Karpeles IV 16. * Disraeli's Biographen geben eine genaue Liste der vermeint- lichen Originale der Charaktere des Romans. Wir finden unter ihnen Lord Brougham (Mr. Foaming Fudge) Canning (Mr. Charlatan Gas) Lord Eldon (Lord Past Century) Caroline Lamb (Mrs. Felix Lorraine) (Stanislaus Hoax) Theodor Hook etc etc. Cf Hitchman I p. 30 ff. * Lady Blessington, in deren Salon Disraeli ein ständiger Gast war, sagte zu dem Amerikaner N. P. Willis: „Disraeli the younger is beide haben keine öffentliche Schule noch Universität besucht, beide werden krank und unternehmen eine Reise nach Deutsch- land. Disraeli's Erfahrungen auf der Schule sind wahrschein- lich denen seines Helden nicht unähnlich gewesen. Daraus aber zu folgern, dass der ganzen Erzählung eine verunglückte Intrigue ihres Verfassers zu Grunde liege, wie das seine Feinde thaten , oder gar, dass der spätere Parlamentarier, Partei- führer und Minister nichts sei, als ein in die Wirklichkeit umgesetzter Vivian Grey, dessen Marquis von Carabas die Tories darstelle und dessen ganze Laufbahn ein Gewebe von geschickten Intriguen, Lug und Trug gewesen sei, das wäre ebenso thöricht, wie wenn man den Dichter von Werthers Leiden einen krankhaften Schwärmer und den der Räuber einen unklaren Revolutionär nennen wollte. Wie pharisäische Beschränktheit Byron das Schuldbewusstsein und die Ver- brechen seiner düsteren IIelden angedichtet hat, so hat Partei- leidenschaft Disraeli als einen politischen Intriganten und herzlosen Abenteurer verschrieen, weil er einen solchen dar- gestellt und ihm Züge der eigenen Natur geliehen hat.? Es wäre schon ungerecht, die noch unklaren und unreifen Anschauungen des Jünglings dem reiferen Manne zuzuschreiben. Aber was deutet überhaupt darauf hin, dass der Verfasser von Vivian Grey die Ansichten dieses teilt? Ist nicht gerade das Gegen- teil der Fall? Vivian scheitert jämmerlich, während sein Vater, der ihm den baldigen Zusammenbruch seines Systems von Lüge, IIeuchelei und Intriguen vorausgesagt hat, Recht behält. Der Dichter steht offenbar über dem unsittlichen und übertriebenen Ehrgeiz seines IIelden. quito his own character of Vivian Grey, crowded with talent, very soigné of his curls and a bit of a coxcomb“ Hitchman I p. 28. * Es ist von Disraeli's Feinden später behauptet worden, dass die Intriguen und die Verschwörung in Vivian Grey ihr Vorbild gehabt hätten in dem verfehlten Versuche der Gründung einer Zeitschrift: „The Representative“, welche nach sechs Monaten einging. Doch hat Disraeli joden Anteil an dieser Zeitschrift bestritten und die Sache beruht wohl auf Erfindung. Cf. Hitchman I p. 20 ff. Edinb. Rev. Bd. 97 p. 421. * Die Vivian Grey-Anschauung über Disraeli's Laufbahn zieht sich durch viele seiner Biographieen. Die Nullen glauben aber gar zu gern, dass jede Grösse auch nur eine verkappte Null sei, – 22 – Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir Vivian Grey als eine Art Selbstbefreiung des Dichters, als eine Katharsis nach Goethescher Manier auffassen. Er überwand eine krankhafte Seelenstimmung, indem er sie objektiv darstellte und ihre Folgerungen zog. Auf dem Wege der Dichtung, der aller- dings nur wenigen bevorzugten Geistern offen steht, reinigte er seinen Ehrgeiz von dem unsittlichen und sophistischen, Bestandtheile, der anfänglich ihm innewohnte. § 4. Äesthetischer Wert des Romans. Disraeli nennt später selbst den Roman „eine so heisse und flüchtige Skizze, als jemals geschrieben wurde, aber ihrem Gegenstande entsprechend, denn was ist die Jugend anders, als eine Skizze, eine kurze Stunde schwankender Grundsätze, ungezähmter Leidenschaften, unentwickelter Kräfte und unausgeführter Vorsätze?“ . In der That ist der Roman ein recht unreifes Erzeugniss. Die meisten Charaktere sind bloss skizziert, wenn auch einige, wie besonders die Gestalt des Marquis von Carabas, schon die Kunst des satirischen Sittenmalers in der Dar- stellung selbstsüchtiger aristokratischer Lebemänner verraten. Andere Charaktere, besonders der der leidenschaftlichen Intrigantin und Giftmischerin Mrs. Felix Lorraine, sind über- trieben und phantastisch. s Der Fortschritt der Handlung ist oft allzukünstlich, oft nicht genügend begründet. Ueber ddr Vorgeschichte der zweiten Hauptgestalt, eben jener Mrs. Lorraine, schwebt ein geheimnisvolles Dunkel. Der Stil ist lebhaft, aber gekünstelt. Der junge Schrift- steller nimmt die Miene des frivolen Weltmannes an und trägt eine kalte Weltverachtung und eine spöttische Blasiert- * Vorrede zu der neuen Ausgabe von Vivian Grey (1870): „as hot and hurried a sketch as ever was penned, but like its subject, for what is youth but a sketch, a.brief hour of principles unsettled, passions . unrestrained, powers undeveloped and purposes unexecuted?“ Vgl. auch Contarini Fleming II. Ch. XII, wo Disraeli in der Kritik des Romans "Manstein sein eigenes Werk “Vivian Grey’ troffond beurtheilt. heit zur Schau. Auch liebt er es, französische Worte und Phrasen in seine Sätze einzumischen." Trotz aller dieser Fehler, die sich aus der Jugend des Verfassers erklären, ist Vivian Grey ein geniales Werk und behält noch heute seinen Reiz, wo doch die persönlichen Bezich- ungen verblasst sind und nur noch den Forscher interessieren. Die Leidenschaft des Ehrgeizes ist wohl niemals packender und hinreissender dargestellt worden, weil sie vielleicht kaum je- mals tiefer empfunden worden ist. Der Held ist gleichsam der verkörperte Ehrgeiz, das Fleisch gewordene Streben nach Macht, keine Abstraktion, sondern voll Leben und innerer Wahrheit. Durch seine sophistischen Grübeleien geht eine Glut der Leidenschaft, die dem Buche eine dauernde An- ziehungskraft verleiht. Selbstdurchkämpftes, ein Stück eigenen Lebens, gleichsam ein Ficbertraum der Jugend verbinden sich mit Witz, Geist und Lebhaftigkeit zu einem Ganzen, das immer spannt und nie ermüdet. Litterarhistorisch endlich gehört Vivian Grey zu den ersten Mustern des High-Life-Romans, der die Darstellung der Sitten der hohen Aristokratie zum Ziele hat. Kurz vor- her war ein Roman dieser Gattung erschienen, der viel Auf- sehen erregt hatte (Tremaine 1825 von Plummer Ward)? und bald folgte eine ganze Reihe anderer, die jetzt bis auf die von Bulwer und Disraeli verfassten ganz vergessen sind.” Ermutigt durch den Erfolg seines Werkes veröffentlichte Disraeli im folgenden Jahre einen zweiten Teil des Vivian Das Buch zeigt in dieser Beziehung viel Ähnlichkeit mit Bulwer's „Pelham“, welcher 1828 erschien. * Oh, by the bye, Mr. Grey who is the author of Tremaine?“ „I'll tell you who is not.“ „Who?“ „Mr. Ogle“ „But, really, who is the author etc.“ Viv. Gr. B. II Ch. X. * Heine erwähnt Tremaine, Vivian Grey, The Guards, Almack's, Flirtation „welcher letztere Roman die beste Bezeichnung wäre für jene Koketterie mit ausländischen Manieren und Redensarten, jene plumpe Feinheit, schwerfällige Leichtigkeit, saure Süsselei. gezierte Roheit, kurz das ganze unerquickliche Treiben jener hölzernen Schmetterlinge, die in den Sälen West-Londons herumflattern. Englische Fragmente. Ausg. von Karpeles. IV, 16. Grey, der die Schicksale seines Helden in Deutschland schildert. DRITTES CAPITEL. VIVIAN GREY. ZWEITER TEIL. § 1. Inhalt. Wir treffen Vivian Grey zunächst in IIcidelberg wieder. Allmählich erholt er sich von den Folgen seiner Krankheit und gewinnt wieder Freude an dem Ver- kehr mit Menschen. „Abenteuer begegnen dem Abenteuer- lichen“ , heisst ein Lieblingsspruch Disraeli's, und so lassen die Abenteuer denn auch bei Vivian nicht lange auf sich warten. In Frankfurt rettet er einen Gaukler aus einer Schlägerei und erwirbt sich dadurch einen ergebenen Diener. In Ems deckt er unerschrockenen Mutes das schändliche Komplott einer Falschspieler - Gesellschaft auf und bewahrt so einen jungen Engländer vor dem Ruin. Zu der Schwester desselben fasst er eine innige Neigung, die diese auch cr- widert; aber bei einem Waldausflug stirbt das schwindsüch- tige Mädchen in seinen Armen. Darauf reist er weiter. Nach einem tollen Abend auf dem Schlosse rheinischer Reichsgrafen, wo er gezwungen wird, an einem wüsten phantastischen Zechgelage teilzunehmen, rettet er in einem Walde einem Jäger das Leben im Kampfe mit einem wilden Eber. Dieser Jäger ist ein mediatisierter Fürst, der Fürst von Little Lilliput, jetzt ein unzufriedener Unterthan des Grossherzogs von Reisenberg.? Er ist das Haupt und die Hoffnung der demokratischen Partei, die dem Lande eine Verfassung erkämpfen will. Vivian begleitet ihn zu einer Zusammenkunft mit dem allmächtigen Minister des Ländchens, Herrn Beckendorff.” Beckendorff ist ein „Meister- geist“ (master-mind), ein Bürgerlicher, der sich durch die "º- --------------------“ *--- ==--«mº º-sº“º. „Adventures are to the adventurous“ heisst es in „Ixion in Heaven“, ferner in Coningsby III, 1. „Youth must be passed in adventure Cont. Fleming I, 15. „How full of adventure is life! It is monotonous only to the mono- tonous“ Tancred VI, 8. * Gemeint ist vielleicht der Grossherzog von Sachsen-Weimar. * Nach Hitchman I p. 31 ist Fürst Metternich damit gemeint; doch erscheint dies sehr wenig glaublich. Kraft seines Geistes und Charakters zum Führer des Adels und zur Stütze des Throns emporgeschwungen hat, ein allseitig gebildeter Mann und tiefer, einsamer Denker. Er lehrt Vivian, dass es kein Schiksal gicbt, sondern dass das Schicksal des Menschen von seinem eigenen Wesen abhängt und dass nicht die Umstände den Menschen machen, sondern der Mensch die Umstände, wenn er nämlich Thatkraft besitzt. Es gelingt Beckendorff, den Fürsten von Little Lilliput durch die Verleihung der Hofmarschallswürde zu gewinnen und als IIofmarschall trifft Vivian ihn am Hofe zu Reisenberg wieder. Dort herrscht als Richterin des Geschmacks die Gemahlin des Grossherzogs, Madame Carolina, die die Litte- ratur begünstigt, während der Grossherzog der Musik sein IIauptinteresse zuwendet und auf die Oper seiner Hauptstadt mit Recht stolz ist. Vivian wird bald ein Günstling des Grossherzogs und seiner geistreichen Gemahlin. Auf einem Hofballe erscheint eine geheimnisvolle Fremde, eingeführt von Herrn Beckendorff und allgemein für eine un- eheliche Tochter desselben gehalten. Sie verliebt sich in Vivian und beide kommen heimlich in Beckendorffs Hause zusammen. Der letztere überrascht das Paar und entdeckt dem erstaunten Liebhaber, dass sie eine österreichische Erz- herzogin ist, die mit dem Kronprinzen von Reisenberg verlobt wurde. Vivian muss den Hof verlassen. Nach diesem Knalleffekt verläuft die Erzählung im Sande. Was kann dem IIelden auch noch Grosses begegnen, nachdem eine Erz- herzogin ihn geliebt hat? Ein Wirtshausstreit im Stile von Cervantes, ein Dorf- fest, welches Goethe'schen Schilderungen nachgeahmt ist, ein furchtbarer Sturm – und dann bricht die Erzählung ab –, nicht zu unserem Bedauern, denn das Interresse war schon lange erlahmt. Der Held, so hören wir, reist nach Wien. sºms=- =-------- * „Fate Destiny, Chance, particular and special Providence – idle words! . . A man's Fate is his own temper; and according to that will be his opinion as to the particular manner in which the course of events is regulated. A consistent man believes in Destiny – a capricious man in Chance . . . . Man is not the creature of circumstances. Circum- Stances are the creatures of man. . . . .“ Vivian Gr. VI. Ch. VII. § 2. Aufnahme des Werkes und gleichzeitige Kritik. Der zweite Teil von Vivian Grey wurde weniger günstig aufgenommen, als der erste. Man suchte auch hier die Urbilder zu den geschilderten Charakteren, aber man nahm an dem IHelden und seinen Schicksalen nicht mehr denselben Anteil. Auch die Kritik verhielt sich meist ablehnend. Die „Literary Gazette“ (°/3 1827) behauptete, nicht zu wissen, was sie aus dem Romane machen sollte, die „Quarterly Review“ (Bd. 5 p. 420) fiel wütend darüber her, nannte das Buch „elendes Gemengsel“, „die Probe eines Gemischs von Anmassung und Unwissenheit“ und schloss ihre Kritik damit, dass das Buch ihr „äussersten Ekel und ungemilderte Verachtung“ eingeflösst hätte.? Für uns kommt es zunächst darauf an, die Tendenz des Romanes, die Weltanschauung und die Ansichten des Dichters, wie sie sich in demselben kundgeben, kennen zu lernen. ás § 3. Tendenz des Roman es. An einer einheit- lichen Idee fehlt es dem Romane ganz und gar. Abenteuer reiht sich an Abenteuer, nur zusammengehalten durch die Person des Helden. Immerhin ist es bezeichnend, dass das Ganze schliesslich wieder auf Politik hinausläuft.” Der IIeld, der eben noch so bittere Erfahrungen auf diesem Gebiete gemacht hat, wird - doch bald wieder in eine politische In- trigue verwickelt und interessiert sich hauptsächlich für Par- teien und Staatsmänner. In politischer Beziehung hat der Roman auch eine bestimmte Tendenz und zwar ist diese durch- aus aristokratisch und konservativ. Die liberalen Bestrebungen, die Verfassungsbewegungen werden in der Person des Fürsten von Little Lilliput verspottet, der seine seichten und ver- * Der Fürst von Little Lilliput sollte Prinz Leopold (später Leopold I. von Belgien) sein, Beckendorff–Metternich, der Grossherzog von Reisenberg – der Grossherzog von Sachsen-Weimar oder Baden, Julius von Aslingen – Brummel etc. * „Miserable farrago“, a specimen of mingled pretension and ignorance“, „utter disgust and unmitigated contempt“ lauten die betr. Bezeichnungen im Urtext. * „Sooner or later, whatever may be your present conviction, and your present feelings, you will recur to your original whishes, and your original pursuits“, sagt Beckendorff zu Vivian Grey. B. VI Ch. VII. schwommenen Überzeugungen einer Hofmarschallsstelle opfert. Dagegen erscheint der ideale Mann, der „Meistergeist“ Becken- dorff, als ein conservativer Staatsmann, allerdings hervorge- gangen aus dem Bürgertume. Den liberalen Bestrebungen stellt Disraeli den Glauben an grosse Männer, den Heroen- kultus entgegen. Hierin liegt der ethische Fortschritt gegen- über dem Cynismus des ersten Teils des Vivian Grey. Auch sonst steht Disraeli auf dem Boden romantischer Reaktion. Von diesem Standpunkte aus zeigt er eine ent- schiedene Vorliebe für den Katholizismus und zeiht Luther der Abtrünnigkeit und der Rohheit.? Dieser revolutionsfeind- liche Geist geht durch das ganze Buch. Neben der Politik kommen auch noch andere Dinge zur Sprache: die deutsche Philosophie, besonders der Fichte'sche Idealismus, wird geistreich verspottet, und ihr Nutzen geleugnet. Disraeli meint, die Philosophie solle sich mit praktischen Fragen abgeben, um nicht blosse Träumerei zu sein.” Die historischen Romane“, die in ohnmächtiger Nachahmung Walter Scott's statt Menschen Anzüge schildern, werden mit scharfer Satire gegeisselt, und auch andere Zeit- fragen werden witzig behandelt, wobei es dem Verfasser aller- dings begegnet, von einem „Baron von Goethe“ zu sprechen. § 4. Ä es thetischer Wert des Romans. In ästhetischer Beziehung leidet der Roman zunächst an dem * „He has himself become a pupil in the school of modern philo- sophy and drivels out, with equal ignorance and fervour, enlightened notions on the most obscure subjects“. VI. Ch, IV cf. auch Ch. VII. * „Martin Luther, – an individual whom, both in his apostacy and brutality, he much and only resembled“. VII Ch. XII. * „When I find a man, instead of meditating on our essence and the principle of our spirit . . . . developing and directing the energies of that essence and that spirit . . . . . When I find a man, instead of musing over the absolute principle of the universe, forming a code of moral principles, by which this single planet may be regulated and harmonized: when I find him . . . . . demonstrating the indissoluble con- noction of private happiness and public weal . . . . . I recognize in this man, the true philosopher; I distinguish him from the dreamers who arrogate that title . . . . . “ B. VII, Ch. III. * „We have ever considered that the first point to be studied in novel writing, is character: miserable error! It is costume etc. VII Ch. III. Mangel einer straffen Einheit. Mannigfache Abenteuer, inte- ressante Gespräche über allerlei Dinge, Charakteristiken von Personen, alles ohne Zusammenhang. Das ist der Inhalt. Daraus folgt eine gewisse Weitschweifigkeit, die oft und be- sonders gegen das Ende ermüdet. Wo dem Verfasser seine fruchtbare Phantasie versagt, da nimmt er seine Zuflucht zum Gedächtnisse und ahmt Cervantes, Goethe oder Byron nach. Einzelne Teile sind dagegen voll von Frische, Leb- haftigkeit, Witz und Humor, und besonders sind die Charaktere Beckendorffs, des Fürsten von Little Lilliput und seiner Umgebung, sowie der des Dieners Vivians, Esper George, gut zeichnet. Im Ganzen kommt dieser zweite Teil dem ersten an Interesse nicht gleich und muss trotz mancher Vorzüge als verfehlt bezeichnet werden. VIERTES CAPITEL. KAPITÄN POPANILLA. Ein Jahr nach dem Erscheinen des Vivian Grey ver- öffentliche Disraeli die satirische Erzählung, die entschieden zu dem Besten gehört, was er geschrieben hat und leider viel zu wenig bekannt ist. Berichten wir zunächst über ihren Inhalt. § 1. fn halt. Im indischen Ocean liegt die Insel der Phantasie, von Entdeckern und Missionsgesellschaften noch unerforscht, begünstigt durch ein herrliches, mildes Klima, einen fruchtbaren Boden und einen immer klaren Himmel und umflossen von der ruhigen, blauen See, deren Wellen sich an Korallenfelsen brechen. Die Männer der Insel verbinden die Lebhaftigkeit von Faunen mit der Stärke des Herkules und der Schönheit des Adonis, die Frauen sind bezaubernd wie Meeresgöttinnen. Während der IIitze des Tages schlafen die Bewohner, und Nachts erfreuen sie sich an Tanz und Schmaus. Sie sind unschuldig und glücklich, obgleich sinnlich und unwissend. Ein Schiff scheitert an den Felsen der Insel, und die * Nicht Irland, wie Hit c h man meint. I p. 40. Irland ist das später erwähnte Blunderland. s=----a – 29 – unwissenden Insulaner halten es für einen grossen Fisch. Ein Eingeborener, Popanilla, sucht am Gestade die Haarlocke seiner Geliebten und entdeckt eine Kiste. Sie enthält Bücher, Abhandlungen über Politik, Nationalökonomie, IIydrostatik, den „universalen Sprachlehrer von Mr. IIamilton oder die Kunst in Sprachen zu träumen“! und viele andere Bücher. Popanilla vertieft sieh in die Bücher, die er merkwürdiger Weise gleich lesen kann, und zieht sich von seinen Genossen zurück. Er kommt zu der Erkenntnis, „dass er und seine Mitinsulaner nichts als eine IIerde unnützer Wilder seien“?, und beschliesst, als Reformator aufzutreten. Er ergreift die erste Gelegenhelt, an den König der Insel eine lange An- sprache zu richten, in welcher er seine neu erworbenen Kenntnisse darlegt. Er spricht von den Menschen im Natur- zustande, dem Ursprung der Gesellschaft und den Grund- lagen des Gesellschaftsvertrages in Sätzen, die eines Bentham nicht unwürdig gewesen wären, er geht dann auf die Angel- sachsen über, streift die französische Revolution und behauptet schliesslich, dass der Mensch zu etwas Anderem geboren sei, als um sich zu belustigen, dass das Vergnügen nicht den geringsten Nutzen habe, dass es deshalb schädlich sein müsse und folglich auch nicht angenehm sein könne. Er legt weiter dar, dass der Mensch nicht für sich selbst, sondern für die Gesellschaft geboren sei und dass ein Volk ausserordentlich glücklich, mächtig und reich sein könne, wenn auch jedes einzelne Glied desselben elend, abhängig und verschuldet sei. Er bedauert, dass keiner auf der Insel sich des Zweckes seines Daseins bewusst sei, der doch darin bestehe, sich zu vervollkommnen, oder mit anderen Worten in der Entwicklung des Nützlichen.” „The Universal Linguist by Mr. Hamilton or the Art of Dreaming in Languages“, die bekannte Methode, auf der u. a. die Toussaint- Langenscheidtschen Bücher beruhen. * „Popanilla, who had been accustomed to consider himself and his companios as the most elegant portion of the visible creation, now discovered, with dismay, that he and his fellow islanders were not hing more than a herde of useless sa vages“. Chap. IV. * „The development of utility is therefore the object of our being and the attainment of this great end the cause of our existence“. Chap. IV. – 3{) – Er verspottet die Einfachheit der Sitten, die keine Bedürfnisse aufkommen lasse und deshalb auch keine Nachfrage, folglich kein Angebot, folglich keine Konkurrenz, folglich keine Er- findungen, folglich keinen Nutzen, sondern nur ein grosses ver- derbliches Monopol des Wohllebens und der Bequemlichkeit." Er macht dann Vorschläge für die Entwicklung der Insel. Man solle eine grosse Hauptstadt bauen, die Wälder niederhauen und daraus Schiffe herstellen, Kanäle graben, die Elephanten töten und das Elfenbein ausführen, die Schätze des Erdreichs und die grossen Häfen der Insel nutzbar machen; dann, meint. er, werde nur kurze Zeit vergehn, „bis die Inselbewohner, anstatt ihr Leben in unnützem Wohlleben und zwecklosen Genüssen zu verbringen, der Schrecken und die Bewunderung der Erde werden und jede Nation von irgend welcher Be- deutung beunruhigen können“.” Als Seine Majestät hierüber zu lächeln wagt, sagt ihm Popanilla, dass der König nur der erste Beamte des Staates sei und nicht mehr Recht habe über ihn, Popanilla zu lachen, als ein Dorfpolizist. Als Popanilla endlich fertig ist, bricht der König in ein lautes Gelächter aus und sagt zu seinen Höflingen: „Ieh weiss nicht, was dieser Mann redet, aber das weiss ich, dass er mir Kopfweh macht; gebt mir ein Glas Wein und lasst uns einen Tanz machen“.” Popanilla lässt sich hierdurch nicht abschrecken. Er tröstet sich mit den grossen Opfern der Wissenschaft und beginnt zu wühlen und im Geheimen Anhänger zu werben. Da es auf der Insel keine Unzufriedenen giebt, so wendet er sich an die Jugend. Bald ertönen die schrillen Stimmen lehrmeisternder Jünglinge durch die ganze Insel und die Abendtänze sind verlassen. Das Treiben wird dem König * Alles das sind den Schriften Bentham's entnommene, aber selbst- verständlich carrikirte Sätze der utilitarischen Schule. Vgl. darüber weiter unten. * „Ere, instead of passing their lives in a state of unprofitable case and useless enjoyment, they might reasonably expect to be the terror and astonishment of the universe, and to be able to annoy every nation of any consequence“. Chapt. IV. * „I have no idea what this man is talking about, but I know that he makes me head ache; give me a cup of wine and let us have a dance“ Chapt. IV. – 31 – zu arg, und er lässt Popanilla zu sich kommen. Er erklärt sich für bekehrt zu den Lehren des Neuerers und will mit der Befolgung gleich beginnen, indem er Popanilla zum Kapitän eines Zuges zur Entdeckung neuer Inseln und Anknüpfungen von Verbindungen mit fremden Völkern er- nennt. „Da es der Grundsatz deiner Schule zu sein scheint“, sagt er mit feiner Ironie, „dass alles auf einmal vollkommen gemacht werden könne ohne Zeit, ohne Erfahrung, ohne Mühe und ohne Vorbereitung, so habe ich keinen Zweifel, dass du, ausgerüstet mit einigen Abhandlungen, einen vortrefflichen Schiffskapitän abgeben werdest, obgleich du nie in deinem Leben auf der See gewesen bist. Lebewohl, Kapitän Popanilla.“ Mit Gewalt schleppt man den unglücklichen Volksbeglücker in ein 8chiff, das ihn, der jetzt gerne alle seine Überzeugungen widerriefe, bald auf offene See bringt. Nach einer mehrtägigen Reise kommt er in dem Lande Vraibleusia und zwar in dessen IHauptstadt Hubbabub? an. Bei seiner Ankunft hält er eine Ansprache an die Eingeborenen, in der er sich für „das Opfer eines despotischen Herrschers, einer verderbten Aristokratie und eines irregeleiteten Volkes“ * ausgiebt und in Folge dessen mit Jubel empfangen wird. Man sammelt für ihn und stopft ihm die Taschen voll Gold. Bald lernt er alle Segnungen der Cultur in diesem hochent- wickelten Lande kennen, aber sie erscheinen seinem uneinge- weihten Auge als die seltsamsten Widersprüche. Sein Be- gleiter Skindeep sagt ihm, dass Vraibleusia das teuerste Land der Welt sei, und doch bekommt er in Folge der freien * As the axiom of your school seems to be that everything can be made perfect at once, without time, without experience, without practice and without preparation, I have no doubt that, with the aid of a treatise or two, you will make a consummate naval commander, although you have never been at sea in the whole course of your life. Farewell, Captain Popanilla. Chap. V. * Natürlich England und London. Das Versteckspiel wird nicht einmal streng aufrecht erhalten. So ist z. B. von Schotten die Rede Chap. X. * „You see before you banished, ruined and unhappy the victim of a despotic sovereign, a corrupt aristocracy and a misguided people.“ Chap. VI. Es waren das die Schlagworte der Radikalen jener Zeit, des „Redners“ Hunt und des demagogischen Aufwieglers William Cobbett. – 32 – Conkurrenz einen Geldbeutel umsonst und noch ein Goldstück obendrein. Es ist das mildthätigste Land der Welt, aber ein Bettler, der um Almosen bittet, wird mit Schlägen bedroht. Es ist das freieste Land der Welt und deshalb wird Popanilla beinahe getötet, als er einen Schornsteinfeger unsanft aus dem Wege stösst; es ist endlich – grösstes Wunder! – das reichste Land der Welt und steckt doch über Hals und Kopf in Schulden. Unter den Einwohnern fällt ihm besonders ein grosser, dicker IIerr auf, welcher der „Ureinwohner“! genannt wird und der in Hülle und Fülle lebt, während alle anderen um ihn her darben. Dieser Ureinwohner erhebt den An- spruch, dass die Einwohner ihr Korn nur von ihm kaufen dürfen und es nach seinem Gewichte in Gold bezahlen müssen.” Popanilla wird bald eine gefeierte Persönlichkeit, wird „Prinz Popanilla“ genannt und besucht unter Begleitung eines hohen Staatsbeamten alle öffentlichen Gebäude der Stadt. In dem „Hörsaal d. h. dem Parlament sieht er eine grosses Standbild, das aus drei Erzen zusammengesetzt ist und ein Schwert und einen Krummstab in der Hand hält. Es stellt die Staatsverfassung, „die gemischte Regierung“, dar. Über die richtige Art der Zusammensetzung herrschen üb- rigens lebhafte Streitigkeiten.” Zwölf Aufseher – natürlich die Minister – haben das Standbild, das zugleich ein Uhrwerk ist, aufzudrehen und seinen Innenbau in Ordnung zu halten. Popanilla wohnt einer Ministersitzung bei, in der einmal be- schlossen wird, ein Volk gegen seinen gewaltthätigen IIerrscher zu unterstützen, ein anderes mal einen König gegen sein auf- ständiges Volk zu schützen, dann, dem sich in Geldnot befinden- den Kaiser des Ostens zu helfen und gleich darauf in den Frei- staaten des Westens durch Verfassungen und Bajonette den * „Aboriginal Inhabitant.“ * Die Anspielung auf die strengen Korngesetze in jenen Jahren, welche die Einfuhr fremden Kornes bei einem Preise von unter 80 sh. für den Scheffel Weizen verboten. Alljährlich wurde diese Frage im Par- lamente verhandelt. Die ersten Erleichterungen führte Canning 1826 durch. * Dies bezieht sich auf die parlamentarischen Reformbestrebungen, die seit dem Kriege mit immer verstärkter Kraft auftraten und in dem Gesetz von 1832 ihren ersten grossen Erfolg errangen. – 33 – Frieden horzustellen. * Er sieht einen Streit zwischen beiden Parteien, wobei die Aufschef angegriffen und von ihren Sitzen gerissen werden, bis schliesslich der Centeur Chiron sie alle hinauswirft und einziger Aufseher des Standbildes wird.? In kurzem ist Popanilla der Löwe des Tages. Man rüstet ein grosses Schiff aus, um die Einwohner der Insel Phantasie mit allem zu versehen, was sie weder brauchen noch wollen. Man gründet Aktiengesellschaften, um die Hülfsquellen des Landes auszubeuten, ein allgemeiner Auf- schwung tritt ein, die Spekulanten werden reich, ziehen in Schaaren nach dem Westen und bilden eine neue Aristokratie, der nur noch die Manieren fehlen. Popanilla wird krank. Die Ärzte quälen ihn auf die sinnreichste Weise, aber er genest und benutzt die Zeit der Genesung, um eine „Abhandlung über das Obst“ zu lesen. Dieselbe ist eine hübsch durchgeführte allegorisch- satirische Darstellung der Religionsgeschichte Englands. Der Katholizismus erscheint als Ananas, der von aussen einge- führt und zuerst von einem bestimmten Gärtner (dem Papst) geliefert, später aber von den Vraibleusianern selbst gezogen wird (anglikanische Kirche); die übrigen christlichen Sekten erscheinen als Kürbisse, Birnen und anderes Obst, der Puri- tanismus endlich als saurer IIolzapfel. Nach seiner Krankheit macht Popanilla eine Reise nach Blunderland (Irland), einem sehr fruchtbaren Lande, in dem aber die grösste Wirrniss herrscht. * Die Leute schiessen sich bei Tisch über den IIaufen, stecken sich die Häuser in Brand und fröhnen dem Vergnügen der Menschenjagd. Die Ursache =&ºumsmº-mº- ! Der Verfasser wendet sich gegen die äussere Politik Canning’s gegenüber Spanien und den südamerikanischen Republiken, Neapel, der Türkei und Griechenland. Vgl. hierüber Pauli Geschichte Englands seit den Friedensschlüssen von 1814 und 1815. Bd. I, 4. p. 265 ff. und I, 7. ? Gemeint ist der Herzog von Wellington, der im Jahre 1828 nach dem kurzen Ministerium von Lord Goderich Premierminister wurde. * In der Zeit vor der Katholiken - Emanzipation hielt Daniel O'Connell an der Spitze der katholischen Vereinigung das Land in be- ständiger Aufregung. Vgl. Pauli I p. 375 ff. Z – 34 – hiervon soll sein, dass die Einwohner darauf bestehen, ihre eigenen Ananas zu importieren (Katholiken zu bleiben). Als Popanilla von diesem Ausfluge nach IIubbabub zurückkommt, wird er sehr unfreundlich empfangen, weil das Schiff, welches man nach der Insel Phantasie ausgeschickt hat, diese nicht hat entdecken können und mit allen seinen Vorräten unverrichteter Sache zurückgekehrt ist. Ein schlimmer Krach, Zahlungseinstellungen, Arbeiterunruhen, Not und Elend sind die Folgen. Popanilla wird wegen IIochverrats in das Gefängnis geworfen und dann vor ein Gericht gestellt. Dies klagt ihn einer juristischen Fiktion zu Folge an, 219 Kamelo- garden gestohlen zn haben, und spricht ihn dann frei”. IIierauf verlässt er das Land mit der Überzeugung, dass ein Volk auch zu künstlich leben und hierdurch in seinem Wesen ge- schädigt werden kann. § 2. Abfassungszeit, Gleichzeitige Kritik etc. Ich habe diese satirische Erzählung ziemlich ausführ- lich behandelt, weil sie mit Unrecht, sowohl von der gleich- zeitigen als späteren Kritik sehr wenig beachtet worden ist. Die „Literay Gazette“ brachte eine günstige Besprechung, sonst wurde sie kaum erwähnt” und ist früh vergessen worden. Die Biographieen Disraeli's, mit Ausnahme des Buches von Brandes, berühren sie auch nur sehr oberflächlich. Die Zeit ihrer Abfassung fällt in das Jahr 1828, wie sich aus inneren Gründen mit Sicherheit ergiebt“, obgleich die Gesammtausgabe von 1870 das Jahr 1827 nennt. § 3. Tendenz der Satire. „Kapitän Popanilla“ ist für die Kenntnis der Entwicklung des Dichters von der äussersten Wichtigkeit. Die Satire zeigt uns seine Welt- anschauung zu jener Zeit, seine Stellung zu den Fragen, die ---- -«ma- =-a mºmms=ºm 1. Dies war in England im Jahre 1826 der Fall. Vgl. Pauli I, 5. * Dies bezieht sich vielleicht darauf, dass die Geschworenen, um die unmenschlich strengen Strafgesetze zu umgehen, die schon bei einem Ladendiebstahle von 5 sh. den Tod durch den Strang verhängten, es vorzogen, durch eine Fiktion in jedem einzelnen Falle den Wert des gestohlenen Gegenstandes unter 5 sh. zu fassen. Vgl. Pauli I p. 157. * Edinburgh Review, vol. 86. p. 139. * Besonders aus der Anspielung auf das Ministerium des Herzogs von Wellington (Cap. X). – 35 – die Welt damals bewegten. Das Buch ist im Geiste der Romantik geschrieben, fortschritts- und reformfeindlich. Be- sonders wendet sich Disraeli gegen die utilitarische Schule Jeremy Bentham's, die alle staatlichen Einrichtungen nach dem „Nutzen“ beurteilte und deren Hauptlehrsatz war, dass eine Verfassung darauf angelegt sein müsse, der „grösstmög- lichen Anzahl von Menschen den grösstmöglichen Nutzen“ zu sichern. Diese Richtung, die damals sehr mächtig war und alle altehrwürdigen Einrichtungen des englischen Staatslebens, Königtum und Oberhaus, Parlamentswahl und Justiz einer scharfen, meist treffenden, aber auch oft einseitigen und über das richtige Mass hinausgehenden Kritik unterwarf, bekämpft Disraeli hier, wie in seinen anderen Werken.? Er macht die unpraktischen Theoretiker und lehr- meisternden Philosophen lächerlich, die da glauben, mit ihren Plänen die Welt verbessern zu können und behauptet mit Rousseau und Byron, * dass das Glück nicht in der Cultur und nicht im Wissen liege. Weiter beurteilt er die einzelnen Einrichtungen Eng- lands, sowohl seine innere, als auch seine äussere Politik und auch hier vertritt er im Grossen und Ganzen den konser- vativen Standpunkt. Die Pfeile seiner scharfen, aber lau- nigen Ironie richten sich ebenso gegen die unermüdliche Re- formthätigkeit der Nationalökonomen und Fortschrittspropheten im Innern, wie gegen die liberale Politik Canning's nach 1 Vgl. Pauli I p. 128 ff. Spencer-Walpole: A History of England from the Conclusion of the Great War im 1815. I p. 332 ff. * S. bes. „Vindication of the English Constitution in a letter to a noble Lord (Lord Lyndhurst)“ 1835. ferner „The Young Duke“ V, 7. Vgl. hierüber weiter unten. * Von Rousseau läuft eine doppelte Richtung aus. Die Romantik geht ebenso sehr auf ihn zurück, wie der Radikalismus, ebenso der kon- servative Novellist und Satiriker, wie der radikale Dichter Byron. Was den letzteren angeht, so vgl. man bes. Manfred I, 1 : „Sorrow is knowledge; they who know the most, Must mourn the deepest o'er the fatal truth. The Tree of Knowledge is not that of Life“, ferner das Gedicht: „The Isl an d“, welches einen glücklichen Naturzustand schildert und wohl die Anregung zu „Kapitän Popanilla“ gegeben haben kann. 3 – 36 –– aussen hin. Aber er nimmt keinen engherzigen Parteistand- punkt ein. Dies zeigt seine feine Satire gegen die Land- und Korngesetzgebung, die er später selbst gegen Peel verteidigen sollte. Selbstverständlich offenbart der Verfasser seine An- sichten hier nur verneinend. Der Satiriker legt Verkehrt- heiten bloss auf, aber er zeigt nicht das Richtige; er reisst nieder, aber baut nicht auf. Die sachliche Ergänzung zu der Satire findet sich in den späteren Schriften Disraeli's. In religiöser IIinsicht bekundet der Dichter des „Popa- nilla“ eine Vorliebe für den die Phantasie anregenden Katholicis- mus, wie er das bereits in „Vivian Grey“ gethan hatte. § 3. Aesthetischer Wert der Satire. „Kapitän Popanilla“ ist im Stil von Swift's „Gullivers Reisen“ und „Märchen von der Tonne“ geschrieben. Wenn das Werk seine Vorbilder nicht an Tiefe erreicht, so ist es doch auch frei von deren Bitterkeit und Menschenhass. IIübsch erzählt, voll Laune, Geist und Witz, ist es auch heute noch, nachdem die vielfachen zeitgeschichtlichen Beziehungen verblasst sind, eine angenehme Lektüre und legt beredtes Zeugnis von seines Verfassers grossem Talent für die satirische Darstellung ab. FÜNFTES KAPITEL. „DER JUNGE IIERZOG.“ Der Roman „der junge Herzog“ wurde einige Jahre naeh dem „Kapitän Popanilla“ veröffentlicht, gehört aber sciner Abfassungszeit und Tendenz nach noch durchaus zu den Jugend- schriften Disraeli's. Sein Inhalt ist kurz folgender. § 1. Inhalt des Romans. Ein junger Edelmann von guten Geistes- und Herzensanlagen wird durch eine allen seinen Launen nachgebende Erziehung verdorben und stürzt sich, nachdem er sich durch Reisen und gesellschaftlichen Ver- kehr einen durchaus oberflächlichen Schliff angeeignet hat, mit dem Beginne seiner Grossjährigkeit in den Strudel des haupt- städtischen Lebens. Da er unermesslich reich ist und glän- zende Feste giebt, wird er der Löwe des Tages. Die Frauen umwerben ihn und falsche Freunde, die seine offene Gastlichkeit zn schätzen wissen, schmeicheln seiner Eigen- – 37 – liebe. Aber ein edles reines Mädchen, die Tochter seines väterlichen Freundes, der sein Vermögen verwaltet hat und dem er mit Undank gelohnt hat, weist seine ernst gemeinten Anträge zurück. Er sucht diese Enttäuschung in der Betäubung eines ununterbrochenen Genusses zu vergessen und ist nahe daran, das Opfer einer schändlichen Intrigue zu werden, welche von einem verschuldeten Glücksritter und einer Dame zweifelhaften Rufes gegen ihn gesponnen wird. Mit dem ersteren ficht er für seine Geliebte ein Duell aus, aber trotzdem weist diese ihn noch immer zurück, da sie kein Vertrauen zu seinen Grund- sätzen und sciner Erziehung hat. Entmuthigt flüchtet er sich an den Spieltisch. Er verliert ungeheure Summen, – aber indem er die von Leidenschaft entstellten Gesichter seiner Mit- spieler sieht und sich selbst im Spiegel betrachtet, durchzuckt ihn der Gedanke an die Geliebte wie ein Strahl vom IHimmel und er gelobt sich Besserung. Er zieht sich von der Welt zurück, die ihn schnell vergisst, verhilft selbstverleugnend cinem Wetter seiner Geliebten und vermeintlichem Neben- buhler zu einem Parlamentssitz und tritt selbst im Oberhause mit Kraft und Energie für die Emanzipation der Katholiken ein – seine Geliebte ist eine Katholikin. So erwirbt er sich endlich des Mädchens Achtung und Hand. Die ange- borene gute Anlage und die Liebe zu einer edlen Jungfrau siegen also über die Folgen einer verfehlten Erziehung und einer in Genuss und Müssiggang vergeudeten Jugend. Sº § 2. Abfassungszeit u. gleichzeitige Kritik. Der oben skizzirte High-Life Roman ist erst im Jahre 1831 ver- öffentlicht worden, aber seine Abfassung fällt schon viel früher. Ein Teil ist jedenfalls schon auf der ersten Reise (1826) Dis- raeli's nach Italien, Deutschland und Frankreich geschrieben, vollendet ist der Roman gewiss noch unter Geörg IV.” Das Ereignis, welches unmittelbar vorherging, in die IIand- * „Amid the ruins of eternal Rome I scribble pages lighter than the wind and feed with fancies volumes, that will be forgotten, ere I can hear that they are even published.“ The Y. D., II, 7. * The reader will be kind enough to recollect that „the Young Duke“ was written when George the Fourth was King. Advertisement to the Edition of Oct. 1853. – 38 – lung des Romans noch hineinragt und deren politischen IIinter- grund bildet ist die nach langen Kämpfen am 13./4. 1829 auch im Oberhause genehmigte Emanzipation der Katholiken." Besprochen wurde der Roman im „Athenaeum“, wo er im ganzen Anerkennung fand, wenn auch die vielfachen Ab- schweifungen des Verfassers getadelt wurden. Auch sonst wurde er meist günstig aufgenommen. Spätere Beurteiler stimmten hiermit nicht überein und erklärten ihn für ein sehr schwaches Werk.? Wir beschäftigen uns, wie wir dies auch bezüglich der früheren Romane thaten zunächst mit seiner Tendenz. § 3. Tendenz des Romans. „Der junge Herzog“ ist ein High-Life Roman, „ein Versuch“, wie Disraeli später selbst urteilt, „die flüchtigen Sitten eines etwas frivolen Zeitalters darzustellen“. 8 Wie fast alle Romane Disraeli's spielt er in den höchsten Kreisen der Gesellschaft und hat die unmittelbare Vergangenheit zum Gegenstande. Es ist dies die Zeit Georgs IV., des leichtsinnigsten, selbstsüchtigsten und frivolsten Königs, der jemals auf einem Throne gesessen hat, zugleich aber auch die Zeit mächtiger volkstümlicher Bewegungen, die die Herrschaft der Aristokratie zu brechen suchten und in diese wirklich durch die Emanzipation der Katholiken die erste Bresche hineinlegten. Der Roman streift diese Bewegungen nur. Die Katho- liken-Emanzipation behandelt der Verfasser mit Wohlwollen, da die katholische Kirche ihm, wie wir schon bei den früheren Werken" gesehen haben, sympathisch war. Die utilitarische Richtung, die alles, was keinen materiellen Nutzen bringt, Parks und Aristokraten, Land- und Seesoldaten, selbst Berge und Blumen verdammt, überschüttet er mit überlegenem Spotte.“ Cf. Pauli I, p. 477. * Cf. Hitchman I, 51. Ewald I, 14: „The Young Duke, the fee- blest of his romances and which provoked his father to cry out, when told of the book: „Duke, sir, what does my son know about dukes? He never saw one in his life“. Cf. Edinburgh Review vom Oct. 1837. Bd. 46 Nr. 133. * Advertissement zu der Ausgabe von 1853: „It is an attempt to pourtray the feeting manners of a somewhat frivolous age“. * „Young Duncan Macmorrogh was a limb of the law, who had – 39 – Die Tendenz des Romans ist eine durchaus aristokra- tische, und der Schilderung des Lebens in der vornehmen Welt ist auch der grösste Teil der Dichtung gewidmet. Wir werden in prächtige Paläste geführt, wohnen grossen Gast- mählern bei, die mit Sachkenntnis und Liebe beschrieben werden, bewegen uns in Wohlthätigkeitsbazaren, wo die Damen ihre Toiletten zur Schau stellen und ihren Lieb- habern Stelldichein geben, haben sogar die Ehre, mit dem IIelden zu IIofe zu gehen, lernen die Aufregung eines grossen Wettrennens kennen und dürfen uns an den Gesprächen hoch- geborener Personen ergötzen. Die Moral? ist dieselbe, wie in Bulwer's Pelham, es wird gelehrt, dass der beständige Genuss nicht glücklich mache, dass das Leben einen Zweck haben müsse und dass eine edle Natur am Ende über die Folgen einer schlechten Erziehung und über die Verführung triumphierte und den Weg zur Besserung finde. § 4. Aesthetischer Wert des Romans. Ein eigentlicher Plan fehlt dem Roman. Vielmehr ist gerade die Planlosigkeit sein Plan. „Ich verlasse mich“, sagt der Verfasser, ” „auf die kleinen Vorfälle, die sich aus unserem just brought himself into notice by a series of articles in „The Screw and Lever“, in which he had subjected the universe piecemeal to his critical analysis . . . . . His attack upon mountains was most violent. . . . He demonstrated the inutility of all elevation and declared that the Andes were the aristocracy of the globe. Rivers he rather patronized; but flow ers he quite pulled to pieces, and proved them to be the most useless in existence , . . . . he ävowed that already there were various pieces of machinery of far more importance than man; and he had no doubt, in time, that a superior race would arise, got by a steam engine on a spinning-jenny“. Y. D. V., 7. ! Man vergl. nur die folgende Stelle: „There is no pride like the pride of an cestry, for it is a blending of all emotions. How immca- surably superior to the herd is the man whose father only is famous ! Imagine, then, the feelings of one who can trace his line through a thousand years of heroes and princes.“ II, 8. * „A moral tale, though gay“ heisst das Motto. * „I profer trusting to the slender incidents which spring from our common intercourse, and if these fail and our skiff hangs fire, why, then, I moralize on great affairs, or indulge in some slight essay on my own defeets“. IV, 3. D – 40 – gemeinsamen Verkehr von selbst ergeben; und wenn diese mich im Stich lassen und unser Boot nicht mehr weiter kann, nun dann moralisiere ich über grosse Angelegenheiten oder ergehe mich in einer kleinen Abhandlung über meine eigenen Fehler.“ Und an einer anderen Stelle giebt er folgendes Rezept für einen Moderoman, welches ganz gut auch auf den vorliegenden passt: „Nimm ein paar Pistolen und ein Spiel Karten, ein Kochbuch und einige neue Quadrillen; mische diese mit einer halben Intrigue und einer ganzen Heirat, und teile dies in drei gleiche Teile.“! So ist denn der Roman voll von Abschweifungen, und zwar beschäftigen sich diese besonders mit der Person des Verfassers, die in sehr affektierter und dünkelhafter Weise? hervortritt. Der Verfasser will vor allen Dingen als ein Weltmann erscheinen, der nur zu seinem Vergnügen schreibt. Er unterbricht daher die Erzählung, um uns zu berichten, dass er auf den Ruinen von Rom schreibe, 8 dass er den Anfang für ein Kapitel nicht finden könne, um von dem Plane seines Buches zu sprechen * u. s. f. Er spottet über ernste Dinge und gerät in Entzücken über den Duft einer Suppe, über die Zartheit von Ortolanen und über die kunstvolle Be- reitung einer Sauce." Zuweilen nimmt er auch die Miene des Byron'schen Dandy, des „erhabenen Gecken“" an und verkündet uns, dass alles eitel ist, dass der Ehrgeiz ein Dämon und der * „Take a pair of pistols, and a pack of cards, a cookery book, and a set of new quadrilles; mix them up with half an intrigue and a whole marriage, and divide them into three equal portions“. III, 2. * Disraeli sagt darüber später selbst (1853): „Young authors are apt to fall into affectation and conceit, and the writer of this work sinned very much in these respects: but the affectation of youth should be viewed leniently, and every man has a right to be conceited, until he is successful.“ * IV, 3. * IV, 9. „Oh ye immortal gods! nothing so difficult as to begin - a chapter, and therefore have I flown to you . . . . . . K ° I, 10 a. a. O. * In fact he was a sublime cox comb, one of those rare characters whose finished manners and shrewd sense combined prevent their conceit from being contemptible“ I, 4. – 41 – Ruhm nichtig sei, beklagt sein Leben als ein verlorenes, ver- gleicht sich mit Nebukadnezar und spricht von Titanen- stolz und dem Bewusstsein gefallener Grösse." Ausserdem findet er Raum für litterarische Betrach- tungen ziemlich oberflächlicher Art über Milton und Shake- speare,” ferner Bemerkungen über das Ober- und Unterhaus und seine hervorragendsten Mitglieder.” Von einer tieferen Charakteristik kann selbstver- ständlich da nicht die Rede sein. Auch hier ist alles oberfläch- lich, aber leicht und gefällig. Dagegen ist die Sittenschilderung gelungen, und manche Scene, so z. B. eine Spielscene, sind von grosser Anschaulichkeit und packender Kraft der Darstellung.“ Auch der Stil ist leicht und gefällig, oft affektiert und frivol, ohne Tiefe, aber auch ohne Härte. Byron's Don Juan ist Disraeli's Vorbild. Der jugendliche Verfasser steht unter dem Einflusse dieses Werkes, ahmt seine Art nach, die Zeichnung eines Bildes zu beginnen und sie dann mit einem Scherze zu schliessen, und entlehnt ihm sogar einzelne Aus- drücke.” Sº Manchmal finden sich auch Anklänge im Shakespeare." Der Roman ist kein Meisterwerk, gewährt aber eine an- genehme Lektüre. Die Darstellung ist lebhaft und launig und auch die Affektation steht dem Verfasser gut, weil sie ächt ist. Disraeli kennzeichnet sein Buch selbst als „half fashion and half passion“," halb Mode und halb Leidenschaft. Es ist ein IIigh-Life Roman, hervorgegangen aus der Verehrung für Byron und die Romantik und aus der Freude am verfeinerten Lebensgenusse, er zeigt in seinem ganzen Geiste viel Ähn- Cf II, 7; III, 18 a. a. 0. * Cf. III, 1. * V, 6. * IV, 8. * IV, 3. „A plan both good, antique and popular, but not my way.“ Vgl. Don Juan, Canto I Str. 7 That is the usual method, but not mine – My way is to begin with the beginning. Vgl. auch Y. D. IV, 14 mit Don Juan I Str. 122 ff. * V, 2. Dort tritt die Amme der Heldin auf mit denselben Redens- arten, wie die Amme in Romeo and Juliet. – 42 – lichkeit mit dem kurz vorher erschienenen Werke eines mit- strebenden Dichters mit Lytton Bulwer's „Pelham“ (1828). SECHSTES KAPITEL. KLEINERE SATIRISCIIE SCIIRIFTEN. Die beiden Satiren „Ixion in Heaven“ und „The Infer- nal Marriage“ sind zwar erst nach der grossen Reise im Jahre 1833 veröffentlicht, aber ihrem ganzen Geistc nach gehören sie zu der ersten oder satirischen Periode des Dichters und werden daher am besten hier behandelt. 1. IXION IN HEAVEN. ! „Ixion in Heaven“ ist eine anmutige kleine Satire in mythologischem Gewande nach Art Lucians. V. § 1. Inhalt. Der Thessalerkönig Ixion hat seinen Schwiegervater, weil derselbe ihm einige Rosse geraubt hatte, in einen mit glühenden Kohlen gefüllten Abgrund gestürzt und wird deshalb von seiner Gattin verlassen und von allen Sterblichen gemieden. Zeus nimmt ihn trotzdem in den Olymp auf, aber dort wagt der Emporkömmling seine Augen zur Juno zu erheben und wird deshalb in die Unterwelt herabgeschleudert und auf ein Rad geflochten. § 2. Tendenz. Der Ton der Erzählung ist der frivole Ton der aristokratischen Salons jener Zeit. Zeus (= Georg IV.) ist ein launischer Despot, Venus eine leichtsinnige Kokette, Minerva ein Blaustrumpf und eine spröde Schönheit, Mars ein schnarrender, bramarbasierender verabschiedeter Offizier, Apollo, der mit offenem Halskragen und langen theatralisch herabwallenden Locken einhergeht, pessimistisch schwärmt und in geistreichen Paradoxen spricht, ist Byron, Ganymed und Mercur sind zwei Stutzer, und das Ganze ist ein recht anmutiges Bild des Treibens der vornehmen Welt in der Zeit zwischen dem Ende des grossen Krieges und dem Anfang der Reform: wºmms 1 „Ixion“ is thought the best thing I ever wrote“. Lord Beacons- field's Letters to his sister. 7./2. 1833. – 43 – § 3, Aesthetisch er Wert. Die Ausführung ist äussert formvollendet, voll Geist und Witz und kommt auch den Satiren Lucians fast gleich. 2. THE INFERNAL MARRIAGE. „Die höllische Heirat“ gehört zu derselben Klasse, wie die vorige Satire, doch tritt hier die politische und zum Teil persönliche Satire stärker hervor. § 1. In halt. Proserpina wird von Pluto entführt. Ceres ist gegen die Heirat, aber Jupiter bctrachtet sie als eine gute Partie, da die Auswahl für Göttinnen doch schr gering sei. Ihr Erscheinen in der Unterwelt giebt das Zeichen zu einer vollständigen Umwälzung. Der treue Cerberus, der der neuen ITerrscherin nicht gefällt, wird seines Amtes in chrenvoller Weise entsetzt, indem er zum „Oberaufseher der königlichen und kaiserlichen Bluthunde“ ernannt wird. In Folge dessen dringt Orpheus in die nun unbewachte Unterwelt ein und erlangt, durch die Vermittlung der Proserpina die Befreiung der Eurydice. Wütend über diese unerhörten Neue- rungen danken die Furien und Parzen ab, die bisher die Re- gierung geleitet haben. Auch die Empörer Tantalus, Sysiphus und Ixion finden Ruhe von ihren Qualen und hoffen zukunftsfreudig auf neue Umwälzungen. Kurz, die ganze Unterwelt ist auf den Kopf gestellt. Proserpina wird krank. Aesculap verordnet Luftver- änderung, und sie unternimmt eine Reise nach den elysäischen Gefilden. Unterwegs besucht sie den vertriebenen Gott Saturn, der mit ihr über den Zeitgeist spricht, ferner die Titanen, die die Vertreibung Jupiters planen, und wird dann mit aller Pracht im Elysium empfangen. Dort verbringen ein paar tausend Familien ihre Zeit in glänzendem Nichtsthun, ge- peinigt von nagender Langeweile, während Millionen Gnomen unter der Erde für sie schaffen. § 2. Tendenz. Eine Menge Anspielungen auf gleich- zeitige Personen und Ereignisse sind in die Erzählung ein- gestreut. Der Lord-Kanzler der IIölle, der zugleich Taschen- – 44 – spieler ist, und einen Esel mit Namen „das Publikum“ oder „die öffentliche Meinung“ an der Nase herumführt, ist eine Karrikatur Lord Brougham's, der Disraeli's litterarischer und politischer Feind war, auch schon in „Vivian Grey“ und in „Popanilla“ figuriert. Das neue Regiment ist natürlich das der Whigs, die 1830 zur Regierung kamen und die Aera der Reform ein- leiteten. Tantalus, Sysiphus und Ixion stellen die Radikalen dar, deren Hoffnungen in jener Zeit sehr hoch gingen. Saturn, der gestürzt ist, weil er sich dem Zeitgeist nicht fügen wollte, und der Meinung ist, dass die Reform nicht Sache der Aristo- kraten und dass der Zeitgeist Königen und Göttern feindlich sei, mag den vertriebenen König Karl X. von Frankreich darstellen. Ausserdem werden manche politische und sociale Verkehrtheiten mit Geist und Laune gestreift, wobei der Verfasser sich auch selbst nicht schont.? § 3. Aesthetischer Wert. Die Erzählung ist an- mutig und geistreich. Der Geist, der uns aus ihr entgegen- weht, ist der der hohen Aristokratie, die genusssüchtig und romantisch, aufgeklärt und doch fortschrittsfeindlich dahin- lebte, bis eine grosse politische und sociale Umwälzung sie aufrüttelte und zu Ernst und Thätigkeit zwang. SIEBENTES KAPITEL. DISRAELI'S STELLUNG ZU DEN ZEITSTRÖMUNGEN WÄHREND SEINER JUGEND. § 1. Englands politische Lage von 1815 bis 1830. Die Zeit nach dem grossen französischen Kriege * „I look upon the Spirit of the age as a spirit. hostile to Kings and Gods“. The Inf. Marriage. III, 2. * „What sort of a fellow is he? (the author of Ixion ln Heaven). „One of the most concerted dogs I ever met with“, replied the king. „He thinks, he is a great genius and perhaps he has some little talent for the extravagant“. „Are there any critics in Hell?“ „Myriads . . . . They are all to a man against our author“. „That speaks more to his credit than his own self-opinion“ rejoined Ixion.“ Ixion. II, 2. während der Regentschaft und Regierung Georgs IV. trägt durchaus den Charakter einer U bergangsperiode. In England herrschten damals die Tories, unter deren Leitung der grosse Krieg ruhmreich zu Ende geführt worden war. Die vielfach gescheiterten Umwälzungen und Ver- fassungsversuche auf dem Festlande hatten sie in ihrem Glauben, dass auch die geringste Änderung vom Übel sei, noch bestärkt. Hinter all jenen Reformbestrebungen, welche schon vor der französischen Revolution in England volkstüm- lich gewesen, aber durch die Auswüchse jener und den Krieg zurückgedrängt worden waren, sahen sie drohend das Gespenst der Schreckensherrschaft und des Königsmordes. In der That schien ihre Herrschaft auf unabsehbare Zeit hin begründet. Die Whigs waren, in Folge ihrer unpatrio- tischen IIaltung während des Krieges, schwach und ohne Einfluss. IIatten doch Byron und Shelley? Englands grössten Feldherrn, Wellington, mit ihrem Spotte überschüttet! § 2. Reformbewegungen in England, Jeremy Bentham. Trotz des Widerstandes der Tories regte sich auch in England mächtig der Geist des Fortschritts. Der Verkünder dieses neuen Geistes war Jeremy Bent- ham.” Der IIauptgrundsatz seiner Staatslehre ist der Satz von dem grösstmöglichen Glücke der grössten Anzahl, von der Gemeinnützlichkeit, die in allen Staatseinrichtungen zu erstreben sei, damit Befriedigung und Genuss überall an die Stelle des Leidens und der Pein trete. Die Schwäche seiner Anschauung liegt in der einseitig - doktrinären Verkennung des geschichtlich Gewordenen und der erfahrungsmässigen Gestaltung. Er und seine Schule predigten Reform des Strafrechts und der Freiheitsstrafen, der Parlamentswahlen und des Erziehungswesens, religiöse Duldung und Frei- handel. Wenn auch anfangs vielfach verspottet, gewannen as-a-º.----- =--s Rºsºws gayasapºgas * Byron: The Age of Bronze und the Vision of Judgement. * Shelley: Masque of Anarchy. * Pauli, Geschichte Englands. (Leipzig 1864–75), I 128 ff. Spencer-Walpole IIistory of England from the conclusion of the great war (2. Aufl. 1880. 86. 2 Bde.), I 332. – 46 – die gesunden Grundsätze seiner Schule doch immer mehr an Boden. 1 § 3. Die Romantik. Der fortschrittlichen Rich- tung feindlich gegenüber stand die rückschauende Rewegung der Romantik, die zunächst die Dichtung beherrschte und dann ihre dort gefundenen Ideale auf das Staatsleben übertrug. Zu ihr zählten unter den englischen Dichtern besonders Walter Scott, der Hofpoet Southey, Coleridge und Woodsworth, während Thomas Moore, Shelley und Byron dem politischen Radikalismus huldigten. § 4. Unzufriedenheit des Volkes. Der Radi- kalismus wurde besonders gefördert durch eine weitverbreitete Unzufriedenheit, die von radikalen Agitatoren, wie William Cobbett? und Henry Hunt geschürt wurde. Diese Unzufrieden- heit hatte ihren Grund vorzüglich in den drückenden Korn- zöllen, den unmenschlichen Strafgesetzen und den veralteten Armengesetzen. Dazu kam der Aufschwung der Industrie durch die Erfindung der Maschinenspinnerei und die An- wendung des Dampfes, welche eine ungeheure Anhäufung der Bevölkerung in den Städten zur Folge hatte. So brachen denn häufige Unruhen aus, von denen die gefährlichste der Aufstand in Manchester (16./8. 1818) war, vom Volke „die Schlacht bei Peterloo“ genannt. Die Folge dieses Aufstandes war eine harte Polizeigesetzgebung. § 5. Hof und Gesellschaft. Georg IV. trug durch sein sittenloses, ausschweifendes Leben wesentlich dazu bei, das Ansehn des Königthums bei dem Volke zu untergraben, während er die Aristokratie durch sein Beispiel verdarb. Besonders erregte der Ehebruchsprozess gegen die Königin Charlotte, die sog. königliche Bordellkomödie, allgemeinen Abscheu. Der hohe Adel ahmte dem „ersten gentleman * Bentham was the philosopher then affected by young gentlemen of ambition, and who wished to have credit for profundity and hard heads. Lord Beaconsfield Endymion I. 37. * Er gab Zeitschriften heraus, von denen das „Weekly Register“, die erste billige Wochenschrift (2 d.), einen ungeheuren Erfolg hatte. – 47 – Europa's“ nach, hielt Maitressen, spielte, wettete, trank, machte Schulden, ergötzte sich an allerlei unsauberer Kurzweil. § 6. Allmählich er Umschwung. Dennoch ist gerade die Regierung Georgs IV. der Anfang des Um- schwungs. Seine geringe Willenskraft hinderte wenigstens die Reformer nicht und wurde so in gleicher Weise segens- reich für England, wie einst die Schwäche König Johanns. Zu- nächst vollzog sich dieser Umschwung in der äussern Politik. Unter dem Beifall der Liberalen von ganz Europa! brach Canning mit der heiligen Allianz und ihrer Politik der Völker- bedrückung. Auch im Innern gewann der Geist der Reform an Boden, die Korngesetze wurden etwas gemildert und nach Canning’s Tode musste das konservative Ministerium Peel- Wellington aus Furcht vor der Revolution und dem Bürger- kriege den Katholiken die volle Emanzipation zugestehn. So wurde in die oligarchische Verfassung Englands die erste Bresche geschossen. § 7. D israeli's Stellung zu den Zeit fragen. Alle diese streitenden Systeme und Meinungen fanden einen Widerhall in den Jugendschriften Disraelis. Sein Standpunkt aber ist von vorherein bestimmt. In dem grossen Kampfe zwischen Regierten und Regierenden, zwischen Volk und Aristokratie, zwischen Freiheit und Autorität steht er auf der Seite der Regierenden, der Aristokratie, der Autorität. Es ist falsch, wenn man behauptet hat, dass er ursprünglich radikal gewesen sei und später aus Eigennutz die Partei der Tories ergriffen habe. In Vivian Grey stellt er den Lehren der Gleichheit und Freiheit das Geburtsrecht des genialen, von der Natur zum ITerrschen berufenen Mannes entgegen. In „Popanilla“ und in dem „jungen Herzog“ verspottet er die Philosophen, die die Welt nach abstrakten Theorieen umgestalten wollen, die Fanatiker des Fortschritts. Auf der anderen Seite ist er aber ebensowenig ein Fanatiker des Stillstandes, ein Reak- tionär der alten Schule. Die Pfeile seines Spottes richten Vgl. Byron: Age of Bronze; Heine: Englische Fragmente. sa- – 48 -– sich auch gegen die Kornzölle und das veraltete Gerichts- verfahren; er tritt für die Gleichberechtigung der Katholiken ein, denen er als Romantiker besonders geneigt ist." So erscheint er als Aristokrat und Conservativer. Durch- drungen von der Notwendigkeit der Autorität steht er allen Neuerungen - misstrauisch gegenüber und setzt sein Vertrauen auf die Mächte der Geschichte und auf den Einfluss grosser Individualitäten. Vgl. Vivian Grey VIII, 12. Pop. u. The Young Duke a. a. O. ANHANG ZEITTAFEL ÜBER DISRAELI'S LEBEN UND DIE GLEICHZEITIGEN EREIGNISSE DER GESCHICHTE ENGLANDS. Englische Geschichte. 18I1–2O. Regentschaft des Prinz- regenten während der Krank- heit und des Wahnsinns seines Vaters Georg III. 1812–27. Herrschaft der Tories , unter dem Ministerium des „Lord Liverpool. 1812. Erscheinen von Byron's Childe Harold. 1817, 1819. Erscheinen der Schriften Jeremy Bentham's. Umtriebe der Demagogen William Cobbett und H. Hunt, Unzufriedenheit der Arbeiter, Reformbestrebungen. 1819 10./8. Aufruhr in Manches- ter, die „Schlacht bei Peterloo“. In Folge dessen Polizei- gesetzgebung: die sechs Kne- belbills. 182O. Tod Georg's III. 1820–183O. Georg IV. Disraeli’s Leben. 1804 21./12. Benjamin Disraeli wird in London in King's Road Gray's Inn geboren und nach dem bekannten Ritus in das Judentum aufgenommen. Er besucht, mehrere Jahre lang die Privatschule des Mr. P0ti- cary zu Blackheath. 1817. Tod des Grossvaters Benja- min Disraeli's. – 31./7. Disraeli wird (mit seinem Vater) getauft in St. Andrew's Church, Holborn. Sein Pathe ist Sharon Turner. Er wird in die Schule des Dr. Cogan, eines Unitariers zu Walthamstow , aufgenommen, aber aus derselben Wieder Ver- wiesen. Disraeli's Leben. 1821 18./11. Disraeli kommt zu einem Advokaten in die Lehre, bei welchem er drei Jahre arbeitet. 1824. Disraeli wird als Rechts- student in die Korporation. Von Lincoln's Inn aufgenommen, tritt jedoch nach drei Jahren wieder 3 US. 1825. Disraeli's Vater zieht von London auf das Land nach Bradenham House. 1826 9./4.–7./6. Disraeli giebt eine Zeitschrift „The Star Chamber“ heraus. – Vivian Grey, erster Teil, erscheint bei Colburn. – Disraeli macht mit der Fa- milie Austen eine Reise nach Frankreich, Deutschland und Italien. 1827. Vivian Grey, zweiter Teil. 1828. Die Satire „Captain Popanilla“ erscheint (Col- burn). Englische Geschichte. 182O. Verschwörung zur Er- mordung der Minister (Cato- street-Conspiracy), Ehebruch- Prozess gegen die Königin Karoline (die sog. „königliche Bordellkomödie“). 1822. Selbstmord Castlereagh's. Canning wird auswärtiger Mi- nister. Umschwung der äusseren Politik in liberalem Sinne. Anfänge der Reform im Innern. 1823. Gründung der „katholischen Association“ in Irland durch Daniel O’Connell. 1827. Tod Lord Liverpool's. Canning wird Premierminister. – 8./8. Tod Canning's. – Lord Goderich wird Premier- - minister. – 20./10. Schlacht bei Na- Varino. 1828. Wellington Premiermi- nister. – Wahl- O'Connell's zum Ab- geordneten in Clare in Irland. 1829 13./4. Emanzipation der Katholiken. 183O. Tod Georg's IV. 183O–37. Wilhelm IV. Disraeli unternimmt seiner 183O Juni. mit dem Bräutigam III Englische Geschichte. 183O. reich. Erste Eisenbahn von Mall- chester nach Liverpool. – Parlamentswahlen. Welling- ton dankt ab. Lord Grey bildet ein Ministerium aus Whigs und Anhängern Canning’s. 1831–32. Der Kampf um die erste Reformbill. Julirevolution in Frank- s="mºa, 1832 7./6. Die Reformbill an- gen01mmen. -- 3. '12. Parlamentswahlen. Grosser Sieg der Whigs. – Beginn der sog. „Oxforder Bewegung“ in der anglikani- schen Kirche. 1833–41. Erscheinen der „Tracts for the Times“ von John Henry Newman. 1833. Erster Antrag auf Zu- lassung der Juden zum Parla- mente, gestellt von Charles Grant. Derselbe fällt durch, wird aber fast jährlich wieder- holt. 1834. Lord Grey tritt vom Minis- terium zurück. Lord Melbourne wird Premierminister. – Der König entlässt eigen- mächtig die Minister wegen Uneinigkeit. Sir Rob. Peel wird Premierminister, Parlaments- Disraeli's Leben. Schwester eine Reise nach Spanien, Albanien, Griechen- land und verbringt den Winter in Constantinopel. 1831. Disraeli bereist Syrien und Aegypten. – Während seiner Abwesenheit erscheint der Schon früher verfasste Roman „The Young Duke“. – Er kehrt nach Hause zurück. 1832. Contarini Fleming er- Scheint. – 9./6. Disraeli zum ersten Male Parlamentskandidat in High Wycombe gegen den Sohn des Premierministers, den Obersten Grey. Programm radikal-tory- istisch. Er fällt durch. – 27. H 1. Disraeli abermals Parlamentskandidat daselbst. Er fällt wieder durch. 1833. Erscheinen der Satiren IXion in Heaven und The Infernal Marriage. – Erscheinen von David Alroy und The Rise of Iskander. – In der Flugschrift „What is he?“ entwickelt Disraeli sein politisches Programm. – Disraeli Parlamentskandidat für Marlybone. Jedoch tritt die erwartete Vakanz nicht ein. 1834. „The Revolutionary Epic“ – ein Misserfolg. – Disraeli Parlamentskandidat für High Wycombe. Er hält eine längere Rede, die unter dem Titel „The Crisis examined“ 4* Englische Geschichte. Wahlen, Peel's Manifest an die Wähler von Tamworth. 1835. Sturz Peel's. Melbourne Wird wieder Premierminister. – Reformthätigkeit der Whig- regierung. 1837. Tod Wilhelm’S IV. – Königin Victoria. – Parlamentswahlen. Whigs. - "B Sieg der 1838. Krönung der Königin. – Radikale Versammlung in Birmingham; die Volkscharta wird aufgesetzt und die Char- tistenpartei gegründet. – Versammlung zu Manchester. Bildung der Auti-Corn- Law- League unter Charles Villiers. Später treten Cobden und Bright an ihre Spitze. 1839. Ueberreichung der grossen Chartistenpetition. – Das Ministerium wird ge- Disrealis Leben. gedruckt wird. Er fällt zum dritten Male durch. 1835. Disraeli Conservativer Par- lamentskandidat in Taunton. Streit mit O’Connell, Forderung, Zeitungspolemik in der „Times“ und in dem „Globe“. Disraeli fällt durch. – „Vindication of the English Constitution“; die Schrift ent- hält Disraeli's Ansichten über die Geschichte Englands und über die Aufgabe der Tory-Partei. 1836. „The Runymede Let- ters“. In der „Times“ erscheinen unter diesem Namen 19 Briefe persönlich - satirischen Inhalts, die wohl nicht mit Unrecht Dis- raeli zugeschrieben werden. – Der Roman „Henrietta Temple“ erscheint bei Colburn. – Disraeli wird in den „Carlton Club“, den vornehmsten konser- vativen Club aufgenommen. 1837. Der Roman „Venetia“ erscheint. – Disraeli wird für Maidstone in das Unterhaus gewählt. – 7./12. Jungfernrede. Grosser Misserfolg. Disraeli's berühmte Prophezeiung. 1838. Disraeli spricht häufiger im Parlament und mit besserem Erfolge. 1839 12./7. Grosse Rede Dis- raeli's für die Chartisten. Englische Geschichte. Disrae Ii's Leben. schlagen. Peel's Versuch eine Regierung zu bilden, scheitert an der Hofdamenfrage (die „Schlafzimmerverschwörung“, auch „Question des Jupons“ genannt) Melbourne wieder Premierminister. 1840. Bombardement von Acre. Mehemet Ali wird gezwungen Kleinasien aufzugeben. – Vermählung der Königin mit Prinz Albert. – Chartistenunruhen in Birming- ham und Newport. 1841. Höhepunkt der Oxforder Bewegung. Der berühmte Tract Nr. 90 erscheint. New- man von der Universität ge- tadelt. – Peel Wird Premierminister und bildet eine gemässigt konser- vative Regierung. Parlaments- Wahlen. 1842–46. Land und Regierung beschäftigen sich mit der Frage der Abschaffung der Kornzölle. 1843–45. Bildung der Jung- Eng l an d - Partei, einer aristokratischen Fronde gegen den Geschäfts - Conservatismus Peel's. 1845. Kartoffelseuche in Irland. Peel dankt ab, übernimmt aber die Regierung wieder wegen der Unfähigkeit der Whigs, eine solche zu bilden. 1846. Pecl erklärt sich für den Freihandel. Annahme seiner Vorschläge, aber Spaltung der conservativen Partei und Bil- 1842/43. 1839. Die Tragödie Alarcos er- scheint. – Disraeli heiratet, die Witwe seines früheren Collegen, Mrs. Wyndham Lewis. – Er unternimmt mit seiner Gattin eine Reise nach Deutsch- land und Frankreich. 184O. Er spricht, verschiedene Male für die Chartisten. 1841. Bei den neuen Parlaments- Wahlen wird Disraeli für Shrewsbury gewählt. Disraeli in Paris, wo er vom Könige Louis-Philippe sehr ausgezeichnet wird und alle Tagesgrössen kennen lernt. 1843–46. Gewaltiger Rede- kampf gegen Peel. Disraeli ist Führer der Jung-England-Par- tei. Reise nach Manchester und Liverpool, um die Industrie kennen ZU lernen. 1844. Coningsby erscheint. 1845. Sybil erscheint. – Disraeli unternimmt eine Reise nach Deutschland und Paris. VI Englische Geschichte, dung einer Schutzzollpartei unter Lord George Bentinck und Disraeli. 1846. Peel gestürzt durch die Liberalen und die Schutzzöllner. – Lord John Russel Premier- minister. Ih 1847. Parlamentswahlen. – Debatte über die Zulassung der Juden zum Parlament. Das Unterhaus nimmt die Bill an, das Oberhaus verwirft ihn. 1848. Februar - ReVolution in Frankreich. – 10./4. Verunglückte Ver- sammlung der Chartisten in Kennington Common. – 21.9. Tod George Bentinck's. 1851. Eröffnung der ersten Welt- ausstellung in London. 1852. Sturz des Lord John Russel; erstes Ministerium Derby- Disraeli. Disraeli's Worfen. Parlamentswahlen zu Un- gunsten der Regierung; welche abdankt. Ministerium. Aber de en. Gladstone Schatzkanzler. „Ministerium aller Talente“. 1854. Beginn des Krimkrieges. Budget ver- Disraeli's Leben.” 1847, Disraeli als „Knight of the shire“ für Buckinghamshire gewählt. – George Bentinck tritt in Folge der Abstimmung der Conser- vativen Partei bei der Frage der Zulassung der Juden zum Parlament von der Leitung der Partei zurück. Disraeli wird der eigentliche Leiter. – Tancred erscheint. 1848 17./1. Tod des Vaters Dis- raeli's. Disraeli kauft Hughenden Manor in Buckinghamshire. 1849. Disraeli als Führer der Conservativen im Unterhause anerkannt. Lord Stanley (später Lord Derby) wird Führer der Conservativen im Oberhause. Disraeli giebt die Werke seines Vaters heraus mit einer Biographie desselben. 1852. Disraeli's „Life of Lord George Bentinck“ erscheint, wichtig durch die Apologie des Judentums, die es enthält. (Cap. XXIV.) casas-a- * Von dieser Zeit fällt die Lebensgeschichte Disraeli's vielfach mit der politischen zusammen. VII Englische Geschichte. 1855. Rücktritt des Ministeriums. Der Versuch, eine conservative Regierung zu bilden, scheitert. Coalitionsministerium Palmer- t 0 n. 1856. Pariser Friede. 1857. Parlamentswahlen. Palmerston's. – Aufstand in Indien. 1858. Sturz Palmerston's. ZW eit es Ministerium D er by - Disr a e 1 i. – Aufhebung der ostindischen Gesellschaft. Zulassung der Parlamente. 1859. Reformbill Disraeli's; sie Wird zurückgewiesen. Parla- mentswahlen. Dieselben fallen gegen die Regierung aus. Ministerium Palm erst 0n - Russel- Gladstone. 186O. Handelsvertrag mit Frank- reich. 1861 – 64. Amerikanischer Bür- gerkrieg. Sieg Juden zum 1865. Tod Lord Palmerston's. Lord Russel wird Premier- minister, Gladstone Schatz- kanzler. 1866. Gladstone's Reformbill Scheitert. – Fall des Ministeriums. Drittes Ministerium D er by - D israeli. 1867. Disraeli’S Reformbill Wird angen0mmen. sms-m-as-a-mo 1868. Rücktritt Lord Derby's Wegen Krankheit. Disraeli Premierminister. Parla- Disraeli's Leben. 1864 17./11. Berühmte Rede Disraeli's zu Oxford on Church Policy („I am on the side of the Angels“). 1867 29./11. Rede zu Edinburgh über die Reformbill („I had to educate our party“). 1868. Die Königin bietet Dis- raeli die Pairswürde an; er schlägt sie aus, nimmt sie aber VIII Englische Geschichte. mentswahlen. Die Regierung geschlagen. MI in ist er i um G 1 a d – stone. Reformen. 1869. Aufhebung der irischen Staatskirche. 187O. Irische Landbill ange- nommen, Abschaffung des Stellenkaufs in der Armee. 1872. Die „Ballotbill“, Durch- führung der geheimen Abstim- mung bei den Wahlen. 1873. Gladstone geschlägen bei einem Gesetze über den irischen Universitätsunterricht. Disraeli lehnt es ab, eine Regierung zu bilden. Gladstone löst das Parla- ment auf. Parlamentswahlen, sie fal- len zu Gunsten der Conserva- tiven aus. 1874. Zweites Ministerium Disraeli. 1875. Disraeli kauft die Suez- Kanal-Aktien an. – Der Prinz von Wales bereist Indien. 1876. Die Königin von England nimmt den Titel „Kaiserin von Indien“ an. – Wirren in der Türkei. Die bulgarischen Gräuelthaten. – Disraeli zum Earl of Beacons- field ernannt. 1877. Krieg zwischen Russland und der Türkei. 1878. Friede ZU San Stefano. - – Englische Rüstungen, Einbe- rufung der Reserven, indische Truppen ohne Einwilligung des Disraeli's Leben. für seine Frau an, die Viscoun- tess Beaconsfield Wird. 187O. Lothair erscheint. 1872 24./3. Rede im Crystall- palast über conservative und liberale Prinzipien. – 15./12. Tod der Lady Beacons- field. 1873. Disraeli zum Rektor Von Glasgow gewählt. IX – Englische Geschichte. Parlaments nach schickt. Verträge zwischen Eng- * land, Russland und der Tür- kei, Abänderungen des Frie- dens von Stefano betreffend. Berliner Congress. Eng- land vertreten durch Lord Beaconsfield, Salisbury und Russel. Cypern an Engländ abgetreten. Glänzender Em- pfang Lord Beaconsfields bei der Rückkehr nach England. 1878 18./7. Rede Lord. Beacons- field's im Oberhause zur Ver- teidigung des Berliner Ver- trags. Kriege in Afghanistan und Südafrika, letzterer sehr unglücklich. 188O. Parlamentsauflösung. Sturz Lord Beaconsfield's. Gladstone Premierminister. Malta ge- Disraeli's Leben. 1878. Höhepunkt der politischen Laufbahn Disraeli's. Besuch der Königin in Hughenden. 188O. Der schon früher be- gonnene Roman Endymion erscheint. 1881. 18. 4. Disraeli stirbt. Auf seinen Wunsch wird er in Hughenden neben seiner Ge- mahlin beigesetzt. THE SEN 1) Die deutschen Beurteiler Disr ali's haben Un- recht, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln und ihn als einen überzeugungslosen Streber hinzustellen. 2) Es wäre wünschenswert, daſs das Englische im akademischen Studium mit dem Deutschen, statt wie bisher mit dem Französischen verbunden würde. 3) Der frz. Personalausgang – Öns (aimóns etc.) ist = –umus (Anbildung an sumus), nicht = – amus. 4) Die Bezeichnung „starke Konjugation“ ist für das Romanische unberechtigt. ===--------- ----- Opponenten: Herr Dr. A. Wacker zapp, Mitglied des pädagogischen Seminars. Herr Casper Fischer, Kandidat des höheren Schulamts. Herr Göbel, stud. phil. LEBENSLAUF. Ich bin geboren am 4. Dez. 1862 als Sohn des Sanitäts- rats und Kgl. Kreisphysikus Dr. S. Aronstein, jetzt wohnhaft zu Eckenhagen (Rheinprovinz), und der Bertha geb. Lewin. Meine Mutter habe ich leider schon vor fast 10 Jahren ver- loren. »- - - Von Ostern 1875 bis dahin 1880 besuchte ich das Archi- gymnasium zu Soest, welches ich mit dem Zeugnis der Reife verliess. Darauf studierte ich zu Bonn, Berlin und Münster romanische und germanische Philologie und bestand am 5. Febr. 1885 die Prüfung für das höhere Lehramt. Nachdem ich zu Frankfurt a/M. mein pädagogisches Probejahr beendet hatte, begab ich mich im Herbste 1886 in das Ausland (Belgien, Schweiz und England), um meine praktische Fertigkeit in dem Gebrauche der fremden Sprachen zu vervollkommnen. In England war ich zugleich als Lehrer thätig. Seit Herbst 1888 habe ich in Offenbach a/M. in der Goetheschule und kaufmännischen Fortbildungsschule als Lehrer des Franzö- sischen, Englischen und Deutschen gewirkt. - W. Meine Lehrer waren in Bonn die Herren Prof. Birlinger, Bischof, Bona Meyer, Förster, Knodt, Maurenbrecher, Neu- häuser, Trautmann, Wilmanns und die Herren Lektoren Dr. Ayméric und Piumati; in Berlin die Herren Prof. Napier, Paulsen, Tobler, Zupitza und die Herren Lektoren Feller und Rossi, in Münster die Herrn Prof. Hagemann, Körting, Spiecker und Storck. Allen diesen meinen verehrten Herren Lehrern sage ich hierdurch meinen herzlichsten Dank. Be- sonders aber danke ich noch Herrn Prof. Dr. Körting in Münster für seine Anregung zur Abfassung dieser Arbeit. Ph. Aronstein. AUTOBIOGRAPHISCHES DAVID COPPERFIELD . INAUGURAL - DISSERTATION ZUR ER LAN GUNG DER DOKTOR wÜR DE FlNER HOHEN PHILOSOPHISCHEN FAKULTAT DER UNIVERSITÄT LEIPZIG VOR G ELEG T VON Gesa R1 c HARD B LuH M. *– –” –– == REICHENBACH I. V. D R. U C K. VON HI A U N & SO HN 189 I. AutO biographisches «David Copperfield. Abkürzung en: D. C. = The Personal History of David Copperfield. By Charles Dickens. Household Edition. London: Chapman & Hall. * . . F. = The Life of Charles Dickens. By John Forster. Household Edition. London: Chapman & Hall. H. W. = Household Words. Conducted by Charles Dickens. - Vol. X. Leipzig, Tauchnitz, 185l. -. K. = Dickensiana, A. Bibliography of the Literature relating to Charles Dickens and his Writings. Com- piled by Fred. G. Kitton. London, George Redway, 1886. - L. = The Childhood and Youth of Charles Dickens By Robert Langton. Manchester: Published by the Author at Albert Chambers, 1883. Letters = The Letters of Charles Dickens. Edited by his sister-in-law and his eldest daughter. 4 volumes. Leipzig, Tauchnitz, 1880–1882. M. = Life of Charles Dickens. By Frank T. Marzials. London, Walter Scott, 1887. R. = About England with Dickens. By Alfred Rimmer. London, Chatto & Windus, 1883. Während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes in Brigh- ton im Februar 1849 schreibt Dickens an seinen Freund John Forster: A. sea-fog to-day, but yesterday inex- pressibly delicious. My mind running, like a high sea, on names – not satisfied yet, though.") Erst gegen Ende des Monats beruhigt sich diese wogende See, die Namen nehmen festere Gestalt an, nachdem sie längere Zeit hin- und herge- schwankt haben, und am 19. April kann Dickens endlich seinem Freunde von London aus melden, dass sein neues Geistesprodukt, die Ursache all' jenes Suchens nach Namen, am 1. Mai des Jahres zu erscheinen beginnen soll und zwar mit dem Titel «The Personal History, Adventures, Experience, and Observation of David Copperfield the Younger, of Blunder- stone Rookery, which he never meant to be published on any account».*) 4 as Der Name des Romans war also gefunden; nun erst begannen die Schwierigkeiten der Ausarbeitung. Dass diese nicht immer gering waren, beweisen verschiedene Zeugnisse aus Forster und aus Dickens' Briefen.”) So zieht sich die Veröffentlichung hin durch das ganze Jahr 1849 und den grössten Theil des folgenden: von London aus wandert das Manuscript mit dem Verfasser Anfang Juli 1849 nach Broad- stairs,”) in der zweiten Hälfte des Juli von dort nach Bonchurch auf der Insel Wight") und im Oktober zurück nach Broad- stairs.") Im Frühling 1850 finden wir Dickens mit «David Copperfield» wieder in Brighton") und von Mitte Juli an noch- mals in Broadstairs,”) wo er sich aufhält, bis der Roman im Oktober fertig vor ihm liegt. Der Sorgfalt, welche Dickens auf «David Copperfield» verwandt hatte,”) entsprach die Aufnahme, welche der Roman *) F., 249. 6) F., 253. *) F., 264. *) Letters I, 227. *) F., 249. - *) Letters I, 227 u. 235, *) F., 249. 4 °) Letters I, 235, *) F., 249, – 6 – von Seiten der Leser fand; man darf Forster vollständig Glauben schenken, wenn er betreffs des Erfolges die Bemer- kung macht: From the first it had surpassed in popularity, though not in sale, all his previous books excepting« Pickwick.»*) Aber auch der Verfasser selbst besass eine ganz besondere Vorliebe für dieses Werk,”) wie diese Worte der Vorrede genügend beweisen: Of all my books, I like this the best. It will be easily believed that I am a fond parent to every child of my fancy, and that no one can ever love that family as dearly as I love them. But, like many fond parents, I have in my heart of hearts a favourite child. And his name is «David Copperfield.» Woraus nun, möchte man fragen, erklärt sich diese Vorliebe des Verfassers und jene freundliche Stellung des Publikums zu «D. C. » ? Gewiss ist denjenigen durchaus beizustimmen, welche die einheitliche Anlage und die ebenmässige Durchführung des Planes sowie die natür- liche und fast jeglicher Übertreibung entbehrende Zeichnung der Charaktere hervorheben; man darf sich auch unbedenk- lich denjenigen anschliessen, welche die Glätte des Stils und die Korrektheit der Sprache als hervorragende Eigenschaften des «David Copperfield» rühmen. In diesem allen jedoch, so möchten wir behaupten, liegt keineswegs der Hauptreiz oder wenigstens nicht der alleinige Reiz, den der Roman auf seine Leser ausgeübt hat und noch ausübt. Schon in einer Kritik des Jahres 1850 heisst es: We have several reasons for suspecting that, here and there, under the name of David Copperfield, We have been favoured with passages from the personal history, adventures, and experience of Charles Dickens.") Und ähnlich lautet es bei fast allen Kritikern unseres Romans und Biographen des Schriftstellers, bis auf Forster, der sich folgendermassen ausspricht: I5 the power was not greater than in «Chuzzlewit», the subject had more attractiveness; there was more variety of incident, with a freer play of character; and there was withal a suspicion, which though general and vague had sharpened interest not a little, that underneath the fiction lay something of the author's life.“) Darauf nun, d. h. auf dem autobiographischen Gepräge des «David Copperfield» beruht sicherlich nicht zum Minde- Sten der Werth und die Beliebtheit desselben, andrerseits auch wohl die Vorliebe des Autors. Damit soll nicht gesagt sein, dass das autobiographische Element des Romans etwas ihm allein Eigenthümliches oder ihn besonders Kennzeichnendes sei; die Geschichte der englischen Prosadichtung liefert den !) F., 274. M. *) Letters I, 300; II, 97. . * Fraser's Magazine. London, December, 1850. (Charles Dickens and & David Copperfield».) SS. 698–710, *) F., 274. – 7 – Beweis des Gegentheils, insofern sie eine Reihe von Werk aufweist, in welche die Verfasser grosse Theile oder einzelt Züge ihrer Erlebnisse und Erfahrungen verwoben habe Man braucht hier nur an Defoe's « Robinson Crusoe», an Smollett's und Fielding's Romane, in neuerer Zeit an Thackeray's «Pendennis» zu denken; bekannt ist auch, welch' umfang- reichen Gebrauch Dickens in seinen übrigen Werken von den Ereignissen seines eigenen Lebens gemacht hat. Das charakte- ristische Merkmal an «David Copperfield» ist also keineswegs das Autobiographische an sich, sondern vielmehr die Fülle des aus dem eigenen Leben Gegriffenen, die Treue einzelner Theile und die kunstvolle Aneinanderreihung der autobiographischen Thatsachen sowie die geschickt durchgeführte Verwebung des Wirklichen und des Erdichteten, wodurch der Roman einer vollständigen Autobiographie gleichzukommen scheint. Ubersieht man den Lebensgang des David Copperfield und vergleicht man denselben mit demjenigen des Dickens, so könnte man geradezu geneigt sein zu glauben, letzterer habe sein eigenes Leben schreiben wollen. Und doch entspricht dies keineswegs der Wahrheit. Eine Bemerkung Forster's!) giebt uns Andeutung darüber, wie überhaupt der Gedanke an die Benutzung autobiographischer Thatsachen in Dickens wachgerufen wurde, und wiederholt warnt derselbe Biograph davor, in dem Helden der Dichtung das vollständige Eben- bild des Autors zu erblicken.*) Man muss sich in der That davor hüten, hierin zu weit zu gehen und etwa z. B. die Schulzeit des kleinen David mit derjenigen des Charles Dickens zu identificiren und für Dora oder Agnes überall Catherine (Dickens)*) lesen zu wollen. Bei genauerer Prüfung ergiebt sich sogar, dass die Unähnlichkeiten zwischen dem Gebilde des Dichters und seiner Vorlage fast noch mehr hervortreten als die Ahnlichkeiten, und die Summe derjenigen Punkte, in denen sich beide berühren, bleibt weit hinter den bei einem ober- flächlichen Vergleiche auftauchenden Vermuthungen zurück. Aber auch nach Abzug alles dessen, was gar nicht oder nicht streng als autobiographisch anzusehen ist, bleibt genug davon übrig, um «David Copperfield» auf immer mit dem Leben Dickens' eng zu verknüpfen. – Ist nun auch das autobio- graphische Element in unserem Romane dem Umfange nach nicht allzu bedeutend, so ist es um so werthvoller in anderen Beziehungen. David Copperfield's Autobiographie wirft gerade Licht auf solche Episoden in dem Leben des Schriftstellers, über welche wir entweder ungenügend oder ungenau unter- richtet sind, so dass also das aus der Dichtung zu gewinnende *) F., 262. *) F., 278. - *) Vgl. Temple Bar. London, December, 1870. (A Visit to Charles Dickens, By Hans Christian Andersen.) terial dazu dienen kann, die über Dickens' Lebensgang êkannten Thatsachen theils zu ergänzen theils, wenn auch beschränktem Masse, zu berichtigen oder nur in Einzel- eiten zu bestätigen. «- A In dem Folgenden soll nun versucht werden nachzu- weisen, wie weit Dichtung und Wahrheit in «David Copper- field» sich decken oder auseinandergehen; es soll untersucht werden, inwiefern man den Roman als eine Autobiographie des Verfassers ansehen darf. = -s Erster Theil. (Kapitel I-IV.) David Copperfield wird sechs Monate nach seines Vaters Tode geboren. Mit seiner Mutter ver- bringt er in seiner Heimath, dem Dorfe Blunderstone in Suffolk, eine Reihe glücklicher Jahre. Mit Peggotty, der Magd seiner Mutter, besucht er deren Bruder in Yarmouth, wo er mit Ham und Emily, dem Neffen und der Nichte Mr Peggotty's, bekannt wird. Bei ihrer Rückkehr nach Blunder- stone finden David und Peggotty Mrs. Copperfield an einen Mr. Murdstone verheirathet. Dieser und seine Schwester Miss Jane Murdstone unternehmen Davids Erziehung. Vergebens versucht Mrs. Copperfield, welche ihrem Kinde liebevoll zur Seite steht, dasselbe vor harter Behandlung zu schützen; David zieht sich immer mehr den Zorn seiner herzlosen Er- zieher zu und wird sogar eines Tages von Mr. Murdstone geschlagen, den er dabei in die Hand beisst, wofür er meh- rere Tage in seinem Zimmer eingeschlossen wird und von Hause fortgeschickt werden soll. » § 1. Es ist am Eingange bemerkt worden, wie schwer dem Verfasser des Romans die Wahl eines passenden Titels wurde. Die Hauptschwierigkeit bereitete ihm dabei der Name des Helden, welcher anfangs Thomas Mag, dann David Mag heissen sollte, bis er schliesslich David Copperfield genannt wurde. Vergleicht man diesen endgiltigen Namen mit dem- jenigen unseres Schriftstellers, so muss es auffallen, dass D(avid) C(opperfield) in umgekehrter Folge C(harles) D(ickens) ergiebt, was als beabsichtigt erscheinen könnte, wenn wir nicht Fors- ter's ausdrückliches Zeugniss dafür hätten, dass Dickens selbst erst durch ihn auf jenen eigenthümlichen Zufall aufmerksam gemacht wurde.") Trotzdem ist die Annahme nicht ausge- ) F., 263. 2 – 10 – lossen, dass die endgiltige Wahl des Namens, welche folgt zu sein scheint, nachdem Forster jene Bemerkung fallen lassen hatte, durch letztere beeinflusst und dass dadurch ielleicht Dickens veranlasst wurde, Thatsachen aus seinem igenen Leben in den Roman einzuflechten. § 2. / was born, beginnt David seine Lebensgeschichte, on a Friday, a zwelve o'clock at night.") Auch Dickens wurde an einem Freitage und um 12 Uhr Nachts geboren (Freitag, den 7. Februar 1812). Ob ihm, wie David, auch prophezeit worden ist, der Tag und die Stunde der Geburt würden ihm Unglück bringen, wissen wir nicht; jedenfalls aber blieb ihm der Freitag sein Leben lang ein bedeutungs- voller Tag, aber vielmehr ein Tag des Glücks als des Unglücks. So schreibt er am 14. März 1856 an seine Schwägerin Miss Hogarth: Zhis day / haze pazd the purchase - money /or Gad's Hill Place. A/er drawing the chegzte, Z turnca round o gzze zé to Wºlls,”) and saza. « AWozo zsn't it an extraordinary thing – look at the day – Friday / / have been nearly drawing zé hal/-a-dozen zmes, when the lawyers have not been ready, and here z comes round upon a Friday, as a matter of course».“) Dazu bemerken die Herausgeberinnen der Briefe: //e /re- guently remarked that all the important, and so /ar/ortunale events of his l/e had /a//ezzed to /zyz oz a Friday. So hat, contrary to the usual superstition, that day had come to be looked upozz by his /amzzly as /zs «lucky» day.“) § 3. Bezüglich des Geburtsortes und der Familienver- hältnisse weichen Wahrheit und Dichtung vollständig von einander ab. David erblickt das Licht der Welt in einem ein- samen Dorfe von ungefähr 500 Seelen, Charles Dickens dagegen in einer Vorstadt des geräuschvollen, wohlbevölkerten Ports- mouth; der erstere ist das einzige Kind einer nicht unbemit- telten Wittwe, der letztere war das zweite unter den acht Kindern seiner stets in mehr oder weniger unsicheren Ver- hältnissen lebenden Eltern, die infolge mehrfacher Versetzungen des Vaters, eines Beamten im Zahlamt der Marine, von Ports- mouth bald nach London (1812) und von dort nach Chatham (1814) übersiedeln müssen. s In Anbetracht dieser Thatsachen erwartet man kaum, in Davids Mutter Mrs. John Dickens wiederzufinden. Mrs. Copper- field ist in der That mit Bestimmtheit als eine erfundene Per- sönlichkeit zu betrachten; am wenigsten bietet sich ein Anhalt dafür, in ihr das Ebenbild der Mrs. Dickens zu erblicken. 1) D. C., 1. * Unterredakteur der « Household Words». *) Letters II, 149. *) Letters II, 132. – 11 – Dagegen ist Davids Geburtsort, Blunderstone in Suffolk"), keineswegs Dickens' Phantasie entsprungen: der Ort ist ein wirklich vorhandenes Dorf und liegt zwischen Yarmouth und Lowestoft. Die anschauliche Schilderung dieses Dorfes und namentlich des Geburtshauses legt die Vermuthung nahe, dieselbe beruhe auf eigener Anschauung von Seiten des Schriftstellers. Der Engländer Rimmer, welcher die von Dickens geschilderten Ortlichkeiten nach einander aufgesucht hat, hat sich auch bemüht, den Nachweis zu liefern, dass in Bezug auf Davids Geburtsstätte die Einzelheiten des Romans mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Dass dies der Fall ist, geben wir gern zu, aber wir stehen nicht an, dies für einen Zufall zu erklären und zu behaupten, dass Dickens' örtliche Darstellungen jedenfalls auf manche andere englische Dörfer und Landhäuser passen würden. Ubrigens giebt uns hierüber Dickens selbst in einer Weise Aufschluss, welche kaum noch einen Zweifel darüber zulässt, ob er Blunderstone mit eigenen Augen gesehen hatte oder nicht. Am 29. Dezember 1849 schreibt er an M. de Cerjat, dessen Bekanntschaft er in Lausanne gemacht hatte: What a strange coznczdence that zs about Blunderstone House / Of all the odd hzngs / have ever heard (and their name is Legion), I think z s the oddest. / zwez down zizéo hat part of the country on the 7th o/ /anuary last year, when / was meditatzng the story,and chose Blunder- stone /or the sound of s name.”) Und in einem Briefe an Mrs. - Watson vom 27. August 1853 findet sich die Stelle: Lowesto/ Z know, hy walking over there /rom Yarmouth, when I went down on an exploring expedition, previous to « Copperfield». / s a /mze Ölace. /saw the name « Blunderstone» on a directzon- pos between tº and Yarmouth, and took t/rom the said direction- posé for the book".) Diese Angaben berechtigen uns in keiner Weise zu glauben, Dickens habe Davids Geburtsort gekannt und besucht; und selbst wenn er letzteres gethan haben sollte, kann sein Aufenthalt dort nur ein kurzer gewesen sein, da er sich sonst in den Briefen anders ausgedrückt haben würde. § 4. // zé should appear, sagt David am Anfange des zweiten Kapitels, /rom anything / may sei down zºz his zzarrazze hat I was a child of close observation, or that as a yzanz / have a strong memory of my childhood, / undoubtedly lay claim to both of these characteristics.”) Hier hat Dickens offenbar an sich selbst gedacht: wie David vermöge seiner scharfen Beobachtungsgabe und seines treuen Gedächtnisses sich der ersten schwachen Gehversuche erinnert, welche er º) R., 2 ff.: Blunderstone is pronounced Blundstone or Blunston by the inhabitants *) Letters I, 224. *) Letters II, 19. *) D. C., 7 –12 – zwischen seiner Mutter und deren Dienstmagd Peggotty gemacht zu haben glaubt, ebenso wusste Dickens seinem Freunde Forster nach einigen zwanzig Jahren noch zu erzählen, wie er als Kind in einem Gärtchen vor dem Hause seiner Eltern umhergelaufen und dabei von dem Kindermädchen durch ein niedriges Küchenfenster beobachtet worden sei.!) Weitere Berührungspunkte zwischen Dickens' ersten Lebensjahren und denjenigen Davids in Blunderstone lassen sich nicht nachweisen, und zwar schon deshalb, weil man über den Aufenthalt des kleinen Charles in Portsmouth nicht viel mehr weiss als die oben erwähnte Thatsache. § 5. Die frühesten genaueren Erinnerungen Dickens' reichen, wie die Davids, kaurn über das vierte oder fünfte Lebensjahr zurück. In diesem Alter stand er, als seine Eltern in Chatham ihren Wohnsitz nahmen (Ä), wo er die glück- lichste Zeit seines Lebens zubringen sollte.”) d Wenn Mr. Langton's Angaben richtig sind,”) so zerfällt Dickens' Aufenthalt in Chatham in zwei Perioden, und diese möchten wir in nähere Beziehung setzen mit Davids Kinderjahren in Blunderstone. Des letzteren sorglose Zeit vor Mrs. Copper- field's zweiter Heirath umfasst des kleinen Charles träumerische Tage in Ordnance Terrace (Ä–1821), wo sein Vater noch «zn a /azry good Zoszzon» war. In diesen Zeitraum gehört ünzweifelhaft die in folgenden Worten Davids erzählte That- sache: / can /any remember learning the alphabet at her knee. 7o this day, when / look upon the /a black letters zm the Zrzmer, he Zuzzlzng novely of thezr shapes, and the easy good-nature of O and Q and S, seem to present themselves agazzz be/ore me as they used to do.*) Nicht ganz so sicher lässt sich behaupten, dass die hér- lichen in Gesellschaft der Mutter und namentlich der Magd verlebten Stunden sich ohne Weiteres von David auf Charles übertragen lassen, obgleich es mit Hilfe von Mr. Langton's Untersuchungen nicht schwer ist, den Nachweis zu liefern, dass Dickens' Eltern in Mary Weller einen der Clara Peggotty nicht unähnlichen Dienstboten besassen und dass die erstere von Dingen zu erzählen weiss, welche lebhaft an den Roman erinnern.") t - Die Verhältnisse verändern sich wesentlich durch den Umzug der Familie Dickens nach No. 18, St. Mary's Place oder Brook, einem bedeutend kleineren Hause als das vorher T., 2. *) F., 2; L., 21 ff *) L., 21–63. *) D. C., 27. *) L., 24 ff. – 13 – bewohnte (Anfang 1821).!) Ein ähnlicher Wechsel, obgleich aus anderen Gründen, tritt für David ein, als seine Mutter zum zweiten Male heirathet und der harte Mr. Murdstone seinen Einzug hält. Die mütterlichen Unterrichtsstunden werden eingeschränkt, das harmlose freudige Treiben wird stiller, und der Knabe bleibt mehr und mehr sich selbst über- lassen. Das kümmert jedoch David sowohl als Charles sehr wenig; beide finden Ersatz für das Verlorene, wie uns David in diesen Worten mittheilt: My father had left a small collection of books zºz a little room zuz-stazrs, to whz.ch / had access (/or zt adºozmed my own) and whzch nobody else zn our /ozzse ezer Ärozzbled. Fromz hat blessed zttle room, Roderzcé Random, Perégrzne Pºckle, Humphrey Clinker, Tom /ones, The Vºcar o/ Wakefeld, Don Ouz rote, Gz Blas, and Robinson Crusoe, came oué, a glorzous hosé, éo keep me company. Zhey keÖf alzze my /ancy, and my hope of something beyond hat Zlace and zme, – hey, and the Arabzan Nghis, and the Zales of the Genzz, – and did me no harm ; /or whatever harm zwas zn some of them was not there for me, I knew nothzng of zt.”) - « »- § 6. Das Vorstehende gilt wörtlich von Dickens; auch er fand in der frühesten Jugend Gefallen an den genannten Werken. Die Folgen dieser kindlichen Lektüre genau zu untersuchen, ist hier nicht der Ort; nicht unerwähnt aber darf bleiben, dass Dickens stets eine gewisse Anhänglichkeit an die in der Kindheit lieb gewonnenen Bücher bewahrte und zu ihnen gern zurückkehrte, wofür sich verschiedene Belege finden lassen. In einem Briefe an den Maler George Cattermole bietet er diesem von Petersham aus Goldsmith, Swz/, Feldzng, Smol- leté, and the British Essayzsts «handy» zur Lektüre an;”) in einem andern an Forster fragt er letzteren, ob er schon Defoe's «Hzstory of the Dezzl», die er am vorhergehenden Tage für ein paar Schillinge gekauft, gelesen habe;“) endlich schreibt er an den eben genannten Freund am 5. September 1847: Szz/Zoszng your « Goldsmzth»”) made a general sensation, zwhat should you thank of dozng a cheap edizon of his works? / haze an zaea that we might do some things of that soré zwzé/ conszderable e7ect. There zs really no edtzon of the grea Brzºsh nozelsis zn a handy nzce /orm, and would z 720 be a likely move to do z with some attractzve /eature Ähat could not be gzzen o zt by the 7eggs and such people? Sz//oszºg one wrote an essay on Fielding /or znstance, and *) L., 42 ff. *) D. C., 28. *) Letters I, 24. *) F., 38. *) John Forster, Life of Goldsmith, 1848. another on Smollett, aud another on Sterne, recalling hozo one read them as a child (no one read them younger than / Z think), and how one gradually grew up into a differen knowledge of them, and so /orth – would z not be znteresting to many people? / should like to know if you descry anything zn ths. / s one of the dm notions /uctuatºng withzºz me”) Von solcher Lektüre im Mannesalter erfahren wir in «David Copperfield» gar nichts; es fehlt uns deshalb gänzlich das Bindeglied zwischen der Zeit des Erwachens und der Zeit der Entwicklung und der Reife seiner Phantasie. Es ist nicht unwichtig, diese Lücke in dem Roman hervorzuheben, weil sie klar anzudeuten scheint, dass der Verfasser entweder un- fähig oder nicht gewillt war, seinen geistigen Entwicklungs- gang als Schriftsteller seinen Lesern vorzuführen und dass er ihnen überlassen muss, sich selbst darüber ein Urtheil zu bilden. « - . . » ºf § 7. Schon die in den ersten Kapiteln des «David Copper- field» niedergelegten Erinnerungen beweisen, wie vorsichtig man sein muss, diesen Roman als eine vollständige und ge- naue Autobiographie anzusehen. Wir würden über Dickens' erste Lebensjahre recht mangelhaft unterrichtet sein, wenn wir darüber nur das wüssten, was David von den seinigen be- richtet. In dem Romane erfahren wir nichts von dem Talent im Vortrage komischer Lieder und im Erzählen von Ge- schichten aus dem Stegreif, von welchem Forster zu berichten weiss.*) Ebenso wenig lässt uns Davids Erzählung ahnen, dass sein Vorbild schon sehr früh von einem Verwandten, Namens James Lamert, in das Theater von Rochester mitge- nommen wurde, und dass Dickens infolge dieser Theater- besuche auf den Gedanken kam, selbst Theaterstücke zu schreiben und mit Unterstützung des eben genannten jungen Mannes theatralische Aufführungen zu Äs Die Nichtaufnahme dieser Thatsachen in den Roman ist wohl darauf zurückzuführen, dass Dickens jene Einzelheiten, die doch wahrlich nicht als nebensächlich gelten können, da sie den Grund gelegt haben zu den im Mannesalter eine so be- deutende Rolle spielenden öffentlichen Vorlesungen und Thea- tervorstellungen, in «David Copperfield» nicht berührte, weil sie wenig oder gar nicht in den Rahmen der Dorfidylle passen, vornehmlich die Theaterangelegenheiten. « »- Anders verhält es sich mit einer weiteren Lücke in der dichterischen Lebensgeschichte im Vergleich zur wirklichen. Nach Forster's Aufzeichnungen besuchte Dickens, nachdem er durch seine Mutter in den Anfangsgründen des Englischen ') F, 229–230. *) F., 4. *) F., 4–5. – 15 – und sogar des Lateinischen unterrichtet worden war, mit seiner Schwester Fanny eine Kinderschule in Rome Lane) und später die damals an der Ecke von Rhode Street und Best Street gelegene Schule des Mr. William Giles, des Sohnes des Rev. Wm. Giles,”) auf welche wir später ausführlicher zu sprechen kommen werden. Sollte es wieder Zufall sein, dass in der Dichtung dieser Schultage mit keinem Worte gedacht wird? Es ist doch kaum glaublich, dass diese Zeit, welche von 1821–1822 bez. 1823*) reicht, einen so schwachen Ein- druck auf Dickens hinterlasser haben sollte, zumal da er an die- selbe nachdrücklich erinnert worden war, als ihm sein alter Lehrer um die Zeit, als ungefähr die Hälfte des «Pickwick.» veröffentlicht war, eine silberne Schnupftabaksdose schickte, mit der Inschrift «An den unvergleichlichen Boz».*) Jene Schultage in Chatham sind, unserer Meinung nach, wie so viele andere Thatsachen in dem Leben des Verfassers, absicht- lich nicht in den Roman verwoben, um den autobiographischen Charakter desselben zu verwischen, wie andrerseits zu dem- selben Zwecke dem thatsächlichen Untergrunde vieles hinzu- fügt worden ist, was wir ungern vermissen möchten und was die Erzählung erst zum Roman macht. Zweiter Theil. (Kapitel V-X). David wird nach London geschickt und tritt in einer Vorstadt in eine Privatschule, Salem House, ein. Dort macht er neue Bekanntschaften und erhält Besuch von Mr. Peggotty und Ham, denen er seinen neuen Freund Steer- forth vorstellt. Nach Schluss des Semesters verbringt er die Ferien in seiner Heimath; aber kaum ist er von dort zurück- gekehrt, so trifft ihn die Nachricht, dass seine Mutter gestorben ist. Er begiebt sich zum Begräbniss nach Blunderstone und macht unterwegs die Bekanntschaft des Leichenbesorgers Omer. Mr. und Miss Murdstone entlassen Peggotty aus ihrem Dienst; mit ihr besucht David nochmals ihre Angehörigen in Yarmouth, wo Peggotty sich mit dem Botenfuhrmann Barkis ) F., 3. - ' *) L., 54 ff. – Forster's Angaben sind hier ganz unzuverlässig. Er be- hauptet, die Schule sei vom Rev. W. Giles selbst geleitet worden und habe damals in Clover Lane gelegen, wo sie allerdings früher gewesen war. « 4 * L., 54 ff. - *) F., 5. – 16 – verheirathet. Darauf kehrt David zu Mr. und Miss Murdstone zurück und fällt vollständiger Vernachlässigung anheim. § 8. Aus dem ersten Theile dieser Untersuchungen geht hervor, dass die Anfangskapitel des « David Copperfield» kein vollständiges und zusammenhängendes Bild von Dickens' Jugend entwerfen. Bedeutend mehr Material zu einer Autobio- graphie liefern uns die folgenden Abschnitte des Romans. Im Alter von 10–11 Jahren verliess Dickens Chatham.) Der Abschied von der Stadt scheint ihm schwer geworden zu sein;”) nahm er doch auch von dort einen Zeitraum von sechs glücklichen Jahren umfassende Erinnerungen mit fort. Dort war er mit den Werken von Defoe, Fielding, Smollett, Gold- smith und anderen vertraut geworden, dort hatte er manche Freundschaft geschlossen und einen kindlich-tiefen Blick in die Welt gethan. - - . Den Ausdruck ähnlicher Gefühle würde Dickens seinem alter ego in den Mund gelegt haben, wenn derselbe unter gleichen Verhältnissen die Heimath verlassen hätte. David wird durch den Weggang von Blunderstone ebenfalls von den lieb gewonnenen Büchern getrennt; er soll nicht mehr von seinem Zimmer aus dem Spiel der Knaben auf dem Kirchhof, an dem er selbst nicht Theil genommen hat, zusehen,”) wie der kleine schwächliche Charles nicht mehr mit dem Buche in der Hand das fröhliche Treiben seiner Altersgenossen beobachten durfte.“) - Mrs. Godfrey, die vielleicht jetzt noch lebende älteste Schwester des Schuldirektors William Giles, glaubt, wie Mr. Langton mittheilt, sich erinnern zu können, Dickens' Eltern hätten ihren Sohn bei seinem Lehrer so lange zurückgelassen, bis sie selbst in London eingerichtet gewesen wären. In diesem Falle muss Charles später die Reise mit der stage- coach allein gemacht haben, und man mag berechtigt sein, den Reisebericht in «Dullborough Town» auf ihn anzuwenden.") § 9. David wird von Blunderstone fortgeschickt, um in eine Privatschule einzutreten; in Dickens' Lebenslauf folgt auf die Kindheit in Chatham ein Zeitraum trübseliger Verwahr- . losung. Es ist also zwar keine genaue Ubereinstimmung in der Reihenfolge ihrer Erlebnisse vorhanden, aber die letzteren selbst sind sich einander so ähnlich, dass kein Zweifel darüber sein kann, aus welcher Quelle der Romandichter geschöpft hat. *) Dickens muss sich wohl geirrt haben, wenn er in einem Briefe an Wilkie Collins behauptet, bis zum 12. bez. 13. Jahre in Chatham geblieben, zu sein. (Letters II, 157.) - s s ?) F., 5. * D. C., 28. *) F., 3 und F., 6. *) F., 6. – L., 64–65. – 17 – - Mit acht bis neun Jahren") wird David ein Pensionär des Mr. Creakle in Blackheath bei London; Dickens besucht vom zwölften Jahre an als Tagschüler das Institut des Mr. Jones in Hampstead Road, London.”) Unähnlichkeit, also schon im Alter; doch noch in anderem. Für Charles ist Wellington House Academy die zweite Schule, David betritt in Salem House zum ersten Male den Boden einer Unterrichtsanstalt; in der Wirklichkeit ging eine stürmische Zeit voll trüber Erfahrungen voraus, in der Dichtung folgt die Schulzeit auf die heimathlichen Kinderjahre. Es ist bekannt, wie gern und in welcher Absicht Dickens in seinen Schriften das Thema der Unterrichtsanstalten behan- delt hat. Nicht nur in «Nicholas Nickleby» und «Dombey and Son», sondern auch in den «Sketches» und in kleineren Abhandlungen, wie «The School-Boy's Story», führt er uns Schulen verschiedener Art vor, aber keine der dort entworfenen Skizzen steht in näherem Zusammenhang mit Wellington House Academy. Auch das über Mr. Creakle's Schule Gesagte würde man niemals als autobiographisch im engeren Sinne erkannt haben, wenn nicht Dickens selbst eine solche Erkennt- miss erleichtert hätte durch eine, wenn auch theilweise mythische, im Allgemeinen jedoch wahrheitstreue Darstellung seiner Schule. Dass wir aber eine solche Darstellung in dem «Our School» betitelten Artikel der «Household Words» vom 11. Oktober 1851 besitzen, ist ausser allem Zweifel, nachdem damalige Schulgenossen unseres Schriftstellers fast gleich lautende Berichte geliefert haben. n Die Einführung in Wellington House Academy wird von Forster in Dickens' eigenen Worten erzählt: There was a school zn he Hampstead-road kept by Mr. /ones, a Welsh- m2a/2, o zehzch my father dispatched me to ask /or a card of erms. Zhe boys were a dºnner, and Mr. /ones was carzzng /or ähem, zwzha Zazr of holland sleeves on, when / acquzted myself of his commission. He came out, and gaze me what / 70a 2éed, and hoped / should become a puzz. Zdza. A . sezeº2 o'clock one mornzng, zery soon afterwards, Y wen as day scholar éo Mr. /ones's establishment, which was zn Mor- zzzzzgéon-place.”) »- Die Veranlassung zu der Wahl dieser Schule finden wir # in «Our School: Ä jasº shºº of some celebrzy zºz zis 72eghbourhood – nobody could have saza zwhy.“) Ob Mr. Murd- *) Im Hotel zu Yarmouth wird David vom Kellner nach seinem Alter gefragt, worauf er antwortet: bezweenz ezghi and nzze. (D. C., 35). *)"Letters II, 157: / zwas hen Zzzi o a school near London. Dickens konnte damals die nach dem nordwestlichen Vordorf Hampstead führende Hampstead Road recht wohl auf diese Weise bezeichnen. *) F., 17–18. « *) H. W., 9l. – 18 – stone aus demselben Beweggrunde wählte, ist nach den wenigen Worten, welche seine Beziehungen zu Mr. Creakle andeuten, nicht zu sagen: & I haze he haſ/zness of knowing your /äthér- znz-lazy», whispered Mr. Creake, akzng me by the ear, «and a worthy man he s, and a man of a strong character. He Änozºs me, and I know hzm»*) Betreffs des Rufes giebt Salem House der Wellington House Academy kaum etwas nach; das geht hervor aus einem Vergleich der Zöglinge: Steerforth und Demple können sich sehr gut mit Danson und anderen messen. Salem House was a square örzcé buzlazng zwzäh zwzngs, of a öare and uzz/urñzshèd appearance. . . . . / gazed upon the school-room as he mosé /ororn and desolate Zlace / had ever seen. / see z now. A long room, , zwzäh hree long rows of desés, and sza 0/ /orms, and brzsélzºg all round zwz) Zegs /or hats and slates.”) – Mr. Creakle's part of the house zwas a good deal more com/orable than ours, and he had a sºzug bz g/ garden hat looked peasant ä/ter the dusy playground, zwhzch zwas a deséré zz mz/zzalure.*) Diese dürftigen Angaben genügen, um das Original des Hauses zu erkennen, von welchem Mr. Langton, als Nachtrag zu Forster's Kapitel über diesen Gegenstand, eine Ansicht giebt, mit Umrissen von dem Schulzimmer.“) Our School zwas remarkable /or zehzte mzce. Red-Zolls, lznnes, and even canarzes, zwere kept zn desés, drawers, hat- boxes, and ather strange re/uges /or Özrds, Özzi zehzée mzce zwere the /azozzrzte stock) Nicht viel besser sieht es in Salem House aus: Scraps of old cg/y-books and exerczses läéer he dary/oor. Some szlzworms houses, made of the same naterals, are scattered ozer the desks. Zwo miserable, zehzte mzce, le/ behznd by thezr owner, are rzzzzzzzzzg up and dozen zºz a /zsy castle made of Zaseboard and zwzre, lookzng zºz all the corners with her. Zed eyes /or anything to eat A bzrd, zºz a cage zery little bigger than himsel/, makes a mozºrn/u rattle now and then zºz hop/zng on his Zerch, woznches hgh, or drop- Zing /rom , bué nezther szngs nor chr/s.") - - Man muss sich über derartige Freiheiten der Schüler wundern, wenn man damit die Zeichnung des Institutsvor- stehers in Verbindung bringt. « /'ll tell yozz zoha / am», whispered Mr. Creakle. « /'m a Tartar» . . . . « When Ysay Z'll do a hzºg, Y do zé, and when I say / wzl haze a éhzng done, / will havez done . . . / am a determined character – 19– Thät’s zwhat I am».”) – / should thzºné here ?zezer can havé been a man zeho enjoyed his professzon more than Mr. Creakle dzd. He had a delght zn cutting at the boys, whzch was like the satisfaction of a grazzng appetite . . . . .*) Wir haben hier keineswegs Ubertreibung*) oder romanhafte Ausschmückung vor uns; fast mit denselben Worten äussert sich Dickens über Mr. Jones: The only branches of educazon wzth zwhzch he showed the least acquazniazzce, zwere, rzzlzng, and corporally Zunzshzng. He was always rulºng czzherzng-books zwzth a bloated mahogany-ruler, or smzézng he Zalms of öffeniers zwzth the samédiabolzcal zzstrument, or zzczously drawzng a Zazr of Zantaloons ghé zwzth one of his large hands, and canzng the zwearer with the other. We haze no doubt whatever that this occupation zwas he Zrzzzczza solace of his exzséence.*) Die eben erwähnte Unwissenheit des chze/ ist auch auf Mr. Creakle übertragen worden. / heard that he knzezy nothzºg hzmsel/, but he art of slashzºg, bezng more gnorant (/ Seer- /orth sazd) than the lowest zz the school, that he had been, a good many years ago, a small hop-dealer zn the Borough, and taken to the schooling buszºzess a/er bezng bankrupé zºz hops, and making away zwzäh Mrs. Creakle’s money.”) Die autobiographische Treue des letzten Theils des Citats wird wiederum dargethan durch eine Stelle in «Our School»: We have a general zdea hat zis subject had been zn the leather trade, and had boughé zzs – meanzng our School – of another Zroprietor.") Der frühere Stand des Institutsvorstehers ist zwar nicht in beiden Erzählungen derselbe, aber in beiden Fällen bildet doch die Vergangenheit des Mannes zu seinem späteren Beruf als Erzieher einen eigenthümlichen Gegensatz, der nur verständlich ist für denjenigen, welcher die englischen Schulverhältnisse, namentlich der früheren Zeit kennt.") 3. Wie der Herr, so der Knecht. There zwas, beszales, a ser- zzng man, whose zzame was Phz, erzählt Dickens in «Our School». Our retrospectzze glance presents Phil as a shzózwrecked carpenter, cast azway upon the desert zsland of a school. We had a high opzzzzozz of his mechanzcal genzzºs, and generally held that he Chzef «knew somethzng bad of him», and on Zazn ofdzugence en/orced Phz to be his bondsman. We paxtzcularly remember hat Phil had a sozeregn contempé /or learnzng . . . *) D. C., 42. *) D. C., 45. - -- *) Der Verfasser eines Artikels in «The Family Herald» vom 28. Juli 1849 erhebt Einspruch gegen Szzc/º zzzz/ounded and a/b/are/2ély mzalºg/2a/2é slanders agazr2sé éhe class of eachers. (K., 257). « *) H. W., 91. - - *) D. C., 43. - 4. *) H. W., 91. *) Vgl. Reichardt, Der deutsche Lehrer in England. Berlin, 1883. – 20 – f He zwas morose, even to the Chie/ and never smiled.). In den Hauptzügen findet sich Phil's Bild wieder in Creakle's Factotum. A heard that the man wzih he zwooden leg, whose name was Zungay, was an obsznate barbarzan who had formerly asszsted zºn the hop bzzszºzess, bué had come zzo he scholastzc lzne zwzth Mr. Creakle, zºz consequence, as zwas supposed among the boys, of his hazzng broken his leg zn Mr. Creakle's sérzzce, and hazzng done a deal of dishones, zwork /or hzm, and knowzng has secres. I heard that with the szngle exceptzon of Mr. Creakle, Zungay conszdered the whole establishment, masters and boys, as his natural enemzes, and that the only delght of his l/e was to be sour and malicious”) - . . . " . . » Die Veränderung, welche Dickens in den Thatsachen vorgenommen hat, ist nicht zu Gunsten des chzef ausgefallen: in der Wirklichkeit besitzt derselbe ein Geheimniss seines Untergebenen, in der Dichtung ist der letztere ein Helfers- helfer seines Vorgesetzten gewesen und muss deshalb, Sicher- heits halber, von ihm im Dienst behalten werden. In gleich schlechtem Lichte erscheint Creakle seinen Hilfslehrern gegen- über. Ihr Verhältniss ist bezeichnend ausgesprochen in den Worten: Zhe master was supposed among us to know nothing, and one of the zushers zwas supposed to know everything,”) die zwar im Roman nicht zu lesen sind, aber dem Inhalte nach dort recht wohl stehen könnten. Was den einen der Hilfslehrer in Salem House betrifft, so fehlt nur wenig, um denselben zu einem genauen Eben- bild seines Originals zu machen. Der usher in «Our School», welcher kein anderer gewesen sein kann als der von Mr. Thomas genannte Mr. Taylor,“) zwas a bony, gentle-/aced, clerzcal- looking young man zn rusy black . . . He was wrztzng-master, mathematical master, English master, made out the bills, mended #he Zens, and dzd all sorts of thzºngs . . . . He was rather muszcal, and on some remgée quarter-day had bought an old érombone, but a bzt o/ zt was los, and it made the most extra- ordznary sounds when he sometimes tried toplay zéd/ an evenzng.”) Eine sehr ähnliche Beschreibung macht David von Mr. Mell: He was a gaun, sallow young man, zwith hollow cheeks . . . . He was dressed zn a suz g/ black clothes which were rather rusy and dry oo . . . All day long, and untzl seven or ezghi zzz the evenzng, Mr. Mell, at his own detached desk zn the school-room, worked hard wzth pen, znk, ruler, books, and zwrzzng-Zaper, makzng out the bills /or last hal/-year. When he had put up his things /or the night he took out his /ute, *) H. W., 95. *) D. C., 43–44. *) H. W., 91. 4) L., 86. « g *) H. W., 93–94. – 21 – and blew aé zé, untzl / almost thought he would gradually blow his whole bezºg zzo the large hole at the top, and ooze azway at the keys.”) - Die Posaune des Mr. Taylor ist von Dickens in eine Flöte. verwandelt worden; im Ubrigen liegt in den Skizzen fast völlige Gleichheit vor. Im Roman kommt noch hinzu, dass der Hilfslehrer schlecht bezahlt wird und arm ist,”) was jedenfalls auch bei seinem Kollegen Taylor der Fall gewesen ist. Davon, dass des letzteren Mutter eine Bewohnerin des Armenhauses gewesen sei, sagen Forster und seine Gewährs- männer nichts. Es liegt also die Vermuthung nahe, dass alles, was mit dem Aufenthalte der Mutter Mr. Mell's in den Armenhäusern zusammenhängt, von Dickens erfunden ist, um Creakle später als Vorwand zur Entlassung seines Hilfslehrers dienen zu können. – Nach dieser Entlassung hören wir nichts über Mr. Mell's Schicksale bis zum 63. Kapitel, wo die Leser die Genugthuung haben, zu erfahren, dass der arme usher in Australien ansässig ist und als Dr. Mell eine angesehene grammar school leitet. Diese Thatsache steht, abgesehen von dem Ort, im Einklang mit dem, was ein ehemaliger Zögling von Wellington House Academy, Mr. Bowden, über den dortigen englischen Lehrer berichtet, von dem er sagt: Mr. Taylor le/ Mr. /ones, and opened a school /or himsel/, known as «he Retreat, Sozzih Zambeth».”) . * . . " Neben Mr. Mell wirkt in Salem House ein Lateinlehrer Namens Sharp, den David beschreibt als a lzm/, delzcaée-lookzºg genzáleman, zwzth a good deal of ?zose, and a way of carryzng hts head on one szde, as ºf it were a little too heazy /or h2m.”) Einige dieser Merkmale finden sich wieder in Mr. Blinkins, dem Lateinlehrer von Wellington House Academy, a colour- less doubled-up zzear-szghied man with a cruch.") Man wird also kaum irren, wenn man Mr. Blinkins und Mr. Sharp als identisch betrachtet. » . s .. - . . " Die durch das Vorausgehende beleuchteten Verhältnisse machen es erklärlich, dass Dickens im Roman die Erziehungs- resultate nicht anders darstellen konnte, als sie in der Wirk- lichkeit gewesen waren. Dr. Danson, ein früherer Mitschüler Dickens, gesteht gern zu, dass the boys made bué zery lääle progress, und fügt hinzu: I do not remember hat Dzckens distinguished hzmsel/ zn any zway, or carrzed off any Zrzzes.") Diese Erklärung sowie ähnliche Aussagen eines anderen Mit- schülers, Mr. Thomas,") wodurch Dickens' eigene Angaben *) D. C., 40. *) D. C., 44. *) L., 89. *) D. C., 42. *) H. W., 94. *) F., 20. - *) F., - 19. – 22 – in «Our School» hinfällig werden,?), zwingen zu dem Schlusse, dass Dickens die Zustände in Mr. Jones' Schule treffend schildert, wenn er David sagen lässt: Wºz a school carrzed on by sheer cruely, whether tº s preszdedozer by a dºznce or not, here zs not likely to be much learné. / öeeze our hays were, generally, as gnoranz a set as any schooléoys zºz exzsence, they were too much troubled and knocked aboué éo leariz.*) Wenn die Schüler in Wellington House Academy, wie aus vorstehendem Citat hervorgeht, nichts : oder sehr wenig lernten, so entschädigten sie sich dafür durch allerhand Dinge, die in einer besser geleiteten Schule sicherlich nicht geduldet worden wären. Von diesen Belustigungen - erwähnt zwar Dickens in «David Copperfield» nur das Halten und Abrichten von weissen Mäusen, von anderen Seiten und aus «Our School» wissen wir aber, dass Mr. Jones' Anstalt auch der Schauplatz von Theateraufführungen war, deren Seele selbstverständlich niemand anders als der 12 bis 14jährige Charles gewesen sein kann. Ferner soll er ein besonderes Schülerkauderwälsch erfunden und ein grosses Vergnügen darin gefunden haben, Geschichten zu erzählen und zu schreiben, die dann in einer Art Club verliehen und umhergeschickt wurden.*) Uberhaupt erscheint Diekens, nach den Mittheilungen seiner Mitschüler, in Wellington House Academy als ein sehr ausgelassener Bursche, der an allen tollen Streichen wacker theilnimmt.*) - Dies alles verräth bereits in Dickens den rührigen, erfin- derischen und selbständigen Geist, der ihn sein ganzes Leben hindurch kennzeichnete. Von einer Bethätigung solcher Geistesanlagen finden sich in der Dichtung fast keine Spuren. David erscheint in dieser Beziehung in weit üngünstigerem Lichte als der junge Charles. Während letzterer, ohne Rück- sicht auf den jähzornigen Mr. Jones, in der freien Zeit unaus- gesetzt auf allerhand Unterhaltung sinnt und sich dabei frei bewegt, macht das Verhalten Davids den Eindruck eines ein- geschüchterten, unselbständigen Charakters. Das Einzige von ihm, was an Dickens erinnert, ist das Erzählen von Geschichten. Aber auch hierin steht David hinter dem jungen Charles zurück. Mr. Thomas schreibt: As an alternate amusement he Zresenz wrzäer zwell remembers extemporzszng éales of some sort, and reczzng them o/7hand, with Dickens and Danson or Zoben zwalkzng on ezüher szde of him.") Im Roman handelt es sich nicht um ein freiwilliges Vergnügen, das Erzählen soll nur s ) H. w, 91 We were ola enough to be put zºnto Virgt zwhen we went there, and to get Przzes /or a variety of polish- zng on whzch he rust has long accumulated. - *) D. C., 47. *) F., 19–20. *) F., 20. *) F., 19. dazu dienen, einem selbstsüchtigen Gefährten Abends und früh Morgêns die Zeit zu vertreiben.!) David tritt hier also fast als Untergebener auf; ausserdem giebt er beim Erzählen nur das früher Gelesene wieder, während Dickens frei erfundene Geschichten vorgetragen zu häben scheint, . . . Die Arabzan nzghts im Schlafsaale zu Salem House führen uns dazu, noch einige Worte über Davids Mitschüler daselbst zu sagen; wir können uns kurz fassen, da wir im Verlaufe unserer Untersuchungen Gelegenheit haben werden, auf die- selben zurückzukommen, denn in den ferneren Lebensschick- salen. Davids spielen sie eine nicht unwichtige Rolle. Von seinen Kameraden nennt David nur drei, Steerforth, Traddles und Demple. . .“ - -- s - - Steerforth, ein Jüngling von einnehmendem Aussern und bestechenden Umgangsformen, der einzige parlour-boarder in - der Schule, verfehlt nicht, auf den schwachen David grossen Eindruck zu machen und bedeutenden Einfluss auf ihn auszu- üben, welcher keineswegs durch den Auftritt zwischen Steer- forth und Mr. Mell beeinträchtigt wird, wobei sich ersterer nicht im schönsten Lichte zeigt. In «Our School» begegnen wir ebenfalls parlour-boarders genannten Schülern, aber, abgesehen vom Reichthum, haben sie nicht das Geringste gemein mit Steer- forth. Dieser ist auch in keiner Weise zu vergleichen mit einem der Schulgefährten Bickens, mit denen uns Forster bekannt macht, so dass, wenn wir noch dazu den romanhaften Lebens- gang Steerforth's in Erwägung ziehen, die Behauptung auf- gestellt werden muss, Dickens habe diesen Charakter voll- ständig erfunden. Mr. Langton bemerkt zwar in Bezug auf einen Nachbarssohn in Ordnance Terrace, Chatham, mit weléhem Dickens sehr befreundet war, Some characterzstzcs of George Sºroughzºll, a Zrank, open, and somewhat darzng boy, are ze-produced as Seerforth zn « Dazza Copperfield» *) da aber Mr. Langton den Beweis dafür nicht antritt und auch kein Material an die Händ giebt, um diesen Punkt zu unter- suchen, so müssen wir seine Angabe auf sich beruhen lassen. - Eine lebenstreuere Figur als Steerforth ist Traddles. He was zery honourable, Traddles was, and held it as a soleman duty zzz the boys to stand by one another. He su/7ered /or has orz several occaszons, and particularly once, when Seer- /örth laughed zn church, and the Beadle thought it was Trad- dles, and lookhzm ozzt.*) Das Auftreten dieses Schülers während der ganzen Schulzeit rechtfertigt Davids Urtheil über den- selben. Als Steerforth seinem Lehrer in unehrerbietiger Weise begegnet, hört man nur von Traddles den Ruf: Shame / Séeer- /orth / Zoo bad/ Und, nachdem er von Creakle geschlagen *) D. C., 46. *) L., 23. *) D. C., 46. – 24 – worden ist, weil er bei Mr. Mell's Weggange Thränen vergossen hat, besitzt Traddles allein den Muth, dem hochmüthigen parlour- boarder offen ins Gesicht zu sagen, dass er seinen Lehrer arg beleidigt und um seine Stelle gebracht habe. – Dass bei der Zeichnung dieses Schülers Dickens eine aus dem Leben gegriffene Person vorgeschwebt hat, soll später dargethan werden; jetzt schon mag jedoch festgestellt werden, dass Dickens nicht die Absicht hatte, in Traddles einen Schulfreund aus Wellington House Academy vorzuführen. - " Fassen wir die in Kapitel V-VII und IX gefundenen autobiographischen Thatsachen zusammen, so ergiebt sich: Salem House stellt im Allgemeinen Wellington House Academy dar; das Verhalten Davids weicht bedeutend ab von dem- jenigen Dickens'; die Mitschüler des letzteren sind, so weit wir nach den vorliegenden Quellen urtheilen können, in keiner Weise identisch mit denen Davids. 4 - 10. Dickens blieb in Wellington House ziemlich zwei Jahre”) und verliess es, um einen Beruf zu ergreifen; David verweilt in Salem House kaum zwei Semester und wird nach Hause zurückgerufen, um dem Begräbniss seiner Mutter beizu- wohnen, ohne zu wissen, was aus ihm werden wird. Auf dem Wege nach Blunderstone kommt David durch Yarmouth, wo er die Bekanntschaft des Mr. Omer macht. Dieser Zwischen- fall ist zwar an sich ohne Bedeutung, möge aber als Aus- gangspunkt dienen für einige Bemerkungen über den Zusammen- hang Yarmouth's mit Dickens' Lebensgeschichte. « Zé has been zn/erred, sagt Forster,”) /rom the zzzzaness of the boy-zmpresszons of Yarmouth zn David's earlesſ experiences, that he place must have been /amzlzar to his own boyhood.”) Man vermuthet dies um so mehr, da Dickens Yarmouth zum Wohnort einer Gruppe von Personen gemacht hat, ohne die der Roman einen grossen Theil des Interesses verlieren würde, wir meinen die Peggotty-Gruppe. But the truth zwas, fügt Forster den eben angeführten Worten hinzu, hat at the close o/ 1848 he /rsi sazw that celebrated seaport.*) Dieses Datum stimmt, nicht mit dem überein, was aus den bei Blunderstone angezogenen Briefen (29. Dezember 1849 und 27. August 1853)”) hervorgeht; denn, vorausgesetzt, dass diese beiden Briefe auf ein und dieselbe Reise Bezug haben, müssen wir aus den dort gemachten Angaben schliessen, dass Dickens 1). F., 18. »- *) F., 262. * »- *) Vgl. Fraser's Magazine. December, 1850: ZThe number anzd mz/zzzle- ness g/ he local deals zndicate an znzmate knowledge o/ and /ozzdºzess /or, Yarmouth, - - 4) F., 262. *) Seite 11, – 25 – im Januar 1848 Suffolk besuchte und bei dieser Gelegenheit bereits Yarmouth kennen lernte. Ob hier Dickens oder Forster Recht hat, ob die erste Reise nach Yarmouth und Umgegend am Anfang oder am Ende des Jahres 1848 stattfand, ist schwer zu entscheiden. Entweder muss sich einer von beiden im Datum der Reise irren, oder Dickens ist mehrmals in jener Gegend gewesen, das erste Mal im Januar 1848 und ein anderes Mal am Ende desselben Jahres. Wie dem auch sei, jedenfalls beruht Dickens' Lokalkenntniss von Yarmouth und Umgegend nicht auf längerem Aufenthalt daselbst, sondern auf vorübergehenden Reiseeindrücken. - - Örtlichkeiten daselbst. Er sieht es zuerst in Gesellschaft der Magd seiner Mutter, der treuen Peggotty. Durch sie lernt er ihren Bruder, Mr. Peggotty, sowie dessen Neffen und Nichte kennen. Der Wohnort dieser Familie, ein altes Boot, ist der Mittelpunkt des romanhaften Theiles der Dichtung. Mr. Rim- mer hat in Erfahrung gebracht, dass dieses Boot in der That früher vorhanden gewesen, jetzt aber verschwunden ist. Es würde sich hier, wie bei Blunderstone, wieder behaupten lassen, dass auch an anderen Seeplätzen ähnliche Behausungen noch Davids Beziehungen zu Yarmouth knüpfen sich an drei bestehen oder bestanden haben mögen; aber, obgleich Dickens in Yarmouth keinen längeren Aufenthalt genommen zu haben scheint, so steht nichts der Annahme entgegen, dass er bei dem home der Peggotty-Gruppe jenes in Yarmouth früher vorhandene Boot im Auge hatte. Dasselbe gilt von Mr. Omer's Hause, welches von David, wenn er nach Yarmouth kommt, wiederholt aufgesucht wird, obgleich es für ihn ein unterge- ordnetes Interesse hat. Dieses Haus soll, nach Mr. Rimmer, noch jetzt nachweisbar sein. There is, sagt er, an old-fashioned shof a éhe corner of a row, mzscalled Broad Row, hat Zreczsey corresponds zwzth the description, and singularly ezzough zº s zºsed as a clohzºg establishment, and zn szlzer letters on a blacé éoard zzzszde the shoz zs the announcement, « Funerals /urnzshed»: – Der dritte Ort, der für David in Yarmouth von Bedeutung war, ist das Hotel, in welchem er mit dem unver- schämten Kellner jene unglückliche Mahlzeit hält, die ihn in den Ruf bringt, mit einem alarmzng appetzte behaftet zu sein. Auch dieses Hotel glaubt Mr. Rimmer wiedergefunden zu haben und zwar in dem Crown and Anchor, wo Dickens abzu- steigen pflegte. – Mag auch den im Roman vorkommenden Ortlichkeiten, soweit Yarmouth in Betracht kommt, die wirk- liche Existenz nicht abzusprechen sein, so ist doch klar, dass sie mit Dickens' Leben nur in indirektem Zusammenhangestehen. Neben der Anschaulichkeit in der Darstellung der Örtlich- keiten tritt in den Yarmouth-Episoden eine Vertrautheit mit nautischen Dingen hervor, welche nicht während eines ein- oder mehrmaligen vorübergehenden Aufenthaltes an einem 4 Seeplatze erworben sein kann. In der That hat sie auch weit tieferen Grund, sie beruht unzweifelhaft auf den Beobachtungen und Erfahrungen, welche Dickens als Kind in Chatham gemacht hatte. Dort bot sich Gelegenheit, die Schiffsbauwerkstätten zu besichtigen sowie die Sitten und Gewohnheiten der see- fahrenden Bevölkerung kennen zu lernen, dort durfte er auch gelegentlich mit dem Vater auf der zzazy-Öay yacht nach Sheer- ness hinausfahren.) « Wir sehen also, dass Dickens seinen Aufenthalt in Chatham in «David Copperfield» in doppelter Weise benutzte: einerseits hat er seine Erlebnisse in Davids Blunderstone-Jahren nieder- gelegt, andrerseits hat er die in Chatham gesammelten nautischen Kenntnisse und Erfahrungen in den in Yarmouth sich abspielen- den Ereignissen verwerthet. Der eigentliche Geburtsort der Peggotty-Gruppe ist Chatham, und wenn Dickens hier nicht wieder die Identität Davids mit seiner Person hätte ver- wischen wollen, würde er Chatham, vielleicht auch Portsmouth statt Yarmouth geschrieben haben. § 11. Von Yarmouth, wo wir David gelassen haben, kehrt derselbe nach Blunderstone zurück und wohnt dem Begräbniss seiner Mutter bei, worauf er Peggotty, welche von Miss Murdstone entlassen worden ist, nach Yarmouth begleitet. Mit der Rückkehr Davids von dem Besuche in Yarmouth betreten wir wieder den Boden der Wirklichkeit. And 2070 / /el zzzo a safe 0/ 72eglecé, sagt David von der nächsten Zeit in Blunderstone, whz.ch / cannot look back zuzon zwzhoué compasszozz. / /el až ozzce zzzo a solitary con- dzzonz, – aparé /rom all /rzendly zolzce, a/aré /rom the soczey of all other boys of my own age, aparé /rom all companionship Özzé my own spzrzéless thoughs, – zw/zch seems to cast zs gloom upon this Zaper as / Write.”) Glaubt man hier nicht Dickens' Stimme zu hören? Erging es ihm nicht ebenso, als er im Alter von 11 Jahren in die ärmliche Wohnung in Bay- ham Street, Camden Town, London, eingezogen war? Zwar war er noch nicht eine Waise, aber genoss er denn von nun an viel bessere Pflege von Seiten seiner Eltern als der zehn- jährige David von Seiten des Mr. Murdstone ? Dahin war es gekommen durch die Versetzung von John Dickens nach London und die darauf folgenden misslichen Verhältnisse, die sich schon in Chatham fühlbar gemacht hatten As / hought, soll Dickens einst zu Forster gesagt haben, zzz the little back-garre zzz Bayham-street, o/ all / had lost zn loszºg Chatham, what zwould / haze gzzen, / / had had any- thing to give, to have been sent back to any other school, to 1) F., 5. *) D. C., 75. – 27 – have been aught sométhzng anzyze here/) Mit fast denselben Wor- ten lässt er David ausrufen: What zwould I haze gzzen o haze been sent to the hardest school hat ever was kepé/ – 9 haze been augh something, anyhow, anywhére /*) Welche Ahnlichkeit in der Lage der beiden Knaben! Und wie unähnlich ist sie doch auch wieder in mancher Hinsicht! Für Dävid ist der Eintritt der Verwahrlosung die Stunde der Erlösung aus Mr. und Miss Murdstone's harter Zucht, der junge Charles lässt eine Zeit ungebundener Freiheit hinter sich; der eine tritt heraus aus der sang- und klanglosen Schulzeit in Salem House, hinter dem anderen schliessen sich die Thore der von Liebe durchdrungenen Schule des Mr. Giles; der Romanheld kehrt von London's Nähe zurück in Blunderstone's Einsamkeit, sein Original tritt nach den rühigen Tagen in Chatham in das Gewühl der Welthauptstadt London. - * - - - » - Z. hzné, klagt David in der Zeit der Vernachlässigung, Mr. Mzzrdstone's meazzs zwere strazened at about hzs zmze, bué é zs little to the purpose. He could not bear me, and ziz Zzzézºg me /rom hzm, he trzed, as I belzeze, o Zzzi away the zºgéion hat Z had any claznz upon htm – and succeeded”) Nicht anders urtheilt Dickens von seinem Vater in Bezug auf jene Zeit. In the ease of his temper and the séraziness of hºs means, he appeared to have utterly lost at his zme he zaea of educaézng me at all, and o haze utterly put /rom htm ähe zolzoºz hat I had any clazºn upon hum, zm hat régard, ze/aezer.*) Und was war die Folge davon, dass Charles sich überlassen blieb? Wir vernehmen die Antwort aus Davids Munde: Aé al zmes / lounged about the house and negh- óoºrhood guzée d‘sregarded.") In Wirklichkeit allerdings lagen die Dinge durchaus nicht so harmlos. Davids Worte verrathen nicht, in welcher Gefahr der junge Charles damals schwebte, als er, a zery small and not ozer-particularly-laken-care-of boy,") in den Strassen des armen Stadttheils Camden Town umherzu- wandern pflegte oder sogar Streifzüge nach dem Distrikt von St. Giles ünd nach dessen Mittelpunkt, Seven Dials, unter- nahm."). Dass der wirkliche David aus dieser Feuerprobe unversehrt hervorging, ist weit wunderbarer als, dass der David des Romans keinen Schaden an Leib und Seele nahm. !) F., 6. *) D. C., 75. *) D. C., 75. *) F., 7. *) D. C., 75. °) Letters IV., 26. ) F., 7. – 28 – Dritter Theil. (Kapitel XI-XII). David tritt, auf Mr. Murdstone's Ver- anlassung, in das Geschäft «Murdstone & Grinby» ein und erhält bei Mr. Micawber Wohnung. Mr. Micawber geräth nach und nach in tiefe Schulden und wird endlich in das Schuldgefängniss abgeführt. Als er dasselbe verlassen hat, siedelt er nach Plymouth über. – David fasst den Entschluss, aus dem Geschäft fortzulaufen und seine Tante Miss Betsey Trotwood aufzusuchen. » . - § 12. Mit dem Eintritt Davids bei Murdstone & Grinby gehen wir zu einer in mehrfacher Hinsicht bedeutungsvollen Zeit über. Das Kapitel XI ist am reichsten an autobiogra- phischen Thatsachen, und diese selbst übertreffen an Treue alle anderen Theile der Erzählung, wie sich an der Hand des Fragments einer Autobiographie nachweisen lässt, welche Dickens begonnen hatte, bevor er an die Einverleibung seiner Selbsterlebnisse in den Roman «David Copperfield» dachte.") Die Warenhaus-Episode umfasst aber auch die trübsten Er- fahrungen des Erzählers, und die Enthüllung derselben ist ihm am schwersten geworden. « « Davids harte Erfahrungen bei Murdstone & Grinby decken sich inhaltlich und beinahe auch zeitlich mit dem, was Dickens nach der Periode der Vernachlässigung durchmachen sollte. Der Wunsch, in eine Schule zurückgeschickt zu werden, ging dem jungen Charles so wenig in Erfüllung wie David. Eine Schule war es allerdings auch, in welche er jetzt eintrat, nämlich die Schule des Lebens, der er überhaupt mehr zu verdanken hatte als der andern. Am Anfange des Jahres 1823, nach Mr. Langton's Berechnung, war Dickens nach London gekommen, und wenige Monate darauf, als die Verhältnisse der Familie beinahe den Höhepunkt des Elends erreicht hatten, fand er Aufnahme in dem Geschäft eines Verwandten, über welches er sich in dem erwähnten Fragment folgendermassen äussert: 7%zs speczzlatzorz was a rzvalry of « Warren's Blackzºg, 3o, Strand», – al hat zme zery/amous. One/onathan Warrenz (he /amzous one was Rober), lºzzng at 3o, Hunger/ord-stars, or marke, Strand, clazmed to have been the original znzenor or Zro/rzetor of the blackzng reczpe, and to have been deóosed and ll-used by his renowned relation. A last he zu himself zºz he zway of sellzng hzs reczóe, and his name, and his ?o, Hunger/ord-stazrs, Strand (3o, Strand, zery large, and the zºzermedzaée dzreczon zery smal), /or an anzzuzy, and he sei *) F., 10. – 29 – Yorth by hºs agens hat a little capital would make a great business o/zé. Zhe mazz g/some property zwas found zn George Lamert, he cozzszzz and brother-zzz-lazo of/ames. He bought thºs rghé anzd zéle, azd zwez zzzo the blackzng buszness and the blackung premises.) v «- »- Der genannte James Lamert, welcher eine Zeit lang bei der Familie Dickens gewohnt hatte, war Zeuge der Verwahr- losung des jungen Charles und glaubte, der Familie und ihm einen Dienst zu erweisen, wenn er ihn bewog, in das Schuh- wichsegeschäft einzutreten. Aus demselben Grunde lässt der Verfasser des Romans Mr. Quinion den Vorschlag machen, Mr. Murdstone solle ihm David übergeben. Mr. Quinion hat auch sonst Ahnlichkeit mit James Lamert. Letzterer ist Leiter des Geschäfts, in welchem Charles Beschäftigung fand, wie Quinion manager der Firma Murdstone & Grinby ist. Quinion engagirt David at a salary, / #hzné, o/ sz ºr shzºllzngs a week,”) und ebenso spricht Dickens von seinem Verwandten: He pro- posed that I should go zzzo he blackzng warehouse, to be as useful as I could at a salary, / hznk, of six shzºlzngs a week.”) Wie der Vorschlag angenommen wurde, erfahren wir von David so genau wie von Dickens. I became, a ten years old, a little labourzng hznd zn the serzzce of Murdstone & Grznby.“) Charles war nur zwei Jahre älter, als er zum poor lzfte drudge”) wurde. Dickens ändert auch nicht viel, wenn er aus dem blackzng warehouse der Firma Warren ein Weingeschäft macht, denn, während Dickens' Beschäftigung darin bestand, Töpfe mit Schuhwichse zu füllen und mit Papier zu bedecken, dann Faden darum zu binden und endlich Zettel aufzukleben, muss David leere Weinflaschen spülen oder gefüllte mit Kor- ken, Lack und Zetteln versehen. David führt den Leser in ein Geschäft downz zºz Black- /rzars,") gar bald aber merken wir, dass es identisch ist mit Dickens' warehouse. Dieses wird von ihm beschrieben als the last house on the le/-hand szde of the way, a old Hunger- /ord-stazrs,") von jenem heisst es: z was the last house at the bottom of a narrow street, curvzng down hz ſo herzzer, zwzth some stazrs at the end, where people ook boat.”) Es würde höchst interessant sein, den wirklichen Schauplatz jener Zeit mit der Schilderung in «David Copperfield» zu vergleichen. Leider ist dies unmöglich geworden, seitdem der ganze Hunger- ford Market hat weichen müssen, um der neuen Charing Cross *) F., 10. *) D. C., 78. 8) F., 10. *) D. C., 77. *) F., 10. *) D. C., 77. ") F., 10. *) D. C., 77. – 30 – *n E Railway Station Platz zu machen. Trotzdem können wir uns von dem Ort, wo Dickens arbeitete, ein anschauliches Bild machen, wenn wir Davids Zeichnung folgen, denn dieselbe stimmt fast wörtlich mit Dickens' autobiographischem Bericht überein. , 7 here were three or /our 6/ us, cozzzzzng me,”) sagt David von den Arbeitsburschen; Dickens redet in der Autobiographie von wo or three other boys.*) Unter Dickens' Leidensge- fährten werden zwei mit Namen genannt, Bob Fagin und Paul Green. Den ersteren erkennen wir wieder in Davids Mičk Walker, den letzteren in «Mealy Potatoes». Mick Walker trägt, wie Bob Fagin, a ragged apron and a Öaber cap,”) beide bekommen am ersten Tage den Auftrag, den neuen Ankömmling in seiner Arbeit zu unterweisen. Böb Fagin ist, Waise, sein Ebenbild nicht; aber der Stand seines Schwagers, a waterman, ist nicht sehr verschieden von dem des Öärge- man Walker senior. Paul Green's Vater ist a/reman employed aé Drury-lane theatré, während «Mealy Potatoes» der Sohn ist eines waterman zwho had the additional dzstzºncézon of bezng a /reman, and was engaged as such a one of the large éhéatres. Gleiche Erfahrungen führen zu gleicher Seelenstimmung; wir wundern uns deshalb nicht, dass David über die Gesell- schaft, in welche er gerathen, und die Erniedrigung, in die er gesunken ist, fast ganz in denselben Worten klagt, deren sich Dickens bedient, um dem Schmerz über sein Missgeschick Ausdruck zu verleihen. No words can express the secretagony o7 my soulas / sunk into his companzonshºp, compared these ezery day associates with those of my happzer chz/dhood and /elémy early hopes of growing up to be a learned and diszºº- gzzzshed man, crushed zn my breast. Zhé deep remembrancé of the sense / had of bezºg utterly neglected and hopeless, g/ he shame / /el zn my position, of the misery it was to my. young hear to believe hat, day by day, what I had learned, and thought, and delghed ºn, and raised my /ancy and my emulation up by, zelas passing away /rom me, nezer o be brought back any more, cannot be written.“) . § 13. Als am ersten Tage seiner Thätigkeit bei Murd- stone & Grinby die Mittagsstunde heranrückt, wird David von Mr. Quinion in das Kontor gerufen. / went zn, and /ound there a slozzizsh, mzzaale-aged Zerson, zºz a brozen sztrozzi anza black ights and shoes, wzth no more hazr upon his head than there z$ zzon an egg, azza zwzth a very extenszze /ace, whzch he turned /ull upon me. His clothes were shabby, but he had an zmposzng shzré-collar on. He carrzed a 7auny sort of a stºck, with a D. C., 77. F., 11. D. C., 77; F., 11. D. C., 77. 2 Z 9 *) F., 11; – 31 – ouiszdé has coat, – /or ornament, Zaferwards /ound, as he zery seldom looked through, and couldn't see anyéhzng zwhen he dza ) " Bei dieser Person, die sich Mr. - Micawber nennt, soll David in Zukunft wohnen. Seinen Einzug in das neue Heim mag er selbst schildern. Arrzzed at his house zºn Windsor Zerrace (whz.ch / noticed was shabby like hºmsel/, bué also, like hzmsel/, made all the show z could), he Zresented me o Mrs. Mzcazober, a thzºn and /aded lady, not at all young, zwho zwas szützng zn the Zarlour (the /rsé / oor zwas alogether un/urnzshed, and the blinds were kept down to delude the neghbours).*) large par of rusy lasses to it, and a guezing-glass hung Gleichzeitig lernt David die Kinder der Familie kennen, Master Mzcawber, aged about /our, and Mºss Mzcazwöer, aged aboué three, sowie ein Zwillingspaar. In die sonstigen Familienver- hältnisse wird er, ohne sein Zuthun, von der gesprächigen Mrs. Micawber eingeweiht; von ihr erfährt er, dass Mr. MZ- cawber's dz//cultzes are almost overwhelming 7usé a present,”) sowie dass er jetzt a sort of own trazeller /or a zzzzmber of mzscellaneous houses ist, während er früher o//cer zn he Marines war, wenn David sich recht erinnert. v Diese wenigen Andeutungen über den Haushalt der Micaw- bers zwingen uns bereits, an die Verhältnisse der Familie Dickens zu denken, wie dieselben nach der Ubersiedelung von Chatham nach London sich darboten. Mrs. Micawber's Be- merkungen lassen vermuthen, dass die Lage der Familie schon seit längerer Zeit eine gedrückte ist, und ebenso steht fest, dass John Dickens' Verlegenheiten schon in Chatham ihren Anfang genommen und ihn sogar veranlasst hatten, die geräumige Wohnung in Ordnance Terrace mit einer viel klei- neren in St. Mary's Place zu vertauschen.*) Auch in London musste sich die Familie einschränken und sich mit einer sehr bescheidenen Wohnung in dem armen Stadtviertel Camden Town begnügen,") dessen Bayham Street kaum einen viel schöneren Eindruck macht als Windsor Terrace, City Road. Doch alle Einschränkungen halfen nichts, John Dickens' Ver- legenheiten wurden, trotzdem dass er noch sein Gehalt bezog, während Mr. Micawber das seinige längst verloren hat, ozer- zwhelmzºg, so dass Mrs. Dickens endlich den Augenblick ge- kommen glaubte, wo es an ihr sei, etwas zu thun, um die Lage der Familie zu heben. - " * APoor Mrs. Mzcazeºber / „She saza she had trzed to exer her- sel/, and so, / haze no doubt, she had. Zhe centre of the street-door was zerfectly covered with a great brass-plate on *) D. C., 78. *) D. C., 78–79. *) D. C., 79. *) Seite 12. *) Seite 26. – 32 – zwhzch was engrazed & Mrs. Mzcazwöer's Boarding Establishment for Young Ladies».) Denselben Gedanken hatte Mrs. Dickens; rasch miethete man eine bessere Wohnung in Gower Street, Charles trug Circulare aus, und, wenn der wohlhabende Pathe Huffam an der Themse seinen Einfluss unter den Geschäfts- freunden in Indien nur einigermassen geltend machte, hoffte man die Schulräume bald gefüllt zu sehen. Doch es kam anders; David berichtet davon so genau wie Dickens: / zzezer /ound that any young lady had ever been to school here, or that any young lady ever came, or proposed to come, or hat the least preparation zwas ever made to recezze any young lady.”) Nach diesem letzten Misserfolg zog das Elend rasch in Gower Street ein. Die Gläubiger, die man mit den durch die Schule zu erzielenden Einnahmen zu befriedigen gehofft hatte, wurden ungeduldig und mögen wohl manchmal in der von. David geschilderten Weise aufgetreten sein. Zhey used to come at all hours, and some of them were guzée /eroczous. One dry-/aced man, / ſhzné he was a boomaker, used to edge hzmsel/ znto the passage as early as sezen o'clock zºn the mor- nzng, and call up the stazrs to Mr. Mcazober. – « Come / You azn' ozzi Yeſ, you know. Pay us, will you? Don'é hzae, you know, that's mean. / wouldn't be mean / / was you. Pay us, wzl you? You 7ust pay us, d'ye hear? Come/» Recezzzng zzo answer to thèse launis, he would mount zn hzs wrath to the words «szwzndlers» and «robbers», and these bezng zneffectual oo, wozzla sometzmes go to the extremzy of crosszng the street, and roarzng zuZ at the windows of the second /oor, where he knew Mr. Mzcazwber zwas.“) - . - Unter solchen Umständen hörte der Kredit der Lieferan- ten auf, und man musste zu anderen Mitteln greifen. Zuerst wanderten die Werthsachen, dann auch andere Dinge in das Leihhäus, und bei diesen Gelegenheiten war jedenfalls Charles seiner Mutter ebenso behilflich wie David der Mrs. Micawber. Mr. Mcawber had a /ew books on a little chz/fonzer, whzch he called the library, and those went /rst. / carried hem, one a/er another, to a bookstall zn the Czy Road and sola them for whatever they would brzng.“) Es ist nicht schwer, in dem bookstall zn the Czy Road das Antiquariat in Hampstead Road zu erkennen, welches Dickens in elterlichem Auftrage wiederholt aufsuchte,”) und die Bücher des Mr. Micawber sind keine anderen als die in Chatham lieb gewonnenen, wie «Peregrine Pickle», «Roderick Random», «Tom Jones» und andere. Sie waren mit dem 1) D. C., 79. ?) D. C., 79. *) D. C., 79. *) D. C., 82. *) F., 9. – 33 – übrigen Eigenthum der Familie nach London gekommen und waren von Charles in der Zeit der Vernachlässigung immer und immer wieder gelesen worden,”) bis sie auf dem eben bezeichneten Wege aus der Wohnung der Eltern verschwanden und zugleich die ihnen anhaftende Poesie zu Grabe getragen wurde. Die Geschichte dieser Bücher, wie beiläufig bemerkt wer- den soll, ist von Dickens im Roman in einer weit prosaischeren Weise erzählt worden, als sie in Wirklichkeit war. Hier blieben sie im Besitz der Familie Dickens bis zu ihrem Ver- kauf, und Charles trennte sich erst dann von ihnen; im Roman gehen sie beim Abschied von Blunderstone für David verloren, tauchen aber dann nochmals in der Wohnung der Micawbers auf. Uber die Verhandlungen zwischen Charles und dem Anti- quar in Hampstead Road giebt Davids Erzählung wiederum genauen Aufschluss, sowie sie auch Dickens' Erfahrungen beim , Pfandverleiher treu wiederspiegelt. At the Zazºnbroker's shop, too, I began o be zery well known. The prznczpal gentle- man who o//czated behznd the counter, took a good deal of notice of me, and offen got me, I recollect, to decline a Laizn noun or adecézze, or oconjugate a Latzn zerb, zºz hzs ear, while he transacted my buszness.”) - Wäs weiter aus Davids Pflegeeltern wird, sagen die Worte: At last Mr. Mºcawber's dz//culties came to a crzszs, and he was arrested early one mornzng.*) Damit ist zugleich ausgesprochen, welches Schicksal schliesslich Dickens' Vater traf, als alle Hilfsquellen der Familie erschöpft waren.“) - § 14. Erst nach der Verhaftung von John Dickens, so muss man nach Forsters und anderer Darstellung schliessen, begann, sein Sohn Charles seine Thätigkeit in dem Schuh- wichsegeschäft; nach denselben Gewährsmännern fallen die Gänge zum Pfandverleiher zwischen die Gefangennahme des Vaters und den Eintritt des Sohnes in das Geschäft. Es würde sich also nach Forster und seinen Nachfolgern diese Reihen- folge der Ereignisse herausstellen: 1) Versuch der Mrs. Dickens, eine Mädchenschule zu gründen, 2) Gefangennahme von John Dickens, 3) Verhandlungen mit dem Pfandverleiher und dem Antiquar, 4) Eintritt des jungen Charles bei «Warren». Diese Reihenfolge widerspricht dem Gange der Ereignisse in «David Copperfield»; hier ergiebt sich Folgendes: 1) Bemühungen der Mrs. Micawber, 2) Davids Eintritt bei Murdstone & Grinby, *) D. C., 75: All this time I was so conscious of the waste 0/ aºy Zromzºse Yhad gzven, and of my bezng utterly neglected, tha I Ä haze been perfectly mzserable . . . more. ) D., C., 83. - - ^*) D. C., 83. V. “) F., 8. – 34 – 3) Pfandverleiher und Antiquar, 4) Gefangennahme von Mr. Micawber. 4 - Wenn es auch gewagt erscheint, die Darlegungen eines Forster anzugreifen, so berechtigen uns doch die bereits auf- gedeckten Ungenauigkeiten dazu, die Chronologie seines & Life of Charles Dickens» in ihren Einzelheiten mit Vorsicht aufzunehmen. Es wäre daher nicht unmöglich, dass in dem vorliegenden Falle ein Irrthum oder wenigstens eine ungenaue Darstellung von Seiten Forster's vorläge. Dies anzunehmen, zwingen uns auch innere Gründe. Bei Forster fehlt jeder Ubergang von der Errichtung der Schule zum Gefängniss. Ist es wahrscheinlich, dass gar nichts dazwischen liegen sollte? Ist nicht vielmehr vorauszusetzen, dass, da das Schulprojekt keinen Erfolg hatte, die Familie durch Verpfänden und Verkaufen des noch übrigen Eigenthums alles aufbot, um die Verhaftung des Oberhauptes zu verhindern oder wenigstens hinauszuschieben? Der Gedanke andrerseits, den Knaben zum Unterhalt der Familie heranzuziehen, dürfte doch kaum erst gekommen sein, als ein grosser Theit der beweglichen Habe in das Pfandgeschäft gewandert und der Ernährer der Familie in das Gefängniss geworfen worden war. – Sind diese Vor- aussetzungen richtig, so wird Forster's Reihenfolge der Ereig- nisse hinfällig, und Davids Erzählung stellt dieselben so dar, wie sie sich in Wirklichkeit zutrugen. Wir sind üm so mehr geneigt, uns an Davids Chronologie zu halten, da sein Bericht im Ubrigen fast vollständig mit Dickens' autobiographischem Fragment übereinstimmt. « : " , § 15. David nennt King's Bench Prison als dasjenige Gefängniss, welchem Mr. Micawber nach seiner Verhaftung zugeführt worden sei.") Dies veranlasst Mr. Langton, die Be- hauptung aufzustellen, John Dickens wäre ebenfalls dort gefan- gen gehalten worden,”) obgleich der jüngere Dickens in seiner Autobiographie ausdrücklich Marshalsea Prison nennt. Es ist kaum anzunehmen, dass Dickens über den Haftort seines Vaters im Zweifel sein könnte, zumal da ihm alle sonstigen das Gefängniss betreffenden Einzelheiten fest im Gedächtniss geblieben waren. Andrerseits hat sich bereits im Laufe unserer Untersuchungen herausgestellt, wie sehr Dickens geneigt war, den wirklichen Namen fingirte unterzuschieben. Aus diesen Gründen liegt keine Veranlassung vor, Mr. Langton’s Ansicht rückhaltlos beizupflichten. v, § 16. My mother and my brothers and sisters (excepting Fanny in the royal academy of music) were still encamped, ) D. C., 83. – Wenn Forster auf Seite 8 seines Werkes von Davids erstem Besuche im Marshalsea Prison redet, so ist dies wohl als Schreibfehler anzusehen. *) L., 68–7. zwzth a young serzazz-gzr! /rom Chathamz-zworkhouse, zzz he wo Zarlours zn the empted house in Gower-street north.”) So schildert Dickens die Lage seiner Angehörigen nach der Gefangennahme des Vaters; etwas genauer werden von ihm die häuslichen Vorgänge im Roman dargestellt. / don't know hozo the household /ur/zzure came to be sold /or the /amzly Beneft, or zeho sold it, except that I. da no Sola z zwas, hozºezer, and carried away zºz a zan, except he beds, a /ew chazrs, and the kitchen able. With these Zossesszons we encamped, as zzwere, in the two Zarlours of the enzzed house zzz Wzzzdsor Terrace”) Selbst das junge Dienstmädchen von Chatham-work- house fehlt in der dichterischen Erzählung nicht. David macht uns am ersten Abend, den er bei den Micawbers zubringt, mit ihr bekannt als a dark-com/lexzoned young woman, zwz a habi o/shoring,”) Namens Clickett;*) sie bezeichnet sich selbst als a Orſºng und stammt von St. Luke's workhouse.”) Schliesslich sollte auch der letzte Schatten eines home für den jugendlichen Dickens verschwinden; denn, wie David erzählt, at last Mrs. Mcazwber resolved to move znto the prison, zwhere Mr. Mcazwber had now secured a room to himself.") Der Schlüssel des Hauses wurde, wie wir wiederum aus dem Roman ersehen, dem Besitzer durch Charles zugestellt, und dieser selbst fand Unterkommen in dem Hause einer Mrs. Roylance, einer verarmten alten Dame in Little College Street, Camden Town, von welcher sich zwar im Roman keine Spur findet, die aber bereits in «Dombey and Son» als Mrs. Pipchin von Dickens gezeichnet worden war. § 17. Die Übersiedelung seiner Angehörigen in das Gè- fängniss führte für den jungen Dickens einen Umschwung herbei, welcher in Davids. Erzählung nicht zur Geltung kommt, auch nicht kgmmen kann. David tritt zu den Micawbers in das Verhältniss eines lodger, aber nicht eines boarder, und daraus, dass sich dieses Verhältniss löst, ergiebt sich keine Veränderung in seiner Lebensweise; er bezieht nur ein ebenso bescheidenes Stübchen bei einer anderen Familie, im Ubrigen lebt er fort wie bisher. Anders war es bei Dickens. So lange seine Angehörigen noch in Gower Street wohnten, nahm er jedenfalls an den Morgen- und Abendmahlzeiten der Familie Theil, während er für den Mittagstisch selbst zu sorgen hatte; nach dem Zusammenbruch des home in Gower Street war er vollständig auf sich angewiesen und hatte alle Anordnungen – 36 – bezüglich der Mahlzeiten selbst zu treffen. Hieraus ergiebt sich, dass wir durch den Roman zunächst nur Einblick ge- winnen in Dickens' Lebensweise während seines Aufenthaltes bei Mrs. Roylance; wie weit die Dichtung auch seine bez. seiner Familie Lebensweise in Gower Street beleuchtet, soll später untersucht werden. a « My own exclusive breakfast, erzählt David, of a penny loa/ and a Zennyworth of milk, / prozyzded mysel/ / kept another small loa/, and a modzcum of cheese, on a parézcular shelf of a particular cupboard, to make my supper on when I came back at nzght.”) In derselben kärglichen Weise sorgte Dickens für sein Frühstück und sein Abendbrot, während er Mrs. Roylance's Miether war. Das Mittagsbrot nahm er, so lange die Familie in Gower Street sich halten konnte, meistens wohl vom Hause nach dem Geschäft mit; später besorgte er es sich so, wie es David thut. When I dºned regularly and handsomely, I had a sazeloy and a Zenzzy loa/, or a /ourperzzzy Zlate of red beef /rom a cook's shof, or a Zlate of bread and cheese and a glass of beer, from a miserable old public-house opposzte our place of buszness, called the Lzon, or the Lzon and somethzng else that. I have forgotten.*) In der Autobiographie heisst das public-house the Swan and something else hat I have /orgolten. David verhehlt uns auch nicht die Schwächen, denen er bezüglich des Mittagessens zuweilen zum Opfer fällt, und genau dasselbe berichtet Forster von Dickens. Der vereinzelte Be- such in Johnson's beef-house in Clare Court, Drury Lane, die Versuchungen des abgestandenen Gebäcks in den Conditor- läden in Tottenham Court Road, die Einkäufe in den Pudding- läden in der Nähe von St. Martin's Church oder in Strand, wenn das Geld für das Mittagessen im Conditorladen veraus- gabt worden war, das Abenteuer in dem Bierhaus, wo der Wirth und die Wirthin den fremden Knaben ausfragen und letztere ihn beim Abschied küsst: dies alles findet sich sowohl in dem Roman als in dem autobiographischen Bruch- stück in Forster's «Life of Dickens». - § 18. Auf einen Knaben of excellent abzlzzes, and with strong powers of obserzatton, guzck, eager, delzcale, and soon hurt bodzy and mentally, wie sich Dickens in «David Copper- field» nennt,”) konnten die Familienschicksale und seine eigene nomadische Lebensweise nicht ohne nachtheiligen Einfluss bleiben. Weniger fühlte er sich wohl niedergedrückt durch seine Armuth, die ihn zwang, mit 6 bis 7 Schillingen wöchentlich *) D. C., 79. *) D. C., 80. *) D. C., 77. – 37 – seine Mahlzeiten zu bestreiten,") als vielmehr, durch die Oede, welche ihn umgab. Immer und immer wieder verleiht er durch Davids Mund seiner Verzweiflung darüber Ausdruck, vom Morgen bis Abend, von Anfang bis Ende der Woche ohne Freund und ohne Rath dahinleben zu müssen; wehmüthig klagt er immer und immer wieder darüber, dass es ihm nicht vergönnt war, sich an gleichgesinnte Altersgenossen anzu- schliessen oder gegen andere sein kleines kummervolles Herz auszuschütten. * - « , " - m, wº Unterdessen arbeitete er unverdrossen im Wichsegeschäft weiter. I knew /rom the /rsé, éhat, z/ / could not do my work as well as any of the rest, / could zzo hold myse/ aöoze slght and contempt. Z soon became at least as expedzzous and as ski/ul as either of the boys.”) Deshalb erfreute er sich nicht nur einer rücksichtsvollen Behandlung von Seiten seines Ver- wandten, des Geschäftsführers des Hauses,”) auch die Arbeiter, die als Gregory und Tipp in die Dichtung herübergenommen worden sind, begegneten ihm mit Achtung, wofür er sich, wie David, dankbar erwies, indem er ihren zum Besten gab, was ihm von seiner früheren Lektüre noch im Gedächtniss haftete.*) Nichtsdestoweniger fühlte er sich in seiner Stellung höchst unglücklich. My resczze /rom thºs kznd of exzsence / conszaered guzte hopeless, and abandoned as such, altogether.") So klagen David und der junge Dickens, aber nicht beide mit gleichem Recht. Ersterer bezieht, als Mrs. Micawber mit ihren Kindern die Wohnung in Windsor Terrace aufgiebt, a little room outszde the walls zºz he neighbourhood of that Institu- zon (the King's Bench Prson)") und hat täglichen Verkehr mit den Micawbers. Charles dagegen wurde, als seine Mutter und Geschwister Gower Street verliessen, wie bereits erwähnt,") bei einer alten Dame untergebracht, deren Haus in so grosser Entfernung vom Gefängniss lag, dass er nur am Sonntag seine Angehörigen sehen konnte. Diese Trennung von seinen Eltern und Geschwistern schmerzte ihn besonders, und da er der Meinung war, es liesse sich hierin eine Anderung schaffen, sprach er sich eines Sonntags gegen seinen Vater so bitterlich aus, dass derselbe ihn der Obhut der Mrs. Roylance, in Cam- *) F., 12: Z suppose my lodgzºg zwas Zaza /or, by my father. A cerazny dza noé Zay zé myself and certazny had no other asszsance whatever (the makzng of my clothes, I think, excepted). Bestimmter lautet es im Roman; Mr. Murdstone macht David folgende Versprechungen: Your lodzºg zwzl öe Zaza y me. So zwzl your zwashzºg. Your elote zwzl be looked a/čer /or you, too. (D. C., 76) - D. C., 81. « D. C., # - *) D. C., 81. / *) D. C., 8.; F., 13. °) D. C., 83. *) Seite 35. den Town entzog und für ihn in dem Hause eines in Lant Street wohnenden Agenten des Gerichtshofes für Zahlungs- unfähige ein Stübchen miethete, welches Dickens bei der Be- schreibung des little room outside the walls zn the neghbour- hood of the King's Bench Przson zweifellos vorschwebte. « Wie sich nunmehr des jungen Charles Lage gestaltete, erfahren wir in dem autobiographischen Bruchstück nicht, diese Lücke wird aber vollständig ausgefüllt durch eine Stelle in Davids Erzählung. / used to breakfast zyzh hem (seinen Angehörigen) nozo. / /orge, too, at what hour he Faée dere opened zn the morning, admitting of my going zº, bué / 7070. that I was o/ten up a sza o'clock, and that my /avourze our- ging-place zn the interzal was old London Bridge, where /?das won to sit zn one of the stone recesses, watching ké Zeoſée gozng by, or to look over the balustrades at the sun shzºzzºg ? the ºvaler, and lighting up the golden /ame on the of 9/ /é Monument. Zhe Orſing met me here sometimes, oée oa some astonishing /ctions respecting the wharves and the Zoºer, o/ whz.ch / can say no more than that / hope I belezed /em2 myself. Zzz the ezenzng / used to go back to the Zrzson.") Dickens führt in seinen Romanen den Leser wiederholt in Gefängnisse; mit Marshalsea Prison macht er uns bekannt in «Pickwick» und ganz besonders in «Little Dorrit», welches eine ganze Reihe von Scenen aus dem genannten Gefängnisse vorführt. Dass dieselben, wie überhaupt alle Dickens'schen Darstellungen des Gefängnisslebens, ihr Dasein den Erfahrun- gen verdanken, welche der junge Charles in Marshalsea Prison zu machen Gelegenheit hatte, unterliegt wohl keinem Zweifel; nirgends aber lässt sich die Quelle, aus welcher der Roman- dichter geschöpft hat, mit solcher Sicherheit nachweisen als bei «David Copperfield». Die Ereignisse, welche hier aus Marshalsea Prison berichtet werden, sind direkt auf Dickens' eigene Erlebnisse zurückzuführen, wie wiederum mit Hilfe der oft erwähnten Autobiographie nachgewiesen werden kann. Das eine dieser Ereignisse, am Anfange der Gefängnisszeit, ist die zigeunerhafte Mahlzeit in Marshalsea. Prison, bei welcher Charles von einem Captain Porter in dem oberen Stockwerk des Gebäudes im Auftrage seines Vaters Messer und Gabel borgen muss; das andere, gegen Ende der Gefangenschaft, ist die Abfassung und Verlesung einer Petition an den König Georg IV, in welcher es sich um die Gewährung eines Geld- geschenkes an die Gefangenen handelte, wodurch sie in den Stand gesetzt werden sollten, bei Sr. Majestät herannahendem Geburtstag. Seiner Majestät Gesundheit zu trinken. An diesen beiden Ereignissen hat Dickens im Roman nur wenig geändert. Der Captain Porter der Wirklichkeit ist zu einem Captain 1) D. C., 84; F., 13. – sº – Hopkins geworden; den bei Gelegenheit der Petition gebildeten Ausschuss von Schuldgefangenen, in welchem John Dickens den Vorsitz führte, bezeichnet David als Club, und die Petition um Gewährung eines Geldgeschenks wird als eine Petition um Abschaffung der Schuldgefängnisse dargestellt. § 19. In due tzme Mr. Mzcawber's Zezzon zwas rzöe /or hearing, and that gentleman zwas ordered to be discharged under the Act, to my great 7oy.") Die hier genannte Petition kann sich nur auf das Gesuch um Entlassung aus der Haft beziehen, und mit dem Acé muss /ze /zsolvezzi ZDebtors’ Act gemeint sein, auf welches sich jenes Gesuch stützte. Dieses Gesetz und eine Erbschaft von einigen hundert Pfund”) ver- schafften John Dickens, wie Mr. Micawber, die Möglichkeit, seine Begnadigung zu erbitten. Das Datum seines Gesuchs ist der 4. Mai 1824, und am 27. Mai desselben Jahres kam seine Angelegenheit zur Verhandlung,”) worauf seine Gefangen- schaft bald ihr Ende erreichte. Wann dieselbe begann, ist mit Hilfe der uns zu Gebote stehenden Quellen nicht zu er- mitteln, doch wird man, unter Berücksichtigung der David- schen Darstellung, kaum irren, wenn man eine Gefangenschaft von nur wenigen Monaten annimmt.*) - Nach Ablauf der Haftzeit bezog die Familie Dickens eine Miethwohnung bei jener Mrs. Roylance, deren wir bereits als ehemaliger Wirthin des jungen Dickens Erwähnung gethan haben.") Diese Thatsache liegt in den Worten des Romans: Zhey (i. e. the Micawbers) took a lodgzng zºz the house where Zlzzed /or a week.") Davids Pflegeeltern ziehen also. in das Haus in der Nähe des Gefängnisses, wo er selbst wohnt, seit- dem die Micawbers ihre eigene Wohnung in Windsor Terrace aufgegeben haben;”) Charles' Eltern dagegen beziehen nicht das Haus in Lant Street, sondern dasjenige, welches ihr Sohn vorher bewohnt hatte. Von einem nur einwöchentlichen Aufent- halte der Familie Dickens in Little College Street kann wohl nicht die Rede sein; von langer Dauer war er allerdings nicht, denn sie vertauschte diese Wohnung sehr bald mit einer an- deren in Johnson Street, Somers Town.”) – Ein neuer Woh- nungswechsel soll nach Mr. Micawber’s Entlassung aus der Haft auch für David eintreten, da die Micawbers London verlassen wollen. Ihm kann jedoch nicht, wie Dickens in Johnson Street, das Glück zu Theil werden, in die alten 1) D. C., 85. *) F., 14. *) L., 79. *) M., 23. *) Seite 35. * D. C., 86 ") Seite 37. *) L., 80; F., 15, –40 – Familienverhältnisse zurückzukehren, vielmehr soll er, wie Mr. Quinion bestimmt, der Miether eines Arbeiters bei Murd- stone & Grinby werden.") 4 Um die Zeit, wo John Dickens seine Freiheit erlangte, vollzog sich, ausser dem Wohnungswechsel, für den jungen Charles noch eine andere Veränderung: das Wichsegeschäft wurde von Hungerford Stairs nach Chandos Street bei Covent Garden verlegt.*) Davon hat Dickens im Roman nichts er- wähnt, obgleich diese Geschäftsverlegung, aller Wahrschein- lichkeit nach, indirekt das Ende seiner Thätigkeit in dem Wichsegeschäft herbeiführte. In den neuen Geschäftsräumen arbeitete nämlich der junge Charles an den nach Chandos Street hinausgehenden Fenstern, und da er und Bob Fagin im Zusammenbinden der Töpfe grosse Geschicklichkeit erlangt hatten, so blieben die Leute draussen oft stehen, um den flinken Burschen zuzusehen. Diese Schaustellung scheint Charles' Vater nicht gefallen zu haben; kurz, dieser hatte einen hef- tigen brieflichen Streit mit James Lamert, und der Knabe stellte seine Thätigkeit bei letzterem ein, wahrscheinlich bald, nachdem die Eltern ihr Haus in Somers Town bezogen hatten. Einen anderen Verlauf nehmen die Dinge in Davids Er- zählung. Dessen Beschäftigung eignet sich nicht zur Schau- stellung, selbst wenn das Geschäft in einem verkehrsreicheren Theile Londons läge. Und wer sollte auch dagegen Einspruch erheben? Der Anstoss zur Lösung seines Verhältnisses zu Murdstone & Grinby kann bei David, nach Lage der Dinge, nur von ihm selbst kommen. Der Weggang der Micawbers, die an ihm gleichsam Elternstelle vertreten haben, bringt denn auch in ihm den Entschluss zur Reife, das Geschäft an einem Sonnabend Abend zu verlassen und eine Tante aufzusuchen, von der ihm seine Mutter oft erzählt hat. § 20. Am Schluss der autobiographischen Aufzeichnun- gen über seine harten Erfahrungen im Knabenalter sagt Dickens: From that hour untz this at zwhz.ch / wrzte, no word of hat Zart of my childhood zehzch / have now gladly brough to a close, has Zassed my l/s to any human bezºg. I have no zdea how long z lasted, zohether for a year, or much more, or less. Fromz hat hour unz thºs, my father and my mother haze öeen stricken dumb upon it. I have nezer heard the least alluszon o zº, however /ar offand remote /rom either of them. / haze mezer, zurzz / now zmpart zt to thºs Zazer; zz any burs of con/dence zwzth any one, my own wz/e zoé excepted, razsed the curazn / hen dropped, thank God.") Ahnlichen Gedanken hat David im vierzehnten Kapitel seiner Erzählung Ausdruck 1) D. C., 87. ?) F., 15. *) F., 16. – 41 – verliehen. A curazn had /or ever fallen on my l/e aé Mzzrd- stone G' Grznby.- Wo one has ever razsed that czzréazz sznce. / haze lz/ed zt /or a momen, ezenz zzz hz zzarrazze, wzth a re/uc/an hand, and dropped zé glady. Zhe rememzórazzce of that l/e zs /raught with so zzzch Zazz o me, zwz/ so much mental suffering and want of hope, haé / have never had the courage ezen to examzne how long / zwas doomed ſo lead z. Whether z lasted /or a year, or more, or less, I do not know. Zonly know that zé zwas, and ceased to be, and that Z haze zwrzten, and there / leaze z.”) - » ºd B Diese dem Inhalte nach völlig übereinstimmenden Ausser- ungen geben zunächst eine Andeutung über die Dauer der Geschäftszeit bei Warren- Murdstone & Grinby; Genaueres darüber erfahren wir weder von Dickens selbst noch von Forster. Wenn die Voraussetzung richtig ist, dass Charles Dickens wenige Monate nach seiner Ankunft in London seinem Verwandten James Lamert übergeben wurde und nicht erst nach seines Vaters Verhaftung;”) wenn es ferner feststeht, dass Charles, ähnlich wie David, sehr bald nach Ablauf der Haft- zeit aus dem Geschäft austrat,”) so dürfte sich die ganze Thätigkeit in demselben kaum über ein volles Jahr ausdehnen;“) wir rechnen sie vom Herbst 1823 bis Mai 1824. - Andrerseits verrathen die obigen Ausserungen, mit welch' bitteren Gefühlen die Erinnerung an die Zeit in Hungerford Stairs für ihn gemischt war. Es ist daher begreiflich, dass er lange Jahre hindurch über jene Lebensperiode das tiefste Schweigen bewahrte und selbst seinem Freunde Forster gegen- über erst im Jahre 1847 darüber Enthüllungen zu machen an- fing.”) Hatte denn aber Dickens wirklich so viel Ursache, mit solchen Enthüllungen so sehr zurückzuhalten? Hatte er denn, wie er zu denken schien, irgendwelchen Grund, sich jener Erfahrungen zu schämen? Mag auch für den aufge- weckten und empfindsamen Charles die Gesellschaft eines «Mealy Potatoes» und ähnlicher Knaben nichts weniger als anregend gewesen sein, so lag doch in seiner Arbeit nichts Entehrendes oder Herabwürdigendes; auch war mit seiner Beschäftigung kein Ubermass von Anstrengung und ebenso wenig irgendwelche Misshandlung von Seiten seiner Vorge- setzten verbunden. Man muss also glauben, dass dem reifen Manne Dickens die Leiden seines jugendlichen Ichs durch das Vergrösserungsglas der Entfernung schrecklicher !) D. C., 107. *) Seite 33–34. *) Seite 40. *) L., 79. - - *) In der Lebensbeschreibung, welche er Wilkie Collins in einem Briefe vom 6. Juni 1856 mittheilt, erwähnt Dickens mit keinem Worte die Warenhauszeit. (Letters II, 157.) 6 – 42 – und beklagenswerther erschienen sind, als sié in Wirklichkeit gewesen sein mögen, und dass die Wunden, welche jene «harten Erfahrungen» seinem jugendlichen Gemüth geschlagen hatten, bei der Aufzeichnung derselben von neuem aufbrachen. Vierter Theil. (Kapitel XIII-XXII). David schlägt den Weg nach Dover ein und findet dort seine Tante Miss Betsey Trotwood. Von dieser wird er nach Canterbury in die Schule des Dr. Strong geschickt, wo er mehrere Jahre bleibt. Dann kehrt er nach London zurück und trifft dort seinen früheren Schul- freund Steerforth, mit welchem er nach Yarmouth reist. § 21. Dickens wurde kurze Zeit nach seines Vaters Frei- lassung von diesem infolge eines Streites mit James Lamert aus dem Wichsegeschäft genommen; David verlässt schon zwei Wochen, nachdem Mr. Micawber seine Freiheit wieder- erlangt hat, aus eigenem Antriebe das Weingeschäft und zwar ohne jegliche ernste Veranlassung. Dieser Unterschied in der Art des Austritts aus dem Geschäft hat auch ein Auseinander- gehen der Lebenswege der beiden jugendlichen Helden zur Folge. Der junge Charles kehrte ohne Weiteres in den Schoss seiner Familie zurück, David dagegen muss erst das einzige Glied seiner Familie, bei dem er Schutz und fernere Versorgung zu finden hofft, aufsuchen. Am Ende treffen die Lebenswege beider wieder zusammen, auf einer kurzen Strecke aber gehen sie auseinander: diese kurze Strecke ist die Reise nach Dover. Die Fusswanderung, welche David an dem Sonnabend Abend, wo er London den Rücken kehrt, beginnt, steht zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit Dickens' Leben, besitzt aber doch ein gewisses Interesse in autobiographischer Hinsicht. Der Weg, den wir an Davids Hand zurücklegen, führt uns durch die Gegend Englands, in welcher sowohl die ersten als auch die letzten Lebensjahre Dickens' verflossen sind. Durch Kent Road gelangt David zunächst nach Black- heath, wo er in der Nähe von Salem House die Nacht vom Sonnabend zum Sonntag im Freien zubringt. Am näch- sten Morgen schlägt er die Dover Road ein und erreicht an diesem zweiten Tage Rochester und Chatham. Dickens – 43 – begnügt sich damit, diese Städte mit wenigen Worten abzu- thun. Was Chatham für ihn war, geht schon aus dem über Blunderstone und Yarmouth Gesagten hervor; nicht minder eng ist das nahe gelegene Rochester mit seinem Leben ver- knüpft. An beiden Orten hatte er die frühesten Jugendein- drücke empfangen; sie waren die Geburtsstätte seiner Phantasie. Darum räumt er ihnen so gern einen Platz in seinen Roma- nen ein; in mehreren derselben finden wir sie wieder, theils unter der Hülle fremder Bezeichnungen, wie in «David Copper- field», theils unter ihren wirklichen Namen, wie in «Pickwick». Um so auffälliger ist es, dass Forster so wenig über Dickens' Beziehungen zu den genannten Städten zu erzählen weiss. Uber ihre Bedeutung in der Jugend seines Freundes verbrei- tet er sich in wenig befriedigender Weise, über Rochester schweigt er sogar fast ganz; er lässt uns aber auch kaum ahnen, welche Wichtigkeit die beiden Orte für Dickens in , seinen späteren Lebensjahren erlangten. «- Dickens selbst erwähnt allerdings in den von seiner Tochter und seiner Schwägerin veröffentlichten Briefen Chatham und Rochester nur oberflächlich. Trotzdem ist kein Zweifel dar- über, dass er an beiden mit inniger Liebe hing. Diese An- hänglichkeit erstreckte sich nicht nur auf sie allein, sondern über das ganze Gebiet, dem sie angehören. Wenn es eines Beweises dafür bedürfte, so würden wir ihn in einem Briefe finden, welchen er an einen Mr. Adams richtete, der Dickens aufgefordert hatte, für eine zu begründende Zeitschrift, «The Kentish Coronal», Beiträge zu liefern: The pressure of other engagements zwzl, I am compelled to say, prezent me /rom con- Ärzóuézºg a paper lo your new local magazzne. Bué / beg vou #o sei me down as a subscrzöer to it, and/oremosé among those zwhose best wishes are enlisted zn your cause. I will afford me real pleasure to hear of your success, /or Y haze mazzy /ap/y recolleczons connected with Kent, and am scarcely less znerested zºz zé han ºf / had been a Kentish man bred and Üorn, and had reszded zzz the country all my l/e.") Den Keim Zu solcher Anhänglichkeit an Kent legten die in Chatham und dessen Nähe verlebten Kinderjahre; befestigt wurde sie durch viele Wanderungen und Fahrten nach und in dieser Land- Schaft; besiegelt wurde sie, sechs Jahre nach der Veröffent- lichung von «David Copperfield», durch den Ankauf eines lang erstrebten Landhauses auf dem bekannten Gad's Hill bei Rochester,”) für welches ihm die Kaufsumme von L. 1790 nicht zu hoch war”), und wo die letzten zehn Jahre seines Lebens verflossen sind. » 1) Leiter IV, 20. *) F., 3; Letters II, 191. *) Letters II, 149. – 44 – § 22. In Chatham verbringt David die zweite Nacht und ebendort verkauft er seine Jacke in einem marzrze-store shop. Derartige Läden hatte Dickens jedenfalls in den Kinder- jahren sowohl in Chatham als in London näher kennen gelernt und bereits in einer der «Sketches» gezeichnet. Im dreizehn- ten Kapitel des Romans soll er einen bestimmten dieser Läden vor Augen gehabt haben; es soll in der That in Chatham einen dem Trunke ergebenen alten Mann gegeben haben, der im Volksmunde Old Charley genannt worden sei und mit getragenen Kleidungsstücken und anderen Dingen gehandelt habe, ganz wie er nach Davids Darstellung erscheint.") Das andere Abenteuer Davids auf dem Wege nach Dover, die Begegnung mit dem Landstreicher, entbehrt ebenfalls nicht des autobiographischen Hintergrundes.*) Ein Kapitel des «Uncommercial Traveller», betitelt «On Tramps», verräth bei dem Verfasser eine genauere Bekanntschaft mit den Gewohn- heiten der Landstreicher, welche Dickens auf seinen jugend- lichen Streifzügen in der Umgegend von Chatham und Roches- ter recht wohl erworben haben kann, was um so wahrschein- licher ist, da Mr. Langton versichert, dass es in keinem Theile Englands so viele Landstreicher geben dürfte als gerade auf der Dover Road.*) Es ist sogar nicht undenkbar, dass der kleine Charles dort eines Tages ein Abenteuer zu bestehen hatte, welches einen ähnlichen Verlauf nahm wie Davids. º § 23. Davids Wanderung führt ihn auch durch Canter- bury. Da von demselben später ausführlich die Rede sein soll, unterlassen wir es, hier darauf einzugehen. Wir folgen deshalb sogleich David nach Dover, wo er am sechsten Tage seiner Wanderung ankommt und nach einiger Mühe auch wirklich die gesuchte Tante Miss Betsey Trotwood findet. Was David über Dover sagt, bietet leider keinen festen An- halt zur Beurtheilung der Beziehungen Dickens' zu dieser Stadt. Aus dem, was wir in dem Roman erfahren, können wir jedoch vielleicht den Schluss ziehen, dass Dover in Dickens' Lebensgeschichte einen sehr untergeordneten Platz einnimmt: er sah es jedenfalls kaum in seiner Jugend, und von späteren Besuchen daselbst nennt Forster, abgesehen von den Vor- lesungen, einen einzigen von dreimonatlicher Dauer in dem Jahre 1852.*) Trotzdem muss Dickens, bevor er das Dover- Kapitel schrieb, diese Stadt genau genug gekannt haben, um der örtlichen Darstellung die Anschaulichkeit verleihen zu können, die ihr eigen ist. Ob dem Verfasser des Romans bei Miss Trotwood's collage ein mit eigenen Augen gesehenes *) D. C., 92 – 93; L., 183. *) D. C., 93. » *) L., 207. *) F., 286. – 45 – Haus vorgeschwebt hat, lässt sich jetzt nicht mehr entscheiden, da der Stadttheil, in welchem Davids Tante gewohnt haben soll, sich in der Neuzeit vollständig verändert hat.") Von einer wirklichen Miss Trotwood haben wir in Dickens' Leben keine Spur finden können; wir bezeichnen daher diese eckige, aber durchaus hochherzige alte Dame als eine Schöpfung der Dickens'schen Phantasie, wie auch den geistesgestörten Mr. Dick mit seiner nie zu Stande kommenden Denkschrift. § 24. Nach kurzem Aufenthalte bei seiner Tante wird David von derselben nach Canterbury gebracht, um dort in Dr. Strong's Schule einzutreten. Obwohl er in Canterbury mehrere Jahre verweilt, äussert er sich fast gar nicht über die Stadt. Von Dickens ist es sogar zweifelhaft, ob er sie in seiner Jugend kennen gelernt hat; im Mannesalter hat er sie sicherlich auf seinen Streifzügen durch Kent besucht. Da nun Canterbury in Davids Lebensgeschichte einen ziemlich breiten Raum einnimmt, so ist die Wahrscheinlichkeit vorhanden, der Name Canterbury stehe für denjenigen einer andern Stadt, und diese könnte wohl nur Rochester sein. Dickens hat zwar in seiner Jugend nicht in Rochester gewohnt, aber für ihn waren die Erinnerungen an diese Stadt nicht weniger theuer als diejenigen Davids an Canterbury. . A David wird Dr. Strong's Zögling im Alter von ungefähr 12 Jahren; ebenso alt ist Dickens, als er zu Mr. Jones geschickt wird. Beide treten in die zweite Unterrichtsanstalt ein. Hier endet aber die Ahnlichkeit. Man würde Dr. Strong sehr Un- recht thun, wenn man sein Institut nur im Geringsten mit Wellington House Academy vergleichen wollte. In der That hat auch der Schriftsteller keineswegs die Absicht gehabt, in der Canterbury-Schule die Anstalt in Hampstead Road zu zeichnen; vielmehr finden sich Ahnlichkeiten zwischen Dr. Strong's und Mr. Giles' Schulen. h - s - Docéor Sérong's was an excellent school, as different /rom AMr. Creaéles as good zs /rom ezz. I zwas zery grazely and decorously ordered, and on a sound system, with an appeal, 272 everyé/zºg, ſo he honour and good /ath of the boys, and aºz azozºea. zzéezzizon to rely on thezr Zossesszoz of those qualz- #zes º2less hey Zrozed themselves unzzeorthy of zt, whzch zworked 70072ders.”) Denselben Eindruck bekommt man von Mr. Giles' Schule auf Grund der spärlichen Auskunft, welche Forster und andere darüber geben. Gewiss hat auch Dr. Strong manche Züge des Mr. Giles, eines in Oxford gebildeten und gelehrten Mannes, welcher allerdings im Alter hinter ersterem weit zurückstand. Wie Davids Anlagen von Dr. Strong R., 28 ff. D. C., 118. – 46 – erkannt und gefördert werden, so liess sich Mr. Giles die Aus- bildung des begabten kleinen Charles angelegen sein. In anderen Punkten tritt freilich grosse Unähnlichkeit zwischen Dichtung und Wahrheit hervor: der junge Geistliche in Chat- ham hatte es mit einem Zögling von 9 bis 10 Jahren zu thun,”) der Lehrer in Canterbury erzieht einen 12–17jährigen Schüler. Dickens kam zu Mr. Giles in kindlicher Frische und Uner- fahrenheit, David bringt zu Dr. Strong bittere Erinnerungen an eine kummervolle Lehrzeit mit d Eingehender zu untersuchen, wie sich Dr. Strong's Schule zu Mr. Giles' Anstalt verhält, ist unmöglich, da Davids An- gaben über erstere fast ebenso knapp sind als die Auslassun- gen der Biographen unseres Schriftstellers über letztere.- Die Ausführlichkeit, mit welcher David Mr. Creakle's Institut schildert, vermisst man bei der Darstellung seiner zweiten Er- ziehungsanstalt ganz und gar, weshalb keineswegs mit Sicher- heit festgestellt werden kann, ob Dr. Strong's und Mr. Giles' Schulen sich decken. In einem Punkte erinnert Davids Schul- Zeit in Canterbury lebhaft an die in «Our School» gegebene Skizze von Mr. Jones' Academy. We were old enough to be Zzzé zºzéo Vºrgzl when we went there, and to get Przzes /or a zarzeéy 0/ Zolzshzng on whzch the rust has long accumulated.”) So erzählt Dickens; ähnlich berichtet David: / amz growzng Hºreaé zºz Laizºz zerses, and neglect the laces of my boots. Doctor Strong refers to me zn public as a promzszng young scholar.”) Später, so behauptet er, sei er sogar head-boy geworden. Alles Ubrige aus Davids Aufenthalt in Canterbury lässt sich mit Dickens' Leben nicht in Beziehung bringen. § 25. Das einzige bedeutungsvolle Ereigniss, welches Davids Aufenthalt in Canterbury unterbricht, ist die unerwartete Begegnung mit der Familie Micawber. Da die früheren Erleb- nisse derselben sich als identisch erwiesen haben mit den Schicksalen der Familie Dickens, so ist hier die Frage am Platze, ob diese Gleichheit auch in der Canterbury-Episode vor- handen sei. Die Frage ist entschieden zu verneinen; von der- artigen abenteuerlichen Reisen von Mr. und Mrs. John Dickens wissen wir nichts. Abgesehen hiervon, würde es voreilig sein, für Mr. Micawber überall John Dickens lesen zu wollen; dazu berechtigen uns keineswegs die nur theilweise gleichartigen Schicksale der Familien. Gleichwohl hat Dickens ohne Zwei- fel vieles von seinem Vater auf Mr. Micawber übertragen; in manchen Punkten hat er unwesentlich geändert. - Mr. Knott, ein Nachbar des älteren Dickens in Alphington bei Exeter, schildert denselben als zwell bzzzl anza rather 1) L., 54 ff. *) H. W., 91. *) D. C., 133. – 47 – sout,”) Micawber wird von David geradezu stozzi genannt. Das Auftreten von John Dickens wird als a little bompous”) bezeichnet; etwas Ahnliches liegt in Mr. Micawber's roll zn hzs zozce and certazn zndescrzöable azr of doing somethzng genteel.”) Unter den Eigenschaften oder vielmehr Eigenheiten, durch welche beide sich auszeichnen, nimmt die rhetorische Fülle, wie es Forster nennt,”) den ersten Rang ein. John Dickens war nicht nur redselig, wie von dem genannten Mr. Knott bezeugt wird, sondern fand besonderes Gefallen an einer schwül- stigen, überschwenglichen Ausdrucksweise, wofür Forster aus seines Freundes Briefen mehrere Belege bringt. So schreibt der ältere Dickens betreffs eines Bekannten: A72d / mazzst express my endency to believe that his longezzy is extremely problematical. Und zu einem andern Bekannten äusserte er: The Supreme Bezng musé be an entzrey d7eren zºzdzzzdual /rom what I have every reason to believe him to be, f He zwould care zn the least for the soczey of your relations.”) Die- selben Eigenschaften kennzeichnen Micawber's Redeweise; es genügt, ein Beispiel davon anzuführen. Nachdem Micawber seinem kleinen Miether durch Mr. Quinion vorgestellt worden ist, erbietet er sich in folgenden Worten, David am Abend den Weg nach Windsor Terrace zu zeigen: Under the 2m- pesszon that your peregrinations zn thzs metropols have not as We been extenszze, and that you might have some d//cully zm Zenetratzng the arcana of the Modern Babylon zºz the direction of the Czy road – zn short, that you might lose yourself – / shall be happy to call thºs . ezenzng, and znstall you zn he knowledge of the nearest way.") m »- «- Sodann tritt bei Micawber sowohl als bei John Dickens die Leichtlebigkeit hervor, welche es ihnen unmöglich macht, mit der Wirklichkeit zu rechnen, und sich hauptsächlich in einer an Leichtsinn grenzenden Unordnung in Geldangelegen- heiten zeigt. Ein treffliches Beispiel dieser leichtlebigen Sorg- losigkeit ist fast wortgetreu aus Dickens' autobiographischem Bruchstück in den Roman übergegangen. My /ather, sagt Dickens, was zwazzng for me zn the lodge, and we wené up to hzs room, and crzed zery much. And he told me, I remember, to take warnzng by the Marshalsea, and to observe hat z/ a man had zweny pounds a-year, and spen nineteen Zounds nzneteen shz.llºngs and sza pence, he would be happy, bué hat a shzºlzng spent the other zway would make hzm wretched.”) – 48 – Dazu findet sich in «David Copperfield» der Zusatz: A/ter 7Uhzch he, borrowed a shilling a/ me /or Zorfer, gaze me a zyrzten order on Mrs. Mcawber /or the amount, and Zzzazway hs Zocke-handkerchze/, and cheered up.) Gleich darauf setzen sich Mr. Micawber und John Dickens in derselben Weise zu einer Mahlzeit nieder und vergessen dabei gänzlich die Wirk- lichkeit ihrer Lage. sº . . - - - - . . = Neben den Schwächen und Fehlern seines Vaters lässt Dickens auch dessen gute Seiten hervortreten. Welches die- selben waren, sagt er selbst durch Forster's Mund: / know mzy /ather to be as kznd/earted and generous a man as ezer lzzed zn the world. . Everything that I can remember of his con- duct to his zwz/e, or children, or ./riends, zn szckness or a//zc- #zon, zs beyond all praise. By me, as a szck chz/d, he has watched zzzght and day, zzzzzweartedly and Zaizenzály, many zzghs azza days. He zzezer zunderlook any bztszºzess, charge or trust, hat he did not zealously, conscienfiously, functually, honourably dscharge. Hs industry has always been untºring.”) Mr. Micaw- ber hat alle diese Eigenschaften von seinem Original geerbt; auch er ist erfüllt von Fürsorge um die Seinigen und bestrebt sich in seiner Weise, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen und seine Pflicht zu thun. Befindet er sich in der nicht selte- nen Lage, Geld borgen zu müssen, so verfehlt er nicht, eine Bescheinigung darüber auszustellen, wodurch er allen Ver- pflichtungen genügt zu haben glaubt. Als er den Kohlen- handel auf dem Flusse Medway zu betreiben beabsichtigt, hält er es für seine Schuldigkeit, zuvor jenen Fluss sich anzu- sehen, wobei er auch Canterbury einen Besuch abstattet. Gewiss machte auch John Dickens keine Schuld, die er nicht ehrlich abzutragen gewillt war; gewiss lag er seinen Amts- pflichten mit demselben Eifer ob,”) welchen Mr. Micawber ent- wickelt, um einen Lebensunterhalt zu finden. u Die Grundzüge des Micawberschen Charakters sind, wie Ä den vorstehenden Erläuterungen wohl zur Genüge hervor- geht, dem Original entlehnt; wären wir über John Dickens besser unterrichtet, so würde sich gewiss noch genauere Ahn- lichkeit, vielleicht sogar Gleichheit der beiden Personen nach- weisen lassen. Dann würde sich, unter anderem, jedenfalls herausstellen, dass auch die Vorliebe Micawber's für brief- liche Mittheilungen seinem Vorbilde eigen war, und anderes mehr. Vorläufig will es uns scheinen, dass in den Einzelheiten Dickens, bei Zeichnung der Figur Micawber, seiner Phantasie abermals freien Lauf gelassen hat und dass er die Farben viel- fach stärker aufgetragen hat, als er sie in seiner Vorlage fand. 1) D. C., 83. *) F., 6. Bd *) Mr. Knott sagt von ihm, er war 0/ zery acéize /abºs. L, 105) – 49 – Über Mrs. Micawber können wir uns kurz fassen. In der Zeit, wo David bei dieser Familie wohnt, erscheint Mrs. Micaw- ber, soweit ihre Schicksale in Betracht kommen, identisch mit Mrs. John Dickens, wie bereits an anderer Stelle") gezeigt worden ist. Dagegen geht die spätere Lebensgeschichte der beiden Frauen ebenso sehr auseinander als diejenige ihrer Ehe- männer. Ob man der Mrs. John Dickens das elastische Tem- perament, den Redefluss und die eheliche Zärtlichkeit zuschrei- ben darf, welche an Mrs. Micawber auffallen, ist sehr schwer zu sagen, da Forster sowohl als Charles Dickens über die Mutter des letzteren sehr schweigsam sind, denn man erfährt über dieselbe nur drei Thatsachen, von denen zwei bereits be- kannt sind: erstens, dass sie ihrem Sohn den ersten Unterricht ertheilte; zweitens, dass sie in der Zeit der Noth ein Mädchen- institut zu gründen bemüht war. Die dritte Thatsache hat Bezug auf den Streit zwischen John Dickens und James Lamert, infolge dessen Charles seine Thätigkeit bei letzterem einstellte, und wird von ihm selbst erzählt: My mother se herself o accommodate the quarre, and did so next day. She brought home a request for me to returz zexf morning, and a hg./ character of me, zehzch / am very sure / deserved. My /ather saza / should go back no more, and should go to school / do not zorte resez/ully or angrzy: /or / know hozo all these things have worked together to make me what / am : bué / nezer a/terwards /orgo, / never shall /orget, / never can /or- get, that my mother was warm /or my being sent back.”) Auf diesen Groll gegen seine Mutter ist, wie wir fast sicher an- nehmen möchten, der Umstand zurückzuführen, dass Dickens derselben in seinen sämmtlichen Briefen nur in Verbindung mit seinem Vater Erwähnung thut, und dass er ihr dann kein Wort der Liebe widmet. Trotzdem hat man keinen Grund daran zu zweifeln, dass Mrs. John Dickens an ihrem Sohne Charles that, was in ihren Kräften stand. Mrs. Gibson, die Magd der Familie in Chatham, welche wir mit Peggotty ver- glichen haben,”) sagt von ihrer ehemaligen Herrin ausdrück- lich: she was a dear, good mother, and a /ne woman.*) Dies geht auch schon aus der Art und Weise hervor, in welcher sie sich in der Kindheit des Sohnes annahm. Dzckens, be- merkt Forster, has /requently been heard to say that his /rsé deszre /or knowledge, and his earlest passion /or readzºg, 70ere awakened by his mother, /rom whom he learn the rztd- mens not only of English, but also, a little later, of Latzn.") 1) Seite 31 ff. *) F., 16. *) Seite 12. E. *) L., 26. *) F., 3. 7 – 50 – Wenn Mrs. John Dickens hierzu befähigt war, so muss man andrerseits darauf schliessen, dass sie selbst eine gebildete Frau war und wahrscheinlich sich der Verwandtschaft rühmen konnte, auf welche Mrs. Micawber nicht müde wird anzuspielen. Fünfter Theil. (Kapitel XXIII-XXXVI). David entschliesst sich dazu, Proctor zu werden, worauf er von seiner Tante der Firma Spenlow & Jorkins in Doctors' Commons zugeführt wird und eine Miethswohnung bei Mrs. Crupp bezieht. – Bei einem Besuche in Mr. Spenlow's Hause lernt er dessen Tochter Dora kennen. – In einer Familie, bei welcher er durch Agnes Wick- field eingeführt wird, begegnet er seinem früheren Schulfreunde Traddles, der bei Mr. und Mrs. Micawber wohnt, wo ihn David aufsucht. – Infolge einer durch Steerforth erhaltenen Nach- richt, dass der Botenfuhrmann Barkis sehr schwer krank sei, begiebt sich David nach Yarmouth. Während seines Aufent- haltes daselbst wird Emily, Mr. Peggotty's Nichte, von Steer- forth entführt; Mr. Peggotty ist entschlossen, sie aufzusuchen und zurückzubringen. – Nach einem nochmaligen Besuch bei Mr. Spenlow an dem Geburtstage seiner Tochter verlobt sich David heimlich mit Dora in dem Hause einer Freundin der letzteren. – Davids Tante verliert plötzlich einen Theil ihres Vermögens und zieht nach London zu ihrem Neffen. David versucht ohne Erfolg, den Contract mit Spenlow & Jorkins zu lösen, und wird Sekretär des in Highgate bei London an- sässig gewordenen Dr. Strong. - § 26. Als David Dr. Strong's Schule verlassen hat, han- delt es sich für ihn darum, einen passenden Beruf zu ergreifen. Auf Wunsch seiner Tante und auf Steerforth's Zureden wählt er denjenigen eines Zrocor und tritt als articled clerk bei Spenlow & Jorkins ein. Zwischen dem Weggange von Dr. Strong und dem Beginne der Lehrzeit liegt eine mehrwöchent- liche Reise nach Canterbury, London und hauptsächlich Yar- mouth. Einen solchen Ubergang von der Schulzeit zum Ein- tritt in den Lebensberuf finden wir in Dickens' Lebensgeschichte. Derselbe verliess Wellington House Academy im Jahre 1826!) *) L., 92. und muss dann einige Zeit geschwankt haben, für welchen Stand er sich entscheiden sollte. Schliesslich wurde eine Wahl getroffen, die mit Davids nicht geringe Ahnlichkeit hat. Im Mai 1827 nahm Mr. Edward Blackmore, ein Sachwalter in Gray's Inn, Dickens in sein Bureau auf. Yzwas well acquaznied, sagt Mr. Blackmore in einem Schreiben an Forster, zwzth hus arens, and bezºg #hen zn practice zºz Gray's Inn, they asked me z/ I could /ind employment /or hzm. He was a bright, clever-lookzºg youth, and I look hzm as a clerk. He came to me zn May, 1827, and le/ zn November, 1828.!) Wie hier der Vater die Entscheidung in der Wahl eines Berufs herbeiführte, so wird David durch seine Tante bestimmt, sich zum Zroctor vorzubereiten. Der Eintritt selbst in den gewählten Beruf findet freilich bei den beiden jungen Leuten unter sehr verschiedenen Verhältnissen statt. Dickens brachte von Mr. Jones jedenfalls eine ziemlich mangelhafte Bildung mit, David hat in Canterbury eine gründliche Vorbereitung für das Leben erhalten; ersterer stand in dem jugendlichen Alter von 15 Jahren, letzterer hat bereits das 17. Lebensjahr zurückgelegt. Aber auch die Stellung in der neuen Lebens- lage ist ganz verschieden: David kommt zu einer Zroctor- Firma in Doctors' Commons und zwar als arzcled cerk, d. h. als contractmässig angestellter Schreiber und zahlt ein Lehr- geld von L. 1000,”) Dickens arbeitete bei dem attorney eines Inn of Court und war, wie Forster sich ausdrückt, im Grunde nichts als office-lad, mit einem Gehalt von 13 s. 6 d. und später von 15 s. die Woche.”). Folglich musste Dickens' Ver- hältniss zu seinem Lehrherrn ein ganz anderes sein als Davids zu Mr. Spenlow. We artzcled clerks, sagt David, as germs of the parzczan order of proctors, were treated wzh so much consideration, hat I was almost my own master at all zmes.”) Ohne Schwierigkeit kann David vom Bureau fern bleiben; offen darf er Mr. Spenlow gegenüber über Doctors' Commons und anderes sich aussprechen; ohne Weiteres wird er von ihm nach Norwood eingeladen. Von diesem allen konnte bei Dickens nicht die Rede sein; jedenfalls trat er seinem Lehr- herrn in keiner Weise näher, und gewiss kümmerte sich letz- terer wenig um seinen Schreiber. Dieser hatte ohne Zweifel keine schlechtere, aber auch keine bessere Arbeit als jeder andere office-lad, und diese Arbeit bot ihm offenbar weniger Gelegenheit zur Aneignung juristischer Kenntnisse als viel- mehr zur Beobachtung aller der Vorfälle, deren Schauplatz ein attorney-Bureau zu sein pflegt. Trotzdem gewann Dickens bei Mr. Blackmore einen genügend tiefén Einblick in das juris- *) F, 22. – 52 – tische Getriebe, um dasselbe später zum Gegenstande hef- tiger Angriffe zu machen, und lernte dort die Gesammtheit der Rechtsgelehrten genau genug kennen, um sie in seinen Romanen mit Treue zeichnen zu können. Von der auf diese Weise erworbenen Erfahrung hat Dickens in der uns vorliegen- den Prosadichtung nur geringen Gebrauch gemacht, was um so mehr zu bedauern ist, da Forster's Werk über die juris- tische Periode in dem Leben seines Freundes so spärliche Auskunft giebt. David weiht den Leser in seine eigene Thätig- keit nicht ein; er spricht von ihr nur selten und ganz ober- flächlich; dagegen entwirft er ein sehr anschauliches Bild von Doctors' Commons und dem Treiben daselbst, desgleichen macht er uns mit den proctors genau bekannt. Wenn nun auch Davids Darstellung von Doctors' Commons nicht auf Dickens' Erfahrungen bei Mr. Blackmore zurückzuführen ist, so ist jene Darstellung dennoch, autobiographischer Natur. Dickens lernte Doctors' Commons genau kennen und zwar während seiner Thätigkeit als reporter daselbst, auf welche wir später einzugehen haben werden. Der damals erworbenen Vertrautheit mit allem, was jenen Gerichtshof betrifft, ver- danken wir das «Doctors' Commons» überschriebene Kapitel in den «Sketches», ihr verdanken wir auch die wiederholten Auseinandersetzungen in «David Copperfield». Aus letzteren erlangen wir einen sicheren Einblick in Dickens' Ansichten über Davids juristische Schule. Dass diese Ansichten grosse Verehrung für Doctors' Commons verrathen, lässt sich wohl nicht behaupten. Begeisterung dafür erwartet man auch nicht von einem Manne wie Dickens, der in seinen Werken nicht aufhört, die englischen Gesetze und die englische Gerichts- barkeit zu geisseln. Es giebt kaum ein Thema, über welches er seine Meinung unverhohlener ausgesprochen hätte; theils hat er es ausführlich behandelt, wie in «Pickwick» und «Bleak House», theils berührt er es flüchtig, wie in seinen Briefen, unter welchen ein an Mrs. Frederick Pollock gerichtetes Schreiben vom 2. Mai 1870 in kerniger Weise Dickens' Mei- nung über die englischen Gesetze zusammenfasst. / have, heisst es dort, ha hgh opzzzzon of the law of England gene- rally, whzch one zs likely to derzze /rom the zmpression hat zZzzis all the honest mezz under the diabolzcal hoo/s of all the scoundrels.”) Die von Doctors' Commons handelnden Kapitel in «David Copperfield» boten, wie wir gesehen haben, dem Verfasser Gelegenheit, seine Erfahrungen in jenem Gerichtshofe aufzu- zeichnen. Es muss jedoch bemerkt werden, dass dies ursprüng- lich nicht in Dickens' Absicht lag. Aus Bruchstücken von Briefen an Forster geht hervor, dass er zunächst nicht daran f *) Letters III, 289–290. – 53 – gedacht hatte, David zu einem proctor in Doctors' Commons zu führen. Am 15. November 1849 schreibt er an seinen Freund: Z hznézé zs necessary to deczde agaznst he..speczal pleader. Your reasons guzée su//ce. / am not sure but that the banking /house mzghé do. / zwzl conszaer z zºz a zwalk. Und zwei Tage darauf heisst es: Bankzng buszness zmpraczcable on account of the con/nemen: whzch zwould stop the story, / /oresee. / have taken, /or the present at all events, the procor.!) Es ist dies ein neuer Beweis dafür, dass zum Theil die autobiogra- phischen Elemente sich erst im Laufe der Erzählung zusammen- fanden und auch dann dem Plane des Ganzen sich unter- ordnen mussten. «. P David beginnt seine juristische Laufbahn, wie früher er- wähnt,”) im siebzehnten Lebensjahre; sie dehnt sich aus bis ungefähr zum Alter von 21 Jahren, denn im Kapitel XLIII, wo er dieses Alter erreicht hat, sagt er, dass er sich noch gelegentlich in Doctors' Commons zeige, wenn er Zeit habe.”) Dickens blieb mit der Jurisprudenz ebenfalls 3 bis 4 Jahre in Berührung: erst war er 18 Monate bei Mr. Blackmore be- schäftigt und dann wirkte er fast zwei Jahre lang als Bericht- erstatter für eins der Bureaus in Doctors' Commons. Bemerkens- werth ist noch, dass der Romanschriftsteller seinen Helden in demselben Alter (17) in Doctors' Commons eintreten lässt, in welchem sich ihm selbst die Thore dieses Gerichtshofes öffneten. Endlich sei darauf hingewiesen, dass David ebenso wenig seine juristische Laufbahn beendet als Dickens es ge- than hat * - - * § 27. Während seiner Lehrzeit bei Spenlow & Jorkins bewöhnt David einige Zimmer bei Mrs. Crupp, Buckingham Street, Adelphi. Es erscheint uns nicht unwichtig hervorzu- heben, wie gern Dickens Londoner Örtlichkeiten, an welche eigene Erinnerungen sich knüpften, in «David Copperfield» wiederkehren lässt. In der Zeit, wo er im Wichsegeschäft arbeitete, soll der kleine Charles in seiner freien Zeit mit Vor- liebe die Nähe des unter dem Namen Adelphi bekannten Häuserkomplexes aufgesucht haben.*) Die damals gefasste Zuneigung veranlasste Dickens, auch David in der Murd- stone & Grinby-Zeit von Wanderungen aboué. #he Adelphz reden zu lassen,”) und dessen spätere Miethswohnung bei Mrs. Crupp dorthin zu verlegen. Anderen aus seiner Jugend be- kannten Ortlichkeiten werden wir wiederholt begegnen. ) F., 270. *) Seite 51. – 54 – § 28. Bei der Wahl eines Berufs wird David wesent- lich beeinflusst durch seinen ehemaligen Schulfreund Steer- forth, den er unmittelbar nach dem Weggange von Canter- bury in einem Londoner Hotel trifft. Mit ihm besucht er die Familie Peggotty in Yarmouth. Dort lernt Steerforth auch Emily kennen, auf welche er einen so mächtigen Einfluss aus- zuüben weiss, dass es ihm gelingt sie zu entführen. Nachdem sie einige Zeit zusammen im Auslande gelebt haben, wird Emily von Steerforth verlassen und kehrt allein nach England zurück, wo Mr. Peggotty sie endlich wiederfindet. Schliess- lich wandern Emily, Mr. Peggotty und Mrs. Gummidge nach Australien aus. Trotz des romanhaften Charakters, welchen die Entführungs- Episode mit ihren Folgen trägt, steht dieselbe in losem Zu- sammenhang mit Dickens' Lebensgeschichte. In einem be- reits früher") angeführten Briefe an M. Cerjat vom 29. Dezem- ber 1849 sagt Dickens: I had previously observed much of what Wozz say abozzé éhe Zoor gzrs. Zz all you suggest zwzäh so much /eelºng about thezr return to zzrue bezºg cruelly cut o/7, / concur with a sore heart. I have been turnzng z ozer zn my mund /or some zme, and hope, zz he history of Lzte Em’ly (who musé /all – there zs no hope /or her), ſo Zutz before the houghts of people zºz a new and Zahezc way, and perhaps to do some good”). Hierin liegt eine klare Andeutung, dass Dickens nicht nur warmen Antheil nahm an dem Geschick gefallener Mädchen, wie Emily und ihrer Freundin Martha, sondern dass ihn auch ihre Rettung lebhaft beschäftigte. Wie er sich die Verwirklichung dieser Rettung dachte, zeigt Emilys und Marthas Auswanderung. Auf welche Weise ihm aber diese Lösung der Frage nahe gelegt wurde, erfahren wir durch folgende Stelle in Forster's Biographie: He had to return to London a/ter the middle o/ March (r&51), /or buszness connected with a charztable Home established at Shepherd's- bush by Mºss Coués zn he benezoleni hope of rescuzng /allen zoomen by estzng her /ness /or emigration, /requently men- #zonea zºz hzs letters, and whzch largely and regularly occupzed hzs zºme /or sezeral years.”) Wie alle mildthätigen Zwecke von Seiten Dickens' thatkräftige Unterstützung fanden, so brachte er gewiss auch der Stiftung der Miss Coutts, welcher er für viele Beweise des Wohlwollens zu Dank verpflichtet war, manches Opfer an Geld und Zeit. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass noch andere Thatsachen als die Aus- wanderung auf Dickens' Verkehr in Miss Coutts' Anstalt zu- !) Seite 11. *) Letters I, 224. *) F., 271. – 55 – rückzuführen sind, welche schon im Jahre 1850 bestanden haben muss.”) r A § 29. Nach ihrer Begegnung in dem Londoner Hotel und vor ihrer gemeinschaftlichen Reise nach Yarmouth, welche so verhängnissvolle Folgen haben sollte, besuchen David und Steerforth die Mutter des letzteren in Highgate, wobei David die Gesellschafterin der Mrs. Steerforth, Miss Rosa Dartle, kennen lernt. Diese von den meisten Kritikern als widerwär- tig bezeichnete Person pflegt nichts gerade heraus zu sagen, sondern nur anzudeuten, und diese Gewohnheit entlehnte Dickens von einer ihm bekannten Dame.”) Eine ähnliche autobiographische Anlehnung im weiteren Sinne liegt vor in Miss Mowcher, der sich selbst zolazle nen- nenden Zwergin, deren Bekanntschaft David durch Steerforth in Yarmouth macht. Dickens übertrug auf dieselbe die äusse- ren Eigenthümlichkeiten einer wunderlichen kleinen Dame, welche leider darauf aufmerksam wurde, in welcher Weise sie zum Vorbild genommen worden war, und sich brieflich an Dickens wandte, um ihm darüber Vorstellungen zu machen. Infolge der letzteren erhielt sie von ihm ein längeres Schrei- ben, worin ihr die Versicherung gegeben wurde, dass das ihr widerfahrene Unrecht gut gemacht und die ihr zugedachte Rolle in dem weiteren Verlauf des Romans völlig geändert werden solle, was im 23. Kapitel geschah. . » Wir haben der untergeordneten Gestalten Miss Dartle und Miss Mowcher hier Erwähnung gethan, um zu zeigen, wie Dickens sich damit zu begnügen weiss, einzelne Züge oder gewisse Eigenthümlichkeiten Personen der Wirklichkeit zu ent- nehmen, um sie den Gebilden seiner Phantasie beizulegen. § 30. Kurze Zeit nach der Begegnung mit Steerforth sieht David einen anderen Schulfreund aus Salem House wieder, Thomas Traddles. Die Frage, ob wir hier eine aus Dickens' Leben gegriffene Person vor uns haben oder nicht, ist, unseres Wissens, noch nicht aufgeworfen und daher noch viel weniger beantwortet worden. Wir halten jedoch diese Frage nicht nur für berechtigt, sondern auch für theilweise lösbar. Die folgenden Thatsachen legen die Vermuthung nahe, dass ein Mr. Thomas Mitton das Original von Thomas Traddles sein könnte. *) In einem Briefe an Forster vom 20. August 1850 heisst es: / /aze been zery hard at work these three days, and have stzl Dora ſo kzl. . . . . . . . . Oölzged to go to Shepherd's-bzus/ o-day, and can consequently do lzite thzs mornzng (F., 270.) Es ist wohl kein Zweifel, dass Dickens' Besuch in Shepherd's-bush dem Institut der Miss Coutts gelten sollte. *) F., 279. – 56 – Mr. Langton und andere behaupten, Dickens habe nach seinem Austritt aus Wellington House Academy auf wenige Monate noch eine andere Schule besucht und zwar die Anstalt eines Mr. Dawson in der Nähe von Brunswick Square;") dort sei er bekannt geworden mit dem eben genannten Mr. Mitton. Auch die Herausgeberinnen der Briefe nennen denselben a school/ellow at one of his (Dickens') earles schools,”) womit kaum Wellington House gemeint sein kann, da Mr. Thomas und Doctor Danson unter Dickens' Kameraden in Mr. Jones' Institut keinen Schüler Namens Mitton nennen. Forster da- gegen spricht nur davon, dass Dickens' Brüder in Mr. Daw- son's Schule gewesen seien und dass während ihres Aufent- haltes daselbst Dickens mit Mr. Mitton bekannt geworden sei:”) Wie dem auch sei, jedenfalls datirte Dickens' und Mr. Mitton's Freundschaft von der Schulzeit des letzteren oder sogar bei- der, und darin liegt die Ahnlichkeit mit Davids und Trad- dles' innigem Verhältniss, welches ebenfalls in dem Schulhaus beginnt. Traddles ist der einzige unter Davids Schulfreunden, welcher in dessen ferneren Lebensgeschichte eine Rollespielt, wie Mr. Mitton der einzige unter Dickens' Jugendfreunden gewesen zu sein scheint, mit welchem er auf seinen späteren Lebenswegen in näherem Verkehr blieb. Weitere Beziehungen zwischen den Freundespaaren lassen sich aus der Lehrzeit derselben nachweisen. Nach Mr. Lang- ton's Bericht arbeitete Dickens, bevor er bei Mr. Blackmore Beschäftigung fand, kurze Zeit bei einem Mr. Molloy, einem solicitor in Lincoln's Inn Fields, und ebendort war zu dersel- ben Zeit Mr. Mitton thätig. Hiervon weichen Forster's An- gaben wiederum ab, insofern er die gleichzeitige Thätigkeit der beiden Freunde bei Mr. Molloy als eine nicht sicher fest- stehende Thatsache hinstellt. / /ancy, bemerkt Forster, hat they were together also, 7or a short tzme, at Mr. Molloy's zn AVew-square, Lzncoln's-znzz, but, whether or not his was so, Dzckens . . . *) Ob Dickens selbst von Mr. Molloy beschäf- tigt wurde und ob zu gleicher Zeit mit Mr. Mitton, möge dahin- gestellt bleiben; sicher ist jedoch wohl, dass, während Dickens als Advokatenschreiber thätig war, Mr. Mitton sich in ähn- licher Weise zum solicitor ausbildete, wie Traddles in Inner Temple sich zum barrister vorbereitet, während David Spen- 1ow & Jorkins Dienste leistete. In reiferen Jahren stehen David und Traddles in einem sehr lebhaften Verkehr; sie besuchen auch einander vielfach. Gleiche Beziehungen lassen sich zwischen Dickens und Mr. Mitton nachweisen. Forster nennt ihn zweimal unter den 1) L., 92. ?)' Letters I, 7. *) F., 22. *) F., 22. – 57 – Hausfreunden des Schriftstellers,”) und unter den Briefen des letzteren sind einige der interessantesten an Mr. Mitton ge- richtet, worin er wiederholt als Dear Tom angeredet wird. Bezeichnend für das Verhältniss beider zu einander ist end- lich noch ein Eintrag in Dickens' Tagebuch-Bruchstück vom 6. Januar 1838: Our boy's bzrthday. – one year old. A /ezw people at nighé – only Forster, the De Gex's, /ohn Ross, Mºtton, and he Beards, beszales our /amzlzes – o zwe/th-cake and /or/ezés.”) - Nach seiner Rückkehr von seinem dreijährigen Aufent- halt im Auslande, von welchem David am Ende seiner Er- zählung berichtet, heisst es: Occasionally I went to London, to lose myself zºz he szwarm of l/e there, or to consult zwzth 7'rad- dles on some buszness Zoznt. He had managed /or me, zzz my absence, zwzäh he soundest 7udgment, and my worldly affazrs were prosperzng.”) Wie hier der barrister Traddles in der Ab- wesenheit seines Freundes dessen geschäftliche Angelegenhei- ten besorgt, so handelte Mr. Mitton mehrere Jahre als Dickens' solicitor,“) in welcher Eigenschafter sogar im Jahre 1838 von dem- selben mit der Abfassung eines Testaments beauftragt wurde.") Aus den vorstehenden Thatsachen möchten wir fast mit Gewissheit den Schluss ziehen, dass Traddles nicht, wie Steer- forth, eine erdichtete Gestalt ist, sondern dass in vielen Stücken Mr. Mitton mit ihm zu vergleichen bez. zu identificiren ist. Einige Worte noch über einige Ortlichkeiten, welche bei Traddles in Betracht kommen. Traddles gehört als Student der Rechte dem Inner Temple an; vielleicht liegt hierin eine Anspielung auf Dickens' Eintritt in die Innung des Middle Temple im Jahre 1839.") Während er in Inner Temple dem Studium der Rechtswissenschaft obliegt, wohnt Traddles mit Mr. und Mrs. Micawber in Camden Town und zwar in der Nähe des Veterinary College.") Diese Ortlichkeit besass für Dickens eine doppelte Bedeutung: in Bayham Street, Camden Town, hatte der junge Charles im Alter von 11 Jahren die trübe Zeit der Vernachlässigung durchgemacht,”) und in Little College Street, Camden Town, war er der Obhut der Mrs. Roylance anvertraut gewesen.”) Beide Strassen sind noch heute vorhanden und befinden sich in der Nähe der Thier- arzneischule. . . . . . » º - Als David von dem dreijährigen Aufenthalte im Auslande zurückkehrt, sucht er seinen Freund Traddles in Gray's Inn auf, wo derselbe chambers inne hat. Ebendort praktizirte Mr. Blackmore, der Sachwalter, welchem Dickens im Jahre 1827 von seinem Vater anvertraut wurde.”) *) F., 50; 267. « *) F., 51. # Ä 14. º # F. Ä D. C., Hd ) Seite Wº W. -W. S. Ä Letters I, 7. * Seite 35. ) Letters I, 11. *) Seite 51. »- – 58 – Sechster Theil. (Kapitel XXXVII-LXIV). David erlernt die Stenographie und wird stenographischer Berichterstatter; gleichzeitig ver- sucht er sich als Schriftsteller. – Mr. Spenlow stirbt; seine Tochter wird zunächst von zwei Tanten in deren Haus auf- genommen und vermählt sich später mit David. – Mr. Micaw- ber tritt in die Dienste der Firma Wickfield & Heep, Canter- bury; er entdeckt Betrügereien Heep's und entlarvt denselben. – Emily kommt nach London und wird dort von ihrem Onkel gefunden; beide wandern in Gesellschaft der Familie Micaw- ber nach Australien aus, nachdem Steerforth und Ham in einem Sturme umgekommen sind. – Dora stirbt; David ver- lässt deshalb England und geht ins Ausland, wo er drei Jahre bleibt. Nach seiner Rückkehr verheirathet er sich mit Agnes Wickfield. Als er mit ihr zehn Jahre vermählt ist, erhalten sie einen Besuch von Mr. Peggotty, der ihnen Nachrichten von Emily und den Micawbers bringt. § 31. Während er bei Spenlow & Jorkins der Jurispru- denz obliegt, fasst David den Entschluss, die Stenographie zu erlernen, von welchem er sich keineswegs durch die Mitthei- lung seines Freundes Traddles abbringen lässt, hat he mere . meéha/zzcal acquzszton necessary, except zn rare cases, for thorough excellence zn z, hat zs to say, a perfect and entzre command of the mystery of short-hand zerzézºg and reading, zwas aboué egzza zz dz//culty o the mastery of sza languages, and hat zé mighé perhaps be attazned by dºnt of Zerseverance, znz he course of a /ew years.) % - Was David in so energischer Weise zu unternehmen wagt, vollbrachte Dickens bei Mr. Blackmore. Die Schwierig- keiten der neuen Kunst, welche der Romanheld im 38. Kapitel so drastisch schildert, hatte auch Dickens zu bewältigen, und das Buch, welches ersterer für 10 s. 6 d. erwirbt, ist kein an- deres als das von letzterem benutzte, nämlich «Gurney's System of Shorthand» in der 15. Auflage des Jahres Ä » . Betreffs der Veranlassung zu diesem Studium der Steno- graphie sagt David: Y had heard that many men dzstzºnguzshed zºz zarzous Zurszzzis had begun lz/e by reportzng the debates zyz Farlzamezzi.”) Jedenfalls war dies auch Dickens bekannt, aber es ist fraglich, ob ihm die Wahl des neuen Berufs, zu welchem die Kenntniss der Stenographie Vorbedingung war, durch jene Erwägung nahe gelegt wurde. Vielmehr wird allgemein *) D. C., 262. *) L., 97. *) D. C., 262. – 59 – angenommen, dass er durch einen rein äusserlichen Umstand veranlasst wurde, der neuen Laufbahn sein Augenmerk zuzu- wenden. Sein Vater hatte sich während der letzten Jahre zum Stenographen ausgebildet und erlangte im Jahre 1828 eine An- stellung als parlamentarischer Berichterstatter für eine Tages- zeitung. Dieses Beispiel und dazu der Wunsch, seine Lage zu bessern, bestimmten wohl hauptsächlich den jungen Dickens, die bisherige Beschäftigung aufzugeben und sich in der ge- nannten Weise zu qualifiziren. § 32. Wie um die Zeit, wo Charles Dickens sich dem Studium der Stenographie widmete, dessen Vater zu einem neuen Erwerbszweig überging, ebenso verändert sich, als David sich jener Kunst zuwendet, Mr. Micawber's Lage. Der Wechsel vollzieht sich jedoch in beiden Fällen in ganz verschiedener Weise: John Dickens findet Aufnahme in die ehrenvolle Be- rufsklasse der Berichterstatter, Micawber wird von Heep als com/de/zzal clerk angenommen, um denselben in seinen be- trügerischen Unternehmungen zu unterstützen. Uberhaupt gehen, nach Ablauf der Haftzeit, die Schicksale der beiden, wie bereits früher”) angedeutet wurde, in den Einzelheiten mehr und mehr auseinander. Mr. Micawber unternimmt zunächst mit seiner Familie eine Reise nach Plymouth, wo er Anstel- lung im Zollamt zu finden hofft; da ihm aber dies nicht gelingt, kehrt er nach London zurück und wird Getreideagent. Als solcher hat er ebenfalls keinen Erfolg, so dass er abermals in bitterste Noth geräth und sogar den Namen Mortimer annimmt, um sich vor seinen Gläubigern zu schützen. Endlich bekommt er dann von Heep das erwähnte Anerbieten. Derartige Wech- selfälle sind von John Dickens nicht bekannt; man weiss nur, dass er im Jahre 1825 sein Amt niederliegte und damit ein regelmässiges Einkommen von L. 350 verlor. Dies war für einen Mann wie John Dickens, dem Berechnung stets ziemlich schwer wurde, ein harter Schlag, und es darf, obwohl Forster nichts davon erwähnt, angenommen werden, dass die Ver- hältnisse der Familie viel zu wünschen übrig liessen. Gewiss sah sich nun das Familienhaupt nach einer neuen Beschäftigung um, aber es ist, in Anbetracht seines Charakters, nicht unwahr- scheinlich, dass er ebenso viel Mühe als Micawber hatte, eine passende Stellung zu finden und dieselbe, wenn sie glücklich gefunden war, zu behaupten. Erst durch die Anstellung als Berichterstatter gelangte er wieder in sichere Bahnen, Der letzte Theil von Micawber's Lebensgang steht in keiner Beziehung zu John Dickens' letzten Lebensjahren. Heep's confidential clerk wandert mit Unterstützung seiner Gönner nach Australien aus und erwirbt sich dort eine geachtete *) Seite 46. – 60 – Stellung; dem Vater unseres Schriftstellers dagegen wurde von diesem im Jahre 1839 zu Alphington bei Exeter ein Heim bereitet, wo er in sorgenloser Behaglichkeit von den Mühen seines wechselvollen Lebens ausruhen konnte. «- § 33. Drei Faktoren sind es, welche dazu beitragen, Davids Studium der Stenographie zu fördern. Worin der erste dieser Faktoren besteht, lesen wir aus folgender Stelle heraus: Whatever Y have tried to do zn l/e, / haze rzed with all my heart to do well, whatever I have dezoed myself lo, I haze dezoled myself to completely, zn grea azyzs azza zºº small, / haze always been thoroughly zm earnest. / haze never belzezed zé Zosszöle hat any natural or zmproved abzly can clazm zm- munzy /rom the companzonshºp of the steady, Ölazn, hard- zworkzng qualztzes, and hope to gazn zis end. Zhere zs no such ihzng as such /ul/llment on this earth. Some happy talent, and some fortunate opportunity, may /orm he wo szdes 9/éhe ladder on whzch some men mount, but he rounds o/ hat ladder must be made of stu/7 to stand wear and ear, and there zs no substzule /or thoroughgozng, arden, and szncere earnes- ness. Wezer to put one hand to anything, on whz.ch / could throw my whole sel/ and never to affect depreciation of my work, zwhatever z zwas, / /ind, now, to have been my golden rzzles.") Was David hier von sich sagt, gilt in noch höherem Masse von Charles Dickens. Durch keine Eigenschaft zeichnete er sich so hervorragend aus als durch ausdauernde Energie, und auf sie allein sind vor allem seine grossen Erfolge zurückzu- führen, wie er es selbst oft und gern aussprach. So sagt er z. B. in einem Briefe an seinen Sohn Henry Fielding vom 11. Februar 1868 / am very glad to hear of the success of your readzºng, dnd stzl more glad that you went aé z zºz down- rzgh earnzesé. Z should nezer haze made my success zrz lz/e z/ I had been shy of akzng Zazns, or / I had noé bestowed zupon the least thzng / haze ever undertaken exactly the same aééezzozz and care hat Y haze bestowed upon the greatest Do eyerything at your best. It was but this last year that Y sei to and learned every zword of my readings, and /rom en years ago éo last night, / hazenezer read to an audience bué Z haze zwatched /or an opportunzy of strzkzng out something beter somewhere. Zook at such of my manuscrzpés as are zz the lzórary al Gad's, and think of the patzen hours devoted year after year to szngle lines.*) Diese thatkräftige Hingabe an alles, was Dickens unternahm, trat bei der Vorbereitung auf die Laufbahn eines Berichterstatters ganz besonders her- vor und erscheint bei ihm in noch glänzenderem Lichte als *) D. C., 301–302. *) Letters III, 201. – 61 – bei David. Dem Leser des Romans bleibt es völlig unbekannt, dass es sich bei dem Helden der Wirklichkeit nicht nur um die mechanische Aneignung der Schnellschrift handelte, son- dern dass er nebenbei auch die Lücken in seinem Wissen aus- füllen musste, welche seine Erziehung gelassen hatte. Zu diesem Zwecke wurde Dickens ein eifriger Besucher des British Museum, in dessen Lesehalle er sich nicht nur mit der schönen Literatur bekannt machte, sondern auch praktische Kenntnisse zu erwerben suchte. 4 »- » Der zweite unter den oben genannten drei Faktoren ist die Unterstützung, welche Traddles seinem Freunde Copper- field gewährt. / resored o Zraddles /oradzzce, sagt David nach einem misslungenen Versuche, eine Rede in den Com- mons zu stenographiren, who suggested hat he should dictate speeches éo me, aé a Zace, azza zwzäh occaszozza so/pages, adapted to my weakness. Verygrateful /or this /rzendy aza, / accepted the proposal, and nghé a/er zzghé, almosé ezery nzght, /or a long time, we had a sort of Zrzzate Parlament zzz Buckingham Street, after / came home /rom the Doctor's.”) Wurde Dickens solche Hilfe auch zu Theil, etwa von Mr. Mitton oder einem andern Freunde? Wir möchten es bezweifeln; wenigstens findet sich hierüber keine Andeutung in Forster's Biographie. Mit Sicherheit als autobiographisch zu bezeichnen ist da- gegen der dritte Faktor, welcher einen fördernden Einfluss auf Davids stenographische Studien ausübt. Darüber sagt der- selbe am Schlusse einer längeren Auseinandersetzung über die Schwierigkeiten der zu erlernenden Kunst: In short, z was almost hear-breaking. – I might have been quze hear-breakzng, but for Dora, who was the stäy and anchor of my tempest- drzzenz bark.”) Was hier David als seinen Trost hinstellt, hielt unter den- selben Verhältnissen auch Dickens aufrecht und spornte ihn zur Thätigkeit an. He, oo, sagt Forster, had his Dora, al apparently the same hopeless elevatzon , strzzen /or as the only thzng to be attazned, and even more unatazzaöle, /or nezther did he succeed nor happzy did she dze, but he one zdol, like the other, supplyzng a mozze to exerzon /or the zme, and otherzwz.se openzng out to the zaolater, both zºz /ac and /czon, a highly unsubstantzal, happy, /ools/ lzme.”) Dass Dickens damals nicht minder leidenschaftlich liebte als David, ersieht man aus dem Briefe, welchen er über diesen Gegenstand an Forster richtete, man sucht dort aber vergebens nach einer Auf- klärung darüber, warum das Verhältniss sich im Sande ver- lief. Diesen Aufschluss giebt der Roman an die Hand. Einer- seits fand das Verhältniss wahrscheinlich nicht den Beifall des 1) D. C., 27I. *) D. C., 271. *) F., 23–24. – 62 – Vaters, und dieser väterliche Widerspruch wurde nicht, wie bei Mr. Spenlow, durch den Tod aufgehoben; , andrerseits stellte sich der Verwirklichung des Liebestraumes die Mittel- losigkeit des jungen Stenographen hindernd entgegen, und bevor derselbe in der Lage war, um die Hand der jungen Dame anzuhalten, wurden beide von einander getrennt. Erst 25 Jahre nachher, als «David Copperfield» längst erschienen war, sollte Dickens Gelegenheit haben, seine jugendliche Dora wiederzusehen, welcher er sogar mit seiner Frau einen förm- lichen Besuch abstattete. Dieser Besuch frischte sicherlich alle die Erinnerungen auf, die jene Jugendliebe zurückgelassen hatte, und veranlasste ihn, die erste Dame seines Herzens, der er schon in «Copperfield» einen so hervorragenden Platz ein- geräumt hatte, in «Little Dorrit» unter dem Namen Flora seinen Lesern nochmals vorzuführen. W. § 34. Je näher das Ende seiner Erzählung rückt, desto Schweigsamer wird David über seine geistige Thätigkeit. Es ist schon nicht viel, was er über die Erlernung der Steno- graphie sagt; noch weit weniger aber verräth er über das Ergebniss, den Erfolg seiner unermüdlichen Bemühungen. / /aze anzed, heisst es erst im 43. Kapitel, that sazage séeno- graZ/zc mystery. / make a respectable zncome by z. / am znz /zz/ repzzée /or mzy accomplishment zn all pertaznzng to the aré, azza am 7ozzzed zwzth elezen others zn reporting the debates zn Parlament /or a Morning Newspaper.) - : , * - Mit diesen wenigen Worten fasst Dickens seine ganze Berichterstatter-Laufbahn zusammen. Einen Abschnitt der- Selben lässt er fast ganz unerwähnt, die Zeit, in welcher er in Doctors Commons als Stenographenreporter thätig war (1829 und 1830); die einzige Hindeutung darauf findet sich im 36. Kapitel, wo David von dem Entschlusse spricht, die Schnell- schrift zu erlernen. /'ll buy a book, heisst es dort, wzth a good scheme of his art zºz zº, I'll zwork at z at the Comz- mons, Where Y hazen' half enough to do, I'll take down the sZeeches zºz our couré /or practice.”) « M. Erst im Jahre 183l gelang es Dickens, sich Eingang zu verschaffen in die reporters' gallery des House of Commons. Dort waren seine Dienste drei Zeitungen gewidmet: «The True Sun» (1831), «The Mirror of Parliament» (1832–1833), «The Morning Chronicle» (1834–1836). Die letzte dieser Zei- tungen ist es jedenfalls, welche unter der von David gebrauch- ten Bezeichnung morzzzzzg newspaper zu verstehen ist. «- Was Copperfield von seiner Stellung unter den Bericht- erstattern sagt, gilt buchstäblich von Dickens. Trotz aller Schwierigkeiten, mit denen die Ausübung jenes Berufs damals *) D. C., 311. ?) D. C., 262. – 63 – verbunden war,”) und trotz seiner mangelhaften oder wenig- stens lückenhaften Vorbildung erwarb sich der Verfasser von «David Copperfield» durch seine bewunderungswürdige Aus- dauer den Ruf des besten unter den 80 bis 90 parlamentari- schen Berichterstattern des Unterhauses, und zwar nicht nur wegen seiner stenographischen Genauigkeit, sondern auch wegen seiner wunderbaren Geschwindigkeit im Transscribiren.”) Auch die Bemerkung Davids über sein Einkommen findet volle Anwendung auf Dickens, insofern derselbe vom «Mor- ning Chronicle» ein wöchentliches Gehalt von fünf Pfund be- zog, ein Einkommen, welches von ihm im Roman mit Recht als respectable bezeichnet werden durfte, wenn man das jugendliche Alter des Empfängers und die damalige Zeit in Betracht zieht. s - Es scheint nicht, dass die Eindrücke, welche Dickens im House of Commons gewann, ihm eine hohe Meinung von den englischen Volksvertretern und ihrer Gesetzgebung einflössten, denn an das obige Citat (Seite 62) schliessen sich folgende Worte Davids an: Wght a/ter zzght, / record Zredictions that nezer come to Zass, professions that are never /ul/lled, expla- mazons that are only meant to myst/p. / 70allozO zz zwords, Britannza, hat unfortunate /emale, s always before me, like a russed /owl: skewered through and through zwzth o//ce-Zens, and bound hand and /oo with red tape. / am sz//czenély behzºzd he scenes to know the worth of Zolzzcal lz/e. / am guze anz zºg/de about zº, and shall never be converted.”). Den Beweis dafür, dass diese Stelle Dickens' eigenste An- sichten über das Parlament wiedergiebt, liefern vielfache Ausse- rungen in seinen Briefen, welche ihrerseits wieder ergänzen, was schon in den «Sketches» über jenen Gegenstand ausge- sprochen worden war. Ungeachtet der innigen Freundschaft, welche ihn mit einer Anzahl von Parlamentsmitgliedern ver- band, legte Dickens stets eine offene Geringschätzung für das parlamentarische und im allgemeinen für das politische Trei- ben an den Tag, in welcher wohl auch zum Theil der Grund zu suchen ist, warum er sich nicht bewegen liess, die Ver- tretung irgend eines Wahlkreises im Parlament anzunehmen, wie sie ihm wiederholt angeboten wurde. W. § 35. Wenn nun auch Dickens aus seiner Laufbahn als parlamentarischer Berichterstatter keine hohe Meinung von dem, was er als solcher sah und hörte, davontrug, so ver- dankte er ihr doch eine Schulung, deren Werth er selbst nicht verkannt hat. Zo the wholesome traznzng of severe 72ezwspaper *) Vgl. Dickens' Rede bei dem zweiten jährlichen Festessen des Newspaper PressFund, 1865. (F., 25–26.) *) F., 26. *) D. C., 311. zºoré, zwhen I was a zery young man, / constantly refer my /rsé successes, sagte er zu den New Yorker Journalisten, als er im Jahre 1868 von ihnen Abschied nahm.”) In der That stählten die der Presse gewidmeten Jahre ganz bedeutend seine geistigen Kräfte und trugen wesentlich dazu bei, ihn zu der Wirksamkeit zu befähigen, welcher er seinen Ruhm verdankt. I have come out ºn another way, fährt David fort, nach- dem er von seiner parlamentarischen Thätigkeit gesprochen hat. / haze laken wzth /ear and trembling to authorshºp. / Zwroe a lz##le somethzºg, zºz secret, and sent z ºo a magazzzze, and zé zwas published zn the magazine. Since then, Y have éaken hear to wrzte a good many trying pieces. Wozy, I am regularly pazd/or them.”) Mit diesen Worten entwirft Dickens ein knappes, aber anschauliches Bild von seinem eigenen Ein- tritt in die schriftstellerische Laufbahn. Während er noch für «The Morning Chronicle» arbeitete, erschien in der Dezem- ber-Nummer 1833 des «Monthly Magazine» aus der Feder des jungen Berichterstatters ein Artikel unter dem Titel «A Dinner at Poplar Walk».") Es ist bekannt, wie Dickens eines Abends im Zwielicht jenes erste schriftstellerische Erzeugniss in einen Briefkasten bei Fleet Street steckte und wie er, als dasselbe im Druck erschienen war, mit der in einem Laden im Strand gekauften Nummer der Zeitschrift nach Westminster Hall eilte, um dort den Gefühlen der Freude freien Lauf zu lassen. Der Erfolg des ersten Artikels ermuthigte den jungen Verfasser, dem «Monthly Magazine» weitere Beiträge zu liefern, welche vom August 1834 an «Boz» unterzeichnet waren. Da sich jedoch Captain Holland, der damalige Herausgeber der genannten Zeitschrift, nicht bereit fand, jene Skizzen zu honoriren, so stellte Dickens im Februar 1835 seine schrift- stellerischen Sendungen ein und nahm mit Freuden ein durch George Hogarth's Vermittlung gemachtes Anerbieten an, seine Artikel fernerhin dem neuerdings gegründeten «Evening Chronicle» zu überlassen, wogegen das Honorar, welches er als Berichterstatter der Morgenausgabe dieser Zeitung bezog, von fünf auf sieben Pfund erhöht werden sollte.*) Hierauf weisen Davids Worte hin: Wow, / am regularly pazd /or them. Uber den Fortgang seiner schriftstellerischen Thätigkeit berichtet David im 44. Kapitel: / wrote a good deal now, and zwas begznnzng zn a small way to be known as a wrzter.") Ferner heisst es im 46. Kapitel: / was returnzng /rom a solzary zwalk, hinking of the book / was then wrztzng – for my *) F., 25. - * . *) D. C., 312. - *) In der Gesammtausgabe der «Sketches» trägt dieser Artikel den Titel KMr. Minns and his Cousin ». « *) Vgl. Letters IV, 10. *) D. C., 321. – 65 – success had séeadzly zncreased zerzth my steady applzcazon, and / zwas engaged at that zme upon my first book of/cézon.”) Endlich lesen wir im 48. Kapitel: / laboured hard at my book, zwzhoué allowzng z ºo zºzer/ere with the punctual discharge of my newspaper dutzes, and z came out and was zery success/ul.”) Es kann kein Zweifel darüber sein, dass diese drei Stellen ein Stück Autobiographie enthalten. Das Buch, an welchem der junge Schriftsteller arbeitet, ist kein anderes als die «Posthu- mous Papers of the Pickwick Club». Es ist hier nicht der Ort, von der Entstehungsgeschichte dieses Buches zu reden; es genügt zu erwähnen, dass es in 20 Nummern vom März 1836 bis zum November 1837 erschien und also, wie Davids Roman, innerhalb der ersten zwei Jahre der Ehe des Ver- fassers geschrieben wurde. Auch ist es kaum nöthig hervor- zuheben, dass von «Pickwick Papers» dasselbe gilt, was Dickens über den Erfolg der ersten Prosadichtung Davids aufgezeichnet hat. Jenes Werk fand nicht nur bei seinem ersten Erscheinen eine üngewöhnlich grosse Zahl von Lesern, sondern erfreut sich noch heutigen Tages einer grösseren Beliebtheit als irgend ein anderer Roman des Verfassers. H. / had been wrztzng, erzählt David im weiteren Verlauf des 48. Kapitels, zºn the newspaper and elsewhere, so prospe- rously, that when my new success was achzezed, / conszdered myself reasonably entzled to escape /rom the dreary debates. One 7oyful nzght, therefore, I noted down the music of the parliamentary bagpzzes /or the last time, and I have never heard z. sznce.*) Mit derselben Freudigkeit, wie es hier David thut, trat Dickens im Jahre 1836 von seiner Stel- ung als Berichterstatter des «Chronicle» zurück, nachdem ihm der Erfolg des «Pickwick» gezeigt hatte, in welcher Rich- tung seine Lebensaufgabe lag. Auf die Lösung dieser Auf- gabe einzugehen, hat Dickens in «David Copperfield» unter- lassen. Nur noch einmal weist er darin auf seine schrift- stellerische Arbeit hin und zwar in folgenden Worten: / wrote a story with a purpose growzng, noé remotely, out of my experzence, and sent zé to Traddles, and he arranged /or zés Zzzölzcazon zery advantageously /or me, and the #zdzºgs 0/my grozozng reputation began to reach me /rom trazellers zwhozz / encountered by chance. After some rest and change / /el ſo zworé, zºn my old ardent way, on a new fancy, whzch ook strong Zossesszon o/ me. As / adzanced zºz he executzon of his ask, Z./el zé more and more, and roused my utmosé energzes éo do zé well. Zhts was my third work of /ction.“) *) D. C., 331. *) D. C., 343. *) D. C., 343. *) D. C., 4/7. § 36. Bei dem ersten Besuche, welchen David in Mr. Spenlow's Landhause abstattet, lernt er dessen Tochter Dora kennen und fasst zu derselben sofort eine leidenschaftliche Neigung. Es ist bereits darauf hingewiesen worden,”) wie ihn diese Neigung in der Zeit, wo er seine ganze Kraft daran setzt, sich zum stenographischen Berichterstatter auszubilden, anspornt und ermuthigt; es ist an demselben Orte angedeutet worden, dass auch Dickens unter ähnlichen Umständen eine Dora fand und dass die Hoffnung, sie zu erwerben, ihn zur Uberwindung aller Schwierigkeiten antrieb und ihm vier Jahre lang den Frieden seines Herzens raubte. Während nun aber Dickens' Liebestraum zerfloss, geht derjenige Davids in Er- füllung: er heirathet nach Mr. Spenlow's Tode dessen Tochter. Dieses Ereigniss fällt in die Zeit, wo er für die Beiträge, welche er in der ersten Periode seiner schriftstellerischen Lauf- bahn einer Zeitschrift liefert, bereits honorirt werden. Dieser Umstand verknüpft Davids Verheirathung mit demselben Er- eigniss in Dickens' Leben. Am 2. April 1836 vermählte sich Dickens mit Catherine Hogarth, der ältesten Tochter seines Mitarbeiters am «Morning Chronicle», George Hogarth; sein Eintritt in die Ehe erfolgte, nachdem kurz zuvor (Februar 1836) eine Gesammtausgabe seiner «Sketches» in zwei Bänden er- schienen war und als die erste Nummer der «Pickwick Papers» eben die Presse verlassen hatte (31. März 1836). Es ist gewiss kein Zufall, dass der Verfasser des «David Copperfield» die Heirath seines Helden um dieselbe Zeit eintreten lässt, in welcher er selbst sich vermählte. - s Es ist nicht bekannt, unter welchen Verhältnissen Dickens die Ehe einging. Es scheint aber einerseits, dass es, wie bei David, mit einer gewissen Hast und vielleicht auch ohne rechte Selbstprüfung geschah, und andrerseits, dass das Verhältniss zu seiner Braut niemals den Charakter des Schwärmerischen trug, welcher Davids und Doras Verhältnisse eigen ist. Das junge Ehepaar verlebte die Flitterwochen in dem Dorfe Chalk zwischen Rochester und Gravesend, wodurch Dickens einen neuen Beweis seiner Anhänglichkeit an jene Gegend lieferte. Dann bezogen sie in Furnival's Inn die Junggesellenwohnung im dritten Stockwerk, welche der junge Schriftsteller seit län- gerer Zeit inne hatte.*) Diese Räume in Furnival's Inn hatte Dickens im 59. Kapitel des Romans vor Augen, wo David seinen Freund Traddles und dessen Frau in ganz ähnlichen chambers on the top story wiederfindet.”) Die Einrichtung des jungen Schriftstellers war Anfangs nicht viel glänzender und vollständiger als diejenige des glücklichen barrister. Einen Beweis dafür finden wir in einer Stelle des in den ersten !) Seite 61. " 2) F., 25. p. *. *) D. C., 410. – 67 – Wochen des Jahres 1838 von Dickens geführten Tagebuchs: Zhºs day last year, Mary!) and / wandered up and down Hol- born and the streets about /or hours, lookzng after a little table /or Kate's bedroom, which we bought at las at the very /rs broker's whzch we had looked zno, and whzch we had passed hal/-a-dozen zmes because I didn't like to ask the Zrzce.*) An den hier erwähnten Vorgang beim Trödler wird man lebhaft erinnert, wenn man im 34. Kapitel liest, wie Traddles durch Peggotty's Vermittlung von einem Trödler in Tottenham Court Road die Gegenstände zurückkauft, welche ihm bei einer Pfändung der Familie Micawber verloren gegangen waren.*) “ Was das Eheleben Dickens' betrifft, so ist wohl nicht zu verkennen, dass dasselbe theilweise beleuchtet wird durch Davids Eheleben. Es wäre, wie bereits früher bemerkt wurde, durchaus falsch, in Dora ein treues Abbild von Mrs. Dickens zu erblicken; andrerseits ist jedoch nicht zu leugnen, dass die junge Ehefrau des Romans in einigen Zügen derjenigen der Wirklichkeit gleichkommt. Diese wenigen gemeinschaftlichen Charaktereigenschaften sind es aber gerade, welche in beiden Fällen am meisten das Eheleben beeinflussen und es unver- meidlich in die Bahnen lenken müssen, in welchen es sich später bewegt. Anfangs mag allerdings die Ehe bei Dickens, wie bei David, eine ungetrübte gewesen sein. Doch schon nach wenigen Jahren scheinen die Dinge eine unliebsame Wendung genommen zu haben. Dies geht hervor aus einem Briefe an Forster aus dem Jahre 1857, wo der offene Bruch bevorstand. What is now be/alling me / have seen steadly comzng ever since the days you remember when Mary was born and I know oo well that you cannot, and no one can, help me.“) Da die hier genannte Tochter Mary im März 1838 geboren wurde, dauerte also das ungestörte eheliche Glück nicht län- ger als zwei Jahre. Wodurch dieses Glück zum Theil gestört wurde, das ist, wie wir glauben, aus dem Roman herauszu- lesen. / doubt, gesteht David im 44. Kapitel, whether wo young bzrds could have known less abou keepzng house, ha/2 / and my pretty Dora dºd.") David setzt dann näher auseinan- der, wie unpraktisch und unerfahren seine junge Frau sich zeigt, und beschreibt das Gefühl der Unbehaglichkeit, welches die Folgen jener Eigenschaften in ihm hervorrufen. Wir sind weit entfernt, Mrs. Dickens das kindliche Wesen und die voll- ständige Unerfahrenheit zuzuschreiben, welche Dora kenn- zeichnen, aber es ist nicht zu verschweigen, dass ihr ebenfalls eine gewisse Unfähigkeit im Haushalten eigen gewesen zu sein *) Mary Hogarth, die am 7. Mai 1837 verstorbene Schwägerin Dickens'. *) Letters IV, 14. *) D. C., 246. *) F., 324. °) D. C., 316. – 68 – ? scheint.”) Doch ist Mrs. Dickens ebenso wenig allein anzu- klagen, wie im Roman Dora alle Schuld trifft. Dickens selbst war, wie sein Vater, kein Freund der Einschränkung: er liebte es, Freunde um sich zu sehen und zu bewirthen; er versagte sich weder an Luxus grenzende Bequemlichkeiten in seiner Häusslichkeit noch kostspielige Reisen und Sommerfrischen im In- und Auslande. u. Neben den eben genannten rein äusserlichen Umständen, welche Davids eheliches Glück trüben, sind noch weit tiefer liegende Ursachen vorhanden, die dasselbe beeinträchtigen müssen. / had, sagt der Romanheld im 44. Kapitel, a great deäl of work to do, and had many anxzetzes, but the same con- szderations made me keep them to mysel/ Z am 7ar /rom sure, zzozo, hat z zwäs right to do this, but I did 2 /or my child- zwz/e's sake. / search my breast, and / commz zis secrets, ºf / know them, zwzthout any reservation to this Zaper. Zhe old unhappy loss or want of something had, / am consczous, some Zlace zn my heart, but not to the embz ferment of my life. When / zwalked alone zºz the /ne zweather, and thought of the summer days when all the azr had been /lled with my boyzsh enchantment, / dzd muss something of the realsatzon of my dreams, but / thought z was a softened glory of the Past, whzch nothzng could haze thrown upon the present zme. / dd /eel, sometzmes, /or a little whzle, that I could haze zwished my zwz/e had been my counsellor: had had more character and pur- Zose, to sustazrz me and zmprozé me by, had beenz endozwed zwzth power to /l up the zoza whzch somzewhere seemed to be about me, but / /el as ºf thºs were an unearthly consumma- #zon of my haZ/zness, hat nezer had been meant to be, and 72ezer cozzla haze beenz . . . . . Thus zt was that I took upon myself the ozs and cares o/ lz/e, and had no partner zn them.”) In ähnlichem Tone heisst es im 48. Kapitel: 7 he old zzn- hazzy /eelzºg Zerzaded my life. / was deepened ºf zé zwere changed at all, but zº was as undefined as ever, and addressed me like a strazzz o/ sorrow/ul muszc/azntly heard zn the night. / lozed my zwz/e deary, and / zwas happy, but he happiness Z had zagzzey azzzczpated once, was not the haz/Özness / enjoyed, and there was always something wantzng. – /n /ul/lment of the compact / haze made zwzth myself, to reflect my mind on this aÖer, / agazn examznze zé, closely, and örzng zis secrets o the light. What / mzssed, / sz regarded – / always regarded – as somethzºng ha had been a dream of my youth/ul /ancy, that was zºzcapable of realisation, hat / was now discozerzng to be so, zwzth some natural Zazºn, as all men dza. But, hat zé zwould have been better for me / my wz/e could have helped *) K., 63. *) D. C., 322. – 69 – me more, and shared the many thoughs zºz whz.ch / had no Zartner, and that this might have been , I knew.!) Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Worte Davids voll und ganz das Verhältniss wiederspiegeln, welches sich allmählich zwischen Dickens und seiner Frau herausbildete. Unsuztabzzy of mznd and purpose, worüber David klagt,”) war auch in No. 48, Doughty Street, in No. 1, Devonshire Terrace und in Tavistock House, Tavistock Square, das häus- liche Gespenst. Zwischen Charles Dickens und Catherine Hogarth scheint von Anfang an sehr wenig geistige Ver- wandtschaft bestanden zu haben, und es kann deshalb nicht auffallen, dass die gegenseitige Zuneigung mit den Jahren viel- mehr ab- als zunehmen musste. Mrs. Dickens war für ihren Gemahl jeder Zeit mehr eine liebevolle Pflegerin ihrer Kinder als eine treue Genossin, die mit ihm die Freuden und Leiden seiner schriftstellerischen Laufbahn theilen konnte, und doch bedurfte gerade er ganz besonders solcher Theilnahme. Ge- wiss war Mrs. Dickens eine durchaus liebenswürdige und gebil- dete Lebensgefährtin, die mit Stolz auf die Errungenschaften ihres Gemahls blickte, aber es fehlte ihr jedenfalls das richtige Verständniss für das Geistesleben desselben und die Fähigkeit, einen anregenden Einfluss auszuüben. »- Ebenso oder sehr ähnlich liegen die Dinge auch bei David. Wie er sich dazu verhalten soll, sagt ihm treffend Miss Trotwood: You have chosenz /reely for yoursel/, and you have chosen a zery pretty and a zery affectionale creature. / wzll be your duy, and zé zwzl be yourpleasure to estimate her by the qualzézes she has, and not by the qualztzes she may not haze. Zhe laffer you must develope zm her, fyou canz. And / you canzzoé, Yout mus just accustom yourself to do without them. But remem- ber your future zs bezween you wo. Wo one can assºsé Wozz, you are to work z out yourselves.”) Sollte sich nicht auch Dickens dies vorgehalten haben ? Sollten Liebe und Pflichtgefühl nicht auch ihm jene Selbst- verleugnung eingegeben haben, mit deren Hilfe David alles überwindet? Vielleicht hat auch Dickens mit sich gerungen, vielleicht hat er auch versucht, sein Loos zu tragen und sich in das Unvermeidliche zu schicken. Dass er es gethan hat, möchten wir aus dem Roman schliessen. Es geht auch her- vor aus den Briefen, aus denen nie die geringste Klage über die häuslichen Verhältnisse herausklingt und in welchen er, wenn sie an seine Frau gerichtet sind, derselben stets freund- lich, wenn auch nicht gerade sehr herzlich, begegnet. Ob frei- lich Mrs. Dickens zur Erhaltung des häuslichen Glücks das Ihrige beigetragen hat, muss dahingestellt bleiben; es fehlt *) D. C., 347. *) D. C., 347. *) D. C., 318. – 70 – jeder Anhalt, um darüber urtheilen zu können. Unmöglich ist es jedoch nicht, dass auch hierauf Doras Verhalten Licht zu werfen bestimmt ist. a Davids eheliches Ungemach ist nur von kurzer Dauer, denn schon nach wenigen Jahren scheidet ihn der Tod von seiner Lebensgefährtin. Als Dickens den Theil des Romans schrieb, welcher den Ausgang der Ehe zwischen David und Dora enthält, hatte er gewiss alle die Erfahrungen gemacht, die David offenbart; aber er ahnte damals wohl kaum, wie seine eigene Ehe mit Catherine Hogarth enden sollte. In den Jahren 1849 und 1850 war er in seinem Hause noch von einer munteren Kinderschaar umgeben, und andrerseits fand er noch volle Befriedigung in seiner schriftstellerischen Thätigkeit, so dass ihm the old unhappy loss or zwant o/ something nur un- klar zum Bewusstsein kommen konnte. Dies änderte sich, als seine Kinder mehr und mehr heranwuchsen und die Leistungs- fähigkeit seiner Phantasie abzunehmen anfing. Es stellten sich Unzufriedenheit und Ruhelosigkeit ein, und er stürzte sich mit Leidenschaft in allerhand Zerstreuungen und aufregende Be- schäftigungen. Dadurch gestalteten sich die ehelichen Ver- hältnisse keineswegs besser. Je mehr er seinem Heim den Rücken wandte, desto grösser musste die Kluft zwischen den Ehegatten werden: die Schattenseiten seiner Häuslichkeit wurden ihm immer offenkundiger, er fühlte sich darin immer weniger wohl, und Mrs. Dickens wurde durch das unabhängige und unstäte Leben und Treiben ihres Gemahls um so weni- ger geneigt gemacht, seine Schwächen zu tragen und sich denselben anzubequemen. Unter solchen Umständen konnte der eheliche Frieden auch äusserlich nicht mehr von langer Dauer sein. Während die Andeutungen über die häuslichen Vorgänge, welche er in seinen Briefen an Forster in den Jah- ren 1854 bis 1857 macht, unbestimmt lauten, werden dieselben nach und nach deutlicher und unerfreulicher. I have had dread- /zzl houghts ofgeizºg away somezwhere altogether by myself. . . ., schreibt er im Jahre 1854 und fügt hinzu: « Restlessness», you zwzl say. Whatever zé zs, z zs always drzzzng me, and I can- zzot helZ z. / haze rested zzzze or en zweeks, and somezmes /eel as z/zé had been a year – though I had the stranges zerzous mzserzes before / stopped. If I couldn't walk /ast and /ar, / should 7us explode and Zerzsh.) Vier Monate später heisst es: Haze general zdeas of emºgrazzg zºz he summer ſo he mouzz- lazzz-ground bezween France and Spazz . . . Why s zt, hat as zwz/ Zoor Dazza, a sense comes always crushzºg on me now, zwhenz / /al zzo lozy spzrzs, as of one haÖ/Özºzess / haze mzssed znz l/e, and one /rzend and companzon / have never made?”) Im Jahre 1856 wagt Dickens schon die Bemerkung: Y ſind *) F., 323. *) F., 323–324. that the skeleton zn my domestic close is becomzng a pretty bºg one.”) Im folgenden Jahre aber lautet es ganz bestimmt: Poor Catherine and I are not made /or each other, and there zs no help for z. Z. zs not only that she makes me zuneasy and zzzz- happy, but hat I make her so oo, and much more so. She zs exactly what you know zn the way of bezng amzable and com- Zlyzng, but zwe are sérangely zl-assorted for the bond there zs between us . . . Her temperament will not go with mzne.”) Diese und ähnliche Auslassungen erinnern nicht nur lebhaft an Davids allerdings weit mildere Aufzeichnungen über seine Erfahrungen im Eheleben, sondern weisen auch auf die Ent- scheidung hin, welche Dickens und seine Frau endlich im Mai 1858 trafen, indem sie sich von einander trennten. Dass dieser Entschluss erst kurz vor dem genannten Datum zur Reife gelangt sein kann, beweisen zwei Stellen aus Briefen an Forster, aus denen hervorgeht, dass Dickens bis zuletzt sich keinen andern Ausgang seines ehelichen Missgeschicks denken konnte als den, welchen die David'sche Ehe nimmt: / clazm no zmmunzy /rom blame. 7 here zs plenty of /ault on my szde, / dare say, zºz he way of a thousand uncertaznzes, caprices, and dº/cultzes of disposztzon, only one thing will alter all hat, and that zs, the end whzch alters ezerything (1857).”) – Ouzte dsmzss /rom your mind any reference whatezer to pre- seni czrcumstances at home. Woéhzºg cazz Zuz themz rzghi, zzzzzl we are all dead and bzurzed and rºsen (1858).*) § 37. Nach Doras Tode verlässt David England und bringt drei Jahre im Auslande zu. Von dort zurückgekehrt, heirathet er seine langjährige Freundin und Beratherin Miss Agnes Wickfield. Der Umstand, dass diese Tochter des Rechtsanwalts von Canterbury von Davids Eintritt in Dr. Strong's Schule an neben David selbst am meisten in den Vordergrund tritt, lässt es nicht als glaublich erscheinen, dass wir in ihr eine aus Dickens' Phantasie hervorgegangene Gestalt zu erblicken haben. In der That sind auch bereits zu Leb- zeiten des Verfassers von «David Copperfield» Vermuthungen über das Original der Miss Wickfield aufgestellt worden. Uber diesen Punkt spricht sich der Däne Hans Andersen, welcher im Jahre 1857 Dickens in Gad's Hill besuchte, sehr zuver- sichtlich aus, indem er sagt: / s a great pleasure o /nd zn an author's zzzzzermost czrcle the ypes of those characters hat haze delghed one zz his works. / had prezzozusly heard many Zeople remark hat Agnes zºz « Dazza Copperfeld» zwas like Dzckens's own zwz/e, and although he may not have chosen her 1. F., 324. *) F., 324. *) F., 325. *) F., 327. – 72 – delzberately as a model /or Agnes, yet still I can ſhzºzk of no ozze else zzz hzs books so near akzzz to her zn all hat zs grace- /zzland amzable. Mrs. ZDzckens had a certazzz so/, zwomazzly reziose and reserze about her, but whenezer she spoke there came such a light zno her large eyes, and such a smzzle zZon her lz/s, and there was such a charm zn the ones of her zozce, Ähaé hence/orth / shall always connect her and Agnes ogether. (Temple Bar. December 1870. A Visit to Charles Dickens. By Hans Christian Andersen.)!) - , Es kommt uns nicht zu, dieses Urtheil eines Beobachters wie Hans Andersen anzuzweifeln; es ist dies auch nicht leicht möglich, da von anderen Seiten die in obigem Citat hervor- gehobenen guten Eigenschaften der Mrs. Dickens ebenfalls aner- kannt worden sind.”) Doch möchten wir glauben, dass die Ahn- lichkeit, welche Andersen zwischen Agnes und Mrs. Dickens entdeckt zu haben meinte, eine zufällige und rein äusserliche ist. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass in den Jahren 1849 und 1850, wo «David Copperfield» erschien und wo das gute Einvernehmen mit seiner Frau gewiss schon erschüttert war, Dickens daran gedacht haben sollte, die von Andersen gerühmten Lichtseiten dem Charakter seiner Frau zu entlehnen und auf Agnes zu übertragen, nachdem er in Doras Person die Schwächen der Mrs. Dickens zur Anschauung gebracht hatte. Wenn zwischen den beiden genannten Frauen irgend welche Ahnlichkeit beabsichtigt sein sollte, so scheint dies der Fall zu sein in dem Ehestande derselben. Aus Davids wenigen Andeutungen über seine Ehe mit Agnes ist zu schliessen, dass aus derselben eine grössere Zahl von Kindern hervorgegangen ist. Bei dieser Thatsache kann dem Verfasser des Romans recht wohl seine eigene zahlreiche Familie vorge- schwebt haben, vön welcher sogar eine am 16. August 1850 geborene Tochter denselben Namen trug wie eine solche in Davids Familie, nämlich Dora. Im Übrigen können wir zwi- schen Agnes und Mrs. Dickens keine wesentlichen Beziehun- gen entdecken; dagegen drängt sich uns die Uberzeugung auf, dass das Urbild von Agnes Wickfield in einer Person zu suchen ist, welche für ihn das zu werden bestimmt war, was Agnes für David ist. - David vermählt sich mit Agnes, nachdem er zu der Uberzeugung gelangt ist, dass ihm die Ehe mit ihr das Glück und die innere Befriedigung bringen würde, welche die erste Ehe ihm nicht zu bieten vermochte. Agnes füllt nicht nur die durch Doras Tod in Davids Heim entstandene Lücke aus, Sondern macht dasselbe erst zu dem, was es sein sollte. Auch in Dickens' Heim entstand gewissermassen eine derartige Lücke, *) K., 33. » *) Vgl. z. B. Dickens' Brief an Forster vom Jahre 1856, welcher Seite 71 angezogen wurde. sº aber nicht durch den Tod seiner Frau, sondern dadurch, dass dieselbe, wenigstens nach Ansicht ihres Gemahls, die ihr ge- bührende Stelle im Haushalt nicht voll und ganz ausfüllte. Mrs. Dickens' Stellung als Gattin und Mutter wurde allmählich immer unsicherer, bis sie auf dieselbe freiwillig verzichtete und an, ihre eigene Schwester, Georgina Hogarth, abtrat. Schon im Jahre 1842, nach Dickens' Rückkehr von seiner ersten Reise nach Amerika, war Miss Hogarth ein Glied des Dickens'schen Hausstandes geworden. Aus welchen Gründen sie es wurde, wissen wir nicht; doch war ihre Aufgabe Anfangs kaum eine andere als die, Mrs. Dickens in der Erziehung der nach und nach zunehmenden Kinderschaar zu unterstützen. In dem unvorsichtigen Briefe, welchen Dickens nach der Trennung von seiner Frau an seinen Freund Mr. Smith richtete und den dieser einem Mitarbeiter der «New York Tribune» mit- theilte, haben wir Dickens' eigenes Zeugniss, mit welcher Treue und Hingebung Miss Georgina Hogarth die ihr zufal- lende Aufgabe erfasste und zu erfüllen bestrebt war, und man darf recht wohl Forster beipflichten, wenn er in einer der Skizzen, welche sein Freund seit dem Jahre 1855 in einem note-book für spätere Benutzung flüchtig zu entwerfen pflegte, ein Frauenbild entdeckt zu haben glaubte, dessen Original Miss Hogarth war. She – sacr/ced to children, and su/- /czeny rezwarded From a child herself, alteays «the children» (of somebody else) o engross her. And sº it comes to Zass that she zs never married, never herself has a chald, zs always dezoted «to the chz/dren» (o/somebody else), and they loze her, and she has always youth dependent on her zl her death.”) Aufopferung und selbstloses Wesen sind auch an Agnes Wick- field hervorragende Eigenschaften, obgleich dieselben sich bei ihr in anderer Weise bethätigen. Daneben zeigte aber Miss Hogarth gewiss auch rege Theilnahme an dem geistigen Stre- ben und Leben ihres Schwagers, wie Agnes Davids Unter- nehmungen stets mit innigem Interesse verfolgt; den Rath und die anregende Ermuthigung, welche die Romanheldin ihrem Freund zu Theil werden lässt, fand Dickens sicherlich auch von Seiten der Miss Hogarth. Es ist fast selbstverständ- lich, dass solche praktische und intellektuelle Vorzüge Dickens unwillkürlich zu seiner Schwägerin hinziehen und sie ihm werth machen mussten. Daher findet man es keineswegs auffällig, dass in dem Masse, in welchem die Zahl der an Mrs. Dickens gerichteten Briefe abnahm, diejenigen an Miss Hogarth sich mehrten: während Dickens bis zum Jahre 1852 nur drei Briefe an seine Schwägerin und dreizehn an Mrs. Dickens richtete, schrieb er an erstere elf und an letztere drei in den Jahren 1853 bis 1856. Diese Zahlen sprechen dafür, »- !) F., 133. – 74 – dass zwischen Dickens und Miss Hogarth mit den Jah- ren eine wachsende Annäherung stattgefunden hat, aber es liegen in den vorhandenen Quellen keinerlei Beweise dafür vor, dass das Verhältniss beider zu einander jemals ein anderes gewesen sein könne als das, welches zwischen Agnes und David bis zu dessen Rückkehr vom Auslande besteht. Sicher ist jedoch, dass die Beziehungen zwischen Dickens und Miss Hogarth Anlass zum Gerede gaben!) und dass, als die ehe- liche Trennung eintrat, jenes Gerede von Lästerzungen zur Verbreitung von müssigen Gerüchten benutzt wurde, die schliess- lich auch zu Dickens' Ohren drangen. Die Folge hiervon war jene unglückliche Erklärung, welche in den «Household Words» vom 12. Juni 1858 erschien und durch welche Dickens alle jene üblen Nachreden als Lügen brandmarkte. Es hätte einer solchen Vertheidigung wahrlich nicht bedurft, weder für die Mitwelt noch für die Nachwelt: wer Dickens' Charakter, sei es durch seine Werke, sei es aus seiner Lebensgeschichte, nur einigermassen erfasst hat, wird jene Lästerreden mit ent- schiedener Entrüstung zurückweisen. Es ist aber nicht zu ver- Kennen, dass der Umstand, dass es Dickens der Mühe werth hielt, in dieser unseligen Angelegenheit das Wort zu ergreifen, vielmehr zur Verbreitung als zur Vernichtung jener Gerüchte beitragen musste. e « - - Abgesehen von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der gegen Dickens ausgestossenen Anschuldigungen, muss aller- dings zugegeben werden, dass Miss Hogarth's Stellung in Dickens' Haushalte vermuthlich eine derartige wurde, dass Mrs. Dickens' Ansehen in ihrem häuslichen Kreise darunter leiden musste und sie sich verletzt fühlen konnte. Dass es so kam und dass, schliesslich der vollständige Bruch zwischen den beiden Ehegatten eintrat, war unvermeidlich; nichts be- rechtigt jedoch zu dem Glauben, dass irgend eine der bethei- ligten Personen zu dem Ausgang absichtlich hingedrängt habe. Was Miss Hogarth betrifft, so hatte sie an der zwischen Char- les Dickens und Catherine Hogarth allmählich eintretenden Entfremdung sicherlich ebenso wenig direkte Schuld, als man Agnes anklagen kann, versucht zu haben, die zwischen David und Dora bestehende Kluft zu erweitern. *) Vgl. K., No. 54. VITA - Ich, Gustav Richard Bluhm, ev.-luth. Konfession, geboren zu Zittau am 27. Dezember 1853, besuchte von Ostern 1864 bis Ostern 1873 das Gymnasium daselbst, an welchem mein Vater als Lehrer der neueren Sprachen wirkte, Nach bestan- dener Reifeprüfung bezog ich die Universität Leipzig und hörte drei Semester die Vorlesungen der Herren Professoren AHRENS, BIEDERMANN, EBERT, HERMANN, PESCHEL, WÜLKER und ZARNCKE. Zu meiner weiteren Ausbildung ging ich Michaelis 1874 nach Manchester und später nach London, wo ich mich mehrere Semester an den philologischen Übungen des Herrn Professor HENRY MORLEY am University College be- theiligte. Nach dreijährigem Aufenthalt in England wandte ich mich nach Paris und besuchte dort das Collège de France und die Sorbonne. In Paris unterzog ich mich auch einer Lehrerprüfung und erlangte dadurch die facultas docendi für französische höhere Lehranstalten. Nach meiner Rückkehr aus Frankreich im Jahre 1880 hörte ich zunächst noch zwei Semester in Leipzig die Vorlesungen der Herren Professoren EBERT, HEINZE, MASIUS, WÜLKER und WUNDT, legte die Prüfung für das höhere Schulamt ab und bekleidete von Ostern 1881 an ein Lehramt an der Teichmannschen Schule zu Leipzig bis ich Ostern 1885 vom Kgl. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts an die Realschule zu Reichenbach i. V. berufen wurde. Ueb er Dr. Samuel Johnſon, ſein Leben und ſeine Werke. Inauguraldiſſertation VO!! K. Börner. –<><><><><><><><>– Lüdenſcheid, Buchdruckerei von W. Crone ir. Kleber Dr. Samuel Johnſon ſein Leben und ſeine Werke. Das außerordentliche Anſehen, welches Johnſon bis zu ſeinem Tode genoß, dauerte in unſerem Jahrhunderte lange ungeſchwächt fort. In England wurde er, abgeſehen von ſeinem affectirten, latiniſirenden Stile, noch immer als Auto- rität citirt (z. B. von Allan Cunningham und Byron); namentlich galt in Sachen des Geſchmackes ſein Ausſpruch als unfehlbares Geſetz. Eine richtigere Schätzung ſeiner Be- deutung brachte erſt Macaulay in einem Eſſay. Doch ſchildert dieſer nur die Grundzüge von Johnſons ſittlichem und intellec- tuellem Character, ohne durch genaues Eingehen auf ſeine wichtigſten Werke ſein im Ganzen richtiges Urtheil zu erhärten. Ueberdieß beſchränkt er ſich darauf, vorzugsweiſe die kunſt- richterlichen Anſichten Johnſons zu kritiſiren, und berührt kaum deſſen Leiſtungen als Gelehrter. Iſt ſo ſeine Würdi- gung Johnſons keine allſeitige und die einzelnen Schriften in Betracht ziehende, ſo läßt er ihm auch nicht immer Ge- rechtigkeit widerfahren; der frühere, übermäßige Ruhm Johnſons muß oft bei Macaulay einem zu herben Tadel weichen, und man kann ſich kaum des Eindrucks erwehren, daß der ſonſt in richtiger Erfaſſung entgegengeſetzter Parteirichtungen ſo un- befangene Blick des whiggiſtiſchen Autors dem zelotiſchen Tory gegenüber ſich getrübt hat, ſo daß ſelbſt die von der Politik nicht berührten Beſtrebungen Johnſons in zu ungünſtigem Lichte erſcheinen. Im Folgenden ſoll nun verſucht werden, neben einem kurzen Abriſſe von Johnſons äußerem Lebens- gange, im Anſchluſſe an ſeine Hauptſchriften ein Bild dieſes Schriftſtellers zu zeichnen. »- 4 Seine krankhafte Gemüthsart, die in ſeinem elterlichen Hauſe herrſchende Denkweiſe, die bedrängte Lage ſeiner Jugend und die in Folge derſelben mehrfach unterbrochene und un- genügend gebliebene Ausbildung ſeiner bedeutenden Geiſteskräfte übten auf ſeine Entwickelung einen für ſein ganzes Leben beſtimmenden Einfluß. Samuel Johnſon, geboren zu Lich- field am 18. September 1709, war der Sohn eines Buch- händlers. Des Vaters Beiſpiel und Einwirkung muß wohl ſeine ſtarke Anhänglichkeit an die Hochkirche und das Königthum zugeſchrieben werden. Samuel beſuchte bis zu ſeinem fünf- zehnten Jahre die Schule ſeiner Vaterſtadt und zeichnete ſich bald durch ein wunderbares Gedächtniß und ſchnelle Auffaſſung aus. Nachdem er dann noch ein Jahr auf der Schule zu Stourbridge weiter gebildet worden war, blieb er, durch die beſchränkten Mittel ſeines Vaters gezwungen, ohne beſtimmten Plan zwei Jahre zu Hauſe. Während dieſer Zeit beſchäftigte er ſich mit Lectüre. Das Geſchäft und die unkluge Nachſicht des Vaters nährten ſchon früh die Leſeſucht Samuels; er las zu viel, zu mancherlei und Alles in jener haſtigen Weiſe, die er ſich niemals abgewöhnte. 1728 bezog er die Univerſität Oxford; da es aber ſeinem männlichen Stolze widerſtrebte, Unterſtützungen nachzuſuchen, oſo lebte er in der drückendſten Noth und mußte nach zwei Jahren wegen Schulden nach Lichfield zurückkehren. Ohne ſichere Ausſicht, ſich eine eigene Exiſtenz zu gründen, wurde er in noch ſorgenvollere Lage ver- ſetzt durch den Tod ſeines Vaters, der 1731 Statt fand. Einige Monate war er Unterlehrer an der Schule zu Market- Bosworth, doch ſein reizbares Naturell und ſeine ungeregelte Lebensweiſe nöthigten ihn, dieſe Stellung aufzugeben. Er lebte dann in Birmingham bei einem Freunde und ſuchte ſeinen Unterhalt durch Schriftſtellerei zu verdienen. So überſetzte er Lobos Reiſe nach Abyſſinien aus dem Franzöſiſchen, ein Werk, welches ihn ſpäter veranlaſſen mochte, ſeinen Raſſelas zu ſchreiben. - - ſº W 5. *-*-"A-"-R-A"-T-A*--“N-“R- Durch ſeine Heirath mit einer Wittwe Porter in den Beſitz eines kleinen Vermögens gelangt, errichtete Johnſon in Birmingham eine Privaterziehungsanſtalt, es fanden ſich aber nur drei Schüler, unter ihnen Garrick. Nach anderthalb Jahren zog er mit Letzterem nach London um ſein Brod wieder mit der Feder zu gewinnen. Hier ſchrieb er Artikel für das von Edward Cave geleitete Gentleman's Magazine. Auch ſeine zu Lichfield begonnene Tragödie „Irene“ ward jetzt vollendet, fand aber keine Aufnahme auf dem Theater, bis ſie Garrick 1749 zur Aufführung brachte. Das Stück erntete nur geringen Beifall, weil es ihm an dramatiſchem Leben, än leidenſchaftlichem Pathos und Stärke der Characteri- ſtik gebrach. Weit bedeutender iſt ſein 1738 erſchienenes Gedicht „London“, eine gelungene Nachahmung einer Satire Juvenals, voll Kraft und edlen Eifers gegen Tyrannei, in der Form leider ſchwerfällig, pomphaft, antithetiſch und latini- ſirend. Ebenfalls eine Nachahmung von Juvenal iſt „The Wanity of Human Wishes“, die an denſelben ſtiliſtiſchen Mängeln leidet, aber ausgezeichnet iſt durch manche poetiſche Züge und die gedankenvolle, elegiſche Haltung des Ganzen. Im Jahre 1750 gründete Johnſon eine eigne Zeit- ſchrift mit dem ſonderbaren Namen „The Rambler“, die er bis 1752, wenig unterſtützt durch Beiträge Anderer, fortführte. Sie enthält moraliſche und religiöſe Abhandlungen, Kritiken und Erzählungen, und übertrifft an Gründlichkeit des Inhalts wie an ausgearbeiteter Form den „Idler“, den er von 1758 bis 1760 herausgab. Die Artikel ſind beachtenswerth durch ſcharfe Beobachtung, viele verſtändige Urtheile und einen ernſten, zuweilen erhabenen Ton; dagegen gelingt es Johnſon nicht in humoriſtiſcher Weiſe zu ſchreiben und Charaktere zu ſchildern und ſteht in dieſer Beziehung weit hinter Addiſon und Steele zurück, deren Wochenſchriften außerdem den Vorzug eines leichten, eleganten und einfachen Stiles beſitzen. . . . . . . . 6 Schon 1747 erſchien Johnſons Plan zu ſeinem eng- liſchen Wörterbuche. Letzteres, an welchem er mit geringer Unterſtützung durch andere Gelehrte ſieben Jahre arbeitete, kam 1755 mit einer Grammatik heraus. Er erhielt dafür 1575 Pfund und die glänzendſten Ehrenbezeigungen. Die Univerſität Oxford verlieh ihm den Titel eines Master of Arts, die franzöſiſche Academie und die Academia della Crusca überſandten ihm ihre Wörterbücher. Bis 1785 er- ſchienen nicht weniger als ſechs Auflagen dieſes Werkes, welches als ein Wunder von Gelehrſamkeit und Scharfſinn betrachtet wurde. Allerdings war es für eine einzelne Kraft ein großartiges Unternehmen, doppelt kühn zu nennen, wenn man den niedrigen Standpunkt der damaligen engliſchen Sprach- wiſſenſchaft bedenkt. Zudem hat das Buch unzweifelhaft einen Werth, wegen deſſen man es noch heut zu Tage mit Nutzen brauchen kann, nämlich durch die ſcharfſinnigen Defi- nitionen, mit welchen die verſchiedenen Bedeutungen jedes Worts richtig, kurz und faßlich entwickelt werden. Doch ſind die Mängel bei Weitem überwiegend; es iſt nicht zu hart, das Werk als in jeder anderen Hinſicht unwiſſenſchaftlich und werthlos zu bezeichnen. « Die engliſche Grammatik zunächſt, die dem Wörterbuche beigefügt iſt, gibt uns eine Vorſtellung von Johnſons Anſicht über das Engliſche überhaupt. Es iſt ſeiner Meinung nach nicht viel mehr als ein bloßes Aggregat von Worten. Er behandelt die Grammatik nach drei Theilen: orthography, etymology und syntax. Der erſte enthält die verſchiedene Ausſprache der Buchſtaben, aber ohne beſtimmte Regeln. So ſagt Johnſon z. B. einfach: „Before e and i the sound of g is uncertain“, da doch bekanntlich in allen franzöſiſchen und lateiniſchen Wörtern g vor e und i den soft sound, in den deutſchen den hard sound hat. Ueber die Ausſprache des s als hartes und weiches bringt er kaum eine Regel. Am Schluſſe dieſes Abſchnittes beſpricht er die einzelnen Verſuche, - - - - - - - - - . . . W " . 1 " . . º 7 F z , wº d s”-sº“ -sº-s"-º.-*-*-*-*ss-º.-K. die engliſche Orthographie zu verbeſſern und urtheilt darüber in einſichtsvoller Weiſe alſo: „Of these reformers some have endeavoured to accommodate orthography better to pro- nunciation, without considering that this is to measure by a shadow, to take that for a model or standard which is changing while they apply it. Others, less absurdly indeed, but with equal unlikelihood of success, have endeavoured to proportion the number of letters to that of sounds, that every sound may have its own character, and every character a single sound. Such would be the orthography of a new language to be formed by a synod of grammarians upon principles of science. But who can hope to prevail on nations to change their practice and make their old books useless? or what advantage would a new orthography procure equivalent to the confusion and perplexity of such an alteration?“ In dem zweiten Theile zeigt er eine große Unkenntniß der geſchichtlichen Entwickelung der engliſchen Sprache, obgleich er bei jeder Gelegenheit eine Ableitung aus dem Angelſächſiſchen zu geben verſucht. An einer Stelle macht er allerdings eine glückliche Bemerkung, indem er die herkömmliche Erklärung des ſächſiſchen Genitivs als entſtanden aus einer Contraction von his verwirft und auf die alte Genitivendung es hinweiſt. Doch dieſer verein- zelte Fall verſchwindet vor den zahlreichen Irrthümern. So hat er eine ganz falſche Vorſtellung vom Gebrauche von his für its, worüber weiter unten bei Johnſons Shakeſpearaus- gabe die Rede ſein wird. Für die Syntax genügen ihm zehn Zeilen, weil „our language has so little infection or variety of termination that its construction neither requires nor admits many rules.“ In das Kapitel der etymology hat er freilich ungehöriger Weiſe ſyntactiſche Bemerkungen eingemiſcht, aber durchaus unzureichende, wie: „Many words are used without an article“, als ob der Gebrauch deſſelben willkürlich wäre. d -, “ , . . . v. " - " . . , 8 - Die Auswahl der im Wörterbuche citirten Autoren iſt ſehr mangelhaft. Aus früheren Jahrhunderten fehlen Greene, Marlowe, Ford, Maſſinger, aus dem achtzehnten die großen Romanſchriftſteller und Meiſter der Sprache Fielding, Smollet, Sterne, die man gern anſtatt eines Shenſtone, Garth, Philips, Quincy oder der eignen Werke Johnſons, wie des Idler und der Irene angezogen zu ſehen wünſchte. Annähernde Voll- ſtändigkeit konnte ſchon deshalb nicht erreicht werden; aber man vermißt auch eine außerordentliche Menge von Wörtern, die in den von Johnſon benutzten Werken vorkommen. Von Wörtern, die Chaucer hat, fehlen z. B. swough, yerde, tackel, nightertale, halse, to hange, malefice, morter, nowel, pilch, piller, piment, to pure, ragery, roin; aus Shakeſpears Wörterſchatze ſind hinzuzufügen tundisch, ming, tersel, to skout, quat, goss, to swound, weird, wordless, Weyward, darkhouse, dearn, fairylike, to feat, fishlike, flapjack, Flemish, glaive, guardant, guildhall, to gust U. a. Am zahlreichſten vertreten ſind die wiſſenſchaftlichen Ausdrücke; das bürgerliche, geſellſchaftliche und geſchäftliche Leben iſt viel weniger berück- ſichtigt, wie namentlich die Zuſammenſetzungen (z. B. von wash, water, wax) zeigen. Ebenſo arm iſt der Vorrath an Phraſen, beſonders volksthümlichen. Im Zuſammenhange mit John- ſons nur oberflächlicher - und lückenhafter Bekanntſchaft mit den älteren Schriftſtellern ſteht die ungewöhnliche Fehlerhaftig- keit in der Etymologie; ſeine Ableitungen zeigen wie eine dürftige Kenntniß der Natur der Sprachen im Allgemeinen, ſo insbeſondere eine ſehr ungenaue Erforſchung der Geſchichte der engliſchen. Häufig ſucht man vergeblich die Angabe irgend einer früheren Geſtalt eines Wortes; ſo bei knoll (ags. cnoll), welaway (ags, välává, Alfred wei la wei), bound (welches Johnſon a word of doubtful etymology nennt), gun (ags. gyn), hearth (ags. heorth), low (ags. laege), merry (ags. mirig); to challenge (altfrz. calengier, lat. calumniare), to gull (altfrz. guiller), mischief (altfrz. 9. meschef) u. a. Seine Ableitungen aus dem Angelſächſiſchen ſind ſehr unzuverläſſig; ſo gibt er für to abide, aware, to bellow, bright, bitch, to mar, hall folgende angeblich angel- ſächſiſche Wörter: aubidian, gevaran, bellan, beort, bitge, amyrran, hal, anſtatt ábidan, gevarian, bulgian (bylgean), beorht, bicce, mearrian, heal, ja ſogar wird to blow auf blasan (für blävan) zurückgeführt. Er ſtellt with mit dem ags. vith und dem deutſchen „mit“ zuſammen, als ob das ags. vith ſo viel wie „mit“ bedeutet hätte. Häufig geht er nur bis zum Altengliſchen zurück (ſ. z. B. whoop, ags. hveop). Ja, ſehr oft begnügt er ſich ein neuhochdeutſches, isländiſches, holländiſchess oder lateiniſches Wort zu citiren, wenn das angelſächſiſche vorhanden iſt; ſo bei knob, balk, ban, to build, to miss, brick, kitchen, ape, band, bolt, to brew, to cool, green, haven, to borrow, brim, to take, long, meager, mellow, war, mite, beaver, rat, beer, dart, pearl, to bruise U. a. Die oberflächlichſte Aehnlichkeit verleitet ihn namentlich neu- hochdeutſche Wörter zum Vergleiche heranzuziehen und z. B. guilt, to kindle, to answer, to cry, hither, not, to toss, to wait neben „Schuld, zünden, antworten, ſchreien, hierher, nicht, ſtoßen, warten“ zu ſtellen, Beweiſe genug, wie wenig er ſich mit der Lautlehre vertraut gemacht hatte. Das Stärkſte aber leiſtet Johnſon, indem er to beg mit „be- gehren“ vergleicht. Nicht minder ſchwach iſt ſeine Kenntniß der dem Franzöſiſchen entlehnten Wörter. Sehr ſelten nimmt er das Altfranzöſiſche zu Hülfe, geſchweige daß er bis auf das Lateiniſche zurückgreift. Entweder leitet er ſolche Wörter aus dem Italieniſchen ab, wie riot, to affy, to annoy, caitiff (altfrz. riote, afier, anoier, caitif), oder er ſetzt ein neufran- zöſiſches Wort, wie bei to arrest, to attain, conquest, damage, delight, to discourage, to discover, emprise, to escape, to establish, stage, to hasten, pasture, court, tense (altfrz. arrester, ataindre, conquest, damage, delit, descoragier, descouvrir, emprise, escaper, establir, estage, haster, pasture, tans, court). sº 10 - Johnſon hatte während der langen Zeit, die er ſeinem Wörterbuche widmete, das ihm zugeſicherte Honorar ſchon verbraucht und befand ſich wieder in drückender Lage. Dazu traf ihn bald ein harter Schlag durch den Tod ſeiner innigſt geliebten Mutter im Jahre 1759. Um die Begräbnißkoſten zu beſtreiten, verfaßte er in ſehr kurzer Zeit den kleinen, didactiſchen Roman „Rasselas“. Seine Tendenz iſt zu zeigen, daß keine Lage des Lebens ein vollkommenes Glück gewährt, Der einzige Werth des Werkes beruht auf den darin vorge- tragenen Anſichten über Moral, Religion, Politik, Wiſſenſchaft und geſellſchaftliches Leben, und dieſe ſind zwar meiſt richtig, ermangeln aber der Tiefe und werden oft geradezu trivial; ſelbſt dem Lächerlichen bleiben einige nicht fern. Im zehnten Kapitel, welches ſonſt eine Fülle wahrer und feiner Bemer- kungen über Poeſie enthält, fordert Imlac, daß der Dichter zu ſeinem Berufe mancherlei Wiſſenſchaften, ſogar Mineralogie und Meteorologie ſtudiere. Die Einkleidung iſt abſurd. Die beſprochenen Stände werden nur durch ungenügend motivirte, oft plötzliche Uebergänge an einander gereiht, faſt ausſchließ- lich von ihrer Schattenſeite vorgeführt und von dem uner- fahrenen Prinzen und ſeiner Schweſter in abſprechender Weiſe beurtheilt. Raſſelas predigt jungen Leuten über den rechten Gebrauch der Jugendzeit (Kap. 17) und redet wie ein gereifter Politiker über Staatsregierung (Kap. 27); Nekayah ſpricht in ſalbungsvollem Tone über Ehe und das Verhältniß der Kinder zu den Eltern (Kap. 29), ſie, die eben dort naiv erklärt: „What reason cannot collect and what experiment has not yet taught, can be known only from - the reports of others.“ Wie ſich nun die auf der Reiſe gemachten wirklichen oder eingebildeten Erfahrungen ſpäter praktiſch bewährten, hören wir nicht; denn das Werk bricht mit der Rückkehr nach Abyſſinien plötzlich äb. Eine mit ſpannendem Intereſſe ſich entwickelnde Handlung, einen künſt- leriſchen Plan, eine lebensvolle, wohl durchgeführte Charakte- .… riſtik der Perſonen ſucht man vergeblich. Die weiblichen Charaktere ſind wahre Unnaturen. Der Stil iſt nichts weniger als epiſch, ſondern bald trocken lehrhaft, bald ſchwülſtig, Beſſere Ausſichten eröffneten ſich Johnſon mit der Thronbeſteigung Georgs des Dritten, dem er als trefflicher Gelehrter empfohlen wurde. Bald erwirkte ihm ſeine Bekannt- ſchaft mit Lord Bute eine jährliche Penſion von 300 Pfund. Dadurch in eine ſorgenloſere Lage verſetzt konnte er ſich un- geſtört ſeinem zweiten größeren Unternehmen widmen, nämlich einer neuen Ausgabe von Shakeſpears Werken. Schon im Jahre 1745 hatte er „Miscellaneous Observations on the Tragedy of Macbeth“ veröffentlicht und darin die Nothwen- digkeit einer beſſeren Ausgabe dieſer Werke dargethan. 1756 begann er die Ausführung des großen Planes. Doch erſt nach vielen Unterbrechungen der Arbeit, zu welcher ihm die nöthige Geduld fehlte, kam das Werk endlich im Jahre 1765 mit Noten und einer Vorrede heraus. «- Dieſe in England ſehr hochgeſchätzte Vorrede hat vielleicht ein größeres Verdienſt als die Ausgabe ſelbſt, und ſie unter- liegt wenigſtens zum Theil nicht dem von Macaulay über Johnſons Bemerkungen zu Shakeſpear gefällten, wegwerfenden Urtheile. Darin will er „inquire, by what peculiarities of excellence Shakespear has gained and kept the favour of his countrymen.“ Im Ganzen zeigt die Abhandlung eine gewiſſe Pietät vor Shakeſpears Genius, und im Verlaufe ſeiner leider nicht vom Beſten geordneten Gedanken über dramatiſche Kunſt begegnen wir manchem vortrefflichen Ausſpruche*) So vertheidigt er den Dichter mit vielem *) Es verdient bemerkt zu werden, wie ſeine Urtheile mitunter faſt wörtlich mit denjenigen der drei Jahre ſpäter erſchienenen Ham- burgiſchen Dramaturgie übereinſtimmen. Z. B. „His (Shakespear's) scenes are occupied only by men who act and speak as the reader thinks that he should himself have spoken or acted on the same occasion.“ Leſſing Dramaturgie Nr. 75: „Der Dichter muß die 2- Geſchicke und ſcharfem Witze gegen den Vorwurf der Ver- nachläſſigung der Einheiten von Ort und Zeit, „which give more trouble to the poet than pleasure to the auditor“, und zeigt, daß die Einheit der Handlung allein nöthig und von Shakeſpear beobachtet wird. Dieß muß um ſo mehr anerkannt werden, als damals allgemein jene zwei Einheiten für unbeſtreitbar erforderlich angeſehen und in Dramen, wie dem für muſtergültig gehaltenen Cato Addiſons, mit ängſtlicher Strenge befolgt wurden. Mit warmer Beredſamkeit rühmt er Shakeſpears vollendete Menſchenkenntniß, die Fülle der wirkenden Leidenſchaften, die Treue, Beſtimmtheit und Leben- digkeit ſeiner Charakterzeichnung. Den Tadel, den man an Shakeſpears Vermiſchung des Tragiſchen und Komiſchen fand, weiſt er mit guten Gründen zurück. Und doch hatte Johnſon den großen Dichter nicht tief verſtanden, ja er glaubt ihn als ein Schüler Popes ſchulmeiſtern zu können. Seiner Meinung nach war Shakeſpear ein bloßes Naturgenie, welches ſich nur zu oft von ſeiner reichen und mächtigen Phantaſie hinreißen ließ. Seine wunderbare Kunſteinſicht, die innige Beziehung der Theile zu einander und zum Ganzen des Stückes, die gleichſam nach Naturgeſetzen mit ſtrenger Moti- virung ſich geſtaltende Handlung ſind Johnſons Augen ver- borgen. Das eigentlich poetiſche Element eines Dramas zu erfaſſen gebrach es ihm an feinem Gefühl; er legt immer das Hauptgewicht auf die reiche Belehrung, welche man aus Shakeſpear ſchöpfen kann, und zwar nimmt er dieſe in ſehr gewöhnlichem Sinne. Das Sentenzenmäßige zieht ihn an. Daß die Poeſie gefallen müſſe, erkennt er zwar an, drückt es Perſenen vollkommen ſo denken und handeln laſſen, als wir in ihren Umſtänden würden gedacht und gehandelt haben.“ „The reflection that strikes the heart of the spectator is, that there are evils to which we ourselves may be exposed.“ Nr. 75: „Die tragiſche Furcht iſt die, daß die Unglücksfälle, die wir über die Perſonen verhängt ſehen, uns ſelbſt treffen können.“ M - 13 \ aber falſch aus, mit den Worten: „The end of poetry is to instruct by pleasing.“ Wie ſeine Auffaſſung im Ganzen mangelhaft iſt, ſo wechſeln im Einzelnen richtige Anſichten mit einer Menge einſeitiger, verkehrter und zuweilen lächer- licher. So zieht er die Komödien den Tragödien Shakeſpears vor, da er in dieſen oft ſchriebe „with great appearance of toil and study“; ja er geht bis zu der Behauptung: „In his tragic scenes there is always something wanting.“ Er rühmt daß „a character in the writings of Shakespear is commonly a species“, und daß „his characters are not mo- dified by the peculiarities of studies and professions,“ Und nimmt mit dieſen Sätzen ſein eignes Lob der Naturwahrheit jener Charaktere ſich ſelbſt widerſprechend zurück. Eine Species kann von einem Dichter nicht zu leibhaftiger Geſtalt erhoben werden; ſoll uns ein Charakter mit der Macht der Wahrheit ergreifen, ſo darf der Dichter nicht eine todte Abſtraction ver- körpern wollen; Jeder iſt ein Menſch mit individuellen Eigen- ſchaften und geht nicht in eine oder mehrere allgemeine Leiden- ſchaften auf. Othello iſt nicht der Eiferſüchtige überhaupt, ſondern ein Eiferſüchtiger. Darin eben beſteht die unüber- treffliche Kunſt der Charakterzeichnung dieſes Dramatikers, daß er bei der vollſtändigſten Entfaltung der individuellen Züge doch die allgemein menſchliche Natur ſo klar hervor- treten läßt. k - Wie geſchmacklos Johnſon über einzelne Stücke urtheilt, mögen einige ſeiner Bemerkungen über König Johann bezeugen. Er ſagt zu III, 4: „It was necessary that Constance should be interrupted, because a passion so violent cannot be borne long. I wish the following speech had been equally happy; but they only serve to show how difficult it is to maintain the pathetick long.“ Er ſcheint gar nicht zu fühlen, wie ſchön der Dichter in Conſtanze den Wechſel der Gefühle ſchildert, daß es ganz natürlich iſt, wie ihr Mutterherz aus der heftigſten Wallung des Zornes zu den ergreifenden elegiſchen 14 Klagen übergeht. Gerade weil in Wirklichkeit eine ſo mächtige Gemüthserregung nicht lange in gleicher Stärke den Menſchen bewegt, weil die ſchwere Donnerwolke ſich in Regen auflöſen muß, darf der Dichter, der wahr ſein will, das Pathetiſche nicht lange durchführen. Sein verzärtelter, verſchrobener Geſchmack zeigt ſich in der Note zu IV, 2, wo Pembroke ſagt: „And when it (the king's passion) breaks, I fear, will - »- issue thence The foul corruption of a sweet child's death.“ Dieß nennt er „an indelicate metaphor taken from an imposthumated tumour.“ Paßt nicht der Vergleich vortrefflich eben auf Johann, deſſen Gemüth immer mehr eiternder Fäul- niß anheimfällt? An dem ganzen Drama findet Johnſon nur intereſſant, „that this tragedy, though not written with the utmost power of Shakespear, is varied with a very pleasing interchange of incidents and characters. The lady's grief is very affecting; and the character of the Bastard contains that mixture of greatness and levity which this author delighted to exhibit.“ Erkannte er nicht die ſchöne Gruppi- rung und lichtvolle Ueberſicht der vielen „incidents“, und iſt etwa Johanns Charakter weniger kunſtvoll gezeichnet? Auch die Texteskritik iſt äußerſt ſchwach. Einige glück- liche Verbeſſerungen hat Johnſon allerdings; z. B. Love's Labour Lost III, 1 senior – junior für das unverſtändliche signior Junio; Macbéth I, 1 quarrel für quarry; King John III, 1 new and trimmed bride für new untrimmed bride. Macbeth V, 4 erklärt er richtig vantage mit advantage d. h. opportunity of fiying, Und zu King Henry IV, 1 Part. II, 1 vermuthet er ſinnreich, Gadſhill habe „great oneyers“ ſcherz- haft gebildet aus great ones. Doch ſind dieſe Fälle ſehr ſelten, und meiſt verdankt er ſie ſeinem Mitarbeiter Steevens; ihm ſelbſt gebrach es zu ſehr an feinem Gefühle und kritiſchen Talente. Oft übergeht er wirkliche Schwierigkeiten, wie travailing lamp (Macbeth II, 4), a chased lion (King John « . - - " - z "Rºss-Smas”--*------------ Rºssº III, 1), connected sail (King John III, 4). Unzählig ſind die falſchen „Verbeſſerungen“, in denen er willkürlich den guten Sinn der Folioausgabe ändert, theils weil er ihn nicht ver- ſteht, theils weil er eine inhaltloſere Bedeutung vorzieht. Folgende Stellen mögen als Beiſpiele dienen. King Lear IV, 1 ſagt Edgar: - . f „Yet better thus, and known to be contemn’d, Than still contemn'd and flatter'd“. ga Der Sinn iſt klar: „Es iſt beſſer, daß ich weiß, ich werde verachtet, als von Schmeichlern umgeben zu ſein, die mich ohne mein Wiſſen verachten.“ Hier ſetzt Johnſon unknown. In King Henry VI, 1 Part, I, 1 fügt er will- kürlich in Bedfords Rede Berenice nach or bright hinzu. Jn Macbeth I, 2: „So should he look that seems to speak things strange“ ändert er seems in teems, weil Roſſe noch nichts geſagt habe. Abgeſehen davon, daß man Lenox den Roſſe als im lebhaften Geſpräche mit Angus kommen ſehend ſich denken kann, braucht man in seems nur ein gewöhnliches Beiſpiel von Shakeſpears Prägnanz des Ausdruckes (für seems about to speak) anzunehmen. Aehnlich iſt der Satz Macbeth I, 5: „the golden round » Which fate and metaphysical aid doth seem To have thee crown'd withal“, zu erklären, wo Johnſon seek vermuthet. Macbeth I, 6: «. d „I teach you How you shall bid God yield (d. h. reward you) - us for your pains;“ ü Johnſon lieſt shield, wovon yield wohl „a corrupted con- traction“ ſei! - * 16 Macbeth I, 7: „If the assassination Could trammel up the consequence and catch With his surcease success;“ his, meint er, ſei ein Schnitzer (für its), während doch bekanntlich ältere Schriftſteller oft noch his als alten Genitiv von hit (dem Neutrum) gebrauchen; ja die Bibelüberſetzung kennt its gar nicht, und ſogar Milton noch hat es nur einmal. Macbeth I, 7: M - „Wouldst thou have that Which thou esteemst the ornament of life And live a coward in thine own esteem.“ Johnſon ſetzt or live, da and keinen Sinn gäbe! Macbeth V, 4: - „We learn no other' but the confident tyrant Keeps still in Dunsinane.“ - Hier zieht Johnſon den matteren Ausdruck confined vor. Nicht ſelten gibt er überflüßige Erklärungen. Macbeth I, 2: - »- „Whence comfort seem'd to come, Discomfort swells“; Johnſon: „Discomfort - the natural opposite to comfort.“ „The golden round“ (Macbeth I, 5) belehrt er uns „is the diadem“. Macbeth I, 5: „Take my milk for gall“; Johnſon: „Take my milk away and put gall into the place.“ Macbeths Frage an die Hexen (I, 3): „Are ye aught that man may question?“ wird auf folgende weitſchweifige Weiſe umſchrieben: „Are ye any beings with which man is permitted to hold con- verse, or of whom it is lawful to ask questions ?“ Dieſe Beiſpiele ſind abſichtlich meiſt aus einem Stücke gewählt, um Johnſons Texteskritik und Erklärungsweiſe zu 17 charakteriſiren; in den andern Dramen ſind ſie nicht beſſer. Wo die oberflächlichſte Aufmerkſamkeit oder die nüchterne Plattheit einen Anſtoß findet, iſt Johnſon gleich mit eigen- mächtigen Zuthaten oder Aenderungen bei der Hand. Er hat ſich nicht in Shakeſpears Ausdrucksweiſe hineingelebt, namentlich ſind ihm ſeine grammatiſchen Eigenthümlichkeiten fremd und werden als gross blunders behandelt. Vor der Folioausgabe hat er zu geringe Achtung; ſie zeigt ſich auch darin, daß er die modernen Bühnenanweiſungen ſtillſchweigend anerkennt, ohne an die Einfachheit des Shakeſpeariſchen Theaters zu denken. Die ganze Ausgabe wirkte ſchädlich. Bei dem großen Anſehen, in welchem Johnſon in England ſtand und zum Theil noch ſteht, verſtärkte ſie die irrigen Anſichten über Shakeſpears Werke, wie er auch durch das Gewicht ſeiner Autorität den Glauben an die fabelhaften Berichte über das Leben des Dichters („the needy adventurer“ nennt er ihn) befeſtigte. ºf Auf der Höhe ſeines Ruhmes ſtehend kam Johnſon nun in Berührung mit einer Fülle von bedeutenden Männern. Im Jahre 1764 wurde der Literary Clubb gebildet, welcher wöchentlich einmal zuſammenkam. Seine hervorragendſten Mit- glieder waren der Maler Sir Joſuah Reynolds, Edmund Burke, Goldſmith, Garrick, Adam Smith, Sheridan, Gibbon, Joſeph Warton. Johnſon wurde bald nach ſeiner Gründung aufgenommen und fand hier viele Gelegenheit durch ſeine Gelehrſamkeit zu glänzen, aber auch durch ſcharfen Witz und unmanierliche Angriffe oft zu verletzen. Daß der Umgang mit ſo vielen und ſo verſchiedenartigen Talenten einen wohl- thätigen Einfluß auf ſeine einſeitige, überwiegend autodi- dactiſche Bildung ausgeübt habe, läßt ſich nicht nachweiſen; auch abgeſehen von ſeinem vorgerückten Alter geſtattete ſeine geringe Fähigkeit, von ihm ſehr verſchiedene Naturen unbefangen zu wür- digen, ſeine ſtark ausgeprägte Eigenart und ſein hohes Selbſt- gefühl kaum heilſame Wirkungen auf ſeine fernere Entwickelung. W 18 Sein äußeres Leben verfloß ſehr gleichförmig; er blieb bis 1773, kurze Ausflüge in die Umgegend abgerechnet, immer in London, hochgeehrt in der Nähe und Ferne. 1769 zollte der König ihm eine neue Anerkennung durch ſeine Ernennung zum Profeſſor der alten Literatur an der kurz vorher errich- teten Royal Academy of Arts in London. Seine literariſche Thätigkeit bis 1773 beſchränkte ſich weſentlich auf eine ver- beſſerte Ausgabe ſeines Wörterbuches, von welchem 1773 die vierte erſchien, und ſeines Shakeſpear, die Steevens wieder veröffentlichte. Wie es Johnſon ſchwer wurde, fremder Eigenthümlich- keit bei einzelnen Perſonen gerecht zu werden, ſo hegte er auch eine unwiſſende Verachtung anderer Völker, vor Allem der ihm verhaßten Schotten. Dieſe ſollte einer freieren Auf- faſſung weichen, als ſeine gewohnte Lebensweiſe eine Unter- brechung erlitt durch eine Reiſe, die er 1773 von Boswell begleitet nach Schottland und den Hebriden unternahm. Frei- lich nur auf kurze Zeit; als die erſten Eindrücke geſchwunden waren, beharrte er mit der ihm eigenen Zähigkeit in ſeinen Vorurtheilen. Die Frucht dieſer Reiſe war „A Journey to the Western Islands“, eine Schrift, bei deren Beurthei- lung wir nicht Macaulays Tadel beiſtimmen können. Es iſt vielleicht ſein beſtes Werk, ſo fließend und gefällig geſchrieben, wie es nur Johnſons Gewöhnung an bombaſtiſchen Stil überhaupt erlaubte. Treffliche Schilderungen der Natur, der Erwerbsquellen, der Sitten, bürgerlichen Einrichtungen, der Volksbildung, eine erſchöpfende Darlegung des Einfluſſes der Lage und Natur der Inſeln auf den Charakter der Bewohner, richtige und zuweilen tiefe allgemeine Betrachtungen wechſeln mit lebensvollen Erzählungen von den alten Häuptlingen, ihren Fehden und Sagen. Wohl fehlt es nicht an Ausfällen auf die Schotten, die es oft von ihm hören müſſen, daß ſie ihre geringe Kultur England verdankten; doch ſind dieſe in harmloſem, humoriſtiſchem Tone gehalten, und laſſen ihm Raum zu 19 aufrichtigen Klagen über des Volkes Entwaffnung nach der Schlacht bei Culloden und über die durch harte Regierungs- maßregeln hervorgerufene traurige Lage der Hochländer, welche Viele auszuwandern nöthigte. Dieſe Schrift gab zugleich Veranlaſſung zu einem Streite mit Macpherſon. Ueber deſſen Oſſian waren ſchon unmittelbar nach ſeinem Erſcheinen die Anſichten getheilt. Gewichtige Stimmen erklärten ſich für ſeine Aechtheit. John- ſon war einer der Erſten, die ſich dagegen erhoben und das Ganze als Betrug bezeichneten. Man kann hier Macaulay nicht Recht geben, der alſo urtheilt: „The contempt which he felt for the trash of Macpherson was indeed just; but it was, we suspect (!), just by chance. He despised the Fingal for that very reason which led many men of genius to admire it. He despised it, not because it was essentially common-place, but because it had a superficial air of originality.“ Im Gegentheil verwarf ihn Johnſon, von ſeinem nüchternen Sinne geleitet, aus guten Gründen. Schon im Geſpräche hatte er jene Gedichte für unächt und werthlos erklärt, er nannte ſie „a tiresome repetition of the same images.“ Er fand es ganz unbegreiflich, „that a long poem was preverved among the inhabitants of the Highlands“; er ſah keinen Grund ein „to suppose that the inhabitants of the Highlands and the Hebrides ever wrote their native language.“ In der Reiſebeſchreibung nun behandelte er die Frage mit einer gründlichen Schärfe, die Bewunderung ver- dient, wenn man die Unvollkommenheit der damaligen geſchicht- lichen Studien über Oſians Zeit billig berückſichtigt; nur ſie machte Macpherſons dreiſtes Unternehmen möglich. Johnſon geht nur in ſeinem polemiſchen Eifer zu weit, indem er der Tradition alle Kraft, poetiſche Erzeugniſſe zu bewahren, gegen jede Erfahrung abſpricht. Durch die Kritik gereizt fand ſich Macpherſon bewogen, ihm einen unhöflichen Brief zu ſchreiben, den Johnſon in einer Zeitung gebührend 20 beantwortete. – Auch in dem unglücklichen Chatterton, deſſen Talent er hochſchätzte, erkannte er bald den Betrüger. Johnſons letztes größeres Werk war eine Reihe von Lebensbeſchreibungen engliſcher Dichter. In einem Geſpräche mit dem Könige dazu aufgefordert, ſchrieb er dieſe Biographien als Einleitungen zu einer von einem Buchhändler angekündigten Sammlung der „beſten“ engliſchen Dichter. Nach fünfjäh- rigen Studien gab er deren bis 1781 zwei und fünfzig unter dem Titel „Lives of the English Poets“ heraus. Er hatte die mannigfachſten Verbindungen angeknüpft, um Nachrichten über die Autoren zu erhalten, und mit dem löblichſten Fleiße und ſtrenger Wahrhaftigkeit das Material geſammelt. Es wäre zu wünſchen, daß er mit derſelben Umſicht Wichtiges von Unwichtigem geſondert hätte. Aber ſeine eitle Gelehr- ſamkeit muß jede Kleinigkeit treut berichten. Bei Milton und Andern verſäumt er nicht, jede Straße mit ihrer Lage anzu- geben, wo der Schriftſteller gewohnt hatte; er verbreitet ſich weitläufig über die Verwandten und Nachkommen; er gibt einen kleinlich ausführlichen Bericht über den Preis von Popes Homerüberſetzung und eine lange Geſchichte derſelben. Die Liſte der Dichternamen legt, im Vorbeigehen ſei es bemerkt, für den poetiſchen Geſchmack der Zeit ein trauriges Zeugniß ab. Die älteren Dichter fehlen ganz; außer einigen wirk- lichen Dichtern findet man eine große Zahl bloßer Versmacher, die von ihren Zeitgenoſſen hochgeſtellt wurden. Shenſtone ſteht neben Milton, Broome und Fenton neben Collins. Nicht minder tadelhaft iſt die Beurtheilung. Ganz von ſeinen Vorurtheilen beherrſcht, iſt es Johnſon nicht möglich, ſich der Betrachtung eines Dichterwerkes frei hinzugeben, es unbefangen auf ſich wirken zu laſſen und den Dichter aus ſeiner Zeit zu verſtehen. Dazu miſcht ſich häufig perſönliche Abneigung in ſeine Würdigung von Zeitgenoſſen. Im All- gemeinen iſt daher ſeine Auffaſſung faſt immer falſch, im 21 Einzelnen hat er viele richtige Anſichten. Die beſte Biographie iſt die von Cowley, welche eine treffliche Kritik der von Johnſon ſo genannten metaphyſiſchen Dichter enthält. Seine Einſeitig- keit gibt ſich beſonders im „Leben Miltons“ kund. Mit dem vollen Haſſe eines engherzigen politiſchen und kirchlichen Eiferers mißhandelt Johnſon dieſen großartigen Charakter. „Savageness of manners“ und „ostentation“ ſeinen Gegnern gegenüber ſind die ſchwächſten ſeiner herben, ungerechten Vor- würfe. Ohne eine Spur von Miltons Verſtändniß für Cromwells Stellung und Größe zu beſitzen, verdammt er Milton, weil „continuing to exercise his office under a manifest usurpation, he betrayed to his (Cromwell's) power that liberty which he had defended.“ Alſo eine charakterloſe Sclavenſeele wäre der Milton, über deſſen Republicanismus er an einer anderen Stelle alſo abſpricht: „It was, J am afraid, founded in an envious hatred of greatness, and a sullen desire of independence; in petulance impatient of control, and pride disdainful of superiority.“ Und wie er- klärt er dieſe vermeintliche Untreue gegen ſeine Principien? Er läßt ihn „change his party by his humour“ und nennt ihn deshalb „not less virtuous than he that changes it by his interest; he loves himself rather than truth“ Hat Jemand nach der Reſtauration zäher feſtgehalten an ſeinen politiſchen und religiöſen Ideen, als der arme, gefährdete Blinde, von dem Johnſon ſelbſt ſagt, daß er damals „bated not a jot?“ Kaum verhehlt er ſeine Freude unter angenom- menem Mitleide mit dem Looſe des greiſen Sängers; ja, er ſchreibt: „But of evil tongues for Milton to complain required impudence at least equal to his other powers.“ Nach Johnſon war Milton „one of those who could easily find arguments to justify inclination.“ Um ſein Bild noch mehr zu ſchwärzen, ſpricht er die Vermuthung aus, Milton habe „interpolated the book called Jcon Basilike by inserting a prayer taken from Sidney's „Arcadia“ and imputing it to 22 , the king“, und dieſe gehäſſige Anklage erhebt Johnſon ohne irgend einen Grund anzuführen. - Die Kritik von Miltons Werken iſt mehr tadelnd als anerkennend. Wohl begründet iſt ſein Lob von „L'Allegro“ und „II Penseroso“, die er two noble efforts of imagination nennt. Ebenſo läßt ſich, trotz der Schönheiten des „Lycidas“, nichts Erhebliches gegen ſeine Ausſtellungen an dieſem Ge- dichte einwenden. Wenn er ſagt: „It is not to be considered as the effusion of real passion; for passion runs not for remote allusions . . . . . Where there is leisure for fiction, their is little grief“, ſo erinnert man ſich an Schillers über- einſtimmendes Urtheil über ein Gedicht Matthiſons: „Iſt das Herz des Dichters ganz bei ſeinem Gegenſtande, ſo kann er ſich unmöglich davon reißen, um ſich bald auf den Aetna, bald nach Tibur, bald nach dem Golf von Neapel u. ſ. w. zu verſetzen.“ Dagegen zeigt Johnſon für die gedankenſchweren, in ihrer Einfachheit ſo edlen Sonette kein Verſtändniß; „of the best it is only to be said that they are not bad, and perhaps only the eighth and twenty first are truly entitled to this slender commendation.“ Der kunſtvoll durchgeführte Plan von „Paradise Lost“ findet an Johnſon einen begei- ſterten Lobredner; „in this part Milton must be confessed to have equalled every other poet; . . . . . every part appears to be necessary.“ Ebenſo verkennt er nicht den großartigen, erhabenen Geiſt, der das Ganze durchweht. Aber der behandelte Gegenſtand ſcheint ihm des rechten menſchlichen Intereſſes zu ermangeln; „its truths are too important to be new; they have been taught to our infancy; they have mingled with our solitary thoughts and familiar conversations. - sº d a Being therefore not new, they cannot surprise.“ Alſo bloß weil er nicht überraſche, erkennt Johnſon einem Stoffe, welchen er ſelbſt als ſo bedeutſam für uns hinſtellt, komiſcher Weiſe die Fähigkeit ab, wahre Theilnahme zu wecken, und widerſpricht dabei geradezu ſeinem eignen, kurz vorher 23 ausgeſprochenen Urtheile: „It is justly remarked by Addison, that this poem has, by the nature of its subject, the ad- vantage above all others, that it is universally and per- petually interesting.“ Den menſchlichen Characteren ertheilt er zwar das Lob, ſie ſeien beſtimmt abgegrenzt und folge- richtig durchgeführt, meint aber, Milton dürfe Adam nicht von Dingen ſprechen laſſen, die er noch nicht kannte. Der Dichter hat wohl gethan, ſeine Menſchen nicht nach dem wirk- lichen Umfange ihrer muthmaßlichen Kenntniſſe zu ſchildern, ſonſt hätte er ein zu dürftiges Bild geliefert, womit er ſeine Leſer beſſer verſchont hätte. Am meiſten gefällt Johnſon gerade dasjenige Element, deſſen zu ſtarkes Hervortreten den reinen Eindruck des Gedichtes ſo ſehr ſchwächt, die Lehrhaf- tigkeit, denn „epic poetry“ meint er, „undertakes to teach the most important truths by the most pleasing precepts.“ Das Dichteriſche iſt ihm nicht Selbſtzweck; er iſt zufrieden, wenn „allusions, images and descriptive epithets“ die Ge- danken „embellish.“ Den wundervollen originellen Stil Miltons nennt er „harsh and barbarous, a Babylonish dialect.“ Die Anwendung des blank verse in Paradise Lost verwirft Johnſon; „it seems to be a verse only to the eye.“ So wenig Ohr hat er für die Pracht, Schönheit und Mannigfaltigkeit der vom Dichter mit dem vollendetſten Fein- gefühl ausgebildeten Verſification. Man erwartet, daß John- ſon die laue Aufnahme von Paradise Lost auf die vielen Mängel zurückführt, welche er an dem Werke findet. Aber er ſucht die Urſache in Miltons Stellung zum Hofe und beſonders in der geringen Leſerzahl jener Zeit. Um letztere zu beweiſen, beruft er ſich darauf, „that the nation had been satisfied from 1623 to 1664 with only two editions of the works of Shakespear“; bedenkt Johnſon nicht, daß die Dramen ängſtlich als Theatereigenthum von den Schauſpielern behalten und überhaupt kaum als Literatur angeſehen wurden? Der geringe Beifall hatte andere Gründe. Zuerſt die Reimloſigkeit; 24 nur gereimte Gedichte waren jetzt beliebt; kam doch der Reim ſogar im Drama wieder auf. Dann der Inhalt; er mißfiel der beſiegten Parthei nicht weniger als der ſiegenden. Während die engherzigen Puritaner an der freien Behandlung bibliſcher Stoffe Anſtoß nahmen, waren der ſittliche Ernſt und der erhabene Gedankenflug des Gedichtes dem frivolen Geiſte der Hofparthei zuwider. Johnſons Vorliebe für das Moraliſiren, für äußeres Schmuckwerk und Knalleffecte, ſein geringes Verſtändniß für Einfalt und Wahrheit verleiden ihm auch Grays Gedichte, in deren Beurtheilung überdieß vielleicht perſönliche Eiferſucht mitwirkte. „The Bard promotes no truth, moral or political;“ dagegen rühmt er die Ode on Adversity wegen „its moral application.“ Er tadelt die Ode auf den Frühling, weil „the thoughts have nothing new“, und während er an der Ode auf Eton College ebenfalls rügt, daß ſie „suggests nothing which every beholder does not equally think and feel“, lobt er in ſeltſamem Widerſpruche damit an der Elegie on a Church-yard, daß „it abounds with sentiments to which every bosom returns an echo.“ Den Wohllaut von Grays Verſen kann er nicht empfinden; ſie klingen ihm „harsh“: Natürlich mußte, bei dieſem Maßſtabe für die Beur- theilung der Dichter, Thomſon in Johnſons Augen hoch ſtehen. Er erhebt ihn übermäßig; „the reader of „the Seasons“ wonders“, meint er, „that he never saw before what Thomson shows him; and that he never yet felt what Thomson impresses“. Gewiß lebte in Thomſon ein feines Gefühl für Naturſchönheiten; aber ſehr poetiſch ſind ſeine Schilderungen ſchon darum nicht, weil er ſich ſelten die Mühe gab, ſich in die Betrachtung der Natur zu verſenken, und die mangelnde Anſchauung durch Reflexion zu erſetzen ſuchte. Wie langweilig und ſchwach gar ſeine Gedanken über menſchliche Zuſtände, Hoffnungen, Freuden und Leiden, ſowie ſeine hiſtoriſchen Disgreſſionen ſind, entgeht Johnſon ganz 25 Dagegen rühmt er mit Recht die originelle, geſchickte und mannigfaltige Behandlung des blank verse. Ueber the Castle of Indolence, wo Thomſons Talent in ſeinem günſtigſten Lichte erſcheint, hat er nur die dürftigen Worte: „The first canto opens a scene oflazy luxury, that fills the imagination“. Johnſons Dichterideal iſt Pope. Unbedenklich hält er deſſen Homerüberſetzung für beſſer als das Original, und weit entfernt zu glauben, daß Popes glatte, hofmäßige Dar- ſtellung die edle Einfachheit und erhabene Schönheit deſſelben kaum erkennen läßt, nennt er die Popeſche Eleganz eine Be- reicherung Homers. „I suppose many readers of the English „Iliad“, when they have been touched with some unexpected beauty of the lighter kind, have tried to enjoy it in the original, where alas! it was not to be found.“ Die ächt poetiſche, kernige Ueberſetzung Chapmans auch nur flüchtig mit Popes Arbeit zu vergleichen, unterläßt Johnſon; wie konnte einen ſolchen Barbaren ein Kritiker der Erwähnung würdigen, der ſeiner Zeit das traurige Zeugniß ausſtellte, daß in Poeſie „mere nature would be endured no longer?“ Im Ganzen befriedigen dieſe Biographien ſelbſt beſcheidene Erwartungen nicht. Johnſon überſieht wichtige Momente, tadelt und lobt häufig ohne triftigen Grund. Doch hatten dieſe „Lives“ bei ihren vielen Mängeln und irrigen Grund- ſätzen das Verdienſt, die Gelehrten anzuregen, ihre Thätigkeit der bisher vernachläßigten Literaturgeſchichte zuzuwenden. Johnſon hatte ſich, wenn auch mit geringem Erfolge, bemüht, den Zuſammenhang der Schriftwerke mit den Erſcheinungen des öffentlichen und des Privatlebens nachzuweiſen; Warton ſuchte ſchon die Beziehungen der geſammten Entwickelung der engliſchen Literatur zur nationalen überhaupt geſchichtlich darzuſtellen. Mit den „Lives“ beſchloß Johnſon ſeine Schriftſteller- laufbahn. Zwar verfolgte ſein rüſtiger Geiſt bis ans Ende die literariſche Bewegung ſeiner Zeit mit ungeſchwächter Theilnahme, aber zunehmende Kränklichkeit, beſonders Anfälle 26 von Gicht und Schwerathmigkeit, hinderten ihn ferner productiv zu ſein. Er ſtarb am 13. November 1784; ſeine Leiche wurde in Weſtminſter-Abbey beigeſetzt. - Johnſons Charakter als Menſch und Schriftſteller iſt aus ſeiner beſonderen Naturanlage und den Verhältniſſen ſeiner Jugend leicht zu erklären. Von Kind auf nervös theilte ſich früh die körperliche Reizbarkeit ſeinem Gemüths- leben mit. Bei ſeinem unbeſtändigen, ſchweifenden Sinne zu geregelter Thätigkeit unfähig, wurde er durch die Noth zu vorübergehender, energiſcher Anſtrengung gezwungen. Mittellos nach London kommend, zu einer Zeit, wo ſchriftſtelleriſches Verdienſt ſich der Gunſt der Hohen nicht erfreute, litt er oft an dem Nothwendigſten Mangel und mußte literariſche Tage- / löhnerdienſte thun. Von Natur hatte er einen unbändigen Freiheitstrieb, einen feſten Muth erhalten, und die langen Entbehrungen und Mühen, unter denen er ſich emporarbeitete, machten ihn ſelbſt gegen die härteſten Erlebniſſe unempfindlich. Sein durch eine ſolche Vergangenheit geſteigertes Selbſtgefühl, dazu die hohe Meinung von ſeiner Gelehrſamkeit und ſeinen Geiſteskräften überſchritten häufig die Grenzen der Beſcheiden- heit und gaben ſeinem ſonſt ſo achtbaren Charakter einen Anſtrich von Anmaßung und Härte. Allein die ſchroffe Außenſeite diente nur dazu, ſeinen von den bitterſten Erfah- rungen unberührt gebliebenen, von Grund aus edlen Sinn deſto glänzender hervortreten zu laſſen. Für jedes ſchwere Geſchick hatte er das wärmſte Mitgefühl, und ſelbſt wenn ihn Armuth drückte, opferte er bereitwillig von ſeinen dürftigen Mitteln. So erfuhr Goldſmith wiederholte Beweiſe ſeiner hülfreichen Theilnahme. Niemand bewahrte andrerſeits em- pfangenen Wohlthaten ein dankbareres Gedächtniß als Johnſon. Aber weil er gegen geringere Widerwärtigkeiten ganz abge- ſtumpft war, ſo fühlte er nicht, wie leicht er in ſtolzer Selbſtüberſchätzung Andere von zarterer Empfindung kränkte. Niemand hatte in der Beziehung mehr von ihm zu leiden, - 4 –– d als der gutmüthige Goldſmith. Oft zeigte er in Geſellſchaft eine Nichtachtung vor ihm, als ob der liebenswürdige Dichter nicht zugegen wäre, oder er machte ihn zur Zielſcheibe der bitterſten, von ihm ſelbſt belachten Witze. In ſeinem Ur- theile kannte er keine Rückſicht der Schicklichkeit. Er hielt ſeine Meinungen für unfehlbar, und dieſe Eitelkeit wurde genährt durch das unmäßige Lob niedriger Schmeichler. Bei ſeinem hitzigen Temperamente konnte er keinen Widerſpruch leiden; fühlte er, daß der Gegner Recht hatte, ſo wurde er noch mehr erbittert, und der ungereizt ſtreng wahrheitsliebende Mann ſcheute ſich dann nicht, ſeinen ganzen Scharfſinn aufzubieten, um durch ſophiſtiſche Künſte über den Gegner den Sieg zu erringen. Wie ſein Charakter ein ſeltſames Gemiſch bedeutender Eigenſchaften mit ſtarken Mängeln bildet, ſo bietet ſeine Le- bensanſchauung einen nicht minder auffallenden Gegenſatz von großer Einſicht und kläglichen Vorurtheilen. Wohl beſaß er einen durchdringenden Verſtand und ſprach ſeine Urtheile mit vieler Beſtimmtheit aus; allein ſeine Gedanken waren auf einen engen Kreis beſchränkt, den zu überſchreiten ihn ſeine lächerliche Eitelkeit hinderte. Da er es verſchmähte, durch erweiterte Erfahrung ſeine Anſichten zu klären und zu berich- tigen, ſo äußerte er ſich mit unwiſſender und dünkelhafter Verachtung über jeden ihm ferner liegenden Gegenſtand, na- mentlich über Alles, was nicht engliſch war. Kaum befand er ſich einen Monat in Frankreich, ſo urtheilte er ſchon über die Franzoſen, in ſonderbarem Widerſpruch mit ſeiner Bemer- kung im Life of Milton: „At Rome and Florence he staid only two months, a time certainly too short for the con- templation of learning, policy, and manners.“ Geſchichte ſchien ihm ein ziemlich nutzloſes Studium; „there is only a shallow stream of thought in history“*); „great abilities are not requisite for an historian“*). Mit ganzer Seele *) J. Boswell: The Life of Samuel Johnson (London 1817), S. 332, 196. - 28 hing er an ſeinen Vorurtheilen, und ſeine Angriffe auf Andersdenkende in Bezug auf Religion, Politik und Wiſſen- ſchaften waren leidenſchaftlich heftig. Der erſte Whig war ihm the Devil.*) Ohne von den Urſachen ſeiner Abneigung ſich Rechenſchaft zu geben, haßte er fremde Völker, beſonders die Schotten und die Amerikaner. Mit Härte tadelte er die Verſäumniß unweſentlicher, kirchlicher Ceremonien. Selbſt der Glaube an Geſpenſter fand an ihm einen warmen Ver- theidiger.*) Innerhalb dieſer engen Grenzen aber entfaltete Johnſon einen ungemein energiſchen Geiſt. Obwohl aber- gläubig, war er nicht leichtgläubig. Mit ſcharfem Blicke prüfte er einen Bericht, ſichtete ſtreng die Facta und erkannte ſofort einen falſchen Schluß. Nie ließ ſich dieſer ſkeptiſche Verſtand von anſcheinend Merkwürdigem blenden, ſondern forſchte kühn dem natürlichen Zuſammenhange nach. Nichts Lächerliches entging ſeinem glänzenden, mühelos hervor- brechenden Witze. «. « Bei ſeiner von der früheſten Jugend an ihn beherrſchende Leſeſucht füllte Johnſon ſein außerordentlich ſtarkes und treues Gedächtniß mit einer unglaublichen Menge von Kenntniſſen. Allein der Gewinn war nur ſcheinbar ein bedeutender, ſein Geiſt zog wenig bildende Kraft aus dieſer Fülle. Denn einmal erlaubte ihm ſein heftiges, unruhiges Temperament nicht, bei einer Sache zu verharren und ſie gründlich zu erfaſſen, dann aber verleitete ihn auch ſeine Ruhmſucht ſeine Lectüre über die mannigfachſten Gegenſtände auszudehnen. Seine reichen und verſchiedenartigen Kenntniſſen waren daher oberflächlich und nicht zu einem innerlich zuſammenhängenden Ganzen ver- bunden; wie könnte man ſie anders von einem Autor erwarten, der, ſelbſt erklärte: „I have never persisted in any plan for two days together; a man ought to read just as inclination leads him.“*) Indem er ſeine Bildung faſt ausſchließlich aus Schriften ſchöpfte und aus dieſen nur entnahm, was *) Boswell 658. –*) Rasselas Kap. 31. –*) Boswell 199. 29 ſeiner Eigenthümlichkeit entſprach, machte er eine allſeitige Entwickelung ſeines Geiſtes unmöglich. Da er auf dieſem einſeitigen, planloſen Bildungsgange nie dazu kam, die Grund- anſchauungen, aus denen ſeine Anſichten erwuchſen, einer ernſt- lichen Prüfung zu unterwerfen, ſo gerieth er häufig in geraden Widerſpruch mit ſich ſelbſt. Zu den oben beſprochenen Bei- ſpielen aus ſeinen Werken fügen wir andere aus Boswell hinzu. Während er einmal ſagte: „It is a question whether a man's vices should be mentioned in his biography“, er- klärte er ein anderes Mal: „The Life of a man must be as he really was.“*) Jede Definition von Poeſie verwirft er; in ſeinem Life of Pope lieſt man: „To circumscribe poetry by a definition will only show the narrowness of the definer“; wie oft hat Johnſon eine ſolche Definition gegeben! Wenn wir hörten, wie geringſchätzig er vom Hiſtoriker dachte, ſo erſtaunen wir über die hohe Aufgabe, welche derſelbe Mann ihm im Raſſelas ſtellt. *) Es wäre ein Wunder, wenn ein ſolcher Schriftſteller trotz ſeiner Vielſeitigkeit in irgend einem Zweige der Literatur etwas Dauerndes geleiſtet hätte; das war ſchon bei der Flüchtigkeit, mit welcher er ſeine Arbeiten übereilte, unmöglich. Dennoch war er das Orakel ſeiner Zeit, namentlich als Kunſtrichter. Den höchſten Anforderungen, die er an einen Dichter ſtellte, ſah er durch Pope genügt, und ihn nahm er ſich auch in ſeinen eignen rhetoriſchen, kalten Gedichten zum Muſter. Nach ſeiner Meinung hat Shakeſpear nie „six lines without a fault“;*) dagegen iſt Pope der große Reformator der früheren „wilden“ Dichtkunſt, der ſie regelte, veredelte und ihr die bisher fehlende Anmuth, Schönheit und Eleganz ver- liehen habe. Auch als um Johnſon ein neues poetiſches Leben zu tagen begann, als die großen Romanſchreiber ihre Werke verfaßt hatten, originelle Dichter auftraten und Percy das Intereſſe für die alten Balladen durch ſeine Relics zu wecken *) Boswell 567. –*) Kap. 30. –*) Boswell 276. 30. ſuchte, beſſerte ſich ſein falſcher, verdorbener Geſchmack nicht. Von den Romanſchreibern ſchätzte Johnſon nur Richardſon, nicht aber wegen ſeiner poeſievollen Natur und ſeiner fein pſychologiſchen Charakterſchilderungen, ſondern wegen ſeiner moraliſchen Tendenzen. Fielding, dem er nicht einmal die Ehre eines Citates im Wörterbuche erwies, war ihm a block- head, a barren rascal*); Gray a dull fellow*). Die alten Balladen behandelte er als trash und verhöhnte diejenigen, welche den Geſchmack daran erregen wollten.*) Da ſein Anſehen unvergleichlich und feſt begründet war, ſo übte dieſes Verkennen wahrer Talente und ächter Poeſie einen üblen Einfluß auf die äſthetiſchen Anſichten ſeiner Zeitgenoſſen. Ebenſo ſchädlich wirkte im Ganzen ſein Stil. Eindring- lich, kräftig, würdig erhebt er ſich nicht ſelten zu lebensvoller Beredſamkeit. Dagegen laſſen ſich ihm Beſtimmtheit und Klarheit weniger nachrühmen, ſo ſehr auch Johnſon darnach ſtrebte; ſie mußten nothwendig unter den großen Mängeln ſeiner Schreibweiſe leiden. Zunächſt iſt es die Laſt der Worte, mit denen er den Sinn häufig verdunkelt. Johnſon ſelbſt fühlte dieſen Fehler: „I have too many words, and those, too, big ones.*) Ebenfalls zum Schaden der Deutlichkeit gereichte die ſeiner Verachtung der älteren Lite- raturzeiten entſprechende Vernachläſſigung der ächt ſächſiſchen und normanniſch-franzöſiſchen Wörter. Sie ſchienen ihm zu flach und zu gemein zu ſein, und er zog daher vor, ſeine Rede mit lateiniſchen Ausdrücken auszuſtaffiren. So gebraucht er diurnal für daily, appropriated für belonging, to preclude für to prevent, paucity für small number etc. Es trifft ihn ſelber, was er in ſeiner Vorrede zu Shakeſpear vom Stil ſagt: „The learned depart from established forms of speech, in hope of finding or making better; those who wish for distinction forsake the vulgar, where the vulgar is right.“ Im Geſpräche drückte er ſich natürlicher aus als in ſeinen Schriften, *) Boswell 321. –*) B. 400. –*) B. 342. –*) B. 577. 31 aber auch da bemühte er ſich die Volksſprache zu vermeiden. Als er einmal geſagt hatte: „This comedy has not wit enough to keep it sweet“, ſo glaubte er, zu populär ge- ſprochen zu haben und gab dem Gedanken folgende manierirte Faſſung: „It has not vitality enough to preserve it from putrefaction.“*) Schon bei Johnſons Lebzeiten wurde dieſe zwar auch bei Andren beliebte, aber erſt durch ihn bis zum lächerlichſten Extrem ausgebildete pomphafte, gezwungene Rede- weiſe oft angegriffen und karikirt. Auch die Conſtruction iſt mitunter unengliſch, namentlich finden ſich harte, dem Latei- niſchen nachgeahmte Inverſionen: z. B.: „Of the various conditions which the world spreads before you, which you shall prefer, said the sage, I am not able to instruct you.“*) Noch weniger verträgt ſich mit der Einfachheit des Stiles ſeine Vorliebe für gezierte Umſchreibungen; water-fowl z. B. dünkt ihm zu gemein, es heißt: „Every fowl whom nature had taught to dip the wing in water.“**) Dieſe Luſt an eitlem Flitter zeigt ſich ferner in dem beſtändigen Haſchen nach ſchmückenden Beiwörtern, die er in Einem Satze oft über Gebühr auf Koſten der Verſtändlichkeit häuft. Damit ſtimmt der Mißbrauch bildlicher Wendungen; man leſe z. B. wie breit er im Life of Milton den einfachen Gedanken ver- anſchaulicht, erhabene Stellen dürften in Paradise Lost mit weniger erhabenen wechſeln: „Dryden remarks that Milton has some flats among his elevations. That is only to say that all the parts are not equal . . . . A palace must have passages; a poem must have transitions. It is no more to be required that wit should always be blazing, than that the sun should always stand at noon. In a great work there is vicissitude of luminous and opaque parts, as there is in the world a succession of day and night. Milton, when he has expatiated in the sky, may be allowed *) Boswell 887. – *) Rasselas Kap. 46. – *) Rassclas Kap. 1. - - - . . . 32 sometimes to revisit the earth.“ Am meiſten eigenthümlich aber iſt ſeiner Schreibart der Gebrauch von Antitheſen; jede Seite ſeiner Werke liefert Proben davon. Allerdings ſtehen ſie häufig an paſſender Stelle, und dann drücken ſie dem Gedanken mit großer Schärfe, Kraft und Lebendigkeit aus. Weit öfter aber findet man ſie, wo in dem Sinne ſelbſt kein Gegenſatz liegt, nur darauf berechnet einen blendenden Eindruck zu machen. In der Regel bilden ſie Sentenzen, von denen ſeine Schriften überfüllt ſind. Ueberhaupt iſt Johnſons Stil vorwiegend lehrhaft, nie läßt er, ſogar in ſeinen Briefen, die Sache reden; daher die äußerſt ermüdende Eintönigkeit. Verſucht Johnſon verſchiedene Perſonen redend aufzuführen, wie in Raſſelas, ſo läßt er ſie alle ſprechen in demſelben zwar kräftigen und ernſt gemeſſenen, aber ſchwer- fälligen, epigrammatiſchen, pedantiſch gekünſtelten Stile. – TEXTGESCHICHTE VON TH0MS0NS SEAS0NS, z- am-m-mmam-m-sms==============s INAUGURAL-DissERTATION VERFASST UND DER PHILOSOPHISCHEN FACULTÄT DER VEREINIGTEN FRIEDRICHs-UNIVERSITÄT - HALLE –WITTENBERG ZUR ERLANGUNG DER DOCTOR WÜR DE VORGELEGT * V () N >> ºz/O- KARLABORCHARD AUS MALCHIN. HALLE, DRUCk voN E. KARRAs. 1883. HUGO GERING. Separatabdruck aus der Zeitschrift Anglia, band VI, heft 3. FRIDERICO REIMANN praeceptori suo pietatis causa hanc commentationem offerre voluit auctor. I. The Seasons vor dem Jahre 1730. Schon in früher jugend hatte Thomson sich in der dicht- kunst versucht. Als er die schule in Jedburgh besuchte, schrieb er häufig kleinere gedichte, die er einem geistlichen aus der nachbarschaft, dem Reverend Robert Riccaltoun , zur beurtei- lung vorlegte. Zwar sammelte er diese dichterischen erstlinge, aber am jahresschlusse pflegte er dieselben zu vernichten”, gleichgiltig, ob sie das lob oder den tadel des gestrengen Ric- caltoun erfahren hatten. Nur wenige von Thomson's gedichten aus dieser zeit sind uns daher erhalten. - Im jahre 1715 gieng er von Jedburgh nach Edinburgh, um sich für den geistlichen stand vorzubereiten. Hier nun sollte man bald den künftigen naturdichter in ihm erkennen. Als knabe hatte Thomson gelegenheit gehabt, sich an den naturschönheiten seiner heimat zu erfreuen, durch wiesen und wälder zu wandern, hügel und berge zu erklettern und den bächen und flüssen in ihrem laufe zu folgen. Nicht sonderbar ist es daher, dass der für die stets wechselnde landschaft be- geisterte jüngling in seinen gedichten mit vorliebe sich in bun- ter natur- und landschaftsmalerei ergieng. – In diese zeit ge- hören z. b. die gedichte On May, The Morning in the Country, Hymn to God's Ponyer etc. Auch auf der universität, in die er im jahre 1719 als “Student of Divinity' aufgenommen wurde, beschäftigte er sich neben seinen theologischen studien gerne mit der dicktkunst und suchte sogar beide mit einander zu vereinigen, so dass * Andere schreibungen sind: Riccarton (Murdoch), Rickerton (Cibber), Rickleton (Thomson), Riccaultoun (Allibone). »- * The Seasons, Edinburgh 1768. Memoir by Murdoch s. V. 1* 4 BORCHARD, ihn sein universitätslehrer, Mr. Hamilton, zuweilen ernstlich er- mahnte, seine arbeiten etwas weniger poetisch auszuschmücken und in ein mehr geistliches gewand einzukleiden (Murdoch s. VII). Während dieser zeit lieferte der junge Thomson einige bei- träge für “The Edinburgh Miscellany'. Das erste, 108 zeilen lange, gedicht “Of a Country Life', by a Student (T) in the Uni- versity, gibt in kurzen andeutungen gleichsam die disposition zu den Seasons. In anziehender weise schildert der junge dich- ter die ländlichen vergnügungen, die er den clamours of the smoky tonn' gegenüberstellt, und gedenkt dabei, allerdings nur in wenigen versen, der einzelnen jahreszeiten: frühling 20, sommer 23, herbst 25 und winter 16 zeilen. Die universitätslehrer Thomson's merkten bald, dass dem jungen Student of Divinity' die dichtkunst mehr zusagte als das theologische studium; und Mr. Hamilton selbst, wie Mur- doch behauptet, munterte seinen schüler auf, an dem vorsatze, ein dichter zu werden, fest zu halten. Vor allen aber war es Robert Riccaltoun, der Thomson mit väterlichem rate zur seite stand. Derselbe schreibt im jahre 1759, 30. April?, in betreff eines jungen mannes, der sich in ähnlicher lage befand wie Thomson während seiner universitätszeit: “I looked over the spe- cimens you sent me of his poetic talents; and , had I the same opportunities, I nould treat him as I did Mr. Thomson, and still do all my friends in that may, viz: to discourage to the utmost 0/ ponyer indulging that humour, nhere it requires more judg- ment than everybody is masler of to keep imagination and /ancy to their proper province'. Riccaltoun riet vermutlich seinem früheren zögling, nach London zu gehen, wo er nach wunsch gelegenheit finden würde, sein poetisches talent auszubilden und zu verwerten. Ein passenderer vorschlag konnte dem frischen, Edin. Misc. 1720 I, 193. Wider abgedruckt in der Aldine Edition of Th.'s Works II, 163; und von Mitford im Lon. Gent. Mag. 1841 Dec., 565 f; letzterer bemerkt daselbst: “a poem of Thomson's written when he was probably not more than eighteen years old, if so much, on the subject of The Seasons. This poem is taken from the Edin. Misc. 1720, 2d ed.; Thomson was born in 1700, and we presume that the first edition, which we never saw, and of which wé do not know the date, must have been printed at last two years before'. * Lon. Gent. Mag. 1853 Oct., 369. THOMsoN's SEAsoNs. - 5 lebensfrohen Thomson nicht gemacht werden. Ohne jegliche aussicht auf stellung und verdienst, nur mit einigen empfeh- lungen kam der junge dichter im März 1725 in der haupt- Stadt an. » Durch vermittlung seines freundes Mallet, den er wäh- rend seiner studienzeit kennen gelernt hatte, erhielt er eine stelle als erzieher in East Barnet in der nähe von London. Aber dennoch scheint der angehende dichter in der ersten zeit ein trauriges, aussichtsloses dasein geführt zu haben; wenigstens schreibt er in mehreren briefen an Dr. Cranston, wie zweifelhaft ihm das gelingen seines planes erscheine, und spricht sogar die hoffnung aus, seine theologischen studien bald wider aufnehmen zu können. – Nach Cibber (Lives of the Poets, London 1753 V, 195) brachte Thomson schon einige fertige partieen seines Winter mit sich nach London, doch aus seinen briefen scheint hervorzugehen, dass der erste entwurf desselben in Barnet ent- standen ist. In einem briefe vom 10. Juli 1725 an Mallet? deutet Thomson jedenfalls auf seinen Winter, wenn er sagt: “You may take myhat liberties you please noith my poem, and I nill thank you for it’. Etwa zwei monate später, wahrschein- lich im September? 1725, schreibt Thomson an Dr. Cranston: “This country (i. e. Barnet) I am in, is not very entertaining; no variely but that of v00ds, and them nye have in abundance; but nwhere is the living stream? the airy mountain ? or the hanging rock? with twenty other things that elegantly please the lover of Nature. Nature delights me in every form, I am just Nono painl- ing her in „her most lugubrious dress /or my ony amusement de- scribing Winter as it presents itself'. Es ist jedoch die möglich- keit nicht ausgeschlossen, dass Thomson den inhalt einzelner gedichte, die er in Edinburgh, und zwar wie alle früheren in reimen geschrieben hatte, für den Winter bearbeitete. David Mallet (ursprünglich Malloch) wurde als dichter bekannt durch die ballade “William and Margaret'; später schrieb er noch andere gedichte, wie “ Edwin and Emma”, “The Excursion', einige tragödien: “Euridice', “Mustapha”, “ Elvira' etc. und “Life of Bacon'. W * Letters from Thomson to Mallet, ed. by P. Cunningham in den Miscellanies of the Philobiblon Society 1859, vol. IV; abgedruckt in der Aldine Edition of Thomson, vol. I. « * Vgl. The Kelso Mail April 13., 1797 und Lon. Gent. Mag. 1853 Oct., 365. - 6 BORCHARD, Jos. Warton, der herausgeber Pope's, berichtet, dass Thom- son den titel seiner Seasons von Popes Pastorals entlehnt habe, und dass wir diesen hirtengedichten die entstehung von Thom- son's jahreszeiten (some of the truest poetry in our language') zu verdanken haben. Doch können bei dieser entlehnung, wie Warton richtig bemerkt, nur die titel der Pastorals in betracht kommen; denn mit einem gedichte wie The Seasons uns zu beschenken, vermochte nur der romantische dichtergeist eines Thomson, der durch die ihm eigene aufmerksame beobach- tungsgabe die spärlichen andeutungen von natur- und land- schaftsmalerei, die er bei früheren dichtern (Spenser, Drayton, Milton) und bei zeitgenossen (Pope, Young, Gay) fand, weit zu übertreffen wusste.? Hatte irgend jemand einen besonderen ein- fluss auf die entwickelung und richtung von Thomson's dich- terischer tätigkeit geübt, so war es der oben erwähnte Reverend Robert Riccaltoun. Dr. Somerville, der nachmals geistlicher zu Jedburgh war, schildert” letzteren als “a benevolent heart, a rich imagination, a taste for myhat myas beautiful and sublime in the norks of nature, expressed noith simplicity and enthusiasm, and procured the esteem and affection of all nho nyere intimately ac- quainted noith him“, also ein charakter, wie Thomson selbst, und der geeignet war, die wärmste zuneigung des jungen dichters zu erwecken. Es war natürlich, dass die arbeiten Riccaltoun's, der selbst ein dichter war, den für poesie beanlagten Thomson im vollsten maasse interessierten und ihm in mancher hinsicht anregung und anleitung darboten. Dr. Somerville sagt an der angeführten stelle (s. 369): “He (Riccaltoun) modestly acknow- ledged to me that he had considerable influence in discovering and prompting the poetical talents of Thomson, noho in his youth- ful days had been his /requent visitor – Thomson's father being minister of the neighbouring parish of Southdean'. *-m- Pope ed. Warton, London 1797, I, 61. Warton sagt daselbst in einer anmerkung: “My friend Mr. Collins, author of the Persian Eclogues and Odes, assured me that Thomson informed him, that he took the first idea of writing his Seasons, from the titles of Pope's four Pastorals'. * Eine parallele zwischen Pope's Pastorals und Thomson's Seasons siehe bei: Pope ed. by Elwin I, 246 f. Ausserdem: Jos. Warton, Essay on the Genius & Writings of Pope, London 1806, 5th ed. I, 41 f. Dennis, Studies in Engl. Lit., London 1876, s. 356 f. * Lon. Gent. Mag. 1853 Oct., 368. – Später in: My own Life and Times, 1741–1814, by Th. Somerville. Edin. 1861, ss. 128, 129. THOMSON'S SEASONS. -. 7 Robert Riccaltoun hatte ein (uns leider nicht überliefer- tes) gedicht verfasst über einen sturm und aussergewöhnlichen schneefall auf dem Ruberslaw berge , von dem er behauptete, dass es Thomson die erste anregung zu seinem Winter gegeben hätte. Ganz natürlich also ist es, Thomson's plan, über die jahreszeiten zu schreiben, auf Riccaltoun's gedicht Ruberslan zurückzuführen, mag ihm immerhin der erste gedanke dieses planes durch Pope's Pastorals gekommen sein. Dass der dich- ter damit begann, den düsteren winter’ zu besingen und nicht zuerst den “herrlichen frühling zum gegenstande seiner poe- tischen begeisterung wählte, geschah ohne Zweifel auf anregung Riccaltoun's. Jedenfalls konnte von Riccaltoun's gedicht man- ches bild und mancher gedanke ihm als eine geeignete vor- lage für den Winter dienen; und er benutzte diese vorlage in der tat, denn er selbst sagt in einem briefe an Dr. Cranston aus dem jahre 1725?: “Mr. Rickleton's Poem on Winter, n»hich I still have, first put the design into my head. In it are some masterly strokes that anyakened me: being only a present amuse- ment, it is ten to one but I drop it nohenever another fancy comes across’.” - Einige monate später als Thomson's Winter erschien in Savage's Miscellany von 1726 ein gedicht “The Winter's Day', nwritten by a Scotch Clergyman, corrected by an “Eminent Hand'. -Peter Cunningham (Lon, Gent. Mag. 1853 April, 369) hielt dies gedicht für das original von Thomson's Winter. Cunningham wird jedoch durch den artikel von A. B. G., Lon. Gent. Mag. 1853 Oct, 364–371, überzeugt worden sein, dass der verfasser des Winter's Day Robert Riccaltoun und der korrektor David Mallet war. Sehr wahrscheinlich aber ist es, dass Thomson auch dieses gedicht seines freundes Riccaltoun gekannt hat, bevor sein Winter erschien. Als treuer und hilfreicher freund stand dem in die gross- städtischen verhältnisse noch uneingeweihten Thomson David * Dr. Somerville ib. gibt an, dass Ruberslan in einer edinburger zeit- schrift 1718 oder 1719 erschienen sei, er es aber nicht habe auffinden können. * Lon. Gent. Mag. 1853 April, 369. ºd * Thomas Campbell bemerkt: “I have seen an English poem in- titled: The Seasons, which was published earlier (I think) than those of Thomson, but it is so insignificant that it may be doubted if Thomson ever heard of it'. – Specimens of the British Poets, London 1819, V, 215. 8 »- « BORCHARD, Mallet zur Seite. Mallet führte seinen studiengenossen, nach- dem dieser seine stellung als erzieher aufgegeben, in seinen bekanntenkreis ein und ermutigte den zaghaften dichter, sein gedicht The Winter für die presse vorzubereiten. Thomson ent- schloss sich endlich, an die öffentlichkeit zu treten. Mallet schrieb, wie Spence angibt , die dedikation: “To the Right Ho- nourable Sir Spencer Compton“ und im März 1726 erschien: Winter. A Poem. By James Thomson. M. A. Printed for J. Millan, at Locke's head in Shug Lane near the upper end of the Haymarket, and sold by J. Roberts in Warwick Lane, and N. Blandford at the London Gazette, Charing Cross. London. MDCCXXVI. Price one shilling. Folio.” (Text A.) - Ueber das hinzugefügte M. A. vgl. näheres bei Harris Nicolas, Memoir of Thomson. – Das gedicht fand anfangs wenig be- achtung (Cibber's Lives V, 196).” Doch nachdem es bekannt geworden, wurde bald eine zweite auflage desselben nötig, die im Juni 1728, in oktav, erschien. (Text b.) Der text dieser beiden ausgaben wäre mir schwerlich zu- gänglich gewesen, wenn nicht Egerton Brydges in der Censura Literaria 1806, vol. II und III einen abdruck desselben ge- liefert hätte. Brydges' abdruck gibt den text der zweiten aus- gabe mit den Varianten der ersten in anmerkungen, woraus wir ersehen, dass Thomson in text b 50 verse zu den 413 des tex- tes a hinzufügte, teils durch umarbeitung und erweiterung der Vorhandenen, teils durch einschiebung von neuen versen. Von diesen 463 versen kommen auf die winterschilderung nur 376; die übrigen 87 zeilen (17–103) kehren mit einigen verände- rungen wider im Autumn des textes von 1730 (v. 890–1010). Durch umarbeitung wurde die zweite ausgabe um drei verse erweitert; neu hinzugefügt wurden 47 verse; z. b. vom “rotkehl- chen" sagt der dichter in text a: . * Jos. Spence, Anecdotes, Observations and Characters of books and men; ed. Sam. Singer, London 1858, 2d ed., s. 249. * Ein gedicht mit gleichem titel hat auch John Armstrong, ein spä- terer freund Thomson's, verfasst. Mitford führt darüber eine stelle aus dem Monthly Mag. VIII, 982 an: “Armstrong's Winter was just finished when Thomson's came out. Th. out of curiosity procured a copy, and showed it to Young, A. Hill, and Mallet, from whom it had much praise. When Mallet read it, he asked Armstrong's leave to print it, which was granted, but Mallet relinquished his intention'. – Nach Allibone, Dict. of Engl. Lit. I, 68 wurde Armstrong's gedicht erst im jahre 1770 gedruckt. * Jos. Warton, Essay on Pope 1806, I, 147. THOMSON'S SEASONS. - *. 9 The Redbreast sole, Wisely regardful of the embroiling sky, In joyless ficlds, and thorny thickets, leaves His Shivering fellows, and to trusted man His annual visit pays. In text b wird diese schilderung weitergeführt: - New to the dome Against the windowsbeats, then briskalights On the warm hearth, and hopping over the floor Eyes all the smiling family askance, And pecks, and starts, and wonders where he is Till more familiar grown, the table crumbs « Attract his slender feet. Der bedeutendste zusatz, 27 zeilen, ist die “Wolfsplage in Italien': From the Alps «- . Assembling wolves in torrent troops descend, etc. Die sonstigen geringen veränderungen betreffen einzelne ausdrücke, wie: - radiant files (a) – brightening files (b 88). All night abundant dews, unnoted, fall And at return of morning, silver over The face of mother earth (a) All night abundant dews, unnoted, fall That lighted by the morning's ray, impearl The face of mother earth. (b 97–99) quivering (a) – twinkling (b 101); giddy youth (a) – roving youth (b 104); thousand figures (a) – fancied figures (b 369). Neben den exemplaren mit der bezeichnung “The second Edition“ waren auch solche vorhanden, die sich als dritte und vierte auflage ankündigten. Diese letzteren waren, wie Brydges angibt, ebenfalls exemplare der zweiten auflage, die nur ein neues titelblatt erhalten hatten. Nach Cunningham (Johnson's Lives of the Poets 1854 III, 228) zählt die dritte (und auch die vierte) ausgabe 464 verse. Weitere auflagen erschienen bis 1730 nicht; wir ersehen also daraus, dass Thomson am Winter bis zum jahre 1730 nichts mehr änderte. «- Natürlich war es, dass der in den londoner kreisen noch unbekannte Thomson nicht schon unmittelbar nach dem er- scheinen des Winter als dichter gefeiert wurde, aber nicht so natürlich war es, dass Sir Spencer Compton, dem Thomson sein gedicht gewidmet hatte, erst, nachdem er Aaron Hill's sati- rische verse über vernachlässigung der dichter gelesen hatte, 10 BORCHARD, den Verfasser des Winter zu sich beschied und ihm das übliche ehrengeschenk machte. Thomson hatte die absicht, Hill's satire und auch eine solche Mallets in die zweite ausgabe des Win- ter aufzunehmen; aber nach der begegnung mit Sir Spencer Compton erschien ihm ein solches Vorgehen doch ungerecht und in seinen briefen an Hill und Mallet (7. und 13. Juni) bittet er dieselben, ihre verse zu ändern. Allein aus einem briefe Thom- son's an Hill (11. Juni) geht hervor, dass eine änderung der satirischen verse wahrscheinlich von Hill, nicht jedoch auch von Mallet vorgenommen ist. Thomson sagt von den versen des letzteren: “rather than lose them, I resolved to print them, as they at first were.” Thomson's Winter war bald in den weitesten kreisen be- kannt geworden und das lob und die anerkennung, die dem dichter von allen seiten gespendet wurden, ermutigten ihn, auf dem eingeschlagenen wege fortzufahren und sich auch an den anderen jahreszeiten zu versuchen. In der vorrede zur zwei- ten auflage des Winter sagt er: »- “I only wish my description of the various appearance of Na- ture in Winter, and, as I purpose, in the other Seasons, may have the good fortune, to give the reader some of that true pleasure, which they in their agreeable succession, are, always, sure to inspire into my heart'.” Zunächst wante sich Thomson der bearbeitung des som- mers zu. In seinen briefen an Hill und Mallet können wir ver- folgen, wie der Sommer unter der feder des verfassers allmäh- lich seiner vollendung entgegen gieng. Schon im Juni 1726, bevor die zweite auflage des Winter erschien, hatte Thomson sich mit der abfassung des Summer beschäftigt. Am 11. Juni schreibt er an Aaron Hill: “Shall I languish out a myhole summer in the same city with you, and not once be re-inspired with your Vgl. Thomson's briefe an Hill vom 24. Mai und 7. Juni 1726 im Memoir of Thomson by Sir Harris Nicolas. – Später wollte Th. sämmt- liche “encomiums", die er “unwürdigen” gewidmet hatte, zurücknehmen. Durch seinen frühzeitigen tod jedoch wurde er hieran verhindert; vgl. Tob. Smollet, Works ed. Roscoe, London 1844, s. 466. n * In gleichem sinne spricht sich ein anonymus aus im Athenaeum 1850 II, 78. s * Die vorreden und dedikationen der ersten einzelausgaben der Sea- sons sind abgedruckt von P. Cunningham in der Aldine Edition of Thom- Son Vol, I. THOMSON'S SEASONS. »- 11 company? Suc a happiness would much brighten my descrip- tion of that scason, from which, to fill out this letter, I ven- ture to transcribe the folloning lines'; der dichter führt sodann zehn verse des Summer an, die wir später (1730) widerfinden in Su. 429–438. »- David Mallet, der um diese zeit sein grösstes und bestes gedicht The Excursion zu schreiben begann, stand mit Thom- son in regem briefwechsel. Die beiden freunde schickten sich gegenseitig die fertigen stücke ihrer gedichte zu, machten ein- ander aufmerksam auf verbesserungen, gaben sich praktische winke und brachten neue Vorschläge, die in ihren gedichten Vorteilhaft zu verwenden seien. So schreibt Thomson an Mallet am 13. Juni 1726: “Honº mild you sing, nhile, I here, narble like a city linNet in a cage. If my beginning of “Summer” please you, I am sure it is good. I have morit more, vhich I’ll send you in due time. Let me Not by any means n'ant some of your “Eaccursion”. The idea of that poem strikes me vehemently. The next time I write to you, it shall be at large. Weglect not my verses – my fame – 'tis but one morning-nalk, easily be- stoned'. Mallet arbeitete jedenfalls bedeutend langsamer als der phantasiereiche Thomson, wenigstens beklagt sich letzterer häufig darüber, dass er verhältnissmässig wenig von Mallets gedicht zur durchsicht bekomme. Thomson's Summer dagegen gewinnt schnell an umfang, indem unser dichter die andeu- tungen seines freundes geistreich und geschmackvoll zu ver- werten versteht. Am 2. August schreibt er an Mallet: “Four hint of the sapphire, emerald, ruby strike my imagination mith a pleas- ing taste, and shall not be neglected, but I am resolved not to correct till I have first rough-nrit the nhole. In the enclosed sheets of “Summer”, I raise the sun to nine or ten o'clock; touch lightly on his noithering of floners, give a group of rural images, make an excursion into the insect kingdom; and conclude the nhole noith some suitable reflections'. In dem folgenden briefe vom 11. August bringt er die schilderung des Sommerabends': I have already nritten of shade and gloom, and noodland spirits" etc. Ausserdem gibt er den plan einer weiteren fortsetzung, indem Mallet war erzieher in der familie des herzogs von Montrose, und Thomson bekleidete seit anfang Juni (wie er Hill am 24. Mai mitteilt) eine ähnliche stellung in Mr. Watts' Academy in Little Tower-street, 12 BORCHARD, er sagt: “I design tonyards the end of my poem to take one short glance of corn /ields, ripe for the sickle, as the limit of my per- formance. – I thank you heartily for your hint about personi- zing of Inspiration, it strikes me. Wert post I nyill send you a sheet or two more'. “Diese neuen blätter“, schreibt er ende Sep- tember – in dem letzten uns erhaltenen briefe an Mallet vom jahre 1726 –, “diese neuen blätter enthalten: a Panegyric on Britain, which may perhaps contribute to make my poem popular. The English people are not little vain of themselves and their country. Britannia too includes our native country Scotland. A/ler this I make an eaccursion to Africa, nyhich I intersperse and con- clude noith some reflections. What remäins of my poem is a de- scription of thunder and the evening. Thunder I have morit, and am just nom agreeably engaged nºith the evening”. Wären uns die folgenden briefe Thomson's an Mallet über- liefert, so würden wir darin die philosophischen schlussge- danken des Sommer finden: With thee, serene Philosophy, with thee, And thy high praises, let me crown my song! etc. Nur dieser schluss fehlt, sonst enthalten Thomson's briefe von 1726 den gesammten inhalt seines Sommer, so wie der- selbe in erster auflage, aus 1146 versen bestehend, im jahre 1727 erschien. Gewidmet ist der Sommer: “To the Right Honourable Mr. Dodington, one of the Lords of His Majesty's Treasury etc., dem Thomson in den schmeichelhaftesten aus- drücken voll verehrung und hochschätzung sein gedicht dar- bringt. - Der dichter des Winter war so bekannt und beliebt ge- worden, dass die erste auflage der zweiten jahreszeit sehr bald vergriffen war, und Thomson im folgenden jahre eine neue ver- anstalten konnte. Thomson hatte sich durch seine poesie in die vornehmsten kreise eingeführt, wo er denn auch wegen seines einnehmenden wesens und seiner anziehenden? unter- haltung ein beliebter gast war. Im jahre 1728 scheint er einer einladung der gräfin von Hertford nach ihrem landsitze Marl- Da mir die ersten ausgaben von Summer und Spring nicht zugäng- lich waren, so habe ich die angaben über die versanzahl derselben ent- nommen aus Johnson's Lives of the Poets, ed. Cunningham, London 1854. * Vgl. Dennis, Studies in Engl, Lit. s. 31. THOMsoN's SEAsONs. 1Z borough in Wiltshire gefolgt zu sein, wo er neben den länd- lichen zerstreuungen noch zeit fand, die dritte jahreszeit Spring zu vollenden. Denn in demselben jahre veröffentlichte Thom- son seinen Frühling mit der widmung: “To The Right Honourable the Countess of Hertford'; und in der dedikation sagt er: Happy! if I have hit any of those images, and correspondent sentiments, your calm evening nalks, in the most delightful retirement, have oft inspired. I could add too, that as this Poem greny up under your encouragement, it has therefore a natural claim to your patronage'. Der Frühling zählt in der ersten auflage 1 1082 verse. Schon vor dem erscheinen desselben hatte Thomson be- absichtigt, durch subskription eine gesammtausgabe der Seasons zu veranstalten, welchen plan der dichter jedoch erst drei jahre später zur ausführung brachte. Er spricht darüber in dem Ad- vertisement, das der ausgabe des Frühlings, 1728, vorangedruckt ist, folgendermassen?: - - “That the following poem appears at present in public, is not any way in prejudice of the proposals I lately published for printing The Four Seasons etc. by subscription; but at the solicitation of my friends . . . those gentlemen and ladies who have been, or may here- after be, so good as to honour me with their names, shall have the book next winter to my proposals; and if it should, in any degree be judged worthy their encouragement, I have my best reward'. W. Diese gesammtausgabe der Seasons erschien in quart 17303 (text A). In derselben befindet sich also auch zum ersten male die vierte jahreszeit Autumn, die 1269 verse zählt und gewidmet ist: “To Mr. Arthur Onslow, Speaker of the House of Commons'. Somit hatte Thomson sein grösstes und schönstes werk vollendet – oder sagen wir lieber, er hatte es zu einem vor- läufigen abschluss gebracht, denn vollendet hat er es erst sechs- zehn jahre später, in der letzten ausgabe vor seinem tode. * Eine zweite auflage kündigte A. Millar an auf dem schlussblatt von Sophonisba (1730). « * Abgedruckt in Brydges' Censura Lit. 1806 III, 50. * In dieser ersten gesammtausgabe, wie auch in allen folgenden, sind die Seasons in ihrer natürlichen reihenfolge gedruckt: Spring, Sum- mer, Autumn, Winter. Als schluss folgt: A Hymn on the Seasons. – Lowndes-Bohn, Bibliogr. of Engl. Lit. s. 2671 führt irrtümlicherweise eine ausgabe der Seasons schon von 1728 an: The S., London 1728; The first edition in octavo. »- 14 BORCHARD, II. The Seas0ns von 17.30 bis 1746. Die quartausgabe der Seasons vom jahre 1730 war eine subskriptionsauflage von 456 exemplaren, für deren abnahme 387 abonnenten garantiert hatten. Die liste der subskribenten, unter denen auch Pope mit drei und Dodington mit zwanzig exemplaren, nimmt die ersten seiten dés bandes ein. Gedruckt wurde diese ausgabe für Andrew Millar?, und zeichnet sich aus durch leserlichen druck auf gutem papier und ist ausgestattet mit vier titelkupfern, die von W. Kent gezeichnet und von N. Tardieu gestochen sind. Die prosadedikationen, die den früheren einzelausgaben der jahreszeiten vorangedruckt waren, sind in dieser ausgabe fortgelassen, da Thomson dieselben jedenfalls – neben den poetischen widmungen in den Sea- sons selbst – für überflüssig hielt. Im ganzen zählen diévier jahreszeiten 4343 verse; davon enthält Spring 1087, Summer 1206, Autumn 1269 und Winter 781 verse; ausserdem kommt hinzu der Hymnus von 121 versen. Besonders gewachsen war seit der ersten auflage (1726) der Winter, nämlich um 368 verse. Dem Summer waren seit 1727 sechszig, dem Spring nur fünf verse hinzugefügt worden. Durch vergleichung finden wir, dass die bedeutendsten zusätze bis 1730 folgende sind: Im Winter: 1. Ein schneesturm, in welchem ein einsamer wanderer umkommt, 46 verse, A 250–295. – 2. Gedanken über die not und das elend des menschlichen lebens, 38 verse, A 296–333. – 3. Lobesworte an das “Jail Committee', 31 verse, A 334–364. – 4. Wölfe (in Italien) dringen in städte und dörfer ein, 26 verse, A 3S1–406 (s. o. text b). – 5. Pope als Homerübersetzer gerühmt. Der winterabend des philosophen, der stadt- und landbewohner,87 verse, A 463–549. – 6. Der winter in den polargegenden, 47 verse, A 571–617. – 7. Tauwetter und die letzten * P. Cunningham hat nur 454 exemplare im ganzen gezählt. * Auch in oktav wurden die Seasons gedruckt, vgl. Millar’s anzeige in Liberty IV (1735). Die einzelausgaben des Winters, und wahrschein- lich auch die des Sommers, wurden gedruckt für John Millan. Nach Nicolas, Aldine Ed. of Th. Memoir s. 123, verkaufte Thomson am “ 16. Jan. 1729” seinen Frühling und seine erste tragödie Sophonisba an Andrew Millar; am 18. Juli desselben jahres’ Sommer, Herbst, Winter, Hymnus u. s. w. an John Millan, welcher am 16. Juni 1738 sein verlagsrecht gleich- falls an Andrew Millar abtrat. – Es scheint bei dieser datenangabe ein versehen untergelaufen zu sein. Jedenfalls ist es nicht klar, dass Sophonisba, die erst im laufe des jahres 1729 geschrieben, schon in den ersten tagen dieses jahres verkauft wurde, und dass, trotzdem John Millan 1729 das verlagsrecht von Summer, Autumn, Winter und Hymnus er- worben hatte, die gesammtausgabe der Seasons im jahre 1730 (Mai) für Andrew Millar gedruckt werden konnte. Ich vermute, dass in der ersten verkaufsurkunde steht: 16. Januar 1729–30. THOMSON'S SEASONS. 15 stürme des winters, 71 verse, A 630–700. – Ausgelassen sind in text A sechs verse von der schilderung des “rotkehlchens”, die Thomson in text b (1726) hinzugefügt hatte (s. o.). Im Summer ist eingeschaltet: “The Bath, 58 verse, A 980–1037, (nach P. Cunningham, Johnson's Lives III, 241). Ausgelassen sind, wie C. ib. 242 angibt, die namen der ehrwürdigen kirchenlehrer Tillotson und Barrow, die wegen ihrer überzeugungswahrheit aufnahme in die liste der grossen männer Englands gefunden hatten. Um die art und weise der sonstigen Veränderungen und überarbeitungen zu zeigen, lassen wir einige proben aus dem Winter folgen: A Tempest. Text b, v. 174–186: The mountain growls, and all its sturdy sons Stoop to the bottom of the rocks they shade. Lone on its midnight side, and all aghast, The dark way-faring stranger breathless toils, And climbs against the blast.” Low waves the rooted forest, vexed, and sheds What of its lea/y honours yet remains. Thus struggling through the dissipated grove, The whirling tempest raves along the plain; And on the cottage thatched, or lordly dome, -Keen fastening, shakes 'em to the solid base. Sleep frighted flies; the holony. chimney honyls, The windons rattle, and the hinges creale . . . Text A, v. 158–172: The mountain growls, and all its sturdy sons Stoop to the bottom of the rocks they shade. Lone on its midnight side, and all aghast, The dark way-faring stranger breathless toils, And oflen falling, climbs against the blast. Low waves the rooted forest, Vexed, and sheds What of its tarnished honours yet remain. Dashed donyn, and scattered, by the learing ?vind's Assiduous fury, its gigantic limbs; Thus struggling through the dissipated grove, The whirling tempest raves along the plain; And on the cottage thatched, or lordly r00/ Keen fastening, shakes them to the solid base. Sleep frighted flies; and round the rocky dome, For entrance cager, honols the savage blast. Then too, they say . . . Der einzige unvollständige vers in den Seasons. 16 BORCHARD, Text b, v. 272–277: Seen by the mildered traveller nyho roams, Guideless, the yen-clad, slony nyastes, the bear, Rough tenant of these shades! shaggy noith icc And dangling snonvs, stalks through the woods forlorn, Slow paced and sourer as the storm increase, He makes his bed beneath th' inclement wreath. Text A, v. 370–374: There through the ragged noods absorpt in snony, Sole tenant of these shades, the shaggy bear With dangling ice all horrid, stalks forlorn, Slow-paced and sourer as the storm increase, He makes his bed beneath the drifted smony. Die schlussworte lauten text b, v. 458–463: Ye noble few ! that here, unbending, stand Beneath life's pressures – yet a little while, And all your noes are past. Time sºwiftly fleels, And ?vished Eternity, approaching, brings Life undecaying, love myithout allay, Pure flonwing joy, and happiness sincere. Text A, v. 777–781: Ye noble few! vho here unbending stand Beneath life's pressure, yet a little while And what you reckon evi is no more; The storms of nintry time noil quickly pass, And one unbounded Spring encircle all. «- In der folgenden zeit, bis zum jahre 1738, scheint Thomson sich wenig um die Seasons bekümmert zu haben, wenigstens hören wir nichts von einer neuen auflage. Nachdem er von seiner reise durch Frankreich und Italien, wohin er den sohn des Lordkanzlers Talbot begleitet hatte, zurückgekehrt war, arbeitete er an der Liberty, deren fünf teile, zusammen mit dem gedicht auf den tod Lord Talbots (1737) und einer neuen ausgabe der tragödie Sophonisba, als zweiter band von Thom- son's werken (1735–37) in quart bei A. Millar erschienen. 1738 veranstaltete Thomson eine zweite gesammtausgabe der Seasons (text B) im ersten bande der Works of J. Th., London 1738–49, printed for A. Millar. 3 vols.- 8vo., mit vier kupfer- stichen, W. Kent inv. et del., P. Fourdrinier sculps. – Der text der jahreszeiten ist im Frühling, Sommer und Herbst ein un- veränderter abdruck der quartausgabe von 1730. Nur der Winter ist um sechs verse erweitert, und zwar sind dieselben THOMsoN's sEAsoNs. - 17 eingefügt worden in die Beschreibung des rotkehlchens, wo sie schon seit der zweiten auflage des Winter, 1726, standen, aber in text A nach vers 230 wider ausgelassen waren (s. o.). Text B zählt demnach in summa 4349 verse: Sp. 1087, Su. 1206, Au. 1269, Wi. 787, ausserdem der Hymnus 121 verse. Seit 1738 arbeitete Thomson an seinen dramen Agamemnon und Edward and Eleonora, von denen ersteres auch schon in dem- selben jahre zur aufführung gelangte, letzteres jedoch im fol- genden jahre wegen seines agitatorischen charakters und seiner politischen anspielungen als bühnenstück verboten wurde; vgl. Cibber's Lives V, 214. Nachdem Thomson im jahre 1740 die maske Alfred, die er zusammen mit David Mallet geschrieben, zur aufführung gebracht hatte, begann er die Seasons zu über- arbeiten und zu erweitern. Die neue ausgabe derselben er- schien im jahre 1744 (text C) im ersten bande der Works of Mr. Th., mwith Additions and Corrections. London. Printed for A. Millar, in the Strand, in octavo. Millar nennt dieselbe: a nen. edition carefully corrected, nºith additions of above one thousand nen lines; on good paper and large letter'. Nur darf man das carefully corrected nicht auch auf die Verszählung beziehen. Denn war letztere in allen vorhergehenden texten schon mangelhaft, hier ist bei derselben noch weit nachlässiger verfahren worden.” Die Seasons enthalten vier kupfertafeln, die von W. Kent entworfen und gezeichnet und von P. Fourdrinier gestochen sind. In einem Advertisement bemerkt der dichter: “The Seasons having been published several years ago, and con- siderable additions made to it, some little anachronisms have thence arisen n»hich it is hoped the reader will eaccuse'. In dieser aus- gabe sind die Seasons angewachsen zu 5413 versen. Sp. ent- hält 1173, Su. 1796, Au. 1375 und Wi. 1069 verse; der Hymnus zählt 118 zeilen, also drei zeilen weniger als in den früheren teXten. sº »- * Ein exemplar dieser ausgabe befindet sich in der kgl. bibliothek zu Dresden. – Millar kündigte ausserdem an: The Seasons, printed in a pocket-volume. Price bound three shillings. – Allibone führt die ausgabe von 1744 nicht an! – Auch Bolton Corney kannte (1841) dieselbe noch nicht, denn er sagt Gent. Mag. 1841 Febr., 146: “Lyttelton alludes to the immediate appearance of the volume in May 1744 – but it is dated 1746'! ? Im Summer allein ist an nicht weniger als zehn verschiedenen stellen eine falsche verszählung zu konstatieren. 2 18 BORCHARD, Es ist schon vielfach versucht worden (von Wordsworth, Dyce, Bell, Peter Cunningham!), eine textkritische ausgabe der Seasons zu veranstalten, d. h. eine ausgabe mit den Varianten sämmtlicher von Thomson durchgesehenen und überarbeiteten texte; allein eine derartige ausgabe ist bisher nicht erschienen. Hätte Thomson sich damit begnügt, einzelne wörter oder verse zu verändern, so hätten die Varianten wol in einem textkri- tischen apparat als anmerkungen platz gefunden; jedoch Thom- son gieng über das übliche hinaus. Nicht genug, dass er um- fangreiche abschnitte einfügte oder fortliess, oder durch um- stellung einzelner episoden die ursprüngliche anordnung des stoffes änderte, sondern er überarbeitete auch ganze partieen, so dass dieselben ein völlig neues aussehen bekommen haben. Andererseits wider wechselte er in einer einzigen zeile mehrfach die epitheta und bisweilen sogar auch einzelne buchstaben. Es ist daher unmöglich, im folgenden die ganze masse der text- unterschiede im einzelnen zu berücksichtigen, sondern wir wer- den uns darauf beschränken müssen, die Veränderung und ent- wickelung des textes im allgemeinen durch die einzelnen aus- gaben hindurch zu verfolgen, dabei gelegentlich zu einer stelle die varianten mehrerer texte anzuführen und so die art und weise, wie Thomson bei der überarbeitung verfuhr, näher zu beleuchten. Zunächst ist Thomson darauf bedacht, in die vor- handenen schilderungen von ländern und völkern, der jahreszeit angemessen, neue landschaftsbilder und merkwürdigkeiten der natur einzuschalten. Er führt uns in die fremden erdteile, auf das meer, in die wüste, auf berge und schneefelder und dann zurück in seine heimischen«gefilde, um die grossen geister seiner zeit in den ruhmvollsten worten zu feiern. Derartige einschal- tungen konnten stattfinden, ohne die disposition des gedichtes im wesentlichen zu stören, da ja die einzelnen teile, für sich bestehend, sehr lose, zuweilen ohne jeglichen übergang an ein- ander gefügt sind. – Die hauptsächlichen einschaltungen und zusätze sind folgende: 4 Im Frühling: “ Der fischfang', 74 verse, C 377–440, eine neue scene der ländlichen vergnügungen, die Thomson schon in dem gedichte Of a Country Life in vierzehn zeilen behandelt hatte, und zu dem er seinen sportliebenden landsleuten gewissermassen eine anleitung gibt, indem er einige praktische vorbereitungen und kunstgriffe hervorhebt. Dem fisch- * Vgl. P. Cunningham, Aldine Edition of Thomson I, s. LIII. THOMSON'S SEASONS. 19 fang folgt ein “spaziergang und ein blick in die landschaft', 24 verse, C 441–464. Gegen den schluss des Frühling nimmt Thomson gelegenheit, seinen freund Lyttelton und dessen landsitz Hagley (the British Tempe) in hochpoetischen worten zu feiern, 59 verse, C 899–957. «- Bedeutend umfangreicher als im Frühling sind die einschaltungen im Sommer: “Die schaafschur', 53 verse, C 371–423. Klage über den tod der jungen Miss Stanley; trostworte an ihre ältern, 21 verse, C 564–584. Der milde sommer Italiens dem heissen klima anderer länder gegenüber- gestellt. Afrika: das Niltal, Nubien, Abessinien. Asien: das Gangestal, die Coromandel- und Malabarküste. Amerikas grosse gebirge und ströme: die Cordilleren, der Rio de la Plata und der Orinoco, 227 verse, C 663–889. Es kommt dem dichter nicht darauf an, seine schilderung plötzlich von einem erdteil zum anderen überzuleiten und so nicht zusammengehörige geographische angaben nebeneinander zu stellen oder zuweilen auch gar untereinander zu mischen. Am schlusse dieses abschnittes beschreibt er die schrecken der wüste und des meeres, 33 verse, C 973–1005. In dem nächsten zusatze, “ der Spaziergang", führt uns der dichter durch die heim- stätten seiner berühmten landsleute: Harrington's retreat, Ham's embower- ing walks, Twit'nam's bowers etc. und leitet hiermit den panegyricus auf Britannien ein, in den er noch nachträglich als “Sons of Glory” einschal- tet: könig Alfred, die Edwards und Henries, und von den musensöhnen: Spenser und Chaucer. – Als letzte erweiterung des Sommer ist zu ver- zeichnen “The rushing Comet”, ein unheil verkündender himmelsbote für das abergläubische volk und ein zeichen der ewigen weltordnung für die naturforscher und philosophen, 28 verse, C 1694–1721. Im Herbst verherlicht der dichter in einem eingeschalteten ab- schnitt Lord Cobham (sein “fair majestic paradise of Sone ) und den jungen William Pitt, dem er eine ruhmvolle zukunft verheisst, 45 verse, C 1039–1083 Im Winter ist hinzugefügt: See- und strandvögel ziehen sich in den schutz der wälder zurück; ein vorzeichen des winters, 15 verse, C 131–145. Verheerungen durch lawinen in den tälern von Graubünden, 10 verse, C 414–423. Klage über den in der blüte seiner jahre dahingeschiedenen James Hammond (gest. 1742), 17 verse, C 555–571. Chesterfield als staats- mann und dichterfreund verherlicht, 35 verse, C 656–690. Die Schnee- und eisfelder Lapplands; die bedürfnisslosigkeit seiner bewohner. Die polar- macht. Der ewige winter in Grönland und Island, 70 verse, C 834–903. Peter der Grosse (the first of monarchs) als gründer der grösse und macht seines landes gepriesen, 38 verse, C 950–987. Eine andere erscheinung in der überarbeitung der Seasons ist die auslassung von grösseren abschnitten, die der dichter 1 Mehr als die hälfte der “heissen zone" ist in C (629–972) hinzuge- fügt worden (A 676–827). ? Diese einschaltung ist sicherlich veranlasst durch das erscheinen des kometen vom jahre 1742; über letzteren vgl. Maupertuis in “Biographie universelle’ XXVII, 536. - 2+ 20 BORCHARD, entweder ganz gestrichen oder in nur wenige verse zusammen- gedrängt hat: Dies ist besonders der fall im Sommer. Für diese jahreszeit stand Thomson, wie wir schon aus der versanzahl und vor allem aus den oben angeführten zahlreichen hinzufügungen ersehen, eine so reichliche fülle von material zu gebote, dass er sich vielleicht gerade deswegen entschloss, einzelne partieen kürzer zu fassen oder zu streichen. So finden wir in text A und B (718–749) die interessante beschreibung einer durch die sandwogen der wüste verschütteten und später von menschenhand wider aufgedeckten stadt, eine schilderung, die in den später umgearbeiteten texten nicht enthalten ist. Es ist vielleicht gerechtfertigt, diese verse hier mitzuteilen, da nur wenige exemplare der Seasons von 1730 (1738) auf deutschen bibliotheken zu finden sein werden.” Text A, v. 718–749: Hence late exposed (if distant fame says true) A smothered city from the sandy wave Emergent rose; with olive-fields around, Fresh woods, reclining herds, and silent flocks, Amusing all and incorrupted Seen. For by the nitrous penetrating salts, Mixed copious with the sand, pierced, and preserved, Each object hardens gradual into stone, Its posture fixes, and its colour keeps. The statue-folk, within unnumbered crowd The streets, in various attitudes surprized By sudden fate, and live on every face The passions caught, beyond the sculptor's art. Here leaning soft, the marble lovers stand, Delighted even in death; and each for each Feeling alone, with that expressive look, Which perfect nature only knows to give. And there the father agonizing bends Fond over his weeping wife, and infant train Aghast, and trembling, though they know not why. The stiffened vulgar stretch their arms to heaven, With horror staring; while in council deep Assembled full, the hoary headed sires Sit sadly thoughtfoul of the public fate. As when old Rome, beneath the raging Gaul, "So viel ich erfahren habe (nach erkundigung auf fünfzehn der be- deutendsten bibliotheken), befindet sich in Dresden (königl. Ä und Göttingen (univ.-bibl.) je ein exemplar der Seasons von 1730; in Olden- burg (grossherzogl. bibl.) ein exemplar von 1738. Diese werke wurden mir von den betreffenden bibliotheksverwaltungen bereitwilligst zur be- nutzung überlassen. – Da A und B (mit ausnahme des sechszeiligen zu- satzes in B s. o.) denselben text bieten, so citiere ich in den vorkommen- den fällen A, als den älteren text. v THOMSON'S SEASONS. i 21 Sunk her proud turrets, resolute on death, *, Around the forum sat the grey divan Of Senators, majestic, motionless, With ivory-staves, and in their awful robes Dressed like the falling fathers of mankind; Amazed, and shivering, from the solemn sight The red barbarians shrunk, and deemed them gods. Ein passendes complement zu den unheilvollen wüstenstürmen geben die folgenden, später gleichfalls ausgelassenen verse (Su. A 750–755): 'Tis here that Thirst has fixed his dry domain And walks his wide, malignant round in search Of pilgrim lost; or on the merchant's tomb Triumphant sits, who for a single cruise Of unavailing water paid so dear: " Nor could the gold his hard associate save. Eine andere ausgelassene stelle, die zwar kürzer als die erstere, aber an schönheit derselben gleichkommt, ist “der tod eines vom blitzstrahl ge- troffenen hirten” (Su. A 868–879): Th'inconquerable lightning struggles through, Ragged and fierce, or in red whirling balls, And strikes the shepherd, as he shuddering sits, Presaging ruin mid the rocky clift. His inmost marrow feels the gliding flame; He dies; and, like a statue, still remains; His russet singed, and rent his hanging hat; Against his crook his sooty cheek reclined, While whining at his feet his half stunned dog, Importunately kind, and fearful pats On his insensate master for relief. Thomson hat in den späteren ausgaben diese verse jedenfalls ausge- lassen, weil gleich darauf eine ähnliche scene folgt: “Celadon and Amelia", A 895–945.” – Derselbe grund wird es gewesen sein, der den dichter veranlasste, im Frühling vers 296–323, “ das goldene zeitalter', zu strei- chen; denn er bringt unmittelbar darauf (vers 363 f) dieselben gedanken wider, wenn auch, nach meiner meinung, mit minder poetischer aus- stattung. Zur vergleichung füge ich einige verse hier ein. A 300–312, ausgelassen in text C nach v. 271: Thomson macht hierzu folgende bemerkung: “In the desert of Ara- oan are two tombs with inscriptions on them, importing that the persons there interred were a rich merchant, and a poor carrier, who both died of thirst; and that the former had given to the latter ten thousand ducats for one cruise of water”. - * Der inhalt dieser episode war Thomson sicherlich von seinen freun- den mitgeteilt worden, denn dieselbe erzählung findet sich in einem briefe von Gay an Mr. F. vom 9. Aug. 1718, und gleichfalls in einem briefe von Pope an Lady Montague (vom 1. Sept.), s. Pope, ed. Warton, London 1797 VIII, 153 und 365 f. – a. d 22 BORCHARD, Spontaneous harvest waved Still in a sea of yellow plenty round. The forest was the vineyard, where untaught To climb, unpruned and wild, the juicy grape Burst into floods of wine. The knotted oak Shook from his boughs the long transparent streams Of honey, creeping through the matted grass. Th'uncultivated thorn a ruddy shower Of fruitage shed, on such as sat below, In blooming ease, and from brown labour free, Save what the copious gathering grateful gave. The rivers foamed with nectar; or diffuse Silent and soft the milky maze devolved. etc. Ausserdem sind im Früh/ing ausgelassen worden zwei philosophische excurse (A 808–823, 866–877), in denen (besonders im ersten) der dichter den allmächtigen weltschöpfer aus seinen werken demonstriert und uns erkennen lässt, wie tief durchdrungen er ist von dem gefühl eines unend- lichen, göttlichen wesens; er sagt (A, v. 811 f.): The glittering stars By the deep ear of meditation heard, Still in their midnight watches sing of him. He nods a calm. The tempest blows his wrath, Roots up the forest, and overturns the main. The thunder is his voice; and the red flash His speedy sword of justice. At his touch The mountains flame. He shakes the solid earth, And rocks the nations. Diese verse finden sich in etwas veränderter form wider in dem Hymnus auf die jahreszeiten, was auch der grund gewesen sein mag für die auslassung derselben im Frühling. An die stelle des zweiten ab- schnittes A 866–877: * 'Tis Harmony, that world attuning power By which all beings are adjusted etc. hat Thomson die oben erwähnte apostrophe an Lord Lyttelton gesetzt. Ein weiterer wichtiger unterschied der ausgaben von 1730 und 1744 zeigt sich in der geänderten disposition. Wenn auch Thomson im grossen und ganzen bei der ersten anordnung des stoffes geblieben ist, so hat er doch mehrmals sehr ange- messene und entsprechende umstellungen einzelner abschnitte vorgenommen. - In text A steht der “russische und sibirische winter” mitten in der schilderung der gemässigten zone, zwischen dem winter in England und Italien”. In text C jedoch hat Thomson diesem teil die ihm zukommende stelle angewiesen, d. h. ihn in den “winter der kalten zone” eingefügt: WV. C 794–833. 4” THOMsoN's SEAsoNs. 23 Eine andere umstellung finden wir im Sommer. Der panegyricus auf Britannien stand ursprünglich in A von v. 534–670; hier unterbricht der- selbe den fortgang der schilderung, während er in text C gegen schluss v. 14.30–1611 die beschreibung der schönsten landschaften Englands weiter- führt und so sich passend an das vorhergehende anschliesst. Ein kürzerer abschnitt, gedanken über die nützlichkeit des badens und schwimmens enthaltend, folgt in A (1038–1049) der badescene, wäh- rend derselbe in C (1249–1260) eine treffliche einleitung zu der folgenden erzählung gibt. V. h Thomson gieng in der Umstellung noch weiter, indem er einzelne Dartieen von einer jahreszeit in eine andere versetzte. In den ersten ausgaben des Winter (1726) befanden sich, wie ich schon andeutete, 87 verse (17–103), die sich auf den herbst beziehen und die der dichter Später (1730) mit einigen geringen änderungen in den text des Herbst, A 890–1010, aufgenommen hat. Eine derartige versetzung hat Thomson auch vorgenommen mit v. 136–168 des Frühling, “ ein blick in die mikros- kopische insektenwelt', einem abschnitt, der eingeschaltet ist in text C Su. 287–317, als ein beispiel der wunderbaren schöpfungskraft der natur.” Wurde durch die zusätze, auslassungen und umstellungen der inhalt der Seasons im wesentlichen nicht geändert, so ge- schah dies um so mehr durch die vollkommen neue bearbei- tung einzelner partieen. Vor allem ist als die wichtigste umarbeitung zu nennen die bade- scene im Sommer A 980–1037, in der uns der dichter drei jungfrauen, Sacharissa, Amoret und Musidora vorführt, die während des badens von dem jungen Damon belauscht werden. Thomson hat diese episode in der weise überarbeitet, dass er in text C die Musidora allein (ohne begleitung ihrer beiden freundinnen) ins bad gehen lässt, wo Damon, zwar selbst als lauscher, aber als treuer wächter und geliebter darauf bedacht ist, jedes profane auge von dieser friedlich-paradiesischen scene fern zu halten. Um zu zeigen, wie es dem dichter gelungen, durch einführung eines nur un- wichtigen motives” diese episode zu einer vollendet poetischen erzählung umzugestalten, lasse ich zur vergleichung beider bearbeitungen-den text der ersten ausgabe, A 980–1037 folgen: 'Trvas then beneath a secret naving shade“, Where winded into ovely solitudes Thomson selbst gesteht dies ein, indem er sagt (Su. A 671): Thus far transported by my country’s love, Nobly disgressive from my theme . . . . * P. Cunningham (Johnson's Lives III, 241) deutet noch eine andere umstellung an: vom Sommer in den Herbst, die jedenfalls schon vor 17.30 ausgeführt sein muss, da in text A, B und C eine solche versetzung nicht mehr stattgefunden hat. * Damon weiss seiner geliebten ein zettelchen in die hände zu spielen, durch das sie erfährt, wer in ihrer nähe war. * Die in C veränderten zeilen und wörter hebe ich durch kursiven druck hervor. »- 24 BORCHARD, Runs out the rambling dale, that Damon, sat, Thoughtful and faced in philosophic muse: Damon, noho still amid the savage noods, And lonely lanyns, the force of beauty scorned, Firm and to false philosophy devote. The brook ran babbling by; and sighing neak, The breeze among the bending nvillonys played: When Sacharissa to the cool retreat, With Amoret and Musidora stole. Warm in their cheek the sultry season glowed; And robed in loose array, they came to bathe Their fervent limbs in the refreshing stream. Tall, and majestic Sacharissa rose, Superior treading, as on Ida's top (So Grecian bards in n'anton fablesung) High shone the sister and the nyife of Jove. Another Pallas Musidora seemed, Meck-eyed, sedale, and gaining every look A surer conquest of the sliding heart. While like the Cyprian goddess, Amoret, Delicious dressed in rosy-dimpled smiles, And all one soflness, melled on the sense. Nor Paris panted stronger, when aside The rival goddesses the veil divine Cast unconfined, and gave him all their charms, Than Damon, thou; the stoic nony no more, But man deep ſell, as from the Snowy leg, And slender foot, th'inverted silk they drew; As the soft touch dissolved the virgin zone; And through the parting robe, th'alternate breast, With youth wild throbbing, on the lawless gaze Luxuriant rose. Yet morc emamoured still, When from their naked limbs of glowing white, In folds loose floating fell the fainter lawn; And fair exposed they stood, shrunk from themselves; With fancy blushing at the doubtful breeze Arroused and starting, like the fearful fawn. So stands the statue that enchants the world, Her full proportions such, and bashful so Bends ineffectual from the roving eye. Then to the flood they rushed; the plunging fair The parted flood with closing waves received; And every beauty softening, every grace Flushing afresh, a mellow lustre shed: As shines the lily through the cristal mild; Or as the rose amid the morning dew Puls on a narmer glonv. In various play, While thus they wantoned; now beneath the wave, THOMSON'S SEASONS. 25 But ill concealed; and now with streaming locks That half embraced them in a humid veil, Rising again; the latent Damon drew Such draughts of love and beauty to the soul, As put his harsh philosophy to flight, The joyless search of long deluded years; And Musidora facing in his heart »- Informed, and humanized him into man. Den veränderten text siehe in C 1261–1362, oder in der Aldine Edition of Thomson's poetical works von Peter Cunningham: Su. 1269–1370. Aehnliche umarbeitungen, teils erweiterungen, teils ver- kürzungen, finden sich in allen vier jahreszeiten; die umfang- reichsten sind folgende: « Im Frühling: Das eiserne zeitalter, A 103 verse, 324–426; C 105 verse, 272–376. Ein blumengarten, A 33 verse, 376–508; C 39 verse, 514–552. Die insel Kilda mit ihren klippen und adlerhorsten, A 8 verse, 703–710; C 11 verse, 752–762. " - * Im Sommer: Hymnus auf die Sonne. Die pflanzen und mineralien, A 66 verse, 96–161; C 63 verse, 97–159. Ein sommernachmittag, A 60 verse, 343–402; C 48 verse, 432–479. Ein wasserfall, A 11 verse, 492–502; C 17 verse, 590–606. Schlangen und raubtiere der heissen zone, A 23 verse, 756–778; C 41 verse, 890–930. Schilderung der pest, A 25 verse, 799–823; C 40 verse, 1044–1083. Stürme und gewitter der heissen zone, A 71 verse, 824–894; C 77 verse, 1084–1160. Lobgesang auf Britannien, A 141 verse, 530–670; C 182 verse, 1430–1611. Sonnenuntergang. Ein sommerabend, A 85 verse, 1050–1134; C 110 verse, 1612–1721. Im Herbst: Palemon and Lavinia, A 124 verse, 184–307; C 134 verse, 178–311. Die fuchsjagd, A 92 verse, 467–558; C 100 verse, 471–570. Herbstnebel und gedanken über die entstehung der flüsse, A 80 verse, 695–774; C 129 verse, 709–837. Im Winter: Der einzug des winters; stürme als vorboten desselben, A 58 verse, 119–176; C 77 verse, 118–194. Der winterabend eines philo- sophen, A 48 verse, 407–454; C 117 verse, 424–540. Wintervergnügen auf der eisbahn, A 12 verse, 618–629; C 19 verse, 760–778. Der winter in Russland und Sibirien, A 16 verse, 365–380; C 35 verse, 799–833. Eine umarbeitung erfuhr auch der Hymnus auf die jahres- zeiten, welcher in text A 121 verse zählt. Ausgelassen sind von text A. vier verse: 79, 80, 86, 87. A 14–18 wurde in C durch zwei, und A 114–116 in C durch sieben verse widergegeben, so dass die 121 verse des hymnus in text C auf 118 reduciert sind. In letzterer form ist derselbe in allen späteren ausgaben abgedruckt worden. * Diese episode lässt eine ähnlichkeit mit der biblischen erzählung von Ruth (vgl. Cibber's Lives V, 200) nicht verkennen. John Nichols aber meint, dass Thomson bei der abfassung derselben sicherlich zwei ge- dichte von Leonard Welsted in der erinnerung hatte, nämlich “Palaemon to Caelia' (brief) und Accon and Lavinia’. Lit. Anecdotes of the 18th cen- tury, London 1815 IX, 34. -- 26 - BoRCHARD, Was die veränderung einzelner verse und worte betrifft, so sind dieselben so zahlreich, dass, wollte man dieselben einzeln aufzeichnen, man fast die eine texthälfte der Seasons wider- geben müsste. Ich werde daher versuchen, diese kleineren textveränderungen gruppenweise aufzuführen, um durch sie zu zeigen, mit welcher aufmerksamkeit und peinlichen genauig- keit Thomson sein gedicht überarbeitet hat. Der dichter lässt keinen bestimmten grundsatz erkennen, nach dem er bei den korrekturen methodisch verfahren ist – im gegenteil sind in- konsequenzen in der überarbeitung häufig nachzuweisen –, aber er gieng aus von dem allgemeinen grundsatz, “zu verbessern'. Er war bemüht, sein erstlingswerk so umzugestalten, dass es auch, sowol nach inhalt wie nach form, der erfahrung und der bildung des reifen mannes entsprach; und dies ist unserem dichter denn auch im allgemeinen gelungen. Er hatte von seinem freunde Pope gelernt, dass geschmackvolle ausdrucks- weise und glätte der form, neben inhaltsreichen gedanken und schönheiten, ein sicheres mittel wäre, sein gedicht der nach- welt zu überliefern und sich ein bleibendes ansehen bei allen kunstfreunden zu erwerben. « V- A. Grammatische veränderungen. 1. Eine veränderte behandlung des grammatischen geschlechts fand statt: Sp. A 430 (But who can paint) Like nature. Can imagination boast, *, Amid his gay creation, hues like hers? And can he mix them with that matchless skill.” C 467 Amid its gay creation, hues like hers? Or can it mix them with that matchless skill. Sp. A 450 See where the winding vale her lavish stores, C 492 See where the winding vale its lavish stores, Su. A 151 From the sapphire, solid ether, takes *, His hue cerulean. C 149 From the sapphire, solid ether, takes Its hue cerulean. W Su. A 288 Shall little haughty ignorance pronounce - His works unwise, of which the smallest part Exceeds the narrow vision of her mind? Unveränderte verse von text A sind in text C überliefert: Su.46%, Sp. 71%, Wi. 79%, Au. 86%. S * Ich hebe nur die jedesmal in betracht kommenden varianten hervor. THOMSON's SEASONS. 27 C 321 Au. A. 800 C 1046 W. A 770 C 1057 2. Ein Sp. A 472 C 511 Su. A. S07 C 1058 Au. A 559 C 571 Shall little haughty ignorance pronounce His works unwise, of which the smallest part Exceeds the narrow vision of his mind? (Plague) The fiercest son of Nemesis divine . . . (Plague) The fiercest child of Nemesis divine, Man is her destined prey . . . Her awful rage . . . while luxury In palaces lay prompting his low thought, while luxury In palaces lay straining her low thought. numeruswechsel trat ein: The little chymist thus, all-moving heaven Has taught: and oft, of bolder wing, hc dares The purple heath, etc. And oft, with bolder wing, they soaring dare The purple heath, etc. and from the hand Of drooping justice, ineffectual, falls The sword, and ballance. - and from the hand Offeeble justice, ineffectual, drop The sword, and ballance.' . But if the rougher sex by this red sport Are hurried wild, But if the rougher sex by this fierce sport . Is hurried wild, W. A 340 C 365 The land Whose every street and public meeting glonys The land Whose every street and public meeting glonv. Die drei folgenden verbesserungen erforderte der grammatische Zu- sammenhang: Sp. A 462 C 501 Sp. A 587 C 629 WV. A 54 ! C 644 "i. A 459 (Amanda) Nor is the meadow worthless of our foot. Nor is the mead unworthy of thy foot. They haste away, each as their fancy leads They haste away, all as their fancy leads While thick as insects in the summer-shine, The fop, light fluttering, spreads his mealy wings. While a gay insect in his summer-shine The fop, light fluttering, spreads his mealy wings. See on the hallowed hour that none intrude, Save Lycidas the friend, with sense refined. 28 BORCHARD, C 545 See on the hallowed hour that none intrude, Save a feno chosen friends, who sometimes deign To bless my humble roof, with sense refined. Dieser numeruswechsel erklärt sich aus den neuen freundschaftsver- hältnissen Thomson's; als er 1725 nach London kam, war dort sein einziger bekannter und freund David Mallet. 3. Das tempus (und den modus) änderte Thomson dem inhalte der stelle angemessen: W; A 351 C 376 Hail patriot band! who, scorning secret scorn When justice, and when mercy led the way, Dragged the detected monsters into light, Wrenched from their hands oppression's iron rod And bade the cruel feel the pains they gave. O great design! if executed well, With patient care, and wisdom-tempered zeal. Ye sons of mercy! yet resume the search; Drag forth the legal monsters into light, Wrench from their hand oppression's iron rod, And bid the cruel feel the pains they give. 4. Thomson suchte veraltete oder ungewöhnliche wörter, die zwar in der poesie verwendet wurden, ihm aber unpassend erschienen, durch neue formen zu ersetzen. Hierher gehören besonders einige verba (par- ticipia): Sp. A 248 C 223 Sp. A. 548 C 592 Sp. A 594 C 635 Over all the deep-greened earth . . Over all the deep-green earth . . Thick-nove!, and tree irregular . . Deep-tangled, tree irregular . . Su. A 513 C 612 Su. A 766 C 910 Su. A 852 C 1123 Au. A 489 Resolve to trust their young. The clefted tree . . Commit their feeble offspring. The cleft tree . . while all the Smote by afflictive noon, while all the feathery race, Smit by afflictive noon. the whiskered pard Bespeckled, fair . . The lively shining leopard, speckled over . . (Thunder) And by the powerful breath of God inflate”, And following slower, in explosion vast, though by an hundred mouths At Once tore merciless.” feathery race, Ennwoven ist belegt: C Sp. 1056. * Inflated ist belegt: C Au. 894. - »- * Tore, als participium, ist einmal belegt: C Wi.369. – Unverändert blieb chose (für chosen) Au. C 858. - THOMsoN's seAsoNs. 29 C 492 though by an hundred mouths Relentless torn. - W. A 705 The rivers swell, Impatient for the day. Broke from the hills, . . . A thousand snow-fed torrents shoot at once, C 992 The rivers swell, Of bonds impatient. Sudden from the hills, . . . Die intransitiva to honyl und to vie hat der dichter in text A als transitiva gebraucht, später jedoch verbessert: Au. A 390 Of the worst monsters that ever honled the waste. C 394 Of the worst monsters that ever roamed the waste. Au. A 518 nor ashamed To vie it with the vineyard's best produce, C 523 not afraid Even with the vineyard's best produce to vie. Ebenso mochte der dichter to walk, als transitivum, anstössig finden, denn er ersetzt es durch to tread: Sp. A 446 together let us myalk The morning dews, C 488 W-- together let us tread The morning dews. 4 Den für die betreffende situation unpassenden ausdruck in Au. A.256: And as he run her, ardent, over and over, verbesserte Thomson in C 260: And as he vienved her, ardent, over and over. B. Stilistische veränderungen. 1. Der dichter hat häufig umständliche konstruktionen oder schwer- fällige ausdrücke durch geringe änderungen verbessert und, wenn mög- lich, unnötige aufzählungen vermieden: Durch widerholung eines wortes Sp. A 52 Nor ye who live . . . Think these lost themes unworthy of your ear. "Tnvas such as these the rural Maro sung. C 52 Such themes as these the rural Maro Sung. Durch einfügung eines adjektivs: Sp. A 467 'Tis here that their delicious task the bees, „** In swarming millions, tend. C 506 Here their delicious task the /ervent bees, In swarming millions, tend. »- Durch einfache umstellung: - Sp. A 202 'Tis scarce to patter heard the stealing shower C 177 The stealing shower is scarce to patter heard. * Ueber die participia broke und smole vgl. Latham, Dict. of Engl. Lang., London 1866 I, 300. Z0 BORCHARD, Au. A 1243 Still are and have been of the smiling kind C 1349 Are of the social, still, and smiling kind. Mehrere aufeinander folgende adjektiva oder adverbia sind zusammen- gefasst und durch einen kürzeren ausdruck ersetzt worden. – Eine aufzäh- lung von sieben adjektiven ist vermieden: Su. A 244 C 246 Su. A 479 C 558 W. A 5 l 1 C 612 by myriads, all at once Swarming they pour: green, speckled, yellow, grey, Black, azure, bronyn, more than th'assisted eye Of poring virtuoso can discern, by myriads, forth at once Swarming they pour: of all the varied hues Their beauty-beaming parent can disclose. Nony here, nonv there, nonv myheeling in mid-sky, Around or underneath, aerial sounds, Sent from angelic harps, and voices joined. Angelic harps are in full concert heard, And voices chanting from the wood-crowned hill The deepening dale or inmost silvan glade. The great, the neny, the beautiful, or mixed, Burlesque, and odd, the risible, and gay; Whence vivid wit, and humour, droll of face, Call laughter forth, deep shaking every nerve. That assembled train Of fleet ideas, never joined before, Whence lively wit excites to gay surprise; Or folly-painting humour, grave himself Calls laughter forth, deep shaking every nerve. 2. Besondere aufmerksamkeit widmete Thomson den substantiven und adjektiven. Veränderungen derselben finden sich zahlreich, fast auf jeder seite der Seasons: º Sp. A 349 C 303 Sn. A 818 C 1 074 Su. A 680 O S8 Then dark disgust, and malice, winding wiles, Sneaking deceit, and convarel villany: At last deep-rooted hatred, lenwd reproach, Convolsive nyrath, and thought/ess fury, quick, To deeds of vilest aim. Then dark disgust, and halred, winding wiles, Convard deceit, and ru/fian violence, At last extinct each social feeling, /ell And joyless inhumanity pervades And petrifies the heart. The close engagement of the kindred heart? The snyeet engagement of the /eeling heart. Wan jealousy, red rage, and fell revenge, Their hasly spirit prompts. Mad jealousy, blind rage, and fell revenge, Their fervid spirit fires. d THOMSON'S SEASONS. » 31 Wi. A 349 various, nameless ways. C 374 secret, barbarous ways. Sp. A 1084 Till evening comes at last, cool, gentle, calm. C 1167 Till evening comes at last, serene and mild. Zusammengesetzte adjektiva sind aufgelöst in ihre bestandteile: Sp. A 487 deny-bright, C525 bright with den. Au. A 660 heart-taught, C 674 narm from the heart. Oder dieselben sind durch einfache adjektiva ersetzt: Su. A 112 day-living, C 112 daily. Su. A 1 182 star-led, the helm C 177! the ruling helm. Für ein substantivum mit adjektivum tritt ein zusammengesetztes substantivum ein: i Au. A 965 mighty pride, Au. A 229 homely fowls, C 1026 tyrant-pride. C 230 household-fowls. Oder umgekehrt: Wi. A 3S8 torrent-troops, Su. A 529 honey-suckle, C 395 raging troops. C 628 /ragrant noodbine. Zuweilen ist der begriff eines substantivs oder adjektivs (participis) widergegeben durch ein substantiv mit einem entsprechenden epitheton: Sp. A 444 Traveller, C 693 noandering swain. Au. A 165 While bandied round and round, the rural talk. C 159 While through their cheerful band, the rural talk. Au. A 546 And when the tempest, that has vexed the deep The dark night long, falls murmuring towards morn. C551 And when the tempest, that has vexed the deep The dark night long, noith fainter murmurs falls. Standen ursprünglich adjektiva (oder substantiva) zusammen, die wegen ihrer lautverhältnisse nicht mit einander harmonieren, so wurden dieselben durch neue ersetzt: Sp. A 1072 To breathe th'inspiring spirit . . C 1 152 To breathe th'enlivening spirit . . 3. Thomson gebraucht in den Seasons, namentlich in text A, fast regelmässig adjektivische formen für die adverbia; bei der überarbeitung hat er sie jedoch häufig durch adjektiva oder andere umschreibungen er- setzt. Allerdings sind auch umgekehrte fälle zu verzeichnen: St. A 148 (the lucid stone) Shines proudly on the bosoms of the fair C 145 Dares as it sparkles, on the fair one's breast. Su. A 293 Wanders a critic fly; his feeble ray «- Extends an inch around, yet blindly bold He dares dislike the structure of the whole. Z2 BORCHARD, C 327 A critic fly, whose feeble ray scarce spreads An inch around, nith blind presumption boll Should dare to tax the structure of the whole. 'i. A 480 Which, though more seemingly perplexed, moves on. C 584 Which, though to us it seems embroiled, moves on. Ausgelassen ist das adverbium: Sp. A 609 to build his hanging house Ingeniously intent. Oft from the back . . . C 653 to build his hanging house Intent: And often from the careless back . . . Eine änderung im umgekehrten sinne fand statt: Su. A1092 Loves fond, by the sincerest language shown C 1661 Sincerely loves, by that best language shown. 4. Ungebräuchliche adverbia wurden verändert: Au. A 530 Nor sober shift is to the puking wretch Indulged askeny. C 535 Nor sober shift is to the puking wretch Indulged apart. Su. A 491 I stand aghast, C 589 I check my steps. Su. A 497 A hoary mist – anon dispersed . . C 597 A hoary mist – it sends aloft . . Wi. A 440 Thousands, behind, . . demand C 527 Thousands, besides, . . demand. 5. Von der grossen anzahl synonyma, die der dichter bei der über- arbeitung verwendete, lasse ich eine auswahl der nomina und verba folgen, von denen je das erste (text A) durch das zweite (text C) ersetzt ist: Spring: imagination – fancy, morning – dawn, malice – hatred, blood – gore, meadow – mead, eye – look, twinge – pang, rage – pine – gall; foggy – humid, frail – feeble, worthless – unworthy, bound- less – roving, transported – enraptured; cultivate – venerate, prevent – anticipate, dart – sweep, ascend – rise. Summer: eye – sight, mist – fog, soul – life, rock – cliff, twain – pair, breeze – gale; illustrious – refulgent, busy – toiling, employ- less – vacant, kindred – feeling; shoot – spread, rain – dart, cast – throw, shrill – purl, stir – shake, fall – descend. Autumn: rage – Wrath, tract – chase, soul – spirit, sense – breast, pant – throb; hearty – harmless, mutual – tender, useless – idle, voci- ferate – vociferous, gravid – weighty, alone – solitary, lesser – smaller; boil – float, roam – range, urge – prompt, heave – swell, glomerate – mingle. M. Winter: pang – anguish, effort – attempt, robe – weed, tomb – grave, brow – hill, main – surge; unbounded – boundless, vile – foul, universal – general, presuming – presumptuous; foul – stain, seek – search, make – bid, growl – thunder. Tºd THOMSON'S SEASONS. ZZ 6. Einige male finden wir korrekturen, die für den logischen zu- sammenhang und die natürliche anschauung in der tat erforderlich waren. So spricht der dichter in text A von a solid shade, was er später aber änderte: * Ant. A 1034 the night begins to fall A solid shade, immense; sunk in the gloom, C 1140 the night begins to fall A shade immense! sunk in the quenching gloom. Au. A 393 Upbraid us not, ye wolves! ye tigers fell! For hunger kindles you and lawless want . . In text C 397 ist die den sinn störende negation ausgelassen: Upbraid, ye ravening tribes, our wanton rage For hunger kindles you and lawless want . . Ohne Vorangehendes nomen schrieb Thomson: Au. A 505 at intervals, If stomach keen can intervals allow, Relating hono it ran and hony it fell. Aber er verbesserte in text C 511: at intervals, If stomach keen can intervals allow, Relating all the glories of the chase. Eine personenverwechselung wurde korrigiert: Sp. A 647 Totempt you (i. e. the traveller) from her nest . . C 695 To tempt him from the nest. Die unnatürliche schilderung, wie Amelia durch einen blitzstrahl ge- tötet wird: z Su. A 938 Mysterious heaven! that moment, in a heap Of pallid ashes fell the beauteous maid wurde der wirklichkeit entsprechend verbessert: C 1207 Mysterious heaven! that moment to the ground A blackened corse, was struck, the beauteous maid. Ein unlogisches epitheton (jedenfalls durch die alliteration veranlasst) wurde später durch ein passendes ersetzt: - Au. A 358 The gun thick-thundering, and the winded horn C 362 The gun fast-thundering, and the winded horn. C. Metrische veränderungen. 1. Dem versmaass zu liebe hat der dichter umstellungen einzelner worte vorgenommen. Da in dem verse: m s . Wi. A 548 So their mirth gradual sinks, their feeble tongues . . der logische accent auf mirth liegt, so änderte Thomson: C 552 So grádual sinks their mirth, their feeble tongues . . Aehnlich sind die beiden folgenden beispiele: Su. A 475 Then fear us not, but with responsive song . . C 552 Then fear not üs, but with responsive song . . 3 34 BorchARD, Hym.A32. Man marks thee not, marks not thy mighty hand . . C 29 Man märks not thee, marks not thy mighty hand . . 2. Contractionen, wie th'enchanting, th'horizon, 'tis etc. finden sich häufig in den Seasons; auch 't nyas kommt vereinzelt vor. Doch härtere zusammenziehungen, wie I've (I have), he's (he is), n»hat's (nphat is), he'd (he nould), you're (you are), waren dem dichter unlieb, denn bei der überarbeitung löste er dieselben auf oder eliminierte sie: º Au. A 244 I've heard that, in some waste obscure retreat . . C 248 'Tis said that in some waste obscure retreat . . Su. A 672 I've aimed to sing ist in text C ausgelassen worden. v Au. A 1051 Now sunk and now renewed, he's quite absorbed C 1157 Now lost and now renewed, he sinks absorbed. Sp. A 1054 Disdaining fear; for what's the world to them C 1134 Disdaining fear. What is the world to them. Sp. A 167 He'd turn abhorrent, and in dead of night Su. C 316 He would abhorrent turn, and in dead night. Sp. A 59 And some with whom compared You're but the beings of a summer's day. C 60 And some with whom compared your insect tribes Are but the beings of a summer's day. Die contraction von it was in 't nyas findet sich gelegentlich in den Seasons (z. b. Su. 1180.), doch ist dieselbe bei der überarbeitung ver- mieden worden: Su. A 980 "Tnyas then beneath a secret waving shade, C 1261 Close in the covert of an hazel copse, Sp. A 55 Twas such as these the rural Maro sung, C 52 Such themes as these the rural Maro sung (vgl.“ stil' 1). Ebenso eliminiert ist: Au. A 1 18 'Twas nought but labour. Des wolklangs wegen ersetzte der dichter das zweisilbige oerpower'd (in der prosa viersilbig) durch ein anderes participium: Su. A 348 Down to the dusty earth the sight overpowered, C437 In vain the sight, dejected to the ground. Thomson hat sehr häufig in mehrsilbigen wörtern eine silbe ver- schliffen (slurred). Er behandelt z. b. immediate (Wi.932), presumptuous (Wi. 672) etc. als dreisilbig, gradual, vigorous etc. als zweisilbig und heaven, ponyer, flonyer etc. stets als einsilbig. Das wort spirit ist durch- weg zweisilbig gebraucht, nur einmal kommt es als einsilbig vor: Sp. A 535 Just as the spirit of love is sent abroad, was der dichter bei der durchsicht als härte empfinden mochte, denn er Verbessert: C 579 When first the soul of love is sent abroad. * Die citate sind nach der Aldine Edition von Peter Cunningham ge- geben, wenn nicht eine andere ausgabe besonders angeführt ist. THOMsoN's SEAsoNs. º 35 3. Bekanntlich hat Thomson den freiesten gebrauch gemacht von der beweglichkeit des syntaktischen schlusses. Zuweilen sind jedoch enjambe- ments, bei denen z. b. subjekt und prädikat, oder haupt- und hilfsverb ge- trennt werden, durch umstellung verändert worden: Sp. A 743 For wrapt in mad imagination he Roars for the fight, - C 797 And oft in jealous maddening fancy wrapt He seeks the fight. «- «- Sp. A 833 Can he forbear to smile with nature? Can - The strong passions in his bosom roll, »- C868 Can he forbear to join the general smile » Of nature? Can fierce passions vex his breast. Sp. A 659 Ye friends of harmony! this barbarous art Forbear, if innocence and music can Win on your hearts, or piety persuade, C 708 Spare the soft tribes, this barbarous art forbear! If on your bosom innocence can nyin, Music engage, or piety persuade. Nicht verändert wurde beispielsweise das enjambement: Au. C 1136 The, waving brightness he Curious surveys, inquisitive to know . . A "4. Zufällige oder absichtliche alliterationen, die in den Seasons sehr zahlreich vorkommen, hat der dichter zuweilen aufgehoben, zuweilen durch hinzufügung neuer reimstäbe noch stärker hervortreten lassen: Sp. A 85 From the moist meadow, to the brown-browed hill, C 87 From the moist meadow, to the withered hill. Su. A 706 The brown burnt earth a mass of iron lies; Of fruits, and flowers, and every verdure spoiled; Barren and bare, a joyless, neary waste. C 1087 Fired by the torch of noon to tenfold rage, . The infuriate hill that shoots the pillared flame. Sp. A 336 While weak, unmanly fear, J . Full of frail fancies, loosens every power. D C 286 Desponding fear offeeble fancies full Weak and unmanly, loosens every power. B Unverändert blieben z. b. folgende auffällige alliterationen: Sp. 334 Our drooping days are dwindled down to nought. Su. 349 From toy to toy (A: trifle), from vanity to vice. Su. 1654 A fresher gale Begins to wave the myood, and stir the stream. Au. 31 Extensive harvests hang the heavy head. Mit welcher minutiösen sorgfalt Thomson an der Sprache und form der Seasons feilte, mögen schliesslich noch die änderungen unbedeutender wörtchen, silben und einzelner buchstaben zeigen (die je erste wortform wurde durch die zweite ersetzt): * that – which Sp. 709, Wi. 290; the – a Au. 560; twists – twines 3? Z6 »- BORCHARD, Au. 1230; betwixt – between Au. 711; amid – among, among – amid Au. 183, 20S; undreaming – not dreaming Au. 1175; dimply – dimpled Sp. 174; vales – dales Su. 1439; men – man Au. 1351; their heart – the hearts Sp. 583; heads – head, head – heads Wi. 236, 924; wills – will Sp. 979; beams – beam Sp. 1038; clean – clear Sp. 259; strides – strikes Su. 278. s «) Nachdem ich diese bedeutendste überarbeitung der Sea- sons sowol nach der grammatischen und stilistischen wie nach der metrischen seite hin betrachtet habe, werden sich hier passend einige worte über die abfassung der einschaltungen und korrekturen anschliessen. - Es ist vielfach als eine tatsache hingestellt worden, dass Pope seinem freunde Thomson bei der bearbeitung der Seasons behilflich gewesen sei und dass Thomson sämmtliche korrek- turen Pope's in seinen text aufgenommen habe.” Besonders unterstützt wurde diese annahme durch die interessante mit- teilung John Mitford's im Lon. Gent. Mag. 1841 Dec., 563 f. Letzterer berichtet daselbst, dass er um einen geringen preis (1 s. 6 d) eine erwerbung gemacht habe, die er nicht wider fortgeben würde für the great ruby in the royal crown', näm- lich ein exemplar der Seasons von 1738, “interleaved and filled noith Thomson's alterations in his onom hand in every page, and with numerous emendations and alterations by Pope, in his small and beautiful nºriting'. Mitford führt einige von diesen korrek- turen an, darunter die bedeutendste: Winter 439–529, ein ab- schnitt, dessen erste fassung (A) nur 22 zeilen füllte. Es ist bekannt, dass Pope's freunde häufig seine begutachtung ein- holten, bevor sie ihre werke veröffentlichten, und dass er sich zuweilen einige verbesserungen vorzunehmen erlaubte. Fielding” sagt daher, dass no person during the reign of King Alexander nould read a nork, nohich had not his license (and this license he granted to only four authors Swift, Poung, Arbuthnot, and Gay – his principal courtiers and /avourites)'. Es ist wahr, dass Pope die geistesheroen der englischen gesellschaft, sowol dichter wie staatsmänner, um sich versammelte, und dass alle mit ehrerbietung zu dem unvergleichlichen dichterkönig" auf- * Eine nochmalige bearbeitung (1746) beschränkt sich auf einzelne wortvarianten. « - * Vgl. u. a. John Dennis, Studies in Engl. Lit. s. 32. * Covent Garden Journal no. 23, vgl. Pope ed. Elwin I, Pref. 77. THOMSON'S SEASONS. - 37 sahen. Zu diesem kreise gehörte auch Thomson; schon bald nach seiner ankunft in London wurde er von seinem freunde Mallet bei Pope eingeführt und dieser nahm sich auch mit warmem interesse des jungen dichters an. Aus Popes briefen, in denen sich zwar nur spärliche andeutungen über Thomson finden, geht hervor, dass er dem jüngeren dichter mit ratschlägen zur Seite stand und auch dazu beitrug, dass Thomson's erste bühnenstücke aufgeführt wurden (vgl. Cibber's Lives V, 244). Jedoch nicht die geringste Spur ist davon zu finden, dass Pope in Thomsons werken zusätze gemacht und gar geändert oder gebessert habe. Im gegenteil, aus einem briefe Pope's an Hill muss man schliessen, dass die bitte Thomson's, Pope möchte einen prolog (oder epilog) zu Sophonisba liefern, abschlägig be- antwortet worden ist. Pope schreibt am 29. Sept. 1731 (P. ed. Warton VIII, 334): “I nould not decline noriting your epilogue . . an invariable maxim, which I have held these twenty years. Every poetical friend I have, has had my nord, I never vould, and my leave to take the same refusals I made him ill, if ever I n.rote one for another: and this very mointer, Mr. Thomson and Mr. Mallet excuse me, nohose tragedies either are to appear this season, or the next'. Der erste, der die annahme, dass Pope Thomson's Seasons korrigiert habe, in zweifel zog, war Peter Cunningham, welcher sich 1847 im Athenaeum s. 785 folgendermassen darüber aus- spricht: “We think noe have seen the book n'hich Mr. Mitford is said to possess. It is a very curious one, the edition of 1736 or 1737 or about that time (ne norite from memory), noith numerous corrections in Thomson's handnoriting, and still more numerous alterations in a smaller and meater handwriting, – not unlike Popes, but still to our thinking (as we remarked at that time) a good deal more like Lord Lyttelton's. Pope is not knonyn to have corrected The Seas07 s”.” u Thomson hatte mit Lyttelton, der einige jahre jünger als er selbst war, ein inniges freundschaftsbündniss geschlossen, das bis zum tode des dichters dauerte. Durch Lyttelton kam er an den hof des prinzen von Wales, der ihm einen jahres- Wahrscheinlich sante Pope eine poetische epistel an Thomson, als dieser in Italien war (1730). Vgl. Pope ed. Elwin III, 274. – Pope, Globe Edition S. 271. - * Später in demselben sinne: Johnson's Lives III, 233; C. gibt dort fälschlich an, dass Mitford's exemplar datiert sei: 1736. 38 BORCHARD, gehalt von E 100 bewilligte. Später wurde Thomson auf ver- anlassung seines freundes die verwaltung der Leewardinseln übertragen, ein amt, welches den dichter in den stand setzte, sorgenlos zu leben und sich ganz den musen zu widmen. Beide freunde verkehrten häufig mit einander; und in den letzten jahren vor seinem tode war Thomson "fast regelmässig wäh- rend des sommers Lyttelton's gast in Hagley. – Zum ersten male finden wir ihn hier im sommer 1743, gerade in der zeit, wo er mit der überarbeitung der Seasons beschäftigt war. In einem briefe vom 14. Juli dankt er Lord Lyttelton für seine einladung und verspricht, in kürzester zeit“ mit seinen Seasons in Hagley einzutreffen. Am schlusse des briefes sagt er: “In the mean time I nill go on mith correcting “The Seasons“, and hope to carry donyn more than one of them nºith me. The Muses, nºhom you obligingly say I shall bring along with me, I shall ſind nith you – the muses of the great simple country, not the little, fine – lady muses of Richmond Hill'. Aus diesen worten geht hervor, dass Thomson eine erweiterte ausgabe der Sea- sons vorbereitete. Und zwar hatte er erst kürzlich die über- arbeitung angefangen, denn im Spring – an dem er natur- gemäss zuerst korrigiert haben wird – befindet sich neu hin- zugefügt die beschreibung des parkes zu Hagley? (Spring C 901–959). Die späteren zusätze beziehen sich meist auf er- eignisse der jahre 1742–43. - So ist z. b. Su. 428 f.: - • " her (i. e. Britannia's) dreadful thunder hence Rides over the waves sublime, and now, even now, Impending hangs over Gallia's humble coast: * eine hindeutung auf den sieg der pragmatischen armee unter könig Georg II. über die Franzosen in der schlacht bei Dettingen (16. Juni 1743) etc. - Hieraus schliesse ich, dass Thomson die grosse mehrzahl der korrekturen und zusätze der Seasons auf Lyttelton's land- sitz schrieb. Und hier in Hagley, glaube ich, entstanden auch die übrigen zahlreichen emendationen, die in a small and beau- tiful writing' geschrieben sind. m * Vgl. Rob. Phillimore, Memoirs and Correspondence of George Lord Lyttelton, London 1845 I, 112. » G. * Dieselbe schilderung (in prosa) schickte Thomson in einem briefe vom 29. Aug. 1743 von Hagley aüs an Miss Young. - THOMsoN's sEAsoNs. 39 Es liegt sehr nahe und ist höchst wahrscheinlich, dass der dichter über die hinzuzufügenden partieen mit seinem freunde konferiert und dass letzterer veränderungen vorgeschlagen oder selbständig vorgenommen haben wird. Dass Lyttelton vieles fand, was nach seiner meinung der verbesserung bedurfte, be- weisen zur genüge seine (noch zu erwähnenden) ausgaben der Seasons und besonders die manuskriptverbesserungen" in einer derselben. In der dedikation an den prinzen von Wales be- zeichnet er seine ausgabe von 1750 als agreeable to his (i. e. Thomson's) intention when living', und wir haben keinen grund, die wahrheit dieser worte zu bezweifeln; wir sehen in den- selben vielmehr eine bestätigung, dass Thomson sich von der fähigkeit Lyttelton's, eine korrekte und vielleicht verbesserte ausgabe der Seasons zu veranstalten, überzeugt, haben wird. Und zu dieser überzeugung wird der dichter eben gekommen sein, nachdem er Lyttelton's korrekturen gebilligt – und in seinen text aufgenommen hatte. Wenn Mitford aus den von fremder hand geschriebenen zusätzen einen herausgreift (Au- tumn 208f), von dem er sagt (Lon. Gent. Mag. 1845 Nov., 450): “The simile of Lavinia to the myrtle in the breast of Apennine is entirely Pope's', so weiss ich nicht, welche besonderen indizien ihn zu dieser behauptung veranlassten. Weshalb sollte nicht einem geringeren dichter als Pope, weshalb nicht auch Lyttel- ton, eine derartige einschaltung gelungen sein? Dass Lyttelton die Appeninen” und “Myrten" auch in seiner eigenen poesie ver- wendet hat, zeigen uns seine gedichte, in denen dieselben mehr- fach widerkehren.? Mitford nimmt ferner an (Lon. Gent. Mag. 1845 Nov., 450), dass Thomson sein handexemplar mit seinen eigenen zusätzen und emendationen an Pope zur weiteren ver- besserung übersant und dass er Pope's korrekturen sämmtlich' in den text genommen habe. Dass letzteres nicht der fall ist, hätte Mitford schon ersehen können aus dem von ihm in Gent. Mag. 1841 mitgeteilten auszug der korrekturen, von denen eine vorgeschlagene auslassung (Au, nach v. 114) und ein zusatz (in * Auch in Th.'s “Castle of Indolence' (I, 68) finden sich verse von Lord Lyttelton; Th. bemerkt daselbst: “The following lines of this stanza were writ by a friend of the Author'. Dieser freund war nach Cunning- ham u. a. (vgl. Aldine Ed. of Th. II, 315) Lord Lyttelton. “ - * Vgl. Lyttelton's Works, ed. Ayscough, London 1776 III, 102. 143. 153. 154. - 40 BoRCHARD, doppelter fassung [Au. nach v. 371) von Thomson nicht accep- tiert worden sind. Was die übermittlung von Thomson's hand- exemplar an Pope betrifft, so hätte dieselbe stattfinden können, nachdem Thomson seine verbesserungen und erweiterung ab- geschlossen, im Spätherbste oder winter des jahres 1743. Be- kanntlich war Pope um diese zeit, etwa sechs monate vor seinem tode, schon sehr leidend, was auch Thomson wusste und in seinen Seasons (als nachträgliche einschiebung) andeutet (Su. 1426): - s s the muses haunt In Twitnam's bowers, and for their Pope implore The healing God. Es ist keineswegs wahrscheinlich, dass Thomson dem kranken Pope die Seasons vorgelegt habe, in denen die grosse anzahl von neuen zusätzen und emendationen fast die ganzen Seiten der eingefügten zwischenblätter ausfüllen mussten, so dass Pope kaum platz für etwaige weitere korrekturen gefunden haben Würde. Und überdies musste Thomson's exemplar bald in die druckerei geliefert werden, denn am 5. Mai 1744 kündigte Lord Lyttelton (in einem briefe an seinen vater) das erscheinen der Seasons in about a week's time' an. Wäre Pope der fremde korrektor gewesen, so wäre es unglaublich, dass er – der mit ängstlichkeit darauf sah, dass seine dichterischen erzeugnisse unter seinem eigenen namen in die welt giengen – weder in seiner poesie noch in seiner korrespondenz auf die übeararbeitung der Seasons zu sprechen gekommen ist, wozu er doch gewissermassen ein recht gehabt hätte, da nach Cunningham die von fremder hand herrührenden korrekturen still more numerous' sind, als die von Thomson selbst gemachten. Pope hat jedoch nie einen anspruch auf die autorschaft dieser korrekturen erhoben. Pope hat sonst nie blankverse geschrieben, ausgenommen in diesen angeblichen’ korrekturen (vgl. Dennis, Studies in Engl. Lit. s. 32); und da er überdies selbst kein naturdichter” war, so äusserte er sich stets höhnisch (sneeringly) über die beschreibende poesie (Dennis s. 373), und er sollte trotzdem an Thomson's Seasons, dem muster der englischen “landschafts- malerei', gearbeitet haben? * Vgl. Pope's briefe an Lord Orrery von 1743–44. THOMsoN's SEASONS. 41 Sollte Pope die Seasons emendiert haben, was ja immer- hin nicht unmöglich ist, so hat er seine vorschläge zur Ver- besserung Thomson mündlich mitgeteilt. Doch die handschrift- lichen korrekturen in the small and beautiful moriting' in Mit- ford's exemplar, glaube ich, rühren von Lord Lyttelton her. Der beweis hierfür könnte nur geliefert werden durch eine ver- gleichung der korrekturen in Mitford's exemplar mit der hand- schrift Lyttelton's. Eine derartige handschriftenvergleichung ist Zwar in Deutschland unmöglich, würde sich aber in England Ohne schwierigkeiten anstellen lassen – sobald das be- treffende material aufgefunden wäre. Lyttelton's exem- plar von 1752 (versehen mit korrekturen in seiner handschrift) befindet sich in der bibliothek zu Hagley. Ueber den verbleib von Mitford's exemplar jedoch bin ich nicht im stande, näheres anzugeben. Die letzte nachricht über dasselbe findet sich im Athenaeum 1860, May, 652: in diesem jahre wurde es durch Sotheby & Wilkinson ver- steigert und von einem ungenannten für 6 46 erworben. Vielleicht wird der glückliche käufcr einmal veranlassung nehmen, die handschrift der fremden korrekturen mit der Lyttelton's (und Pope's) zusammenzustellen und so endgiltig über eine frage zu entscheiden, die ohne diese ver- gleichung nie mit sicherheit beantwortet werden kann. Trotz der vielen veränderungen und zahlreichen zusätze des textes C, vom jahre 1744, hatte Thomson's korrektions- tätigkeit ihren abschluss noch nicht erreicht. Denn im jahre 1746 veranstaltete der dichter (zum letzten male) eine neue, verbesserte ausgabe der Seasons (text D) im ersten bände Seiner Complete Works, in three Volumes, octavo, printed for A. Millar. 2 »- h - «- Die textveränderungen sind im vergleich zu denen der vorhergehen- den ausgabe sehr gering. Hinzugefügt sind zwölf neue verse, ausgelassen zwei verse von text C. Demnach enthalten die vier jahreszeiten in Summa 5423 verse: Sp. 1176, Su. 1805, Au. 1373, Wi. 1069 und der Hymnus 118 verse. Die eingeschalteten verse sind folgende: Spring: »- 377–378 Besides who knows, how raised to higher life From stage to stage, the vital scale ascends? 1 Ä ist ein kirchdorf bei Stourbridge in Worcestershire. 1 * Millar kündigte ausserdem an: The Seasons are to be had alone, in a neat pocket edition, price bound 3 s. – Lowndes-Bohn 2671 führt fälschlicherweise die ausgabe von 1744 an als: “the last edition which the author revised'. h »- 42 BORCHARD, 547–548 Nor hyacinths, of purest virgin-white, Low-bent, and blushing inward, nor jonquils, (Of potent fragrance). Summer: 669–675 Deep in the night the massy locust sheds, Quench my hot limbs; or lead me through the maze, Embowering endless of the Indian fig; Or thrown at gayer ease, on some fair brow, Let me behold, by breezy murmurs cooled, Broad over my head the verdant cedar wave, And high palmetos lift their graceful shade. Oh, stretched” (amid these orchards of the sun), Give me to drain” (the cocoa's milky bowl), 678 And from the palm to draw its freshening wine. 1795 To reason then, deducing truth from truth. Im Autumn sind zwei verse von C* gestrichen worden; dieselben lauteten, nach v. 121: (Thames) Than whom no river heaves a fuller tide, nach v. 633: - (the juicy pears) In species different, but in kind the same. Die übrigen abweichungen betreffen nur die veränderung und um- stellung einzelner wörter. ." « Spring: C 209 (the dissolving clouds) « Form as they scatter round, thy showery prism; - Untnisting to the philosophic eye, D 209 From fronting on the sun, thy showery prism"; And to the sage instructed eye unfold . . C 285 - (base envy) And hates myhatever is eaccellent and good, D 285 And hates that eaccellence it cannot reach. C 291 - (Love feels no more) That restless wish, that infinite desire, Which, selfish joy disdaining, seek, alone, D 291 That noble wish, that never-cloyed desire, Which, selfish joy disdaining, seeks alone. C 300 (the partial thought) inly rankling, D 300 deeply rankling. C 745: Nor hyacinths, deep-purpled, nor jonquils Of potent fragrance. * C: Or, stretched amid. . . . „- * C: O, let me drain. . . . * Auch vorhanden in AB. * AB: Are, as they Scatter round, thy numerous prism. THOMSON'S SEASONS. 43 C 317 D 317 C 338 D 338 C 819 D 822 C 183 ID 183 C 186 D 186 C 603 D 603 C 430 D 429 C 1095 D 1093 C 1 108 JD 1106 C 17 D 17 C 820 D 280 C 848 D 848 The seasons since, as hoar tradition tells, Have kept their constant chase; the winter keen . . The Seasons since have, with severer sºway, Oppressed a broken norld: the winter keen . . (the exhilarating Soul) Of nutriment, and health, salubrious blest” And deeply stored nyith nyondrous vital powers. Of nutriment, and health, and vital powers. Beyond the search of art, 'tis copious blest. the boiling deep, the foaming deep. Summer: And all the extinguished stars, would loosening start And all the extinguished stars, would loosening reel. Almighty maker! Almighty father! (the hollow channel) And falling fast from gradual steep to steep, And falling fast from gradual slope to slope. Autumn: and, fear-aroused, and, roused by /ear. »- (on the moon) And oceans roll, as optic tube descries, And caverns deep, as optic tube descries. (the moon) Or quite extinct her deadened orb appears, Or near extinct her deadened orb appears. Winter: To thee, the patron of her first essay, The muse, O Wilmington! renews her song. To thee, the patron of this first essay, The muse, O Wilmington! renews her song. Nor dogs, nor toils, he nyants; nor with the dread Of sounding bows the ruthless hunter drives The fearful flying race; The ruthless hunter nants nor dogs nor toils, Nor with the dread of sounding bows he drives The fearful flying race. (No pride-created wants) Disturb the peaceful current of their days, Disturb the peacefnl current of their time; 1 AB: salubrious breathes, By heaven infused, along its secret tubes. 44 BORCHARD, wahrscheinlich wollte Thomson den reim mit maze in der folgenden zeile vermeiden!: And through the restless ever tortured maze Of pleasure . . C 102S *. (Horror wide extends) - His melancholy empire. Here, fond man!” Behold thy pictured life. - w D 1028 His desolate domain. Behold, fond man! See here thy pictured life! C 1065 Ye noble few! who” here unbending stand Beneath life's pressure“, yet a little while, - D 1065 Ye noble few! who here unbending stand Beneath life's pressure, yet bear up a nyhile. Obgleich in text D (1746) Thomsons letzte bearbeitung der Seasons vorliegt, so befinden sich unter den posthumen ausgaben doch auch solche, die sowol von text D wie von einander abweichen. »- u III. The Seasons seit 1746. Die erste ausgabe der Seasons nach Thomson's tode wurde veranstaltet von Lord Lyttelton unter dem titel: The Works of J. Th. in /our Volumes (12mo), London, printed for A. Millar, opposite to Katharinestreet in the Strand MDCCL.” Sie enthält im ersten bande die Seasons und den Hymnus. Der text ist im allgemeinen der von 1746. Wahrscheinlich hat Lyttelton seiner ausgabe den text eines mit korrekturen versehenen exemplars (vielleicht Thomson's handexemplar") von 1744 zugrunde ge- legt; wenigstens deuten hierauf einige eigentümlichkeiten der ersteren hin. In Lytteltons ausgabe nämlich findet sich die- selbe falsche verszählung an ebendenselben stellen, wie in Ein umgekehrter fall findet sich Sp. 1078–79: But agony unmixed, incessant gal, Corroding every thought, and blasting all . . In AB steht statt gall – rage. »- * ab: His solitary empire. Wony, fond man! AB: His solitary empire. Here fond man! * ab: that. AB: who. * ab: pressures. AB: pressure. * Ein exemplar von Lyttelton’s ausgabe befindet sich auf der univer- sitätsbibliothek zu Rostock. - «. " Dass Lyttelton diesen band besass und als ein andenken an den dichter aufbewahrte, ist sehr wahrscheinlich, zumal er der testamentsvoll- strecker Thomson's war, THOMSON'S SEASONS. 45 text C, nur im Sommer hat der herausgeber einen vers mehr gezählt. Ausserdem hat er C v. 108 : W. »- Or quite extinct, her deädened orb appears unverändert abgedruckt und hat sogar einen druckfehler (head statt heads), der als solcher in Wi. C 169 verzeichnet ist, in seinen text aufgenommen. Abgesehen von dieser einen variante stimmt der text von Spring, Summer und Winter mit dem von 1746 überein. Im Autumn dagegen hat der herausgeber nicht unbedeutende veränderungen vorgenommen, und zwar, wie er angibt, mit erlaubniss des dichters. Er sagt in der vorrede: “This edition of Mr. Thomson's Works was designed by him, and must be considered by the reader as a collection of such of his works as he thought worth preserving, corrected and amended . . It is hoped that all his noritings will appear much more advan- tageously in their present /orm (many redundancies being pruned anay, and many /aults of diction corrected) than they did in their first publication'. Von der erlaubniss des dichters machte nun Lyttelton den weitesten gebrauch, indem er nämlich Au. D 483–469: “A ludicrous account of foxhunting' zwar im Argu- ment anführte, aber im texte ausliess? Diese auslassung hat er einfach bewerkstelligt, ohne auch nur die verszählung des ganzen zu stören, dadurch, dass er auf vers 486 unmittelbar vers 576 folgen lässt. Aber nicht zufrieden mit dieser kürzung des Autumn verarbeitete Lyttelton den fortgelassenen abschnitt zu einem besonderen gedicht, das er unter dem titel: The Re- turn from the Fox Chase. A Burlesque Poem, in the Manner of Mr. Philips im zweiten bande von Thomson's werken unter den Poems on several Occasions aufführt. Mit welcher weitgehenden freiheit der herausgeber bei der überarbeitung, durch welche die 87 verse zu 93 angewachsen sind, verfuhr, wird eine ver- gleichung der folgenden verse mit dem originaltexte Thomson's zeigen. » « Thomson’s Works, ed. Lyttelton II, 239: : The foxes fur Descending decent from the roof, and spread Over the drear walls with antic figures fierce D (s. o.): Or near extinct, her deadened orb appears. * In ähnlicher weise änderte Lyttelton auch in anderen gedichten Thomson's; so z. b. in dem gedicht auf Lord Talbot und besonders in Liberty', dessen fünf teile (3378 verse) er umarbeitete und auf drei teile (1932 verse) reducierte. - - 46 BORCHARD, The stag's large front. Hark! the sonorous horn Their near approach proclaims: the joyous troop Mia their loud hollons, till the crazy dome Beneath their uproar shakes. – Not more disturbed Were Oela's caverns, or old Pelion's dens, When with disordered mirth, lo midnight bon/ls, Thessalian centaurs from the chase returned. Behold! the fuelled chimney blazes wide . . . Au. text D! 495–502: h The foxes fur Depending, decent, from the roof, and spread Round the drear walls, with antic figures fierce, The stag's large front: he then is loudest heard, When the night staggers with serverer toils, With feats Thessalian centaurs never knen”, And their repeated wonders shake the dome. But first the fuelled chimney blazes wide . . . G Lyttelton: Then thoughtful Whist, beneath a cloud of smoke Wreathed fragrant from the pipe, each graver head A while composes: but the jollier train Of youthful sportsmen beat the brick paved hall With vigorous dancing to the shrill voiced pipe And sounding tabor; or romp-loving miss Is hauled about, in gallantry robust. D 524–529: To cheat the thirsty moments, Whist a while* Walks his grave round beneath a cloud of smoke, Wreathed, fragrant, from the pipe; or the quick dice, In thunder leaping from the box, anake The sounding gammon: while romp-loving miss Is hauled aboüt, in galantry robust. - Lyttelton rechtfertigt den abdruck dieser verse in form eines besonderen gedichtes in einer anmerkung zu demselben (II, 239) mit folgenden worten: “The greater part of these verses nwere formerly inserted in Mr. Thomson's Autumn; but being of a different character and stile from the rest, and rather belonging to the Mock Heroick, or Burlesque nay of noriting, it has been judged proper to leave them out there in the present edition, and * Ebenso in ABC. * Dieser vers wurde in C hinzugefügt. * Ebenso in C;- in AB: Perhaps a nohile, amusive, thoughful Whist Walks gentle round, beneath a cloud of smoke. THOMSON'S SEASONS. 47 to insert them here by themselves'. – Ausser dieser grösseren schilderung fehlen in Lyttelton's ausgabe noch zwei verse von text D: Au. 607 Even charm the pains to something more than joy, Au, 677 - (The shining plum *) With a fine blueish mist of animals - Clouded (the ruddy nectarine, and dark). h Lyttelton's text zählt sonach: Spring 1176, Summer 1805, Autumn 1284, Winter 1069 und Hymnus 118 verse. Lyttelton glaubte, mit dieser eklektischen ausgabe der Seasons den lite- raturfreunden (und dem dichter selbst) einen grossen dienst ge- leistet zu haben, was er ausser in der vorrede auch noch in einem briefe an Dr. Doddridge? (vom 22. März 1750) deutlich ausspricht: - - »- 4 “By the Northampton coach of the next week, I shall send Mrs. Doddridge” a new, compleat and correct edition of Mr. Thomson's works made under my care; . . . . There is not a line in it which a lady of virtue and modesty may not safely read, which is more than can be said of the works of any other of the English poets, except Milton, Spenser and Addison . . . Great corrections have been made in the diction . . . so that upon the whole I am persuaded you will think Mr. Thomson a much better poet, if you take the trouble to read over his works in their present form, than you ever thought him before'. Zwei weitere ausgaben Lyttelton's folgten 1752 und 1757 in 12mo. Verbessert sind dieselben insofern, als eine richtige verszählung durchgeführt ist. Der text derselben ist ein genauer abdruck der ausgabe von 1750, nur im titel findet sich der zu- satz: nith his last corrections, additions and improvements und in der vorrede sind die in parenthese eingeschlossenen worte: “many redundancies being pruned anwuy, and many faults of dic- tion corrected' fortgelassen.“ u ºf s Eine merkwürdige tatsache, die korrekturen Lyttelton's in den Sea- sons betreffend, berichtet im Lon. Gent. Mag. 1841 Dec., 563 f. Reverend John Mitford, und nach ihm ausführlicher Phillimore in der korrespondenz Lyttelton's (1845) I, 319 f. Nach Phillimore befindet sich in der bibliothek zu Hagley ein exemplar der Seasons, mit korrekturen und bemerkungen * AB: the purple plum: C: the shining plum. he ruddy, fragrant nectarine, and dark. * Phillimore, Mem. & Corresp. of Geörge Lord Lyttelton I, 322. * Auch Voltaire erhielt ein exemplar dieser neuen ausgabe. Vgl. V.'s brief (17. Mai 1750): Phillimore I, 223. « r- * Da ich nur die spätere dieser ausgaben einsehen konnte, so folge ich in den angaben über die erstere einer notiz Bolton Corney's im Lon. Gent. Mag. 1841 Febr., 146. - - a » * - - - - - - - 48 BORCHARD, in Lyttelton's handschrift. Das ursprüngliche datum auf dem titelblatte: MDCCLII ist umgeändert in MDCCLVIII. In der vorrede sagt Lyttelton: “In this edition conformably to the intention and will of the author some expressions in the Seasons which have” been thought by good judges (b. g. j. durchstrichen!) too harsh or obscure, or not strictly grammatical, have been corrected, some lines transposed and a /env others left out. The Hymn which was printed at the end of the Seasons in some of the last editions, is likenyise omitted, because it appears to good judges that all the matter and thoughts in that hymn are “ better expresst in the Seasous themselves'. Glücklicher weise ist dieser korrigierte text Lyttel- ton's nur manuskript geblieben. Zwar bedauert Phillimore, dass die ver- besserte’ ausgabe der Seasons, welche Lyttelton “schon” im jahre 1750 ankündigte, “nie” erschienen sei; er kannte also weder die ausgabe von 1750, noch erwähnt er die folgenden von 1752 und 1757. In gebührender weise ist daher auch diese oberflächlichkeit Phillimore's neben anderen anachronismen und sonstigen versehen von Mr. Croker im Quart. Rev. no. 155 s. 242 f. aufgedeckt und gerügt worden. Es liegt klar zu tage, wie auch Croker ausführt, dass Lyttelton die korrekturen in der zweiten von ihm besorgten ausgabe (1752) vorgenommen und dass er beabsichtigte, diesen überarbeiteten text im jahre 1758 zu veröffentlichen, jedoch noch rechtzeitig sich eines besseren besonnen hat. Mitford und Phillimore geben an den angeführten stellen einen auszug aus Lyttelton's korrekturen, die zur genüge zeigen, wie rücksichtslos dieser gegen die leser der Seasons und gegen Thomson's andenken gehandelt haben würde, wenn er seine eigenen nachträglichen verbesserungen in den originaltext des dichters hineingemischt und der öffentlichkeit übergeben hätte. – Ein beispiel von Lyttelton's korrekturen, das Phillimore I, 321 anführt, ist folgendes: Ly. Sp. 262 f.: as over the verdant mead The herds and flocks promiscuous played secure, On every hill, beneath each spreading shade, The snains and husbendmen rejoicing hymned Their bounleous god, then festive dance and sport, Kind deeds, and friendly talk successive shenyed The blissful hours; nohile in the rosy vale, Love breathed his tender sighs, from anguish /ree, And free from guilt. Such were those prime of days. In text D” lauten diese verse: - «d as over the snyelling mead. The herds and flocks, commiacing, played secure. This when emergent from the gloomy wood, * Das exemplar, welches Matthew Montague in der bibliothek seiner tante, Mrs. (Elisabeth) Montague gefunden hatte, wurde der bibliothek zu Hagley geschenkt von Lord. Spencer, der es von dem finder erhalten hatte. Siehe Phillimore I, 319. ? - * Auch in ABC; nur in v. 269 anstatt varied heart – joyous heart. THOMSON'S SEASONS. 49 The garing lion sany, his horrid hcart Was meekened, and he joined his sullen joy. For music held the whole in perfect peace: Soft sighed the flute, the tender voice nyas heard, Warbling the varied heart; the myoodlands round Applied their quire, and winds and naters florved In consonance. Such were those prime of days. Wenn auch Phillimore behauptet, dass Lyttelton's veränderungen durch- gehends verbesserungen wären und er letzterem somit das schmeichelhafte zeugniss ausstellte, dass er als dichter seinem freunde Thomson ebenbürtig an die seite gestellt werden dürfe, so hätte er doch wissen müssen, dass Lyttelton durch eine derartige bearbeitung der Seasons nach dem tode seines freundes keineswegs das lob der textkritiker oder den dank der verehrer Thomson's geerntet haben würde. Die nächste ausgabe von Thomson's werken besorgte Patrick Murdoch: The Works of J. Th., mwith his last corrections and im- provements. To myhich is prefaced an account of his life and writ- ings. London, printed for A. Millar, in the Slrand. Quarto. 2 vols. (auch in 12mo.) MDCCLXII. Für diese auflage, die auf subskription" veranstaltet wurde, hatten sich ca. 260 abnehmer unterzeichnet, deren liste in dem ersten bande auf- geführt ist. Murdoch's “ widmung an den könig”, sein Account” und Collins' “ode auf den tod des dichters” gehen dem ersten teile der werke The Seasons vorher. Diese sind ausgestattet mit vier kupferstichen, den- selben”, welche die erste quartausgabe (1730) zeigt. Auch Murdoch hat, wie Lyttelton, den text der letzten von Thomson selbst besorgten ausgabe (1746) abgedruckt. Nur fehlen in seiner ausgabe folgende sechs verse Spring 66: (The plough and greatly independent), scorned* All the vile stores corruption can beston. Spring 377, 378°: Besides nyho knows, hony, raised to higher life, From stage to slage, the vital scale ascends? Summer 1226–27": (The world expands A purer azure.) Nature, from the storm, Shines out afresh, and (through the lightened air). Der ertrag dieses unternehmens war für ein dem dichter in der West- minsterabtei zu errichtendes denkmal (1762) bestimmt. * Dieser aufsatz Murdoch's ist in mehreren späteren ausgaben von Thomson's werken wider abgedruckt worden. * Merkwürdiger weise stellt auch das titelkupfer zum Sommer die drei badenden jungfrauen dar, trotzdem dass die vorliegende ausgabe den überarbeiteten text “Musidora im bade” aufgenommen hat. * AB: and greatly independent lived. 5 Fehlt in ABC. " Ebenso in ABC; Murdoch hat: A purer azure. Through the lightened air. 50 BORCHARD, Autumn 607: Even charm the pains to something more than joy, Autumn 677*: (The shining plum), With a fine blueish mist of animals Clouded (the ruddy nectarine, and dark). Bei dieser ausgabe scheint auch Lyttelton beteiligt gewesen zu sein, indem seinem texte dieselben beiden verse im Autumn fehlen, die auch Murdoch gestrichen hat. Die ausscheidung der betreffenden verse hat der herausgeber ganz willkürlich und ohne jeglichen inneren grund vorgenommen. Murdoch's text zählt demnach: Sp. 1173, Su. 1804, Au. 1371, Wi. 1069 und der Hymnus 118 verse. Die letzte ausgabe von Thomson's werken, die für A. Millar gedruckt wurde, erschien 1766 in vier bänden, 12mo. Der text der Seasons ist ein genauer abdruck der quartausgabe von 1762. Nach Millar’s tode (1768) wurde das verlagsrecht von Thom- sons erben an eine gesellschaft von londoner buchhändlern ver- kauft.” Noch im todesjahre Millars wurden die Seasons in Edin- burgh nach Murdoch's text abgedruckt für A. Kincaid, J. Bell und J. Robertson. – Die späteren ausgaben sind abdrücke der vorher genannten, also für den philologen von keiner besonderen wichtigkeit; nur aus sachlichem interesse führe ich einige der- selben an. »- Die Aldine Edition, The Poetical Works of Thomson, with a Memoir of the Poet, and Notes by Sir Harris Nicolas, erschien zuerst 1830 in London bei W. Pickering. Der text der Seasons (Su., Au., Wi) ist eine widergabe von D. Im Spring fehlen v. 377–378 (s. Murdoch): Besides who knows, how raised to higher life, From stage to stage, the vital scale ascends? Ein unveränderter textabdruck ist die neue auflage von 1845. Zwei jahre später revidierte Nicolas dieselbe und fügte die beiden ausgelassenen verse hinzu. Ein genauer abdruck 1 Fehlt in AB. * Ebenso ABC; Murdoch hat (wie Lyttelton s. o.): The shining plum The ruddy, fragrant nectarine and dark. * Vgl. näheres im Memoir of Thomson by Sir Harris Nicolas s. 123 (Aldine Edition). * Eine interessante erscheinung ist es, dass die titelvignetten dieser ausgabe “spiegelbilder” (von Th. Donaldson) der originalkupfer sind. * Eine recension der Aldine Edition von 1847 siehe Athenaeum 1S47 Juli, 784–785. THOMSON'S SEASONS. " 51 dieser verbesserten und erweiterten Aldine Edition von 1847 liegt uns vor in der von Peter Cunningham (1860) besorgten ausgabe. Zur einschaltung der beiden verse des Frühling wurde Nicolas jeden- falls angeregt durch Bolton Corney, der im Lon. Gent. Mag. 1841 Feb., 146 die Seasons von 1746 mit recht als die endgiltige redaktion, d. h. als die letzte von dem verfasser durchgesehene ausgabe hervorgehoben hatte. Corney's ausgabe von 1842 bringt daher den letzten originaltext der Seasons (D).” »- Auch in Deutschland waren Thomsons Seasons bald nach ihrem erscheinen eine beliebte lektüre geworden.” d Die erste spur derselben finden wir in einer englisch- deutschen gedichtsammlung von B. H. Brockes, Hamburg 1740, s. 123f, wo unter der überschrift: “The mild and irregular passion of love“ ein bruchstück des Frühling (983–1112), A 897–1029 neben der deutschen übersetzung abgedruckt ist. Einige jahre später (1745) liess Brockes die vier jahreszeiten nebst dem hymnus folgen. Auf parallelseiten gibt er den englischen text und eine deutsche übersetzung. Erstere ist ein abdruck der ausgabe von 1730; jedoch wird in der vorrede (von J. B. Zink, 26. September 1744) auch die sechszeilige variante von B (1738) angeführt. Brockes hat sich beim abdruck desselben sehr genau an seine vorlage gehalten, so dass er verschiedene (6) druck- fehler von A (nebst einigen neuen) in seinen text aufgenommen hat. Nur durch versehen ist Au. v. 408, der sich in der übersetzung findet, im eng- lischen texte ausgelassen worden. Vier kupferstiche“, mit denen diese ausgabe ausgestattet, sind nach den englischen originalen von C. F. Fritzsch fil. angefertigt. Später erschienen in Deutschland (Leipzig, Hannover, Ham- burg etc.) mehrere ausgaben, die den überarbeiteten text der Seasons zu grunde gelegt haben. Einsehen konnte ich von diesen nur: Th.'s Seasons, with an Essay on the Plan and Charakter of the Poem by J. Aikin, Leipzig 1781, Zwei recensionen dieser ausgabe S. Blackwood's Mag. 1842 Nov., 674–686; und Lon: Gent. Mag. 1843. May, 494. * Herr Prof. Elze stellte mir freundlichst zur verfügung: Th.'s Poetical Works, with Life, crit. dissert. & explan. notes by Rev. George Gilfillan, Edinburgh 1853; die Seasons sind ein abdruck des textes D; nur Au. 607 ist ausgelassen. d * Seit 1745 erschienen von den Seasons zehn deutsche übersetzungen; ausserdem wurden mir bekannt: drei französische, eine dänische (Sp. Su.), und sogar eine lateinische übersetzung. * Eine fünfte titelvignette entworfen von Peiffer, jun. und gestochen von Fritzsch, stellt die erde mit den vier jahreszeiten dar. 28* 52 BORCHARD, THOMSON's SEASONS. printed for E. B. Schwickert. Es ist ein genauer abdruck von Murdoch's text (1762). - -- Schliesslich nenne ich noch die bekannteste deutsche aus- gabe von Tauchnitz: The Poetical Works of J. Th., Leipzig 1853, die den text der Aldine Edition von 1845 abgedruckt hat.” Die Seasons zählen: Sp. 1174, Su. 1805, Au. 1373, Wi. 1069 und Hy. 118 verse. " , »- Angaben über die versanzahl der Seasons und über die diffe- renzen der verschieden ausgaben brachten zuert Lord Buchan (Essay on Fletcher, Saulton, and Thomson, London 1792) und John Mitford (Lon. Gent. Mag. 1841 Dec, 563); doch sind diese angaben unrichtig, da sie nach der falschen verszählung (von A und den späteren texten) berechnet sind. Dagegen bestätigt meine zählung die richtigkeit der tabelle von Bolton Corney, die die ausgaben von 1726–1746 anführt.” - - Die folgende tabelle möge eine übersicht geben über die im obigen behandelten hauptsächlichsten texte der Seasons. A. D. 1726 1727 1728 1730 1738 1744 1746 1750 1762 1853. Spring: 1082 1087 1087 1173 1176 1176 1173 1 174. Summer: 1146 1206 1206 1796 1S05 1805 1804 1804. Autum?t: »- 1269 1269 1375 1373 1284 1371 1373. - I 413 II 463 - * S III 464 «- »- »- N Winter: IV 46 7S1 787 1069 1 ()69 1069 1069 1069. Summa: 43 43 4349 54 13 5423 5334 54 17 5421. Hymnus: - 121 1 21 1 S 1 18 1 18 1 18 1 18. Zum schluss kann ich nicht unterlassen, den bibliotheks- verwaltungen zu Halle, Berlin, Dresden, Göttingen, Olden- burg, die mir mit bereitwilligkeit das gewünschte material zur verfügung stellten, sowie meinen freunden, die mir durch ihre vermittlung manche anfrage auf den bibliotheken ersparten, auch an dieser stelle meinen wärmsten dank auszusprechen. Ausserdem wurden mir (von den betr. hibliotheken) mitgeteilt fol- gende titel: The Seasons, ed. Timaeus, Hamburg 1791 (Oldenburg); The S. Leipzig 1801 (Lübeck, stadtbibl.); The S. Hannover 1816 (Göttingen). * Der herr verleger selbst hatte die güte, mir diese mitteilung zu machen. * Bolton Corney's tabelle (s. The Seasons, London 1863), von der ich zwar nicht das original, sondern nur eine kopie des herrn Prof. Elze ein- sehen konnte, zeigt nur eine abweichung in bezug auf die erste ausgabe des Winter (1726: 405 verse). V IT A. Natus sum Carolus Aemilius Henricus Borchard Mal- chinae, in oppido Megalopolitano, die XXIX menis Octobris anni MDCCCLXI patre Georgio, matre Albertina e gente Lip- pold, quos adhuc vivos summa cum pietate veneror. Fidei ad- dictus sum evangelicae. Primis literarum elementis in scholis publicis imbutus cum undecimum agerem annum progym- nasium adii Malchinense, quae sex annis intermissis schola realis facta est. Cuius scholae maturitatis testimonium adep- tus ineunte vere anni h. s. LXXX in universitatem Berolinensem receptus studium linguarum recentium incumbere coepi scholis- que interfui virorum illustrissimorum: Zupitza, Tobler, Elbinghaus, Feller, Geiger, Napier, Paulsen, Schmidt, Zeller. Tria semestria Berolini versatus, Halas Saxonum transii, ubi per quattuor semestria magistri mei doctissimi fuerunt: Elze, Suchier, Aue, Gering, Gosche, Haym, Keil, Ulrici, Wardenburg, Zacher. -- Caroli Elze benevolentia mihi contigit, ut seminarii Ang- lici fierem sodalis. Praeterea Carolus Aue, ut exercitationibus Anglicis, Hugo Gering, ut Anglo-Saxonicis et Theodiscis, Rudolphus Haym, ut philosophicis interessem benigne per- miserunt. «-. • »- Omnibus illis quos nominavi viris bene de studiis meis meritis, prae ceteris Carolo Elze propter summam ergame humanitatem et benevolentiam gratias ago semperque habebo quam maximas. *- QUELLEN ZU SWIFTs GULLIVER. INAUGURAL-DISSERTATION DER HoHEN PHILosophischEN FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT Rostock ZUR ERLANGUNG DER DOCTORWÜR DE VORGELEGT VON THE000R Bonkowsky AUS GRAMENZ . POMMERN. HALLE A. S. DRUCK voN EHRHARDT KARRAS. 1893. Referent: Herr Professor Dr. F. Lindner. MEINEM LEHRER DEM HERRN PROFESSOR DR. F. LINDNER IN DANKBARER VEREHRUNG GEWIDMET VOM VERFASSER. Im gegensatz zu den modernen schriftstelleru berufen sich die mittelalterlichen, wenigstens der mehrzahl nach, mit vor- liebe auf eine alte quelle, ein buch, eine chronik, eine kloster- urkunde u. dergl. Dieser contrast zwischen mittelalter und neuzeit tritt bei den angehörigen der letzteren, als welche wir Cyrano, Swift und Rousseau! anführen wollen, um so schärfer hervor, als diese gerade in das gegenteil verfallen und sich laut damit rühmen, nie eine quelle benutzt, sondern alles aus ihrem eigenen geistigen born geschöpft zu haben. Wie berech- tigt es aber ist, derartigen hochtrabenden versicherungen mit misstrauen zu begegnen, entscheidet die thatsache, dass Cyrano und Rousseau bereits ihres originalitätsnimbusses par excellence entkleidet sind, und somit gewinnt die annahme für uns sub- jektiv an grösserer wahrscheinlichkeit, dass auch der dritte im bunde fremden werken nahe gestanden hat. Allein bis jetzt ist es noch nicht überzeugend gelungen, Swift von dem hohen piedestal seiner, fast möchte man sagen, sprichwörtlich gewor- denen originalität herabzuwerfen, und der glaube an letztere hat in der literarischen welt so feste wurzeln geschlagen, dass es eines besonders gewichtigen materials bedarf, ihn zu ent- kräften. Selbst die arbeit Hönncher's“ Quellen zu Dean Jona- than Swift's Gulliver's Travels" (Anglia X, p. 397–427 u. 428 –456), die erste eingehende quellenuntersuchung für Gulliver's reisen, hat dies nicht zu stande gebracht. Sie hat zwar kräf- tig an diesem originalitätsglauben gerüttelt und ihn auch et- was aus dem gleichgewicht, aber nicht zu falle gebracht. Die 1 Wir haben Rousseau um so lieber für diesen vergleich herange- zogen, als zwischen diesen drei männern noch eine andere übereinstim- mung besteht. Alle drei halten das menschengeschlecht für verderbt. Während aber Cyrano und Rousseau an die möglichkeit einer besserung desselben glauben, und zwar der erstere mit hilfe der wissenschaft, der philosophie, der letztere mit hilfe der natur, verzweifelt der misanthro- pische Ä gänzlich an einer solchen. 1 2 schuld hieran trägt nicht das material, sondern der Verfasser. So wertvoll auch dessen abhandlung ist, so können wir der- selben dennoch nicht ganz den vorwurf ersparen, dass sie den gebotenen stoff nicht intensiv genug ausgenutzt hat. Allein Hönncher lässt sich nicht nur diese eine, sondern noch eine zweite unterlassungssünde zu schulden kommen. Diese gipfelt in der übertriebenen vorsicht, mit welcher derselbe sich scheut, an stellen, wo es durchaus am platze gewesen wäre, mit be- stimmtheit eine unmittelbare anleihe Swift's zu constatieren. Wir machen hier z. b. auf jene furchtbar realistische argumen- tation der mondbewohner Cyranos und der Lilliputaner Swift's aufmerksam, welche das verhältniss der kinder zu den eltern zum gegenstand hat und von einer dankbarkeit der ersteren gegen die letzteren nichts wissen will (Anglia X, 411 u. 412). Hier kann nicht mehr davon die rede sein, etwas, was unver- kennbar eigentum der schatzkammer Cyrano's ist, der geistigen productionskraft Swifts zuschreiben zu wollen. Dieser eine zug ist nach unserer meinung allein schon ausschlaggebend. Bevor wir aber der untersuchung des abhängigkeitsver- hältnisses zwischen „Gulliver's Travels“ und den „Voyages comi- ques“ Cyranos näher treten, wollen wir zuvörderst den einflüssen nachspüren, die etwa aus anderen schriften ihren weg in das Swiftsche werk gefunden haben. Eine der glücklichsten be- merkungen in der “Voyage to Lilliput" ist jene köstliche stelle voll fein gewürzten humors und trefflich berechneter wirkung, wo Swift den kaiser von Lilliput schildert. “He is“, sagt Gul- liver, “taller, by almost the breadth of my nail, than any of his court; n»hich alone is enough to strike an anye into the behol- ders”. (Gulliver's Travels, ed. Tauchnitz, vol. 63, ch. II, 54. Nach dieser ausgabe citieren wir) Lord Macauly hat in seinen “Critical and historical Essays” (Tauchnitz) V, 78 den versuch gemacht, nachzuweisen, dass Swift diese stelle einigen lateini- schen versen Addison's entlehnt habe, welche derselbe bereits ungefähr 30 jahre vor dem erscheinen Gulliver's verfasst hatte. Wir halten diesen versuch für verfehlt. Dieses bild ist schon viel älter und findet sich bereits in dem unerschöpflichen werke des grössten satirikers Frankreichs. Dort wird durch dasselbe ebenfalls ein witziger effekt beabsichtigt, dessen pointe sich freilich in einer ganz anderen richtung bewegt. Im “Panta- gruel" (liv. II, ch. XXIX) beschreibt Rabelais die keule des Z riesenanführers Loupgarou, der sich mit Pantagruel in einem Zweikampfe messen will, folgendermassen: “Alors Loupgarou S'adressa à Pantagruel auec vne masse toute d'acier de Calibes au bout de laquelle estoient treize poinctes de dyamants, dont la moindre estoit aussi grosse comme la plus grande cloche de nostre dame de Paris, il s'en /alloit par aduenture l'espesseur d'vn ongle, 0u au plus, que je ne mente, d'vn doz de ces cousteaulac, que l'on appelle couppe oreilles : mais pour vn petit ne auant, ne Cºrriere.” Als gegenstück zu den kriegerischen und ehrgeizigen fürsten schuf Rabelais das ideal eines königs in der riesen- haften figur des Grandgousier, der trotz seiner überlegenen stärke und macht friedliebender natur ist. Nur ungern und notgedrungen schreitet er zur abwehr des königs von Lerné, der plötzlich ohne triftigen grund raubend und plündernd in sein land eingefallen ist (liv. I, ch. XXVIIII, cf hierzu noch liv. I, ch. XXIX). y »- Einen ähnlichen typus eines riesenhaften und dabei doch friedfertigen fürsten charakterisiert uns Swift in dem könig von Brobdingnag. Zur Veranschaulichung der riesigen grösse des jungen Gargantua und Pantagruel anderen menschenkindern gegen- über zählt Rabelais umständlich die enormen mittel auf die zu ihrem lebensunterhalte aufgebracht werden müssen. Das- selbe thut Swift bei Gulliver in Lilliput und Brobdingnag, um den jeweiligen grössenabstand zwischen seinem helden und den bewohnern des betreffenden landes in ein recht grelles licht treten zu lassen. Unter dem einfluss der satire Rabelais' scheint auch jene drastische art und weise entstanden zu sein, in welcher Gul- liver die feuersbrunst in den zimmern der lilliputanischen königin löscht. Gargantua bedient sich wenigstens desselben mittels, um den parisern einen possen zu spielen (liv. I, ch. XVII). Die worte Gargantua's: „Ich werde sie mit wein trak- tieren, aber aus meinem eigenen keller“ können Gulliver als ausgangspunkt für seine bemerkungen über die wirkung, die der wein auf sein urinorgan ausgeübt hat, gedient haben (Gull. Part I, ch. V., 82). « Die fatale situation der sechs pilger (liv. I, ch. XXXVIII), welche sich aus angst in einem garten zwischen bohnenstroh, V. 4 kohl und lattich, der dort zu lande die grösse eines baumes hatte, versteckt hielten, schliesslich aber doch von Gargantua beim lattichpflücken mitgegriffen wurden und verzehrt werden sollten, erinnert ein wenig an die missliche lage und die grosse furcht Gullivers, welche er beim anblick der riesen empfindet, und die ihn antreibt, sich in einem kornfelde, dessen ähren entsprechend auch von enormer höhe sind, zu verbergen. Hier wie dort entgehen beide teile einem fast gewissen tode. Die inscenierung der geister auf der zauberinsel Glubdub- drib (Gull. Part. III, ch. VII) möchten wir ebenfalls auf die be- merkenswerte episode des Epistemon zurückführen. Epistemon wird im kampf der kopf abgeschlagen, später aber durch die wunderbare kraft Panurg's wieder angeheilt. Inzwischen lässt nun Rabelais die seele des letzteren in die unterwelt hinab- steigen. Zurückgekehrt, berichtet sie, was sie dort gesehen. Während die dichter und philosophen im schattenreiche ein herrliches leben führen, spielen die vornehmen und stolzen dieser welt, alle jene personen, welche einst in sage und ge- schichte einen hervorragenden platz eingenommen haben, kö- nige, päpste und besonders die eroberer, daselbst eine klägliche rolle und sind zu den lächerlich entwürdigendsten verrichtungen verurteilt. Swift schlägt zwar ein etwas anderes verfahren ein, um seinen helden mit den geistern in berührung zu bringen. Gulliver steigt nicht zu ihnen hinab, wie Epistemon, sondern lässt sie sich durch die zauberkraft des geisterfürsten von Glubdubdrib herbeirufen. Allein diese kleine abweichung kann den aufmerksamen nicht täuschen, denn sie geschieht nur in der absicht, der erzählung, oder wenigstens dem, was eine er- zählung wahrscheinlich macht, eine grössere wahrscheinlichkeit zu verleihen. Wir begegnen hier bei Swift einem ähnlich ge- meinen hohne wie bei Rabelais, denn beide machen einen gleich armseligen gebrauch von dem herbeirufen der berühmten toten. Alexander der Grosse, der bei Rabelais beispielsweise in der unterwelt schuhe flickt, stirbt bei Swift infolge eines fieberge- bärenden katzenjammers. Aber auch die geister der dichter und philosophen fehlen bei Swift nicht; während jedoch Ra- belais hier seine vorliebe für die philosophie bekundet, offen- bart Swift eine deutliche abneigung gegen dieselbe, besonders * Den stoff zu dieser stelle des Rabelais hat Lucian in seiner Ne- kyomantie gestellt, »- 5 aber gegen die neueren systeme. Jene satirischen bemerkun- gen Swifts zur demütigung des eingebildeten ahnenstolzes der grossen: “For, instead of a long train noith royal diadems, I sanº in one family tno fiddlers, three spruce courtiers, and an Italian prelate. In another, a barber, abbot and tnyo cardinals” (Gull. 229) dürfte dagegen wohl auf jene stelle zurückzuführen sein, wo Rabelais das alter des geschlechts Gargantua's schil- dert: “Je pense, que plusieurs sont aujourd'hui Empereurs, Roys, Ducs, Princes, et Papes en la terre lesquels sont descenduz de quelques porteurs de rogatons et de costrets.” (liv. I, ch. I) Das modell für die akademie von Lagado (Gull. Part. III, ch. V) findet sich ebenfalls bei Rabelais und zwar im fünfton buche, wo das reich der königin Quintessenz geschildert wird. Beide autoren bekämpfen die illusionen und ehrsüchtigen thor- heiten einer wissenschaft, welche formeln für ideen und träume für wirklichkeiten ansieht und geben sie der lächerlichkeit preis. Hettner (Literaturgeschichte d. 18 Jahrhunderts, Bd. I, 305) sucht Swift hier zu entschuldigen, indem er sagt, aus die- ser anlehnung an ein vorhandenes motiv könne kein verstän- diger demselben einen vorwurf machen. Indes ist diese ent- schuldigung doch nicht ganz am platze, denn Swift macht sich an dieser stelle nicht nur die idee, sondern auch einzel- heiten zu eigen. So z. b. ist die erwähnung der abhandlung des akademie-professors, die hämmerbarkeit des feuers betref- fend, offenbar der stelle aus Rabelais entlehnt, wo es heisst: “Autres coupoyent le feu auec vn cousteau” (liv, V, ch. XXII). Auch jener ekelerregende gewinnungsprocess des ältesten pro- fessors der akademie (Gull. Part. III, ch. V, p. 211) zeigt eine deutliche verwandtschaft mit der beschäftigung eines Archas- darpeninen, eines quacksalbers, bei Rabelais (liv. V, ch. XXII). Allein wir wollen nicht verfehlen, schon jetzt darauf aufmerk- sam zu machen, dass auch Cyrano für die projektenwirtschaft in Balnibari und Lagado vorbildliche wirkung ausgeübt haben könnte. In der „Voyage comique dans la Lune“ ist auch an zwei stellen von einem mathematiker die rede, der durch eine maschine den erdglobus herbeiziehen und ihn mit dem monde verbinden will (hist. com. des Etats et Empires de la Lune et du Soleil par Cyrano de Bergerac. Wouvelle édition par P. L. Jacob, bibliophile. Paris, Garnier frères ohne jahresangabe p. 182. Alle einschlägigen citate beziehen sich auf diese ausgabe). 6 Von diesem projektenmacher sagt der dämon; “Ouant au Ma- thématicien ne vous y arrétez point, car c'est un homme qui pro- met beaucoup, et qui ne tient rien” (ibid. 188). In den partieen seiner reisen, in welchen Swift sociale und staatliche Zustände erdichteter Völkerschaften schildert und so zu einem vergleiche mit den in dem eigenen lande bestehenden auffordert, findet sich kaum ein völlig origineller gedanke. Wir erfahren meist nur dinge, welche schon längst vorher in ein- zelnen staatsromanen zum ausdruck gebracht waren und nur durch die eigenartige gestaltungskraft, in welcher Swift meister ist, einen fremden eindruck erwecken, ja es lassen sich sogar. direkte entlehnungen constatieren. Wir führen hier zunächst die berühmte Utopie des kanzlers Heinrichs VIII. von England, Thomas Morus, an, die als musterschrift einer ganzen gattung den namen aufgedrückt hat. Von Morus spricht Swift im „Gulliver“ mit der grössten verehrung (Gull. 226). Obwohl im allgemeinen in Utopien religionsfreiheit herrscht, so empfiehlt Morus dennoch eine gewisse beschränkung derselben, wie sie bekanntlich auch Rousseau und Robespierre gewünscht haben. Wer nicht an eine fortdauer der seele nach dem tode, nicht an eine göttliche Vorsehung glaubt, wird im namen der moral damit gestraft, dass man ihm nicht die geringste ehre erweist und ihn von allen ämtern und öffentlichen funktionen aus- schliesst (cf deutsche übersetzung der Utopia von H. Kothe, Reclam, No. 513 u.514, p. 136 u. 137). Angeregt durch die motive, welche Utopus zur proklamie- rung der toleranz in religionssachen veranlassen, hat Swift seine schilderungen der religionsspaltungen und der daraus entstandenen kriege in Lilliput geschrieben. Seine satire wen- det sich hier gegen die religionsunfreiheit, will aber gleich Morus von einer absoluten freiheit nichts wissen, wie aus fol- gender stelle hervorgeht: “I like manner, the disbelief of a Divine Providence renders a man incapable of holding any public station" (Gull. p. 86). In diesem punkte lehnt sich Swift offen- bar sehr stark an sein vorbild an. Eine nicht geringe ähn- lichkeit verraten auch folgende bemerkungen beider: „Was die anwendung von gewaltthätigkeiten und drohungen betrifft“, sagt Morus (Kothe, a. a. o. 136), „um jemanden zu einem an- dern glauben zu zwingen, so schien ihm (dem Utopus) dies ebenso tyrannisch als abgeschmackt“, und weiterhin (ibid. 137) 7 heisst es, „nur dass man ihnen (den materialisten) verboten hat, ihre grundsätze vor dem volke auszusprechen.“ Und Swift lässt den kaiser von Brobdingnag auf Gulliver's bericht hin über die einteilung seines vaterlandes in religiöse und politische sekten so argumentieren: “He knen no reason nohy those, noho entertain opinions prejudicial to the public, should be obliged to change, or should not be obliged to conceal them. And as it was tyranny in any government to require the first so . . . . (Gull. p. 164). º Bie bewohner Brobdingnag's leben unter kurzen, klaren, unzweideutigen gesetzen, welche keines kommentars bedürfen, die advokaten also überflüssig machen (Gull. Part. II, ch. II, p. 169). Gleiche gesetze existieren in Utopien. Im „Gulliver“ beschränkt sich die nachahmung indess mehr auf eine andeu- tung dessen, was im Original mit so grosser vollendung durch- geführt ist (Kothe, a. a. o. 114 ff.). Auf dem gebiete der bevölkerungslehre herrscht zwischen Swift und Morus ebenfalls eine gewisse übereinstimmung. Beide entpuppen sich als anhänger der späteren lehre des Malthus. Allerdings lässt Morus eine unbeschränkte zahl von kindern zu, aber für jede familie nur 10–12, der überschuss wird an weniger fruchtbare familien abgegeben (Kothe, a. a. 0. p. 72). Desselben mittels zur herbeiführung einer gerechten verteilung der bevölkerung bedient sich Swift, und ist bei ihm, den verhältnissen des pferdestaates äquat, die zeugung gewissen beschränkungen unterworfen (Gull. 307). Swift legt dem könige von Brobdingnag folgende antwort in den mund: “That nohoever could make tnuo ears of corn, or tnyo blades of grass, to grow upon a spot of ground nohere only one greny before, nould deserve better of mankind, and to more es- sential service to his country than the whole race of politicans put together" (Gull. 168). Diese bedeutungsvolle wertschätzung des ackerbaues durch den riesenkönig findet in der Utopie ebenfalls ihren ausdruck, aber in einem bilde. Den fürsten schmückt dort als einziges abzeichen ein büschel kornähren, das er in der hand hält. (Kothe, p. 114.) Dies symbol ist verständlich und bedarf kei- * Diese anwendung von ähren als ehrenzeichen findet sich auch in der „Neu-Atlantis“ von Franz Bacon von Verulam nachgeahmt, cf die deutsche übersetzung von R. Walden, Berlin, 1890, p. 42. »- 8 ner weiteren erklärung. Swift hat es einfach umschrieben, eine behauptung, die wir billigerweise nur als vermutung gel- ten lassen können. »- Der zweite staatsroman, bei welchem der gute Dean an- leihen contrahiert hat, ist die „Histoire des Sevarambes“!, welche mit zu den besten erscheinungen auf diesem gebiete gezählt werden kann. Als verfasser derselben wird jetzt allgemein der Franzose Denys Vairasse d'Alais oder d'Allais, wie andere schreiben, angenommen. Absolut gesichert ist dessen autor- schaft aber nicht.? Indem wir von den sonstigen berührungs- punkten dieses romans mit „Gulliver“ abstand nehmen, be- schränken wir uns bloss darauf, zwei in die augen springende entlehnungen Swifts festzunageln. In der „Histoire des Seva- rambes“ (II" partie, p. 36) heisst es: “Les Sevarambes divisent le temps comme nous par années ou révolutions Solaires, ils le sub- divisent aussi par mois ou révolutions lunaires : car ils ne com- ptent point par semaines“. In „Gull. Tr“ (Part. IV, 312) haben die pferde dieselbe zeitrechnung. “They", so heisst es dort, “ calculate the year by the revolution of the sun and the moon, but use no subdivisions into neeks". Einen noch eklatanteren beweis für Swifts plagiarismus liefert seine schilderung der lilliputanischen mode, zu schrei- ben: “ Their manner of myriting is very peculiar, being neither from the left to the right, like the Europeans : nor from the right to the left, like the Arabians; nor from up to donyn like the Chinese, but aslant, from oné corner of the paper to the other, like the ladies in England (Gull. Part. I, 83). Dieselbe schreibsitte hat Sevarais die Sevaramben gelehrt: “Il leur ap- prit à écrire par colomne, commencant par le haut de la page et tiranten bas de la gauche à la droite en bas à la manière de plusieurs peuples de l'orient" (Hist, des Sevarambes, II"partie p. 251). Diese stelle dürfte vielleicht auf die schreibweise der * Der vollständige titel lautet: “Histoire des Sevarambes, peuples qui habitent une partie du troisième Continent communément appellé la Terre Australie. Contenant une Relation du Gouvernement, des Moeurs, de la Religion, et du Langage de cette Nation, inconnuë jusques à présent aux Peuples de l'Europe”. Der erste teil erschien 1677 zu Paris (Barbier), der zweite 1678 u. 1679, 2 Bde in -12. Seitdem wiederholt aufgelegt. Wir citieren nach der ausgabe Amsterdam, 1740. * Morhoffius: Polyhistoria t. I, lib. I, cap. 8, schreibt das werk dem Isaac Vossius; Reimannus, Hist, lit. Germ. vol. V, 59 in nota, sogar dem philosophen Leibnitz zu. 9 Aethiopier bei Yambulus zurückgehen (Diodorus Siculus II, 57). Yambulus schildert die schreibweise der Aethiopier wie folgt: „Sie schreiben aber ihre zeilen nicht, indem sie sie in die ebene ausstrecken, wie wir, sondern indem sie sie von oben nach unten herabschreiben in gerader linie.“ Als letzte quelle aus der kategorie der staatsromane füh- ren wir die reisen Jaques Sadeur's! nach Australien an. Foigny schildert dort ein ersonnenes volk in der südsee, dessen lebens- weise vielfach ähnlichkeiten mit derjenigen der „pferde“ Swift's aufweist. Diese Neuseeländer, welche, nebenbei gesagt, mann und frau in einer person repräsentieren, sind völlig lei- denschaftslos (Sadeur, p. 60 u. 95), wie die stoischen Houyhn- hnms. Wie diese leben auch sie in einer art indifferenz und sind einander in gleicher liebe zugethan, welche weder den einen noch den andern bevorzugt. Sie geniessen nur pflanzen- kost und sind infolge ihrer mässigen, natürlichen lebensweise von allen krankheiten befreit, ja, es fehlen ihnen sogar die richtigen vorstellungen von solchen. Darüber äussert sich Foigny: Et comme je m'efforgai de lui faire comprendre nos gouttes, nos migraines, nos coliques, je vis qu'il n'entendoit pas, ce que je voulois dire; il fallut donc pour me faire entendre que je lui explicasse en particulier quelques unes de douleurs". (Sa- deur p. 99 u. 100). Auch Gulliver kann dem herrpferde den begriff krankheit nur mit grösster schwierigkeit klar machen. (Gull. Part. IV, 292). Die kinder werden bei den Australiern alle gleichmässig erzogen. Kleidung ist ihnen unbekannt, staatliche einrichtungen bestehen bei ihnen und den Houyhn- hnms, abgesehen von den regelmässigen Versammlungen, so * Sadeur ist wie Gulliver ein fingierter name. Der eigentliche ver- fasser des werkes ist ein französischer mönch Gabriel Foigny. Der ro- man, welcher auch vielfache anlehnungen an Cyrano's „Voyages comiques“ aufzuweisen hat, ist zuerst 1676 in Vannes erschienen. Der vollständige titel dieser ausgabe lautet: La Terre Australe connve: c'est a dire, la Description de ce pays inconnu jusqu'ici, de ses moeurs et de ses cofi- tumes. Par Mr. Sadevr, avec les avantures, qui le conduisirent en ce Con- tinent, les particularites du sejour qu'il y fit durant trente cinq ans et plus, et de son retour. Reduites et mises en lumiere par les soins et la jäutede Äde F. Der roman befindet sich auch in der sammlung der „Voyages imaginaires”, tome XXIV. Wir citieren nach der folgenden ausgabe: Nouveau Voyage de la Terre Australe, contenant les Coütumes et les Moeurs des Australiens, leur Religion, leur Exercises, leurs Etudes, leurs Guerres, les Animaux particuliers à ce Pays, et toutes les Raretes curieuses qui s'y trouvent. Par Jacques Sadeur. Paris (Claude Barbier), 1693. 10 gut wie gar nicht, und dennoch herrscht vollkommene ordnung. Diese verdanken sie nur der ausübung einer gleichmässigen freundschaft gegen jeden mitbürger und den hohen tugenden welche ihnen sozusagen angeboren sind. Sadeur trifft in die- sem lande einen wohlwollenden greis, der ihn in den ver- sammlungen des Hab (c'est la maison d'élévation) in schutz nimmt und ihn zu bessern versucht (Sadeur p. 61). Bei Swift spielt das herrpferd auch in gewisser hinsicht die rolle des beschützers (Gull. Part. IV, ch. III, 277 f) und übt auf Gulliver einen veredelnden einfluss aus. Der dialog (Sadeur p. 61–80), der sich zwischen dem greis und Sadeur entspinnt, entspricht den unterredungen Gulliver's mit dem pferde. Wie dort, so befragt ihn auch bei den Australiern der greis über seine her- kunft, die art und weise, wie er zu ihnen gelangt sei, über die körperliche und geistige beschaffenheit seiner landsleute, über deren lebensweise, ihre sitten und gewohnheiten. Aus dem, was er erfährt, kommt er zu ähnlichen ungünstigen ur- teilen wie das pferd (cf. Gull. Part. IV, 228 u. 298): “Tout ce que 7e puis, juger de ceux de ton pays parce que tu m'en ap- prens, c'est qu'ils peuvent avoir quelques élincelles de raison, mais qu'elles sont si foibles que bien-loin de les éclairer, celles ne leur servent qu' à les conduire plus surement dans l'erreur (Sadeur p. 77 u. 78). Die satire ist in beiden romanen über- einstimmend gegen den menschen gerichtet und zielt auf her- absetzung des menschlichen verstandes hin, auf den ja der mensch so eingebildet stolz ist, nur sind die ausfälle Swift's viel schärfer gewürzt als die Foigny's. Die Australier bedie- nen sich eines eigentümlichen mittels, um ohne mühe und ar- beit ihren acker zu bestellen. Sie benutzen für diesen Zweck eine art schweine: “On les nomme Hums (man brachte die ähn- lichkeit dieser silbe mit der letzten silbe von Houyhnhnms), ils ont l'instinct de fouir et renverser la terre en lignes droites avec autant et plus d'adresse, que font nos meilleurs laboureurs; ils n’ont besoin d'aucun conducteur pour commencer, continuer et finir leurs raies" (Sadeur p. 122). Und weiterhin (ibid. p. 127): “Entre les animaux les hums rendraient des services in- estimables, puisqu'ils eacempteroient les hommes de peines extra- ordinaires qu'il faut avoir pour labourer la terre”. Dieses wohl- feile mittel der bodenbestellung hat ohne frage Swift direkt übernommen und mit einigen geringfügigen änderungen, welche 11 der satire halber nötig sind, in der akademie von Lagado ver- wertet. Dort will ein professor ebenfalls das land mit schwei- nen pflügen, die methode aber, die er dabei anwendet, ist un- glaublich lächerlich (Gull. Part. III, ch. V, p. 212). Die beschreibung eines sturmes in Gulliver's reise nach Brobdingnag (Gull. Part. II, 118), in welcher Sir Walter Scott eine parodie auf die in alten reisen üblichen umständlichen schilderungen von stürmen und seemanövern erblicken will, (Notes & Queries of March 7, 1868, 4" S. vol. I, p. 223), ist fast wörtlich aus Samuel Sturmy's „Magazine or Compleat“ Mariner (1669) entnommen. Wir geben im folgenden die worte des schwer zugänglichen Originals: “It is like to overblony, take in your sprit- sail, stand by to hand the fore sail! . . . . We make myheather, look the guns be all fast, come hand the mizen. The ship lies very broad off; it is better spooning before the sea than trying or hulling. Go reefe the fore-sail and set him; hanwl aft the fore-sheet. The helme is hard a-neather . . . . Belay the fore doon haul . . . . The sail is split; go hanºl donyn the yard and get the sail into the ship and unbind all things clear of it . . . . A very fierce storm. The sea breaks strange and dangerous. Stand by to hanyl off above the lennerd of the n»hip-staff and help the man at the helme . . . . Shall ne get donym our top-masts? Wo, let all stand . . . . She scuds before the sea very nyell: the top-mast being aloft the ship is the holsomest and maketh better nyay through the sea, seeing mye have sea-room . . . . The storm is over; Set fore- sail and main-sail; bring our ship to0; set the mizen, and main top-sail. Our course is E. S. E.; the nind is at south. Get the starboard tacks aboard, cast off our neather-braces and lifts ; set in the lee-braces, and hanºl over the mizen tacks to myindnyard and keep her full and by as near as she nould lie.” Wenn man sich diese einem fremden muster entlehnten ausdrücke auch noch zur not gefallen lassen und sie als das eigentliche wesen Swift'scher originalität nicht berührend hin- stellen kann, da sie rein technischer natur sind, so sind sie aber doch geeignet, auf Swifts wahrheitsliebe, mit welcher er sich so hochmütig rühmte, nie einen zug entlehnt zu haben, ein fahles streiflicht zu werfen. In unsern vorhergehenden ausführungen hoffen wir bereits zur genüge den beweis erbracht zu haben, dass Swift seinen quellen gegenüber sich durchaus nicht eine völlige unabhängig- 12 keit bewahrt hat, ja dass er sich nicht nur mit anlehnungen begnügt, sondern hier und da auch zu direkten wörtlichen ent- lehnungen greift. Wir sind aber der ansicht, dass der schrift- steller, dem man eine bemerkenswerte entlehnung nachgewiesen hat, es sich gefallen lassen muss, dass man ihn auch noch an- derer anklagt, und somit können wir uns getrost von der mei- nung Hönncher's emancipieren, der von Swift's geistiger pro- duktivität derartig eingenommen ist, dass er ihr zuschreibt, was auch einem andern angehören kann, und so die benutzung der “Voyages comiques" Cyrano's der gewissheit einen schritt näher rücken. Allein es existiert noch eine schrift, die für unsere be- hauptung ausschlaggebend sein dürfte. Es ist dies “A Voyage to Cacklogallinia" 1727 with a frontispiece erschienen und zwar anonym (cf. H. G. Bohn, Bibliographers Manual unter “Cacklo- gallinia”). Wir haben jedoch von derselben eine deutsche übersetzung, deren titel das werk deutlich als ein Swift'sches bezeichnet. Die alten Frankfurter-Leipziger messkataloge vom jahre 1735 führen unter „Brunt“ diese übersetzung unter fol- gendem titel auf: „Capitain Samuel Brunt's Reise nach Cacklo- gallinien und von da in den Mond, nebst dem Leben Harvays, des weltbekannten Zauberers in Dublin, und einigen andern moralischen und satirischen Schriften Herrn D. Swifft's, aus dem Engl. übersetzt, 8. Leipzig bei Jac. Schuster“. So der kata- log der Ostermesse. Dieses werk muss einen guten literarischen erfolg zu verzeichnen gehabt haben, denn in dem katalog der michaelsmesse desselben jahres wird bereits eine zweite auf- lage desselben angekündigt, die dann auch 1736 erschien. Für den wert dieser schrift spricht ferner der umstand, dass sie noch mehrfach aufgelegt worden ist. W. Heinsius erwähnt in seinem „Allgem. Bücherlexikon, Lpz. 1812, Bd. IV, p. 37 (An- hang „Romane“) unter „Brunt“ zweier ausgaben, von denen die eine Liegnitz 1751, die andere Leipzig 1805 herausgegeben ist. Ausserdem führt J. S. Ersch in seinem „Handbuch der deutschen Literatur“ (1822) Bd. II, Abt. 2, p. 242, no. 1868% unter dem stichwort „Swift“ eine zu Berlin (Nicolai) 1799 erschienene aus- gabe an. Nach dieser citieren wir. Dieselbe befindet sich in der kgl. bibliothek zu Berlin unter Ze 6036. Weder in einer gesamtausgabe von Swift's werken aus dem vorigen jahrhun- dert, noch in einem neudruck derselben haben wir diese schrift 13 gefunden, auch nicht in den alten deutschen übersetzungen. Ist diese Voyage to Cacklogallina nun auch in der that von Swift's hand? Obgleich wir den englischen text nicht auftreiben konnten, da er in den deutschen bibliotheken und selbst im Britischen Museum nicht vorhanden ist, um so vielleicht durch vergleichung des stils und der sprache desselben mit anderen Swift'schen erzeugnissen sichere anhaltspunkte gewinnen zu können, so sind wir dennoch überzeugt, dass Swift die autor- schaft zuerteilt werden muss. Hierfür sprechen mehrfache gründe. Die reise nach Cacklogallina steht in vielen beziehungen unter dem deutlichen einflusse von „Gull. Tr“, den „Voyages comiques“ Cyranos und der „Voyage of Domingo Gonzales to the world of the Moon“ by Dr. Francis Godwin. Cacklogallinien ist ein vogelstaat, dessen bewohner vornehmlich hühner sind. Der verfasser schildert die staatlichen und gesellschaftlichen verhältnisse derselben, deckt schäden und missbräuche rück- sichtslos und in den grellsten farben malend auf. Besonders hart mitgenommen wird die cacklogallinische hof- und minister- wirtschaft. Der egoismus in seiner krassesten form, nicht die wohlfahrt des landes sind die leitenden triebfedern für könig und minister, deren beispiel auf das volk natürlich ebenfalls corrumpierend einwirkt. Als ausflüsse dieses egoismusses herr- schen geiz, habsucht, bestechlichkeit, parteilichkeit. Verdienste adeln nicht den mann, sie werden nicht nur nicht geschätzt, sondern gereichen ihren trägern geradezu zum Spott und scha- den. Reichtum ist hier gleichbedeutend mit macht, ehre und ansehen. Um ihn zu erlangen, bedienen sie sich der Verwerf- lichsten mittel. Daher ist dieses land auch ein fruchtbarer boden für die projektenmacherei. Lediglich des erträumten gewinnes wegen giebt der minister einem projekte seine zu- stimmung, welches schätze vom monde holen will. Es bildet sich eine aktiengesellschaft, die eine expedition nach diesem gestirn ausrüstet, deren führer Brunt und der projektierer Vola- tilio werden. Die reise geht in sänften vor sich, die von hüh- nern durch die luft getragen werden. Sie gelangen glücklich auf dem monde an, lernen land und leute kennen, kehren aber unverrichteter sache wieder zurück. Die anregung zu diesem vogelstaate dürfte der verfasser der „Histoire des oiseaux“ Cyrano's verdanken. Inhaltlich geht 2 14 dieselbe aber mehr auf Gull. Tr. zurück. Wir müssen hier da- rauf verzichten, den zusammenhang zwischen den beiden wer- ken erschöpfend zu behandeln und werden uns nur mit einigen wenigen andeutungen begnügen, im übrigen aber verweisen wir auf die schrift selbst. Aehnlich wie Gulliver auf Brobdingnag kommt Brunt zuerst in das haus eines pächters (Brunt p. 40), dessen Sohn, ein junger hahn, sich auch an ihm vergreift (Brunt p. 39) wie der sohn des riesenpächters an Gulliver. Beide sollen dafür von ihren Vätern bestraft werden. Wie Gulliver wird auch er für ein naturwunder mit einigen funken verstand gehalten (Brunt p. 45 u. 47), gelangt ebenfalls an den hof und wird dort günstling (Brunt p. 59 ff.). Die landessprache macht er sich gleichfalls rasch zu eigen (Brunt p. 48). Die maids of honour, über die Gulliver so scharfen hohn ausschüttet, finden in diesem vogelstaate ein analogon in den Squabbaws, den maitressen des königs (Brunt p. 64 ff. u. p. 74). Wie Gulliver wird auch er als ein wunder zur schau gestellt (Brunt p. 76). Die gespräche, welcher ihn der minister würdigt (Brunt p. 48 –59), entsprechen jenen Gulliver's mit dem riesenkönige und dem herrpferde. Hier bedient sich Brunt derselben ironischen art und Weise wie Gulliver, um sitten und zustände seines eigenen landes in das günstigste licht zu stellen. Beide finden aber bei ihren zuhörern keine anerkennung, sondern erreichen gerade das gegenteil. Die schilderung der projektenmacherei in Cacklogallinien (Brunt p. 111 ff.) ist zweifelsohne aus der reise nach Balnibari und Lagado hervorgegangen. In Glub- dubdrib erzählt der geist eines römischen schiffskapitäns Gul- liver, wie durch sein tapferes eingreifen das schicksal der schlacht bei Actium zu gunsten Octavian's entschieden, wie er aber, statt in eine höhere stellung aufzurücken, nur mit schnödem undank belohnt worden sei, indem man ihn seines amtes entsetzt und dasselbe einem lieblingspagen des vice- admirals Publicola übertragen habe (Gull. p. 231). Eine ähn- liche geschichte von belohnung des verdienstes mit undank finden wir in Brunts reise. Dort wird einem tapferen, ausge- zeichneten general auch plötzlich grundlos sein regiment ge- nommen und einem kammerdiener ohne jegliche militärische kenntnisse übertragen (Brunt p. 78 ff.). Nachdem wir so den einfluss von Gull. Tr. auf das in rede stehende Werk kennen gelernt haben, wollen wir auch kurz 15 die verpflichtungen streifen, die der verfasser in demselben Cyrano und Godwin schuldet. Das mittel, dessen sich die mondreisenden bedienen, um den aufstieg zu bewirken, ist das- selbe, wie das des Spaniers Gonzales. Es besteht nämlich in der benutzung der flugkraft der vögel. Auf die bekanntschaft des autors mit Godwin deutet ferner jenes kompliment hin, welches ein Selenit Brunt macht. „Ich halte sie, mein herr, für den edelsten mann, da sie den Weg in unser land gefunden haben und mut zu solcher reise hatten; wenigstens hat sie keiner so gut vollendet, ob ich gleich des Dominicus Gonzales Possen gelesen habe” (Brunt p. 144). Wir können uns nicht des ein- druckes erwehren, als ob es hier auf eine verspottung des God- win'schen werkes abgesehen sei. Cyrano macht sich ebenfalls in der“Voyage dans la Lune" nicht nur über die person des Gonzales lustig (p. 132 u. 183), sondern spottet auch daselbst ein wenig über dessen vögel, mit deren hilfe letzterer nach dem monde gelangt ist. Dies würde für einen einfluss Cyranos sprechen, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Verfasser auch nur die „Voy. com.“ allein als unmittelbares vorbild und so Godwin, der seinerseits Cyrano als quelle gedient, nur mittelbar benutzt hat. Die erlebnisse der mondreisenden während ihres auf- fluges, die beobachtungen und reflexionen, welche sie an- stellen, gleichen im wesentlichen denen Godwin's und Cyrano's bei ihren luftfahrten; ganz besonders aber spürt man die ein- wirkung der sonnenreise des letzteren (Hist. com. p. 252). Brunt nennt die erde einen zweiten mond und weist nach, dass mond und erde kein eigenes licht haben, sondern ihr licht von der sonne empfangen, an deren finsternissen teilnehmen und das geborgte licht nur reflektieren können (Brunt p. 134). Cyrano ergeht sich in ähnlichen betrachtungen (Hist. com. p. 243). Die cacklogallinischen mondreisenden verspüren ebenso wenig das bedürfnis nach essen und schlaf, w“ 2 Cyrano bei seinem aufstieg zur sonne. Die geschwindigkeit, mit welcher die expedition auf den mond herniederfährt (Brunt p. 135), gleicht der schnelligkeit des falles Cyranos (Voy. com. p. 108f). Cyrano trifft auf dem monde wahrhaft paradiesische land- schaften an, in deren reizen er förmlich schwelgt und sich verjüngt. Brunt ergeht sich bei seiner ankunft auf dem monde in ähnlichen überschwenglichen schilderungen der naturschön- heiten desselben, ihn ergreift ein gleicher freudentaumel, ein 2+ 16 gleiches entzücken wie sein vorbild. Wie Cyrano (Voy. com. p. 116 f) wird auch Brunt bei seiner ankunft von gestalten von riesigem wuchse umringt, die er fälschlich für die eigentlichen mondbewohner hält, während es nur schattenhafte Wesen sind (Brunt p. 140 ff.). Die verwandlungen, die diese je nach der schnelligkeit ihrer gedanken in die verschiedensten gestalten erleiden, sind offenbar auf die metamorphosen der sonnenwesen Cyrano's zurückzuführen, die durch starkes innerliches wollen und vorstellen jede beliebige form annehmen können (Hist. com. p. 260 ff.). Die wirklichen mondbewohner entsprechen, abgesehen von dem unterschiede in den grössenverhältnissen, ihrer beschaffenheit nach denen Cyrano's. Sie sind nicht ganz geistiger und nicht ganz körperlicher natur, kennen keine krankheiten und sehen dem tode als einem freudigen ereignisse entgegen. Obwohl der analogieen noch mehrere sind, so können wir uns mit den angeführten zufrieden geben, da sie für un- sern zweck, nachweisung des zusammenhanges zwischen den werken Godwin's und Cyrano's mit der reise nach Cacklogal- inien, ausreichen. Die quellen, die Swift seinen „Gull. Tr“ zu grunde gelegt hat, sind dieselben wie diejenigen der “Voyage to Cacklogallinia“, denen sich für letztere noch die “Gull. Tr.” selbst anschliessen, woraus der berechtigte schluss gezogen werden darf, dass beide denselben verfasser gehabt haben. Vielleicht hat man es hier mit einer vorarbeit zu “Gull. Tr” zu thun. Wenn man in betracht zieht, dass sämtliche teile von „Gull. Tr.” erst 1727, also in demselben jahre wie die „Voy. to. Cackl.“ in druck erschienen sind, diese letztere aber wie wir bereits gezeigt haben, auch der dritten reise Gulliver's verpflichtet ist, so wird die autorschaft Swift's noch wahrschein- licher. Gegen einen fremden autor spricht auch die literarische erfahrung, die uns lehrt, dass ein schriftsteller, der sich in einem besonderen genre bethätigt hat, sich selten mit der ab- fassung eines einzigen Werkes desselben begnügt. Ausserdem wüssten wir auch keinen englischen schriftsteller zu nennen, der zu jener Zeit sich in dieser art von satirischem reiseroman Versucht hat, ausser Swift. Einen bedeutungsvollen hinweis haben wir ferner noch in einer kleinen anonymen satirischen Schrift gefunden: „Reise eines Europäers in den Mond nebst einer Reise-Beschreibung eines Monden-Bürgers von seiner Reise auf unsere Erdkugel.“ Copenhagen 1745. Dort wird p. 3 die 17 „Reise nach Cacklogallinien und weiter in den Mond“ als ein buch des berühmten Swift in England angeführt, „das schon“, wie der verfasser sich ausdrückt, „aus bekannten ursachen rar zu werden beginnt“. Welches konnten nun die ursachen die- ser rarheit sein? Wir halten dafür, dass die „Voy. to Cackl.“ alsbald nach ihrem erscheinen verboten wurde, da sie eine äusserst heftige socialpolitische satire auf England ist und sich mit verletzender rücksichtslosigkeit nicht nur gegen das eng- lische volk, den hof und die minister richtet, sondern auch nicht einmal die person des königs verschont. Wenn Swift schon seine „Gull. Tr.“ aus furcht vor eventuellen unannehm- lichkeiten zuerst anonym herausgab, und sich erst dann als verfasser bekannte, als der glänzende erfolg, den sein opus fand, ihn vor solchen sicherte, so hatte er bei der publikation der in rede stehenden schrift, deren satire weit bitterer ist und geradezu beleidigend wird, sicherlich noch eine begründetere ursache, seinen namen zu verschweigen. Diese lösung der autorenfrage ist noch in anderer hinsicht eine glückliche zu nennen, denn sie giebt uns einen sicheren anhalt, dass Swift auch das Godwin'sche werk ge- kannt haben muss, und macht die subjektive ansicht Hönncher's (Anglia X, 418), der fest überzeugt ist, dass die „Gull. Tr“ un- ter dem einflusse Godwin's stehen, trotzdem es ihm nicht ge- lungen ist, genügende beweise hierfür beizubringen, auch ob- jektiv glaubhaft. Wir gehen nunmehr zu der klarlegung der beziehungen über, die zwischen den „Gull. Tr“ und ihrer hauptquelle, den „Voy. com.“ Cyrano's, bestehen. Wir bemerken ausdrücklich, dass unsere arbeit in dieser hinsicht nur als eine ergänzung zu der Hönncher's aufzufassen ist, glauben aber zuversichtlich, dass die nachlese, welche derselbe uns übrig gelassen hat, nicht unlohnend und wohl der mühe wert sein dürfte, sie einzu- heimsen. Die anführung solcher beweisstücke, wie sie bereits Hönncher bemerkt hat, werden wir thunlichst vermeiden nnd nur dann darauf zurückkommen, wenn besondere gründe es erheischen sollten. 1 Der erste, der auf das abhängigkeitsverhältniss Swift's von Cyrano aufmerksam gemacht hat, scheint Charles Palissot (de Montenoy) in seinem hauptwerke „Mémoires pour servir à l'histoire de la litterature française“ (Paris 1771) gewesen zu 18 sein. Dort liest man unter Cyrano": “On voit qu'il (Cyrano) était parfaitement instruit des principes de Descartes; et ce qu'il gy a de plus remarquable c'est qu'il a fourmi à M. de Fontenelle, aw Docteur Snift, ... plusieurs idées dignes d’avoir €té mises en oeuvre par ces hommes celèbres.” - Wir werden zuerst die allgemeinen berährungspunkte bei- der romane besprechen, um damn zu zeigen, welche einzelheiten Swift etwa aus seiner französischen worlage tibernommen und auf sich hat einwirken lassen. Der hauptzweck, den Cyrano in seinen Woy. com.“ verfolgt, ist der beweis für die mehrheit der welten. Dieser beweis stiitzt sich besonders auf das philo- sophische princip: Es gibt durchaus keine absolute grösse, sondern alles mass ist nur relativ" (Woy. dans la Lune p. 103 ff.). Cyrano hat den eben erwähnten grundsatz allerdings nicht in worstehender fassung direkt ausgesprochen, sondern führt den- selben nur an einem praktischen beispiele vor, allein jeder denkende kann ihn leicht aus demselben herauslesen. Hören wir, was er sagt: “Il me reste a prouver qu'il y a des mondes infinis dans un monde infini. Représentez-vous donc l'univers comme un animal; que les étoiles, qui sont des mondes, sont dans ce grand animal, comme d'autres grands animaua, qui servent réciproquement de mondes à d'autres peuples, tels que nous, nos chevaua, etc., et que nous, & notre tour, sommes aussi des mom- des à l'égard de certains animaua, encore plus petits sans com- paraison gue mous, comme sont certains vers, des poua, des cirons; que ceua-ci sont la terre d'autres plus imperceptibles; qu’ainsi, de méme que nous paroissons chacun en particulier un grand monde à ce petit peuple, peut-être que notre chair, notre sang, 770s esprits me sont autre chose qu'une tissure de petits ani — maua, qui s'entretiennent, mous prétent mouvement par le leur, et, se laissant aveuglément conduire à notre volonté, qui leur sert de cocher, mous conduisent mous-mêmes et produisent tous ensemble Cette action que mous appelons la vie. Car, dites-moi, je vows prie, est-il malaise à croire qu'un pou prenne votre corps pour un monde, et que, quand quelqu'un d'eua voyage depuis l'une de vos oreilles jusqu’à l'autre, ses compagnons disent qu'il a voyage aua deua, bouts de la terre ou qu'il a couru de l'un & l'autre pôle? Oui, sans doute, ce petit peuple prend votre poil pour les forêts de son pays, les pores pleins de pituite pour des fontaines, !es bubs pour des lacs et des étangs, etc.; et, quand vous vows 19 peignez en devant et en arrière, ils prennent cette agitation pour le flua et le reflux de l'Océan?” (Hist. com. p. 162 ff.) Swift hat sich dieses beispiel wohl zu nutze gemacht und in Gul- liver's beiden ersten reisen verwertet, denn Lilliput und Brob- dingnag sind augenscheinlich auf der idee jenes physicalischen princips aufgebaut. Die betrachtungen, welche Gulliver an- stellt, als er in todesängsten schwebt, von der sichel des riesen durchschnitten zu werden, geben uns einigen auf- schluss darüber: “Undoubtedly philosophers are in the right nohen they tell us that nothing is great or little othernyise than by comparison. It might have pleased fortune, to have let the Lilliputians ſind some nation where the people were as diminutive with respect to them, as they nyere to me. And myho knows but that even this prodigious race of mortals might be equally over- malched in some distant part of the norld, whereof mye have yet no discovery?” (Gull. Part. II, 12). «- Wenn wir von Lilliput abstrahieren, so beobachtet Swift hinsichtlich seines helden dasselbe verfahren wie sein franzö- sischer vorgänger. Cyrano und Gulliver spielen nur eine recht passive rolle, lassen alle eindrücke auf sich wirken, ohne ir- gendwie bedeutsam handelnd einzugreifen und sind eigentlich weiter nichts als einfache reiseberichterstatter, die es trefflich verstehen, land und leute anschaulich zu schildern und den gegensatz zwischen den erdichteten völkern und den ihrigen effektvoll hervortreten zu lassen. Beachtenswert ist ferner eine vielleicht nicht ganz zu- fällige übereinstimmung der beiden verwandten satiriker. Ob- wohl man eigentlich erwarten konnte, dass Cyrano und Gulliver als einzige repräsentanten des verhassten menschengeschlechtes, gegen das sich ihre in ironie, spott und hohn getauchte sati- rische feder wendet, bei den fremden nationen, die sie be- suchen und die vermöge ihrer höheren geistigen und moralischen entwicklungsstufe sich von dem entarteten, erbärmlichen und lasterhaften geschöpfe, das sich mensch nennt, nur mit abscheu abwenden oder wenigstens demselben nicht mit entgegen- kommen und wohlwollen begegnen sollten, so finden beide dennoch in dem jeweiligen lande stets einen gönner und be- schützer, der sich ihrer annimmt, wenn auch in wirklichkeit sie nichts dazu beigetragen haben, was sie etwa aus dem menschengeschlechte exceptionnel heraustreten lassen könnte. 20 Wir erinnern nur an den dämon auf dem monde, die elster bei den vögeln auf der sonne und an Glumdalclitsch in Brobdingnag sowie das herrpferd bei den Houyhnhnms. Dieses begünstigungs- verfahren ist um so auffallender, als es nicht mit dem masse der aufgewandten scharfen menschensatire in einklang steht. In dem aufbau der menschensatire beobachten Cyrano und Swift im allgemeinen eine ähnliche steigerung. In den reisen nach dem monde und nach Brobdingnag ist die satire nicht so heftig und verletzend wie in den reisen nach der sonne (Hist. des oiseaux) und zu den pferden. Laputa kommt hier nicht in betracht, da sich dort die satire mehr gegen eine bestimmte klasse von menschen richtet. Diese steigerung findet allein schon ihren ausdruck in der wahl derjenigen wesen, die des menschen spotten. Im monde und in Brobdingnag sind es menschen oder doch immerhin menschenähnliche geschöpfe, auf der sonne aber und im lande der Houyhnhnms sind es tiere, welche den menschen auf eine sehr niedrige entwicklungs- und verstandesstufe herabzudrücken versuchen. Dieser äusserlich- keit entspricht die satire selbst, sie nimmt an schärfe und bitterkeit zu. Bei den mondbewohnern und den riesen duldet man Cyrano resp. Gulliver schliesslich noch als menschliche wesen, welche die natur nur etwas vernachlässigt habe, die vögel aber und die pferde sind weit unversöhnlicher und ver- bannen sie aus ihren ländern. Eine zweite, auffallendere übereinstimmung illustriert den einfluss der „Voy. com.“ auf „Gull. Tr“ noch näher. Die satire bei den vögeln weist in einzelnen zügen nur eine wiederholung dessen auf, was bereits die mondbewohner gegen die menschen angeführt haben. So z. b. die schilderung aller derjenigen körperlichen nachteile, welche der mensch den tieren gegenüber hat (Voy. dans la Lunep. 143 und Sonnenreise p. 277, 281 u. 287). In dieselbe art der wiederholung verfällt Swift. Diese übertragung von etwas schon gesagtem tritt in den gesprächen des riesenkönigs und des herrpfcrdes mit Gulliver zu tage. Wir machen nur auf die schilderung des krieges und der kriegswerkzeuge in der zweiten und vierten reise aufmerksam (Gull. Part II, ch. VII, 167 u. Part IV, ch. V, 287). Für Lilliput müssen wir es verneinen, dass Swift die ent- stehung desselben Cyrano schulde. Obwohl wir an einer frühe- ren stelle (s. w. o.) behauptet haben, dass Lilliput und Brob- 2f dingnag auf dem princip der verneinung aller absoluten grösse aufgebaut sind, einem princip, welches sich in den werken Cyranos ausgeführt findet, und jetzt eben eine hernahme der idee zu Lilliput von Cyrano leugnen, so werden wir doch gleich zeigen, dass dies nur ein scheinbarer widerspruch ist und dass in wirklichkeit beide ansichten sehr wohl mit einander Ver- bunden werden können. Wir sind nämlich überzeugt, dass Swift Lilliput bereits componiert hatte, ehe er die satirischen reisen Cyrano's gelesen, dass er also noch gar nicht daran denken konnte, jenes physikalische princip zu verwerten. Der gedanke dazu ist ihm erst durch die lektüre Cyrano's ge- kommen, und diese hat ihn angetrieben, in Brobdingnag den gegensatz zu Lilliput darzustellen. Mit ausnahme jener bereits oben erwähnten stelle, wo Swift die kinder zur undankbarkeit gegen ihre eltern aufmuntert, wüssten wir keine genügende belege für eine eventuelle beeinflussung Swift's in Lilliput durch Cyrano anzuführen. Das pädagogische kapitel über die er- ziehung der kinder (Gull. Part. I, ch. VI, 86), in welchem die oben angeführte übereinstimmung vorkommt, ist nach unserer überzeugung erst ein späterer einschub Swifts. Zu unserer freude können wir konstatieren, dass unsere selbständig ge- wonnene überzeugung nichts befremdendes hat, da schon Rich. M. Meyer in seiner abhandlung: „J. Swift und J. Ch. Lichten- berg, zwei Satiriker des 18. Jahrhunderts“, Berlin 1886, p. 22, auf das unorganische einschieben dieses kapitels hingewiesen und dies technisch einen fehler genannt hat. Gegen ein ab- hängigkeitsverhältniss Lilliput's von Cyrano sprechen auch einige bemerkenswerte gründe, wenn man vielleicht einige über- einstimmungen als bestehend annehmen wollte, wie es Hönn- cher thut (Anglia X, 412ff). Einmal trägt die satire in Lilliput einen speciellen charakter und ist vornehmlich eine socialpoli- tische. Von dem allgemeinen charakter bittrer menschensatire, die erst mit Brobdingnag anhebt und welche auch einen grund- zug des französischen romans bildet, ist hier noch so gut wie gar nichts zu spüren. Dann aber auch spielt Gulliver bei den zwergen eine bedeutsame rolle. Er hat das wohl und wehe der Lilliputaner ganz in seiner hand, er ist durchaus noch nicht jener einfache reiseberichterstatter, zu welchem er in den fol- genden teilen immer mehr herabsinkt, und als welchen man Cyrano auch nur gelten lassen kann. Endlich möchten wir 22 noch in die wagschale werfen, dass in Lilliput Gulliver nur ausschliesslich mit dem fürsten und seinen hofleuten in be- rührung kommt, während er in Brobdingmag auch schon mit personen aus dem volke in verbindung tritt. Der verkehr Cy- rano's auf dem moude beschränkt sich ebenfalls nicht allein auf den könig und hof, er kommt auch noch mit andern leu- ten Zusammen. á - Welchen anregungen Swift die abfassung Lilliputs ver- dankt, dafür dürften sich einige anhaltspunkte aus einem in den ausgaben seiner werke angeführten traktate ergeben. Die englische ausgabe von 1758 (Dublin) erwähnt denselben in den memoiren des Martinus Scriblerus unter dem titel: „An Essay of the learned M. Scriblerus, concerning the origine of sciences“, by Mr. Pope and Dr. Parnel. Dieser verspottet u. a. in ernsthaftem tone den eingewurzelten glauben an die fabeln von den Pygmaeen, von denen dichter und geschichts- schreiber ohne einschränkung als von wirklich existieren- den wesen sprechen. Aristoteles scheint besonders von dem vorhandensein der Pygmaeen überzeugt gewesen zu sein. „Was man von den Pygmaeen erzählt“, sagt er, „ist durchaus nicht eine fabel, es ist eine wahrheit“ (Le Roux de Lincy: le livre des légendes, Paris 1836, p. 156, anm. II). Der traktat befindet sich in vol. 5 pag. 117–123 der oben genannten ausgabe. Es heisst dort pag. 117: „Wor Troy nor Thebes n'ere the first of empires; ne have mention though not histories, of an earlier nyar- like people called the Pygmaeans. I cannot but persuade myself from those accounts in Homer, Aristotle, and others of their history, nars and revolutions, and from the very air in myhich those authors speak of them as of things known, that they nyere then a part of the study of the learned. Der glaube an das bestehen solcher zwergvölker hat sich Von den ältesten zeiten her durch die kirchenväter hindurch bis in Swift's zeit hinüber gerettet. Auf diesem fussend, lässt Swift seinen Gulliver das seit der griechenzeit her ver- geblich gesuchte land der Pygmaeen plötzlich entdecken. Allein die ganze art und weise der beschreibung dieser lilli- putanischen nation muss in uns das gefühl erwecken, dass Swift neben andern zwecken auch jener vor augen geschwebt Gulliver's reisen sollten einen teil des von dem 1714 gestifteten Scriblerus klub geplanten werkes bilden (cf. Quarterly Review, vol. 156, p. 46). 23 habe, diesen glauben an zwerge lächerlich zu machen. Dass Swift sich nicht ganz von der griechischen fabel der Pygmaeen hat frei machen können, geht aus dem ersten kapitel Lilliput's hervor, in welchem er ein bild des schlafenden Gulliver be- schreibt, wie derselbe von schwärmen der Lilliputaner belagert wird, dessen ähnlichkeit mit dem von Philostrat (Herodot II, 32) entworfenen des schlafenden Hercules wenig zu wünschen übrig lässt. Andere anhaltepunkte für eventuelle quellen Lilli- puts haben wir nicht entdecken können. Wenn es uns aber gestattet ist, eine vermutung auszusprechen, so möchten wir auf das werk eines professors zu Cambridge (1654–1712) als mögliche quelle hinweisen. Dessen titel lautet: „Geramia: A New Discovery of a little Sort of People, anciently discovered of called Pygmies. By Joshua Barnes, B. D. London 1675.“ cf. William Thomas Lownders: „The Bibliographers Manual of English Litterary“, p. 116). Für diese vermutung haben wir jedoch sonst keine anhaltepunkte, da das werk uns leider nicht zugänglich gewesen ist. " Die einwirkung der lektüre der „Voy. com.“ auf die reise nach Brobdingnag macht sich nicht nur in der allgemeinen menschensatire, sondern auch in der fabel selbst geltend und lässt sich deutlich bis in die kleinsten details verfolgen. Vor allem hat hier die mondreise als vorlage gedient. Die bewohner Brobdingnag's sind wie die des mondes riesen. Ihre umgebung steht zu ihrer riesigen grösse in ent- sprechendem verhältnisse. Dieser punkt ist allerdings bei Cy- rano nur ganz leicht angedeutet, während Swift ihm die ganze fabel hindurch seine aufmerksamkeit zuwendet, niemals die richtigen dimensionen aus dem auge verliert und verschiebt, wodurch er bewirkt, dass das interesse mehr an der fabel selbst als an der satire haftet. Cyrano und Gulliver erregen wegen ihrer kleinheit ausser- ordentliches aufsehen: “Lorsque ce peuple me vit si petit; car la plupart d'entre euac ont douze coudés de longeur, . . . . ils ne pu- rent croire que je fusse un homme“, schreibt Cyrano (Voy. com. p. 117). Beide werden als monstreuse wesen angesehen. Die gelehrten des landes ergehen sich in analogen speculationen über ihre species und kommen schliesslich zu demselben re- sultat. Bei Swift (Gull. p. 137) lassen sie ihn nur als Replum Scalcath gelten, das so viel wie lusus naturae bedeutet. Bei 24 Cyrano schliessen die mondweisen „ . . . mais, dédaignant de se méler de la construction de ces deux brütes (Gonzales und Cy- rano), Dieu les abandonna au caprice de la nature” (Voy. com. p. 143). Anknüpfend an die vielfachen angriffe Cyrano's auf Aristo- teles und die scholastische schule, kann es Swift sich auch nicht versagen, demselben einen satirischen hieb zu versetzen. Als die examinatoren auf befehl des königs Cyrano's vernunft prüfen und ihn zu diesem Zwecke einem examen in der philo- sophie unterwerfen, beruft er sich auf Aristoteles, wird aber sofort von denselben mit den worten abgewiesen: “Cet Aristote, dont vous vantez si fort la science, accomodoit sans doute les. principes (principien oder die ersten ursachen sind nach Lange, Geschichte des Materialismus, Iserlohn 1866, p. 88 „eine reihe vom begriffen, die Aristoteles als grundlage für seine anschau- ungsweise dienen) à sa Philosophie, au lieu d'accomoder sa Phi- losophie aux principes, et encore devoit-il les prouver au moins plus rais072Nables que ceuac des autres Sectes dont vous Nous avez parlé" (Vog. com.ºp. 145). Als die gelehrten Gulliver, den sie auf verlangen des königs untersuchen, für ein naturspiel er- klären, macht derselbe folgende boshafte bemerkung, deren spitze gegen die aristotelische philosophie gerichtet ist: “A deter- mination exactly agreeable to the modern philosophy of Europe, nohose professors, disdaining the old evasion of occult causes, nohereby the folloners of Aristotle endeavoured in vain to disguise their ignorance, have invented this wonderful solution of all diff- culties, to the unspeakable advancement of human knowledge“ (Gull. Part. II, 137). M Als Gulliver wie eine art ungeheuer behandelt wird, em- pfindet er dies als eine demütigung. Aehmlichen empfindungen über eine unwürdige behandlung verleiht Cyrano in den wor- ten ausdruck: “Mais le ciel fléchi de mes douleurs et fäché de voir profaner le Temple de son matre . . .” (Voy. com. p. 118). In beiden werken wird die grosse schnelligkeit betont, mit welcher unsere gefangenen von einem Ort zum andern gebracht werden. Als Cyrano laut dekret für einen papagei ohne federn er- klärt wird, erhält er einen käfig angewiesen. Gulliver wird auf seiner reise auch in eine art käfig, einen kasten, gesteckt (Voy. com. p. 144 u. Gull. p. 133). 25 Gulliver wird von seinem besitzer, dem riesenpächter, öffentlich für geld gezeigt und muss allerlei belustigende kunst- stücke machen. Ein gleiches bei Cyrano. Der Bateleur, dem er übergeben, unterrichtet ihn, à faire le godenot, à passer des culbutes, à figurer des grimaces, et les après-dinées, il faisoit prendre à la porte un certain priac de ceux qui me vouloient voire“ (Voy. com. p. 118). Die wunderbaren berichte über sie locken ein zahlreiches publikum herbei, das vor neugierde brennt, sie zu sehen. Wie bei uns etwa die kinder einen affen necken, indem sie nach ihm werfen, so werden beide von den zuschauern beworfen. Bei Cyrano heisst es (Voy. com. 142): “Ouelques-uns nous jettoient des pierres; d'autres, des noiac”. Bei Swift ist das wurfgeschoss, dessen sich ein schulknabe bedient, ebenfalls eine nuss. Der riesenpächter ist nur auf seinen vorteil bedacht und gönnt Gulliver keine zeit zur erholung. Aehnlich der tierwärter auf dem monde: “. . . Quand mon Bateleur s'apergut que la cham- bre commencoit ä s'ennuyer de mon jargon . . . . il se remit de plus belle à tirer ma corde pour me faire sauter” (Voy. com. 124). Gulliver wird beim verlassen seines reisekäfigs auch an einer leine befestigt (Gull. p. 133). Glumdalclitsch, welche Gulliver unterweist, bemüht sich, die härten seiner reise und behandlung zu mildern (Gull. p. 133). Sie hat hier etwa dieselbe rolle wie der dämon oder die eine prinzessin auf dem monde. Der dämon belehrt Cyrano eben- falls und erleichtert ihm seine gefangenschaft: “Presque tous les jours le Démon me venoit visiter et ses merveilleuac entretiens me faisoient passer sans ennui les violances de ma captivité" (Voy. com. 125). »- - Gulliver und Cyrano werden beide an den hof befohlen und sind zur belustigung der königin bestimmt. In Brobding- nag hat die königin bereits ein geschöpf von ähnlicher klein- heit, einen zwerg, als hofnarr, dessen grösse allerdings die Gullivers bei weitem übertrifft. Auf dem monde hält sich die fürstin zu ihrer zerstreuung ebenfalls noch ein kleines wesen derselben art wie Cyrano, den Spanier Gonzales (Voy.com. p. 132). Cyrano und Gulliver verdrängen ihre rivalen aus der gunst der königinnen und geniessen diesen gegenüber den Vor- zug. Zwischen ihnen und den zurückgesetzten besteht eine f 26 gewisse gegnerschaft, die sich bei Cyrano hauptsächlich auf das geistige gebiet, auf die philosophischen ansichten beider erstreckt, während sie aber bei Gulliver in offene feindseligkeit ausartet. Gulliver wird der liebling der hofdamen, die sich mit- samt dem ganzen hofe an ihm belustigen: “It nyas every day furnishing the court with some ridiculous story“ (Gull. p. 157). Auf dem monde ist Cyrano auch der liebling des hofes und der prinzessinnen und nimmt dort die gleiche stelle eines spass- machers ein: “Déjà les compagnies ne s'entretenoient plus que de la gentillesse de mes bons mots” (Voy. com. 145). Die innige freundschaft von Glumdalclitsch gleicht der zuneigung der jüngsten prinzessin, die Cyrano sogar in seine welt folgen will (Voy. com. p. 177). Vielleicht hat auch die schilderung der speisezubereitung auf dem monde (Voy. com. 128) Swift veranlasst, der küchen- einrichtung auf -Brobdingnag (Gull. p. 148) zu gedenken, und vielleicht ist auch die hinrichtung des verbrechers auf Brob- dingnag (Gull. p. 152) durch die auf dem monde (Voy. com. p. 179) veranlasst worden, wenngleich die art der vollziehung derselben in beiden werken eine ganz verschiedene ist. Gulliver hebt besonders hervor, dass die riesen weit in der pflege der mechanischen künste vorgeschritten sind. Die be- schreibung aber der beweglichen und der feststehenden häuser auf dem monde, von denen letztere in den boden geschraubt werden können (Voy. com. 167 f.), sowie die des sprechenden buches (Voy. com. p. 178) deutet darauf hin, dass die mondbe- wohner ebenfalls auf einer hohen stufe der mechanik gestan- den haben müssen. Wir glauben auch, dass die schilderung der kriegsführung auf dem monde durch die prinzessin immerhin Swift zu eini- gen bemerkungen jenes berichts angeregt haben kann, welchen Gulliver dem riesenkönige oder dem herrpferde über die ur- sachen der kriege und die art der kriegswerkzeuge in seinem lande giebt, wenngleich hierfür sich auch vorlagen in einzelnen staatsromanen, ganz besonders aber bei La Bruyere: „Carac- tères“, ch. XII (Des Jugements), Ed. Paris 1768, p. 107 ff. finden lassen. Hierfür sprechen einige worte, die Swift und Cyrano darüber äussern. Ersterer lässt Gulliver folgendes sagen, als der könig ihm bei todesstrafe verboten hatte, nie mehr zu ihm yon jenen furchtbaren kriegswerkzeugen zu sprechen: “A strange O 27 effect of narron principles and viens ! that a prince possessed of every quality n»hich procures veneration, love, and esteem, of strong parts, great nºisdom, and profound learning; endon/ed With admirable talents, and almost adored by his subjects, should from a nice unnecessary scruple, nhereof in Europe ne can have n0 conception, let slip an opportunity put into his hands that nould have made him absolute master of the lives, the liberties, and the fortunes of his people“ (Gull. Tr. 168). *. Cyrano äussert der prinzessin gegenüber denselben ge- danken: “J'alléguois, pour exemple, d'une bien plus forte politique, les coutumes de notre Europe, oi le Monarque n'avoit garde domettre aucun de ses avantages pour vaincre” (Voy. com. 147). Der könig hält Cyrano für das weibchen des kleinen Spa- niers, dessen bekanntschaft ersterer am hofe gemacht hatte, und welcher dort für einen affen angesehen wurde. Er befiehlt daher, die beiden zusammen zu sperren: “Le roi commanda au gardeur de singes de nous ramener, avec ordre exprès de nous faire coucher ensemble l'Espagnol et moi pour faire en son ro- yaume multiplier notre espèce" (Voy. com. 132). Denselben paarungsversuch möchte der könig von Brob- dingnag anstellen, nur steht ihm kein geschöpf derselben art wie Gulliver hierfür zu gebote: “He was strongly bent to get me a noman of my onn size, by nohom I might propagate the breed" (Gull. Part II, 172). Aus der übereinstimmung dieser stellen geht klar und deutlich der plagiarismus Swifts hervor. Denn obgleich es an einem wesen derselben art wie Gulliver vollkommen fehlt, so kann Swift sich trotzdem nicht enthalten, diesen gedanken Cy- rano's hier anzubringen. Dem beispiele Cyrano's folgend, dem es auf dem monde nicht behagen will (Voy. com. p. 187), sehnt sich Gulliver eben- falls von Brobdingnag weg. Beide verlassen ihren aufenthalts- ort auf dem luftwege. Der kapitän, der Cyrano nach Frank- reich, und derjenige, der den aufgefischten Gulliver nach England bringt, wollen beide keine bezahlung für die überfahrt annehmen. Beide schriftsteller weisen gemeinsam darauf hin, dass sie nur auf fremdes drängen ihre reisen veröffentlicht haben. Bei Swift ist es der schiffskapitän, der ihm dazu rät: “The captain 28 nwas very nell satisfied nith this plain relation I had given him, and said, “he hoped, n»hen ne returned to England, Invould ob- lige the world by putting it on paper and making it public” (Gull. Part II, 180). Cyrano muntert sein freund, der Marquis von Colignac, zu der publikation auf, wie wir aus der sonnenreise entnehmen können: “M. de Colignac, ravi d'entendre des choses si eactra- ordinaires, me conjura de les rédiger par ecrit” (Voy. com. 207). Man beachte wohl das versteckte, aber trotzdem ziemlich offenkundige selbstlob, das in diesen stellen zu tage tritt. Auch in dem dritten teile von Gulliver's reisen, dem schwächsten von allen, lässt sich eine gewisse abhängigkeit von Cyrano's “Voyages comiques" nicht verkennen. Laputa, jene wunderinsel, deren flug, heben und senken mit hilfe der ausserordentlichen kraft eines magneten sich voll- zieht, dürfte wohl ihr entstehen auf jene maschine zurück- führen, mit welcher das erfinderische genie des kühnen fran- zösischen luftschiffers den schönen jüngling, welchen er bei seiner ankunft auf dem monde getroffen hat, seinen Weg zu diesem gestirne zurücklegen lässt: “Je pris de l'aimant environ deux pieds en carré, que je mis dans un fourneau; puis, lorsqu'il fut bien purgé, précipité et dissous, j'en tirai l'attractif calciné, et le réduisis à la grosseur d'environ une balle médiocre. En suite de ces préparations, je fis construire une machine de fer fort légère, dans laquelle j'entrai . . . . et, lorsque je fus bien ferme et bien appuyé sur le siége, je jettai fort haut en lair cette boule d'aimant: 0r la machine de fer, que j'avois forgée tout eaprès plus massive au milieu quaux extrémités, fut enlevée aussitót, et dans un parfait équilibre, ä cause qu'elle se poussoit plus vit par cet endroit. Ainsi donc, ä mesure que j'arrivois 0it l'aimant m'avoit attiré, je rejettois aussitót ma boule en 'air au dessus de moi“ (Voy. com. 114–115). Diese eingehende schil- derung Cyrano's der magnetischen kraft spiegelt sich ab in der ausführlichen detaillierung der beschaffenheit und wirkung des magneten, der Laputa regiert. Eine einwirkung des durch magnetische kraft bewegten luftfahrzeuges auf die technische erklärung des problems der fliegenden insel ist kaum zu be- zweifeln. Swift hat es nur verstanden, demselben eine grössere wahrscheinlichkeit zu verleihen und es mit einer geradezu an- steckenden glaubwürdigkeit auseinander zu setzen. Gleicht 29 Cyrano hier mehr einem Münchhausen, der, als er sich vom monde an einem stricke herablässt, immer das obere ende des- selben abschneidet und unten wieder anknüpft, so ähnelt Swift hier eher einem Jules Verne, der seine extravaganten ideen mit hilfe des ganzen wissenschaftlichen apparates der möglich- keit der verwirklichung nahe zu bringeu sucht. Inhaltlich scheint Laputa neben der verspottung der wissen- schaften im allgemeinen auch einen kräftigen protest gegen Cyrano’s übergrosse wertschätzung der philosophie, welcher, dem beispiele Plato's folgend, die philosophen für die regierung eines landes am geeignetsten hält und alle staatsgeschäfte in die bevorzugte klasse der mondbewohner, der philosophen, legt, zu enthalten. Ausser den vielfachen beweisen in der mondreise, die hierfür sprechen, wollen wir die aufmerksamkeit nur auf die vornehmste stellung des philosophenreiches unter allen staatswesen der sonne lenken. Der senat im reiche der liebenden befiehlt z. b. in der klagesache einer frau gegen ihren mann wegen vernachlässigung beiden, die entscheidung den philosophen zu überlassen, zu welchem Zweck jene sogar eine weite reise unternehmen müssen (Voy. com. 338–339). Dass Swift gerade mathematiker gewählt hat, um seine abweichende ansicht in dieser frage zu kennzeichnen, ist für uns an dieser stelle gleichgiltig. Wir fassen sie lediglich als repräsentanten des gelehrtenstandes auf. Er ist der meinung, dass den ge- lehrten überhaupt der richtige blick für das praktische leben abgeht. Ganz eingenommen von ihren spekulationen, deren resultate sie zwar richtig gewinnen, aber nicht anwenden kön- nen – so dienen z. b. ihre kenntnisse und erfahrungen von den himmelskörpern einzig und allein dazu, ihnen eine klein- liche furcht einzuflössen (Gull. II, 198) – haben die Laputarier nur wenig sinn für die vorgänge um sich. Selbst ihren wei- bern schenken sie nicht einmal die notwendige aufmerksam- keit, was zur folge hat, dass diese sich fremden in die arme werfen und selbst in ihrer gegenwart sich unbesorgt vertrau- lichkeiten hingeben können. Vielleicht dürften wir in dieser vernachlässigung wiederum ein wenig den einfluss Cyrano's erblicken, vielleicht ist dieselbe durch die vernachlässigung der frau seitens ihres mannes im reiche der liebenden inspiriert. (Voy. com. 338). 30 Wenn Swift die mathematiker Laputa's als tiefe grübler, als träumer darstellt, so entbehrt es nicht der wahrscheinlich- keit, dass er hier auf die sonnenreise seines Vorgängers zu- rückgegangen ist. Bei der beschreibung des “Lac du Sommeil" erfahren wir nämlich folgendes: “Pour moi, je pense que ce lac évapore un air qui a la propriété d'épurer entièrement l'esprit de l'embarras des sens; car il ne se présente rien à votre pensée qui ne semble vous perfectionner et vous instruire: c'est ce qui fait que j'ai le plus grand respect du monde pour ces Philosophes, qu'on nomme réve urs, dont nos ignorans se moquent” (Voy. com. 329). Für den von uns oben angenommenen protest Swift's gegen eine regierung der philosophen, d. h. der gelehrten überhaupt, spricht folgende stelle: “But nohat I chiefly admired, and thought altogether unaccountable, was the strong disposition I observed in them tonyards menys and politics, perpetually inquiring into public affairs, giving their judgments in matters of state, and passionately disputing every inch of a party opinion. I have indeed observed the same disposition among most of the mathe- maticians I have knonyn in Europe, although I could never dis- cover the least analogy between the tnyo sciences; unless those people suppose, that because the smallest circle has as many degrees as the largest, therefore the regulation and management of the norld require no more abilities than the handling and turning of a globe : but I rather take this quality to spring from a very common iufirmity of human nature, inclining us to be most curious and conceited in matters myhere mye have least concern, and for n»hich we are least adapted by study or nature” (Gull. II, 197–198). Die ankunft der fliegenden insel wird von Swift in ähn- licher weise beschrieben, wie diejenige des von dem grossen riesenvogel getragenen käfigs, in welchem die beiden liebenden ihre reise zu der philosophenprovinz bewerkstelligt haben (Voy. com. 337 u. Gull. I, 178–179). Als Cyrano, von wissensdurst getrieben, den von der sonne stammenden dämon über die art seiner entstehung und seines todes befragt, weist dieser darauf hin, dass er mit seinen gro- ben menschlichen sinnen dies doch nicht begreifen würde. “Vos autres“, belehrt er ihn, “ne sauriez donner jusqu'à ces hautes conceptions que par la foi, à cause que les proportions Zf à ces miracles vous manquent, non plus qu'un aveugle ne sauroit s'imaginer ce que c'esl que la beauté d'un paysage, le coloris d'un tableau, et les nuances de l'iris; ou bien ils se les figurera tantót comme quelque chose de palpable, comme le manger, comme un son, ou comme une odeur” (Voy, com. 124). Aus diesem vergleich des menschen mit einem blinden weiss Swift wieder geschickt seinen nutzen herauszuschlagen. In der akademie von Lagado unterrichtet ein blinder künstler seine ebenfalls blinden lehrlinge im mischen der farben. “There nwas a man born blind, myho had several apprentices in his onym condition: their employement n/as to miac colours for painters, nwhich their master taught them to distinguish by feeling and smelling. It was indeed my misfortune to find them at that time not very perfect in their lessons, and the professor himself hap- pened to be generally mistaken. This artist is much encouraged and esteemed by the whole fraternity" heisst es Gull. V, 211– 212. Offenbar eine ziemlich starke anlehnung. Wir glauben nicht fehl zu greifen, wenn wir die anregung zu dem projekt des einen gelehrten, “ to calcine ice into gun- powder" (Gull. V, 211) auf eine bemerkung des kleinen Spa- niers auf dem monde zurückführen: “Je vois fort bien", heisst es Voy. com. p. 137, “que vous me demanderez pourquoi donc l'eau restreinte par la gelée dans une vase, le fait crever....? Ebenso scheint Swift diese stelle aus den Voy. com. für seine satirischen zwecke verwertet zu haben: “Cette eau sti- giade, de laquelle 07 emp0isonna le grand Alexandre, et dont la froideur pétrifia ses entrailles . . . .“ (Voy. com. 318). In „Glub- dubdrib“ lässt er nämlich den geist Alexanders die ursache seines todes dahin berichtigen: “that he nyas not poisened, but died of a bad fever, by excessive drinking” (Gull. VII, 225). Bevor wir uns den abhängigkeitsbeweisen der „Voyage to the Houyhnhnms“ von Cyranos „Voyages comiques“ zuwenden, wollen wir der vollständigkeit wegen noch einige andere quel- len für erstere vermerken. Als solche werden in einer ab- handlung der „Quarterly Review“ 1883, vol. 156, p. 42 ff. zu dem vierten teile von Gullivers Reisen „The Arabian Nights“ und Godwin's „Voyage of Domingo Gonzales“ bezeichnet. “We think it very likely”, heisst es dort weiter, “that the Houyhnhnms nere suggested by the forty-fifth chapter of Solinus and that several strokes for the Yahoos n'ere borronved from the Travels 3* Z2 of Sir Thomas Hcrbert.” Obwohl wir nach den angaben von Notes & Queries, 1852, vol. V, p. 271 mit sicherheit constatieren können, dass Swift mit Herbert's Travels vertraut gewesen ist, so bieten sich für eine etwaige anknüpfung desselben an die eben genannten werke mit ausnahme an das Godwin's, dessen einfluss auf Gull. Trav. bereits genügend von Hönncher (Anglia X, 452–456) hervorgehoben ist, nur so unbestimmte und wenig wahrscheinliche vermutungen, dass wir ein näheres eingehen auf diese quellen als belanglos haben fallen lassen. - Man hat wohl die frage aufgeworfen, warum Swift als gegenbild zu den scheusslichen Yahoos gerade pferde gewählt habe. Die antwort lautet gewöhnlich, dass der grund hierfür in Swifts persönlicher vorliebe für dies edelste der haustiere zu suchen sei. Auch Hönncher adoptiert diese erklärung als ziemlich wahrscheinlich und lässt sich so eine günstige gelegen- heit entschlüpfen, dieselben auf eine offenbare einwirkung der Voy. com. zurückzuführen. Wir haben hierbei jene stelle im auge, wo der nackte zwerg auf einer jener kleinen welten, welche um die sonne circulieren, Cyrano aufschluss über die geheimnisse der zeugung giebt und u. a. behauptet, dass der mensch deshalb längere zeit als die andern übrigen geschöpfe im mutterleibe zubringen müsse, weil er als das vollkommenste wesen der schöpfung dreier „coctions“ bedürfe, um die drei ent- sprechenden fähigkeiten: „la puissance de croitre, la puissance vitale et la puissance de raisonner“ zu erlangen. Cyrano hält ihm aber entgegen, dass der eben entwickelten theorie gemäss eigentlich das pferd als das vollkommenste geschöpf gelten müsse, da es ja in wirklichkeit längere zeit im mutterleibe zur reife gebrauche als der mensch (Voy. com. p. 249). Hier liegt der ursprung von Swift's pferdegestalten mit ihren an weisheit und moral den menschen weit überlegenen naturen. Die er- klärung des wortes Houyhnnm, das seiner ethymologie nach Wir wollen bei dieser gelegenheit nicht verfehlen, darauf aufmerk- sam zu machen, dass das Godwinsche werk uns auch in einer deutschen übersetzung zugänglich gemacht ist. Der übersetzer ist der verfasser des Simplicissimus, Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen. Der titel lautet: „Der fliegende wunder-mann nach dem mond oder eine gar kurz- weilige und seltzame beschreibung der neuen welt des mondes, wie solche von einem geborenen Spanier, mit namen Dominico Gonzales, beschrieben: und der nach-welt bekannt gemacht worden ist. Aus dem Französischen ins Teutsche übersetzt. Wolfenbüttel, 1659, 129. Hönncher scheint diese übersetzung nicht gekannt zu haben, da er sie nirgends erwähnt. ZZ so viel wie „vollkommenheit der Natur“ (Gull. ch. III, 275) be- deutet, ist nur geeignet, unsere annahme als begründet erschei- nen zu lassen. Zwischen der erfahrung, welche Cyrano sowie Gulliver bei ihrer ersten ankunft machen, lassen sich gewisse ähnlichkeiten nicht wegleugnen. Als beide reisende ihren weg in das innere des landes fortsetzen wollen, treffen sie auf seltsame geschöpfe, die auf allen vieren gehen und trotzdem zu ihrem grössten erstaunen ein vollkommen menschliches aussehen haben. Cyrano macht diese beobachtung sogleich: “Quand je les pus discerner de prés, je connus qu'ils avaient la taille et la figure comme nous" (Voy. com. 116), Gulliver freilich erst später: “My horror and astonish- ment are not to be described, myhen I observed in this abominable animal a perfect human figure” (Gull. ch. II, 270). Unmittelbar hieran knüpfen nun beide satiriker vergleiche zwischen diesen tiermenschen und den gewöhnlichen menschen und suchen die seltsamen körperbildungen derselben als durch- aus nicht so sehr auffallend hinzustellen, indem sie darauf hinweisen, dass man auch bei den letzteren ähnliche erschei- nungen beobachten könne. Obwohl bei beiden das kriechen der kinder eine gewisse rolle spielt, so müssen wir doch ein- gestehen, dass Swift hier nur den gedanken adoptiert, im übri- gen aber ziemlich selbständig verarbeitet hat (cf. Voy. com. 117 und Gull. Tr, ch. II, 270). Uebereinstimmend stossen ferner beide abenteurer zunächst nur auf einzelne exemplare dieser monströsen geschöpfe, die aber alsbald eine grössere anzahl ihrer gattung herbeilocken und nun unsere helden mit wütendem geschrei begrüssen (cf. Voy. com. 116–117 und Gull. Tr, ch. I, 265). Cyrano hält auf dem monde alles für zauberei: “Certes, ma surprise fut si grande que dès lors je m'imaginai que tout le globe de la Lune, tout ce qui my étoit arrivé et ce que j'y voyais n'étoit qu'enchantement" (Voy. com. 126). a-, Gulliver denkt dasselbe, als er die pferde sprechen hört und ihre wohnungen in angenschein nimmt: “I then absolutely concluded, that all these appearances could be nothing else but necromancy and magic” (Gull. Tr. ch. II, 269). Cyrano wird von dem sohne eines gasthofbesitzers, bei welchem der dämon mit ihm auf der reise an den hof des 34 königs eingekehrt ist, für einen „magot“, eine besondere affen- art, gehalten und es werden ihm von denselben durch ver- mittlung seines führers ein dutzend lerchen angeboten, “parce que les magots se nourrissoient de cette viande.” Aehnlich ergeht es Gulliver. Auch er wird für etwas anderes gehalten und der klasse der Yahoos zugerechnet, die ihm selbst einmal als affen erscheinen, und man reicht ihm als nahrung ein Stück esels- fleisch, die lieblingsspeise derselben (Gull. II, 271). Auf dem monde existiert weibergemeinschaft. Diese konnte der Dean Swift natürlich nicht gut heissen, und sie etwa sei- nen edlen, weisen rossen zumuten, in denen der leser doch nur idealisierte menschen erblicken muss, zumal sie ja auf strohmatten sitzen, die sie doch unmöglich selbst verfertigt ha- ben konnten. Allein er kann es sich nicht versagen, dieselbe auch noch ausdrücklich bei den Yahoos, bei welchen sie sich ja von selbst versteht, hervorzuheben, um nur zu einem kräf- tigen hiebe auf das menschentum zu gelangen und eine be- merkung an den mann zu bringen, welche einer stelle aus der sonnenreise Cyrano's ihren ursprung verdankt. Im reiche der liebenden existiert nämlich ein gesetz (Voy. com. 340), nach welchem “il n'est pas permis au marié d'en embrasser aucune (de ses femmes), tandis qu'elle est grosse", und als Gulliver's herr ihm über einige eigenschaften der Yahoos aufschluss ge- ben will, bemerkt er folgendes: “Those animals, like other bru- tes, had their females in common : but in this they differed, that the she Kahoo nould admit the males nhile she pregnant” (Gull. VII, 302). Wollen wir diese stelle aber lieber auf Rabelais zurückführen, so finden wir dort ebenfalls eine ähnliche be- merkung: “Et si personne les (femmes) blasme de faire ratacon- niculer ainsi sus leur groisse veu que les bestes sur leur ventree n'en- durent jamais le masle masculant” (Rabelais, liv. I, ch. III). Und wie geschickt versteht Swift es hier, das scharfe seciermesser sei- ner satire zu handhaben. Erst verleiht er den Yahoos eine gewohn- heit, welche in der regel nur tieren zukommt, wie die weibergemein- schaft, setzt sie also auf die stufe von tieren, dann aber legt er ihnen kurz hinterher einen gebrauch bei, welchen alle tiere ver- schmähen, der aber dem menschen eigen ist – im lande der liebenden bedarf es erst eines ausdrücklichen verbotes dessel- ben – und stellt dadurch den Yahoo und somit den menschen, 35 den herrn der schöpfung, wie er sich so gern nennt, noch un- ter das tier. Cyrano wird von den Vögeln gefangen genommen, und diese strengen gegen ihn als mensch, d. h. als das von ihnen am meisten gehasste geschöpf, einen process an. Er strebt danach, diesen hass von sich abzuwälzen, um einem üblen ausgange der anklage vorzubeugen, indem er sein menschen- tum verleugnet und sich für einen affen ausgiebt (Voy. com. p. 279). Einer ähnlichen fatalen lage ist Gulliver ausgesetzt. Auch er wird von den pferden für das von ihnen am meisten ver- abscheute geschöpf, einen Yahoo, gehalten und wendet alle mittel an, sich einer bestimmten constatierung seiner überein- stimmung mit demselben zu entziehen, indem er sorgfältig das geheimniss seiner kleidung zu wahren sucht. Beiden gelingt es jedoch nicht, ihren Zweck zu erreichen. Sie werden trotz- dem richtig als menschen erkannt (Voy, com. 280 und Gull. III, 277). Vielleicht ist auch die soeben citierte stelle, wo sich Cyrano als einen affen ausgiebt und erzählt, dass er in seiner frühesten jugend von den menschen geraubt sei, und dass er sich deren sitten und gewohnheiten so angeeignet habe, “qu'à peine ses parents, qui sont Singes d'honneur, me pourraient eux- mémes reconnaitre“, die anregung zu der bemerkung Gulliver's geworden, welcher den hass der Yahoos gegen ihn mit dem- jenigen vergleicht, mit welchem die wilden affen einen zahmen, wenn er in ihre gesellschaft geraten sollte, stets verfolgen würden (Gull. VIII, 304). Beiden steht zuerst ein schlimmeres geschick als der tod bevor. Cyrano soll den „Morte triste“ erleiden, d. h. durch trauerlieder zu tode gesungen werden, und Gulliver soll von seinem herrn als Yahoo behandelt werden. Dann aber tritt für beide eine etwas bessere wendung ein. Cyrano wird zu einer leichteren strafe, die aber immerhin noch den tod invol- viert, nämlich von den fliegen verzehrt zu werden, begnadigt, und die Houyhnhnms nehmen von dem härteren teile ihres beschlusses ebenfalls abstand und fordern etwas, was auch dem tode gleichkommt, nämlich, dass Gulliver dahin zurückschwim- men solle, woher er gekommen sei. Man beachte wohl die beiden arten der strafen in den verschiedenen werken. Die schlimmeren sind psychische und die leichteren physische, Z6 Beide dichter aber lassen ihre helden nicht sterben, sondern ein günstiges geschick bewirkt, dass Gulliver material zum bau eines bootes findet, und dass Cyrano durch die fürsprache des papageis seiner cousine gerettet wird (Voy. com. 295–296 und Gull. X, 320). Beide werden gütig verabschiedet. Der grund, weshalb die pferde es beanstanden, Gulliver als Yahoo in ihrem lande zu dulden, besteht in der besorgniss, dass er diese, welche ja von natur als raubtiere gebildet seien, verführen könne, den Houyhnhnms schaden zuzufügen (Gull. X, 318). Auch hier dürfte Swift wohl seiner vorlage gefolgt sein, denn in der anklage der vögel wird dem menschen Cy- rano vorgeworfen, “qu'il debauche le bon naturel de quelques-uns des nôtres, comme des Laniers, de Faucons et des Vautours pour les instruire au massacre des leurs . . . ." (Voy. com. 289). Nicht ganz unmöglich ist es, dass Swift die anregung zu jenem abenteuer des badenden Gulliver mit dem Yahoo-mäd- chen der beschuldigung entnommen, welche die mondbewohner gegen das weibliche geschlecht erheben: “Oue c'étoient 7es fem- mes principalement qui publiaient que j'étois (Cyrano) homme, afin de couvrir sous ce préteacte le désir qui les brMloit de se méler aux bétes et de commettre avec moi sans vergogne des péchés contre nature" (Voy. com. 149). Man vergleiche hierzu noch die Voraufgehenden worte: “Ce n'est pas qu'en ce Pays l'impudacité soit un crime . . . ." Auf dem monde werden diejenigen neugeborenen, deren nasen von sachverständigen als zu kurz befunden werden, ver- schnitten, um eine weitere fortpflanzung eines dummen und bösen geschlechtes zu verhindern, denn mit dem besitze einer grossen nase verbindet sich hier geist, leutseligkeit, edelmut, kurz allerlei tugenden (Voy. com. 182). Dasselbe mittel der verschneidung schlägt das herrpferd in der repräsentantenver- sammlung vor, um die verabscheuten Yahoos allmählich ohne tötung auszurotten und empfiehlt, es besonders bei den jünge- ren anzuwenden (Gull. DK, 311). Hier tritt der plagiarismus Swift's ganz deutlich hervor. An jener stelle, wo Gulliver nicht länger das geheimniss seiner kleidung aufrecht erhalten kann und es seinem herrn offenbart, dieser aber es sehr sonderbar findet und nicht fassen kann, “nyhy nature should teach us to conceal nohat nature had given; that neither himself nor family nere ashamed of any part 37 of their bodies" (Gull. III, 277), hat Swift sich wiederum an dem eigentum Cyrano's vergriffen. Die gründe des herrpferdes sind wesentlich dieselben, mit welchen der gastgeber auf dem monde Cyrano gegenüber die sitte ihrer edelleute, die als abzeichen nicht einen degen, sondern das „Organe de la génération“ tragen, zu rechtfertigen sucht: “Les femelles ici, non plus que les máles, ne sont pas assez ingrates pour rougir à la vue de celui qui les a forgées; et les vierges n'ont pas honte d’aimer sur nous, en mémoire de leur mère Nature, la seule chose qui porte son nom” (Voy. com. 182). »- Trotz des viel gerühmten verstandes der mondbewohner und pferde verfallen der wirtssohn des dämon und Gulliver's herr in den ähnlichen irrtum hinsichtlich der existenz und be- schaffenheit der länder, aus denen unsere reisenden stammen. Der wirtssohn will nicht glauben, dass die erde eine welt und dass Cyrano ein bewohner derselben sei (Voy. com. 168), und das herrpferd hält es auch nicht für möglich, dass es ausser seiner insel noch ein land jenseits des meeres geben könnte (Gull. III, 275). Beide schriftsteller verfehlen aber andrerseits nicht, übereinstimmend darauf hinzuweisen, dass derartigeirrtümer auch ihre eigenen landsleute begingen. Cyrano würde bei densel- ben auch auf unglauben stossen, falls er sich einfallen lassen sollte, zu behaupten, dass der mond eine welt sei und dass es dort länder mit einwohnern gäbe (Voy. com. 168), und Gulliver würde auch als lügner betrachtet werden, wenn er nach seiner rück- kehr etwa von seiner reise nnd einem lande erzählen wollte, wo das pferd das herrschende geschöpf und der Yahoo das vieh sei (Gull. III, 279). Auch darin bleibt Swift seinem vorbilde treu, dass er sich in der versicherung ergeht, das erlebte nach seiner rückkehr seinen mitmenschen erzählen und so den ruhm der Houyhnhnms verbreiten zu wollen. Cyrano äussert dem sohn des wirtes gegenüber: “Et je vous promets, lui dis-je qu'en récompense, sitót que je serai de retour dans ma Lune . . . . 'y sèmerai votre gloire, en y racontant les belles choses que vous m'aurez dites” (Voy. com. 168), und Gulliver spricht sich seinem herrn gegen- über in derselben weise aus: “If ever I returned to England, it nyds not nºithout hopes of being useful to my onym species, by celebrating the praises of the renonymed Houyhnhnms, and pro- posing their virtues to the imitation of mankind" (Gull. X, 319). Z8 Um einen starken effekt zu erzielen, bedienen sich beide schriftsteller desselben satirischen hilfsmittels, nämlich der ohn- macht. Als Cyrano von den vögeln das todesurteil verkündet wird, fällt ein vogel in ohnmacht: “On crut quelle était causee par l'horreur qu'il avoit eue de regarder trop facement un homme" (Voy. com. 290–291); Gulliver verfällt ebenfalls aus abscheu in denselben schwächezustand: “As soon as I entered the house, my nyife took me in her arms and kissed me; at myhich, having not been used to the touch of the odious animal for so many years, I fell into a snoon for almost an hour" (Gull. XI, 328). Jenes kleine abenteuer mit den nackten Wilden, die Gul- liver auf einer insel, welche er nach kurzer meeresfahrt ange- laufen hat, trifft, dürfte vielleicht seine inscenierung der epi- sode verdanken, welche Cyrano nach seiner landung in Amerika mit nackten Indianern erlebt. Inhaltlich jedoch sind die er- lebnisse beider gänzlich verschieden (Voy. com. 98 und Gull. XI, 323). - In seinem briefe “Contre les Sorciers" kennzeichnet Cy- rano den grundzug seines charakters recht treffend durch je- nen ausspruch: “La raison est ma reine” (Oeuvres diverses, Amsterdam 1741, III tomes, t. II, p. 82). Auch in seinen “Voyages comiques“ verfehlt er nicht, die- sem grundsatze getreu als ein beredter anwalt der vernunft und der daraus resultierenden handlungen aufzutreten. Als bestätiguug hierfür mögen von den mannigfachen belegen nur einige hier platz finden. Unter den gründen, welche der dä- mon, ein sonnenabkömmling, anführt, dass er gerade den mond als aufenthalt gewählt habe, figuriert auch folgender: “Et ce qui fait que j'y demeure actuellement, c'est que les philo- sophes (de la Lune) ne se laissent persuader qu' à la raison et que l'autorité d'un savant, ni le plus grand nombre, ne l'empor- tent point sur l'opinion d'un batteur en grange, quand il raisonne aussi fortement” (Voy. com. 122). Ein noch krasseres beispiel für die hohe wertschätzung der reinen vernunft finden wir in der landesgesetzgebung verzeichnet, die lediglich den philo- sophen obliegt. Sobald nämlich nach der ansicht des philo- sophensenats ein kind das vernünftige alter erreicht hat, ist sein Vater demselben unbedingten gehorsam schuldig. Diese der unsrigen völlig entgegengesetzte sitte entspringt nach der Z9 motivierung des dämon lediglich erwägungen der vernunft (Voy. com. 154–155). Diese wiederholte betonung der vernunft hat Swift aufge- griffen und bei der schilderung seiner pferde verwertet. Letz- tere sind auch nichts weiter als rationalisten. Ihr hauptargu- ment besteht in der ausbildung der vernunft; sie allein ist das treibende agens aller handlungen. Ihrer ausserordentlichen vernunft wegen können sie die gesetzlichen einrichtungen, welche sonst alle staatswesen nötig haben, fast gänzlich ent- behren. In diesem sinne äussert sich das herrpferd: “That our institutions government and lany nyere plainly onying to our gross defects in reason, and by consequence in virtue; because reason alone is sufficient to govern a rational creature” (Gull. VII, 298). , Als Gulliver seinem gönner berichtet, dass in seinem vaterlande die Yahoos die herrschenden seien und die pferde, von denselben abhängig, sehr schlecht behandelt würden, er- klärt dieser höchst weise: “If it nere possible there could be any country nyhere Vahoos alone n'ere endued nyith reason, they certainly must be the governing animal; because reason in time nill always prevail against brutal strength" (Gull. IV, 281). Spiegelt sich nicht in dieser stelle derselbe gedanke wie- der, welcher in der höheren schätzung geistiger siege über körperliche auf dem monde liegt? (Voy. com. 147). Diese starren gesetze der vernunft, nach welchen seleniten und pferde leben, dulden heftige gefühlsäusserungen, als mit derselben nicht in einklang und daher zwecklos, nicht. Jegliche leiden- schaft ist ausgeschlossen. Auf dem monde gilt es beispiels- weise als eine strafe, bei einem begräbniss mit traurigem ge- sichte erscheinen oder gar weinen zu müssen. (Voy. com. 179 –180) Und auch bei den Houyhnhnms offenbaren die freunde und verwandten beim bestattungsacte weder freude noch kum- mer. Mit ruhiger heiterkeit erträgt z. b. eine gemahlin den tod ihres soeben verstorbenen gatten und schiebt deswegen einen versprochenen besuch keineswegs auf eine passendere zeit auf (Gull. IX, 313). Furcht vor dem tode ist Seleniten wie Houyhnhnms un- bekannt. Auf beiden seiten versteht man zur rechten zeit und mit ruhe zu sterben. Kurz vor ihrem ende nehmen sie von ihren freunden abschied (Voy. com. 180–181 u. Gull. DK, 314). 40 Gefühle der liebe, wie diese etwa in der form der liebe der eltern zu ihren kindern oder der verschiedenen geschlech- ter zu einander zum ausdruck gelangen, sind hier wie dort als mit der vernunft contrastierend, völlig fremd. Man denke nur an den austausch der füllen zwischen einzelnen districten (Gull. VIII, 309), an die verschneidung der kleinnasigen kinder auf dem monde (Voy. com. 182), an die weibergemeinschaft der Lunarier und an jene stelle in den „Gull. Tr“: “Courtship love, presents, jointures , settlements, have no place in their thoughts; or terms nohereby to express them in their language. The young couple meet, and are joined, merely because it is the determination of their parents and friends: it is myhat they see done every day, and they look upon it as one of the Necessary actions of a reasonable being" (Gull. VIII, 308). Die liebe je- doch, wie sie sich in der wahren freundschaft, dem edelsten und harmonischsten der gefühle, ausprägt, findet in beiden wer- ken eine hervorragende würdigung und bethätigung. Im reiche der vögel wird ein distelfink zu einer strengen strafe verur- teilt, weil er es nicht verstanden hat, sich einen freund zu er- werben. “On l'accuse,” so erzählt der eine wächter dem ge- fangenen Cyrano, “le pourrez-vous bien eroire? On 'accuse . . . . mais, bons Dieux ! d' y penser seulement les plumes m'en dressent à la tête . . . Enfin, on l'accuse de n'avoir pas encore, depuis six ans, mérité davoir un ami . . . . . (Voy. com. 281–282). Diese hohe wertschätzung der freundschaft findet bei Swift den leb- haftesten nachhall. Die pferde widmen ihr die idealste pflege, sie ist eigentlich das wesentliche bindemittel, welches ihr ge- meinwesen zusammenhält; ohne sie würden die glückseligen zustände bei ihnen nicht recht denkbar sein: “Friendship and benevolence are the tnyo principal virtues among the Houyhnhnms; and these are not confined to particular objects, but universal to the whole race" (Gull. VIII, 307). Obwohl Swift bekanntlich auf die philosophie nicht gut zu sprechen war, und sich mehr der Pascal'schen auffassung: “Se moquer de la philosophie, c'est vraiment philosopher” (Pen- sées, ch. IX, no. 35) zuneigte, so hat er es dennoch nicht ver- meiden können, sein werk von den philosophischen ideen seines genialen Vorgängers frei zu halten, wie dies schon in den vorhergehenden vergleichen ziemlich deutlich zu tage tritt. Die pferde sind eigentlich auch nur philosophen und gehören 41 in dieselbe categorie wie die mondbewohner, in die categorie der charakterphilosophen, wie sie uns in den epikuräern und den eng damit verwandteü Stoikern entgegentreten. Die materialistischen lehren, wie sie Cyrano über das werden der geschöpfe und die unsterblichkeit vorträgt, scheinen den beifall Swifts gefunden zu haben. Die Houyhnhnms zeigen sich hierin ebenfalls als materialisten und bringen ihre adop- tierten ansichten an einigen stellen zwar ziemlich schüchtern, aber dennoch so zum ausdruck, dass man zu einem einiger- massen sichern schlusse kommen kann. Cyrano ist einmal auf jener kleinen welt, welche er auf seiner reise zur sonne betreten hat, zeuge der geburt eines menschen aus der erde (Voy. com. 251). Dieselbe materialistiche auffassung scheinen die pferde zu teilen. Hierfür spricht die vorstellung, welche ein parlamentsmitglied in der grossen ver- sammlung der Houyhnhnms vom ursprunge der Yahoos sagt: “He took notice of a general tradition, that Yahoos had not been alnways in their country; but that, many ages ago, tnyo of these brutes appeared together upon a mountain; nohether produced by the heat of the sun upon corrupted mud and slime, or from the ooze and froth of the sea, nas never knonyn" (Gull. IX, 310). Indes kann diese stelle, für sich allein genommen, als etwas zweifelhafter beleg erscheinen, insofern nämlich, als man füg- lich annehmen könnte, dass es nur der satiriker sei, welcher diese bemerkung laut werden lasse, um den Yahoo als schmutzi- ges und ekelhaftes geschöpf hinzustellen. Ziehen wir aber noch jene erklärung in erwägung, welche uns Swift von der vorstellung der pferde über den tod, von der deutung des aus- drucksvollen wortes lhnuwnh giebt, das etwa so viel bedeutet als “to retire to his first mother" (Gull. DK, 313), unter welcher doch nur die mutter erde verstanden werden kann, so glauben wir in unserer behauptung nicht zu weit gegangen zu sein. Cyrano glaubt an ein fortleben nach dem tode, das aber seinen materialistischen anschauungen gemäss nur auf einer rein stofflichen formveränderung beruht. Die materie allein ist ewig. Von den zahlreichen belegen hierfür wollen wir nur kurz auf einige hindeuten, auf jene höchst materialistisch ge- dachte wiederbelebung eines toten philosophen (Voy. com, 180 f), auf die tröstüng der beiden paradiesvögel, welche den zum tode verurteilten Cyrano zur richtstätte begleiteten (Voy. com. 42 291 ff) und auf eine hierher passende stelle, wo der dämon sich so vernehmen lässt: “ . . . . . Mais er tuant un homme, vous ne faites que changer son domicile" (Voy. com. 161). Den un- sterblichkeitsglauben in dieser form scheint Swift auch auf seine philosophischen pferde übertragen zu haben, wie dies sich in einem bildlichen vergleiche, dessen grundgedanke der- selbe, wie derjenige der soeben angeführten citation seiner französischen quelle ist, ausdrückt: “And therefore, n»hen the dying Houyhnhnms return those visits, they take a solemn leave of their friends, as if they nere going to some remote part of the country, nhere they designed to pass the rest of their lives“ (Gull. IX, 314). Wenn nun aber auch die Houyhnhnms an ein höheres wesen nicht zu glauben scheinen – absolut positives können wir freilich hierüber nicht aussagen, da Swift es überall ängst- lich vermeidet, bestimmtes über ihre religiösen begriffe zu offenbaren, aber der denkende leser sieht es aus allen ecken herauslugen – so würde hieraus doch noch nicht der begrün- dete vorwurf des atheismus gegen Swift abgeleitet werden können, denn es scheint uns wenig wahrscheinlich, dass ein schriftsteller in demselben werke eine änderung seiner reli- giösen ansicht vortragen wird, und zumal bei einem manne wie Swift, dessen orthodoxer kirchenglaube ihn aus den reihen der Whigs in die der Tories getrieben hat. In Lilliput wird durch den unglauben an eine göttliche vorsehung unfähigkeit bewirkt, ein öffentliches amt zu verwalten (Gull. VI, 86), auf Japan macht Swift die Holländer verächtlich, welche, um dort handel treiben zu können, wie vorgeschrieben, das crucifix mit füssen treten (Gull. Part. III, ch. XI, 245–246) und bei den pferden sollte er plötzlich in das gegenteil verfallen und einen gott verneinen? Keineswegs. Swift geht nur ganz consequent vor. Ihre glaubenslosigkeit ist nur eine richtige folge ihrer steten beobachtung von vernunftsprincipien. Wenn er einmal den verstand allein als ausschlaggebend für all ihr thun be- zeichnete, so konnte er ihnen auch nur eine religion zu- muten, die mit dem verstande und nicht mit dem glauben zu fassen war. » Not Luther. : After this maner. d - Er.: oö.tog, ad hunc modum. V.: Sic. W.: thus. Lu.: also. (132) Erasmus Latin. 3: Doxology. j: Moreover when. Er. I, Lu, T. 1534: give. V., W., T. 1526: omit. (133) A- Erasmus and Luther. : shall forgeve. Er.: cpfte, remitteritis. V.: dimiseritis. W.: shulen forgeue. Lu.: yhr vergebt. (134) Not Luther. Er.: örav öè, Porro cum. V.: cum autem. W.: But when. Lu.: Wenn. (135) a- - - - d. Erasmus Latin. : be not sad. - Er.: u vivao Ge oxv99ottoi, ne sitis tetrici. V.: nolite fieri tristes. W.: nyl ye be maad sorweful. Lu.: solt yhr nicht sawer sehen. (136) -. I Erasmus. : a), hit myght apere vnto men that they faste (1526). (137) Erasmus Latin. b) that they myght be sene of men how they faste (1534). Er.: pavóouv Tolg dv9gazrotg vnote jovrsg. - * Er.: perspicuum sit hominibus ipsos jejunare. V.: ut pareant jejunantes. W.: thei seme fastynge. d Lü.: auff das sie fur den leuten scheynen mit ihrem fasten. (138) I Greek. : it apere. Er.: pavig, conspicuum sit. V.: videaris. Y . W.: thou be seen. Lu.: du scheynist. (130) S. - - - Erasmus Latin. THE soURCEs of TINDALE's New TesTAMENT. 19 6, 19: 19 : 19 : 19 : 21 : 22: 22: 23: 24: 25 : b) what ye shal put on (1534). W.: deluen out. Lu.: nach graben. (143) Matthew. "Wº Gaddre treasure together (1526). (So v. 20). Se that ye gaddre you treasure (1534). Er.: 9moavgléste öuiv Gmoavgoög, reponatis uobis thesauros. V.: (nolite) thesaurizare uobis thesauros. W.: (Nyle) ye tresoure to you tresours. . Lu.: Ihr solt euch (nicht) schetze samlen. (140) »- R « T.'s own. rust and mothes. (So v. 20). *. - Er.: ohg xa 89äoug, erugo et tinea. (SoV) W.: rust and mouthe. Lu.: rost vnd die motten. (141) Lüther. corrupte. - Er.: dpavlLat, corrumpit. V.:'demolit. W.: distruyeth. Lu.: fressen. (142) .- - Erasmus Latin. break through. Er.: ólogiöooovou, perfodiunt. V.: effodiunt. Erasmus. a) are (1526). (144 - ) ( 3) ( ) - Not Erasmus. b) will be (1534). Er.: éotat, erit. V.: est. W.: is. Lu.: ist. (145) »- »- Erasmus. off thy body. «) Er.: toü odóuarog, corpöris. « - «- V.: corporis tui. W.: of thi body. Lu.: (das) leybs (liecht). (146) - Not Erasmus. thyne eye. 1 Er.: ö öp Gauög, oculus. V.: oculus tuus. W.: thin eye. Lu.: deyn auge. (147) - " Not Erasmus. how great ys. ". - * Er.: no verb. V.: erunt. W.: shulen be. * »- Lu.: wie gross wirt seyn. (148) d Greek. lene the one (1526). lene to the one (1525, 1534). Er.: äv9éšstat, adhaerebit. « V.: sustinebit. W.: susteyn. Lu.: wirt eynem anhangen. (149) Erasmus and Luther. a) what rayment ye shall weare (1525). (150) - ' Erasmus Latin. Er.: rl évööon 9a, quibus indumentis usuri. . V.: quid induamini. W.: with what ye shuln be clothid. Lu.: was yhr antzihen werdet. (151) - - - . . - Not Wiclif. 2* - N 20 6, 25: 26: 26 : 27 : 29 : 30: 30 : 32 : 32: Z? : CHENEY, Matthew. more worth than meate. Er.: Traiov tjg tgopjg, pluris quam cibus. V.: plus quam esca. W.: more than mete. Lu.: mehr denn die speyse. (152) - Erasmus Latin. for they sowe. Er.: Ött otelgovotv, quia serunt. V.: quoniam serunt. W.: for thei sowen. Lu.: sie sehen. (153) va Not Luther. and yett. Er.: xal, et. (So V.) W.: and. Lu.: vnd . . doch. (154) u Luther. though he toke thought therfore. Er.: ueguuvóv, sollicite cogitando. V.: cogitans. W.: thenkinge. v Lu.: ob er gleych darumb sorget. (155) « Luther. And yet for all that. Er.: öè, attamen. V.: autem. W.: trewly. Lu.: omits. (156) »- Erasmus Latin. clothe the grasse, which ys today in the felde. Er.: töv zógtov roö äygoö othuegov övra. Er: gramen agri, quod hodie cum sit. V.: foenum agri, quod hodie est, W.: the heye of the feeld, that today is. Lu.: das gras auff dem feld, das doch heute stehet. (157) w- Greek. shall he not moche more do the same unto you, «) Er.: oö tro??q uäAZ.ov öuäg. Er.: an non multo magis uobis id faciet. V.: quanto magis uos. W.: how moche more you. Lu.: solt er das nicht viel mehr euch thun. (158) »- / - Erasmus Latin and Luther. After. - Er.: yä9, nam. V.: enim. W.: forsothe. Lu.: nach. (159) -- « Luther. aftre all these thynges seke the gentyls. W.: heithen men sechen alle these thingis. Lu.: nach solchem allem trachten die heyden. (160) Luther (Order). youre hevenly father. Er.: ö tratg öuóv ö oögávuog, pater uester coelestis. V.: pater uester. W.: youre fadir. Lu.: euer hymlischer vater. (161) r- . . . Erasmus and Luther. THE SOURCES OF TINDALE's NEw TESTAMENT. 21 33 : 34: : percevest. Matthew : But rather. Er.: öè, quin potius. V.: Ergo. W.: Therefore. Lu.: omit. (162) »- Erasmus Latin. shal be ministred. / Er.: 7rgoots 9jostat, adijcientur. (SoV) W.: shulen be cast. Lu.: wirt (euch) zufallen. (163) s « Greek. "- Echo dayes trouble ys sufficient for the same silfe day (1525). For the daye present hath ever ynough of his aune trouble (1534): Er.: dgxstöv r# uégg j xaxla ajrjg. Er.: sufficit sua diei afflictio. V.: sufficit diei sua malitia. W.: for it suffisith to the dai his ouen malice. Lu.: Es ist genug das eyn iglich tag seyn eygen vbel habe. (164) *. T.'s own. : lest ye be judged (1526). that ye be not judged (1534). Er.: ºva u «gt Girs, ne condemnemini. V.: ne judicemini. W.: that ye be not demyd. Lu.: auff das yhr nicht gerichtet werdet. (165) «-“ Erasmus Latin and Vulgate. : it shall be mesured to you agayne. Er.: ustgt 9 jostat, metientur uobis alfi. V.: remetietur uobis. W.: it schal be meten agen to you. n R «---- Lu.: wirt euch gemessen werden. (166) Not Greek and Luther. Er.: 2eatavosig, animadvertis. a V.: uidetis. W.: seest. Lu.: sihestu. (167) : mote. Er.: xágpog, festucam. (So V.) W.: a litil moote. Lu.: splitter. (168) Wiclif. : why sayest thou. Er.: tög égaig, quo dicis. V.: quomodo dicis. W.: hou seist thou. Lu.: wie tharstu sagen. (169) v « Erasmus. : suffre me to plucke oute. Er.: äqpag éxßa/dö, sine eximam. V.: Frater, sine ejiciam. W. W.: Brother, suffre that I caste out. «h. Lu.: Hallt, ich will dyr – aus dem auge ziehen. (170) «. Erasmus. \ 22 CHENEY, 1 0 : 1 1 : 1 1 : 2 : Lu.: vnd euch zureyssen. (173) : whosoever axeth. Matthew. : and then shalte thou se clearly to plucke out. Er.: xai töta ÖtaßÄpaug éxßa? Eiv. Er.: et tum perspicies ut eximaS. V.: et tunc videbis ejicere. W.: and than shalt thou see for to cast out. Lu.: darnach besihe, wie du – aus deyns bruders auge zihest. (171) Erasmus. : lest they treade them – and the other tourne. Er.: uñarota zatatarjoootv – xa orgapévtag öjšootv. Er.: ne quando hi conculcent – et illi versi lacerent. V.: ne forte conculcent – et canes conversi dirumpant. W.: lest perauenture thei defoulen hem – and the houndis be turned. Lu.: auff das sie die selbigen nicht zutretten – vnd sich wenden. (172) Erasmus Latin. : and all to rent you. Er.: öf§ootv öuäg, lacerent uos. V.: dirumpant uos. W.: and alto-tere you. WiClif. Er.: täg ö airóv, quisquis petit. V.: omnis. W.: eche that axith. Lu.: wer bitt. (174) Erasmus Latin and Luther. : proffer. «D- Er.: étuöcóost, daturus sit. V.: porriget. W.: dresse. Lu.: biete. (175) Greek and Luther. proffer. Er.: ëttöcóost, porriget. (SoV) W.: dresse. Lu.: biete. (176) NOt, Wiclif. ye which are evyll. W. Er.: 7tovngo övt Eg, cum malisitis. (So V.) W.: when ye ben yuel men, Lu.: die yhr doch arg seydt. (177). Greek and Luther. can give. Er.: oöate ööóvat, nostis dare. (SoV.) W.: han knowen for to geue. ---” Lu.: kund geben (könnet geben). (178) Luther. even so do ye. Er.: oüro ea ö„sig totetts. Er.: sic et uos facite. V.: et uos facite. - W.: and ye do. Lu.: das thut yhn auch yhr. (179) »- « Erasmus. THE SOURCES OF TINDALE's NEw TESTAMENT. 23 7, 12: 14 : 16 : 21 : 22 : 23 : 23 : 24 : 25 : Matthew. this is. - Er.: oötog yág éottv, haec enim est. «- V.: haec est enim. W.: for this is. Lu.: das ist. (180) Luther. For strayte. - , Er.:ött otsvi – quoniam angusta. V.: quam angusta. W.: How streit. Lu.: vnd die pfortte ist enge. (181) Erasmus. bryres. - A Er.: tgußóZov, tribulis. (So. V.) W.: breeris. Lu.: disteln. (182) « « WiClif. : shalbe hewne doune. Er.: éxxóttatau, exciditur. V.: excidetur. A W.: shal be kitte doun. Lu.: wirt abgehauen. (183) Vulgate and Wiclif. all that say. Er.: täg ö äyov, quisquis. V.: omnis qui. W.: eche man that. Lu.: alle die sagen. (184) - Luther. many miracles. W. Er.: 7ro Zág övvóuatg, multas virtutes. (SoV.) W.: many vertues. Lu.: viel thatten. (185) EraSmuS. will I knowlege. Er.: öuoZoyjoo, confitebor. (SoV.) - W.: y shal knowliche. Lu.: werde ich bekennen. (186) WiClif. Depart from me. Er.: áttozaogette ört äuoü, discedite a me. (SoV.) W.: departe awey fro me. Lu.: weychet alle von myr. (187) Not Luther. : heareth off me these saynges. (So. V. 26.) Er.: áxoüat uov toög köyovg toütovg. Er.: audit ex me sermones hos. V.: audit verba mea haec. W.: herith these my wordis. Lu.: diese meyne rede höret. (188) . Erasmus. »- I wyll lyken hyme. Er.: öuot«öoo aötöv, adsimilabo illum. V.: assimilabitur (viro). W.: shall be maad liche. Lu.: den vergeleych ich. (189) - F w Erasmus. a) and it was not overthrown (1526). (190) Erasmus Latin. b) and it fell not (1534). Er.: xa oöx éteoev, et non est prostrata. V.: et non cecidit. W.: and it felle not doun. Lu.: fiel es doch nicht. (191) 4 Not Luther. 24 CHENEY, 7, 26: 28: 29 : Matthew. u shalbe lykened. -- - * - Er.: öuoto Gjostat, adsimilabitur. » V.: similis est. W.: is liche. Lu.: ist gleych. (192) „4 Erasmus. - were astonnied. - Er.: ëFettAjooovro, obstupuerint. V.: admirabantur. W.: wondreden. Lu.: ensatzte sich. (193) »- Erasmus. taught. Er.: jv ötóäoxov, docebat. V.: erat docens. W.: was techynge. Lu.: prediget. (194) - Erasmus. : as one havynge power. Er.: Ög ěšovoiav #xov, velut habens auctoritatem. V.: sicut potestatem habens. » W.: as a man hauynge power. 29 : 9: : be prayse. Lu.: gewaltiglich. (195) Not Luther. not as the scribes. Er.: tög oi ygauuateig, sicuti scribae. V.: sicut scribae eorum et pharisaei. W.: as the scribis of hem, and pharisees. Lu.: nicht wie die schrifftgelerten. (196) Erasmus and Luther. Galatian S. 3: Grace be with you. Er.: zägg öuiv, gratia uobis. V.: gratia uobis. W.: grace to you. Lu.: Gnade sey mit euch. (1) Tindale agrees with: Luther. Er.: öóša, gloria. V.: gloria est. W.: is honour and glorie. Lu.: preys sey. (2) - Luther. : from hym that called you in the grace of Christ. Er. I: ätö toö xakéoavrog öuäg év zägutt 69äoö. II: – – – – – – – – – – – Xotoroi. Er. I: ab eo qui uocauit uos in gratia dei. « II: a. Christo, qui uocauit uos per gratiam. V.: ab eo, qui uos uocauit in gratiam Christi. W.: fro him that clepide you into the grace of Crist. Lu.: von dem der euch beruffen hat durch die gnad Christi. (3) Erasmus Greek II. I Sayde. «- Er.: 7tgoetgjxauev, ante diximus. V.: praediximus. W.: I bifore seide. Lu.: wyr gesagt haben. (4) I- *. Wiclif. riE soURCEs of TINDALE's New TEsTAMENT. 25 Galatians. 1, 9: so saye I. « - * s - .. , Er.: äyao, dico. V.: dico. W.: I seye. Lu.: so sagen wyr. (5) - Not Luther. » 9: preache eny other thinge. «. > Er.: Eüayyeigerat traé ö, praedicauerit euangelium. V.: euangelizaverit praeter id. W.: schal euangelise. Lu.: prediget anders denn das. (6) «- - - Luther. 10: a) Seke nowe the faveour offmen, or off God (1526)? (7) - ) Erasmus Greek. b) 1534: Preache I mannes doctrine or godes (153)? Er.: ägt vág äv99057rovg traiGo töv Geöv. Er.: nunc enim utrum hominibus suadeo, an deo? V.: Modo enim hominibus suadeo an deo? W.: I counceille now to mfen or to God? Lu.: Predige ich denn ytzt menschen odder Got zu dienst? (8) . 4 Luther. 10: Other go I abut to please men? Er.: Enrödv9gatroug ägéoxatv. Er.: aut quaero hominibus placere? V.: An quaero hominibus placere? W.: or I seke for to plese to men? Lu.: odder gedenck ich den menschen gefellig zu seyn? (9) *. - Not Luther. 13: the congregacion. Er.: tv éxxAmolav, ecclesiam dei. V.: ecclesiam. W.: the chirche. Lu.: die gemeyne. (10) – 4. Tindale's own reudering. 13: and spoyled it. Er.: étróg Govv, I: expugnabam, II: depopulabar. V.: expugnabam. W.: faugte agens it. Lu.: vnd verstoret sie. (11) Erasmus and Luther. 15: pleased god. « Er.: Eüöóxmoev ö 98ög, visum est deo. V.: placuit ei. W.: pleside to him. Lu.: Gotte wolgefiel. (12) d »- Erasmus and Luther. 15: which seperated me. Er.: ö ápogloag, qui segregauerat me. V.: segregauit me. W.: departide me. Lu.: hat aussgesondert. (13) Erasmus Greek, not Erasmus Latin. 16: (declare his sonne) by me. Er.: év éuo, I: in me, II: per me. « V.: in me. W.: in me. Lu.: ynn mir. (14) Erasmus Latin II. 16: I commen ed not. - u Er.: tgogava 9éunv, contuli. V.: acquievi. W.: I acordide not. Lu.: also bald, fur ich zu, vnd besprach mich nicht daruber. (15) Not Luther. 26 CHENEY, Galatians. - 1, 17: them which were Apostles before me. 17 20 : 23 : 24 : : a) but apart with them (1526. 1534). (25) Er.: 7tgög toög trgó éuoü ätroot öZovg. Er.: eos qui ante me fuerant apostoli. V.: ad antecessores meos Apostolos. W.: my bifore goeris apostlis. Lu.: die fur myr Apostel waren. (16) ? Greek and Luther. : returned. Er.; ävñº Gov, redii. V.: ueni. W.: cam. Lu.: kam. (17) Erasmus Latin. god knoweth. «- Er.: évottov coü Geoü, coram deo. V.: coram deo. W.: bifore God. Lu.: Got weyss. (18) Luther. : the costes. Er.: x?iuato, regiones. V.: partes. W.: parties. Lu.: die lender. (19) - Greek. : but they herde only. Er.: uóvov öé äxoöovtso joav. Er.: Sed tantum hic rumor apud illos erat. V.: Tantum autem auditum habebant. W.: oonly forsoth thei hadden heeringe. Lu.: Sie hatten aber alleyn gehoret. (20) M. - - Greek. destroyed. Er.: étróg Gat, I and II: expugnabat. V.: expugnabat. W.: faugte agens. Lu.: verstorte. (21) Erasmus Greek and Luther. : glorifyed. Er.: éöóSaLov, glorificabant. V.: clarificabant. W.: clarifieden. Lu.: preysseten. (22). «. - - »- Erasmus Latin. a) in me (1526). (23 ) (1526). (23) Not Luther. b) in my behalffe (1534). - Er.: év äuol, in me. V.: in me. W.: in me. Lu.: uber myr. (24) Luther. Luther. b) but between ourselves (G. H. 1535). Er.: eat lölav, priuatim cum iis. V.: seorsum autem iis. W.: and bi hem silf to these. Lu.: besonders aber mit denen. (26) Erasmus Greek. THE SOURCES OF TINDALE's NEw TESTAMENT. 27 : though he were a greke. : and that because of incommers beynge falce brithren. : which cam in. Galatians. - -. : which are counted chefe (1526). which were chefe (1534). Er.: rog öoxoügt, qui erant in pretio. V.: qui uidebantur aliquid esse. W.: that weren seyn for to be sumwhat. Lu.: die das ansehen hatten. (27) Greek. Er.: ÄÄnv div, cum esset Graecus. - . K V.: cum esset gentilis. W.: whanne he was hethene. Lu.: ob er wol ein krieche war. (28) «- d - Luther. Er.: ölä öé roög tagaugäxtovg pevöaöéZºpovg. Er.: propter obiter ingressos falsos fratres. V.: propter subintroductos falsos fratres. W.: but for false brithren vndirbrought yn. . Lu.: Und das, umb etlicher nebeneyngefurter falscherbruderwillen. (29) Luther. Er.: orveg tagstoffºbov, qui subintroierant. V.: qui subintroierunt. W.: the whiche priuely entriden. Lu.: die neben eynkomen waren. (30) : . - Greek. 5: no, not for the space of an houre. 6: god loketh. Er.: oööè tgög ögar, ne ad tempus quidem. Lu.: auch datzumal nicht. V.: neque ad horam. W.: nether at oon hour. (31) - Not Latin, Erasmus, Not Luther. Er.: no particle. V.: enim. W.: Forsothe God takith. Lu.: Denn Got. (32) Erasmus. 6: added nothynge to me. 9: a) their hondes (1526). (34) Lu.: die hand. (35) Er.: ovöèv [éuol) tgooavé98vto, mihi nihil contulerunt. - V.: mihi nihil contulerunt. W.: nothing to me gauen togidere. Lu.: Myr nichts anders geleret. (33 yr g (33) Not Luther. - Luther. • b) the ryght hondes (1534). Er.: öe§tag xotvovlag, dextras societatis. V.: dextras societatis. W.: the ryght hondis offelowschip, Not Luther. 9: and agreed with vs. Lu.: und vereyneten sich mit vns. Er, V., W.: omit. (36) - - N Luther. CHENEY, 13; 14 : 17 : 17 : 21 : : dissembled lykewise. - Galatians. : When Peter. (So in v. 14). Er.: 7tétgog, Petrus. V.: Cephas. W.: Cephäs. Lu.: Petrus. (3 Erasmus and Luther. Er.: ovvvtrexgi9noav, simulabant una cum illo. V.: simulationi eius consenserunt. W.: conscentiden to his feynynge, Lu.: heuchelten mit yhm. (38) M - Greek. into their simulacion. - Er.: aöröv t# Ötroxgioet. Er.: in illorum simulationem. V.: ab eis in illalm simulationem. W.: of hem into that feynynge. Lu.: durch yhr heucheln. (39) »- Greek. to folowe the Jewes? (1526) to live as do the Jewes. (1534) Er.: ovóai Latv, iudaissare. V.: judaizare. W.: for to bicome Jewis. Lu.: Judisch zu leben. (10) - - Luther. is not then. «- 4 Er.: äga, num ergo. V.: numquid. W.: wher. Lu.: denn. (41) *- Erasmus and Luther. minister of sinne. - Er.: duagtlag ötäxovog, peccati minister. V.: peccati minister. *. W.: mynistre of synne. Lu.: so hetten wir von Christo nicht mehr denn sunde. (42) Not Luther. : The life which I nowe live. Er.: ö öè vÜv Lö, Vitam autem quam nunc vivo. V.: quod autem nunc vivo. W.: that I lyue now. Lu.: Denn was ich lebe. (43) u. „ Erasmus Latin. I despise not. - . Er.: oöx á Getö, non aspernor. V.: non abjicio. W.: I caste not awey. Lu.: Ich werffe nicht weg. (44) Erasmus. : to whom Jesus Christ was described before the eyes. Er.: oig xat' öp Gauoig Ingoög Xglotög trgosygäpn. Er.: quibus prae oculis Jesus Christus ante fuit depictus. V.: ante quorum oculis Jesus Christus praescriptus est. W.: bifore whose yyen Jhesu Crist is dampnyd (exilid). Lu.: vor die augen zeyget ist. (45) - - s : * Erasmus and Luther. S». THE soURCEs of TINDALE's New TesTAMENT. 29 : ye wolde end. : in vayne (bis). : doth he itt. Galatians. : preachinge. (So v. 5). Er.: áxoñg, praedication e. V.: auditu. W.: heeringe. Lu.: die prediget. (46) Erasmus Latin and Luther. Er.: étute aTo 98, consummamini. V.: consummemini. W.: ye ben endid. Lu.: wolt yhr fort faren? (47) x « Not Vulgate and Wiclif. Er.: sixf, frustra. V.: sine causa. *- W.: withoute cause. Lu.: umbsonst. (48) "m . Not Vulgate- and Wiclif. Er.: omits. Er. Lat.: facit id. Lu.: thut ers. V. and W.: omit. (49) Erasmus Latin and Luther. : Even as Abraham. Er.: xaGöç Aßgaäu. Quemadmodum Abraham. V.: Sicut scriptum est: Abraham. W.: As it is writun: Abraham. Lu.: Gleychwie Abraham. (50) „ſº Not Vulgate and Wiclif. : a) and shewed (1526). b) and ther for shewed (1534). - - Er.: no particle. V. and W.: no particle. Lu.: darum. (51) . . " - Luther. : shewed glad tydynges. Er.: tgoevnyya Aloato, rem laetam nunciauit. V.: praenunciauit. W.: toold bifore. Lu.: verkundiget. (52) Erasmus. 8: In the. « Er.: év ool, in te. V.: in te. W.: in thee. »- Lu.: ynn deinem namen. (53) - - Not Luther. 9: are blessed. d Er.: SÜoyoövrat, benedicuntur. V.: benedicentur. W.: schulen be blessid. Lu.: werden gebenedeyet. (54) - Not, Vulgate and Wiclif. 10: in the boke. « - Er.: év rq BßÄlp – in libro. V.: in libro. W.: in the booke. Lu.: ynn disem huch. (55) -' d *. Not Luther. 11: shall live. - . . - * Er.: Lostat, vivet. V.: vivit. W.: lyueth. Lu.: wirt leben. (56) - 1 Erasmus and Luther. a 14 might come. - - Er.: yévytau, veniret. V.: fieret. W.: shulde be maad. Lu.: keme. (57) Erasmus and Luther. Z0 CHENEY, 3, 15: 15 : 17 : 17 : Lu.: ubir 430 jar hernach. (62) 17 : 17 : 19 : 21: Galatian S. I will speake. Er.: Äyo, dico. V.: dico. W.: I seye. Lu.: ich wil reden. . (58) « Luther. Though it be but a mans testament. Er.: öuog ávGgdöttov öa Gjºemv. Er.: hominis licet testamentum. V.: tamen hominis confirmatum testamentum. W.: netheless no man dispiseth the testament of a man. Lu.: doch eyns menschen testament. (59) Erasmus and Luther. : or addeth enythynge. Er.: étuôtatággatau, aut aliquid addit. V.: aut superordinat. W.: or ordeyneth aboue. Lu.: vnd thut auch nichts datzu. (60) Luther. the lawe which began. Er.: ö yevovag – vöuog, lex quae coepit. V.: lex quae facta est. W.: the lawe that was maad. Lu.: durchs gesetze, wilches gegeben ist. (61) Erasmus Latin. afterward, beyond (430) yeares. Er.: uatc #ty (430), post annos (430). Vºs V.: post annos (430). W.: after (430) yeeris. Luther. that was confermed (1526). that was confermed afore (1534). Er.: 7t 90 xaxvgouévny, ante comprobatum. V.: confirmatum. W.: confermyd. Lu.: bestetiget ist. (63) Erasmus. of God unto Christ ward. Er.: toü 9eoü aig Xotoröv, à deo erga Christum. V.: à Deo. W.: of God. Lu.: von Got auff Christum. (64) Erasmus and Luther. The lawe was added because of transgression. Er.: töv tragaßáoecov zägiv tgooété Gm. Er.: propter transgressiones addita fuit. V.: propter transgressionem posita est. W.: For trespassynge it is putt. Lu.: Es ist hyntzuthan das das vbirtretten mehr wurde. (65) «. Erasmus. the promes. Er.: töv étayya Audöv, promissiones. V.: promissa. W.: biheestis. Lu.: verheyssen. (In appearance, singular, but really plur) (66) Luther. THE SOURCES OF TINDALE'S NEW TESTAMENT. - 31 3, 24: 28 : 29 : : a chylde. (Also v. 3). : the tyme was full come. Galatians. vnto the tyme of Christ. Er.: sig Xototöv, ad Christum. V.: in Christo. W.: in Crist. Lu.: auff Christum. (67) Erasmus and Luther. : baptized. Er.: éßattio Gnte, baptizati estis. V.: in Christo baptizati estis. W.: baptysid in Crist. Lu.: tauffet sind (68) -* Erasmus and Luther. one thynge. Er.: slg, unus. V.: unum. W.: ben oon. Lu.: eyner. (69) Wº Vulgate and Wiclif. and heyres. «- Er.: x a l eat', et juxta. V., W.: omit particle. Lu.: und. (70) Erasmus and Luther. : as long as. Er.: ép öoov x9óvov, quam diu. V.: quanto tempore. W.: how moche tyme. L.: so lange. (71) Erasmus and Luther. Er.: vjºttog, puer. V.: parvulus. W.: a litil child. Lu.: eyn kind. (72) Erasmus and Luther. Er.: 29e tö tº goua toü xgóvov. Er.: At ubi uenit plenitudo temporis. (So V.) W.: But aftir that the fulfilling of tyme cam. Lu.: die zeyt erfullet wart. (73) ' Luther. : made bonde vnto the lawe, Er.: yavóusvov Ötrö vóuov. I: factum sub lege. (So V.) II: factum legi obnoxium. W.: maad vndir the lawe. Lu.: vnter das gesetz gethan. (74) « - W. -- Erasmus Latin II. : that we thorowe eleccion shulde receave the inheritaunce that be- longeth vnto the naturall sonnes. Er.: ºva töv vio Gaoiav ätroaßaousv. Er.: ut adoptionejus filiorum acciperemus. V.: ut adoptionem filiorum reciperemus. W.: that we schulde resceyue the adopcioun of sones. Lu.: das wyr die kindschafft empfiengen. (75) - Erasmus Latin. SOININGS. Er.: viol, filii. V.: filii dei. W.: sones of God. Lu.: kinder. (76) Erasmus and Luther. 32 CHENEY, Galatian S. 4, 6; oure hertes. 7 7 1 : 13 : 13 : 13: 15 15: : thou art. : herye of God thorowe Christ. « Er.: 2eAngovöuog 9 soö ö & Youoroö, haeres dei per Christum. V.: haeres per deum. W.: eyr bi God. º : agayne ye desyre afresshe. nether abhorred. : Howe happy were ye then? Er.: II: judöv; I: öucÖv. V.: uestra. W.: youre. Er.: II: nostra; I: uestra. Lu.: ewre. (77) Erasmus II. Er.: gt, es. V.: est. W.: ther is. Lu.: ist. (78) - - Erasmus. Lu.: erben Gottis durch Christon. (79) « »- Luther and Erasmus. Er.: träAuv ävo 9 sv 9éats, iterum ab integro uultis. V.: denuo vultis. W.: ye wolen eftsoone. Lu.: von newes an wolt. (80). Erasmus Latin. in Vayne. « Er.: eiseñ, frustra. V.: sine causa. « W.: withoute cause. Lu.: umbsonst. (81) «- Erasmus and Luther. at the fyrst. »- «- Er.: tö ttgórsgov, prius. V.: jampridem. W.: now bifore. Lu.: zum ersten mal. (82) Y. * Erasmus and Luther. my temptacion. Vd »- - Er.: Treugaouóv uov, experimentum mei. V.: tentationem uestram. W.: youre temptacioun. Lu.: meyne anfechtungen. (83) - Erasmus. Er.: oööè ěšsttöoats, neque respuistis. V.: neque respuistis. - W.: neither forsoken. Lu.: noch verschmecht. (84) Not Wiclif. Er.: tlg oöv jv ö uaxagouög öucÖv; Er.: quae ist igitur beatitudo uestra? V.: ubi est ergo beatitudo uestra? W.: Therfore wher is youre blessinge? Lu.: Wie ward yhr datzumal so selig. (85) w º - - - - Luther. yf it hat bene possille. Er.: ei öovatöv, quod si fieri potuisset. (So V.) W.: if it mygte haue be don. ar - Lu.: wenn es muglich gewesen were. (86) . . . d. "w - Luther. TIE SOURCES OF TINDALE's New TESTAMENT. 33 Galatiºns- 4, 18: It is good alwayes to be ferment. Er.: xa öv tö En?oü08 at trävtote. Bonum est aemulari semper. V.: Bonum autem aemulamini semper. W.: Forsothe sueye good euermore. Lu.: Eyffern ist gut, wensymer dar geschieht vmb das gutte. (87) Erasmus. 20: for I stonde in a doute of you. Er.:ött ätogoöuat év öuiv. - Er. I: quoniam inopiam patior in uobis. Er. II: quoniam consilii inops sum in uobis. V.: quoniam confundor in uobis. - W.: for I am confoundid in you. - Lu.: Denn ich bynn yrre an euch. (S8) ; - Greek. 21: have herde of the lawe? Er.: äxoökts, auditis. V.: legistis. W.: han radd. Lu.: habt gehort. (89) *, Luther. 24: Which thynges betoken mistery. " . . Er.:ärtvá égtuv äÄnyogoöueva, quae per allegoriam dicuntur. V.: quae sunt per allegoriam dicta. Ih W.: The whiche thingis ben seid by allegorie. Lu.: die wort bedeuten etwas. (90) m «. 4 W- - Not Luther. 24: for these wemmen are two testamentes. Er.: aötat yág souv ai ööo öa Gjxat. Er.: Nam haec sunt duotestamenta. V.: Haec enim sunt duo testamenta. W.: Sotheli these thingis ben twey testamentis. Lu.: Denn dise weiber sind. (91) - - Erasmus and Luther. 24: from the mounte. »- Er.: ctö ógovg, à monte. V.: in monte. W.: in the mount. Lu.: von dem berge. (92) Erasmus and Luther. 25: For mount Sina is called Hagar. Er.: tö yäg Ayag 2 vá öoog éorly, Nam Agar, Sina mons est. V.: Sina enim mons est. W.: For Sina is an hil. Lu.: Denn Agar heyst der berg Sina. (93) s s Luther. 25: bordreth apon. m . * Er.: ovarozsi, confinis est. V.: conjunctus est. W.: is joyned to. Lu.: langet bis gen. (94) - - - Erasmus. 26: mother of vs all. - - . « Er.: „ujtng trävrwv juöv, mater omnium nostrum. V.: mater nostra. W.: oure modir. Lu.: vnser aller mutter. (95) - - - « Erasmus and Luther. « 3 34 CHENEY, 4, 31: Galatians. -) but of the fre woman. So Erasmus and Luther. - V. and W.: transfer part of V: 1 to IV: 31. V.: sed liberae: qua libertate Christus nos liberauit. : are justified. W.: but of the free wyf, by which liberte Crist hath maad us free. (96) Erasmus and Luther. : wrappe yourselves. Er.: évézso Gs, implicemini. V.: nolite contineri. W.: nyle ye be together holdun. Lu.: verknupffen. (97) Erasmus Latin. : which is circumcised. Er.: ttsgutsuyouévp, I: circumcidentem se. (SoV) II: qui circumciditur. W.: circumciding himsilf. Lu.: der sich beschneytten lest. (98) »- . 4 Erasmus II. : is bounde to kepe the whole lawe. Er.: ópst ärmg éotiv ö?ov töv vóuov trojoat. Er.: debitor est totius legis seruandae. »- V.: debitor est universae legis faciendae. W.: he is dettour of al the lawe for to be don. Lu.: das er noch des gantzen gesetz schuldig ist. (99) - Erasmus Latin II. : ye are gone quyte from Christ. Er.: earngy.9nte átö roſ XotoroF. Er.: Christus Uobis factus est Ociosus. V.: Euacuati estis à Christo. W.: Ye ben auoydid fro Crist. Lu.: yhr seytabe von Christo. (100) « Greek. Er.: öxatoÜo 98, justificamini. (SoV). W.: that ben justified. Lu.: rechtfertig werden wolt. (101) »- « Not Luther. : V.: nemini consehteritis. W.: To no man consente ye. T. and Er. and Lu.: omit. (102) a Erasmus and Luther. : doth leven. Er.: Zvuo, fermentat. V.: corrumpit. 1 0 : 13: W.: corrumpith. Lu.: versawret. (103) -- a& »- Erasmus and Luther. whatsoever he be. Er.: öotugäv #, quisquis fuerit. V.: quicumque est ille. W.: who euere he is. Lu.: er sey wer er wolle. (104) Erasmus and Luther. in love. g . Er.: ölä tjg äyátyg, per charitatem. V.: per charitatem Spiritus. W.: by charite of spirit. Lu.: durch die liebe. (105) - Erasmus and Luther. THE soURCEs OF TINDALE's NEW TESTAMENT. % - 35 15 : 16 : 18: 19 : 19: 20: 20; 2 : - OC1E another. murther. -« -) -- « - * - Galatians. 4: which is this. Er.: év rq, nempe hoc. V. and W.: omit. Lu.: ynndem. (106) & Erasmus and Luther. byte and devoure. . a Er.: öáxveta 2a eareoGlets, mordetis et deuoratis. V.: mordetis & comeditis. W.: biten andeten. Lu.: beysset vnd fresset. (107) . - - »- Erasmus and Luther. Er.: äAAjovg, alius alium. V.: inuicem. W.: togidere. Lu.: vmternander. (108) - - Erasmus and Luther. I saye, - » w -. Er.: Äyao, dico. V.: dico in Christo. -0 W.: I seie in Crist. Lu.: Ich sage. (109) - Erasmus and Luther. ye be ledde off the sprete. „- »- Er.; 7tveüuatt äyao Ge, spiritu ducimini. (SoV) »- W.: ye be led by spirite. Lu.: Faret yhr aber ym geyst. (110) « «- » Not Luther. aduoutrie. Er.: uotzkia, adulterium. Lu.: eehbruch. V. and W.: omit. (111) Erasmus Latin. witchecraft. d Er.: paguaxaia, veneficium. V.: ueneficia. W.: doynges of venym. Lu.: zewberey. (112) «) -- Tindale's own. lawynge. Er.: égatg, lis. V.: contentiones. W.: stryues. Lu.: Hadder. (113) s - Erasmus Latin. : stryfe. Er.: égt Gaia, concertationes. V.: rixae. W.: chidingis. Lu.: zank. (114) »- Luther. sedicion. - Er.: ötzogtaolat, seditiones. V.: dissensiones. W.: dissenciouns. Lu.: zwietracht. (115) Erasmus Latin. 21 : Er.: póvot, caedes. V.: homicidia. W.: mansleyingis. Lu.: mord. (116) Erasmus and Luther. shall not be the inheritours. - Er.: oö «Angovoujoovotv, haeredes non erunt. V.: consequentur non. W.: schulen not haue. Lu.: werden das reych Gottis nicht erben. (117) » «- « s Erasmus Latin. 3 Z6 CHENEY, 5, 22 : 23: 26 : 2 L.: glawbe, Sanfftmut, keuscheyt. Galatians. faythfulmes, meknes, temperancy. Er.: Trio tug, 7rggötng, éyx9ätsta. Er.: fides, mansuetudo, temperantia. V.: longanimitas, mansuetudo, fides. W.: long abydynge, myldenesse, 118) Erasmus. Agaynst suche is there no lawe. Er.: eat& töv totoütov oöx éott vóuog. Er.: Aduersus hujusmodi non est lex. (SoV) W.: Agens such thingis the lawe is not. Lu.: wilche solche sind, widder die ist das gesetze nicht. (119) m Not Wiclif and Luther. vayne glorious. -- d Er.: xavóöošot, inamis gloriae cupidi. (SoV.) h W.: coueitous of veyn glorie. Lu : eytteler eehre gyttig. (120) Greek. : fulfill ye. Er.: óvatºngcoate, complete. V.: adimplebitis. W.: ye schulen fulfille. Lu.: werdet yhr erfullen. (121) Erasmus. : deceaveth hym silfe in his ymaginacioun. Er.: ëavtöv pgevattat, suum ipse fallit animum. V.: ipse se seducit. W.: he disceyueth himsilf. Lu.: der betreugt sich selbs. (122) »: »- Erasmus. : in the flesh. Er.: Eig thv gágxa aötoü, per carnem suam. V.: in carne sua. W.: in his fleisch. Lu.: auff das fleysch. (123) Luther. : shall of the fleshe reepe. Er.: éx tjg gagxög Gagloat, de carne metet. V.: de carne et metet. M. W.: and of the fleisch he shal repe. smº Lu.: wirt von dem fleysch erndten. (124) Erasmus and Luther. : a) Let us do good and let us not faynte (526). b) let us not be wery of well doynge (1534). . Er.: tö öè eaſöv totoüvtag u éxxaxeöuev. I: necessemus, (II: ne defatigemur), bonum autem faciendo. V.: Bonum autem facientes, non deficiamus. W.: Forsothe we doynge good, fayle not. Lu.: Last vns aber guts thun on verdruss. (125) Erasmus Latin II. : without werynes. 1. Er.: u áx/vóuevot, non defatigati. V.: non deficientes. W.: not faylinge. Lu.: on auffhoren. (126) « Erasmus. THE SOURCES OF TINDALE'S NEW TESTAMENT. 37 Galatians. 6, 11: how large a letter. Er.: 7tn/ixoug Y9äuuaotv, quanta epistola. V.: qualibus litteris. W.: with what maner lettris. Lu.: mit wie vielen wortten. (127) - »- Erasmus. 12: As many as desyre with vttwarde aperaunce. Er.: öoot Géovotv söttgogotjoat. Er.: quicumque volunt juxta faciem. V.: quicumque enim volunt. W.: For who euere wole. Lu.: Die da wollen wol geperden. (128) L » Erasmus. 12: persecucion with the cross off Christ, Er.: Tq. o Tavgq. Toü Zguo toü, ob crucem Christi persecutionem. V.: crucis Christi persecutionem. W.: the persecucioun of Cristis cross. Lu.: mit dem creutz Christi verfolget werden. (129) Luther. 16: walk according to this rule. - Er.: tq xavóvt toütºp ototyjoovotv. Er.: juxta regulam hanc incedunt. V.: hanc regulam secuti fuerint. W.: schulen suwe this rewle. Lu.: nach diser regel eynher tretten. (130) Erasmus. 17: markes of the lorde Jesu. Er.: tä. otiyuata toü evgiov Ingoö, stigmata domini Jesu. W.: tokenes of oure Lord Jhesu Crist. V.: stigmata domini Jesu. Lu.: maltzeychen des herrn Jhesu. (131) Not Wycliff. 5, 5: Welokeforandhope to be justified by the sprete which commeth offayth. Er.: hugigyägtveöuatt éx tiot sogétiöa öxatooövng átéxöezöue Ga. Er.: nos enim spiritu ex fide, spem justitiae expectamus. (So V.) W.: Forsoth we by spirit of feith abiden the hope of rightwysnesse. Lu.: Wyr aber wartten ym Geyst durch den Glawben der gerech- tickeyt der man hoffen muss. (132) Not Luther. Summary. - Matthew (chapters II–VII). Tindale agrees with 1. Erasmus in Nos. 5, 12, 23, 31, 34, 58, 60, 62, 67, 75, 77, 82, 84, 86, 98, 105, 108, 113, 122, 136, 143, 145, 167, 169, 170, 171, 179, 181, 185, 188, 189, 192, 193, 194. 34 passages. 2. Erasmus, Greek, in Nos. 6, 18, 21, 28, 32, 33, 35, 73, 95, 104, 129, 138, 149, 157, 163. 15 passages. 3. Erasmus, Latin, in Nos. 2, 7, 10, 25, 47, 54, 63, 69, 91, 106, 112, 130, 132, 135, 137, 139, 142, 150, 152, 156, 162, 172, 190. 23 passages. 38 - CHENEY, ----- Luther in Nos. 3, 13, 17, 24, 29, 36, 41, 43, 45, 55, 57, 68, 5 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 24 70, 79, 81, 85, 88, 94, 99, 100, 102, 115, 120, 123, 141, 154, 155, 159, 160, 178, 180, 184. 32 passages. . Wiclif in Nos. 30, 168, 173, 182, 186. 5 5% . Erasmus and Luther in Nos. 1, 39, 50, 53, 59, 65, 66, 72, 95, 109, 110, 111, 116, 117, 119, 121, 124, 126, 133, 149, 161, 196. -0 22 passages. Erasmus and Vulgate in Nos. 80, 89. 2 » Erasmus Greek and Luther in Nos. 37, 46, 71, 118, 127, 175, 177. ay 7 passages. Erasmus Greek and Vulgate, in No. 125. 1 passage. Eras. Grk. and Wic. in No. 9. I 37 Eras. Grk, Vulg. and Wic. in Nos. 8, 48, 96. 3 passages. Eras. Lat, and Lu. in Nos. 107, 158, 174. 3 » Eras. Lat, and Vulg in No. 165. 1 passage. Eras. Lat, Vulg, Wic, in Nos. 74, 166. 2 paSSageS. Lu. and Wic. in No. 22. -” 1 passage. Vulg. and Wic. in Nos. 14, 20, 38, 40, 83, 183. 6 passages. Not Eras. (= Lu, Vulg, Wic) in Nos. 27, 51, 64, 92, 114, 128, 144, 146, 147. -.. 9 passages. Not Luther (= Er, Vulg, Wic) in Nos. 4, 15, 16, 26, 42, 44, 49, 61, 87, 90, 93, 101, 103, 131, 134, 153, 187, 191, 195. 19 passages. Not Wic. (= Er, Lu, V.) in Nos. 19, 56, 149, 176. 4 passages. T's own rendering in Nos. 11, 52, 76, 78, 140, 164. 6 „ 1. - In 196 passages T. agrees alone with Erasmus in 72, Luther „ 32, Wiclif „ 5. . and Eras. agree in 137, disagree in 59 passages. . and Lu. „ „ 78, » „ 118 » &B and Vulg. %) yy 47, » «- 3) 149 yy . and Wic. „ „ 46, %) „ 150 39 »- Galatians (chapters I–VI). Tindale agrees with - Erasmus (Greek and Latin), alone, in Nos. 7, 32, 44, 52, 60, 63, 65, 77, 78, 83, 87, 94, 98, 118, 121, 122, 126, 127, 128, 130. 20 passages. THE soURces of T1NDALE's New TESTAMENT. 39 2. Erasmus (Greek), alone, in Nos. 3, 13, 19, 20, 26, 27, 30, - 38, 39, 88, 100, 120. 3. Erasmus (Latin), alone, in Nos. 14, 17, 22, 43, 61, 74, 75, k 80, 97, 99, 111, 113, 115, 117, 125. 12 passages. 15 passages. 4. Luther alone, in Nos. 1, 2, 6, 7, 18, 24, 25, 28, 29, 34, 3640, 51, 58, 62, 66, 73, 85, 86, 89, 93, 114, 123, 129. 24 passages. 1 passage. 5. Wiclif, alone, in No. 4. f 6. Erasmus and Luther in Nos. 11, 12, 16, 37, 50, 54, 56, 57, 59, 64, 67, 68, 70, 71, 72, 91, 92, 95, 96, 102, 103, 104, 105, 106, 116, 124. 7. Eras. and Vulg in No. 119. 8. Eras. Grk. and Lu. in No. 21. 9. Eras. Grk, Vulg, Wic. in No. 31. 10. Eras. Lat. and Lu. in Nos. 46, 49. 11. Vulg. and Wic in No. 69. « º 12. Not Luther in Nos. 5, 9, 15, 23, 33, 35, 42, 53, 55, 90, 101, 110, 132. 13. Not Wiclif in Nos. 84, 131. T'S own rendering in Nos. 10, 112. 41, 45, 47, 48, 76, 79, 81, 82, 107, 108, 109, 37 passages. 1 passage. 1 1 " ) 77 2 passages. 1 passage. 2 2 yy 57 13 passages. In 132 passages n“ Tindale agrees with Erasmus alone, in 47 paSSageS. 39 y) y? 3) Tindale and Erasmus agree in 104, disagree in 28 passages. 3) „ Luther 3% „ Vulgate „ „ Wiclif Matthew II–VII. No. passages 196, T. agrees with Erasmus alone 72, Luther alone 32, Wiclif alone 5, Erasmus 137, Luther 78, Wiclif 46, Vulgate 47, 38, 18, y? Luther yy 99 24 35 „ Wiclif „ „ 1 passage. )? 37 66, 75 77 66 97 j? 7% 18, yy 77 114 99 99 y) 16, y) 95 116 » Romans Galatians Titus and John's Revelation I– VI. I–VIN Philem. Epistles. I–VI. 229, 132, 117, 153, 88 = 84, 47, 55, 40, 29 – 69, 24, 19, 20, 9 = 4, 1, 2, 3, 1 = 145, 104, 95, 123, 75 = 112, 66, 47, 88, 55 = 35, 16, 11, 27, 6 = 15, 32, 10 = 915. Z27. 173. 16. 679. 446. 141. 160. 40 CHENEY, THE soURces of TINDALE's NEw TESTAMENT. Conclusion. From these figures, it would seem to be manifest: First, That Tindale's Testaments show traces of the influence of the four versions, Wycliffes, Vulgate, Luthers, Erasmus'. Second, That these traces of agreement, quite inconsiderable as regards Wycliffe and the Vulgate, show the influence of Erasmus far more than of Luther. a. Third, That of the versions by Erasmus , the Latin, as well as the Greek, was followed and the Latin, at times, pre- ferred. d d This general conclusion that Tindale's Testament was sub- stantially an independent translation from the original, receives additional support from the fact that it is so fully retained in the Authorised Version. The best scholarship of later genera- tions retains its renderings. The Revised Version of 1881, it is interesting to note, returns in several cases to the transla- tion made by Tindale but altered by later revisions. But for the diligence, accuracy, and independent scholarship, found in Tindales Testament, the poor scholar, fugitive, convict, martyr, would long since have been forgotten and his writings with him. But, as it is, we may say (quoting from Froude) of this translation, that, though since Tindale's time it has been many times revised and altered, it is substantially the Bible with which we are all familiar. The peculiar genius – if such a word may be permitted – which breathes through it, the mingled tenderness and majesty, the Saxon simplicity, the preternaturalgrandeur, unequalled, un- approached in the attempted improvements of modern scholars, all are here, and bear the impress of the mind of one man – William Tindale (History of England, Vol. III, p. 84). * Other than his first edition, of the use of which no trace appearS. L I F E. - I was born in Philadelphia, October 13, 1857. Studied in public schools of San Francisco and Boston, graduating at the Boston Latin School in 1873. Studied at Universities of Chicago and Rochester, receiving from Univ. of Rochester, the degree, Baccalaureus Artium, 1877, Magister Artium, 1881. Studied in Baptist Union Theological Seminary, Morgan Park, Chicago, Illinois, receiving degree, Baccalaureus Divinitatis, 1881. I have since studied in London, at the British Museum, and in Leipzig where I have devoted myself specially to Bibli- cal Exegesis I have heard the lectures of Profs, Delitzsch, Lechler, Luthardt, and“ other members of the Theological and Philosophical Faculties. I have been also a constant at- tendant upon the English Exegetical Society, conducted by Prof. Franz Delitzsch, to whom, as, indeed, to all these in- structors, I hereby tender my sincere thanks. And especially would I desire here to express my gratitude to Prof. Wülcker, in charge of the department of English, for his oft-repeated words and deeds af assistance and of kindness. W. Gesta Romanorum « nach der - d » M Innsbrucker Handschrift v. J. 1342 s -- und - zWei Münchener Handschriften. „TX/TN /“N, TX ATX AT - NA“XA"v/“NA NA *«A Inaugural-Dissertation Erlangung der DOctor Würde W. der - - hohen philosophischen Facultät der Friedrich - AlexanderS - Universität Erlangen a vorgelegt »- Wilhelm Di C k. aus Frankfurt a. M. =–<>-< – -– – – – : T. ERLANGEN 1890. K. b, Hof- und Univ.-Buchdruckerei von Fr. Junge (Junge & Sohn). Die Arbeit wird vollständig als Heft VII der „Erlanger Beiträge zur englischen Philologie“ erscheinen. Meiner teuren Mutter in Liebe und Dankbarkeit gewidmet. HIC INCIPIUNT GESTA IMPERATORUM. ■- - - - Cap. 1 (Bl. 1 r.). De rege et pugile pro filia. Pompeius regnauit diues super omnia ac potens, qui filiam habebat pulcherrimam, quam multum dilexit, in tantum quod pro sua custodia eontinue quinque milites dedit, vt sub pena graui eam custodirent contra omne periculum. Puella ista tenerrime erat nutrita. Venit quidam* ad eam, qui multa ei promisit, si sibi consentire vellet. Illa ei consensit, sperans de promissione, de* nocte surrexit et eum est secuta. Erat tunc in palacio quidam* pugil, qui semper pro iusticia imperii pungnabat. Qui cum audisset, quod filia patrem contempsit, quia erat seducta per regem Babylonie, agili cursu post eos* currebat. Rex videns eum ° venientem dedit ei bellum. Sed pugil imperatoris, nomine Adonyas, eum in campo deuicit et caput amputauit et filiam ad palacium reduxit. Tamen faciem patris non vidit, sed continue gemitus et suspiria emittebat. Hec àudiens quidam? sapiens in curia imperatoris existens, qui erat semper mediator inter imperatorem et alios consti- tutus, pietate motus, per eum patri est reconciliata et coram eo vocata ae mobilissimo viro sponsata. Quo facto varia rece- pit (a patre) donaria. Primo a patre tunicam talarem polimitam, vndique habentem hoe intextum: „Dimisi tibi, ne adicias!“ A rege quamdam coronam auream habentem insculptam: „Ex me tua dignitas!“ A quodam ° propungnatore anulum cum hac 1 Titel geht in der Hs. weiter: moralizata ac declamacione Senece et Iohannis. B Nota gesta Romanorum secundum ordinem cum re- ductionibus spiritualibus. In A fehlt hic und steht Senice. ? A quidem. * fehlt B. * AB post currebat. . * A eam. ° A quodem. ` . 1 seriptura: „Qilexi te. Disee diligere! Ab illo sapiente media- tore alium anùlum sic sculptum: „Quid feci? Quantum? Quare?“ A filio regis eeiam anulum, vbi erat sic sculptum: „Nobilis es. Nobilitatem tuam ne eontempnas!* A germano proprio quar- tum anulum, vbi sie erat scriptum: „Accede, ne timeas! Frater tuus sum.“ A sponso suo sigillum, quo sibi sponsi hereditás confirmabatur, collata ', cuius scriptura erat: „Iam coniuncta es. Amplius moli? errare!“ Puella, postquam illa dona rece- perat, ea, quamdiu* vixit, custodiuit et in bona pace quieuit. . Cap. 2 (Bl. 1v). * Statutum, quod filii parentes alerent. ~ Graciamus regnauit, qui statuit pro lege sub pena mortis, quod filii parentes suos alerent. Accidit, quod* erant duo fratres ex vmo patre*. Vnus filium habebat et vidit auunculum suum egentem. Statim secundum legem eum sustinebat contra voluntatem patris; et ideo pater suus eum a societate sua ex- pulit. Verumtamen propter hoe non dimisit, quin auunculum egentem sustinuit et. neeeessaria inuenit. Faetus est post hee auunculus ° diues, et pater cepit egere. Filius suus hec videns patrem aluit prohybente auunculo et ideo a societate-auunculi est expulsus dicensque ei: „Karissime, tibi constat, quia ali- quanùo egenus eram, et me sustinuisti contra voluntatem patris tui, et ideo te in filium et heredem accepi. Ingratus filius hereditatem non sequitur, sed filius adoptatus", sicut tu fuisti ingratus, quia eontra preeeptum adoptantis aluisti*.“ Filius (Bl. 2r.) respondit auunculo: „Nullus debet puniri pro eo, quod lex eompellit. Sed lex naturalis et scripta compellit filium subvenire parentibus in neccessitate maxime ac eos honorare. Et ideo expelli ab hereditate de iure non debeo.“ Cap. 3 (Bl. 2r.). Statutum, si mulier esset fornicata. Honorius regnauit, qui statuit pro lege, quod, si mulier esset sub viro adulterata, sine misericordia de alto monte p. . � ; i AlB collocata. 2 AB noli amplius. , * A. que diu. , 4 IB et. .5 AB fügen noch nati 2u. ...“ AB schalten eius ein. * B. adoptandum. * alle drei Hss. aluit, aber 0esterleys Teaet hat das, richtige aluisti. ., * precipitari deberet. Accidit casus, quod quedam mulier sub viro suo erat adulterata. Vnde secundum legem de monte alto * erat precipitata; sed descendit de monte tam suauiter, quod in nullo erat lesa. Ducta est ad iudicium. Iudex vi- dens, quod mortua non esset, dedit feminam, quod iterum deberet precipitari et mori. Ait mulier: „Domine, si sie feceris, contra legem agis, quia lex vult, quod nullus debet bis puniri pro vno delicto. Ego eram precipitata, et deus me saluauit miraculose. Ergo videtur, quod iterato non debeo precipitari, nisi contra legem iterato 1 eommitterem.“ Et sie saluata est. - - * . _ Cap. 4 (Bl. 2r.). De oppressione. Claudius regnauit, qui statuit pro lege, quod, si quis mulierem raperet et vi eam opprimeret, in eleccione mulieris esset, vtrum mori deberet, vel eam in vxorem acciperet sime dote. Accidit casus, quod quidam rapuit vna nocte duas mulieres. Vna* peeiit mortem et altera nupcias. Raptor captus est et ductus coram iudice, vt duabus mulieribus se- cunduih *legem responderet. Prima mulier mortem peciit se- cundum legem. Secunda eum in uirum peciit secundum legem et dixit prime: „Verum est, quia lex dictat, quod peticionem optineas. Et sic pro me facit. Sed quia mea peticio est micior et magis* caritatiua, ideo mihi videtur, quod iudex pro me allegabit.“ Ambe coram iudice perrexerunt, et quelibet bene- ficium legis postulabat. Iudex cum vtramque racionem au- diuit, secunde mulieri concessit, vt eum in virum optineret. Et sic factum est. Cap. 5 (Bl. 2 v.). De iuuene capto a piratis, quem pater noluit redimere. Zenon regnavit, in cuius imperio erat quidam iuuenis captus a pyratis. Scripsit patri suo pro redempcione. Pater noluit, eum redimere, sicque iuuenis multo tempore erat mace- ratus in carcere. Ille, qui eum in vinculis tenuit, quandam * 1 B iterata. . ? Hs. davor quarum ' von anderer Hand am Rande. 3 IB mea. - - 1 E* — 4 — filiam habebat puleram ac occulis hominum graciosam, que sepius incarceratum visitare solebat et consolari ; sed ille tam desolatus consolacionem non recepit, sed suspiria et gemitus cottidie emittebat. Accidit quodam * die, quod, cum puella eum visitaret, ait, ei iuuenis: „0 bona puella, vtinam velles pro mea liberacione laborare!“ Que ait: „Quomodo hoe potero attemptare°? Pater tuus, qui te genuit, non vult te redimere; ego vero, cum sim tibi extranea, quomodo debeo hoc perpe- trare? Et si te liberarem, offensam patris mei incurrerem, et per hanc tuam redempcionem pater meus perderet. Verum- tamen concede michi vnum, et te liberabo!“ At ille: „0 bona puella, pete a me, quod tibi placuerit! Si michi est possibile, ego concedam.“ At illa: „Nichil aliud peto pro tua liberacione, nisi quod me in vxorem ducas oportuno tempore, et ab isto carcere te liberabo inmediate.“ Qui ait: „Hoe tibi firmiter promitto.“ Statim puella patre ignorante ipsum a uinculis liberauit et cum eo ad patriam fugit. Cum vero ad patrem suum venisset, ait ei pater: „0 fili, de tuo aduentu gaudeo; sed die michi, qualis est ista puella, quam tecum duxisti?“ At ille: „Filia regis est, quam in vxorem habebo.“ Ait pater: „Sub pena amissionis hereditatis mee molo, quod eam in vxorem ducas.“ At ille: „0 pater, quid dicis? Plus ei teneor, quam tibi. Quando eram captus im manus inimici et fortiter aduimeulatus, tibi scripsi pro mea redempcione. Noluisti me redimere. Ipsa vero non tantum a carcere, sed a periculo mortis liberauit me *. Ideo eam in vxorem ducere volo.* Ait pater: „Probo tibi, quod non possis in eam confidere et per consequens in vxorem non habere*. Patrem proprium decepit, quando ipso ignorante te a carcere liberauit, pro qua liberacione pater eius multa perdidit, quia totam tuam redempcionem. Ergo videtur, quod tu non poteris in ea confidere et ideo nullo modo ° in vxorem sumere. Item alia racio est ista. Licet te liberauit, hoc fuit causa libidinis, vt posset ° te in virum ha- bere. Et ideo, quia eius libido erat eausa liberacionis tue, non michi videtur, quod vxor tua est.“ Puella audiens istas raciones ait: „Ad primam racionem respondeo": Quando dicis, i B quadam. 2 B ac temptare. 3 AB me liberauit. * AB in vxorem ducere. 5 B schiebt eam ein. ° AB possit. " B respondeo racionem. , ' — , 5 — quod ego decepi patrem proprium etc., dico, quod non est verum.' Ille decipitur, qui in aliquo bono diminuitur. Sed pater tam locuplex est, quod non indiget alicuius auxilio. Tamen hoc perpendi, iuuenem istum a carcere liberaui. Et si pater meus redempcionem pro eo accepisset, non maius ' diues esset, quia* plus habet, quam expendere potest, eo quod in omnibus ha- bundat, et tu per redempcionem depauperatus esses. Ergo te saluaui, quod redempcionem non dedisti, et patri meo nullam iniuriam feci. Ad aliam racionem, quando dicis, quod ego ex libidine hoc feci, respondeo: Hoc mullo modo potest fieri, (Bl. 3r.) quia libido venit* ex eausa puleritudinis aut propter diui- cias áut propter fortitudinem. Sed* filius tuus nullam istarum habuit, quia pulcritudo eius per carcerem erat annichillata; nec diues fuit, quia non habuit, vnde se ipsum redimeret, nec fortis, quia fortitudinem perdidit per carceris maceracionem. Ergo sola pietas me mouebat, quod ipsum liberaui.“ Pater hec audiens non poterat vlterius ° contra filium arguere. Filius vero cum magna solempnitate eam in vxorem duxit et sie in pace vitam finiuit. -. Cap. 6 (Bl. 3r.). Quod alter pro amore alterius moreretur. Valentinianus regnauit potens ae tyrannus, qui quandam puellam, regis filiam, pulcram valde desponsauit. Facta despon- sacione cum ea per iuramentum eonduxit, quod, si quis eorum prius moreretur, alter pre nimio amore moreretur. Accidit semel, quod imperator iste ad partes longinquas se transtulit et diu moram ibidem traxit. Volens probare vxorem misit mun- cium ad eam de morte sua. Audiens hec vxor propter iura- mentum, quod ante fecerat viro suo, de alto monte se precipi- tauit, vt moreretur. Verumtamen non est mortua, sed, sanitati infra tempus breue restituta. Deinde volebat iterato se ipsam precipitare, vt moreretur, propter iuramentum, quod fecerat. Pater eius hec audiens ei precepit, vt precepto viri non obe- diret, sed totaliter talem virum dimitteret. Illa ei obedire i B magis. 2 A sed. 3 AB veniet, * fehlt in AB. * fehlt in AlB. - « - - . • . • ' — 6 — nolebat. Pater ait: „Ex quo mon vis michi* obedire, cito extra societatem meam exeas!“ At illa: „Nolo, et hoc per talem racionem. Quandoque* aliquis est iuramento obligatus, per legem tenetur id adimplere. Ego iuraui viro meo, quod pro eius amore moriar. Ideo mon deliqui, quare ego a societate tua debeo expelli. Item nullus debet puniri pro eo, quod est commendabile. Sed cum vir et vxor sint vnum secundum deum, eommendabile est, quod vxor moriatur pro amore viri sui. Vnde talis lex aliquando erat in India, quod vxor post mortem viri sui pre dolore et amore deberet se ipsam eomburere, vel viua cum eo in* sepulerum poni. Et ideo michi videtur, quod non delinquam, quando me ipsam propter amorem viri mei interficio.“ Ait pater: „Quando prius dixisti, quod obligata iuramento fuisti ete., tale obligamentum non valet, quia pre- tendit ad malum finem, scilicet ad (Bl. 3 v.) finem mortis. Semper iuramentum debet esse licitum et racionabile et non contra pietatem, et ideo iuramentum tuum nullum est. Ad aliam racionem, quando dixisti, quod illud est commendabile, quod vxor moriatur pro uiro, non valet, quia, licet sint in corpore vnum per carnalem affectionem, in anima duo sunt, que ab inuicem realiter differunt. Et ideo mon valet, quod dixisti.“ Puella hee audiens non poterat vlterius arguere, sed dictis patris adhesit, mee vlterius volebat se precipitare nec amplius viro copulari. Cap. 7 (Bl. 3 v.). De filio militis, qui duxit meretricem. Theodosius regnauit, in cuius imperio erat quidam miles generosus, qui duos filios habebat. Filius iunior eontra volum- tatem patris meretricem desponsauit. Cum pater hoc audisset, contristatus est valde, illum a societate sua expulit. Iste sie expulsus in magna miseria est positus. Tamen de meretrice vxore sua filium genuit. Et eger valde factus est. Statim misit ad patrem nuncium, vt misericordiam de eo haberet. Pater vero misertus est ei et est ei reconciliatus. Ipso recon- ciliato patri suo filium, quem de meretrice genuerat, recommen- dauit. Pater vero ipsum quasi fn filium proprium recepit et ' în A fehlt michi. 2 B quandoeunque. 8 AIB ad. — 7 —- nutriuit. Hec audiens alius frater dixit patri suo: „Tu es demens, et hoc * probo tali racione. Ille demens est, qui. filium in heredem aecipit et nutrit, qui ei magnam iniuriam fecit. Sed frater meus, qui istum genuit, fecit tibi magnàm iniuriam, quando meretricem contra tuum preceptum despon- sauit. Ergo videtur, quod tu sis demens.“ Pater ad hoe re- spondit: „Fili, frater tuus est michi reconciliatus per magnam contricionem, quam habuit, et preces aliorum. Ideo me oportet filium suum diligere plus quam te hac racione. Tu contra me commisisti* et nunquam reconciliatus michi fuisti. Iam tu es ingratus fratri tuo propter hoe, ex quo velles ipsum a socie- tate mea expellere. Karissime, certe nullus ingratus filius debet consequi hereditatem. Tu noluisti eum michi reconcili- asse *, immo impediuisti, quantum potuisti. Ergo partem here- ditatis mee numquam optimebis, sed illam, quam deberes opti- mere, frater tuus occupabit.“ Et sic factum est. - Cap. 8 (Bl. 4r.). De tribus ymaginibus, Leo primus regnauit, qui miro modo delectabatur puleras virgines videre. Vnde fecit fieri in quodam templo tres yma- gines stantes et précepit, vt omnes eas adorarent*. Prima .ymago habebat manum extensam ad populum et in vno digito anulum aureum, et super digitum erat superscripcio talis: „Ego sum curialis. Eece amulus!“ Secunda ymago barbam auream habebat, et in fronte eius erat seriptum: „Ego sum barbatus. Si quis ealuus fuerit, ad me veniat et de pilis meis accipiat!“ Tercia ymago habebat elamidem auream et tunicam de pur- pure et pallo, et in pectore eius erat scriptum litteris aureis: „Ego sum, qui neminem timeo.“ Iste tres ymagines erant lapidee interius. Cum autem fuissent complete secundum vo- luntatem imperatoris, statuit pro lege, quod quicumque anulum vel barbam auream aut elamidem aufferret, morte turpissima esset condempnatus. Accidit quodam tempore, quod quidam tyramnus templum intrauit vidensque primam ymaginem eum digito extenso amulum a digito extraxit. ; Deinde ad ymaginem , fehlt in AB. 2 B misisti. * B reconciliari. * in A fehlt eas, IB adorarent eas. - „ . • — 8 — secundam accessit et barbam auream ab ea abstulit. Post hec ad ymaginem terciam peruenit, clamidem ab ea tulit et de templo recessit. Populus cum ymagines spoliatas vidisset, statim ad imperatorem omnes accesserunt et de tali trans- gressione ' contra legem factam accusabant. Imperator statim transgressorem, id est* tyrannum, conuocari fecit et super delicto eum arguebat, quod ymagines contra preceptum spoli- auit. At ille: „Domine, licitum est michi* respondere?“ Qui ait: „Michi bene placet.“ „Quando templum intraui, prima ymago manum ad me extendit habensque in digito anulum, ae si diceret: * Anulum istum aeeipe!” Tamen propter manus extensionem anulum nolui recipere, quousque in digito super- scripcioném legi, scilieet: “Ego sum curialis. Eece anulus!' Statim intellexi per seripcionem, quod voluntas eius esset, vt anulum acciperem, et ideo accepi. Deinde ad secundam yma- ginem veni, et cum vidissem eam barbam auream habentem, in corde meo cogitaui et dixi: “Pater istius numquam talem barbam habebat, quia sepius eum vidi; et quod filius sit alcior quam pater, racio non dictat, bonum est et vtile barbam eius aufferre? Verumtamen hoe non obstante barbam nolui extrahere, quousque legi (Bl. 4v.) superscripcionem: “Ego sum barbátus. Si quis caluus fuerit, ad me veniat et de pilis meis accipiat!” Sicut videtis, caluus sum, et ideo barbam auream aeeepi propter duo. Vnum est, vt patri suo esset similis. Secundo, vt per pilos eius capiti meo caluo subuenirem. Deinde accessi ad terciam ymaginem, que elamidem auream habebat. Clami- dem abstuli, eo quod in hyeme* aurum est frigidum, et ymago erat lapidea, et lapis naturaliter est frigidus, et ideo, si ha- beret elamidem auream, esset addere frigiditatem frigido, quod est graue ymagini. Item si in estate haberet clamidem, esset ei nimis ponderosum. Adhuc propter ista non abstulissem, donec superscripcionem frontis legissem: “Ego sum, qui nemi- nem timeo'. Cum vero tantam superbiam in ea legissem, vt humiliaretur, clamidem abstuli.“ Ait imperator: „Karissime, quando lex erat data, ut nullus ymagines spoliaret, non erat in lege prouulgatum °, quod aliquis ymagines propter causam aliquam spoliaret? Et ideo, quia te intromisisti de eis, que * B schiebt eum ein. 2 A scilicet. * A michi est. * A yme. * permtulgatum. - — 9 — ad te non pertinebant, do pro iudicio, vt hodie suspensus sis , in patibulo.“ Et sic 1 factum est. Cap. 9 (Bl. 5r.). De filio patrem persequentem. Leo secundus regnauit prudens valde, qui pulcram filiam puellam regis Syrie in vxorem habebat*, que peperit ei filium pulcherrimum. Creuit puer, * et cum ad etatem legittimam per- uenisset, patri suo semper insydias fecit et per omnia mortem eius quesiuit. Admirabatur imperator. Venit ad imperatricem et ait: „Karissima, audacter sine timore aliquo secretum cordis tui reuela michi! Die michi, vtrum aliquo tempore ab aliquo quam a me sis corrupta, si sit iste filius meus, qui michi tantum insidiatur!“ At illa: „Nouit deus, qui nom fallitur, quod numquam ab aliquo cognita sum nisi a te! Et hoc pa- rata sum per omnem viam probare. Et iste est filius tuus, qui te tantum insequitur; sed eausam huius persecucionis pe- nitus ignoro.“ Rex cum hoc audisset, statim cum mansuetu- * dine filio suo locutus est dicens: „Bone, inquit, fili, ego sum pater tuus; per me mundum intrasti et heres meus eris. Cur michi mortem minaris? In deliciis nutriui te, et omnia mea tua sunt. Desine, inquit, ab ista iniquitate et noli me occi- dere!“ Filius vero dictis eius non aequiescens, de die in diem malicia eius ereseebat et semper patrem occidere nitebatur. Pater hoc videns in loeum desertum perrexit et filium secum duxit portansque gladium in manu sua tradidit filio suo* dicens: „0 fili mi, interfice me, quia minus seandalum est tibi me hie interficere in occulto quam coram populo!“ Filius hec audiens statim gladium a se proiecit et coram patre genu flexo cum fletu magno misericordiam ab eo petiuit dicens: „0 pater, peccaui; iam non sum dignus vocari filius tuus. Peto, ut michi remittas et me diligas, et filius tuus hu- milis ac fidelis per omnia de cetero ero.“ Pater vero eius pietate motus osculatus est eum et ait: „0 fili dulcissime, ammodo non delinquas, sed esto michi filius fidelis, et ego 1 fehlt in AB. 2 A duxit et habebat, B duxit et eum habebat. 3 B suo filio. • . — 10 — tibi pater graciosus!“ Et sic factum est. Ambo in pace vixerunt et vitam in bono finierunt. Cap. 10 (Bl. 5 r.). De filia in venenosis nutrita. Allexander regnauit, qui erat tam fortis tempore suo et potens, quod nullus eum deuincere potuit. Et quantum ad sapieneiam magistrum Aristotilem habebat seeum, qui eum in omni sapientia instruebat. (Bl. 5 v.) Hee audiens regina aqui- lonis filiam suam a tempore natiuitatis veneno nutriuit, et cum ad etatem legittimam peruenisset, erat tam pulcra et in omni- bus amorosa, ita quod multi per aspeetum eius infatuati fuerunt. Tandem regina eam ad Allexandrum misit, vt esset eius com- cubina. Visa puella statim captus est in eius amore et dor- mire cum ea uolebat. Hee percipiens magister Aristotiles dixit ei: „Nolite talia attemptare, quia, si feceritis, inconti- menti moriemini, eo quod ipsa sit toto' tempore vite sue ve- nemo nutrita! Et vt verum fuerit, quod dico, statim hoc pro- babo*. Hie est quidam* malefactor, qui per legem mori debet; cum ea dormiat, et tunc videbitis, si verum dixerim.“ Et sic factum est. Malefactor osculatus est* eam, eoram omnibus cecidit et mortuus est. Allexander hec percipiens magistrum suum miro modo laudabat, qui eum a morte liberauit. Puellam matri remisit. - • Cap. 11 (Bl. 5o.) De (luobus anulis, amoris et obliuionis. / Fridericus in ciuitate romama regnauit *, qui diu remansit sine prole. Et vxorem tandem per consilium sapientum quan- dam puellam puleram valde de longinquis finibus mundi de- sponsauit et cum ea in patria ignota diu moram traxit et prolem ex ea genuit. Post hec ad imperium suum acce- dere volebat. Sed nullam licenciam ab ea poterat habere; immo ipsa semper dicebat, si de ea recederet, se ipsam inter- ficeret. Imperator cum hec " audisset, fecit fieri duos annulos AB in toto. * A probabo hoc. * A quidem. ' fehlt in B. ° in der Hs. an Rande nachgetragem cum fratribus suis, das aber in AB fehlt. • fehlt in A. & - — 11 — optimos et sculpsit ymagines in gemmis huius ' efficacie , vt Vna esset ymago memorie et altera* ymago obliuionis. Cum- que paribus amulis eas inseruisset, vnum anulum, scilicet ob- liuionis, vxori prebuit, alterum ipse tulit*, vt sicut pari amore* sic paribus anulis insignirentur. Vxor incepit statim amoris viri obliuisci. Imperator hee videns ad imperium cum gaudio se transtulit nec vlterius ad vxorem est reuersus. Et vitam in pace finiuit. . • . . Cap. 12 (Bl. 6r.). De sacerdote et riuulo. Erat quidam imperator, in cuius imperio erat quidam sacerdos lubricus, qui per hoc subditos multociens perturbauit, et per hoc scandalizati multum erant. Erat vnus parochi- alium suorum, qui nunquam interesse voluit misse ipsius, dum celebrauit. Accidit quodam die festiuo, quod tempore misse eius solus in campo deambularet et miro modo siciebat, in tantum quod videbatur ei mori, nisi posset sitim extinguere. Accidit, dum ambulasset, venit ad quemdam riuulum purissimi fontis. Quo viso incepit ° haurire et fortiter bibere. Sed cum plus gustasset et bibisset, tanto ardencius siciebat. Intra se ad- mirabatur et dixit: „Fontem huius riuuli querere volo!“ Dum autem ambulasset, obuiabat ei quidam semex pulcher valde et ait ei: „Karissime, quo tendis?“ Qui ait: „Vltra quam credi potest sicio. Inueni vnum riuulum aque, de quo bibo, et quanto plus bibo, tamto amplius ° sicio. Ideo fontem illius riuuli quero, ut de fonte bibam, si sitim extinguere possim.“ Ait senex: „Ecce hic est fons, de quo riuulus ille procedit! Sed die michi, quare cum aliis christianis ad audiendum diui- num officium ecclesiam non intrasti!“ Qui respondit: „Vere, domine, quia sacerdos noster execrabilem ducit vitam, quod ipsum non credo mundas missas et deo placitas eelebrare.“ Ad quem senex: „Si ergo tu sicis, vt dicis, ecce foms, de quo tam dulcis aqua riuuli procedit, de qua bibisti!“ Respexit ille vidensque camem fetidissimum habentem os apertum, per cuius os et dentes tocius fontis scaturigo emanabat mirabiliter. i B hoc. 2 B memorie, alia. 3 fehlt ìn A. * B amori. ? AB cepit. " AB plus. - , • • • • - , * « - . — 12 — Quod dum ille perspieacius agnouisset, mente confusus éxpauit; toto corpore pertremiscens propter fetorem non audebat gustare et miro modo siciebat. Quem senex intuens ait illi: „Noli timere, quia potasti de riuulo huius fontis! Nullam enim! molestiam tibi generabit.“ Ille hec audiens gustauit, sitim extinguit et ait: „0 domine, tam dulcem aquam nunquam bibit homo.“ Qui ait: (Bl. 6 v.) „Vide modo, quemadmodum ' hee* dulcis aqua per os camis fetidi obseruato colore proprio cum sapore nec polluitur nec mutatur ! Karissime, sic et missa per indignum sacerdotem celebrata. Et ideo, quamuis tibi displiceat vita talium presbyterorum, tamen deuote missas debes audire.“ Hiis dictis senex euanuit ab eo. Et quod viderat, aliis narrauit et post hec deuote missas audiuit. Cap. 13 (Bl. 7 r.). - De regina, que de filio concepit et partum iugulauit. Quidam imperator erat, qui pulchram vxorem habuit, quam miro modo dilexit. Ipsa primo anno concepit et filium pulcherrimum peperit, quem multum dilexit, in tantum quod singulis noctibus in vno lecto cum eo iacebat. Cum autem puer tres annos in etate eompleuisset, mortuus est imperator. De cuius morte factus est dolor intollerabilis. Regina multis diebus mortem eius planxit. Cum autem sepulture fuisset traditus, regina per se in quodam castro vixit habensque secum filium suum. Puerum istum tantum dilexit, quod ab eo separari non poterat. Ambo continue simul iacebant, donee puer XVIII annos in etate compleuit*. Vidensque dyabolus amorem ordinatum* inter filium et matrem eos ad nefarium opus solicitauit, in tantum quod filius propriam matrem cognouit. Regina vero statim concepit. Cum vero impregnata fuisset, filius eius totum regnum pre dolore amisit et verecundia* et ad partes longinquas accessit. Mater, cum tempus pariendi adesset, filium pulcherrimum peperit vidensque filium statim illum ° iugvlauit scindens guttur eius per medium. Sanguis gutturis cecidit in palma sinistra manus matris, faetique sunt quatuor circuli rotumdi in ista forma: QD QD QD (D. Vnde ipsa ' fehlt in AB. * AB hic. * B habuit vel compleuit. * AB in- ordinatum. ° A et verecundia amisit. " fehlt in AB. nulla arte poterat cireulos de manu sua euellere. Et propter* hoe ducta verecundia semper in illa manu vtebatur cyrotheca, me circuli sanguinei viderentur. Regina ista? satis deuota erat, et eum tantum verecundaretur, quod ex proprio filio concepit et proprium filium occidit, quod nullo modo de hoe confiteri volebat, et tamen omni quindema de peccatis suis fuit confessa*. Regina ista miro modo virginem Mariam dilexit et elemosinam pro eius amore sepius dedit. Ab omnibus erat dilecta, quia erat omnibus graciosa. Accidit vna nocte, quod confessor eius eoram lecto genu flexo quinquies Ave Maria beate virgini diceret. Apparuit ei beata virgo et ait: „Karissime, ego sum [virgo Maria]*. Habeo tibi aliqua proferre.“ Confessor eius gauisus est valde et ait: „Dic, domina karissima, seruo tuo, que tibi placent!“ Que ait: „Regina istius regni tibi confitetur. Tamen vnum peccatum commisit, quod non audet pre nimia verecundia tibi pandere. Die vero erastina ad te veniet eausa* confessionis. Die ex parte mea, quod elimosine sue et oraci- ones sunt presentate in conspectu filii mei et accepte, et (Bl. 7 v.) quod confiteatur de illo peccato, quod priuate in camera sua commisit, quia rogaui filium meum pro ea et remissum est ei peccatum, si voluerit confiteri. Si vero dictis tuis noluerit aequieseere, roga eam, vt eyrothecam de manu sua sinistra deponat ! Et im palma eius peccatum suum commissum et non confessum videbis. Si noluerit eyrotheeam deponere, vi eam extrahe!“ Hiis dictis beata virgo euanuit. Mame vero regina satis humiliter confitebatur de omnibus excepto illo peccato. Cum autem omnia dixisset, que ei placuerunt, ait confessor: „Domina et filia karissima, multi multa locuntur, quare semper in manu sinistra cyrothecam portas. Audacter michi manum extendas, vt possim videre, si lateat aliquid, quod deo non placeat!“ At illa: „Domine, manus mea sama non est, et ideo eam tibi ostendere* nolo.“ Ille hec audiens per brachium eam accepit et contra voluntatem eius cyrotheeam abstraxit et ait: „Domina, moli timere! Beata virgo, que te intime di- ligit, michi precepit, hoc perpetrare.“ Cum vero manum aper- tam vidisset, vidit quatuor circulos sangvineos ae rotundos. Et in primo circulo erant quatuor C C C C, in secundo circulo ? * B per. a fehlt in B. * dieser Satz ist verderbt. * nach Oesterlegys Teate. * Hs. casa, aber AB causa. ° AB eam ostendere sibi. * fehlt in A. . - - - — 14 — IV D D D D, in tercio circulot IV M M M M, in quarto cir- culo IV R R R R. Et in circuitu circulorum ad modum sigilli erat talis? superscripcio rubea: „Casu Cecidisti Carne Cecata; Demoni Dedisti Dona Dotata; Monstrat Manifeste Manus Ma- culata; Recedet Rubigo Regina Rogata.“ Domina cum hee . .vidisset*, ad pedes confessoris cecidit et cum lacrimis satis humiliter confitebatur de illo peccato. Accepta absolueione et penitencia completa infra paucos dies obdormiuit in domino. Cap. 14 (Bl. 8r.). De filio, qui patrem liberauit. Dorotheus statuit pro lege, quod filii parentes suos susten- tarent. Erat in imperio tune temporis quidam miles, qui vxorem pulchram acceperat et de ea filium genuit. Profectus est miles ad peregrinandum; per viam est captus et fortiter aduineulatus. Statim scripsit vxori et filio pro redempcione sua. Vxor hee audiens in tantum fleuit, quod ceca facta est. Ait filius matri: „Volo ire ad patrem meum, vt eum redimam* a uinculis.“ Ait mater: „Non ibis, eo quod tu sis vnicus filius meus et gaudium anime mee et dimidium anime mee”; et posset ° tibi contingere sicut et sibi. Malles tu patrem absentem redimere quam matrem presentem alere? Quociens aliqua res est duobus equalis et eommuniter, potestas eius est tota, qui presens est. Tu es filius patris tui et" (Bl. 8v.) meus*, qui de utero meo existi. Ego vero sum presens, non autem pater tuus. Concludo ergo, quod nullo modo debes a me recedere.“ Respondit filius et multum bene: „Licet sim filius tuus, tamen pater meus est principalis causa generacionis mee, ille agens, tu vero paciens. Pater meus profectus est peregre, tu autem domi; ille vero captus et fortiter vinculatus est, tu vero libera; ille in manibus* inimicorum, tu vero inter amicos; ille inclusus, tu vero libera. Tu es ceca, ille vero non videt lucem, sed cathenas, vulnera et miserias. Et ideo ad eum volo pergere et ipsum redimere.“ Et sic factum est. Vnde omnes filium laudabant, qui sic pro redempcione patris laborauit. - * fehlt in A. 3 B titulus. * AB audisset. • Hs. eum redi- mam eum. * et dimidium anime mee fehlt in AB. " AB possit. 7 Hs. et et. 8 et meus fehlt ín B. • • � J — 15 — Cap. 15 (Bl. 8v.). De filio, qui nouercam noluit eurare. ■ Gorgonius regnauit.in ciuitate romana, qui vxorem pulcram accepit, que ei filium peperit. Creuit puer et ab omnibus [est]* dilectus. Cum autem X annos in etate eomplesset, mortua est imperatrix, mater eius, et honorifice sepulture tradita. Post hec ex communi consilio imperator aliam vxorem duxit, que filium prime vxoris non dilexit, sed multa opprobria ei con- tulit. Imperator hec percipiens volens placere vxori filium suum extra imperium ad studium (Bl. 9r.) misit. Filius vero sie expulsus artem medicine didicit et in tantum profecit, quod factus est phisycus optimus. Post hec imperator audiens, quod filius eius in studio multum profecisset, gauisus est valde. Verumtamen eecidit im grauem infirmitatem; litteras pro filio misit, ut ad eum sine vlteriori dilatacione veniret et ° eum ab infirmitate curaret. Filius vero cum voluntatem patris in- tellexisset, ad patrem venit et eum peroptime samauit. Vnde fama eius per totum imperium volabat, quod tam subtilis* phisycus factus esset. Post hec imperatrix, mouerea eius, vsque ad mortem infirmabatur. Vnde mediei sunt addueti, qui de vita eius desperabant. Hec audiens imperator rogauit filium suum, vt eam curaret. At ille: „Peticioni vestre nolo consen- tire.“ Cui imperator: „Si sic est, extra imperium meum te expellam.“ Ait filius: „Si sie* agis, iniuste meeum agis. Bene tibi constat, quod me extra imperium expulisti propter eius suggestionem. Vnde mea absencia fuit causa doloris tui ac ° infirmitatis tue. Eodem modo mea presencia est causa et oecasio [doloris et infirmitatis] ' noueree. Ideo ° nolo ei medi- cinam dare, quia, si manum ei imponerem et nullum profectum inducerem, michi imputaretur.“ Ait pater: „Eundem morbum habet", sicut ego habui.* Respondit filius: „Pater, licet sit eadem infirmitas, non tamen eadem complexio in te et in illa. Quitquit egó tibi feci, gratum et ratum habuisti; quando pa- lacium tuum intraui, recreatus fuisti. Si nouerea mea videt me, grauatur; si loquor, ei dolor incenditur; si tango eam, extra se erit. Et ideo nichil * magis prodest egris curari i mach, Oesterlegys Teaete. 2 B vt et. 3 B subtalis. * Hs. sic sic. 5 fehlt in B. g B iam. t Hs. habui, aber AB habet. 8 B. mee. — 16 — quam ab eo, cui volunt et desiderant et in quibus affectant.“ Et sic per tales raciones euasit. Et mortua est nouerca. Cap. 16 (Bl. 9 v.). De mundicia lepre. Erat quidàm princeps nomine Naaman!, qui cum* fuisset princeps milicie regis Syrie, e[ra]t diues valde, sed leprosus. In obsequio vxoris Neaaman 1 erat quedam puella de terra Israelis, que ait ad dominam suam.: „Vtinam fuisset dominus meus ad prophetam Helyzeum Samarie, qui curaret eum !“ Qui cum venisset ad prophetam, mandauit Helyzeus, vt descenderet et sepcies in Iordane lauaret se. Cumque lauisset se sepcies, iuxta sermonem viri dei* restituta est caro eius, sicut caro parui pueri, et mundatus est a lepra. . Cap. 17 (Bl. 9 v.). De pungna militum. Adonyas regnauit diues valde, qui torneamenta * et hasti- ludia multum diligebat. Vnde quoddam torneamentum fecerat proclamari, et ° quieunque in torneamento forcius se habebat, mercedem condignam ab imperatore optineret. Multi ad torne- amentum venerunt*. Imperator ordinauit, vt milites diuideren- tur, ita quod ex parte vna phus 7 valentes ordinauit et tot ex alia parte. Illi vero, qui primo ordinati fuerunt, omnia scuta sua in vno loco° ad hoc deputatum per ordinem posuerunt. . Hoc facto imperator precepit, vt quicunque ex alia parte scutum alicuius° cum hasta sua tangeret, statim ille '°, cuius erat scutum tactum, ad tornamentum descenderet, et vna virgo ad hoe electa illum armaret. Deinde eontra alium luderet, et si eum in ludo optimeret, illa die corona regis €oronatus esset et iuxta latus regis in mensa collocatus. Miles quidam hec audiens diligenter omnia seuta respexit, vnum scutum, in quo volebat ludere, tetigit; alius vero in continenti se per puellam fecit armari. Descendit et contra eum ludebat. In quo ludo i A B Neaman. 2 in B fehlt cum. 3 B dei viri. * B tormenta. * B vt. " dieser Satz fehlt in A. * B plures. * AB loco vno. ° AB schieben de pugna militum ein. 19 B iste. - -—— 17 «- ^ ^ • • - 4* . « •• caput eius amputauit, (Bl. 10r.) qui scutum suum tetigit, et mercedem condignam ab imperatore recepit. Cap. 18 (Bl. 10r.). De illo, qui in foueam serpentum cecidit. Erat quidam imperator, in cuius imperio pauper mansit, qui singulis diebus ad quandam forestam perrexit, vt lingna colligeret et pro se et vxore ac pro liberis venderet, vt eos sustentaret. Aecidit quodam die, quod ad forestam eum azino perrexit. A easu incidit in demsitatem memoris et ' subito cecidit in quamdam profundam foüeam, de qua mullo modo exire potuit. In illa fouea erat quidam draeo horribilis, qui totam foueam inferius cum cauda circumvoluit. Super eum erant serpentes infiniti, et singulis diebus serpentes semel in profundum fouee descenderunt ad quendam lapidem, qui erat in medio^ putei; quilibet post alium lapidem lambebat, et sic ascenderunt per ordinem. Deinde draco lapidem lambebat et post hec per totum diem quiescebat. Pauper cum hoe vidisset, intra se cogitabat: „Multis diebus hic sine cibo ? et potu steti; filius mortis sum ego. Pergam ad illum lapidem et lambam, sicut serpentes fecerunt.“ Perrexit ad lapidem et cepit lam- bere et inuenit omnem saporem, quem desiderabat. Ita est refocillatus, ac si omnem cibum gustasset. Infra paucos dies tomitruum magnum audiuit, tam horribilem, quod omnes ser- pentes exierunt, vnus post alium. Cum vero omnes exissent, draco extra foueam volabat. Pauper hec videns tenuit cau- dam draconis. Draco vero €um de fouea leuauit et ad* (Bl. 10 v.) magnam distanciam de fouea eum proiecit. Ille vero per aliquot dies ibidem* stetit, donee homines veniebant. Ille audiens strepitum eumcium clamauit, ad cuius clamorem ho- mines venerunt et eum extra memus duxerunt. Cap. 19 (Bl. 10 v.). De elephante et virginibus. . Erat quidam imperator, qui habuit quamdam * forestam, in qua erat elephas, cui nemo audebat apropinquare. Hee i A vt. ? A cibu. * A lässt et ad aus, B hat ae per. * AB ibi. * B quendam. 2 — 18 — ' — audiens inperator a philosophis 1 naturam elephantis* quesiuit. Illi vero respondebant et dixerunt, quod virgines nudas multum diligeret ac in eamtu earum delectaretur. Imperator statim fecerat inquiri duas puellas pulcriores, quas in imperio habe- bat. Inuente sunt due virgines. Ambe forestam `intrabant totaliter denudate. .Vma peluim accepit, altera gladium, et inceperunt dulciter cantare per forestam. Hec audiens elephas venit ad eas et cepit mamillas earum lambere. Ille cantum continuabant tamdiu, quousque elephas requieuit im gremio eius, que peluim portabat. Puella alia videns elephantem dor- mire eum gladio illum occidit. Puella alia sanguinem in pelui aceepit, et: de illo sanguine rex fecit fieri purpuram. Cap. 20 (Bl. 11 r.). De regina et duobus filiis. Pippinus regnauit in ciuitate Romanorum, qui quamdam puellam puleram valde desponsauit, que eoncepit et filium peperit, sed in partu mortua est. Duxit aliam et ex illa alium filium genuit. Vtrumque filium, primum et secundum, ad nutriendum in longinquas partes misit. Isti duo filii per omnia erant similes. Cum vero per longa tempora ibi starent, mater secundi filii desiderauit filium suum videre. Rex ei concessit, muncium pro duobus filiis misit. Cum autem venissent, tam similes erant per omnia, quod mater, quis eius filius esset, penitus ignorabat. Diligenter ab imperatore sepius quesiuit, quis eius filius esset. Sed rex ei indicare noluit. Ipsa hec audiens fleuit amare. Imperator eum hoe vidisset, ait ei: „Noli flere! Iste est filius tuus.“ Et mominauit sibi filium, quem de prima vxore genuit. Ipsa hee audiens statim totam curam dedit filio illo ad mutriendum et de illo* parum aut michil curabat, qui erat proprius filius suus. Imperator cum hec vidisset, ait ei: „Quid facis? Decepi te. Sine dubio iste est filius tuus, quem peperisti.“ Ipsa cum hoc intellexisset, statim adhesit ei et nutriuit eum et alium spreuit. Imperator cum hoc pereepisset, ait ei: „Adhue * decepi te. Iste non est filius tuus, sed vnus illorum est.“ At° illa: „Quare sic agis 1 AB phisicis. ? maturam elephantis fehlt in B. * B alio. 4 B ad hoc. 5 B ac. ' - , — 19 — *\ mecum? Indica michi, rogo te!“ Et ille: „Nolo, et hec est causa., Si ' tibi dixissem veritatem, vnum velles diligere et alterum odire; ideo volo, vt ambos equaliter nutrias. Et cum ad etatem legittimam peruenerint, tunc tibi veritatem dieam, et gaudebit cor tuum.“ Et sie faetum est. Ambos peroptime mutriuit, donec veritatem sgiuit. « \ Cap. 21 (Bl. 11 r.). De statua Danielis. Habetur Danielis secundo: Daniel vidit statuam, euius eaput erat ex auro purissimo, pectus et brachia de argento, venter et femora de ere, tybee autem ferree*, pedum quedam pars ferrea et quedam pars fictilis. Daniel istam statuam videbat, et abscisus est lapis sine manibus, et percussit statuam in pedibus ferreis et fietilibus et eomminuit eos. Cap. 22 (Bl. 11 v.). De rege*, qui filio pigritiori regnum disposuit. Pollemius in ciuitate Babylonie* regnauit, qui tres filios habebat, quos multum dilexit. Vnde per se cogitabat de regno suo disponere. Vocauit tres filios suos coram se et ait: „Quis vestrum est pigricior? Ille regnum meum post decessum meum , occupabit.'* Ait primus: „Domine, ergo michi debetur regnum, et hec est ratio. Adeo piger sum, quod, quando ad ignem se- deo, prius erus in eo comburi permitto, quam illud retraham ab ignis incendio.“ Ait secundus filius: „Ego sum apcior ad regnandum; nam cum fumem in collo habeam et mox suspendi debeam et gladium in manu teneam, propter magnam pigriciam ad scindendum cordam non porrigo manum meam.“ Ait ter- eius: „Domine, ego regnare debeo, quia in pigricia ceteros antecedo. Resupinus enim in lecto iaceo, et stillat ° super vtrumque oculum aqua, et propter summam ° pigriciam a stratu meo nom me remoueo ad partem dextram vel sinistram.“ Rex cum hoc audisset, ei`regnum legauit, reputans eum pigriciorem ”. i Hs. sed, aber AB si. * B ferre. * De Rege fehlt im Register, steht aber óm Teacte wmd in AB. '1 AIB Babilomia. 5 AlB stillum. " B nimiam. * A fügt inter alios hinzu. 9 * — 20 — Cap. 23 (Bl. 12 r.). De hasilisco et speculo. Allexander regnauit, qui dominium tocius mundi optinuit. Aecidit semel, quod grandem exercitum eollegit 1 et quandam ciuitatem obsedit ; qui in eodem loco plures milites et alios sine aliquo vulnere amisit. Cum vero de hoc admiraretur, philosophos vocauit et ait eis: „Magistri, quomodo potest hoc esse, quod subito sine vulnere milites mei moriuntur?* At illi: „Mirum non est. Est quidam basiliseus super murum, cuius aspeetu milites infieiuntur et moriuntur.“ Ait Allexander: „Et quale remedium est contra basiliscum?“ Cui dixerunt: „Opti- mum ponatur speeulum eleuatum intra exercitum et murum, vbi est basiliseus; et eum basiliseus in speculo respexerit, reflexus eius intuitus ad se ipsum redibit, et sie morietur.“ Et sic factum est. - Cap. 24 (Bl. 12 r.). De tribus militibus 0ccisis. Grachus regnauit, qui erat inter omnia iustus, nee preci- bus poterat deuinci, quin iusticiam pro loeo, pro tempore exer- eeret. Accidit semel, quod aliqui apud eum quemdam militem accusabant de morte alterius militis in ista forma: „Duo ad quoddam bellum perrexerunt, et mullum bellum erat commissum. Vnus, scilieet iste miles, sine altero rediit; et ideo dicimus, quod iste eum per uiam occidit.“ Centurio cum hoc audisset, sem- temeiam dedit, vt miles ad supplicium duceretur. Cum autem duetus fuisset, viderunt illum militem viuum, pro quo fuit adiudicatus. Ambos ad iudicium reduxerunt. Iudex iratus dixit primo militi: „Iubeo. te interfici, quia da[m]pnatus es.“ Secundo dixit: „Et te similiter, quia causa mortis istius* mi- litis fuisti.“ Et dixit tercio militi: „[Etiam te,] * quia missus* militem occidere non obedisti.“ 1 AB collegerit. 2 AB fehlt istius. * nach Oesterleys Teaete ein- geschobem. * B iussus. Cap. 25 (Bl. 12r.). De vxore militis et serpente. Fulgencius regnauit, in cuius regno erat quidam miles, momine Studer', qui vxorem puleram aeeepit, sed stultam. In cuius domo quidam serpens habitabat in quadam camera. Miles vero torneamenta et hastiludia frequentabat, in tantum quod deuenit ad magnam egestatem. Vnde fleuit amare et quasi de ipso desperatus. Serpens (Bl. 12 v.) vero videns eius dolorem, data, est ei a deo vox et ait: „Cur fles? Fac secum- dum meum consilium et post factum non penitebis! Singulis diebus michi de lacte ministres, et te ditabo.“ Miles hec audiens ei fideliter hoc adimplere? promisit. Statim infra tempus breue ditatus est valde et habebat prolem pulcherri- mam et possessiones magnas. Accidit vna die, quod vxor sua ei dicebat: „Domine, vt credo, iste serpens multa bona possidet in camera, in qua iacet. Consulo, vt occidatur, et bona omnia optimebimus.“ Ille vero ad instinetionem* mulieris malleum portabat, vt serpentem occideret, in vna manu et lac habebat in uase im * altera manu. Cum vero vas laetis serpens videret, extra cameram caput extendit, vt lae lamberet more consueto. Miles vero grandi ictu ad serpentem percussit; sed serpens caput retraxit, et mallei ictum vas suseepit. Statim eum talis prodicio fuisset facta, prolem et omnia bona miles amisit. Ait ei vxor: „Heu michi, malum consilium tibi dedi! Sed perge modo ad foramem serpentis5 et humilia te sibi, et forte dabit tibi graciam iterato bona recuperando!“ Perrexit miles ad cameram serpentis et fleuit amare, petens graciam, vt per eum, sicut prius, ad diuicias sit releuatus °. Ait serpens: „Modo video, quod stultus sis, quia non potest esse, quin ille ictus magnus mallei, quem vas suscepit loco capitis mei, ve- miret ad memoriam meam; et eciam, quomodo occidi prolem tuam, oeeurreret tibi, et omnes diuieias" tibi abstuli, et sic mulla pax stare posset.“ Ille vero recessit eontristatus et semper postea in egestate vixit. 1 B nur nomine, A lässt beides aus. Name in der Hs. nicht ganz klar. 2 B implere. * A instructionem. 4 in B fehlt im. ° A sed ad foramen serpentis te ponas, B sed modo vade etc. " B sicut prius esset ad diuicias sic leuatus. " diuicias fehlt ín AB; A omnia. Cap. 26 (Bl. 120.). De ciconia adulterata. Quidam miles erat, qui castrum pulcherrimum habebat, in quo cyconie due nidificabant. Sub castro erat foms elarus, in quo cyconie balneari solebant. Accidit, quod femella pullos produxit, masculus vero per terram volabat, vt cibum col- ligeret. Illo absente femella adulterata est. Statim, antequam masculus veniret, ad fontem descendit, vt se lauaret, ne masculus fetorem adulterii sentiret. Miles cum sepius illud vidisset, admirabatur. Accidit semel, quod, cum fuisset adul- terata, miles fontem clausit, ne cyconia balne-(Bl. 13 r.)aretur. Illa vero eum fontem clausum videret, ad nidum reuersa est. Masculus veniens, senciens in ea fetorem adulterii, volauit et infra diem naturalem ' secum multitudinem eyeoniarum duxit, èt in presencia militis eyeoniam adulteratam deuorabant. Cap. 27 (Bl. 13 r.). l)e muliere adulterata. Iustinus in ciuitate romana regnauit, qui statuit pro lege, quod quicumque aliquam virginem raperet, si aliquis de manu raptoris eam liberare posset, in vxorem eam duceret, si ei placeret. Aecidit, quod quidam tyrannus rapuit quamdam vir- ginem duxitque ad quandam forestam et deflorabat. Hoc facto volebat eam occidere. Illa vero voce alta clamabat. Miles vero quidam generosus, cum a casu per eandem forestam equitaret et voeem eius audisset, percussit equum cum cal- earibus et ad eam? venit. Causam clamoris quesiuit. At illa: „0 domine mi, propter dei amorem michi succurrite! Iste me deflorauit ac rapuit et, quod peius est*, me occidere pro- ponit.“ Ait raptor: „Domine, vxor mea est et alium fugit propter adulterium ; ideo eam occidere volo.“ Ait miles: „Signa manifesta video, quod eam vi rapuisti ac deflorasti ; ideo pro ea contra te pugnare volo.“ Statim ambo ad inuicem pugnabant, diros ictus ad imuicem dederunt, sed miles victoriam optinuit, tamen grauiter vulneratus*. Optenta victoria ait ' B volauit imfra diem naturalem et. 2 B eandem. 8 B et est peius, quod. * B optinuit, grauiter vulneratus est. miles mulieri: „Numquid tibi placet, quod te in vxorem ducam ? Et, ego te cum solempnitate desponsabo.“ Que ait: „Eciam, domine, et super hoc fidem meam do vobis.“ Fide data ait: „Im eastro meo per aliquot dies permanebis, quia ad amicos meos pergo et de omnibus necessariis pro mupciis celebrandis prouidebo.“ Que ait: „Presto sum per omnia volumtati vestre subiei.* Miles ei vale fecit. Illa ad eastrum eius perrexit. Dum autem miles extra patriam fuisset, vt conuiuia prepararet, tyrannus ad castrum militis accessit, in qua puella erat. Pulsabat; illa vero introitum megauit. Tyrannus vero incepit multa promittere et eam in vxorem honorifice ducere. Illa vero dictis eius credens eum introduxit, et ambo nocte illa simul dormierunt. Miles post mensem' rediit, ad ianuam eastri pulsabat. Puella ei non respondit. IIle hee videns eum eordis amaritudine dixit: „0 bona puella, ad memoriam redue, quo- modo? te saluaui a morte, et michi fidem dedisti. Loquere michi, boma puella, et ostemde michi faciem tuam!“ Illa vero quandam fenestram apperuit et ait: „Ecce ego sum! Iam non proponas, quidquid pla|eet]*!“ Qui ait: „Miror de te, quod ignoras, quid et quantum pro te fecerim, eum vulnera (Bl. 13 v.) diuersa pro te aeceperim. Si michi mom eredis, corpus tibi ostendam.“ Statim vestimenta deposuit et ait: „Ecce, karis- sima, vulnera diuersa, que recepi pro vita tua ! Aperi ergo michi iamuam, vt te michi accipiam in sponsam !“ Illa vero faciem ab eo auertit et iamuam non aperuit. Miles cum hec audisset, iudici est conquestus et pro se legem allegauit digens: „Raptam liberams ducat eam, si vult! Ego eam liberaui de morte raptoris ; ideo peto eam in vxorem.“ Iudex hec audiens pro muliere et raptore misit. Qui cum venissent, ait iudex raptori: „Karissime, numquid istam mulierem rapuisti, et iste miles de manibus tuis eam* liberauit?“ At ille: * „Eciam, domine.“ „Ergo secumdum legem pro sua voluntate vxor eius erat *. Quare post hoc de vxore ° alterius te intro- misisti, quando eastrum eius intrasti?“ Ille vero obmutuit. Comuersus ad mulierem dixit: „0 tu puella, iure duplici Vxor istius fuisti; primo quia te de manu raptoris liberauit, seeundo quia sibi fidem dedisti. Quare ergo post hec iamuam castri i B mensam. ? B et quomodo. ° AlB placet. * AB eam de manibus. : 5 B est. 6 jn B fehlt quare post hoc de vxore, --- 24 �- í non aperuisti et eum introduxisti?“ Illa vero non poterat respondere. Iudex statim sentenciam dedit, vt ambo in pati- bulo suspenderentur. Et sic factum est *. Omnes vero iudicem. laudabant, qui talem sentenciam dedit *. Cap. 28 (Bl. 13 v.). Diuisio fratrum ex libera et ex ancilla. Narratur, quod lex fuit, quod frater semior hereditatem diuideret et iunior eligeret. Cuius racio erat, quod maioris discrecionis est (Bl. 14 r.) diuidere quam eligere, senior autem discrecior esse* debet. Alia lex fuit, quod lieeret, filium ex ancilla hereditatem portare sicut filii liberi. Contigit ergo duos fratres, vnum de libera, alium de ancilla, hereditatem diuidere. Fräter vero senior sie diuisit*: ex vna parte totam hereditatem posuit et ex alia matrem fratris sui. Frater autem preelegit matrem et hereditatem dimisit sperans de eurialitate 5 fratris sui; sed ab eo miehil optinebat. Adiit iudicem, fratrem aeeu- sauit, quod eum ab hereditate exclusisset. Respondit frater suus et dixit, quod non eum decepisset, quia ille, qui eligit, nom qui diuidit, circumscribit. Cap. 29 (Bl. 14 r.). De ciuitate obsessa et curialiter liberata. Quidam princeps erat, nomine Cleonimus, cuius populus in ciuitate quadam claudebatur. obsessus. Volens autem caute populo suo ° consulere, quid eis vtilius expediret, precepit, vt vnus de militibus suis obsidionem accederet, qui obsidentibus insultum preberet. Ordinauit, quod in telis suis, lanceis et sagittis artificialiter scriberetur: „Confortamini in domino et estote fideles in obsidione ! In proximo Cleonimus venio et obsidionem amouebo.“ Cap. 30 (Bl. 14 r.). De principe, qui adversarios toxicauit. De quodam principe marratur, qui, eum omnibus viribus suis non posset hostes deuincere, fecit hanc cautelam. Simu- i fehlt in A. 2 A qui recte iudicauit. 3 AB debet esse. * B da- hínter quod, § B curialitatem, " A suo populo. — 25 — lauit fugam et castra sua cum uictualibus 1 hostibus dereliquit. In quibus, dolea multa plena vino infecta dimisit per semen cuiusdam herbe, ita quod homo bibens? de uino illo statim obdormiuit. Seiuit eciam hostes esse famelieos et gulosos, qui semper vimum eum gaudio ad uotum suum biberent. Statim- que quasi semimortui dormire compellebantur. Super (B/. 14 v.) quos principes redeuntes omnes ad libitum occiderunt *. Cap. 31 (Bl. 14 v.). l)e tribus anulis. Miles quidam erat, qui tres filios habuit, qui cum mori deberet, primogenito suo dedit hereditatem, secundo filio thezaurum suum, tercio vero filio anulum preciosum, qui plus valuit quam aliorum duorum possessio. Duobus primis dedit anulos duos non tam preciosos. Omnes anuli fuerunt eiusdem forme, sed mom eiusdem virtutis. Post mortem patris dixit primus filius: „Ego habeo amulum patris mei preciosum.“ Seeundus dixit: „Et similiter ego.“ Tereius frater* respondit: „Non, inquit, est iustum, quod vos eum habeatis, eo quod senior habet hereditatem, alius thezaurum. Sed ego, vt spero, preciosum amulum habeo.“ • Cap. 32 (Bl. 14 v.). I)e (luobus draconibus. ` Narrat Albertus, quod tempore Phylippi erat via, que ducit inter duos montes Armenie, que diu erat frequentata. Subito autem aeeidit nullum transire viam ° propter infectionem aeris, misi exspiraret. Vnde rex a sapientibus causam ° huius mali quesiuit, et mullus ex eis respondere poterat. Tandem vocatur Socrates; dixit regi, quod edificium faceret equalis altitudinis eum montibus. Quo facto fecit Socrates fieri spe- culum de calibe plane superficiei? politum et mundum, vt ab omni loco moncium foret reflexio ad speculum. Quo facto intrauit Socrates edificium et vidit duos dracones, vnum ex ' Hs., ebenso auch AB ductualibus; Oesterleys Teat victualibus. * B libens. 3 B compellebamtur. Omnes ad etc. * A similiter. ° A viam transire. " Hs. casam, AB causam. ' B plana superficie. parte montis, alium ex parte vallis, qui contra se mutuo óra aperiebant et aerem ' hauserunt. Et dum sie respiceret, qui- dam iuuenis in equo*, qui periculum ignorabat, volens transire per uiam illam subito de equo cecidit et mortuus est. Socrates statim ad regem eueurrit et omnia visa* regi numeiauit. Capti sunt dracones et per artem interfeeti, et sic via salutis omni- bus transeuntibus est facta. v. Cap. 33 (Bl. 15 r.). De sarcofago invento. Legitur de quodam imperatore romano eonstruente sibi basilicam optimam. Et fodiens in fundamento palacii* inuenit sarcofagum aureum ° tribus circulis aureis circumdatum. Et talis erat superscripcio: „Expendidi, domaui, seruaui, habui, habeo, perdidi, pumio. Quod expendidi, habui; quod donaui, habeo.“ - Cap. 34 (Bl. 15 v.). De Argo et vacca cum cornibus aureis. Erat quidam nobilis, qui habebat vaceam candidam, quam miro modo dilexit propter duo ; primo quia totaliter eandida, secundo quia plus quam alie III vaece lae dederat. Nobilis iste pre nimio amore ordinauit pro vacca duo cornua aurea. Deinde intra se cogitabat, cui posset committere vaccam ad custodiendum. Erat ei intimatum, quod erat quidam homo, nomine Argus, qui centum .occulos habebat et verax im omni- bus erat. Statim nuncium ei misit, ut ad eum cito ° veniret. Qui eum venisset, ait ei nobilis: „Karissime, ecce vaceam meam eum eornibus aureis tue eustodie committo. Et si eam bene eustodieris cum cornibus, ad magnas diuicias te promouebo ; si vero eornua fient perdita aut furtiue ablata, aut vaeea, amen dico tibi, morte morieris.“ Argus vero vaccam cum cornibus recepit et secum duxit. Singulis diebus ad pascua cum ea perrexit et eam diligenter custodiuit. Erat quidam homo cupidus, nomine Mercurius, subtilis valde et precipue in ' A aera. 2 Hs., wie auch, AB equis; Oesterleys Teaet equo. ° A via, B lösst das Wort aus. 4 alle drei Hss. palacium, aber Oesterleys Teaet palaeii. * alle drei Hss. haben hier noch einmal inuenit. • fehlt in B. . » — . 27 — arte musicali, qui miro modo vaceam eum eornibus cupiebat. Sepius ad Argum veniebat, vt cornua aurea prece vel precio ab eo optinere posset*. Argus vero temens in manibus suis baculum pastoralem ante se in terram figit et ait baculo im persona domini sui: „Tu es dominus meus. Nocte ista ad castrum tuum venio. Tu michi dicis: “Vbi est vacca cum eor- mibus? Ego respondeo: “Ecce vacca sine cornibus! Me dor- miente latro abstulit eornua.' Tu dicis: “O miser, numquid centum occulos habes? Quomodo erat, quod omnes dormierunt et latro cornua abstulit? Hoe est mendacium? Et sie filius mortis sum ego, quia propter diuersos occulos vacca cum cornibus erat michi tradita, vt vigilarem. Istam viam nolo aeeipere. Si dicam: “Vendidi vel dedi', ero proditor ef falsus domino meo. Viam istam capere nolo.“ Dixit Mercurio?: „Perge viam tuam, quia michil a me optimebis!“ Mercurius hec audiens recessit illo die. Sed die altera cum arte musi- cali et instrumento suo venit. Qui cum venisset, cepit eum Argo fabulas narrare, deinde eantare, cordas eythare percutere, donec Argi oceuli dormire ceperunt. Duo post duos dormierunt. Quod cernens Mercurius caput Argi ipso dormiente protinus amputauit et vaccam cum cornibus rapuit et secum duxit. Cap. 36 (Bl. 161.). De fonte et sicca terra. Plinius narrat, quod est quedam terra, in qua nec ros nec pluuia descendit. Vnde maxima est ibi siecitas et defeetus aque. Ibi est tantum vnus fons, qui aquam in profundo habet. Vnde cum ibidem homines aquam volunt habere, accedunt ad fontem cum omni genere musicorum, quod habent, et circuunt fontem. Dulcem faeiunt melodiam. Post melodiam aqua ascen- dit ad os fontis et fluit in habundamcia. Et sic homines aquam capiunt et recedunt. Cap. 36 (Bl. 16 r.). De e0, qui nomen suum perpetuare voluit. Valerius marrat, quod quidam nobilis sapientem consuluit, quomodo posset momen suum perpetuare. Respondit, quod si 1 B obtineret. 2 Hs. Mercurius mât halb ausradîertem s, A Mer- curius durchgestríchen, darunter Argus, B Mercurio. — 28 — virum illustrem occideret. Quo audito Phylippum, Allexandri patrem, occidit, vt nomen acquireret sibi. Sed ille misera morte mortuus est. Cap. 37 (Bl. 16 r.). • De Amone, quem naute volebant occidere. Refert Agellinus de Amone', qui cum ditissimus esset et transire vellet de vmo regno ad aliud, conduxit nauem. Sed maute pro pecunia sua eum occidere volebant. Sed ipse ab 'eis inpetrauit, vt prius canere posset. Ad cuius cantum del- phymus, qui in cantu hominum delectatur, eum suscepit et ad terram, portauit. Et dum naute eum mortuum crederent, ipse apud regem eos accusauit, qui eoram rege positi vincti sunt et dampnati. Ipse vero de angustia liberatus est. Cap. 38 (Bl. 16 r.). De rege, quem inimici veneno interfecerunt. De quodam rege narratur, quem inimici cogitabant occi- dere, et quia potens erat rex*, veneno perdere voluerunt. (Bl. 16 v.) Venerunt ad eum aliqui simplici veste, vbi manebat iuxta ciuitatem, quia ibi erat fons aque, de quo rex multociens bibebat, quia ceteros liquores abhorrebat propter infirmitatem. Fontem vero intoxicauerunt vndique. Rex vero ignorabat, quod fons fuisset venenatus, bibit, sicut* solitus erat, et mor- tuus est. - Cap. 39 (Bl. 16 v.). De lapide magilete et lapide eamundo. Dicit Ysidorus, quod est quidam lapis, qui magnes voca- tur, qui ferrum ad se trahit. Sed est alius lapis eamundus *. Est 5 de maiori fortitudine. Vnde per suam fortitudinem facit ferrum ad eum reuertere et magnetem dimittere. - Cap. 40 (Bl. 17 r.). De bestiis. Basilius dicit in examerom, quod quedam bestie sunt ordinate ad laborandum et non valent ad comedendum, sicut ' B Amore. 3 B regis. ' • A sic. 4 B adamas. • B et est, — 29 — . / equus, mulus et' asinus. Alie bestie sunt ordinate ad eome- dendum et michil valent ad laborandum, sicut oues, porci, gal- line, auce, pauones. Sunt eeiam alie bestie, que nichil valent nec ad comedendum, nec ad laborandum, sed ad domum eusto- diendam, purgandam, vt eanes, eati: eanes custodiunt, eatti purgant. Cap. 41 (Bl. 17 r.). De rege et milite animalia destruente. Erat quidam rex potens valde, qui quamdam forestam fecerat et eam muro vallauit, in qua diuersa genera animalium posuit, in quibus multum delectabatur. Erat quidam miles, qui proditor inuentus est. Vnde propter sua scelera omni- bus possessionibus ac bonis suis priuatus est. Ille vero de terra sua expulsus prouidit sibi IV genera eanum et multa recia, ut animalia regis destrueret. Nomina canum hec erant: Rycher, Euvilemyn, Hanegif, Ebandyn?, Tristuvel, Egloffyn*, Beamys, Etenelin*. Per istos canes et recia destruxit quasi omnia animalia. De qua destruetione eontristatus est rex valde. Cap. 42 (Bl. 18 r.). De rege et dicto Cesare. I/egitur in gestis Romanorum, quod erat quidam senex valde princeps Romanorum, nomine Pompeius, qui duxit filiam cuiusdam. nobilis, qui Cesar vocabatur. Hii duo conuenerant inter se, quod tocius orbis dominium suo imperio subiugarent. Aecidit, vt Pompeius mitteret Cesarem ad expugnandum plagas diuersas, quia iuuenis erat et ipsum decuit laborare; ipse autem tamquam principalis custodiret ciuitatem romanam et plagas illas. Prefixit tamen sibi certum tempus redeundi sub spacio quinque annorum; quod si mom faceret, iure suo perpetuo priuaretur. Cesar autem exercitum collegit et ad illas partes perrexit. Inueniens homines bellicosos, quos non potuit in prefixo tempore superare, malens Pompeium offen- dere quam bellum dimittere ex capite proprio alienauit se aliis quinque ammis. Quod grauiter portams Pompeius inter- dixit sibi ciuitatem romanam, ita quod non auderet ad eum 1 in AB fehlt et. 2 A Ebadim. * A Egolffin. * AB Etmelim. —— 30 — vlterius appropinquare. Cesar autem finito bello iter arripuit versus Romam. Venit per quamdam aquam cum exercitu suo, que quidem aqua voeabatur.Rubicon. Et apparuit ei quedam ymago magma stans in medio aque et loquebatur ad Cesarem dicens: „Cesar, si venias pro pace romama, liceat tibi vsque hue venire; sim autem, mon presumas intrare!“ Cui Cesar respondit: „Semper ego militaui et paratus fui omnes labores sustinere pro honore ciuitatis romame ampliando et semper volo, diis meis testibus, quos adoro.“ Hiis dictis ymago dis- paruit. Post hec statim Cesar percusso dextrario flumem transiuit. Sed cum pro transito flumine stetisset, ex alia parte mox ait: „Hic paeem temerataque iura relinquo.“ Et ab illo die non cessauit* Pompeium persequi et, in quantum potuit, destruere mitebatur. Cap. 43 (Bl. 18v.). De consuwetudine et candela. - Narratur, quod antiquitus erat mos Romamis, [quod], quando eastrum vel ciuitatem aliquam obsedebant, vnam eamdelam certe mensure primitus aeeendebant et, quamdiu candela arde- bat, parati erant omnes ad pacem recipere et ad concordiam. Sed postquam eamdela consumpta fuerat, omnes iusticie seueri- tatem exercebant in hostes suos, mee cum aliquo, licet omnia bona sua daret, misericordiam facere voluerunt. Cap. 44 (Bl. 18 v.). De rege expulso. Refert Iustinus, quod ciues Laeedemonie semel conspira- uerunt contra regem suum et preualentes eontra eum de ciui- tate sua expulerunt eum et* regmo. Accidit tunc temporis, quod rex Persarum eamdem moliebatur destruere ciuitatem. Rex autem expulsus ciuitatem suam quamuis ingratam mom potuit mon* amare. Cum autem explorasset et didicit maehi- macionem regis Persarum contra ciuitatem suam Lacedemoniam, cogitauit, quomodo posset latenter et prudenter intimare totam * B cessaui. * naeh Oesterleys Teate eingeschoben. * AB et de. 4 fehlt in B. - — 31 — machina-(Bl. 19r.)eionem regis Persarum ciuitati prediete. Accep- tis tabulis nudam scripsit in eis totam machinacionem et vna* eum hoc unam * informacionem specialem, quomodo possent resistere et defendere ciuitatem eontra eum. Et cum totum scripsisset, quod volebat, superliniuit scripturam suam cera et aeeepto nuncio fide digno direxit eas ad magistratus eiuitatis. Sed tabulis receptis et diligenter inspectis nulla littera appare- bat, sed tantummodo cera plana *. Questio facta est de ta- bulis in communi, vt vmusquisque diceret ymaginacionem suam, quid esset de tabulis faciendum ; sed non est inuentus, qui earum posset aperire intel]ectum. Aecidit autem, quod soror dicti regis [audita]* perplexitate ° istarum tabularum peciit a magistratu, vt posset eas videre. Quibus prudenter inspectis cepit calliditate feminea parum |de cera] * eleuare, statimque apparuit littera occultata. Cumque plus de cera eleuasset, plus de littera apparebat. Sieque tota cera deleta legi po- terat, quidquid erat ei scriptum. Et sie erat ciuitas liberata. Cap. 45 (B/. 19 v.). Contra potentes. Narrat Augustinus, quod Egypcii olim volebant deificare Ysidem et Serapem. Isto modo processerunt. Primo legem sanxerunt, quod quieumque dieeret eos esse homines vel ali- quid de eorum genealogya' marraret, eapite plecteretur. Statim- que duas ymagines statuerunt. Secumdo, vt lex predicta mul- lum lateret, in omni templo, vbi eorum ymagines colebantur, semper iuxta eas ponebatur vnum paruum ydolum habens digitum suum labiis applicatum, vt per hoe faceret signum silencii ingredientibus illa templi (sic), vt sic ab ommibus ve- ritas taceretur. Cap. 46 (Bl. 19 v.). De hereditate. Narratur, quod erat quidam rex Medorum ", qui vnicum filium habuit heredem. Filius deliquit in patrem; pater eum fugauit. Hoc facto filius fugit ad regem Persarum, inimicum 1 in AB fehlt vna. 2 B vnam cum hoe. * AB plena. * nach Oesterleys Teate. * B perplexitatem. " Hs. und B genelogya, A geno- logia. 7 A Medeorum. et emulum patris sui, et iurauit ei, quod teneret eum eo pa- ratus ad mortem pro eo et, si neccessitas hoc requireret, contra patrem suum proprium. Tandem ortum est bellum inter dictos reges. Prelium aggrediunt', et ex assensu mutuo duo reges soli simul pungnauerunt. Accidit, ut rex Medorum vulneraretur grauiter vsque ad sanguinis effusionem. Quod videns filius eius considerans, quod sanguis proprius effum- deretur, statim accurrit ad patrem et pugnauit pro eo contra dominum suum et vicit eum. Hoe faeto dominus suus reli- quit eum*, quia non tenuit pactum. Et ipse tune rediit ad patrem suum et veniam petiuit. Et sic pax est reformata et hereditas sibi restituta. - Cap. 47 (Bl. 20 r.). l)e toxicacione. Refert Augustinus, quod moris erat antiquitus, quod corda imperatorum post mortem eorum comburerentur et cineres in eminenciori loco locari deberent*. Contigit autem, quod qui- dam moriebatur, cuius cor non potuit concremari. Multis autem super hoc mirantibus, omnes rethores et sapientes illius prouincie citauerunt, et ab eis causam inquirentibus tamdem dixerunt, quod* imperator ille fuisset intoxicatus et propter latens venenum accendi non potuit cor illius. Tume illi extra- hentes cor illius ° de igne apposuerunt thyriacum sieque ve- nemum fugauerunt. Et cum iterum cor ad ignem poneretur", mox in cineres est , redactum. * Cap. 48 (Bl. 20r.). De mago et mundo. Narratur de quodam mago, qui habuit quendam ortum pulcherrimum, in quo tot erant flores redolentes, tot fructus suaues, tot diuicie et delicie, quod delectabile fuit ibi esse. Humo locum numquam volebat ostendere misi fatuis et inimicis suis. Et cum essent introducti, viderunt tot et tanta gaudia, quod admirabantur. Quesierunt, vbi essent; responsum est eis, quod in paradyso. 1 AB aggrediumtur. ? Hoc facto bis eum fehlt ἀη, B. 3 IB deberet, * B quare. * AB eor illius cor digne. t AB pomerent. Cap. 49 (Bl. 20 v.). De obtentii misericordie. Narrat Eusebius in eromicis de quodam imperatore, qui populum romanum im maxima equitate rexit mulli parcens, tam diuitibus quam pauperibus. Senatores romani propter hoe eum imperio priuauerumt et tamquam pauperem fugere com- pulerumt. Ille statim accessit ad Comstantinum et eum eo stetit itaque sapienter et tam stremmue habuit, quod post eum electus fuit in imperatorem. Qui eongregato exercitu Romam obsedit. Et eum Romani euadere nom possent, quin ab eo eaperentur, imito consilio primo miserunt ad eum seniores ciuitatis, qui nudis pedibus et distimeti coram eo se prostraue- runt miserieordiam petentes. Qui eum optimere mom possent, iuuenes eorum miserunt. Nee illi expedire potuerunt. Tereio mulieres; et mon valuerunt. Vltimo sibi miserunt parentes suos, quos habuit in ciuitate simpliees. Inter quos mater eius affuit, que denudans pectus ostendit ei vbera, que suxerat, ventrem, in quo iacuerat, pectus, ad [quod] ' eaput inclimauerat. Quod eum* videret imperator, maturali amore eompaciens tota- liter offensam remisit. - . Cap. 50 (Bl. 20 v.). De vidua et tiranno et tribus regihus. Qvedam (lomina erat mobilis, que paciebatur multas imiurias a quodam tyrammo, qui vastauit eius tenenta * et terram. Illa vero eottidie lacrimas emisit et im amaritudine posita est. Accidit, quod venit quidam peregrinus iuxta eam, vbi mane- bat; vidensque eius desolacionem pietate motus bellum pro ea dedit eo pacto, quod, si in bello moreretur, baculum eius et peram priuatim im camera sua custodiret, vt eius memoriam haberet et sibi grata esset. Peregrinus vero ad bellum aeeep- tams tyrammum deuicit et ipse in prelio vulneratus oc-(Bl. 21 r.) :isus est. Quo audito domima fecit, quod promisit. Sed postea venerunt ad istam dominam tres reges eam in vxorem petentes. Ista intra se cogitabat: „Forte isti tres reges ca- meram meam volunt intrare. Verecundum erit michi, quod i mur in B. 2 AB cumque hoe. * B territoria. * B vulmeratus et occisus est. sy è ) ibi videbunt baculum peregrini et peram.“ Que iussit ea amouere nec ibi vltra comparere. Sic pacti sui oblita et in- grata facta est. Cap. 51 (Bl. 21 r.). De hello troian0. Ovidius refert de bello troyano, quod Helena fuit capta a Paride et post prophetatum fuit, quod ciuitas troyana non esset subiecta, quousque Achylles mortuus esset. Mater eius hec audiens eum in quadam camera inter domicellas cuius- dam regis in habitu muliebri” occultauit. Quod intelligens Vlixes nauem cum mercimoniis portauit ponens eciam” orna- menta muliebria et arma splendencia et sic ad castrum de- uenit, vbi Achilles cum domicellabus * manebat inclusus, qui statim, vt mauem cum Ornamentis et armis vidisset, illam Cum domicellis intrauit ad mercimonia emenda. Sed cum Vlixes curiose tractasset arma et illa apprehendere solicitasset Achil- lem“, hastam arripuit et vibrauit, et sic patuit res. Quem Vlixes apprehendit et ad Troyam secum duxit. Quo vivente Troyani preualuerunt; ipso vero mortuo capta est Troya, et obsides partis aduerse liberati. »- Cap. 52 (Bl. 21 r.). De pannis diuersi generis et coloris. Regina quedam concepit filium de seruo rustico. Filius postea viciose se habuit in conspectu principis, patris sui putatiui. Princeps vero diligenter a regina quesiuit, si filius suus esset. Qui tandem per confessionem regine inueniens non esse filium suum, nolens tamen eum priuare a regn0, regnum suum sibi dedit, sed sic ordinauit, quod pannos su08 diuersi generis et coloris faceret, medieta-(Bl. 21 v.)tem de vilo panno et medietatem de optimo panno, vt, quando Vilem respiceret, a superbia et vicio quocunque retraheretur; quando vero pannum mobilem , non omnino deiceretur nec nimis hu- milem se exhiberet. A millieri. 2 B Gt. 3 B Cum domicell:l. * B Achilles. •) et ------- ;j{) ---—- Cap. 53 (Bl. 21 v.). l)e rege et senescalco et tribus amicis. Narratur, quod quidam imperator mobilis habuit filiam pulcram sibi similem, quam eommisit senescalco suo eusto- diemdam et peregre profectus est. Promisit semescaleo magnum honorem, si bene eam custodiret vsque ad reditum suum. At ille oblitus est preceptum domimi sui. Tractauit eam male, in tantum quod misera facta est et totam puleritudinem amisit. Post modicum tempus misit imperator nuncios senescaleo pro filia sua sibi reddemda. Non reddidit. Tamdem peremptorie est citatus. Voeauit tres amicos, in quibus confidebat, vnum, quem plus quam se [dilexit] ', alium, quem tantum sicut se ipsum, et tercium modicum, querens ab eis consilium, quomodo respon- deret in conspectu tamti domini*. Dixit primus, quod duceret eum ad exitum domus. Alter dixit, quod duceret eum ad portam, et tercius promisit*, quod eum duceret ante dom[in]um et pro illo responderet. Statim fecit puellam lauari et vm- gemtis optimis imungi et vestimentis preciosis indui, ita quod mulla penitus macula im illa appareret. Et sie factum est. Cap. 54 (Bl. 21 v.). De rege et tribus filiis et arbore. Valerius * im ciuitate romama regnauit diues valde °, qui omnia ad libitum habebat. Iste vero tres filios inter cetera habuit et seruientes innumerabiles et reddidit vnicuique ser- uienti 6 mereedem suam. Aliis dedit possesiones, aliis aurum et argentum, ita quod distri-(Bl. 22 r.)buit tantis seruientibus, σuod sibi et heredibus suis michil retimuit excepta quadam arbore. Fruetus arboris erat talis, quod, quicumque infirmus ex eo eommederet exeepto leproso, samitatem optimeret. Cum vero moreretur, lignum tribus filiis legauit. Sed junior per iudicium lignum occupauit. i mur in A. 2 AB domini sui tanti. * quod duceret bis promisit fehlt ãm B. 4 A Valeriamus. 5 AB valde diues. 6 alle dre* Hss. seruiente. ô — 36 — Cap. 55 (Bl. 22 r.). De rege et filia et cane et tribus cathenis. Legitur de quodam imperatore vnicam filiam habente ' et camem eum vinculo, qui semper machimabatur in morte filie sue; et ideo iussit canem ligari tribus eathemis. Habebat- que semescaleum, quem dilexit. Imperator iste peregre pro- fectus est. Timuit de filia; illam? semescaleo commendauit et canem. Precepit, vt omnia neccessaria filie sue ministraret, vt nullum defectum haberet, et camem super omnia sic ligaret ac custodiret, me malum alicui perpetraret. Semescalcus omnia promisit fideliter adimplere, sed post exitum imperatoris omnia im contrarium egit, quia camem bene pauit, puelle autem meceessaria subtraxit nec camem custodiuit, sicut debuit. Et ideo infra paueos dies canis eathemas fregit et puellam oeeidit. Cap. 56 (Bl. 22 r.). De adulterio. Mulier quedam duos filios in adulterio coneepit et peperit. Primus filius factus est heremita et pro matre intime in ora- cionibus suis rogauit. Deus vero preces eius exaudiuit, osten- dit ei matrem suam, que ei apparuit eum duobus buffonibus et serpente. Cap. 57 (Bl. 22 r.). De rege serpentem soluente. Legitur de quodam imperatore, qui a casu per quamdam siluam transiit, inuenit serpentem a pastoribus eaptum et ad arborem alligatum. Qui pietate motus eum soluit et in sinu calefaeere fecit. Cum esset calefactus, incepit mordere. Ait imperator: „Quid facis? Cur malum pro bono reddis?“ Ait serpens: „Quod matura dedit, nemo 8 (Bl. 22 v.) tollere potest. Et ideo secundum maturam facio.“ Qui ait: „Bonum tibi feci, et illud michi male soluis.“ Illis sic contendentibus voeatus est quidam philosophus, vt esset iudex, et ei totum processum marrauit. Ait philosophus: „De hac causa per auditum ignoro iudicare*, sed volo, vt serpens ligetur vt prius, et tume iudicium alle drei Hss. habentem. * B illa. * AB homo nemo. « Hs. indicare, AB iudicare. dabo.“ Et sic factum est. Tunc ait! philosophus: „Serpens si potest euadere, discedat! Et tu, imperator, noli amplius laborare, Vt serpentem soluas, quia semper facit, quod natura dedit!“ Cap. 58 (Bl. 22.v.). De ianitore et gippos0. Qvidam imperator erat, quiianitorem prudentem habebat, qui a domino Suo peciit, vt se” ianitorem ciuitatis per mensem faceret, ita qu0d ab omni gybboso, scabioso et impetiginoso et hernioso” denarium haberet. Imperator ei concessit et sigillo roborauit. Qui ministerio suscepto stetit in porta ciui- tatis, Vt videret euntes et transeuntes, si lucrum ex officio posset habere. Quodam vero die gybbosus bene cappatus portam intrauit. Ianitor eiobuiam habuit et denarium ab eo peciit* secundum imperatoris preceptum. Gybbosus ei nichil dare voluit. Manus im eum iniecit et cappucium accipere voluit. Cum autem cappucium leuare volebat, invenit eum monoculum. Statim ianitor II denarios ab eo" peciit. Noluit dare, sed volebat fugere. Sed ianitor eum per cappucium traxit, et nudato capite scabiosus apparuit. Statim tres de- narios peciit". Gibbosus hoc videns incepit ei resistere, muda- tisque brachiis apparuit inpetiginosus. Ianitor vero IV de- narios postulabat. Cui defendenti cappam abstulit, et cadente illo" herniosus apparuit. V ergo denarios ab eo peciit. Sic contigit”, vt qui vnum denarium dare noluit, V invitus dedit. Cap. 59 (Bl. 22.v.). De muliere monoculi. Miles quidam perrexit, vt vineam vindemiaret. Quod cum vxor eius percepisset, [que" vnum alium amore inordinato dilexit, nuncium ad amasium misit, vt ad eam veniret. Cum Hs. eit, AB ait. ? AB eum. * A hernioso doppelt. * der Schreiber ist von hier bis zum folgenden peciit übergesprungen, das Ausgelassene aber von ihm selbst am Fusse der Seite nachgetragen. fehlt in B. " Hs. statim tres denarios peciit, statim III denarios postulat. 7 AB ille. * B contingit. * fehlt in allen drei Hss. w=-s. 38 – autem (B 23 r.) venisset, cameram intrabant et simul dor- mierunt. Sed cum in lečto sic iacerent, accidit, vt maritus eius, ramo vinee in occulo percussus, cito domum rediret nichil cum occulo percusso videns. Venit domum, hostium pulsabat. Quod vxor intelligens nimis turbata amasium ab- scondit, postea viro suo hostium aperire cucurrit, qui intrans grauiter pro occulo tristis et dolens iussit cameram et lectum parari”, quo posset quiescere. Timensque vxor, ne intrans cameram latitantem” videret, dixit ei: „Cur tantum properas lectum intrare? Dic michi, care, prius, quid est tibi?“ Nar- auit ei, quod accidit. Atilla: „Permitte me, domine, inquit, vt occulum sanum medicinali arte confirmem carmine, ne ita eueniat sano sicut iam percusso, quia dampnum tuum mobis est commune!“ Apponensque os suum ad occulum sanum tam- diu fouit, quovsque amasius a loco, vbi absconditus erat, nesciente viro discessit. Tunc illa erigens se ait: „Modo, inquit, karissime vir, secura sum, quod nullum malum huic occulo eueniat, quale alterieuenit. Iam potes, si placet, ad lectum ascendere.“ Cap. 60 (Bl. 23 r.). De milite illuso a muliere. Erat quidam miles, qui peregre proficiscens” commisit VXOrem Suam Sue Socrui. Vxor autem alium amauit et matri indicauit. Mater* ei consensit. Accidit autem, quod semel filia cum amasio epulabatur. Epulantibus illis superveniens maritus hostium pulsauit. Consurgens mulier amasium ab- scondit in lecto et postea domino hostium apperuit. Qui cum intraret”, precepit, vt lectus ei pararetur, lassus namque quiescere voluit. Turbata mulier dubitauit, quid faceret. Quod mater videns ait: „Ne festines, filia, lectum parare, donec monstremus marito tuo lintheum, quod fecimus!“ Vetula erigens lintheum, quantum potuit, per vnum cornu, alterum filie Sue dedit Subleuandum. Sic lintheo extenso delusus est maritus, donec qui latebat, egressus erat. Tunc ait filie Sue: * A parare. ? A latitentem. * B proficiscebatur. * B ac mater. 5 B intrare. „Extende lintheum super lectum marititui, quod manibus tuis meisque contextum est!“ Et sic euasit amasius, et vir est delusus. Cap. 61 (Bl. 23.v.). De vetula et canicula. Imperator quidam erat, in cuius imperio erat quidam miles, qui vxorem nobilem et castam habebat atque decoram. Con- tigit, quod miles vellet ad peregrinandum ire; sed alium custodem Vxori Sue deputare noluit nisi semetipsam, eo quod multum in ea confidit. Parato comitatu abiit. Vxor vero caste viuendo in Omnibus remansit. Accidit semel, quod pre- cibus compulsa cuiusdam vicine sue causa epulandi domum ingrederetur. Quo peracto ad propria remeauit. Qua quidam iuuenis asspecta ardenti amore cepit illam diligere et plurimos nuncios ad eam direxit cupiens ab illa, quantum audebat, amari. Quibus contemptis" eum penitus spreuit. Ille verose omnino contemptum senciens adeo dolens efficitur, quod infir- mabatur. Sepe tamen illuc ibat, sed nichil ei valuit, eo quod domina eum in omnibusspreuit. Accidit, quod semel iuuenis versus ecclesiam pergeret dolens ac tristis. Obuiam habuit ei quedam vetula, in populo sancta reputata, que cum iUUenem tristem vidisset, causam tante tristicie ab eo quesiuit. Atille: „Quid michi prodest tibi narrare?“ Atilla: „O karissime, quamdiu infirmus abscondit a medico” infirmitatem, non potest curari”. Ideo ostende michi causam tanti doloris, et eg0 cum dei adiutorio te curabo!“ Iuuenis cum hec audisset, quomodo dominam illam diligeret, ei ostendit. Ait vetula: „Perge cito ad domum, quia cito te curabo!“ Iuuenis finita missa domum perrexit, et vetula ad propria remeauit. Vetula ista quandam caniculam habebat, quam duobus diebus ieiunare coegitet die tercia synapi panem confectum ieiunanti dedit. Quem dum gustasset, pre amaritudine occuli eius tota die lacrimabantur. Tunc vetula illa ad domum domine cum canicula perrexit, quam iuuenis dilexit. Statim a domina honorifice est Suscepta, eo quod reputaretur esse sancta. Dum autem simul sederent, domina paruam caniculam lacrimantem respexit. Admirabatur, B conceptis. ? Bamen dico. * B curare. — 40 — quesiuit, quare laerimaretur. Ait vetula: „0 karissima amica, noli querere, quare lacrimetur, quia tantum dolorem habet, quod vix possum tibi intimare!“ Domina vero magis eam ! instigabat, vt dieeret. Cui vetula: „Hec canicula erat filia mea casta mimis et decora, quam iuuenis quidam adamauit vehementer. Sed adeo casta erat, vt omnino eius amorem sperneret. Vnde iuuenis tantum dolens pre* dolore mortuus est. Pro qua culpa deus conuertit filiam meam in caniculam, sicut vides.“ Hiis dictis vetula incepit flere et ait: „Quociens filia (Bl. 24 r.) mea recolit, quod tam pulchra puella erat et modo canicula, amare flet nec consolari potest, immo omnes ad fletus excitat iuxta eam pre nimio dolore.“ Audiens hec domina intra se cogitabat: „Heu michi, simili modo quidam iuuenis me diligit et pro meo amore infirmatur!“ Et totum processum vetule narrauit. Vetula hec audiens ait: „0 karis- sima domina, noli amorem iuuenis spernere, ne forte et tu mutaberis in caniculam sicut filia mea, quod esset dampnum intollerabile!“ Ait domina vetule: „0 bona matrona, date michi sanum consilium , ne fiam canicula!“ Que ait: „Cito pro iuuené illo mittas et voluntatem eius facias!“ At illa: „Rogo sanctitatem tuam, vt vadas ad eum et addueas eum. Scandalum posset fieri, si alius eum accederet.“ Cui vetula: „Tibi compacior ; libenter tibi eum addueam.“ Et sic factum est. Iuuenis venit et eum domina dormiuit et sie per uetulam adulterium eommisit. Cap. 62 (Bl. 24r.). De milite et vetula, que pecuniam reuocauit. Miles quidam erat, qui intrauit Egyptum; cogitabat, quod vellet ibi peccuniam suam relinquere. Interrogauit, si aliquis fidelis ibi maneret, cui peccuniam suam eustodiendam traderet. Audiuit, quod esset quidam fidelis senex. Accessit ad eum et mille talenta ei tradidit. Deinde ad peregrinandum perrexit. Facto itinere rediit ad eum , cui talenta commiserat, et com- missa ab eo quesiuit. At ille plenus nequicia numquam eum* amtea vidisse dicebat. Ille vero sic deceptus probos homines 1 AB eam magis. * A dolems quod pre. * B eum se antea. — 41 — illius ciuitatis peeiit et, quomodo per illum, cui peecumiam commiserat, tractatus fuisset, et totum processum eis retulit. Vicini eius talia audientes eredere noluerunt, sed niehil esse testati sunt. Ille hec audiens contristatus est valde. Tamen singulis diebus ad domum eius ibat, qui ita res suas retinebat, blandis precibus deprecans, vt res sibi redderet. Quod de- eeptor audiens inerepabat eum, me 1 talia de eo amplius diceret (Bl. 24 v.) neque ad eum rediret; quod si faceret, penas su- biret*. Ille hec audiens tristis ab eo reeessit. In recessu quedam vetula ei obuiam habuit, pannis heremitalibus induta habensque baculum in manu ; et per viam leuando lapides, me transeuncium pedes lederentur, locauit. Que videns eum flentem et cognoseens*, quia extraneus esset, mota pietate eum vocauit et, quid ei accidisset*, interrogauit. At ille ordinate ei mar- rauit, quomodo per senem sit° deceptus. At ° illa: „Amice, si vera sunt, que retulisti, dabo tibi auxilium.“ At 6 ille: „Testis est michi deus; vera sunt vtique.“ Que 7 ait: „Addue michi hominem de terra tua, quem dictis et factis fidem habere possis!“ Ille vero adduxit. Quo addueto precepit vetula X eophinos emere preciosis exterius depictis coloribus ferro- que ligatos eum ferraturis deargentatis lapidibusque minutis implere. Ipse vero ita egit. Mulier autem videns omnia parata ait: „Nume super X homines perquire, qui mecum et cum soeio tuo ad domum deceptoris tui euntes* eophinos defferant, vnum post vnum veniens ordine longo. Et quam cito primus intrauerit ° et mobiseum aequieseat, veni audacter et interroga pro peccunia! Ego vero in deum confido, quod reddita tibi peccunia fuerit.“ Que mom oblita incepti, quod predixerat, cum socio decepti ad domum deceptoris venit et ait: „Domine, iste extraneus mecum hospitatus fuit et vult ire ad patriam suam, sed querit prius peccumiam suam, que est in decem eophymis 10, alicui probo homini eommendare, donee revertatur. Preeorque, vt amore dei et mei im domo tua eustodias. Et quia audiui et scio te probum hominem esse et fidelem, molo alicui preter te solum dare peccuniam ad 1 A de. 2 B quod si nom faceret, eum penas subire. 3 alle drei Hss. cognouisset. Die Änderung nach Oesterleys Teate. * A acci- deret. 5 B sic esset. t B ac. * B qui. * Hs. hat hínter -cophinos noch einmal euntes, B sint euntes. ° B intrauit. '" B cophinos. – 42 – custodiendum”.“ Et dum ita loqueretur, primus intrauit cophi- num deferens. Interim deceptus* preceptorum vetule non ob- litus, sed, ut iussus” erat, intrauit. Deceptor vero plenus nequicia et arte mala, vt vidit hominem, cuius peccuniam“ celauerat, intrantem, timens, si peccuniam requireret, quod alius, qui adducebat suam, non committeret, contra eum sic adulando perrexit: „Amice, vbi fuisti? Veni et accipe pecu- niam fidei mee iam diu commendatam”, qualm inueni.“ Ipse vero letus peccuniam recepit" agens gracias deo. Vetula autem hec videns" surrexit et ait: „Domine, ego et socius meus ibimus contra ceteros cophinos et festinabimus; tu vero exspecta, donec redeamus, et bene serua, quod iam adduxi- mus!“ Et sic liberatus est vir. Cap. 63 (Bl. 25r.). Dediuite et puero per oleum decepto. Qvidam homo erat, qui vnicum filium habebat, cui post mortem nichil preter domum dimisit. Qui cum magno labore vixit, in tantum quod vix neccessaria optinebat, et quamuis Imagna coactus inedia, tamen domum suam vendere nolebat. Puer iste habebat vicinum diuitem nimis, qui domum eius, vt” suam faceret largiorem, cupiebat emere. Sed puer nec prece nec precio vendere volebat. Quo comperto diues cogitabat domum a puero subtrahere. Incepit cum eo familiaritateln habere. Sed puer secundum posse suum" eius familiaritatem deuitabat. Denique contristatus diues, qui non potuit puerum decipere, quodam die adeum venit et ait: „O puer, acommoda michi paruam partem curie tue precio, quia in ea X tenellos oleo plenos custodire volo! - Et nichil tibi nocebunt, sed habebis inde aliquid sustentaculum Vite.“ Puer autem, neccessitate coactus, concessit et dedit ei claues curie. Puer vero interim victum manibus acquisiuit more solito. At” diues acceptis clauibus pueri curiam suffodiens V tonellos” oleo plenos ibi recondidit et V dimidios. Hoc facto puerum aduocauit et Hs. custostodiendum. ? Hs. und A deceptor. * B iussu. * in B fehlen die Worte bis zum folgenden peccuniam. * B commendandam. " A. accepit. AB audiens et videns. * B et. " B possessum. 19 B ac. !! AB tenellos. — 48 — ei claues dedit et ait: „Puer, oleum meum tibi committo sub tua custodia.“ Puer vero simplex putans omnes esse plenos in custodia reeepit. Post longum tempus contigit, quod in terra illa oleum earum factum fuit 1. Diues hoe videns ait puero: „Amice, veni, adiuua me oleum effodere et premium a me aeeipias pro tua custodia!“ Puer eoneessit et eum iuuit. Diues vero plenus malicia adduxit secum illos, qui oleum emere deberent. Terram apperuerunt et V plenos et V dimidios inuenerunt. Statim diues puerum vocat di- cens: „Amice, causa custodie tue oleum amisi. Nam quod tibi commisi, fraude abstulisti. Sed cito redde michi, que mea fuerunt!“ Hiis dictis puerum accepit et ad iudicem duxit. Sed puer respondere mesciuit, sed inducias vnius diei peciit; quod ei est concessum. In ciuitate illa morabatur quidam phylosophus, qui mominabatur auxilium gencium. Puer hee audiens ad eum perrexit querens consilium. Phylosophus autem eum totum processum pueri audisset, pietate motus ait: „Me- diamte diuina gracia te iuuabo.“ Mane autem facto phylo- sophus venit cum puero ad palacium. Iudex cum vidisset sapientem phylosophum, eum iuxta se sedere fecit et vocauit accusantes et accusatum et precepit, vt verba recita-(Bl. 25 v.) rentur °. Et sic factum est. Tume ait iudex phylosopho: „Bone magister, date iudicium !“ Ait phylosophus: „Precipe clarum oleum de quinque plenis tonellis* mensurari, vt scias, quantum ibi sit clari olei, et similiter de quinque dimidiis, vt scias, quantum in vtrisque * fuerit. Et si tantum spissi olei in dimi- diis inueneris, quantum in plenis, scias oleum fuisse furatum. Si vero im dimidiis tantum spissitudinis inuemeris, quantum elarum oleum ibi existens exigit, quod mon poteris in plenis inuenire, scias, vtique oleum non fuisse furatum.“ Iudex hec audiens confirmauit iudicium. Factumque est ita per omnia, et sic puer est saluatus, et cupidus dampnatus°. Cap. 64 (B/. 25 v.). De iniquo iudice. Erat quidam imperator, qui statuit pro lege, quod sub pena graui quilibet iudex recte iudicaret. Accidit, quod quidam 1 AB est. ? Hs. wiederholt hîer verba. * AB tenellos, * B vtrius- que. * Hs, dapnatus; aber AB dampnatus. - — 44 — p^ iudex muneribus eorruptus falsum iudicium dedit. Imperator eum hoe audisset, seruis suis precepit, vt eum excoriarent, quod amplius falsum iudicium mon daret. Et sic factum est. Pellem eius in loco, vbi iudex sedere deberet, posuit ad de- signandum, quod quilibet iudex eogitaret, quod amplius falsum iudicium non daret. • . Cap. 65 (Bl. 26 r.). De honoribus victoris et molestiis. Quidam imperator erat, qui statuit pro lege, quod victori de bello redeunti fieret triplex homor et tres molestie. Primus honor, quod victori obuiabat populus cum leticia. Secundus, quod omnes captiui ligatis manibus et pedibus retro seque- bantur. Tereius honor, quod victor imdutus tunica Iouis sede- bat in curru, quem trahebant IV equi albi, et ducebatur vsque ad capitolium. Ne tamen hiis homoribus obliuisceretur sui, triplieem molestiam oportebat illum victorem in illa die susti- mere. Prima erat, quod ponebatur eum eo in eurru quidam seruilis eomdicionis, vt daretur spes cuilibet, quantumcunque vilis eondicionis proueniret, ad talem homorem, si probitas mereretur. Secunda molestia erat, quod iste seruus eum cola- phyZabat', me mimis superbiret, et dicebat ei: „Nosce te ipsum et moli superbire de tanto honore! Respice post te! Hominem te esse memento!“ Tereia molestia erat, quod in illa die licebat euilibet dicere in persona triumphantis, quidquid vellet, scilicet omnia opprobria, vietori. - Cap. 66 (Bl. 26 r.). De morte Alexandri et phylosophys. De morte Allexandri cum sepultura eius fieret aurea, plurimi phylosophi ad eum venerunt, de quibus vnus dixit: „Allexander ex auro fecit thezaurum, et mune e conuerso de eo aurum fit thezaurus.“ Alius dixit: „Heri non sufficiebat Allexandro mundus, hodie sufficiunt ei vlne due vel tres.“ Alius dixit: „Heri Allexander populo imperabat, hodie populus imperat illi.“ Alius dixit: „Heri Allexander potuit multos a 1 Hs. hier nochmals eum. morte liberare, hodie ipse mom potest (Bl. 26 v.) iaeula mortis vitare.“ Alius dixit: „Heri Allexander premebat terram, hodie ipse premitur ab ea.* Alius dixit: „Omnes heri Allexandrum timebant, hodie vilem eum deputant.“ Alius dixit: „Heri Allexander amicos habuit, hodie nullum.“ Alius dixit: „Heri Allexander dueebat exercitus, hodie ab illis ducitur ad se- pulcrum.“ • Cap. 67 (Bl. 26 v.). De statua et ymagine et medicina nostra. Legitur in hystoria scolastica, quod in Ierusalem est que- dam eolumpma emea, in cuius summitate seulpta est ymago saluatoris habens fimbrias ad modum Iudeorum, et ad pedem eolumpme quedam herba mascitur, que in altum se extendit, im tantum quod ymaginem eneam tangit. Cuius fimbrias eum tetigerit, ad cuiuslibet morbi valet medieimam. - Cap. 68 (Bl. 27 r.). De corporibus veneuosis et fulmine reuocatis. Refert Seneca, quod in corporibus venenosis propter ma- liciam veneni et mimiam frigiditatem nullus vermis mascitur'; sed* si percussa ° fuerint fulmine*, post paueos dies vermes* produeunt. ' . . Cap. 69 (Bl 27 r.). De arbore et vxoribus suspensis. Refert Valerius, quod Patinus flens dixit vicimo suo: „Habeo arborem infelicem im orto meo, in qua vxor mea prima se suspendit; postmodum secunda; eciam nume tercia. Et ideo dolor est intollerabilis.* Ait vieimus, cui nomen Arrus: „Miror te in tamtis successibus laerimas emisisse. Da michi, rogo te, tres sureulos illius arboris, quia intendo inter vieinos diui- dere, vt quilibet arborem habeat ad vxorem suam suspenden- dam !“ Et sic faetum est. - - . - - * ' dahinter Hs. und A in ea, B in eis. * Hs. si, AB sed. * Hs. danach ein unverständliches Zeichen. ' B flumine. * so Oesterleys Teaet; Hs. und AB fructum. — 46 — Cap. 70 (Bl. 27 v.). De puella ceca et manca. Erat quidam imperator, qui vnam puellam puleram im filiam habebat, que semper habebat caput erectum ad eelum et tamen eeea erat vtroque occulo et manea vtraque mamu. Cap. 71 (Bl. 27 v.). De Diogene et Allexandro. {efert Saturmus', quod Dyogemes ita erat in paupertate*, quod dolium habuit pro domo, euius ostium ad solem semper dirigebatur. Ad quem in sole existente eum rex Allexander accessisset ad eum et dixit ei, quod* peteret ab eo, quidquid ei placeret. At ille: „Vellem pre eeteris, vt nom stares inter me et solem!“ Et sie Allexander, qui omnes maciomes vicit, ab isto paupere victus est. Cap. 72 (Bl. 27 v.). De sacrificio. Refert Valerius libro tereio, quod puer mobilis Allexandro sacrificanti* assistens arrepto thuribulo carbo ardens in bra- ehium dilapsus est, et licet vreretur, ita quod odor ad circum- stantes venisset, brachium tamem immobile tenuit, me saeri- ficium impediret. Allexander vero eum eremari permisit sie volens puerum experiri. -. Cap. 78 (Bl. 281.). De arbore infecta. Sicut dicit Plinius, quod est quedam arbor in Iudea, cuius flores, fructus dulcem habent odorem, et iuxta arborem mane- bat quidam serpens, qui vocabatur iaculus. Hie 5 odorem arboris ° multum odiuit et ideo, vt flores et fructus arboris destrueret, ad radicem arboris veniens eam intoxicauit. Quod videns ortulanus illius patrie tyriacas accepit et in quadam ' A Sarturnus. ? AB danach positus. 3 B quid. * B sacri- fieauit. * B schiebt ut eim. * in B ist der Schreiber auf' das folgende arboris übergesprumgen. virga summitati illius arboris infudit*, que cito venenum ex- pulit a radice imfeeta et arborem sterilem faetam fruetifieare fecit. - Cap. 74 (Bl. 28 r.). De homine diuiso. Quidam puer est matus ab umblico* et sursum in duo diuisus, ita quod haberet duo pectora et quodlibet proprios sensus, ita quod vno* edente vel dormiente alter mom eommede- bat nee dormiebat. Postquam per duos ammos vixisset, mor- tuus est, altero interim die superviuente. Cap. 75 (Bl. 28 v.). De ciconia adulterata.* Erat quidam imperator, qui habebat ante portam palacii fomtem clarum; et iuxta fontem due eyeonie nidificabant, sic quod femella pullos produxit, masculus illo tempore per eam- pos volabat cibum pro femella et pullis eolligendo. Ipso absente femella adulterata est, et me fetorem masculus im aduentu sentiret, femella ad fontem descendit et se lauit. Imperator hec percipiems semel, eum femella fuisset adulterata, fontem claudi fecerat. Quem cum femella clausum inuenisset, ad midum rediit. Cito masculus rediit et eum fetorem adul- terii sensisset, auolauit °. Deinde infra tempus breue multitu- dimem eycomiarum secum duxit, et ab illis femella est oecisa. De quo faeto admirabatur imperator. Cap. 76 (Bl. 28 v.). I)e septem sapienciis Aristotilis. Regnauit Allexander, qui Aristotilem im magistrum habebat. Vnde semel ab eo quesiuit sapienciam, per quam posset pru- dens esse. Ait magister: „Fili, ausculta diligenter ! Et si meam doetrimam tenueris, ad magmum honorem peruenies. VII sunt, que te doeebo': et hoc idem recitat Ieronymus i A infundit. 3 AB umbilieo. 3 B uma. * Hs. dazu eine Über- schrìft von fremder Hand ùm ganz anderer Schrìft: Ciconia mos (l. mas) faemimeam in adulterio deprehensam occidit. 5 E mur : Quem cum semsisset, auolauit. ° B decelo. — 48 — libro IIIo. . Primum est, stateram me transsileas! Ignem gladio me foueas! Coronam me carpeas! Cor auicule nom commedas ! Cum profectus fueris, non redeas! Per viam publi- eam me ambules! Hyrundinem 1 garrulantem mom in domo sustimeas*. - * Cap. 77 (Bl. 290.). De quatuor, questionibus*. Legitur, quod (Bl. 30 r.) quidam rex quesiuit IV que- stiones de condicione hominis a quodam phylosopho. Prima questio erat: „Quid est homo?* Seeunda: „Cui similis est homo?“ Tercia: „Vbi est homo?“ Quarta: „Cum quibus sociis est homo?“ Respondit phylosophus ad primam questi- onem, quando quesiuit: „Quid est homo?“: „Mancipium mortis, hospes loci, viator transiens. Mancipium mortis dieitur, quia mortis manum euadere non potest, quia mors omnes labores eius et dies rapit, et, secundum quod meruit, habebit premium vel supplicium. Item homo est hospes loci, quia cito obliuioni ' B hyrumdimis. * in der Reductio finden sieh als Beispiele drei kleine Geschichten eingestreut, die hîer ihren Plat£ finden mögen. Die erste derselben ist in der Hs. mit mota bezeichnet, în A mit motabilis, in B mit gestum ; die beidem anderem sind gar nicht bezeichnet. ' Legitur de vulture, que cum eeperit predam suam, probat, an totam predam suam possit secum portare et cum ea volare annon. Si mom potest portare (et bis portare fehlt in B), tume diuidit et tantum secum portat, quod possit libere cum ea volare. Et sic habet de preda, quod sibi sufficit, nec propter hoc a uolatu impeditur. . Vipera volens copulari cum : lampreda non potest, dum (B quia) habet secum venenum, quia lampreda fugit venenum. Tunc vipera in quodam loco venenum euomit et sic eopulatur ei et post rebibit (A redibit) venenum. • Legitur in gestis Romanorum, quod talis erat eonsuetudo, quod cum formari deberet pax inter aliquos magnos (inter aliquos magnos fehlt ín B), inter quos erat magna discordia, ascendebant (B ascende- bat) montem magnum et altum, et ducebatur agnus et occidebatur, et in conspectu eorum sanguis , effundebatur in pacis reformacione, in signum, quod quicumque illorum pacem dissiparet, maxima de eo vin- dicta reciperetur, et sanguis (Bl. 29 v.) eius effumderetur. 3. diese Erzählung, die in B als Reductio bezeichnet ist, beginnt init einer Bemerkung nebst einem Citat über das Elend des Mensehen ; diese ist hier fortgelassen. - — 49 — traditur. Item est viator transiens, [quia] 1 siue dormiendo vel vigilando, commedendo vel aliud faciendo semper ad mortem currit. Et ideo debemus per uiam nobis prouidere de cibo, scilicet de operibus misericordie.“ Secunda questio: „Cui est similis homo?“ Respondit phylosophus: „Glaciei, que per ealorem cito soluitur; sie homo de terra et elementis com- paginatus per calorem * infirmitatis cito soluitur et eorrum- pitur. Item similis est rose mane, que per calorem dissoluitur. Item pomo nouo, quia sicut pomum novum pendens in arbore ad incrementum debitum perueniet, modico tamen verme in- terius exorto corroditur et subito corruens invtile 8 efficitur, sic homo in puericia sua crescens, subito oritur infirmitas interius, et corrumpitur.“ Tercia questio*: „Vbi est homo?“ Respondit: „In bello multiplici, scilicet contra dyabolum, mun- dum *, carnem.“ Quarta questio: „Cum quibus sociis est homo?“ Respondit: „Cum VII sociis, qui eum assidue mo- lestant °, fames, sitis, calor, frigus, lassitudo, infirmitas et mors?.“ Cap. 78 (Bl. 30 v.). De aquila et serpente. Refert Plinius, quod aquila in altum volat et nidificat, cuius pullis insidiatur serpens quidam, qui vocatur perias. Qui i nach Oesterleys Teaete. 2 in B fehlt sic bis calorem. * B inutili§. * A schiebt est ein. ° A schiebt et ein. 6 A schiebt scilicet eám. 7 in der zu dieser Erzählung gehörenden — übrigens nicht mit einer besonderen Überschrift bezeichneten — Reductio finden sich die folgenden beiden Erzählungen : - Perdix habens pullos sciens venatorem mido appropinquare, vt ve- natorem retrahat (B inde trahat) a pullis, venit prope venatorem et fingit se non posse volare. Quod venator estimans verum esse insequitur, que paulatim volat, et ipse post illam vadit sperans illam capere, et sic (Bl. 30 v.) semper, donec sit elongatus, a pullis. Et sic decipitur venator, quod nec perdicem nec pullos habet. Refert Solinus de mirabilibus mundi, quod Allexander habuit quem- dam eqvum, qui vocabatur Buccefalus, cuius erat consuetudo, quod, quando erat armatus et paratus- ad bellum, nullum sessorem retinebat nisi solum Allexandrum. Sed si quis alius eum ascendit, statim eum deiecit. Quando vero non erat armatus, garciones super eum ascendere permisit. - 4 — 50 — videns se non posse ad pullos appropinquare propter altitu- dinem trahit ad se ventum et venenum emittit, vt aer-infectus per ventum ad pullos deductus illos occidat*. Sed aquila instinctu maturali mirabilem adhibet cautelam. Portat enim lapidem, qui vocatur achates, et ponit in nido in illa parte, que est contra ventum. Et iste lapis virtute sua venenum ex- pellit, ne ad pullos accedat, et sic saluantur pulli, ne inter- ficiantur. • - « Cap. 79 (Bl. 31 r.). De tirranno et ciuibus. Legitur im gestis Romanorum, quod erat quidam tyrannus, qui omnes ciues nobiles exheredidare fecit. Ciues hec perci- pientes ad Constantinum, regem in Brittania, agcesserunt et honorifice ab eo sunt recepti. Denique cum multi tales ad ipsum confluerent, incitauerunt ipsum supra modum aduersus predictum tyrannum dicentes: „Quidquid* moraris, Constan- tine? Adiuua nos! Tu es de nostra gemeracione *.* Motus Constantinus ex uerbis eorum armauit se et collegit exercitum et tyrannum prostrauit et heredibus hereditatem restituit. Cap. 80 (Bl. 81 r.). De ammonicione mortis. Legitur in eronicis, „quod populus romanus solidam colum- mam marmoream in foro statuit et ibi statuam Iulii Cesaris fecit et nomen scripserunt ante statuam eius in foro. Prece- denti die obitus sui fenestre thalami eius cum tanto strepitu aperte sunt, vt Cesar domum ruituram existimaret. Eodem die mortis sue eum ad capitolium iret, date sunt ei littere indices* mortis sue imminentis *, quas si statim legisset, mortem ' euasisset. Sed cum ° mortuus esset, inuente sunt in manu eius adhuc clause. Occisus est autem Cesar in capitolio, in summi- tate, in templo. . . - ■» Cap. 81 (Bl. 31 v.). Ammonicio [columbe]. i Legitur, quod tempore Hainrici imperatoris tercii cum 1 15 occidit. 2 alle drei, Hss. vt quid. ° A conuersacione et * Q. generacione. * Hs. iudices, AB indices. * B imminentes. " în B fehlt cum bis adhuc. - - - * • * f — 51 — quedam ciuitas fuisset obsessa ab inimicis suis, antequam ve- nissent inimici ad ciuitatem, quedam columba in ciuitatem descendit, circa cuius collum inuente sunt littere, quas columba deferebat, talis sentemeie: „Audi, rex, gens eanina venit, gens contenciosa, contra quos per te et per alios legem tuam de- fendas!“ v^ Cap. 82 (Bl. 32 r.). De ymagine et p0m0. Refert Allexander de naturis rerum, quod Virgilius in ciuitate romana nobile palacium eonstruxit. In cuius medio stetit quedam ymago, que dea Romanorum vocabatur et tene- bat pomum aureum in manu sua, et per* circuitum palacii ymago cuiuslibet regionis ligneam campanam manu tenens*. Quoeiens vero aliqua regio magestati romani imperii insidias mouer eausa est, in continenti eius ymago campanam pulsabat*, et continuo miles exiens equo emeo insidens in summitate pre- dicti palacii hastam vibrabat et regionem illam respiciebat. Statim ciuitas illa romana armabat se, vt regionem illam domaret*. . Cap. 83 (Bl. 32 v.). De pisce et lapide. Refert Ambrosius, quod est quidam piscis in mari, qui vocatur ethnus et est talis nature, quod cum proeellas ven- torum perspicit et calculum validum arripuerit, secum tam- quam anchoram trahit, me excuciatur a fluctibus, ita quod suis viribus se non regit*, sed alieno pondere stabiliter regitur. Cap. 84 (Bl. 32 v.). De [muliere] adulterata et austeritate patris et misericordia filii. Erat quidam imperator, qui statuit pro lege, quod, si mulier deprehensa in adulterio sub viro suo esset, vir eius vel filius, si haberet, interficeret eam °. Aecidit, quod quidam miles vxorem pulchram habebat. Ad bellum accessit, dextrum 1. B et circuitu. ? alle drei Hss. tenentem. 3 alle dre , Hss. pulsaret. . * A dahinter sequitur. 5 hier schliesst B. * B eam occi- deret. Ausserdem fehlt vir bós haberet. 4 § — 52 — brachium in bello ammisit. Ipso absente vxor est adulterata. Quod eum . maritus audisset, contristatus est valde. . Ait filio suo: „Fili mi, per legem mater tua morietur. Dextrum* meum braehium in bello ammisi, non possum eam occidere. Ideo volo, ut tu legi obedias et eam occidas.* Ait filius: „Licet lex hoc, pater, precipiat, tamen alibi secundum legem habetur: Honora patrem et matrem*. Si ergo* oeciderem eam, contra legem perpetrarem, quia mater mea est. Absit ergo a me, vt tale piaculum * committam !“ Et sic mulier est a morte saluata °. - Cap. 85 (Bl. 33 r.). De duobus filiis diuidentibus substanciam. Refert Seneca de quodam diuite, qui habebat duos filios, vnum de legittima, alium de ancilla. Voluit ipse, quod legi- timus cum illegittimo hereditatem participaret, quia lex talis ' erat, quod senior filius diuideret et iunior eligeret post obitum patris. Senior vero frater sic diuisit. Posuit ex vna parte totum patrimonium, ex altera parte pauperem matrem. Dixit iuniori, vt eligeret. Elegit ipse pauperem matrem, et senior totum patrimonium optinuit. Iunior vero est conquestus, quod frater suus male diuisisset, adiit iudicem allegans legem. Dieens senior: „Ipse elegit, ego ° diuisi; in opcione sua erat eligere. Eligenti non fit iniuria 7.“ - Cap. 86 (Bl. 33 r.). De fratribus discordantibus. Legitur in gestis Romanorum, quod inter duos, fratres erat tanta discordia, quod vnus fere omnes terras âlterius destruxit. Audiens hoc imperator Iulius grauiter concepit contra fratrem persecutorem *. Ille vero offensam imperatoris percipiens venit ad fratrem suum, cui tot mala intulerat, petens misericordiam ab eo, rogans insuper, quatenus inter ipsum et imperatorem pacem reformaret. Circumstantes dixerunt eum pacem non° meruisse sed penam. Quibus ille respondit frater, a quo pax 1 B schiebt manum eim. ' 2 AB etc. 8 fehlt in B. * B. peri- culum. ° A et sic saluata est. ° in B fehlt ego. 7 B etc. 8 B in- cepit contra fratrem persecutorem eum offendere. ° in B fehlt pacem nom. — 53 — postulabatur: „Non est, inquit, diligendus princeps, qui in bello est mitis vt agnus, in pace ferus* vt homo. Licet igitur hoc non promeretur erga me frater meus, tamen eum recon- ciliabo, si potero, quia iniuria, quam michi intulit, satis vin- ' dicta est in illo, cum misericordiam implorat.“ Et sic inter ' imperatorem offensum et ipsum fratrem suum pacem reformauit. Cap. 87 (Bl. 33 v.). De probacione dilectionis in muliere. Legitur, vt dicit Macrobius, quod erat quidam miles, qui habuit vxorem suam suspectam, quod plus alium diligeret quam ipsum. Sepius ab vxore sua quesiuit, si verum esset, quod in corde conceperit. Illa simpliciter negauit, quod nullum alium tantum sicut illum diligeret. Miles vero dictis eius non credidit; adiit quendam clericum peritum et conuenit cum eo, ut de hac re veritatem ei ostenderet. Qui ait: „Hoc non possum, nisi dominam videam.“ Qui ait ei: „Rogo te, vt hodie mecum eommedas, et ego te collocabo? ad vxorem meam in mensam *, vt eius noticiam habeas.“ Clericus concessit et ad doimum militis venit. Iuxta dominam est colloeatus. Finito prandio clericus cepit cum domina priuata colloquia habere de diuersis negociis. Hoc facto tenens manum eius pulsum suum tetigit. Deinde fecit sermonem de illo, de quo erat scandalizata, et statim pre magno gaudio pulsus incepit velo- citer moueri et calefieri, quamdiu de eo erat sermo. Clericus cum hoc percepisset, incepit sermonem de uiro suo proferre. Statim cessauit pulsus ab omni motu et a calore. Ex hoe percepit clericus, quod plus dilexit alium, de quo seandalizata erat, quam proprium maritum. Et sie miles per clericum ad rei veritatem deuenit. Cap. 88 (Bl. 33 v.). De statua et thesa[u]ro. Legitur in gestis, quod tempore Hainrici imperatoris erat quedam statua marmorea circa caput suum habens circulum 1 B vërus. * A allocabo. * AB mensa. — 54 — aureum, in quo erat scriptum: „Kalendas maii sole oriente, caput aureum habebo.“ Quod quidam Sarracenus videns captus', quid pretenderet, intelligens, kalendas magii sole oriente in termino (Bl. 34 r.) Vmbre illius statue repperit* in- finitum thezaurum et sie habuit caput aureum. Quia, vbi vmbra capitis sui stetit, fecit fieri foueam, ibi thezaurus auri inuentus est, quem accipiens Sarracenus dedit pro redempcione sua. Cap. 89 (Bl. 84r.). [De Cosdra.] Cosdras imperator, rex Atteniensium, contra Dorenses pugnaturus eum congregaret exercitum, super euentum belli consuluit Appollonium. Cui responsum est, quod aliter non vinceret ipse, nisi ipse gladio hostili interiret. Dorenses vero hoe audito dixerunt, ne quis lederet* eorpus Cosdri regis. Quod postquam Codrus* agnouit, mutato regis habitu arma accepit et exercitum penetrauit. Quod videns vnus mi- litum eum cum lancea vsque ad cor penetrauit. Et sic per mortem suam populum suum de manu inimicorum suorum liberauit. - - Cap. 90. (Bl. 34 r.). De filia pulcra et mammilla et medicis. Refert Seneca, quod quedam mulier pulera, filia regis, delicate nutrita passa erat in mamilla, que requisiuit medicos °, qui eam sanarent. Medici respon-(Bl. 34 v.)derunt, quod curari non posset°, nisi mamilla, per ferrum penetraretur, et sic mediante ferro morbus educeretur. At illa 7: „Tenere, inquit, nutrita sum; malo ° mori tenere quam cum tali pena viuere.“ Ait medicus: „Tu tenere nutrita es; spongia maris temerior est. Permitte, vt te spóngia tangam et sic morbum edueam!“ Ipsa concessit et eurata est. . - Cap. 91 (Bl. 34 v.). De puero et delfino. Refert Valerius, quod erat quidam puer V annorum, qui singulis diebus ad litus maris perrexit. Quod videns 1 Hs. und A captans. ? alle drei Hss. repperi. * alle drei Hss. lederetur misi. Oesterleys Teaet wie oben. . * A Cosdrus, B Cosdras. * alle drei Hss. requisitis medicis. " B possit. * fehlt in AB. * B mala. — 55 — quidam delphinus incepit eum puero ludere et ipsum super dorsum portare. Puer vero singulis diebus panem ad delphinum portabàt et sic delphynum per V vel IV annos sustentabat. Accidit vno die, quod puer ad litus maris perrexit portans secum panem, vt solitus erat. Delphynus non venit. Interim mare puerum circumvallabat, et puer submersus est. Cum mare se traxit, delphynus venit, et cum puerum mortuum inuenisset, pre nimio dolore iuxta puerum cecidit et mortuus est. Cap. 92 (Bl. 34 v.). De quatuor litteris ter scriptis. Refert Valerius, quod in Roma vidit im vna columpna IV litteras, quarum quelibet ter scribebatur; videlicet III PP P, III S S S, III R R R, III F F F. Visis litteris dixit: „Con- fusionem video: Pater patrie perditur, sapieneia seeum sustol- litur, ruunt regna Rome ferro, flamma, fame.“ Cap. 93 (Bl. 35 r.). De ponte et feris. Erat quidam homo, qui semel debebat transire de vno regno ad aliud. Venit ad quendam pontem, per quem transire debebat. Ante eum vidit leonem ferocissimum, ex alia parte dextra vidit draconem, ex parte sinistra mare. Cum autem ista tria vidisset, mon audebat vlterius procedere, ineepit re- uerti domum. Et ecce angelus domini contra eum stabat ha- bensque gladium et coronam in manu sua [dicens]: Sperne, resiste, tere! Sertum dabo, siue ferire. Sors maris, ira fere, dolus anguis sag[i]unt ' miserere. “Statim homo cum angelum vidisset et hoc audisset, omnia pericula euasit, quia leonem et draconem occidit et coronam ab angelo optimuit. ' . Cap. 94 (Bl. 35 r.). De fontibus quibusdam. . Dixit Ysidorus libro Ethicorum, quod in Sicilia sunt duo fontes, quorum vnus sterile[m] fecumdat, alter fecundam sterilem facit. . 1 die Besserung mach Oesterleys Teæte. Cap. 95 (Bl. 35 v.). De hominibus diuersarum formarum. De hominibus iam est loquendum, vnde dicit Plinius et Augustinus, quod aliqui homines canina eapita habentes cum latratu locuntur. In Indya sunt aliqui homines, qui vnum occulum habent in fronte super nasum '. Hii earnes animalium commedunt. In Lybia sunt alique femine sine capite os et oeeulos habentes in pectore. (Bl. 36 r.) In oriente contra para- dysum sunt homines nichil commedentes, quia os tam modicum habent, vt calamo potum sumant; odore pomorum et florum viuunt. Odore malo subito moriuntur. Item ibidem sunt ho- mines sine naso, facie plena*. Item homines habentes labium inferius ita magnum, vt totam faciem contegant dormientes. Item alii sunt linguis muti loquentes vt monachi. Item in Stichia sunt homines aure tam magna, vt contegant totum eorpus. Item aliqui sunt proni ambulantes vt peeeora. Item aliqui hómines cornuti, naso* breui, pedibus caprinis. Item in Ethyopia homines vno pede latissimo tam veloces, vt bestias insequuntur*. In Indya pigmei duorum cubitorum equitantes super yreos et cum gruibus preliantes. Ibidem femine quin- quennies concipiunt et octo amnis tantum viuunt. Item in India sunt aliqui homines VI manus habentes * et homines nudi et pilosi in flumine morantes. Item homines in manibus et in pedibus VI digitos habentes. (Bl. 36 v.) Item mulieres cum barbis vsque ad pectus sed eapite plano. Item in Ethy- opia IV occulos habentes °. In Eripia sunt homines formosi sed eapite et collo grvino cum rostris. Cap. 96 (Bl. 36 v.). De serpente, qui oecidit descendentes in aquam. Regulus consul bellum contra Cartaginenses sortitus iuxta quoddam flumen castra constituit, vbi serpens maximus multos ad aquam descendentes occidit. Totus igitur exercitus ad expugnandam illam crudelem bestiam profectus est. Sed hor- renda squamarum crates telis et iaculis residebat; vix tan- dem multis occisis est victus et saxis ac telis oppressus. 1 fehlt in B. 2 AB plana. 3 B vaso. * Hs. und AB inse- guntur. ° fehlt ín B. " B habentes occulos. Smºm- 57 Sº «===== " Cuius corium CXX pedum a Romanis ductum cunctis admira- cionem intulit et terrorem. Cap. 97 (Bl. 36 v.). Rome patuerunt hyancia infera. In medio Rome in quodam loco aperta est terra semel, et hyancia infera patuerunt. Super hoc dii sunt interrogati. Responderunt: „Non claudetur hec vorago, nisi aliquis volun- tarie seinmergat.“ Sed cum nemini persuaderi posset, dixit Marcus Anilius: „Si per annum in Roma pro libitumeo me viuere sinitis“, anno elapso gaudenter et voluntarie me in- mergam.“ Romani concorditer consencientes nichil sibi clau- serunt. Qui rebus et vxoribus libere vtens anno elapso cum nobili equo saltu precipiti se immersit, et statim terra se” clausit. Cap. 98 (Bl. 37 r.). De eo, qui uas ductile vitreum obtulit. Tyberius regnauit, qui ante” sumptum imperium prudens ingenio, clarus eloquio, fortunatus in bello fuit, sed postea resolutis* milicie artibus nulla bella gerens populum romanum grauiter afflixit, filios proprios pluresque patricinos et consules interfecit. Temperanciam abiecit sic, vt qui antea Nero Ty- berius, nunc Mero Bibero vocabatur. Huic quidam artifex yas vitreum ductile seu fabricabile optulit, quod Tyberius ad parietem proiciens, non fractum sustulit sed curuatum. Igitur artifex malleum proferens et vitrum velud cuprum fabricans mox correxit". Interrogauit autem eum, quomodo hoc p0sset esse. Ille dixit neminem hanc artem scire super terram". Quem Tyberius mox decollari iussit dicens: „Si hec ars venerit in consuetudinem, pro nichilo reputabitur aurum vel argentum.“ Cap. 99 (Bl. 37 r.). De gigante et vulnere su0. Rome inuentum est corpus gygantis incorruptum alcius muro ciuitatis cum istis versibus Videlicet: «. 1 B volueritis. 2 AB se terra. ” in der Hs. Rasur; ante nach Oesterleys Texte. * B resolutus. * Beum. " B fügt vidi hinzu. — 58 —— Filius Euandri, Pallas quem i lancea curui Militis occidit, morte sua iacet. Lucerna ardens erat ad caput eius, que nec liquore nec flatu extingui potuit, donec subter flammam foramine facto cum acu aer fuisset inmissus. Vulnus autem gygantis IV pedum erat et dimidii°, qui post euersionem Troye occisus iacuerat ibi per annos MMCCXL*. Cap. 100 (B/. 37 v.). De imperatore et milite pro eo pungnante. . Qvidam imperator erat in quodam bello mortali; expositus fuit morti, quam non potuit euadere. Quod percipiens quidam miles strennuus interposuit se, scilicet inter imperatorem et hostes suos, ita quod imperator euasit sine lesione. Miles autem pro eo vulnera diuersa recepit, a quibus infra tempus curatus est cum magna difficultate, quia omnes medici fere de vita eius desperabant. Aecidit postea, quod iste miles debuit hereditatem suam ammittere, tamen iniuste. Accessit ad im- peratorem prefatum et rogauit pro eo, vt iudicaret pro eo. Noluit, sed dedit ei iudicem, qui audiret causam eius. At ille miles hec impacienter sustinens statim coram omnibus pannos suos dilacerauit vsque ad nudam carnem et ostendit ei cica- trices vulnerum et ait: „Eece, ista sustinui pro* te, et tu michil vis sustinere pro me. Estne, inquit, iustum, postquam tantum sustinui pro te, vt alius quam tu ipse sis in causa mea iudex et aduocatus pro me?* Ille hee* audiens ait: „Karissime, verum dicis. Quando in periculo mortis fui, tu ipse me saluasti et non alius.“ Statim pro tribunali sedebat et iudicium pro eo dedit. Cap. 101 (Bl. 37 v.). De filia regis et nutrice. Erat quidam imperator, qui habuit vnicam filiam caram, cui edificauit vnum palacium pulerum, in quo manebat, ad- iungens ei vnam pedisequam siue nutricem. Nutrix vero sem- per im palacio cum filia regis manebat; habebat tamen nuncios, qui discurrentes, quitquit foris agebatur, dominabus refere- bant quantocumque occulta, propter que filia regis cum nutrice : sepius tam regi quam aliis displicebat. alle drei Hss. quam, Oesterleys Teaet quem. * A dimidium. 3 B 1000, 200 et 40. * AB propter. 5 B hic. •- • . 59 — Cap. 102 (Bl. 38 r.). De heremitis et virtutibus eorum. Legitur in vita patrum, quod IV erant heremite in vna domo bone vite. Quadam viee ceperunt inter sancta verba requirere, quod quilibet dieeret suam virtutem. Vmus dice- bat, quod esset multum humilis, quod sibi videretur. Se- cundus dicebat, quod esset paciens. Tercius dicebat, quod libenter audiret de deo loqui. Quartus dicebat, quod libenter oraret. Isti IV concorditer orauerunt, vt deus eis mani- festaret, quis eorum esset aeeepeior. Audierunt vocem dicen- tem: „Primus ex uobis me capit, secundus me tenet, tercius me ligat, quartus me deportat.“ Et sic quilibet tenebat se in suo gradu. - - v, Cap. 103 (Bl. 38 r.). De regina, que III filios ex adulterio et IV m de semine regis pepererit. Qvidam rex nobilis, sapiens atque diues vxorem habuit predilectam, que debite dileccionis immemor tres filios aput eum genuit, qui semper erant patri rebelles et in mullo ei similes. Deinde de regis semine quartum filium concepit, ' peperit et nutriuit. Aecidit autem, vt rex finito dierum suorum curriculo moreretur eorpusque suum in regali sarcophago clauderetur. Post cuius exequias IV filii supradicti pro regni domimio ' litigauerunt. Miles quidam veteramus, mortui regis quondam* secretarius specialis, regni primatibus sie dicebat: „Audite eonsilium meum! Expedit vobis, ut eorpus defuneti regis de sarcophago tollatis; et quilibet arcum cum sagitta paratum habeat, et quicumque profumdius corpus sagitta- uerit, regnum suum habebit.“ Placuit eis c9nsilium. Patrem suum de loco effoderunt et ad arborem ligauerunt. Primus sagittam iaciens* manum dextram patris sui vulnerauit. Qua de re tamquam heres vnicus et regni dominus gloriatur. Se- cumdus vero torquens sagittam propius sagittam in os letanter quodammodo sagittabat. Vnde sibi regnum cercius ascribebat. Tercius autem cor eius sagitta perforauit, qui (Bl. 38 v.) se pro suis fratribus regnum putabat sime lite certissime possessurum. Quârtus vero cum accederet ad eorpus, ingemuit et voce la- t B pro regno domini. ? Hs. quodam, AB quondam. * B iacens. — 60 — mentabili sic dicebat: „Absit a me, vt ego corpus patris mei viuum aut mortuum vnquam ledam!“ Hiis dictis regni prin- cipes simulque populus vniuersus eumdem iuuenem eleuantes tamquam verum heredem et regni dominum imperatoris solio locauerunt, et alii III omni dignitate erant priuati. ' - Cap. 104 (Bl. 38v.) 1. De fure et hospite eum vxore vigilante. Quidam fur ad domum cuiusdam diuitis * noetu venit et aseendens tectum per foramen ° auscultare cepit, si adhue ali- quis de familia diuitis vigilaret. Quod hospes considerans suauiter vxori dixit: „Interroga me alta voce, qualiter hec bona acquisierim, que habemus, nec a proposito* desistas, donec finaliter tibi dicam!“ Tunc ait mulier: „0 bone domine, cum nunquam mercator fueris, die michi, qualiter tantam peccuniam, quam nunc possides, congregasti!“ Cui ille: „Noli stulte querere de me! Permittas me quiescere!“ Illa autem magis ac magis querere non cessauit. Tunc vir quasi coactus suis precibus ait: „Noli prodere, que tibi dieo! Fur eram et noc- turnis furtis, que nunc habeo, congregaui.“ Cui mulier: „Miror igitur*, quod numquam fueras deprehensus.“ Cui ille: „Quia magister meus quoddam verbum me docuit, quod sepcies dice- bam, quando tecta hominum ascendebam; et tunc per aliquam fenestram in domum amplexando lume radium descendebam et aeeeptis rebus michi placitis iterum per eundem radium ascen- debam.“ Ait mulier: „Rogo, domine, die michi illud verbum, cuius virtute sine periculo tociens furabaris!“ At ille: „Tibi dieam, sed alteri non dieas! Eece verba: (Bl. 39 r.) Saxlem Saxlem.“ Hiis dictis mulier protinus obdormiüit. Vir autem finxit* se dormire, sternutabat. Tune vir ° gauisus, scilicet fur. Sumpto lune radio et sepeies dicto earmine: laxatis ma- nibus et pedibus per fenestram in domum cecidit et magnum sonitum faciebat fraetoque crure et brachio iacuit semiuiuus. Dum autem hospes quereret quasi nescius7, qualiter cecidisset, at ille: „Me verba fallacia deceperunt.“ Vnde versus: Fallax hunc ledit, qui verbis eius obedit; Sed qui non credit sibi, tutus ille recedit. ' diese Erzählung fehlt ín A. ? B foratum. 3 Hs. approposito. * B ergo. 5 B fixit. * B fur. * B nesciens. . •r — 61 — - Cap. 105 (Bl. 39 r.). De milite, [qui] semiambulans, semiequitans venit ad regem. Qvidam miles quendam regem, a quo infeodatus erat, gra- uiter offendit. Misit ad eum milites, vt pro eo intercederent. Vix eius amiciciam sub hoc pacto optinuit, scilieet quod ad curiam eius pedes et eques pariter, id est semiambulans et semiequitans veniret, et quod seeum duceret fidelissimum amicum et ioculatorem et inimicum perfidissimum. Qua de re miles contristatus cogitare cepit, quomodo hoc adimplere pos- set. Quadam vero nocte eum peregrinum quemdam hospicio recepisset, clam dixit vxori sue: „Scio, quia peregrini promp- tam peccuniam sunt secum portantes. Volo igitur, si tu sua- des, hunc peregrinum interficere ; peccumiam eius optinebimus.“ At illa: „Bonum est consilium.“ Cunctisque dormientibus circa diluculum surgit miles, peregrinum excitans abire iubet; vnum- que de suis vitulis in frusta' secuit ponensque ea in, saeco. Deinde vxorem suam excitat dansque sibi saccum, vt in am- gulo domus absconderet, et dixit: „Tantum caput et crura cum brachiis in. hoe saceo posui, truncum autem corporis in nostro stabulo sepeliui.“ Hiis dictis aliquantulam peccuniam ei ostendit, ac si illam peregrino mortuo abstulisset. Cum autem dies adesset, vt domino suo se presentaret, accipiens a dextris canem et puerum suum paruum in gremio et vxorem suam a sinistris simulque pulcrinum paruulum ire cepit. Cum- que castro domini sui appropiaret, dextrum erus supra dorsum pulcrini sui velud equitans posuit in terris per alterum gra- diendo, sicque pedester et equester castrum et (Bl. 39 v.) curiam subintrauit. Quo viso princeps cum astantibus mirabatur. Ait ei princeps: „Vbi est amicus tuus fidelissimus?“ Qui statim gladium suum euaginans canem suum in conspectu omnium : vulnerabat ad probandam vere fidei puritatem. Qui eum cla- maret et fugeret pre dolore, ipsum denuo reuocauit; cumque claudicans et sangvinans* remearet, ait miles: „Ecce, domine, amicum fidelissimum duxi mecum !“ Cui ille: „Vbi est iocu- lator tuus?“ At ille paruulum filium suum ei: ostendit dicens: „Ecce, domine! Non est ioculator in mundo, qui tantum sola- * AB in frustra. ? Hs, sagvinans, AB sanguinans. – 62 – cium michi conferat, sicut quando filium meum ante me ludere video.“ Dicit ei princeps: „Vbiest inimicus tuus?“ Qui statim alapam VXori sue dedit dicens; „Quare tu tam impudice do- minum meum regem intueris?“ Illa statim respondit: „O male- dicte homicida, quare me percutis? Nonne in domo tua propria lamentabile homicidium perpetrasti? Audite me, domine! Pro modica peccunia quendam pauperem peregrinum occidit.“ Quod miles audiens iterum alapam ei dedit dicens: „O maledicta, cur falsum crimen inpingere non formidas?“ Que statim liuOris et! iracundie facibus inflammata coram Omnibus excla- mauit: „Venite, et ostendam vobis.locum, in quo occisi caput et crura et brachia sepeliuit, et stabulum, in quo truncum cor- poris sepeliuit”.“ Hec illi audientes ad probandam rei veri- tatem ad hospicium militis perrexerunt. Precurrens autem mulier cellarium apperuit et locum” ostendit, in quo saccus cum vitulinis carnibus est defossus. Qui concito* effodientes visis carnibus stupuerunt astuciamque militis cognoscentes dignis ipsum laudibus extulerunt. Qui postea suo domino specialis dileccionis vinculo est annexus. w- Cap. 106 (Bl. 40 r.). De duobus fratrihus, clerico et läen Erant duo fratres carnales, vnus clericus et alter laycus, in quodam cenobio et ad habitum sunt recepti. Cum autem clericus tempus legendo, cantando, scribendo", dictando dedu- cere consueuissct, quadam vice fratrem suum interrogauit, quomodo tempus deduceret, cum litteras ignoraret. Cui ille: „III litteras olim didici, quas cottidie voluo in corde et reuoluo; quarum prima nigra, II" rubea, tercia candida com- probatur”.“ Qui dum inquireret illarum nomina, respondit: „Prima est recordacio peccatorum meOrum, que tanquam nigra et grauis sarcina torquent et cruciant cottidie cor meum, siue recordacio tetre" caliginis in inferno. Secunda est recordacio rosei sanguinis mei creatoris, quem in cruce pro me misero 1 B ea. ? in B fehlt et stabulum bis sepeliuit. * apperuit et locum, das in der Hs. am Rande steht, fehlt in AB. * B tam cito. * AB schieben vel ein. " B comparabat. " B terre. — 63 — peccatore de V riuulis sanctissimi sui corporis fudit misericór- . diter et habunde. III* est desiderium celestium gaudiorum et eorum, qui secuntur in albis agnum dei, quocunque ierit.“ His auditis litteratus semper erubuit; sumens exemplum doctrime de tribus litteris fratris sui omnem suam scienciam quasi nichilum reputabat. Nullus igitur elericorum vitam aut mores despiciat simplicium laycorum. Nescit enim homo, vtrum odio vel amore dignus sit; nam ' versus: w • Quidquid agant homines, intencio iudicat omnes. Vnde Ieronymus: „Vtile est, multa scire et recte viuere, quod si vtrumque non valemus, melius est, bene viuendi stu- dium quam multa sciendi vt sequamur.“ Cap. 107 (Bl. 40 v.). De patre, qui a trihus* filiis quesiuit, quid pro leo vellent colere. Qvidam phylosophus narrat, quod sibi traditi erant III filii cuiusdam regis ad informandum. Quos cum bene im- struxisset, pater eorum volens scire, quid libencius colerent pro deo suo, quesiuit a seniore, quid vellet habere pro deo suo. Consuetudo enim tume temporis erat?, quod homines eligerent, quid pro deo suô vellent habere. Filius respondit patri, quod libencius coleret pro deo suo Iupiter, et cum pater quereret causam, respondit filius dieens, quod Iubitor esset deus for- cior et potencior. Cui pater: „Potencia, inquid, non facit vnum deum meliorem altero, quia potencia (Bl. 40 r.) est sepius causa iniquitatis, nisi bene vtatur.“ Postea a secundo filio quesiuit, quem ipse vellet pro deo suo habere. Qui respondit, quod Iouem. Et cum causam quereret pater, filius respondit eum esse sapienciorem aliis diis. Pater respondit: „Fili*, sapiencia non facit vnum deum meliorem altero, quia sepe sapiencia potest esse causa iniquitatis et elacionis.“ Deinde quesiuit a IIIo filio, quem ipse vellet colere pro deo suo. Qui respondit: „Mercurium.“ Et cum pater causam quesiuisset, dixit filius Mercurium esse pium et misericordem. Cui pater: „Vere, fili, pietas facit vnum deum meliorem altero, quia pietas nulli est nociua. Sed, karissime fili, si vnus esset potens et sapiens et pius, tunc ipse posset dici deus deorum.“ Statim fabricauerunt i A vnde. * fehlt in Hs. und A. 3. A filiQ, — 64 — sfbi ipsis vnam ymaginem ad similitudinem hominis habentis alas et ipsam ymaginem colebant pro 'deo suo. Et scribebant in vna ala: „Voeo 1“, in pectore: „Exspecto“ et in secunda ala*: „Remitto.“ Cap. 108 (Bl. 40 v.). De quinque personis. Habetur in quodam libro de colloquio Petri ad Ihesum: „Vidi aliquando V viros, quos quidem * freneticos arbitrabar. Vidi vnum eommedentem arenam maris ita auide, vt per vtram- que partem oris exiuit. Alium vidi stantem super foueam sulphuream et pice plenam, de qua fetor intollerabilis exi- bat, qui toto nisu suo illum fetorem nitebatur eapere in os suum. Tercium vidi in ardenti fornace iacentem, cui tantus calor sufficere non valebat, vnde mitebatur capere scintillas de fornace volantes. Quartum vidi, qui super pinnaculum templi sedebat, ut ventum caperet, et semper os apperuit, ut omnes satis aperte eum viderent. Quintum vidi, qui membra sua, manus et pedes et quidquid potuit in os suum capere, deuora- hat et alios deridebat.“ Cap. 109 (Bl. 41 r.). De tribus laborantibus inaniter. In vitas patrum narratur, quod angelus ostendit cuidam semi III homines laborantes triplici fatuitate. Primus fasci- eulum de lignis faciebat; et cum non posset portare, ei semper ligna adiungebat. Secundus aquam de puteo profundo cum multo labore hauriebat, et vas erat plenum de foraminibus, et tamen non cessabat inplere. Tercius trabem portans et volens άomum intrare, et ostium erat paruum, quod intrare non poterat, et tamen equum cum calcaribus percussit, quousque cecidit. Cap. 110 (B/. 41 r.). De coruo et cinere. Narrat phylosophus in libro de animalibus, quod si volueris faeere, ut corvus, postquam nidificauerit in arbore, nunquam 1 B voto. ? Hs. aula, AB ala. • alle drei Hss. quidam. – 65 – ex ouis pullos producere possit, pone cineres vitri inter arborem et corticem, et quamdiu cineres ibi fuerint, numquam pullos” producet. « - Cap. 111 (Bl. 41 r.). De septemarhoribus. Tvllius narrat, quod in mense mayo exiuit in quoddam nemus, in quo steterunt VII arbores plene foliis, decore aspectu, et tot frondes collegit, quod portare nequiuit. Venerunt III viri et ipsum extra nemus duxerumt. In exitu autem ne- moris cecidit in foueam et submersus est pre magnitudine (Bl. 41 v.) ponderis. - fehlt in A. Wegen des Schlusses vergleiche man die Bemerkung auf der Rückseite des Titels. º - Natus sum Guilelmus Dick Francofurtensis a. d. VIII. Id. Jul. h. s. LXVII, patre Josepho, matre Maria e gente' Simon, quam adhuc superstitem esse gaudeo. Fidei addictus, sum evangelieae. Litterarum elementis imbutus ad gymnasium. reale Francofurtense „Musterschule“ transii. Maturitatis tésti- monio instructus autumno h. s, LXXXVI uniuersitatis Berolinensis philosophorum ordini adseriptus sum. Deinde vere * ineunte Erlangensem adii uniuersitatem; tum Halensem, postremo iterum Erlangensem. Audiui autem lectiones virorum illustrissimorum et clarissimorum Aue, Class, Eheberg, Heym, Hoffory, Paulsen, R ab u s, Sehwan, Sievers, Steinm eyer, Sue hier, Tobler, Treitschke, Warnh agen, Wagner, Zupit z a. Per quinque semestria seminarii Germanici directore Stein meyer et societatum Romanicae et Anglicae directore Varnh agem, per sex menses seminarii anglici directore Wagner sodalis fui ordinarius, seminarii germanici directore Sieyers sodalis extraordinarius. Quibus omnibus viris gratias ago quam maximas, praecipue autem Hermanno Varm h agen, qui elementissimis consiliis semper me adiuuit, HENRISONES FABELDICHTUNGEN. INAUGURAL-DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOCTORWÜRDE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG VORGELEGT VON ARTHUR RIGHARD DIEBLER. HALLE A. S. DRUCK voN EHRHARDT KARRAs. 1885. MEINEM HOCHVEREHRTEN LEHRER HERRN PROF. DR. RICHARD WÜLKER IN AUFRICHTIGSTER DANKBARKEIT ZUGEEIGNET. I n h a lt. Name, lebensstellung und lebenszeit unseres dichters Genauere datierung der fabeln! . . . . . . . . . . . . . . Charakteristik Henrisone's, seine dichterische fähigkeit und seine be- handlungsweise des stoffes, mit besonderer berücksichtigung seiner fabeln ſº g I E - E = G D Vers- und strophenbau der fabeln . . . . . . . . . . . . . A. Strophenbau S. 16. – B. Versbau s. 18. – Die cäsur S. 21. – Alliteration s. 24. Qualität und quantität der stäbe S. 27. – Binnenreime s. 30. – Der endreim s. 30. Analyse, quellen, beeinflussungen und nachweisungen der einzelnen fabeln- s º D E s s sº g - - - - - - - - - - - - 1. prolog s. 35. – 1. fabel s. 37. – 2. fabel s. 39. – 3. fabel S. 42. – 4. fabel s. 46. – 5. fabel s. 48. – 6. fabel s. 56. – 2. prolog, 7. fabel s. 59. – 8. fabel s. 62. – 9. fabel s. 64. – 10. fabel s. 70. – 11. fabel s. 77. – 12. fabel s. 79. – 13. fabel S. 81. Verhältniss der fabeln zu den quellen (kurze zusammenfassung) Seite 12 16 32 1 Den text dieser fabeln werde ich nach der Harl. hs. 3865 im 1. hefte des IX. bandes der Anglia' zum abdruck bringen lassen; der- selbe wird auch mit glossar und mit dieser dissertation als einleitung ver- sehen nächstdem im verlage des herrn MaX Niemeyer in Halle separat erscheinen. Der Verf. Name, lebensstellung und lebenszeit unseres dichters. Durch das während der letzten jahrhunderte mangelnde interesse und verständniss für die nationalliteratur Schottlands hat sich, indem gewiss manche höchst wichtige anhaltspunkte für die literar- und kulturhistorische forschung ungenutzt der Vergessenheit überlassen worden sind, über das leben und wirken der meisten altschottischen dichter ein tiefes dunkel gelagert, dessen aufhellung der philologischen forschung bisher nur sporadisch gelingen konnte. Vielfach gilt dies auch von unserm dichter Robert Henrisone, von dem uns neben seinen Werken nur wenig mehr als sein name bekannt wird. Doch auch dieser hat veranlassung zu einigen kontroversen gegeben, insofern als es eine lieblingstheorie der neueren schottischen und englischen literarhistoriker war, unsern dichteſ mit Robert Henderson, dem stammvater der besitzer von Fordell zu iden- tifizieren. Besonders hat sich Laing in seiner für Deutsch- land fast unzugänglichen ausgabe der “Poems and Fables of Henryson, Edinb. 1865, für die verbreitung dieser annahme begeistert, und ohne einen einzigen annähernd stichhaltigen grund zu geben, viele seiten mit einer nichts beweisenden genealogie von des dichters vermeintlichen nachkommen aus Douglas's “Baronage of Scotland' [Edinb. 1798, s. 518 ff.] gefüllt, wodurch er die familie unseres dichters mit etwas dilettantischer übereilung bis auf den ihm befreundeten Dr. Henderson fort- zuführen sucht. Zur zurückweisung jener identifizierung scheint es mir zunächst erforderlich, einmal endgiltig die schreibweise von unseres dichters namen festzustellen; und hierfür bieten sich uns die einzigen authentischen anhaltspunkte aus seinen lebzeiten in den akten der universität Glasgow und in den archiven der stadt Dunfermline, wo er sich in weiter unten zu gebenden citaten Henris0ne, Henris0n und HenriSoun ge- 2 schrieben findet. Von diesen drei schreibweisen ist zweifellos die erste als einzig richtige anzusehen, da sie die autorität einer universität für sich hat, während die andern beiden von gewöhnlichen stadtschreibern herstammen und sich ausserdem leicht als falsche lesungen der richtigen form auf folgende weise paläographisch erklären lassen: Das auslautende -e wurde in handschriften des 15. und 16. jahrhunderts vielfach durch ein kleines häkchen ersetzt, das aber sehr oft auch als bedeutungs- loser zierat angehängt wurde und auch als solcher angesehen - werden konnte; mithin erklärt sich die falsche schreibweise “Henrison' sehr leicht. Andrerseits aber wurden solche häkchen auch ganz gewöhnlich für n geschrieben und konnten z. b. in -2 º. - - gar leicht zu der falschen auflösung in soun verleiten, indem das eigentliche n (hs. /W) fälschlich für u und das daran hängende häkchen für n gelesen wurde, so dass sich also für unsern dichter die korrumpierte form Henrisoun ergeben würde. Es ist mithin auch leicht anzunehmen, dass jene schreiber zu Dunfermline sich derartige lapsus zu schulden kommen liessen. Die erst im 16. jahrhundert und noch später auftauchenden schreibweisen, wie Henryson, Henrysoun, Henderson, Hendryson, Henrisson etc. sind eo ipso als unmassgebliche auszuschliessen. Die annahme, Henrisone als die zuverlässigste form anzusehen, wird auch durch einen druck von 1570 (s. u) gestützt, der wider auf einen kurz nach Henr's tode angefertigten zurück- geht und unsern dichter auch in dieser weise schreibt. w- Somit kann der name Henderson, wie er sich in allen chartularies ausschliesslich für die besitzer von Fordell-Castle geschrieben findet [bei Irving, Hist. of Scot. Poetry, s. 208 fälsch- lich Henrysone, nicht auf unsern dichter bezogen werden, zumal der nicht geringe phonetische unterschied beider formen absolut keine erklärung für die identität zulässt. Ferner führten die Henderson's von Fordell-Castle ein prachtvolles wappen- schild mit helmbusch und dem motto: “Sola virtus nobilitat!', zählten sich also gewiss nicht zum gewöhnlichen volke. Wären Eine etwaige annahme, dass der schreibweise “Henrisoun' ein- fach eine etwas andere aussprache des richtigen namens zu grunde liege, scheint mir bedenklich. Z nun beide familien identisch gewesen, so würde unser dichter sein standesgefühl wol schwerlich in soweit verleugnet haben, wie es doch meines erachtens der fall wäre, indem er in seinen fabeln, v. 1318 ff. sagt: “We puir peple, as now may do no moir Bot pray to the, Sen that we ar opprest In to this eirth, grant ws in hevin gude rest'. In betreff der lebenszeit und des berufs unsers dichters sind die bisherigen angaben bei Hailes, Sibbald, Irving etc. grösstenteils nur als unbestimmte konjekturen anzusehen. Einen höchst willkommenen anhalt erlangen wir zunächst aus den vorerwähnten Monumenta Alme Universitatis Glasguensis, wo sich im zweiten bande s. 69 folgende zwar schon von Laing erwähnte, aber wenig ausgebeutete angabe findet: Anno Domini MCCCCLXII" die decimo mensis Septembris In- corporatus fuit venerabilis vir Magister Robertus Henrisone, in Artibus Licentiatus et in Decretis Bachalarius”. Da im mittelalter die englischen und schottischen universi- täten nach dem muster der pariser universität gegründet waren (Glasgow 1451), so haben wir zweifellos die hier unserm dichter beigelegten akademischen grade auch nach den allgemeingil- tigen institutionen der Sorbonne zu deuten. Darnach hatte Henri- sone also im jahre 1462 seine akademischen studien bereits be- endet, besass den philosophischen doctorgrad! und die licenz, in den freien künsten zu dozieren, und hatte sich auch bereits so weit in das studium des kanonischen rechts vertieft, dass er darin den ersten grad erlangt hatte. Die bezeichnung dafür: in Decretis Bachal' bezog sich nicht auf das bürgerliche recht, sondern lediglich auf die facultas decretorum vel juris cononici.” Mit einer solchen vorbildung kam er also im jahre 1462 an die damals noch junge universität Glasgow, um daselbst wahrscheinlich als angehender dozent vorlesungen über ver- schiedene disziplinen der liberales artes zu halten von deren kenntniss er auch vielfach proben in seinen fabeln gibt, vgl. v. 621–646, 1636 ff., 1659 ff. etc. und um gleichzeitig wol noch collegia über das zivilrecht zu hören. Daher dürfen wir auch 1 Siehe Du Fresne, Glossarium med. et infimae latinitatis, Paris 1845: “Magistri iidem sunt qui doctoris lauream consecuti sunt’. Schelling, Zur Geschichte der akad. Grade, Erlangen 1880, s. 5: “In Frankreich wurden geradezu die doctoren fast ausschliesslich Magistri oder Maitres genannt'. ? Nach der berühmten sammlung des Gratian; s. Schelling ibid. 1* 4 sicherlich seine in den fabeln v. 1373 dem Aesop in den mund gelegten worte: » “In ciuile law [I] studiit full mony ane day” - auf ihn selbst mitbeziehen. Nur erst aus seiner vertrautheit mit beiden rechten erklärt sich seine auffällige vorliebe für schilderung juristischer prozesse (5. und 6. fabel] und für ein- kleidung von dialogen in gerichtliche plaidoyers [6., 10. und 12. fabel. - - Wo er jene vorbildung genossen und seine grade erlangt hatte, wird sich kaum je mit bestimmtheit nachweisen lassen. Aus seiner vertrautheit mit dem wesen der mönche, wie sie sich in mehreren fabeln bekundet, scheint Henrisone seine jugenderziehung in einer klosterschule genossen zu haben und konnte dann wol eine weitere ausbildung in dem ca. 1446 von Jakob I. zu Edinburg gestifteten Franziskanerkloster erlangt haben, wo auch theologie und philosophie gelehrt wurde. Auf- fällig muss erscheinen, dass sein name sich nicht in den akten der einzigen damals bestehenden schottischen universität St. An- drews findet, die bereits 1411 gegründet war, weshalb wir an- nehmen müssen, dass er seine studien in England oder im aus- lande machte. Die 1451 gegründete universität Glasgow kann dabei nicht in frage kommen, da Henrisone seinem alter nach schon gegen ende der vierzigerjahre eine universität bezogen haben muss. Da gegen Oxford und Cambridge das fehlen eines eintrages spricht, so liegt es am nächsten, dass er der sitte vieler junger Schotten folgte und in Paris studierte. Dafür scheint auch seine kenntniss der französischen fuchsromane (siehe quellenuntersuchung) zu sprechen, wie auch besonders der umstand, dass er nur bachalarius in “Decretis' war. Nach Schelling (s. o.) bestand die juristische fakultät zu Paris nur in einer facultas decretorum vel juris canonis, nachdem das römische zivilrecht schon lange vorher arg vernachlässigt und durch eine dekretale Honorius III. die vorlesungen darüber geradezu verboten worden waren (bis 1679). Auf diese weise würde sich sein nachheriger besuch der universität Glasgow treff- lich durch die absicht erklären lassen, sich die noch mangelnden kenntnisse im zivilrecht anzueignen. – Gänzlich verfehlt scheint es mir, wie Laing aus dem 2. prologe, v. 1370 ff.: “– – – – – – I am of gentill blude, My natiue land is Rome withouttin nay; And in that toun first to the scolis I yude, In ciuile law studiit full monyane day', die Henr. dem Aesop in den mund legt, darauf schliessen zu wollen, dass unser dichter in Rom studiert habe. Wäre dies der fall, so würden sich gewiss irgendwo in seinen werken Spuren italienischer muster finden. Jene worte im prologe er- klären sich einfach aus der verworrenen kenntniss, die man im mittelalter von Aesop besass und nach der z. b. Lydgate, ihn auch für einen Römer haltend, im prolog zu seinen fabeln v. 8 ff. sagt: d “Vnto my purpos this poyet laureat, 3 Callyd Ysopes, did him so occupy, - Whylom in Rome, to please the senat, Fonde out fabules etc. [Harl. Ms. 2251, fol. 283 a] Jener eintrag in Glasgow von 1462 berechtigt uns auch zu schlüssen über Henrisone's damaliges alter. Das ihm bei- gelegte epitheton venerabilis' bezeugt, dass er wol mindestens 30 jahre alt sein musste, was also für sein geburtsjahr 1432 als terminus ad quem ergeben würde. Für seinen geburtsort lässt sich leider kein anhalt mehr finden, doch da er seine werke im dialekte von Fife schreibt und diesen in den fabeln v. 31 als seine “mother toung” und v. 36 als “hamelie language' bezeichnet, so unterliegt es keinem zweifel, dass wir seine heimat in Fife zu suchen haben. Von mitte der fünfzigerjahre an, jedenfalls nach beendigung seiner studien, muss er wider in Schottland gewesen sein; dies beweist sein gedicht: Ane prayer for the Pest'. Wie aus der 57. act of James II. hevor- geht, wo maassregeln gegen die weitere verheerung der pest angeordnet werden, wütete diese 1456 in Schottland, mithin muss Henrisone zu jener schreckenszeit selbst in seinem lande gewesen sein. Während dieser jahre bis zu seinem aufenthalt an der universität Glasgow war er jedenfalls schon als lehrer tätig gewesen, worauf er sich wol durch erweiterung seiner rechtskenntnisse eine sicherere lebensstellung zu bieten suchte. Wie aus einigen zeugnissen hervorgeht, in denen er später als notarius publicus' erwähnt wird, scheint er sich in Glasgow der notariatskunst befleissigt zu haben, die schon vom 13. jahrhun- dert an als eigene disziplin an universitäten gelehrt wurde und s in der sogar die doctorwürde erlangt werden konnte." 1 Vgl. Savigny, Gesch. des röm. Rechts im Mittelalter. II, s. 469 ff. Rechtsgelehrter von beruf ist unser dichter aber sicherlich nicht geworden, denn sonst würde er die schattenseiten und mängel der damaligen rechtspflege nicht so unumwunden in seinen fabeln gegeisselt haben; so wendet er sich z. b. v. 2288 gegen die kostspieligkeit der prozesse, durch die den armen oft der rechtsweg versperrt bleiben müsse, v. 2715 ff gegen die rechtsverdreher, v. 2721 ff. gegen die kniffe und chikanen, durch die sich jener stand so oft herabwürdige etc. (vgl. besonders die moralitas zur 6. fabel, v. 1265 ff). – Die anhaltspunkte über seine vorerwähnte tätigkeit als notarius finden sich im Re- gistrum de Dunfermelyn, fol. 63°-": “Testibus Willelmo de Menteth, Willelmo Stewart, Magistro Ro- berto Henrison, publico notario, cum aliis . . . . . . Datum apud Dunfermelyn XIX" die mensis Martii A. D. M°CCCCLXXVII°'. und ebendaselbst fol. 64*: “Testibus . . . . . . et Magistro Roberto Henrisoun, notario publico, cum aliis multis. Datum apud Dunfermelyn VI9 die mensis Julii A. D. MCCCCLXXVIII”. Hiernach war also unser dichter in den jahren 1477–78 be- stimmt in Dunfermline, und seine hinzuziehung als testis lässt vermuten, dass er schon einige zeit vorher dort gelebt hatte, vielleicht seit seinem verlassen der universität Glasgow (ca. 1465). Lord Hailes in den Ancient Scottish Poems, Edinb. 1770, S. 273 sagt über seine dortige stellung: “I suppose his office to have been that of Preceptor of youth in the Benedictine Convent of Dunfermline', und Sibbald in seinem Chronicle of Scottish Poetry I, S. 87 fügt dem noch hinzu: “perhaps what was then called Professor of Art and Jury'. Mit ziemlicher sicherheit können wir auf grund seiner gelehrten bildung annehmen, dass er nicht ein gewöhnlicher schulmeister war, sondern eine lehrerstelle an irgend einer - höheren schule bekleidete. Durch seine juristischen studien hatte er sich sowol in bürgerlichen wie in kirchlichen rechts- fragen eine gewisse autorität erworben, so dass er neben- her auch zur intervention mit juristischer kompetenz in allen rechtsangelegenheiten hinzugezogen werden konnte. Chalmers bemerkt, dass fälle, in denen höhere lehrer in chartularies als Zeugen zugezogen wurden, sehr oft vorkamen. Wenn jedoch t Preſse of Henrisone's Robene and Makyne, Edinb. 1824, S. VII, IlOTE Z, . -. 7 Irving darauf hinweist, dass vorwiegend geistliche zur aus- übung juristischer assistenz berechtigt waren, so lässt sich daraus noch keineswegs der schluss ziehen?, dass auch unser dichter ein geistlicher gewesen sein müsse. Dagegen spricht vor allem seine bezeichnung als “Scolmaister' in handschriften und älteren drucken; ferner lässt sich dagegen geltend machen die letzte strophe in der 13. fabel, v. 2969 ff., wo Henrisone die weitere nutzanwendung jener fabel den predigern (freiris) über- lassen will. Dass allerdings manche seiner moralitäten einen religiös-tendenziösen stempel tragen, ist lediglich seiner frommen gesinnung zuzuschreiben, mit der er glaubt, sein wirken auch für die allgemeine förderung der religiosität einsetzen zu müssen. Ausserdem stand er natürlich schon durch seine vertrautheit mit dem kanonischen rechte etwas im geistlichen bannkreise. So haben wir uns also unsern dichter von ca. 1465 an bis zu seinem ende als geistig hochstehenden lehrer zu Dunfermline vorzustellen (vgl. den titel der Harl-hs. 3865 und das folgende citat, der auch offiziell dem amte eines notarius publicus oblag, der sich ferner durch seine dichtungen einer allgemeinen popu- larität erfreute und wegen seiner vielseitigen bildung und pa- triarchalischen gesinnung vielfach als vertrauensmann und testis bei abfassung von dokumenten u. dergl. hinzugezogen wurde. Für sein todesjahr gewinnen wir einen willkommenen an- halt aus Dunbar's “Lament for the Death of the Makaris'”, wo unsers dichters in folgenden worten erwähnung getan wird: “In Dunfermline he has done roun, v Gud Maister Robert Henrisoun'. Diese stelle wurde von den literarhistorikern, die bisher über Henrisone schrieben, entschieden zu oberflächlich zu rate ge- zogen, indem sie sein todesjahr ca. 1506 ansetzten. Doch war jenes gedicht vielleicht schon viel früher verfasst worden und konnte nur nicht eher als 1508 im drucke erscheinen, da die ersten schottischen drucker, Chepman und Myllar, überhaupt erst am 15. September 1507 das privilegium für die einführung der neuen kunst erhielten. Ferner nennt aber Dunbar, der die makare chronologisch anführt, so wie sie einander in den tod * Hist. of Scot. Poetry, s. 209. ? Wie es Irving tut, indem er sagt: “If Henr. was a notary, it is highly probable that he was also an ecclesiastic'. * Zuerst gedruckt im jahre 1508 von Chepman und Myllar, Edinburg. 8 folgten, nach unserm dichter noch u. a. m. als gestorben den Quintine Schaw und Walter Kennedy. Dies ist insofern höchst wichtig, als diese auch in dem bereits 1501 verfassten “Palice of Honour" des Gavin Douglas als heimgegangene dich- ter erwähnt werden. Mithin muss auch Henrisone im jahre 1501 schon tot gewesen sein; ja, wir können sein todesjahr mit grösster wahrscheinlichkeit noch einige jahre weiter zu- rückdatieren, da in dem erwähnten gedichte Dunbar's ausser Qu. Schaw und Kennedy auch noch Johne de Ros und Stobo nach unserm dichter als gestorben betrauert werden. Diese vier genannten makare folgten dem Henrisone also noch vor 1501 im tode, so dass wir wol berechtigt erscheinen, circa 1495 als todesjahr unseres dichters anzunehmen. Von allen in Dunbar's “Lament’ direkt vor Henrisone als tot betrauerten dichtern [Blind Harry, Johnstoun, Mersar, Rowll of Aberdene und Rowll of Corstorphyn wissen wir leider keine bestimmten daten, durch die wir einen terminus a quo für das todesjahr erhalten könnten. Die annähernd richtigste datierung für Henri- sone’s lebenszeit ist also nach den bisherigen ausführungen auf etwa 1430–1495 anzusetzen. Wie aus einer etwas anektodenhaften erzählung des Sir Francis Kinaston hervorgeht, soll unser dichter an der diarrhöe (flux') gostorben sein, nachdem er noch mit einigen improvi- sierten sarkastischen versen die sympathetische heilung durch ein altes weib zurückgewiesen habe. – Zu irdischen schätzen hatte er es jedenfalls nicht gebracht, wofür sich in seinen fabeln manche belege finden lassen, z. b. v. 1318 “We puir peple' oder v. 1298 “Peillit full bair, and so is many a one” etc. Als ein nachkomme unseres dichters ist mit grosser wahrscheinlichkeit ein gewisser Henry Henryson anzusehen, der nach dem Edin- burger Privy Seal Register vom jahre 1529 damals zum rektor der dortigen Grammar School ernannt wurde. Genauere datierung der fabeln. Der frische geist, der durch dieselben weht, die vollen- dung der form und das vorwiegen des satirischen elementes veranlassen mich zunächst, die fabeln in Henrisone's blüte- * Mitgeteilt von Chalmers in seiner ausgabe von “Robene and Ma- kyne' für den Bannatyne Club, Edinb, 1824, 9 Vº» zeit, d. h. unter der regierung Jakobs III. anzusetzen. Die unterdrückung des niederen standes durch den adel und die grossgrundbesitzer [vgl. v. 1318 ff., 1259, 1298, 2728 ff., 2742ff), die bestechlichkeit und sittliche verderbtheit, die allenthalben das wol des landes untergraben, [vgl. die moralitäten der 1.–5., 8., 10. und 13. fabel, das parteiliche verfahren von oben herab v. 1589–90), die ungeordneten staatsverhältnisse und die un- sichere staatsverwaltung, die kaum sich gegen “tressoun” und "rebellioun' zu schützen vermag [v. 1519, 1617, die abtrünnig- keit der lords vom angestammten königshause [v. 1618–19], die von jenen gegen den könig eingeleiteten intriguen (v. 601 ff, 1611ff, 2772–3, 2920ff, und die fürbitte für den könig, Gott möge ihm endlich mut und kraft verleihen, jene “wölfe des reiches' zu entlarven und zu verbannen, – dies alles spricht in bereter zunge für die schwache regierung Jakobs III. Die anregung zur abfassung erhielt unser dichter, wie er v. 34 selbst sagt, durch einen lord, dessen namen er leider ver- schweigt, der aber sicherlich eine hochgestellte, treu königlich gesinnte persönlichkeit unter Jakob III. war und sich für die ethische und religiöse veredlung seines volkes durch dichter- worte erwärmte. Henrisone verstand es wol, diesem idealen ziele homogenen geist und wort in seinen fabeln zu leihen; und die unerschrockenheit, mit der er das unlautere treiben der grossen an den pranger stellt, mit der er seine stimme sogar bis an des königs ohren ertönen lässt, wie die väter- lichen ermahnungen, die er an sein volk richtet, geben uns den weiteren beweis, dass er die fabeln im reiferen mannes- alter schrieb, also während seiner lehrertätigkeit zu Dunferm- line. Dem widersprechen auch nicht die anhaltspunkte, die wir an einigen stellen der fabeln finden, z. b. v. 1611ff, wo auf frühere politische umtriebe angespielt wird: M. For hurt men writis in the merbill stane. Mair till expone as now I let allane, Bot king and lord may weill wit quhat I mene; Figure heirof oftymes hes bene sene”. Diese stelle bezieht sich ohne zweifel auf die racheakte Dun- bar's, des grafen von March gegen Robert III., ferner Robert Graham's gegen Jakob I. und Douglass gegen Jakob II, – Das mächtige haus Douglas lag mit dem könig von 1451–55 in ernstem konflikt, und diese wie die vorgenannten revolten 10 waren sicherlich noch unter Jakob III. in ungeschwächter er- innerung, so dass auch unser dichter in seinen fabeln noch die warnung vor derartigen feindseligkeiten an jene ereignisse anknüpfen konnte. »- «. Einen positiven terminus a quo erlangen wir in v. 605 und v. 1316, wo der dichter die pest erwähnt. Diese suchte Schott- land im jahre 1456 heim; da sich jedoch die furchtbare er- innerung daran noch lange nachher im lande frisch erhalten musste, so ergibt sich aus jenen versen keineswegs ein zwingen- der grund für eine so frühe datierung der fabeln. Mithin wider- spricht auch die anspielung auf dieses ereigniss nicht einer weit späteren ansetzung derselben. « W- Seine praktische einsicht in die damalige rechtspflege konnte Henrisone in dem maasse, wie er sie in den fabeln be- kundet, nur während seiner notariatstätigkeit zu Dunfermline gewonnen haben; kombinieren wir nun diesen umstand mit seiner einsichtsvollen denkweise wie mit den in seinen fabeln geschilderten politischen verhältnissen, unter denen Jakob III. schon eine reihe von jahren regiert haben musste, so kommen wir zu dem schlusse, dass Henrisone erst in den siebenziger jahren des 15. jahrhunderts seine fabeln zu schreiben begann. Gehen wir nun über zu dem resultate, das sich aus der quellenforschung für die datierung ergibt. Demnach zerfallen die fabeln in drei gruppen: I. gruppe, die fabeln 1, 2, 6, 7, 8, 12 und 13, zu denen ihm die lateinischen distichen des Anonymus als quelle dienten. Mit diesen sieben fabeln begann er, wie der 1. prolog (beson- ders v. 27–32) zeigt, seine tätigkeit als fabeldichter. In allen hält er den Aesop für einen römischen poeta laureatus und die distichen für dessen originaldichtungen. Für diese sieben fabeln ist ca. 1485 als terminus ad quem anzunehmen, da im jahre 1484 die Caxton'sche fabelsammlung erschien, die mit ihrer genauen biographie Aesop's sehr bald in England und Schottland ein aufklärendes licht über die nationalität jenes phrygischen fabulisten verbreitete. Nach 1485, und bis dahin war ihm jene sammlung gewiss bekannt geworden, hätte Henri- sone nicht mehr jene irrige meinung über Aesop haben können. Dass Henrisone aber Caxton's druck wirklich gekannt hat, er- hellt aus seiner 11. fabel, die er jenem entlehnte [vgl. quellen- untersuchung. » . . 11 II. gruppe, umfasst die 3., 4., 5., 9., 10. fabel, die sämmt- lich unter dem wesentlichen einflusse der Reinhartsepen ent- standen. Das interesse für jene wurde in unserm dichter geweckt durch das erscheinen von Caxton's “Historye of Rey- nard the Foxe', im jahre 1481, worauf er sich mit ausländi- schen, vorwiegend französischen fuchsromanen vertraut machte. Als produkte dieser neuen richtung sind auch die 3. und 10. fabel anzusehen, obgleich erstere eine nachahmung Chaucer's ist und letztere auf die Disciplina Clericalis des Petrus Alfonsi zurück- geht [siehe quellenuntersuchung. Da nun aber Henrisone in dieser 10. fabel den Aesop als seine quelle angibt, während ganz dieselbe auch in der Caxton'schen fabelsammlung ent- haltene erzählung dort richtig dem Alfonsi beigelegt ist, so gewinnen wir auch für diese ganze gruppe das jahr 1485 als terminus ad quem. - « In der letzten, III. gruppe, wendet sich unser dichter wider den Aesopischen fabeln zu und entlehnt die einzig hier- her gehörige 11. fabel der Caxton'schen sammlung (beim Ano- nymus findet sie sich nicht). - Ueberblicken wir nun diese drei gruppen, von denen einer jeden andere quellen zu grunde liegen, so können wir die grenzen der datierung noch enger schliessen. So kann zunächst die erste gruppe kaum früher oder später als ca. 1476–82 ververfasst sein; ein früherer anfangstermin ist aus weiter oben angeführten gründen wie auch deshalb unwahrscheinlich, dass die fabeln kurz nach einander verfasst sein müssen, ein späterer, weil die neue anregung durch Caxton's “Historye of Reynard' unsern dichter von der benutzung des Anonymus ablenkte und ihn auf andere quellen lockte. Diesen folgend schrieb er die zweite gruppe (fabel 3, 4, 5, 9 und 10) etwa in den jahren 1482–1484(5), worauf er durch das erscheinen von Caxton's sammlung (1484) wider eine neue anregung empfing und jenem drucke den stoff zu seiner 11. fabel entlehnte, diese also wo, ca. 1485(6) verfasste. Nach dem tode Jakob's III. kann dieselbe kaum verfasst sein, da wol Henrisone in der flucht des wolfes vor dem widder anlass für eine parallele mit Jakobs III. flucht nach der schlacht bei Bannoºkburn (1488) gefunden haben würde, auf der Jakob be- kanntlich getötet wurde. Doch die gährung der politischen umtriebe kurz vor jener zeit deutet unser dichter an in v. 2607: 12 Bot he! wes wyse that bad his sone considder: Bewar in welth, for hall-benkis ar richt slidder. Die abfassungszeit der gesammten fabeln fällt somit circa 1476–86. - Die aufeinanderfolge der einzelnen nach ihrer chrono- logischen entstehung ist höchstwahrscheinlich folgende: 1, 12, 13, 6, 2, 7, 8, 3, 4, 5, 9, 10, 11, indem er in den ersten sieben die reihenfolge des Anonymus innehielt. Dass er die 13. und 2. fabel in kurzer zeit nacheinander verfasst hat, dafür spricht der umstand, dass er in beiden ein und dieselbe Lydgate'sche fabel benutzte, und aus jenes erzählung vom leben der mühlen- maus die initiative zu seiner zweiten fabel (stadt- und land- maus) empfing. In den fabeln 3,-4, 5 steht die reihenfolge durch die ent- wicklung des stoffes fest; in der 4. fabel, v. 614/5 bezeugt sie der dichter selbst: “Leif we this wedow” (von der die 3. fabel handelt), ebenso in der 5. fabel v. 796: “This foirsaid fox etc.' Die frage, ob er nach den uns überlieferten 13 fabeln noch andere geschrieben oder warum er aufgehört habe, weitere tiererzählungen zu verfassen, wird meines erachtens durch das erscheinen von Caxton's fabeln entschieden: Durch den ge- waltigen stoff, der in jener sammlung enthalten war, und mit dem fast alle überhaupt bisher populär gewordenen fabeln auch für die nicht Latein kennenden laien in England und Schottland eingang fanden, war Henrisone wol zu der mei- nung gekommen, dass ein weiteres fabeldichten nichts sei als die absicht, eulen nach Athen tragen zu wollen. Charakteristik Henrisone's, seine dichterische fähigkeit und seine behandlungsweise des stoffes, mit besonderer berücksichtigung seiner fabeln. Man ist bereit gewesen, unsern dichter gering zu schätzen, ohne vorher erst einmal seine werke richtig kennen gelernt zu haben. Am wenigsten günstig urteilte Pinkerton in seinen “Scottish Poems', London 1792, indem er sagt: “He [Henrisone Während Henr. bei abfassung seiner zehnten fabel noch nicht wusste, dass dieselbe eine Alfonsische sei, zeigt er an dieser stelle, dass er mittler- weile die Caxton'sche sammlung kennen gelernt, in der die erzählungen 13 has little merit, except his easy versification and ballad stanza, rarely found in productions of that epoch'. Doch kann man sich über ein solches urteil nicht wundern, da Pinkerton die Wenigen Stücke, die er von Henrisone kannte und abdruckte 1, nur erst aus zweiter hand von Adam de Cardonnel und zwar so vielfach entstellt erhielt, dass ein darauf gestütztes urteil vollständig wertlos ist. Aehnlich verhält es sich mit der kritik von Lord Hailes und Sibbald, die beide bei unzureichender kenntniss von Henrisone's werken ihm besonders den vorwurf der weitschweifigkeit machen. Mit grösserer kompetenz und günstiger beurteilen ihn Irving und Laing, indem sie seine meisterhafte vielseitigkeit, originalität und geschicklichkeit auf dem boden der didaktischen poesie hervorheben. Ich will mich hier in eine genauere kritik seiner schreib- und denkweise einlassen, zu der mir vorzugsweise die fabeln, als des dichters hauptwerk, den stoff bieten sollen. Ueber die geringere bedeutung mancher einzeldichtungen findet sich das nötige bei Irving gesagt. Doch auf diesem gebiete der fabel entwickelt er all seine macht in der behandlungsweise didak- tischer poesie; in und zwischen den zeilen spricht zu uns seine lebensweisheit, seine erfahrung in den stürmen des politischen und sozialen lebens. Mit kühnen zügen und scharfer beobach- tungsgabe schildert er die gebrechen und ränke seiner zeit, beklagt er die entfremdung von der kirche [v. 1390 ff.; mit väterlicher milde mahnt er oft an die einzige zuflucht zum rechten glauben und verwirft das raisonnement in der religion [v. 1647 ff.], da die menschliche erkenntniss zu schwach sei, Gott in seinem innersten wesen zu erforschen [v. 1643–59]. Doch bei dieser innigen hingabe an die höhere Weltenordnung und bei diesen streng moralischen grundgedanken tragen seine fabeln keineswegs einen religiös kränkelnden ton oder etwa theologische pedanterei zur schau, wie die in den “Gesta Ro- manorum' enthaltenen fabeln, sondern sie atmen durchweg frische kraft des gedankens und anmut der diction; dabei durchweht sie ein geistvoller und spielender humor, mit dem der dichter fliessende und gewante darstellung, wie auch klar- und ermahnungen des Alfonsi an seinen Sohn gesammelt waren. Auf die warnungen, die dort der sohn vom vater auch in bezug auf politische überhebung empfing, spielt hier unser dichter offenbar an. * Darunter keine fabeln. 14 heit und prägnanz des ausdrucks trefflich zu paaren weiss. Sei es in seiner phantasievollen art der naturschilderung oder der allegorischen einkleidung, sei es in der beschreibung einer vision prolog zur 7. fabel, sei es in der würdevollen sprache religiöser didaktik, sei es endlich in bewältigung des stoffes und dessen einkleidung in fliessende vers- und strophenformen, überall ist er in gleicher weise meister. Seine prägnante auffassung der fabel, sie solle belehren und ergötzen [v. 20, ist nicht gering anzuschlagen, um so mehr, als eine derartige kritik über das wesen einer dich- tungsart für jene zeit wol einzig dasteht. Was er dort als zweites erforderniss ausgesprochen, erfüllt er in vorzüglichster weise und übertrifft in seiner humoristischen darstellung des tierlebens mit all seiner fesselnden kleinmalerei, wie sie sonst nur im tierepos widerzufinden ist, unsere mittelhochdeutschen fabeldichter, wie auch Marie de France, bei weitem. Gegen Lafontaine, der in seinen fabeln oft viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, hat er den epischen takt und eine volle ent- altung des stoffes voraus. Während Lessing den leichten poe- tischen schmuck und den humor für die fabeln verschmäht, ohne den die seinigen eigentlich nichts sind als maskierte epigramme, fühlte Henrisone wol, ohne sich viel um grenze und begriff der fabel zu kümmern, dass ihr die komische kraft ebenso unentbehrlich sei wie eine gewisse sättigende fülle poe- tischer malerei. Seine tiere stattet er mit einer geradezu köst- lichen naivetät aus, wie sie z. b. den Lessingschen fabeln bis auf die leiseste ahnung abgehen, und bei ihm behaupten die tiere alle ihren natürlichen charakter; alles, was sie tun, inter- essiert schon an sich, ohne die spannung auf die erwartete moral. Die verleihung menschlicher attribute und würden an seine tiere ist oft von zündender komik. Der wolf kommt in mönchs- kleidern vom predigen, am rosenkranze betet er seine pater noster' ab, während er an anderer stelle wider als gelehrter doctor of diuinitie’ dokumente entziffern will; die kleine maus sucht nach boot und fährmann, hat aber kein geld zur über- fahrt; dem ertrinken nahe verlangt sie nach einem priester; der frosch schwört den mördereid etc. etc. – das alles sind züge, die mit ihrer burslesken darstellung des tierlebens einen unwiderstehlichen reiz gewähren; und man wird zugestehen müssen, dass diese anspruchslose und doch so lebendige dar- 15 stellung sich sehr zu ihrem vorteile von der trockenen, fast epigrammatischen kürze ihrer vorbilder unterscheidet, wenig- stens insoweit, als Aesopische fabeln in betracht kommen. Dass Henrisone seine stoffe entlehnt hat, schmälert sein verdienst keineswegs, ein verdienst, dass in dieser gattung der poesie gewiss eher in der behandlung gesucht werden muss, als in der erfindung. Durch eine einfache übersetzung der kurzen lateinischen fassungen des mittelalters hätte er seinen fabeln als werkzeug seiner philantropischen tendenzen sicherlich nicht eine ebenso grosse verbreitung sichern können, als wenn er - sie mit eigener individualität reproduzierte und ihnen ein mehr zeitgemässes gepräge aufdrückte, in dem seine nation ein treues spiegelbild spezifisch schottischer verhältnisse erblicken musste. Darin liegt der wert seiner fabeln für jene zeit, die eine solche ausführlichkeit der paraphrasierung geradezu be- dingte; und so glaube ich unsern dichter wol von dem ihm oft gemachten vorwurfe der weitschweifigkeit rechtfertigen zu können. Er hat es verstanden, die fabel aus ihrer nackten objektivität in ein neues, individuelles und volkstümliches ge- wand zu kleiden, in welchem er sie als eigenen literaturzweig auf den boden Schottlands verpflanzte und heimisch machte. Dieses verdienst, die fabel neben anderen dichtungsgattungen zur selbständigkeit gebracht zu haben, ist ihm sogar für ganz England zuzusprechen, denn weder Chaucer mit seiner erzäh- lung des nonnenpriesters, noch Lydgate mit seinen fabeln, in denen die tiersage selbst gegen die langen exkurse ganz zurück- tritt, können den ruf als fabulisten beanspruchen und unserm dichter jenes prioritätsrecht streitig machen. Auch von den übrigen wenigen fabeln, die bis zu Henrisone's zeit nur ver- einzelt in der englischen und schottischen literatur auftreten", glaube ich mit vollem rechte absehen zu dürfen, um unserm dichter für England den rang einzuräumen, den Marie de France für die entwickelung der französischen fabel beanspruchen darf. Während jene einen bedeutenden epigonen in Lafontaine fand, hat in England und Schottland seit Henrisone noch kein dich- ! Vgl. die bei Mätzner abgedruckte fabel vom fuchs und wolf, oder die bei Thoms in seiner einleitung zu “Reynard the Foxe” erzählte fabel vom wolf, fuchs und esel, die vor dem könig Lyon beichten (Percy Soc.), Ä die in Barbour's “Bruce” eingeschobene fabel vom fischer und dem U1C1S. »- 16 ter, selbst Gay nicht, wider eine so bedeutende originalität auf dem gebiete der fabel entwickelt. k Zur weiteren charakteristik seines dichterischen talentes bedarf es an dieser stelle wol nur eines hinweises auf zwei andere dichtungsgattungen, die Henrisone mit demselben er- folge kultivierte; es sind dies das pastoral ( Robene and Makyne') und die ballade (“The bludy Serk'), deren erst- malige verwendung und einführung in Schottland auch ihm allein zuzusprechen ist, und deren treffliche behandlungsweise wie fliessende versform noch heute selbst im vergleiche mit Spenser und Browne als unübertroffen dastehen. Neben solch origineller dichtungsweise ist es auch seine schwungvolle und wortreiche sprache, der er nicht minder be- deutung zu danken hat. Seine terminologie ist für die philo- logische forschung von hohem interesse, da sie auffällig grosse hinneigung zum Romanischen und Nordischen zeigt. Henrisone war somit nicht der geringste unter den schottischen dichtern, die, dem streben des hofes folgend, der abneigung gegen die südlichen feinde auch durch möglichste vermeidung von deren sprachschatz ausdruck zu geben suchten. Durch seine ver- wendung von vielen volkstümlichen wie auch archaistischen worten finden sich bei unserm dichter die wichtigsten idio- matischen erscheinungen der schottischen Sprache vereint, die neben dem staunenswerten wortreichtum, den er besonders bei verwendung des stabreimes entfaltet, beachtung verdienen. Vers- und strophenbau der fabeln. A. Strophenbau. Henrisone verwendet die durch Chaucer so beliebt ge- wordenen fünftaktigen verse mit jambischem rhythmus, die er zur rhyme royal (Chaucerstrophe) mit der reimstellung ababbcc bindet. Zwei strophen (v. 754 ff. und 2947 ff) mit ababbaa und eine strophe (v. 2021 ff.) mit ababbbb fügen sich selbstredend auch jenem hauptschema, indem die letzten beiden reime aa resp. bb nur zufällig die üblichen reime cc vertreten. Von den sämmtlichen 424 strophen, die seine fabeln nebst zwei prologen enthalten, machen nur sieben eine ausnahme von dieser rhyme royal, indem sie in der achtzeiligen sogenannten “ballat-royal' mit dem reimschema ababbcbc geschrieben sind [v.365–396 und - 17 V. 2910–2933]. Diese wenigen ausnahmen sind aber höchst charakteristisch, indem sie sich nur da finden, wo ein refrain die Strophe schliesst. Dass sich hierin eine feste regel aus- spricht, und dass der refrain geradezu die achtzeilige strophe bedingte, zeigt unser dichter an der moralitas zur 13. fabel, die einen eng zusammengehörigen komplex von neun strophen bildet. Die ersten drei (v. 2910–2933) haben einen refrain und sind daher achtzeilig; sobald der dichter jedoch den refrain fortlässt, wie dies in den weiteren sechs strophen der fall ist, schreibt er wider in der gewöhnlichen siebenzeiligen strophe. In der moralitas zur 2. fabel (v. 365–396), die im ganzen aus Vier stanzen besteht, haben alle den refrain und sind dem- entsprechend auch alle achtzeilig. In übereinstimmung hiermit steht noch, dass sich in allen siebenzeiligen strophen nie ein refrain findet, und so komme ich gegenüber der annahme Schippers in seiner Altengl. Metrik' s. 428: “dass die ballat- royal die ursprüngliche sei, und die rhyme royal sich erst aus ihr entwickelt habe’ zu dem schlusse, dass der vorgang gerade ein umgekehrter war, indem ja auch die refrainstrophe in ihrem nummerischen auftreten weit hinter der refrainlosen zurücksteht. Die verwendung der ersteren unter benutzung der achtzeiligen strophe schien, wie die dichtungen Chaucer's, Lydgate's und Dunbar's zur genüge beweisen, vorwiegend nur für moralisierende poesie beliebt zu sein, und so findet sie sich auch bei Henrisone ausschliesslich nur in moralitäten und nicht in der erzählung. Den refrain in der achtzeiligen strophe auch durch einen anderen, beliebigen vers zu ersetzen, scheint mir zunächst nur dichterische licenz gewesen zu sein, die dann aber auch für refrainlose strophen zur regelrechten benutzung der ballat-royal führte. Somit wäre durch die vermitt- lung des refrains die weiterentwicklung der ursprünglicheren rhyme royal zur achtzeiligen strophe naturgemäss zu erklären. Der umstand, dass sich der refrain auch in der siebenzeiligen strophe findet, ist als eine weiterbildung anzusehen, die sich als analogie nach der achtzeiligen charakterisiert, indem jene sowol mit als ohne refrain auftreten konnte. * Die dort aus Chaucer's “Aetas Prima” zum beweise beigebrachte strophe ababbcb enthält kaum ein überzeugendes moment, da sie ja nichts als eine unvollständige, aber sonst regelmässig gebaute achtzeilige strophe ist, der nur der achte vers mit dem reime c fehlt. - 2 - B. Versbau. Das dem fünftaktigen jambischen verse zugrunde liegende normalschema von zehn silben erfährt in den fabeln eine mannig- fache variation, indem dasselbe – je nach weiblicher cäsur oder weiblichem versausgang, je nach fehlendem auftakt zu vers- anfang oder nach der cäsur, je nach doppeltem auftakt, doppel- ten oder fehlenden senkungen – zu 9 bis 14 silben modifiziert werden kann. Die wol der theorie nach denkbare kombination von acht silben findet sich nicht in den fabeln, die von neun silben verhältnissmässig selten; so in v. 5, 15, 239, 1104; z. b. And áls the cäus | thát thay first begän. Die von zehn, elf und zwölf silben kommen am häufigsten und nahezu gleich verteilt vor; auch dreizehnsilbige sind noch ziem- lich häufig (z. b. v. 12, 18 etc.), während vierzehnsilbige sich schon seltener finden. Ein beispiel dafür gewährt v. 46: An-e sil-lo-gis-me pro-po-ne and eik con-clu-de. In allen diesen versen, so silbenarm oder silbenreich sie auch sein mögen, lässt sich wol durch schwebende, silben- zählende betonung einerseits, wie durch verschleifung andrer- seits ein gleichmässiger rhythmus leicht herstellen; doch liegt gerade in jener abwechselung eine treffliche und schwungvolle belebung des ganzen rhythmischen versbaues. Wie weit diese bei unserm dichter geht und wie sie sich darstellt, möge eine gründliche untersuchung der ersten 161 verse seiner fabeln (1. prolog und 1. fabel) lehren: 1. Fehlen des auftaktes. a) in den versanfängen, findet sich siebenmal: 22 Fórther mäir ane bów that is ay bént 39 Tháirfoir méiklie I präy your réuerénce 92 I had léuer ga scráp(it) heir with my náillis ebenso v. 96, 138, 152 und 157. b) nach der cäsur, zweimal: 5 And äls the cäus thát thay first begän 103 I wald häif sum méit, gét it gif I mycht. Da das fehlen des auftaktes unter allen dichterischen licenzen dem rhythmischen feingefühl wol am ehesten widersprechen könnte, indem die eine hebung einen ganzen takt vertritt, so hat sie Henrisone auch möglichst vermieden. Ausserdem wird sie aber oft dadurch zur erträglichen licenz, dass jene hebung einen rhetorischen nachdruck hat; so in v. 92, wo das “I' im gegensatz zu den v. 89 erwähnten “gret lordis' steht, oder in 19 v. 103, wo das get’ in rhetorischer weise das sehnliche ver- langen des hahnes nach speise zum ausdruck bringt. 2. Doppelter auftakt. «- a) zu anfang des verses, zehnmal: 3 Thäir pölite térmes, 45 In tö guid pürpois 46 Äné sillogisme, 55 Syné in thair myndis, 103 I wäld haif, 133 Öfäll vicis, v. 144, 147, 148 und 153. b) nach der cäsur, dreimal; doch würde dieser fall noch einen bedeutenden Zuwachs erlangen, wenn man den unbestimm- ten artikel ane', der meist wol einsilbig ausgesprochen wurde, als zweisilbig mit hierher zählen wollte: 34 Bo bé requeist | änd précépt of äne Lórd 58 In gy méter, | äs pöéte läwriáte; * [diese betonung in poete' wird verbürgt durch v. 1377 75 Jowellisar tint äs öftymes has bene sene. 3. Taktumstellung. a) zu anfang des Verses: 16 Háldis thé kirnell 23 Wórthis Vnsmärt, 47 Püt in ëxémpill 60 Läck thé disdäne 68 Scráip änd amäng - 75 Jowells ar tint, v. 82, 109, 111, 113, 132, 143 (zwölf fälle). b) nach der cäsur: - 61 And tó bégin, first öf äne cók hé wräte c) mitten im verse: 123 It mäkis äne män stärk änd victórioüs 135 Quha can eschéw pérréll änd éuentüre. d) taktumstellungen, die sich als rhetorischetro- chäen charakterisieren: w 11 Hailsüm änd güdé tö männis süsténéncé [in zwei takten anapästischer rhythmus, 134 Quhá mäy be hardie . . . .? 115 Quhá cän ëschéw . . . .? analog v. 136; ein treffendes beispiel gewährt v. 793: Ceis öf yoür sin. - Diese rhetorischen trochäen können sich auch mitten in der rhythmischen reihe finden, wie v. 190: The härtlie jóy, | Lord Gód, gif yé häd séne (o dass doch!) oder nach der cäsur, wie in v. 137: 4 »- 2. 20 [Quha can gouernel Without science? | ná män, Iyów assüre; In diesem falle lyrische cäsur anzunehmen und man I' als zufällige doppelte senkung zu betrachten, hiesse sicherlich des dichters formtalent verkennen. - 4. Doppelte senkungen mitten im verse: 1 fäbillis Öf ald póetrie 9 laüb oürit With 10 Springis thé flóuris 18 vndër äne féinyeit 25 éirnIst füll thóc(h)tis 36 hämélie länguage, 46, 54 cüstöm änd dályé ryte, - " v. 55, 87, 92, 93, 94, 96, 109, 110, 126, 136, 152 etc., also in mehr als zwanzig versen, ca. 13%o. » 5. Fehlen der senkung mitten im verse, wobei zer- dehnung oder schwebende, silben zählende betonung statt hat, findet sich unter den ersten 161 versen achtmal: 3 Thair polite térmes of sweit réthorie 44 That brüt béistis Späk; V. 58 In gy méter 89 TO gré t lordis (an anderer stelle auch greit geschrieben) 94 As dräf, or córne, smäi wörmes or snaillis *. 104 . For hüngrie mén may nöeht léue on läikis 110 of ä11 stänis the foür w 147 In hir dräf -tröeh wald sºw précious stanis. Dieser letzte vers, in dem sich dreimal eine solche schwebung widerholt, ist von hohem onomatopoetischem werte, indem durch den rhythmus gleichsam das hineinstreuen der edel- steine in den trog sprachlich nachgeahmt wird. Eine ähn- liche poetische kunstfertigkeit ist auch zu beobachten in V. 1331 The gröund grówand with gré s grätioüs, oder 869 With grés grówand gritlie güde and gäy, wo er das aufwuchern der grünenden Vegetation in den be- reich seiner rhythmischen sprachmalerei zieht. Durch diese unter 1–5 angestellten erörterungen ergibt sich der gegen- beweis für Schippers annahme (Altengl. Metrik, s. 508): “dass das fehlen des auftaktes bei Henrisone gar nicht oder nur höchst selten vorkomme' [siehe unter 1], “dass das fehlen einer senkung im innern des verses nicht leicht zu konstatieren sei' (s. unter 5], “dass doppelte senkungen nur vereinzelt vor- kommen' (s. unter 4, resp. 2, “und dass taktumstellungen zu den seltenheiten gehören’ (s. unter 3. – Somit ist durch 21 diese untersuchungen auch gleichzeitig der beweis geliefert, dass Henrisone keineswegs die bei ihm vermutete einseitigkeit besitzt, in seinen versen das silbenzählende prinzip mit dem accentuierenden in einklang zu bringen. Silbenverschleifung resp. synkope findet sich in den fabeln so zahlreich, dass ich wol nur auf einige drastische beispiele hinzuweisen brauche, wie v. 9 läboürit with; v. 119 hañelle dyte; v. 128 Betäkyñnis pérfte prüdence; v. 133 and spiritüale énemie (vokal. kontraktion). Als zwingend erweist sie sich in den reimen: v. 1048 takis- contumax, 1090 belyif-schriue, 1174 cause-lawis, 1384 venerable- fabill, 2283 luifit-contruft, 2479 kyith-swyth, 2689 assyis- justice, u. a. m. »- Einer eingehenderen untersuchung über die einzelarten der silbenverschleifung glaube ich mich hier enthalten zu sollen, da Ellis, Morris, Skeat, Schipper u. a. über diese punkte sowol für das Altenglische wie auch Schottische bereits ausführlicher gehandelt haben, und sich deren resultate, wie schon aus den wenigen angeführten beispielen erhellt, auch bei Henrisone be- stätigen. Ein gleiches gilt auch über die apokope, resp. elision von ausl. oder flexiv. -e. Das endungs -e kann mitten im verse je nach rhythmischem bedarf verstummen oder nicht, ganz unabhängig davon, ob einfache oder doppelkonsonanz, oder selbst ein Vokal davor steht z. b. v. 132 Häppie and stärk, v. 57 Esópe as I haif tald. Als zwingend erweist sie sich in endreimen wie v. 1538 wreik- breke; 1615 exyld-childe; 1650 knawledging-beninge, 1891 wrait-applecate, 1945 luif-remufe, 2106 lyis-wyse, 2488 hoig- doge, 2586 schuik-tuke u. a. m. - Die cäsur in Henrisone's fabeln. Auch durch mannigfachen cäsurwechsel weiss unser dichter dem rhythmus eine schwungvolle belebung und reiche ab- wechselung zu verleihen. Eine genauere untersuchung möge auch hierfür den beweis liefern und die art wie das relative verhältniss der cäsuren unter einander festsetzen. Da meines erachtens die freiheit des cäsurganges bei Henri- A* sone eine unbeschränkte ist, indem keine der denkbaren cäsur- 22 »- arten sich bei ihm als nur zufällige oder ausnahmsweise dar- stellt, so unterlasse ich in folgendem die von Schipper, Skeat, Ellis u. a. gemachte einteilung in haupt- und nebenarten. 1. Cäsur nach dem ersten takte. a) männliche: 7 Of man be figure of ane vther thing 118 Of this as myne author dois wryte 121 The first of cullour it was meruellous 141 This cok | desirandmair the sempill corne findet sich also in 161 versen (1. prolog und 1. fabel) viermal. b) weibliche oder epische: zweimal. 132 Häppie | änd stärk to win the victorie, mit enjambement. 126 Or fyré | nör wäter him neidis not to dreid, ohne enjambement. Mithin findet sich schon in den ersten 161 versen die cäsur sechsmal nach dem 1. verstakt; sie erfährt einen noch grösseren zuwachs, meist durch enjambements oder anreden veranlasst, in denjenigen fabeln, in welchen der dialog mehr zur geltung kommt. «. 2. Lyrische cäsur zwischen den beiden taktteilen des zweiten fusses: 42 Cörréct it | ät your willis gratious, ohne enjambement. 133 Ofäll vicis | änd spirituale énemie, mit enjambement. 158 Of science | thocht the saule be bair and blind, ohne en- jambement, Auch diese cäsurart erfährt bei dialogischer erzählungsweise grösseren Zuwachs. 3. Cäsur nach dem zweiten takte. a) männliche: 4 Richt plésand är | vntó the eir of man 5 And als the cäus thát they first begän 6 Wes tó repréue (repréif) the häl misleuing analog v. 12, 15, 17, 21, 22, 23, 24, 27, 30, 33, 34, 37, 41, 48, 50, 61, 62, 65, 70, 72, 74, 75, 79, 80, 82, 84, 86, 88, 93, 103, 104, 105, 107 etc., im ganzen 55 mal, von denen man aller- dings einzelne verse auch mit demselben rechte unter die gruppe rechnen kann, bei welcher sich vermischte cäsur findet. b) weibliche oder epische: » 8 In lyke mänér | ästhrów the bustious eird 11 Háilsüm änd güde tö männis sustenence 14 To güde pürpöis | quhä cüld it weill apply, analog in v. 19, 20, 26, 35, 47, 58, 64, 76, 77, 81, 89 u. s. w., im ganzen 28 mal in den ersten 161 versen. mit enjambement. } ohne enjambement. H 23 4. Lyrische cäsur zwischen den beiden taktteilen des dritten fusses: - « w » 9 Swa it be läboüfit with grit diligence 10 Springis thé floürs | änd the corne abreird, analog v. 16, 18, 25, 36, 40, 67, 94, 109, 113, 134, 145, 154 (vierzehnmal). 5. Cäsur nach dem dritten takte. a) männliche: 44 That brüt béistis späk | änd vnderstude 57 This nóbill clérk Esópe | äs I haif tald 59 Be figure wrait his bük for he not wald, ebenso v. 60, 68, 69, 71, 73, 87, 101, 112, 159, 161 (dreizehnmal). b) weibliche, lyrische, davon in genannten versen nur ein beispiel: d 46 Ane sillogisme propóné änd eik conclude, «. sie findet sich jedoch öfter in der dialogischen erzählung, die in allen übrigen fabeln eine grössere rolle spielt als in der ersten, - 6. Lyrische cäsur zwischen den beiden taktteilen des vierten fusses: - 29 Of this authóur, my maistefis, with your léif 31 In móther toüng of Lätin(g) í wald preif, ebenso v. 45, 52, 66, 136 (sechsmal). 7. Cäsur nach dem vierten takte. a) männliche: 2 Be nót all gründed vpon trüth, yit thán (enjambement) 83 Be buryit thus amang this mük |ön móld « 85 It is pietie I suld the fynd | for quhy hier nur dreimal, doch bedeutend öfter bei dialogen. b) weibliche, lyrische, zweimal, relativ häufiger bei dialogen. »- " 78 Sa mérvelländ vpón this stäné | quöd hé (ohne enjamb.) 152 Weill war that man ouer all vthér thät möcht (mit enjamb.). 8. Lyrische cäsur zwischen den beiden taktteilen des fünften fusses: 43 My äuthor in his fäbillis téllis, hów (mit enjamb.). »- Auch diese art der cäsur nimmt nicht blos eine ausnahmestelle ein, sondern findet sich ziemlich oft bei dialogischer rede. Ueberraschend häufig findet sich in den fabeln die verwischte Cäsur, »- in der wir ein treffliches beweismittel für die lebhaftigkeit der erzählung und den fliessenden Stil der ganzen dichtung zu erblicken haben. Sie findet sich: 24 13 Out of the subtell dyte of poetry 32 To mak ane maner of translatioun . 56 That thay in brutall beistisar transformate, ebenso v. 51, 53, 54, 90, 92, 96, 100, 106, 116, 117, 128, 129, 135, 143, 147, 151, bei denen man in einzelnen wenig fällen, je nach auffassung vielleicht noch eine der vorgenannten cäsur- arten anbringen könnte, oder zu denen man eventuell auch einige weitere, wie v. 1, 3, 38, 39, 55 etc. rechnen könnte. Resumé: Am häufigsten findet sich die männliche cäsur, etwa in der hälfte der ganzen verse (vorwiegend nach dem 2. und 3. versfusse); die epische oder weibliche beherrscht circa 20% (vorwiegend nach dem 2. takte), die lyrische ca. 18% (grösstenteils mitten im 3. und 4. takte), die vermischte ca. 12% der sämmtlichen verse. Somit ist auch hier gegen Schipper's annahme die grosse mannigfaltigkeit hervorzuheben, mit der die cäsur ihrer art wie ihrem gange nach bei unserm dichter auftritt. «- Erwägt man nun die reichen variationen in Henrisone's vers- bau, mit denen er sowol durch gleichmässigen rhythmus den ruhigen gang der erzählung, wie durch rhetorische accentuierung den lebhaften ton der handlung oder des dialogs musterhaft zu treffen weiss, so wird man sein dichterisches formtalent nicht leicht unterschätzen können. Vergleicht man ferner die form- gewantheit – die er auch neben seinen fabeln in der balladen- strophe geradezu künstlerisch betätigt – mit der Chaucer's, so ist man gewiss berechtigt, ihn in metrischer beziehung jenem grossen meister würdig an die seite zu stellen. In einem zweig dichterischer technik aber übertrifft er ihn, und das ist in seiner geschickten verwendung des stabreims. Alliteration in den fabeln. Indem Chaucer im wesentlichen betätigt, was er in den Canterbury Tales einmal über seine unfähigkeit im stab- reimen sagt: «. » - «. – – – – I am a sotherne man I cannot geste rom, ram, ruf by my letter", leitete er durch seinen tiefeingreifenden einfluss indirekt den allmäligen verfall dieses versschmuckes strengerer richtung ein. Welch reiche entfaltung und allgemeine verwendung würde er dieser alliterierenden dichtungsart bei seinen nachahmern 25 gesichert haben, wenn er dieselbe wenigstens im prinzip durch- geführt hätte! So fiel auch in Schottland dieses charakteri- stikum altgermanischer poesie, nachdem es in Holland's durch- weg alliterierendem gedichte “The Buke of the Howlat' wol die kunstvollste entfaltung gewonnen hatte, seit ausgang des 15. jh. mehr und mehr der vernachlässigung anheim. Diese tatsache bestätigen auch Henrisone's fabeln, in denen die alli- teration, ohne mehr eine vorbedingung für die versbindung zu sein, nur noch schwankende und gruppenweise verwendung findet. Doch wo sie bei unserm dichter auftritt, zeigt sie eine erstaunliche kunstfertigkeit und offenbart besonders bei frap- panter häufung den grossen wortreichtum, der ihm zu gebote stand. Mit besonderer vorliebe ist sie verwendet: Zur rhetorischen kolorierung pathetischer reden, so z. b. v. 933–934 (rede des löwen): - “I rug, I reifall beistis that makis debait Aganis the micht of my magnificence” 936/9 “My celsitude and my hie majestie With micht and mercie myngit salbe ay; The lawest heir I can full sone vp hie, And mak him maister ouer yow all I may”. 1139 O mediatour! mercifull and meik, 1143 And help ws vp vnto thy heuinlie hall, u. a. m. Zur belebung bei aufzählungen, so z. b. recht auf- fällig in der 5. fabel (v. 887–921), wo alle diese tiere angeführt werden, die zum parlamente kommen. Während vorher der stabreim sehr zurücktritt, beginnen diese verse: »- The minotaur, anemonster meruelous, Bélèröphänt, that beist of bastardrie etc. 901 The bull, the beir, the bugill and the bair 903 The hardbakkit hurcheoun and the hirpilland hair 911 The quhirand quhitret with the quhasill Went, u. s. f. Zur ausschmückenden schilderung glänzender gegenstände, so bei der beschreibung der leopardenkrone: 875/6 With jaspis joynit and royell rubeis rold And mony diueris dyamontis dicht (falscher stabreim in diueris). ähnlich v. 1349 ff. (Aesop's kleidung). d Vgl. gedichte wie “Cleanness”, “Patience”, “Morte Arthur”, “Buke of the Howlat’ u. a. m.,. s. Rosenthal, Anglia I, S. 414 ff. Skeat, Essay on Alliterative Poetry in “Bishop "Ä Folio-Ms.', ed. Furnivall and Hales, London 1867, vol. III, s. XI ff.]. Schipper, Altengl. Metrik s. 205. 26 Zur ausmalung bei naturschilderungen: 868 ff. The ground was grene, and als like gold it glemis, With gres growand gritlie gude and gay, The spyce thay spred to spring on euerie spray, etc. 1288 ff. Quhen borias with blastis bitterlie And härd fróstis thir flouris doun can faid; 1321 ff. In middis of June, that joly Sweit seasoun, bis 1341 Quhén thät fair phebus, with his bemis bricht Had dryit vp the dew fra daill and doun etc. etc. 1832 ff. The winter come, the wickit wind can blaw, The wodis grene war wallowit with the weit, Baith firth and fell with froistis war maid faw, Sionkis and slaik maid slidder(r)ie with the sleit. Zur kontrastierenden schilderung von eiliger oder mühevoller bewegung; so bei der wanderung der stadtmaus: - 183/4 Furth mony wilsum wayis can scho walk Throw moß and mure, throw bankis, busk and breir 553 Full wichtilie thay throw wod and watteris went. 1041 To fetche watter this fraudfull foxe furth fure [nebenstab in furth]; - -- 733/4 Quhen this wes said, the wolf his wayis went The foxe on fute he fuir Vnto the flude 897 The reyndeir ran throw reueir, rone and reid 907 The foumart with the febert furth can flok 919 With haist scho haikit vnto that hill of hicht. Dies letzte ist ein besonders drastisches beispiel, indem durch die widerholt reimende aspirata h das häufige atem- holen der maus bei erklimmung des hohen hügels onomato- poetisch zum ausdruck gebracht wird; ähnlich beim ent- schlüpfen der vögel: 1838 Bot hyit vnto housis thame to hide. Zur beschreibung erregter elemente: (stürmische wellen): - 736 Bot quhen he saw the watter and wallis woude; Zur drastischen schilderug von plagen und leiden: 596/7 Quhilk houndit doun wes fra the hevinlie hall To hellis hoill and to that hiddeous hous, v. 1836/7 armseliger zustand der vögel bei hartem winterfrost: * Dieser wie der vorerwähnte v. 919 geben auch zugleich treffliche belege für die beobachtungen Trautmann's (bei der alliteration in Gawein, Cleanness etc.), nach denen anlautendes h+ vokal mit anlautendem blossen Vokal alliteriert, also z. b.: With haist scho haikit wnto that hill of hicht (fünf stäbe). The foulis fair for falt thay fell offeit, (for hat nebenstab) On bewis bair it was na bute to byde. s Analog v. 1034–35 u. a. m. Zur onomatopoetischen laut nachahmung, so das schlagen der drossel, indem sie von baum zu baum hüpft: 872 Sueitlie can sing treipand fra tre to tre, wobei auch fra als nebenstab wirkungsvoll ist. – 911 The quhirand quhitret with the quhasill went 1530 – – – and murnand maid his mone (the lyoun). Qualität und quantität der stäbe. Die alliteration bei Henrisone kann, wie schon aus den citierten beispielen erhellt, eine sehr mannigfache sein. Am häufigsten finden sich verse mit zwei und drei stäben, auch solche mit vier stäben finden sich keineswegs selten, während verse mit fünf naturgemäss nur vereinzelt vorkommen (v.869, 897, 1836). Indem sich die stabreime je nach belieben auf die einzelnen hebungen verteilen können, bisweilen auch auf fol- gende verse überspringen, so haben wir in den fabeln fünf arten der alliteration zu unterscheiden: . « - 1. Gewöhnliche alliteration, bei der ein und derselbe stab sich 2–5 mal auf beide rhythmische reihen eines verses verteilt (z. b. v. 891 mit zwei, v. 181 mit drei, v. 734 mit vier, v. 1836 mit fünf stäben). 2. Reihen-alliteration, wo zunächst nur die eine rhyth- mische reihe des verses 2–3 gleiche stäbe aufweist (v. 929, 914, 884, 570, 900 etc.), oder wo ferner jede rhythmische reihe ihre eigenen stäbe hat (v. 182, 184, 875, 910 etc.). 3. Gekreuzte alliteration, bei der sich verschiedene stäbe desselben verses in den beiden rhythmischen reihen kreuzen; z. b.: º 741 And I haif nather boittis | net nor hat, ) l 740 NoW mon I seraip my meit out of the and, 906 The wyld ónce, the bük | the welterand ro, analog V. 911 quh w quh w, v. 189 Y f etc. Hierher würde auch v. 925 gehören: F'Or dreid of deith thay droupit all in out 28 4. Um schliessende alliteration: Vgl. 862 Vpoun this hin tO hald ZIG parlament =====--- « 1037 To tº the ºng the eace we his inten, analog v. 1030 s h h , 1039 hw wh, 1290 m m b etc. « –= – –=– ------------ –l= – 5. Ueberspringende alliteration, bei der sich ein und derselbe stabreim in mehreren aufeinanderfolgenden versen durchgeführt findet [diese art macht sich besonders in der Mar- harete' geltend]: 180/1 Bairfüte ällone with pykestalf in hir hand, As pure pilgryme Scho passit out of toun, 554–6 And ceissit not schir lawrence quhill thay saw; Bot quhen he saw the kennetis cum on raw, Vnto the cok he said in mynde: god sen, wobeiwol god' als nebenstab anzusehen ist. »- Analog v.593/4, 714/5, 612/3, 358–61 (presp. b), 782/3 (c), 936/7 (m), u. s. f. Wenn auch Trautmann (Anglia I, s. 123, 140) diese art als spezifisch schottische eigentümlichkeit hervorhebt, so lässt sich doch in Henrisone's fabeln eine frappante anwendung der- selben nicht konstatieren. a) Konsonantische alliteration, Ueber die qualität der stabreime bleibt wenig zu sagen; neben gleichen konsonanten reimen auch t und d (v. 1040 u. a.) k und c (v. 1037 king, cace; v. 2551 kennit, cais u. a. m.); c mit g (v. 2553 caus, gaif, catche); g mit k (v. 746 gait, kid) j mit g (v. 898 jolie, gillet, gentill); g mit c und q(uh) (v. 1349 gown, claith, quhite); q(uh) mit k und c (v. 555 quhen, kennetis, cum); k mit ch (v. 175 cheis, kist); - - f mit ph (v. 1322 fair, phebus). Die alliteration von v mit w, die nach Trautmann (Anglia I, s. 140) besonders in schottischen dichtungen vorkommen soll, findet sich bei Henrisone nicht; höchstens könnte als beleg dafür angesehen werden v. 301: For yerray dreid scho fell in swoun neir deid; doch weit auffälliger ist die alliteration von v mit f; vgl. 189 verray, furth, 1920 auaill, full, varience, 612/13 Thirtwä sinnis, flätterie and váne gloir, Ar vennomous: gude folk flie thairfoir! 29 ja selbst w scheint mit f und ph zu alliterieren, vgl. 1322 Quhën thät fair phébus with his bémis bright 1039 And fra your browis wesche away the blude 2566 Quhill he for feiritnes hes fylit vp the way, v. 1041 u. a. m. [Dass w im Schottischen eher als im Englischen mit f zu reimen scheint, erhellt allerdings aus seiner unterscheidung vom quh-laut. In der regel alliterieren nur einzelne konsonanten unter einander, doch zeigen sich in den fabeln auch auffällig viele fälle, wo doppelkonsonanten als stäbe reimen, z. b. tr (v. 744 und 872), dr (v. 925), sp (v. 870), sl (v. 1836), pr (v. 935). Es scheinen auch verschiedene doppelkonsonanten unter einander und mit einfacher konsonanz zu reimen, d, dr, tr, cr: 2889 The dreid of deith hir strenthis gart incres, oder 1459 And deith, sic as to tressoun is decreit S, Sk, st: «-. 1450 And Syne my skin bene Stoppit full of straw Selbst s mit sch: 1458 Thairfoir thow Suffer Sall ane Schamefull end r mit cr: 139 Quhilk maith, nor moist | nor vther rust can screit, u. a. m. b) Vokalische alliteration. Auch vokalische alliteration zeigt sich an einzelnen stellen recht auffällig: - 931 Angrie, austerne and als vnamiable, 904 Baith otter and aip, and pennit pOrcupyne; Dieser vers scheint besondere aufmerksamkeit zu ver- dienen, indem darin wol auch die in lautenden vokale e, 0 und y alliterieren. Ein frappantes beispiel ist auch für diese an- nahme v. 900: - The da, the ra, the hormit hart, the hynd. Da sich noch mehr derartige fälle konstatieren lassen, wie z. b: 892 The elephant and eik the drómedárie, 2740 barn, byre, bene, big, so scheinen sie mir eine erweiterung der bisher allgemeingil- tigen stabreimgesetze genügend zu motivieren. Als weiteres gesetz für die alliteration bei unserm dichter scheint auch zu gelten, dass aus lautende vokale resp. konso- nanten reimen können. Ein drastisches beispiel für die vokale ist der schon angeführte vers 900 the da, the ra, während wir 30 belege für auslautende konsonantenstäbe zu erblicken haben in V.904: Baith otter and aip and pennit porcupyne, [wobei also das einsilbige wort aip zwei stäbe tragen könnte! Ferner V. 746: > " And fra the gait he stall ane litill kid wobei auch das auslautende ll fürs auge als nebenstab gilt. 1920 Litill of auaill, and full of varience (s. wider litill] 175 Amang the cheis in ark and meill in kist, 2553 Quhat was the caus ye gaif me sic ane catche, 1339 vp on bank and bra. a Als regel für derartige stabreime hat wol zu gelten: Lautet eine betonte silbe auf einen konsonanten aus und beginnt die folgende mit einem vokal, so kann der auslautende konsonant als alliterierend angesehen werden, sobald sich eine häufung desselben im verse bemerkbar macht. Einen ähnlichen fall beobachtete schon Trautmann im “Troy Book', indem dort das auslautende -n vor vokal mit anlautendem n in worten des- selben verses alliterieren kann. » - Wenn auch vielleicht manche alliterierende wendungen und wortverbindungen Henrisone's sich schon zu seiner zeit aus dem reichen schatze der tradition als nationaler schmuck in die sprache der poesie wie des volkes eingebürgert hatten", so werden doch unserm dichter neue und originelle kombi- Ilationen auf diesem gebiete nicht abzusprechen sein. Binnenreime finden sich in den fabeln nur ganz ausnahmsweise und da wol auch bloss zufällig: 301 For verray dreid scho fell in swoun neir deid. und 1070/72/73: wofully – doggitlie – to your cry. / Der Endreim ist in den fabeln fast durchweg von erstaunlicher reinheit; wo dies graphisch nicht der fall scheint, ist vokaltrübung in der aussprache anzunehmen. In dem Harl. Ms. findet sich nur ein- mal ein falscher versausgang und zwar v. 1749, wo statt lang' * Vgl. K. Regel, Die alliteration im Lazamon” (Germanistische Studien, herausgegeben von Bartsch, Wien 1874) und “King Horn', herausgegeben von Wissmann. 31 ein reim auf“sall” und “all' stehen müsste; doch ist dieser fehler auf rechnung des schreibers zu setzen, da der druck von 1570 “small” statt “lang’ hat. – Assonanz in den endreimen zeigt sich in den ganzen 2975 versen der fabeln nur einmal (v.769), wo “gang” auf “tane” und “flane’ reimt. " In folgendem sei nun eine erschöpfende zusammenstellung der für aussprache, betonung und orthographie charakte- ristischen reime gegeben: «- »- auf -óun, - one: conditioun – croun (463), lyoun – inclinatioun (400), disputatioun – swoun (493), carioun – doun (811), doun – tres- sone (978) – exhortatioun (239). " »- auf - 6 ur, -ure: confessour – hour (654), armóur – lóur (950), serui- tour – honour (451), peradventour – stature, honour – flour (109), apparetour – bure (1160), progenitouris – muris – curis (440). auf -ance, -ence: plesance – varience – dance – substance (1602, 1919), conscience – countenance (971) – difference (276). auf -age, -aige, -ege: aige – priuilage (1013), heritage – villege (2742). auf -áir, -éir, -ér: air – soliter (1784), dangér – powér, dangeir – heir (1860), märynér – cheir (2798). auf - a ce, -asche, -ais, -ece, -es, -eis: pláce – wickitnés (2428, 2624) – wildernes (1112), place – Pasche (2152), grace – pace (ostern) – tendernes (720), allace – wickitnes (705), allace – grace (1536) – pace (2701) – pece (2731) – peis – incres (1798); grace – gentrace – gais (1546); gais – hes (827) – hais (1047). auf -ous, -us: cawtelous – houſ (402, 418); glorious – Eolus (1192) presumpteous – hous (598). « « auf -áll, -ále, éll: irrationall – naturale (397); triumphall – batell (1475); batell – mortale – castell (2965). auf -ble, -bill: fabill – agreable (586) etc. auf -ate, -ait: lawriate – estait – wrate (58), disfigurate – blait (976), figurate – lait – implicate (2935), debait-fulminate (1123), stait – spoliate (1895). M. -y, - ie, - é, - ée: apply – poetry (13, 1102) – poetrie – rethorie (1), I – ambassatry (997) – cry (2868, 2884); be – ee – royaltie (382), the – be – honestie – degre (390); ee – diuinitie (664), ee – flie (1637), fle – supple (2043); fle – crueltie (2924), supplie – haistelie (2412), be – trinitie (1648) – moralitie (1380, 2203), fre – hie (adj.) – aduersitie (368) – libertie (2927) hie (adj) – the (467), the – ye – flie (559), hie – be (307) – jolitie (289), degrie – be (2596) – plentie – be (261, 2731) – fe – tre (572, 2761), ee – he [pron. (1161), he – pietie (824), ee – fantasie (2449), salbe – diuinitie (1627), se-opportunitie (1676) – prosperitie =------------ * Hier scheint durch französischen einfluss nasalierung bei -ane ein- getreten zu sein; vgl. auch “lating” = Latein in v. 31. 32 (1937), see – die (2208), sie – sensualitie (1631), kne – me – diuinitie (1049), dry – jelowsie (519). Ferner reimen a, -ai, ay: had – glaid (1846), efterwart – pairt (2047), twane – sayne – agane (748), e, -ai: h es – gais (827), hais – gais (1046). º ei, -ea: deir – near (163), deir – heir (hören) – breir (184) beist – arreist, etc. «. Ei: quhite – greit – eit (359), greit – sweit (314); i, éi: kid – bukheid – did (331); « o, oi: sore – moir (1137) – thairfore (1315) – gloir (474), bore – moir (2796), doge – hoig (2488); o, ou: vpoun – Absalon (2840); o, ui, u: woke – tuik (1620) woke – tuke (1417); u, ui: tuke – schuik (2586), conclude – guid (1571), gude – stuid (2098), hude – stuid (992), bure – recuire (1149), remufe – luif (1946), contrufit – luifit (2283); u (v), ou: flude – woude (wütend) – stude (737), wode (wütend) – gude (1109), wounder – vnder – schunder (1560) etc. v auf o: vther – brother (1557); y auf yi: lyfe – stryif (1946), spyce – myis (204). y auf ei: ryte – contreit (784). 7 In den fabeln übertrifft der männliche reim den weiblichen an zahl fast ums doppelte (in altengl. dichtungen gerade um- gekehrt); im 1. prolog + 1. fabel + 12. fabel z. b. gestaltet sich das verhältniss wie 207: 117. Ganze strophen, die durchweg männlich gereimt sind, finden sich nicht selten, so in der 1. fabel von 14 strophen allein 6 (str. 3, 4, 7, 9, 13, 14), dabei nur eine durchweg weiblich gereimte (str. 5). Diese nahezu doppelte überwiegung stumpfer versausgänge bietet zugleich – gegen das Altenglische – eine interessante perspektive auf die gedrungenheit der sprache Henrisone's. Ein vergleich mit anderen schottischen dichtern dürfte nicht uninteressant sein! Analyse, quellen, beeinflussungen und nachweisungen“ der einzelnen fabeln. Fälschlicher weise werden die sämmtlichen fabeln Henri- sones in den handschriften und alten drucken auf dem titel * Die unter den nachweisungen aufgezählten fabelredaktionen hat unser dichter – so weit sie überhaupt chronologisch in betracht kommen können oder nicht drucke des Anonymus enthalten –, nicht als vor- lagen benutzt. - ZZ schlechthin als Aesopische bezeichnet, während nur acht (1, 2, 6, 7, 8, 11, 12, 13) auf jenen halbmythischen fabeldichter zu- rückgehen, in denen er auch stets gewissenhaft als quelle an- geführt ist (s. v. 27, 29, 57, 162, 1146, prolog zur 7. fabel v. 1375, die 7. fabel selbst wird geradezu dem Aesop in den mund gelegt, 8. fabel v. 1888, 11. fabel v. 2455, 2588, 13. fabel v. 2777). Wenn ihn Henrisone auch in der 10. fabel, die der “Disciplina clericalis’ des Petrus Alfonsi entnommen ist, als Vorlage be- zeichnet, so darf nicht vergessen werden, dass man im mittel- alter alle fabeln, so abweichend und interpoliert sie auch sein mochten, dem Aesop zuschrieb. In den übrigen fabeln, die auf noch andere quellen zurückzuführen sind, nennt ihn unser dichter nicht. Stellen wir folgende verse der fabeln zusammen: 57 ff. This nobill clerk esope, as I haif tald, In gay meter, as poete lawriate, Be figure wrait his buik; – – – v. 1370 ff, wo Aesop von sich selbst sagt: – – – I am of gentill blude, »- My natiue land is Rome withouttin nay', etc. 27 ff. – – – thus es ope said, I wis: “ Dulcius arrident seria picta jocis.” Of this authour, my maister is, with your leif Submitting me in your correctioun, In mother toung of latin (g) I wald preif To makane maner of translatioun, so sehen wir, dass er den Aesop für einen römischen poeta laureatus und die distichen des Anonymus für dessen original- dichtungen hielt, und dass er ferner die sich dort findenden fabeln (I, 1, 2, 3, 4, 12, 18 und 20) als Vorlage zu 1, 12, 13, 6, 2, 7 und 8 benutzte. Der vers “Dulcius arrident etc.” ist wörtlich dem Prologus des Anonymus entnommen. Da dieser von seinem ersten herausgeber Nevelet so genannte verfasser im mittelalter gewöhnlich unter der benennung Aesopus' auf- geführt wird, so erklärt sich auch Henrisone's irrtum, ihn mit Esope' zu bezeichnen. Der eigentliche Aesopus, wie auch Phaedrus waren im mittelalter verschollen. Der benutzung des letzteren durch Henrisone widersprechen auch viele umstände, so zunächst die eingangsverse in dessen prolog: Schon seit Eberhardus Bethuniensis (a. 1212), s. Roth, die mittel- alterl. sammlungen lateinischer tierfabeln. Philologus I (1846) s. 526. 3 Z4 Aesopus auctor quam materiam repperit, - Hanc ego polivi versibus senariis, während Henrisone die fabeln von Aesop selbst vor sich zu haben glaubt. Ferner sagt unser dichter in v. 61: – – – first of ane cok he wrate, - - während Phädrus mit der fabel vom wolf und lamm beginnt und die fabel vom hahn und edelstein erst im 3. buche erzählt, Vgl. auch unten, s. 57. Ebenso wenig hat Henrisone auch den Romulus oder dessen erweiterungen gekannt, da dort überall im vorwort Aesop als “quidam homo grecus de ciuitate attica' bezeichnet wird, wäh- rend ihn Henrisone in den genannten 7 fabeln noch für einen römischen dichter hält, bis er durch Caxton's fabelsammlung eines besseren belehrt wurde (s. datierung der fabeln]. Den Avian oder die darauf zurückgehenden paraphrasen hat er auch nicht gekannt, da er keine fabel daraus entlehnt hat. Dasselbe gilt von den mittelalterlichen fabelerzählern: Laurentius Valla, Guilelmus Gudanus, Hadrianus Barlandus, Guil. Hermannus, Rimicius, Erasmus, Angelus Politianus, Petrus Crinitus, Joannes Ant. Campanus, Plinius II. Novocomensis, Aulus Gellius, Nicolaus Gerbilius Phorcensis, Aphtonius, Gabrius, Babrius, Laur. Abstemius, Poggius, Theodosius Avienus u. a. m., deren fabeln zumeist den namen Aesop's an der stirn trugen, und deren metrische resp. prosaische redaktionen ich auf ihre eventuelle vorlage für Henrisone untersuchte. Alles spricht allein für die benutzung des Anonymus, dessen elegische verse vor allen übrigen lateinischen fabel- sammlungen in England beliebt waren und die von allen auch zuerst durch Wynkyn de Worde als “Esopi fabulae’ 1504 in druck kamen. Auch in manuskripten des 14. und 15. jahr- hunderts überwiegen sie bei weitem, wie ich mich am Brit. Mus. selbst überzeugen konnte und sind – ein beweis für ihre an- fertigung in England – zum teil auch mit englischen anno- tationen aus jener zeit versehen. Da Henrisone nur fabeln aus dem 1. buche dieses Anony- mus entlehnte und ferner über ihn sagt: 59 Be figure wrait his buik, – – – so scheint es, als ob ihm nur eine handschrift der ersten 20 fabeln (= 1. buch) zu gebote gestanden habe. - Z5 -“ In wie weit ihn bei benutzung derselben auch die fabeln Lydgate's oder andere werke beeinflussten, woher er den stoff zu seiner 11. fabel entnahm, die ursprünglich auf die “Extra- vagantes Esopi Antique' zurückzuführen ist und welche quellen ihm zur abfassung der übrigen fabeln dienten, die unter dem wesentlichen einfluss der Reinhartscyklen stehen, das soll die folgende untersuchung zeigen. - » ! Um einen klaren einblick in die komposition zu geben, schicke ich bei jeder einzelnen fabel eine kurze analyse voraus. Prolog, v. 1–63. Analyse. Der dichter legt hier höchst anschaulich seine prägnante auffassung über zweck und wesen der fabel dar: Letztere enthalte, wenn sie auch nur erdichtete episoden aus der tierwelt erzähle, viel angenehmes und belehrendes, in- dem das interesse fesselnde tierleben zugleich das beste spiegel- bild für menschliches handeln gewähre, ohne dass der autor seine zeitgenossen, die er in satirischer weise skizziere, direkt verletze. Beim hadern und streiten der tiere sei die parallele zu den menschen leicht zu finden; der mensch würdige sich mit seinen sinnlichen und profanen gedanken, mit seiner scham- und zuchtlosigkeit sogar in wirklichkeit oft zum tiere herab. Die fabel biete nun ein mittel, solche gesunkene, seien sie vom höchsten oder niedrigsten stande, auf zartem und humanem wege zur erkenntniss und einsicht zu führen. Doch bei diesem streng didaktischen charakter solle die fabel nicht immer einen ernsten ton annehmen; vielmehr wirke sie mit der würze mun- teren scherzes weit erfolgreicher – so, wie auch ein bogen, der nicht anhaltend streng gespannt, seine kraft viel länger und intensiver bewähren könne. Schon sein meister Aesop habe jenes erforderniss für seine fabeln erkannt und ihm rech- nung getragen. Indem er nun jene, – auf anregung eines hohen herrn, – frei in seine muttersprache übertragen wolle: 31 – – – of latin(g) I wald preif - To mak ane man er of translatioun, bittet er noch höchst bescheiden um die nachsicht seiner leser wegen seines rohen und ungelehrten stiles (vgl. v. 36: in Im Harl. Ms. 2251, fol. 283 ff. finden sich von ihm sieben “Isopes Fabules’, von denen die 1., 2., 3. und 5. für meine untersuchung in betracht kommen, und deren citate ich jenem ms. entnehme. 3* X 36 “hamelie language and in termes rude'), da er sich nicht der hohen gabe der rhetorik und eloquenz erfreue. p Vorlage ist die Praefatio zu den distichen des Anonymus, die jedoch bei unserm dichter eine recht selb- ständige und freie übertragung erkennen lässt. Enge an- lehnung an die vorlage findet sich in v. 28 (wörtlich entnommen), ferner distichen v. 3: Hortulus iste parit fructum cum flore, – – – und Henrisone v. 8–10: – – – throw the bustious eird s” Springis the flouris and the corne abreird, und v. 15–16: The nuttis schell, thocht be hard and teuch, Haldis the kirnell and is delectabill, »- vgl. hierzu den letzten vers der distichen: Et nucleum celat arida testa bonum. Eine starke beeinflussung bot Lydgates prolog zu seinen fabeln [Harl. 2251 fol 283 ff.]. «. «. Parallelstellen sind folgende: Lydg. v. 29–32 – – – “I cast to folwe this poyet (Isope), «- And his fabulis in Inglyssh to translate; Although I have no rethoryk swete, Have me excused – – – Henr. v. 29–32 Of this authour – – – “- In mother toung of latin(g) I wald preif x ? To mak ane maner of translatioun; und v. 38–39 Nor rethorik I never understude; . . Thairfoir meiklie I pray your reuerence. Lydg. v. 46 I me submyt to theyr! correccioun, Henr. v. 30 Submitting me in your correctioun, « Lydg. v. 50 And as myn auctour” at the Cok begynne, Henr. v. 61 And to begin, first of ane cok he” wrate. Die entschuldigung unseres dichters beim leser wegen seiner schlichten schreibweise beruht allerdings auf einem fast all- gemeinen brauche jener zeit, nach welchem z. b. Jakob I. in seinem King's Quair VI, 22 sagt: “Golitill tretise nakit of eloquence, (vgl. Henr. v. 37 ff.) And pray the reder to have pacience Of thy defaute, and to supporten it,' etc. oder Androw of Wyntoun im Orygynale Cronykil of Scotland' - (ed. Laing), I. buch, 1. kap.: v D. i. der leser. * D. i. Isope. 37 “My wit, I ken, sa skant thartill That I drede sare thame till offend, That can me and my werk amend – – – For, as I said, rude is my wit' etc. –, doch stehen sich Henrisone und Lydgate an den betreffenden Stellen besonders nahe. - : . - Sollen wir die abfassungsweise des ganzen prologs [wie auch die mancher einzelnen fabel mit der eines uns näher stehenden deutschen dichters vergleichen, so ähnelt sie am meisten der des Boner in seinem Edelstein (hg. von Pfeiffer, Leipzig 1844); man lese nur dort v. 41 ff.: “Ich hab mange bischaft gemacht, än gröze meisterschaft, ze liebe dem erwirdegen man von Ringgenberg hèrn Jóhan, ze tiutsch mit slechten worten, einvalt an allen orten, von latine, als ich ez vánt geschrieben – – –'. Einen ähnlichen prolog hat auch Gerhard von Minden seinen fabeln vorausgeschickt (s. Niederdeutsche Denkm. 2. bd., hg. von W. Seelmann, Bremen 1878). »- Mit dem prolog von 40 versen, den Marie de France zu ihren fabeln schrieb, hat der unseres dichters nichts gemein. I. The taill of the Cok and the Jasp, v. 64–161. Es ist dies die bekannte Aesopische fabel vom hahne, der nach emsigem scharren einen jaspis findet, diesen aber ver- ächtlich bei seite wirft, da er wol einer königskrone zum schmucke, nicht aber seinem hunger zur stillung dienen könne. Die moralitas gibt eine allegorische auslegung der eigenschaften des edelsteines und knüpft daran die gute lehre, dass ein jeder so handeln solle wie der hahn und nicht das hochschätze, was seinem stande nicht angemessen sei. Doch andrerseits gleiche der hahn dem toren, der nichts von jenen guten eigenschaften des jaspis verstehe: der glanz desselben z. b. bedeute die er- leuchtende gabe der wissenschaft, – und dies reisst den dich- ter in v. 148–154 zu einer begeisterten lobrede hin auf die seg- nungen des Studiums. Vorlage ist die 1. fabel des Anonymus “De gallo et jas- pide', vor der er wider in seiner ausführung manch feinen zug 38 voraus hat. Enge anlehnung an die distichen findet sich nur v. 127–129, wo Henrisone die utilitas allegoria auf die beiden letzten verse des Anonymus gründet: - – – – tu jaspide pulchra sophie Dona notes; stolidonil sapit ista seges. Henrisone's fabel zeigt wider einige reminiscenzen an Lyd- gate, dessen weitschweifigkeit – bei der er zwölf strophen zu allen möglichen exkursen gebraucht, ehe er zur fabel selbst kommt, – unser dichter jedoch meidet und medias in res gehend den hahn wolgemut auf den schauplatz seiner täg- lichen arbeit fliegen lässt. Wenn sich auch nicht frappante parallelstellen aus beiden bearbeitungen nachweisen lassen, so zeigen doch geringere an- klänge bei der motivierung einzelner züge, dass Henrisone die Lydgate’sche fabel kannte. Seine dichterische selbständigkeit bewahrte ihn vor sklavischer nachahmung. M. Nachweisungen dieser fabel. Romulus I, 1; Phaedrus III, 12 (Pullus ad margaritam); Nevelet s. 486; Nilant s. 1 und s. 67; Rhythmical Fables, ed. von Wright, Percy Soc. VIII, fab. 1; Caxton 1484 (The fable of the Cok and of the precious stone); Wynkyn de Worde, London 1504, I, 1; Stainhöwel I, 1 (han und bernlin); Bromyard, Summa Praedicantium A, 26, 32; Vincentius von Beauvais (Bello- vacensis) 30, contra calumniosos; Eyring, Copia Proverbiorum 3, 354 (Eisleben 1601–4); Marie de France 1 (D'un Coc qui truva une Gemme sor un fomeroi); Ysopet 1, 1 (Coc et Esme- raude); Rabelais 1; Lafontaine I, 20; Haudent (366 Apologues d'Esope, Rouen 1547) no. 112; Le Noble, Contes et Fables (Lyon 1697) 2,292: Du Coq et du Diamant; Boner, Edelstein 1; Stricker (Grimm, Altd. Wälder 2,3; Haupt, Ztschr. 7,381); Burk- hard Waldis (hg. von Kurz, Deutsche Bibl.) 1, s. 15; Luther, fab. 1 (Werke, Altenb) 5, 404. b: Von dem Hahn vnd Perlen; Kirchhof, Wendunmuth 7,3; Gerh. von Minden, 1. fabel (Niederd. Denkm. 2. bd., s. 2); Alb. Erasmus no. 1 (49 fabeln, Frankfurt 1590): Von einem Hanen; Wolgemuth (500 frische und ergötz- liche Haupt-Pillen, 1669) no. 1; Galfredus 1 (fabelsammlung von Die lat. citate entnehme ich dem im 15. jahrhundert geschriebenen Additional Ms. 10089 (Brit. Mus), das vielfach mit englischen glossierungen aus jener zeit versehen ist. - - 39 Dorpius, Argent. 1519, 4"); Hagedorn (hg. von Eschenburg) 2, 67: Das Hühnchen und der Diamant; 2, 57: Die Henne und der Smaragd; Esopet (mndl) bei Clignetts. 12; Guicciardini, L'Hore di Recreatione (Paris 1636) s. 78": Vanigli acquisti onde niuna utilità ne proviene; Bidpai (fables, traduites par Galland et Cardonne, Paris 1–3, 1788, 12%) 3. s. 187; Sadi (übersetzt von Graf) s. 101. ºd « II. The Tail of the vponlandis Mous and the burges Mous, v. 162–396. Es ist die bekannte fabel von der stadt- und landmaus, eine der besten erzählungen unseres dichters, ausgezeichnet sowol durch ihre anmutige natürlichkeit, wie durch trefflichen humor und reizende kleinmalerei. Der gang der erzählung ist folgender: Die landmaus fristet mitten unter hecken und dornsträuchern, einem “outlaw" gleich, ein höchst bescheidenes dasein, während ihre ältere Schwester ein vornehmes haus in der stadt bewohnt und als gildenmitglied und freibürgerin ein herrliches leben führt. Als letztere sich eines tages recht wol auf den beinen fühlt, gibt sie der sehn- sucht nach ihrer jüngeren schwester raum, greift zum “pyke- stalf" und zieht als pilger verkleidet “throw moß and mure, throw bankis, busk and breir” hin zur landmaus, von der sie unter freudentränen, unter herzen und küssen aufs liebreichste empfangen wird. Doch die woh- nung, ein armseliger schlupfwinkel, ohne erwärmendes feuer und genügende beleuchtung, sowie das vorgesetzte mahl, das an dürftigkeit nichts zu wünschen übrig lässt, erwecken sehr bald den ekel der verwöhnten stadtmaus, weshalb sie ihre schwester überredet, mit ihr in die stadt zu ziehen, um dort bei gewählteren speisen eine würdigere existenz zu suchen. Der auszug wird sofort ins werk gesetzt und ein lucullisches gast- mahl bei scherz und freudenjubel, sang und tanz führt sie ins neue leben ein. – “Yit after joy oftymes cumis cair!” und so zeigen sich denn auch bald die schattenseiten der neuen woh- nung, indem die schwestern mitten im schmause vom keller- meister überrascht werden. Die stadtmaus, ohne sich um ihre * S. schwester zu kümmern, flieht in ein ihr bekanntes Versteck, während letztere ratlos, keine zuflucht wissend, vor angst in ohnmacht fällt. Doch glücklicherweise wird sie nicht bemerkt, 40 die gefahr geht vorüber und die stadtmaus sucht nun der sich allmählich wider erholenden und schluchzenden schwester trost zuzusprechen. Noch einmal gelingt es ihr, sie für das neue, herrschaftliche leben zu gewinnen; doch kaum sitzen sie wider frölich bei tafel, als gib-hunter, die katze, sie auf ihrem jagd- zuge ausspürt. Blitzschnell entkommt die stadtmaus in ihr versteck, während die arme landmaus gepackt wird und der katze zum lüsternen spiele dienen muss. Schliesslich aber ist ihr das geschick doch noch günstig, indem sie in eine spalte entwischen kann, wo sie bleibt, bis die katze wider ihres weges gegangen. Zur einsicht gekommen, dass ihr armseliges aber unbehelligtes leben auf dem felde doch dem luxuriösen aber so gefahrvollen aufenthalte bei der stadtmaus vorzuziehen sei, ruft sie dieser lebewol zu und kehrt in ihr altes, sicheres heim zurück. In der moralitas preist der dichter die armut als die mutter aller tugenden und weist hin auf die zufriedenheit und bedürf- misslosigkeit als die hauptfaktoren alles glückes. Quelle ist der Anonymus I, fab. 12: De mure urbano et rustico, vor dem Henrisone aber manche feine züge humo- ristischer auffassung wie trefflicher motivierung voraus hat. – Von dieser fabel existierte in England auch eine erweiterte lateinische prosafassung, die unser dichter wol gekannt hat. Sie ist abgedruckt nach dem Ms. Bib. Reg. 15. A. VII (aus dem 13. jahrhundert) in den Reliquiae Antiquae I, s. 320 und ent- hält im eingange namentlich auch die ausführung, dass sich die stadtmaus auf eine reise begibt: Movit igitur iter facili pede [vgl. Henrisone's fab. v. 176 ff: 4 Ane tyme quhen scho was full and vnfute sair etc.), während hiervon der Anonymus nichts sagt, sondern gleich beginnt: s s' - Rusticus urbanum mus murem suscipit, etc. Auch die intervention der katze scheint jener lateinischen prosa- fassung entnommen zu sein; sie findet sich weder bei Romulus noch bei Phaedrus, Anonymus, Caxton etc. Bei der schilderung des gegenseitigen mäusebesuches finden sich - noch manche reminiscenzen an Lydgate’s fünfte fabel von maus und frosch [Harl. 2251, fol. 293" ff.], wo in den ersten sechzehn strophen die bewirtung des frosches bei der 41 maus erzählt wird. Das leben bei ihr in der mühle gleicht in vielen zügen dem der landmaus in unserm gedichte. In beiden fällen ist es eine verherrlichung der bescheidenheit und zufriedenheit, durch die allein eine ruhige und sichere existenz verbürgt werde. – Wenn sich auch deckende parallel- stellen wie: . 4 ſ Lydg. 10. str. And I suppose, noman is more fre, Nor more ass wred to myn oppynioun, Than gla d pouert with small possessioun. u. Henr. v. 379 The sweitest lyfe thairfoir in this cuntrie - Is sickernes, with small possessioun; oder v. 388 Is blyithnes in hart, with small possessioun. Lydg. 11. str. “Salamon" writeth, how it is better” etc. Henr. v. 391 “And Salomon sayis, gif that thow will reid” etc. nicht gerade viele finden, so verrät doch die ganze auffassungs- weise bei unserm dichter eine gewisse beeinflussung durch Lyd- gate. Beweise für die bekanntschaft mit dessen fabeln siehe auch weiter unten bei der 10. und 12. fabel. Nachweisungen dieser fabel. Aesop, ausg. v. Furia CXXI; Babrios 2, 236; Romulus I, 12; Phaedrus (ausg. v. Burmann 1718) app. 4, 9; Remicius 4; Aphto- nius (bei Nevelet) 26: MÖGog ö tóv uvóv, tagauvöv otégyetv tä uérota; Aesop. Cor. 301: MCg ágovoalog xa äortxóg; Romu- lus Nilanti s. 9, no. 13, s. 76, no. 10; Aes. Camer. 176; Odo von Cerington, Codex Douce 88, 15; Gatos 11 (s. Ebert's Jahrb. DK, s. 121 ff.); Wright (Latin stories) I, 11 (Quomodo duo mures obviabant); Ysopet I, 12; Marie de France IX: De deus Suris, l'une borgoise et l'altre vileine; Renart le Contrefait, Rob. 1, 48; Lafontaine I, 9; Haudent (Rouen) 120; Le Noble I, 198; Brom- yard, M. 8, 31; Dialogus creatur. 112; Horaz, Satyr. 2, 6, 79 ff.; Stainhöwel I, 12: Von zwaien müsen; Caxton I, 12: The fable of the two rats; Boner, Edelstein 15 (ausg. v. Pfeiffer s. 23); Luther fab. 13; Stricker, Altd. Wälder 3, 184; Trimberg, Renner (ausg. des Hist. Ver. zu Bamberg 1833) v. 5485 ff: Von d' velt- mevse vü purkmevse; Hans Sachs II, 4, 72: Fabel der zweyer Meuss; Burkh. Waldis 1,9 (Kurz s. 26); Gerh. von Minden X (Niederd. Denkm. s. 26); Goedeke, Mittelalter 635; Kirchhof, Wendunmuth I, 62; Fischart, Flöhhatz v. 1920 ff., v. 4668 ff.; * In den lehren, für die Salomon als beleg angeführt werden soll, Weichen Lydgate und Henrisone dann wider von einander ab, 42 Abr. a S. Clara, Lauberhütt 1, 10; Bidpai 1, 124. – Th. Wyatt: “On the mean and sure estate' enthält dieselbe fabel und zwar scheint die Henrisone'sche fabel darin benutzt zu sein. III. The taill of schir Chantecleir and the Foxe, v. 397–613. Es ist die bekannte erzählung, in der ein fuchs unter falschen vorspiegelungen den mit geschlossenem auge singenden hahn berückt, ihn aber hernach durch eine gegenlist wider ein- büsst. Die verstellung des fuchses, wie das übermütige gebaren des hahnes geben den stoff zur moralitas, in welcher der dich- ter gegen falschheit und stolz zu felde zieht. – Von beson- derem reize sind in Henrisone's darstellung die charakteristik des hahnes und seiner verdienstlichen stellung (v. 495–508), ferner die überlistungsscene des fuchses, die aufregung der witwe über den raub und die jagd nach dem räuber. Da diese fabel in England schon vor Henrisone mancherlei lateinische wie englische bearbeitungen gefunden hatte, so werden viele züge bei unserm dichter auf rechnung der tra- dition zu setzen sein, ohne dass jedoch seine eigene auffassung und individuelle neugestaltung zu wenig spielraum gehabt hätten. Als eine positive vorlage ist zunächst Chaucer's “Nonne Prestes Tale' anzusehen, wofür die beiden autoren gemeinsame einführung der witwe als besitzerin des hahnes den nächst- liegenden beweis liefert. « - . Jede der beiden bearbeitungen hat sowol in bezug auf kleinmalerei wie auch humoristische gestaltung manche eigene und hübsche züge voraus, wobei unser dichter dem Chaucer in nichts nachsteht, ja durch seine kontinuität der erzählung ihn sogar vielfach übertrifft. Man vergleiche nur die vielen exkurse bei Chaucer, wie die eingehende schilderung der ver- hältnisse und des lebens der witwe, den traum. Chauntecleer's, sein treiben mit seiner buhle Pertelote etc., und man wird zu- gestehen müssen, dass dadurch die tierfabel selbst vielfach zu weit zurückgedrängt ist. – In folgendem sei nun eine er- schöpfende zusammenstellung auffälliger parallelstellen zwischen Chaucer und Henrisone gegeben: - Die citate entnehme ich der ausgabe von R. Morris für die Claren- don Press; Oxf 1877, 4 43 Ch. v. 485 – – – so loude he (the Cok) wolde crien, And stonden on his typtoon therwithal; H. v. 465 For he wald on his tais stande and craw Ch. v. 503 So was he ravyssht with his flaterie, H. v. 474 The cok, infect with wind and fals vane gloir, «. Ch. 510 This Chauntecleer stood heighe upon his toos, Strecching his nekke – – – H. 467 With that the cok, vpoun his tais hé, Kest vp his beik W Ch. 514 And by the garget hente Chaunteeleer, And on his bak toward the woode him beer. H. 480 The fox was wer and hint him be the throte; Syne to the wode but tarie with him hyit. Ch. 554 This sely wydwe, and eek hire doughtres tuo, Herden these hennes crie and maken wo, And out at dores sterten thay anoon, And seyen the fox toward the grove goon And bar upon his bak the cok away; They criden, 566 And schowtyng of the men etc. H. 483 With that pertok, sprutok and tappok cryit, The wedow hard, and with ane cry come out: Seand the cace scho sichit and gaif ane Schout; bei der gegenlist des hahnes: Ch. 587 Yet schulde I (the Cok) sayn, – – – Turnethay ein, ye proude cherles alle! H. 562 Swyith turne agane, and say that I and ye, etc. Dies sind in der tat die sämmtlichen stellen, in denen Henrisone eine annähernde übereinstimmung mit Chaucer zeigt; diese schon, wie noch vielmehr alle übrigen verse, geben ein bild, wie selbständig unser dichter den ihm vorliegenden stoff zu behandeln weiss, und wie wenig der gedanke aufkommen kann, diese Henrisonesche fabel etwa als ein plagiat aus Chaucer anzusehen. Mit einigen modifikationen findet sich diese erzählung auch in der 1481 erschienenen “Historye of Reynard the Foxe' (über- setzung Caxton's), wo sich “Syr Chaunteclere’ bei hofe über den fuchs beklagt, dass dieser ihn gefangen habe unter der vorspiegelung: »- h “that he was becomen a cloysterer or a closyd recluse, and that he wolde receyve grete penance for his synnes and wolde ete no more flesche” etc. Nur durch eine gegenlist sei es ihm dann gelungen, sich wider - aus dem maule des fuchses zu befreien. 44 Es liegt besonders in rücksicht auf die 4. und 5. fabel, die direkt nach dieser dritten entstanden, die annahme nahe, dass Henrisone bei dieser fabel schon die Caxton'sche übersetzung gekannt und durch dieselbe den anlass zu seiner eigenen ver- sion gefunden habe. Eine weitere anregung erlangte er durch jene zur beschäftigung mit dem französischen Roman du Re- nart, von dem er die 5. branche: Si coume Renart prist Chan- tecler le Coc' (Méon I, s. 49–65) mit zu dieser 3. fabel benutzte und sich ihrer geschlossenen erzählungsweise eigentlich enger anschliesst als der darstellung Chaucer's, die weder eine reine tierfabel ist noch sein soll. Auch eine anlehnung an “Renart le Contrefait' (IV° partie) scheint nicht ausgeschlossen, indem auch dort die berückung Chanteclers und seine nachherige gegenlist ganz in Henrisone- scher weise ausgeführt werden (vgl. auszüge von Robert und Legrand d'Aussy). d Nach weisungen dieser fabel oder einzelner züge. Romulus appendix 45; Extravagantes Esopi An- tiqug (s. Oesterley's ausg. von Stainhöwel's Aesop, Stuttg. 1873; s. 196): Fabula III. de vulpe et gallo; Stainhöwel's über- setzung derselben: von dem fu(s)chs und dem han (bei Oester- ley ebendaselbst) und die lat. fassung bei Grimm, R. F. s. 421); Speculum Sapientiae Beati Cirilli Episcopi, alias Qua- dripartitus apologeticus vocatus, cap. 15: Contra tumentes ex Scientia: De gallo et vulpe (siehe Grässe, die beiden ältesten Fabelbücher des Mittelalters, Bibl. des Liter. Ver. in Stuttgart. CXLIII, Tübingen 1880). «. Odo von Cerington (s. Voigt, Kl. lat. Denkm. der Tier- sage s. 120). a Heinrich der Glichesäre, Reinhart v. 11–176 (siehe Grimm, R. F. s. 25 ff). Im Isengrimus findet sich die fabel nicht; wol aber v. 539–40 eine ähnliche charakterisierung des hahnes wie bei unserem dichter. Dasselbe gilt von einem alten lat. gedicht: Versus de Gallo (Grimm, R. F. s. 420), wo es im eingang heisst: - * Schon bei ihm heisst der hahn chantecler”; indem er aber hinzu- setzt: “i. e. gallus qui est capellanus bestiarum', scheinen wir ihn da- Ä Ä ertappen, wie er jenen namen in die englische tiersage ver- pflanzte, 45 Dicta vocatur avis proprio cognomine gallus, Nuntiat haec lucem, terrarum decutit umbras, Tempora discernit etc. vgl. Henrisone v. 498 ff.; Chaucer, N. Pr. T. v. 33 ff. Die ganze fabel findet sich auch in der 6. erzählung des Reinardus, wo der fuchs den schon einmal entwichenen hahn wider in einer scheune aufspürt und ihn dann, als er mit geschlossenem auge singt, entführt aber durch gegenlist ebenfalls wider einbüsst. Darin auch ähnliche beschreibung des hahnes: 4 v. 539 custos horarum gallus Sprotinus et index et lune et Phebi tempora queque canit. – Roman du Renart, 11. branche, v. 5438–45 enthält bei ähnlicher entwicklung der erzählung dieselbe gegenlist, den fuchs zum öffnen des mundes zu bewegen; die 20. branche von v. 9970 ab (Méon II, s. 13) erzählt die klage des hahnes bei hofe und gibt die kurze geschichte der berückung. - Marie de France, fab. LI: Dou Coc et dou Werpil (ohne einfluss auf Henrisone). »- Auch die altenglische fabel “The Vox and the Wolf" enthält v. 1–64 einige züge unserer erzählung; doch versucht dort der fuchs vergeblich den Sire chauntecler" in seine schlingen zu locken. Charakteristisch ist darin die wol dort zum ersten male in einer englischen fabel erwähnte herrschaft des hahnes über eine gewisse anzahl hennen: - v. 28 Hennen weren therinne i-crope Five, that maketh anne flok, And mid hem sat on kok. vgl. Henrisone v. 414: – of hennis scho (the wedow) had ane litill flok, And thame to keip scho had ane jolie cok. Caxton fol. LXXIX: The fable of the foxe and of the Cocke. Da diese bei Caxton als Aesopische fabel aufgeführt wird, Henrisone sie aber nicht als solche kennt, so muss er sie vor dem erscheinen jener sammlung (1484) geschrieben haben. – Dryden bearbeitete dieselbe fabel nach Chaucer's Nonne Prestes Tale'. z -) Siehe Mätzner, Sprachpr. s. 132 ff.; Rel. Ant. II, s. 272 ff.; Wright, Lat. Stories S. XVI. ff. «- 46 Iv. The tain, how this foirsad Tod maid his confessioun to freir Wolf Waitskaith, v. 614–795. Diese erzählung soll, wie Henrisone im eingange selbst sagt, die fortsetzung zur vorigen bilden. Der fuchs, der den hahn wider eingebüsst hat, bereut seine sünden und will sein gewissen durch beichte und busse erleichtern; da trifft er im walde den wolf wegelagerer, der bereits wegen seiner gelehr- samkeit zum doctour of diuinitie’ creiert worden ist und der eben, am rosenkranze seine pater noster' abbetend, vom kloster kommt. Vor diesem wirft er sich demütig auf die knie und empfängt denn auch bald, nachdem er seine sünden gebeichtet, absolution, muss aber das gelübde tun, bis ostern die gewohnte hühner- und sonstige verbotene fleischspeise zu meiden. Er schwört hoch und teuer, das gelübde halten zu wollen und wird, getröstet für seine schandtaten, vom wolfsmönch ent- lassen. Um sich fische als fastenspeise zu fangen geht er ans gestade, wo ihm jedoch die tosenden fluten wie der mangel an netzen und lockspeise gar bald den gefassten entschluss ver- leiden. Während er nun vor hunger schmachtend rastlos um sich schaut, gewahrt er eine herde ziegen, eilt ohne lange über- legung darauf zu und raubt sich ein zartes böckchen. Doch plötzlich denkt er an sein gelübde, – weiss sich indess sofort zu helfen, schleppt die beute an die see und tauft das böck- chen, indem er es mit den naiven worten: “Ga doun, schir“ Kid", cum vp schir “Salmond" agane' ins wasser taucht, in einen lachs, also in eine erlaubte fasten- speise um. Nachdem er diese reinen gewissens verzehrt hat, legt er sich, um seinen leib zu sonnen, unter einen strauch und schläft ein, wird aber bald von dem bestohlenen hirten ausfindig gemacht und mit einem pfeile erschossen. Die moralitas ist von allgemein religiöser tendenz: es solle jedermann sein gewissen rein halten, um bei so plötzlichem tode, wie ihn der fuchs gefunden, nicht mit sünden beladen in jene welt einzugehen. Quellen. Wie die entlehnung der eigentümlichen be- zeichnung für den wolf als “Freir Waits kaith' aus Caxton's Historye of Reynard the Foxe' beweist, hat Henrisone bei abfassung seiner fabel Caxton's werk schon gekannt. Unsere erzählung selbst findet sich zwar nur im Romulus app. 28 47 wider; da aber unser dichter letzteren nicht gekannt haben konnte (s. o.), und bei ihm auch subjektsmodifikation und manche andere abweichungen sich finden, so ist wol als sicher anzunehmen, dass Henrisone jene erzählung vom pseudolachs- mahl, die den mittelpunkt der ganzen fabel ausmacht, auf dem wege der tradition überkommen hatte. Diese verflocht er zu einer durchaus selbständigen und höchst anmutigen dichtung, aus der ich nun die einzelnen züge hervorheben will, die er aus dem Reinhartscyklus, sei es auf direktem oder traditio- nellem wege entlehnte: Die begegnung des fuchses mit dem wolfe findet sich in der zweiten erzählung des Reinardus, wo umgekehrt Reinard dem Isengrim rät, die sündige fleischspeise zu meiden und sich an die erlaubten fische zu halten. Dort reiht sich dann der fischfang im eise an, während bei Henri- sone das zurückfallen ins alte räuberleben folgt. Im Reinardus zeigt sich auch schon die neigung der mittelalterlichen dich- ter, die tiere aus astronomischen betrachtungen auf ihr bevor- stehendes schicksal schliessen zu lassen; vgl. Reinardus v. 5–6: Quin morbi rabiem sors tempestatis alebat, Cum traheret Cancri Phebus in arce rotam. und Henrisone v. 644: d The moving of the heuin this Tod can tak, Quhat influence and constellatioun Was like to fall vpoun the eirth adoun. »- Auch in dem erwarten der sternhellen nacht (Henr. v. 621–627) macht sich ein alter eigentümlicher zug der tierfabel geltend; von direktem einflusse war auf diese stelle King's Quair II, 53 ff.: “The long day thus gan I prye and poure, Till Phebus endit had his bemes brycht, And bad go farewele every lef and floure, This is to say, approch gan the nycht, & And Esperus his lampis gan to light'. vgl. hierzu Henrisone v. 621 ff.: *--. “Quhill that Tethys, the goddes of the flude, Phebus had callit to the harberie, And Hesperous put up his cluddie hude’, etc. vgl. auch Chaucer, The Frankelynes Tale 288 ff. Die beichte des fuchses vor dem wolfe findet sich mit manchen ähnlichen zügen im Poenitentiarius?: ! Im Romulus beichtet umgekehrt der wolf dem fuchse. * Grimm, R. Fuchs s. 397 ff. v. 12 Et prostratus humi flens parat ista loqui: (confessio lupi:) « ,Sum fur, sum praedo, sum sine fronte latro, Semper in insidiis sum, semper vivo rapinis, vgl. Henrisone: 671 On kneis fell etc. 686 “Of reif and stouth, schir, I can tell aneuch, That causis me full sair for to repent, etc. vgl. auch Lupus Monachus (Grimm, R. F. s. 416 ff): v. 6 ff. – – – ante pedesque cadit: “Me peccatorem, pater optime, propter amOrem Suscipe, queso? etc. Sunt infinita mea crimina etc. – - Die tötung des fuchses durch pfeilschuss (Henr. v. 765 ff) ist ein seltener zug, findet sich aber auch in einer ehstnischen fabel “hunt ja rebbane' (wolf und fuchs), wo die bauersleute mit pfeilen nach dem wolfe schiessen (Grimm, R. F. CCLXXXV). Eine unserer fabel ähnliche erzählung gibt Kirchhof in seinem Wendunmuth | I, 66: “Ein fuchss verlobt hühner zu essen“, wo der fuchs einem pfarrherrn beichtet, absolution er- hält, bald aber sein gelübde übertritt. – Ebenso findet sich diese erzählung bei Abraham a S. Clara, Lauberhütt 2, 204 (ausgabe von 1721–23,4%). Nicht zu finden ist diese fabel beim Anonymus (ebenso- wenig bei Stainhöwel oder in Caxton's fabelsammlung von 1484); weshalb unser dichter dieselbe auch nicht für eine Aesopische hält und demgemäss darin unterlässt, wie sonst stets bei be- . nutzung der distichen, auf seine vorlage hinzuweisen; ein zeichen mehr dafür, dass er keine direkte Vorlage hatte, son- dern grösstenteils aus der tradition schöpfte. W. The taill of the sone and air of the foirsaid fox, callit father Wer: Alswa the parliament of fourfuttit beistis haldin be the Lyoun, v. 796–1145. Diese erzählung behandelt, an die vorige anknüpfend, das Schicksal vom fuchse junior, der in rücksicht auf das anzu- tretende erbe über seines Vaters tod hoch erfreut ist. Dessen leichnam wirft er in eine wassergrube, “and to the deuill he gaif his banis to keip'. Weiter gehend sieht er das einhorn, Ausgabe von Osterley, Tüb. 1869, 1. bd., s. 82. 49 das als herold des königs auf dessen befehl ein allgemeines parlament einberuft. Alle tiere versammeln sich, der könig nimmt die huldigung entgegen und gebietet zunächst auf zwanzig meilen im umkreise allgemeinen landfrieden. Bei der nun folgen- den eröffnung der verhandlungen, die den fuchs wegen seiner begangenen untaten in nicht geringe verlegenheit versetzen und ihn zu allerlei possierlichen zügen veranlassen, wird zunächst das fehlen der stute konstatiert. Der könig beschliesst, diese durch sendboten citieren zu lassen und ernennt hierzu den fuchs, der sich dieser ominösen mission jedoch durch vor- schützen von lahm- und blindsein zu entziehen sucht und den in allen wissenszweigen so gut beratenen wolf vorschlägt; dieser eigene sich weit besser zur “ambassatry'. Ohne die einwendungen des fuchses weiter zu prüfen, schickt der er- zürnte könig beide spiessgesellen ab und “ouer ron and rute thay ran togidder raith'. Bei der stute angekommen, fordern sie dieselbe auf, sich sofort mit an den hof zu begeben, widrigenfalls sie kontumaziert würde. Diese jedoch verfällt sofort auf eine list und gibt vor, durch ein privilegialschreiben auf ein jahr vom besuche des parlamentes dispensiert zu sein; das schreiben berge sie unter dem hufe, und wenn sie wünschten, so möchten sie sich davon überzeugen. Der fuchs, den dolus ahnend, gibt vor nicht lesen zu können, und indem er dem wolfe mit seiner grossen praxis “of the chancellarie" und seiner sonstigen gelehrten bildung schmeichelt, vermag er diesen, die prüfung der dispensations- urkunde vorzunehmen. Doch kaum hat dieser sich würde- voll gebückt, als ihm die stute mit dem hufe fast den kopf zerschlägt, um hierauf auch dem fuchse die gefährliche lektüre - anzubieten. Doch dieser verzichtet, eingedenk der worte: “Felix quem faciunt aliena pericula cautum'. Um nun dem armen Wolfe das blut abzuwaschen und seine schmerzen durch einen trunk zu lindern, geht er aus, wasser zu suchen. Unter- wegs stösst er auf eine heerde lämmer, von denen er natür- lich trotz des ausgeschriebenen landfriedens nicht umhinkann, sich das feisteste zum frasse auszuwählen, um erst nach dieser weiteren schandtat zum wolfe zurückzukehren. Beide ziehen nun unverrichteter sache an den hof zurück, wo der wolf noch wegen seiner blutigroten kappe', durch die ihn die stute zum “doctour of diuinitie’ gestempelt habe, herzlich ver- 4 50 spottet wird, besonders nach der schalkhaften erklärung des fuchses: - M. 1060 “Becaus he red hir respite plane and weill, Yone reid bonat scho racht him with hir heill'. » Während noch das ganze parlament sich ausgelassener freude über die schalkhaftigkeit des fuchses hingibt, und dieser seines triumphes geniesst, tritt plötzlich das mutterschaf in die schranken, um mit herzzerreissender klage den fuchs, this harlet huresoun and this hound of hell' wegen des begangenen raubes beim könige anzuschuldigen. Da diese schandtat des fuchses durch seine noch blutige schnauze und die wollspuren in seinen zähnen bald zur evidenz erwiesen ist, wird er wegen landfriedenbruchs zum tode am galgen verurteilt. Die voll- streckung wird, nachdem er entkleidet und ihm durch den wolf die beichte abgenommen ist, sofort durch den affen als henker vollzogen. - Die moralitas enthält eine hübsche allegorische auslegung der eigenschaften, welche die an der handlung beteiligten tiere im verlaufe der erzählung zeigen. «. Eine direkte vorlage mit demselben gange der handlung hatte Henrisone auch zu dieser fabel nicht; es ist vielmehr eine originelle kompilation von verschiedenen zügen sowol aus der Aesopischen fabel wie dem fuchsepos. – Unser dichter erwähnt auch nichts von einer vorlage, doch können die verse 1100 ff: u ". “Sad sentence men may seik, and efter fyne, As dailie dois the doctouris of deuyne, That to oure leuing full weill can apply And paynt thair mater furth be poetry', - . leicht, dahin gedeutet werden, dass damals die tiersage in Schottland, wie etwa die fabeln in den Gesta Romanorum' oder in Bromyards “Summa Praedicantium' etc., durch geistliche viel zur illustration ihrer moralpredigten ausgebeutet wurde, und dass wol auch Henrisone einige züge zu dieser 5. fabel auf diesem wege der mündlichen überlieferung überkommen hatte. – Wie aus reminiscenzen an Caxton's Historye of Reynard the Foxe erhellt, ist die fabel erst nach dessen er- scheinen, also nach 1481 verfasst. (Weiteres siehe unter datierung). «. »- 51 Nachweisung der einzelnen züge und deren eventuelle benutzung. Der Aesopischen fabel sind, anscheinend erst durch ver- mittlung der fuchsepen entnommen: die list der stute mit dem hufe und der lämmerdiebstahl des fuchses. Letzterer ist ein allgemeiner und häufig benutzter zug; ersterer findet sich in den Extrav. Esopi: Fabula prima de mulo, vulpe et lupo, wie in den darauf beruhenden übersetzungen bei Stainhöwel.: mul, fuchs und wolff, und bei Caxton (1484): mulet, foxe and wulf. Ueberall ist aber statt von einer urkunde nur vom namen des pferdes die rede, der jenem auf dem hinterfusse geschrieben stehe; zur entzifferung desselben holt auch dort der fuchs den gelehrten wolf herbei, dem bei der lektüre der kopf zerschlagen wird. In ähnlicher weise findet sich die ganze episode aus- geführt in Caxton's Hist, of Reynard the Foxe, kap. 27, der unser dichter auch im wesentlichen folgt, besonders bei der charakte- ristik von der gelehrsamkeit des wolfes. Ganz evident ist die benutzung Caxton's am schlusse jenes kapitels, wo es heisst: “Now I (the foxe) here wel, it is treue, that I long syth haue redde and herde, that the beste clerkes ben not the wyse st men”. vgl. hierzu Henrisone v. 1063: - This taillis trew, quha tent wnto it takis: “The grittest clerkis ar not the wysest men”. Man vergleiche ferner das banausische prahlen des wolfes mit seiner vorzüglichen schulbildung; Caxton, ebendaselbst: “I can wel Frensche, Latyn, Englyssh and Duche; I haue goon to scole at Oxenford. I haue also wyth olde and auncyent doctours ben in the audyence, and herde plees, and also haue gyuen sentence. I am lycensyd in bothe lawes; what maner wrytyng that ony man can deuyse, I can rede it as perfyghtly as my name" etc. » vgl. Henr. v. 997/8, 1011 ff., 1060, wo der fuchs mit feiner ironie ähnliches über den betörten wolf sagt. Weiter zu belegen ist diese episode im flandr. Reinaert, v. 4011 ff. (ausg. von Willems, s. 159), im Reinke de Vos II, 6 (ausg. von Lübben s. 125), bei Göthe, R. F.8; etwas modifiziert in der 17. branche des Roman du Renart (De la Jument et de Ysangrin, Méon v. 7521–7610), indem die stute vorgibt, einen dorn im fusse zu haben, den ihr Ysangrin heraus- ziehen soll. - - - - - S. ausgabe von Osterley s. 192. 4* v « - - – - - . . " - « " 52 - ... sº - O . Schon frühe scheint sich im Englischen an die person des wolfes, die vorstellung von seiner kappe oder krone geknüpft zu haben, die er vom pferde als “doctorhut aufgesetzt erhal- ten hat. So heisst es z. b. in einer politisch-satirischen fabel! des 14. jahrhunderts: - «- The voxe hird amang al menne, And told the wolf with the brode crune – - Dieser auch bei Henrisone sich widerholt findende zug ist rein epischen ursprunges, da er aus der feindschaft von fuchs und wolf hervorgegangen ist. Er findet sich schon im Rei- nardus, im Reinaert, ferner auch in Caxton's Reynard, aus dem ihn jedenfalls Henrisone entlehnte. In kapitel XV sagt dort Isengrim zum Sir Bruyn (bei illustrierung von des fuchses schändlichkeit): “Thynke now on your rede crowne whiche by Reynarts mene ye caughte' etc. – *- m Aus kap. XVII, wo der fuchs erzählt: “And I, poure Reynart, I haue buryed myn owen fader” empfing unser dichter eine weitere anregung, indem er auf jene einfachen worte hin seine trefflich gelungene und humo- ristische einleitung zu dieser 5. fabel gründet, mit der er an die vorhergehende anknüpfend, die beerdigung des alten fuchses durch dessen sohn schildert. » Die verurteilung des fuchses zum galgentod lehnt sich an Caxton's Historye of Reynard, kap. 14: How the Foxe was arested and judged to deth, und kap. 15: How he was ledde to the galewis, die unser dichter jedoch mit vollständiger wah- rung seiner eigenen originalität in seine erzählung verwebt. In seiner humoristischen auffassung steht er dem Roman du Renart näher, wo sich diese verurteilung in der 16. branche, v. 11085 ff findet (Méon II, s. 57; Martin s. 38); auch im fland- rischen Reinaert, wie im niederdeutschen Reinke de Vos ist diese episode enthalten, doch wird in allen diesen dar- stellungen, abweichend von Henrisone, der fuchs auf eine neue list hin freigesprochen, die er mit seiner beichte einzu- leiten weiss. Diese erweiterung musste unser dichter natur- gemäss fallen lassen, da sie ihn genötigt haben würde, die einheit seiner fabel aufzugeben. - . * Abgedr. nach Harl. 913 von Thoms in seiner einleitung zu Reynard the Foxe, s. LXXIV ff. (Percy Soc.). L. z. . . 53 Der klage des hahnes bei Caxton, kap. V – im Reinke de Vos I, 3. kap.; Reinaert v. 283 ff. (ausg. v. Willems), Roman du Renart, 20. branche, ebenso Reinhart v. 1461 ff. (Grimm, R. F. s. 76) – entspricht bei unserm dichter die klage des mutterschafes. . Einer der auffälligsten züge und ganz dem fuchsepos ent- nommen, ist die entbietung des hofes, die sich bei Caxton, kap. I findet. Sie ist schon dem Reinhart von Heinrich dem Glichesäre eigen, vgl. v. 1321 ff.: «- Einen hof geböt er zehant, die boten wurden gesant witen in das riche. * » vgl. Reinaert, eerst boek v. 44–45 (Willems s. 3): * Nobel die cominc hadde gedaen Sijn hof craieren over al Reinke de Vos, 1. kap. v. 9 ff.: A - Nobel, de konnink van allen deren, hèlt hof, unde lêt den ütkreieren * * sin lant dorch overal. - « Mehr als in den angeführten citaten ist in keiner fuchs- bearbeitung über die art und weise der einberufung des hofes gesagt, doch führt sie unser dichter in ganz selbständiger be- handlungweise dahin aus, dass das einhorn als herold durchs land zieht, mit dem hüfthorn die tiere um sich sammelt und ihnen dann das feierliche edikt des königs verliest (v.855–865). Auffällig -und von grosser bedeutung für die quellen- forschung ist bei Henrisone die verkündigung eines allgemeinen landfriedens, die sich weder im Roman du Renart, noch im Reinaert, bei Caxton oder im Reinke findet, wol aber im Reinhart erwähnt ist, v. 1239 ff. (Grimm, R. F. s. 69): - Diz geschach in eime lantyride, »- den hät geboten bi der wide ein lewe, etc. »- « 4 * Somit muss also unser dichter diesen zug aufgrund des “Reinhart' oder, was wahrscheinlicher ist, aufgrund einer älteren französischen quelle, die wol auch jenem vorlag, über- kommen haben. : " Dafür, dass das fuchsepos schon lange vor Caxton eingang in England gefunden hatte, spricht übrigens auch die verwendung epischer tiernamen bei Odo von Cerington und in einzelnen altengl. fabeln. # Ebenfalls nicht auf Caxton's Reynard oder die flandrische bearbeitung, sondern auf französischen oder deutschen einfluss ist das absenden von botschaftern an ein bei hofe fehlendes tier . (bei Henr. an die stute) zurückzuführen, was sich nur im Reinhart und in der 20. wie 26. branche des Roman du Renart widerfindet. . . Durch diese letzten beiden umstände ist nun aber gleich- zeitig erwiesen, dass Henrisone seine beschäftigung mit den fuchssagen, eben jedenfalls angeregt durch Caxton's Hist, of Reynard, weiter ausgedehnt hatte. Dies erhellt auch ganz beson- ders noch durch folgendes: In seiner aufzählung der tiere, die bei hofe erscheinen, folgt er nicht der Caxton'schen redaktion, wo wie in der flandrischen und niederdeutschen nur gesagt ist, “dass da alle die grossen und kleinen tiere zusammenkamen, sondern dem Couronnemens Renart” (Méon IV, 1 ff.). Wenn auch dort die fabel einen abweichenden charakter trägt, so ist es geradezu überraschend, wie viele tiernamen er in seiner 5. fabel v. 887–921 aus jenem epos v. 1720–1825 entlehnte. Zumeist stimmen sogar die den tieren beigelegten attribute in beiden aufzählungen überein. Von den zahlreichen beispielen will ich hier nur einige recht charakteristische her- vorheben. Cour. Renart v. 1708: » - – – – II (yon) assembla Tous les barons qui Prince furent, Des biestes qui quatre piés urent; - Diese französischen verse enthalten eine unabweisbare coinci- denz mit Henrisone's überschrift dieser fabel: “The Parliament of fourfuttit Beistis'; oder Henr. v. 881: – – – all fourfuttit beistison eird, As thay commandit war withoutin moir, Befoir the lord,the lioun thay appeirit. » *. «s“ - Besonders bezeichnend ist auch die entlehnung von mythi- schen tiernamen, vgl. « » Cour. Ren. 1798 Pegasus pilosus (?) en l’er, Henr. 889 – – – and the Pegase perillous (!) Transformit be assent of sorcerie oder Cour. R. 1781 Mancitora(?) Henr. 887 minotaur. Cour. R. 1752 glis et gali, Henr. 898 The jolie, gillet Cour. R. 1806/7 Tygris, si je dire le voir D'orguel passoit tous le plus fors, Henr. 891 – the tiger full of tiranie. - 55 Cour. R. 1788 Mus et earum genera »- . « Ravoient le camp empli # Henr. 918 – the litill mous with all hir micht etc. etc. . . . -- Da sich im Cour. Renart sehr viele entstellte und willkür- liche namensbildungen finden, die wie jetzt, wol auch schon dem Henrisone unverständlich blieben, so sagt er denn, nach- dem er sich die bekanntesten herausgesucht oder manche andere sich selbst zurechtgelegt hat: “And mony kynd of beistis, I couth, not knaw'. – Zu einer so detaillierten aufzählung der tiere empfing unser dichter die anregung aus Chaucer's Assembly of Foules' und Jakob's King's Quair V., die er beide vor sich hatte. Da in der Assembly of Foules nur wenige vierfüssige tiere sich er- wähnt finden, so konnte die benutzung für seine aufzählung nur eine minimale sein: »- Ass. of F. 194 And further abouten I gan espye »- M. The dredful roo, the buk, the hert, the hynde Henr. 900 The da, the ra, the hornit hart, the hyn d. Ganz frappant aber ist der einfluss, den auch King's Quair bei der aufzählung der tiere auf unsern dichter ausübte; fast zeile für zeile folgt er jener dichtung und nennt beinahe jedes tier, das er dort angeführt findet; – doch ist bei alledem die benutzung vom Cour. Renart keinen augenblick in zweifel zu ziehen, da könig Jakob viele tiere nicht anführt, die Henrisone aus jenem französischen epos entlehnte. So findet sich von den oben genannten, so charakteristischen tiernamen nicht ein ein- ziger gleichzeitig auch im King's Quair wider. In folgendem seien die parallelstellen mit letzterem hervorgehoben: K. Q. V, 3 And also, as it come vnto my mynd, » w Of bestis sawe I mony diuerse kynd. Henr. 885 I sall reheirs ane part of euerie kynd, Als fer as now occurris to my mynd. K. Q. V. 4. str. The pantere like vnto the smaragdyne, J The percyng lynx, the lufare vnicorn. l K. Q. V. 5. str. The fere tigere full of felony, i- Henr. 896 The peyntit pantheir, and the vnicorne, 891 The linx, the tiger full of tiranie.” K. Q. V. 4. str. The nyce ape, the werely porpapyne (?) Henr. 904 – – – aip and pennit porcupyne a-ma-ma-a-º.-º.-º-samá-a-ma-a-º. Für das attribut des tigers hatte Henrisone die wahl zwischen dem Cour. Ren. v. 1807 “orgueil’ (s. o.) und Jakob's “felony'; man sieht, . wie hier unser dichter den sinn beider im worte “tiranie’ zu vereinigen suchte. «. ( Q. v. 5. Str. Henr. 892 The dromydar, the stander oliphant, The elephant, and eik the dromedarie; K. Q. V. 5. str. The clymbare gayte, the elk for alb Iastrye (?) Henr. 905 The gukit gait, – – – 1 888 Bellerophant, that beist of bastardrie, ( K. Q. V. 5.str. The herknere bore, - " _ : The haire also, that oft gooth to the hortis, 6.str. The bugill – – – «m . Henr. 901 The bull, the beir, the bugill, and the bair 903 – – – and the hirpilland hair, ſ K. Q. V. 6. str. The martrik sable, – – – Henr. 913 The mertrik, ſ K. Q. V. 6. str. The riall hert, the conyng and the ro, * Henr. 900 und Chaucer's Assembly of Foules’ s. o.” ( K. Q. V. 6. str. The wolf, that of the murthir not say ho, For chamelot, the camel full of hare, Henr. 889 The war wolf – – – 893 The cameill with his cran nek etc. ... K. Q. V. 7.str. With many ane othir beste diverse and strange, «-- | : That cummyth not as now vnto my mynd. Henr. 920 oder 886 And mony kynd of beistis, I couth not knaw, Als fer as now occurris to my mynd. VI. The taill of the Scheip and the Dog, V. 1146–1320. Es ist die bekannte Aesopische fabel vom hund und schaf, in der letzteres, wegen einer brotschuld angeklagt, vor gericht geladen und durch die aussagen falscher zeugen verurteilt wird. Indem Henrisone die ganze fabel in eine satire gegen die geist- lichen gerichtshöfe umwandelt, gibt er ihr ein durchaus selbstän- diges und individuelles gepräge. Für damalige zeitumstände ist sie von grösster kulturhistorischer bedeutung? (bes. v. 1302–20) und dürfte wol gerade für die kenntniss der altschottischen gerichtspflege manchen anhalt bieten, der aus anderen schrift- stücken jener zeit nicht mehr zu gewinnen ist. Die vorlädung geht mit den damaligen üblichen formeln unter dem namen des wolfes, vor dem auch die klage gegen das schaf zu rechtswidriger zeit (vgl. v. 1173 und 1199–1201) Siehe auch Anglia III, s.254, wo Wood diese stelle herbeizieht, um Ch.'s einfluss auf James nachzuweisen. »- * Sie ist wol auch nicht von geringem einfluss auf Dunbar's “General Satire” geblieben, wo u. a. in ähnlicher weise wie bei Henrisone die un- gerechtigkeit in äer handhabung der gesetze, die unzulänglichkeit in der Organisation des gerichtswesens etc. gegeisselt werden. und unter hinzuziehung von bestochenen anwälten, assisen etc. -verhandelt werden soll. Das arme schaf, welches den ge- sammten gerichtshof a priori wider sich hat, protestiert gegen zeit und ort, besonders aber gegen den wolf als richter, da dieser ein ausgesprochener feind seines ganzen geschlechtes sei. Um den äusseren schein zu wahren, lässt der wolf dem ursus gemäss zwei schiedsrichter (arbeteris) wählen, die nach scheinbar eifrigster konsultierung der digesten und codices die einwände des schafes verwerfen und somit dessen Ver- urteilung herbeiführen. Bei strafe des interdikts soll es nun baarzahlung leisten, weshalb es sich genötigt sieht, trotz der grimmigen winterkälte seinen pelz zu veräussern und den erlös dafür an den hund abzuliefern. »- Quelle sind die distichen des Anonymus I, 4: De cane petente panem oui, die er auch hier wider dem Esope' selbst zuschreibt (v. 1146). Die behandlung ist ebenso wie bei den anderen ihm entlehnten fabeln in auffassung wie motivierung eine durchweg freie und originelle. Etwas engere anlehnung findet sich an den Anonymus v. 3: --- - Pro cane stat miluus, stat uultur, stat lupus – vgl. Henr. 1175 The gled, the grape at the bar couth stand, 1150 Ane fraudfull wolf wes juge – – – m «. Anon. 7 Ergo suum, licet in stethyems, preuendit amictum, * - - Et boream patitur vellere nuda suo. Henr. 1254 And sauld the woll, he bure vpoun his bak; 1257 Naikit and bair syne to the feild couth pas. 1288 Quhen borias, with blastis bitterlie, etc. Gegen die benutzung des Phaedrus, worüber schon oben s. 3 eingehenderes gesagt wurde, spricht in dieser fabel Phae- drus I, 17, v. 4: « Lupus citatus testis non unum modo (panem) Deberi dixit, verum affirmavit decem, - « während beim Anonymus wie bei Henrisone das schaf nur ein brot schuldet; ferner Phaedrus v. 7: - – – – Post paucos dies Bidensjacentem in fovea conspexit lupum, während bei Henrisone und dem Anonymus von einem solchen weiteren schicksale des wolfes nicht die rede ist. * Durch seine einteilung der digesten in neue und alte (v. 1217) zeigt Henrisone seine berufsmässige kenntniss der rechtswissenschaft, indem er an dieser stelle die von Bulgarus im 12. jahrhundert eingeführte teilung - in “digestum vetus', “dig. infortiatum” und “dig. novum’ unterscheidet. 58 »- - - à. Dieselbe fabel hat auch Lydgate in 32 Chaucerstrophen behandelt; sie findet sich als “III. fabul of Isopos’ in dem vor- erwähnten Harl. Ms. fol. 288" ff. Ihrer ausführung gegenüber hat Henrisone den grossen vorzug der exaktheit und kontinuität, bei denen er breitspurige exkurse meidet, die bei Lydgate ohne direkten bezug auf die fabel selbst den grössten teil der er- zählung ausmachen. Während Lydgates tendenz nur auf die geisselung der jurrours' gerichtet ist und es ihm dabei durch- weg an feiner ironie wie zündendem sarkasmus gebricht, ent- rollt uns Henrisone bei interessanter detailschilderung ein leb- haftes bild vom zeitgemässen stande der gesammten rechts- pflege und weiss dies im vollbesitze jener dem Lygate mangeln- den vorzüge in eine so trefflich motivierte satire zu kleiden, dass jenes erzählung dagegen wirkungslos zurücksteht. Trotz- dem aber, dass beide dichter in vielen einzelzügen von ein- ander abweichen, ist doch der einfluss. Lydgate's auf Henri- sone ganz unverkennbar, und insofern als erweiterungen der bereits genannten lateinischen vorlage in-betracht kommen, verdient die Lydgate'sche fabel mit recht auch neben jener als wesentliche quelle genannt zu werden. Direkte anlehnung findet sich: . »- »- Lydg. 2. str. Tobien forsworn, vpon a booke for mede, 8 Of conscience they take so litel hede, 14. str. Thus al thre were false be oon ass ent, The hound, the wolf and the cursid kyte, Henr. 1203 He (the judge) bad the parteischeis, with ane assent. 1241 This cursit court, corruptit all for meid, Aganis gude faith, law, and eik conscience, For this fals dog promuncit the sentence. . 1180 Thocht it was fals, thay had na conscience. Lydg. 3. str. Agenst a sheepe, symple, and innocence, Whiche stoode alone, voyde of al refuge, - Constrayned bi force to apper aforn the juge. 4. str Agenst the sheepe, quakyng in his drede, M - Withouten support of any proc tour, »- This ravenous hound thus wrongelygan pro- z - cede, Henr. 1230 The scheip agane before the wolf der einyeit, «- But a duo cat abasitlie couth stand. Vp rais the dog, and on the scheip thus pleinyeit, 1185 Of his awin heid, but aduo cate alkone, . The scheip auisitlie gaif answer in the cace. Lydg. 7. Str. For other annswer plainly cowde he (sheepe) none. “. 59 - zu Henr. 1231 – – – abasitlie couth stand (s. o.) vgl. noch Lydg. 6.str. The sely sheepe – stoode abasshed. Lydg. 14. str. The sheepe, allas, though he were innocent, By doome compelled, - - A Henr. 1248 Of this sentence, allace, quhat sall I say, - Quhilk dampnit hes the silie innocent, Lydg. 13.str. The sheepe condempned, – – – »- Da ich hiermit die parallelstellen nahezu erschöpft habe, diese aber die vorlage der Lydgate'schen fabel ausser zweifel stellen, so wird man doch in bezug auf sprache und ausdrucks- weise die selbständigkeit Henrisone's nicht leicht verkennen können, mit der er jener über zweihundert verse zählenden dichtung folgt. - Bei der remonstration des schafes vor gericht, Henr. 1187: “Heir I decline the juge, the tyme, the place, ist eine anlehnung an könig Jakob's stil zu konstatieren; vgl. King's Quair IV, 9; “The place, the houre, the maner, and the wise, Gife mercy sall admitten thy servise'. Nachweisungen der fabel. Aesop, Camerarius, Lips. 1570, no. 172; Phädrus I, 17, Ro- mulus I, 4: Ovis, canis, lupus, milvus et accipiter. Wright, Lat. Sories 4: De Cane et ove; Ysopet 1,4; 2, 14 (Robert 2, 449); Marie de France IV: Dou Chien é d'une Berbis; Stainhöwel I,4 (hund und schauff); Caxton's fabelsammlung I, 4 (dogge and sheep); Boner 7 (ausg. v. Pfeiffer s. 12); B. Waldis I, 48 (Kurz, Deutsche Bibl. 1 s. 84); Luther 5, 405, b: Hund und Schaaf; Grimm, R. F. s. 345: Der wolf ein geziuc; Gerhard von Minden IV. (Niederd. Denkm. 2, s. 8); Wolgemuth 84. VII. The taill of the Lyoun and the Mous. «. A. Prolog, v. 1321–1404. - An einem herrlichen Junimorgen macht der dichter einen spaziergang, legt sich mitten ins blumengefilde unter einen hagedorn und schläft ein. Da erscheint ihm im traume the fairest man, Esope' in seiner tracht als poeta laureatus, der ihm auf seine bitte die fabel vom löwen und der maus erzählt, – . - v 60 d « – B. The taiI1, v. 1405–1621. z Es ist die bekannte fabel, in der eine vom löwen gefangene und grossmütig wider freigegebene maus jenen später aus einem netze befreit. Die hier dem Aesop in den mund gelegte er- zählung ist reich an dramatischem leben; so ruft die dankbare maus zur befreiung des löwen all ihre spielgefährten herbei: “Cum help, cum help", and thay come all in hy', »- die sich auch bereitwilligst an die lösung der netze machen: 1562 “Befoir, behind, sum gaid about, sum vnder” etc.; man vergleiche auch die treffliche verteidigungsrede der maus, v. 1431 ff, und den sich daran knüpfenden schwungvollen dialog. In der moralitas vergleicht der dichter den löwen mit einem potentaten, der sich die grossmut des tierkönigs zum muster nehmen könne; die mäuse, als die repräsentanten des volkes, bewahren die oft verkannte volkstreue; die männer, in deren stricke der löwe gefallen, sind die aufwiegler, die das gemeinwol untergraben und selbst gegen den könig ihre verräterischen netze auswerfen. Somit zeigt diese nutzan- wendung die deutliche tendenz, das gute verhältniss zwischen bevölkerung und landesherrn zu heben und den könig gegen seine falschen barone zu warnen: s 1612 “Mair till expone as now I let allane, Bot king and lord may weill wit quhat I mene'; – Quelle ist der Anonymus I, 18: De leone et mure, dessen distichen auch in vorliegender fabel eine durchweg freie und geistvolle benutzung erfahren haben. v Zur ganzen dichtung verwendet Henrisone die in der mittel- alterlichen literatur so beliebt gewordene und zuerst von Alain de Lille und Raoul de Houdanc aufgebrachte einkleidung alle- gorischer resp. satirischer darstellung in einen traum. Der prolog ist eine eigene phantasievolle schöpfung unsers dichters und gehört durch seine anmutige schilderung Aesops zu dem besten, was er geschrieben. Der spaziergang des dichters mit der reizenden naturschilderung erinnert lebhaft an den eingang des V. buches von King's Quair, ohne jedoch deckende parallel- stellen zu bieten; auch eine anlehnung an Chaucer's Assembly of Foules macht sich bemerkbar: 61 Ass. of F. 183 A gardein sawe I full of blosomed bowis, Upon a rivir in a grene mede, - . There asswetenesse evirmore inough is, With flouris white and blewe, yelowe and rede, * Henr. 1328 Sweit was the smell of flouris, quhite and reid", The bewis braid blomit aboue my heid, --- The ground grow and with gresgratious Of all plesance that place wes plentious, With sweit odouris – – – - Ass. of F. 190 On every bough the birdis herd I syng, With voice of angell in ther harmonie, Ass. of F. 204 The aire of the place so attempre was, M 1 That ner was ther grevaunce of hot ne cold, S There was eke every wholsome spice and gras, Henr. 1328 Sweit was the smell of flouris (s. o.) – – – The noyes of birdis richt delitious, 1333 With sweit odouris, and birdis- harmony, The morning myld; – my mirth wes mair for thy –ſ Ass. of F. 208 Yet was there more joie a thousande fold, Than I can tell, »- Nachweisungen dieser fabel. Aesop. Corai 217 Aéov xa Mög; Aes. Furia 98 id; bei Nevelet s. 221; Babrios 107; Abstemius 52 (Nevelet s. 556); Ro- mulus I, 18 (Oesterley); Phaedrus, Dressler VII, 3, Müller VII,4, Burmann app. 4; Dositheus 2; Anonymus, Nevel. s. 499; Aesop. Camer. s. 181; Nilant s. 86 und s. 14; Vinc. Bellovacensis, Spec. dotr. 3, 120; Spec. hist. 2, 3: Contra contemtores humilium; Dia- log. creaturarum 24; Bromyard 2, 5, 4; Neckam 41 (Du Méril); Wright, Latin Stories XVII; Baldo 24 (Du Méril); Dorpius (Argent. 1519) A. 4; Marie de France XVII: D'une Soris qui défoula un Lion; Ysopet 1. 18; 2,38 (Roberts. 131 und 134); Clément Marot, 125 (G. Haudent); Lafontaine II, 11; Le Noble 1, 184; Desbillons 5, 30: Leo et Musculus (Du Méril s. 210); Boner 21 (Pfeiffer s. 32); Keller, Altd. Erz. s. 518; Burkh. Wal- dis I, 14 (Kurz, D. Bibl. 1, 37); Stricker, Altd. W. 3, 175; Franck 1, 109. b (Sprichw.); Fischart, Gargantua 41. kap.; Eyring (Prov.) 1, 215, 511, 668; Wolgemuth 63; Gerhard von Minden XVI (Niederd. Denkm, 2, s. 24); Kirchhof, Wendunmuth 7,20; Stain- Vgl. hierzu Henrisone's einfluss auf ein bei Irving s. 240 angeführtes gedicht Dunbar's: »- - “Thair saw I flouris that fresche wer of dew, Baythe quhyte and reid most lustye wer to seyne, And halsum her bis upome stalkis grene”. : 62 - M. - - höwel I, 18: löwe und mus (Oesterley s. 102); Caxton's fabel- - sammlung (1484), I, 18, fol. 39°: lyon and rat; Wynkyn de Worde I, 18; Pantschatantra (übers. von Benfey, Leipzig 1859) 1,208-und 324 ff.; 2, 226. A - VIII. The preiching of the Swallow, v. 1622–1950. Der dichter ergeht sich zunächst in religionsphilosophischen betrachtungen, die ihn zu dem schlusse führen, dass in einer innigen und zuversichtlichen hingabe an Gott das höchste glück zu finden sei; dessen allmacht sei es, die alles regiere und alles erfreue und man solle, um sie zu schauen, nur in die freie natur hinaustreten. – Hieran knüpft der dichter eine treffliche idylle des landlebens und eine geradezu vorzügliche schilderung der einzelnen jahreszeiten. An einem schönen früh- lingsmorgen habe er sich, indem er weiterfortfährt, in freiem gefilde unter einen baum gelegt, um die reize der landschaft in musse befrachten zu können. Hier habe er, indem er auch später noch oft zu diesem ruheplätzchen zurückgekehrt sei, sich folgende fabel abspielen sehen: Eine schwalbe ermahnt die vögel, den von einem landmanne ausgesäten hanfsamen aufzupicken, aus dem jener später netze zum einfangen der vögel herstellen wolle. Der rat wird aber trotz widerholter mahnungen nicht beachtet, die zeit verstreicht, die saat wird grösser und grösser, und in der rauhen winterszeit müssen die vögel ihren leichtsinn büssen. Denn nachdem der bauer seinen flachs eingeerntet, ihn zu hanf gesponnen und netze daraus geflochten hat, geht die prophezeiung der schwalbe in erfüllung «- und die vögel werden eingefangen, nachdem die schwalbe bereits vorher mit einsicht der gefahr davon geflogen ist. - Die moralitas ist von allgemein religiöser tendenz und gipfelt in dem vergleiche der schwalbe mit einem priester, der seine gemeinde ermahnt, stets der zukunft zu gedenken und nicht durch gewissenlosen leichtsinn sich das ewige heil zu verscherzen. s - - Durch seine vorliebe für naturmalerei lässt der dichter sich im eingange zu weit hinreissen, so dass er hier den vor- wurf der weitschweifigkeit verdient, zumal die ganze einleitung (sechzehn strophen) in keiner direkten beziehung mit der fabel selbst steht. »- »- 63 Quelle ist Anonymus I, 20: De lino, hirundine et aliis auibus. – Die einleitung wie die ganze ausschmückung der fabel ist eigentum unseres dichters, zeigt aber hier und da reminiscenzen an Jakobs King's Quair und Chaucer's Assembly of Foules; vgl. Assembly of F. v. 22: - “For out of the olde feldis, as men saieth, Comith all this newe corne froycre to yere', VD H - - - - d S d S - woran er seine schilderung der jahreszeiten zu knüpfen scheint. Ass. of F. 183 Agardein sawe I full of blosomed bowis, . . . With flouris white and blewe, yelowe and rede Henr. 1653 – – – thir jolie flouris, Richt sweit of smell, and plesand of colouris, Sum grene, sum blew, sum purpour, quhite and reid, Nachweisungen dieser fabel. « Aesop (Furia) 327; 385: Xe2töGv xa Oovtôeg; bei Korai 285, 331: TaÖ§ xa Oovea, 332; Babrius 88: Kogvöa2ög xal vsooooi; Aes. Camer. s. 181: Hirundo et Aviculae; Phaedrus: Dressler 7, 10; Burmann app. 12; Müller 7, 6 (Aves et Hirundo); Romulus (Oesterley) I, 19; bei Nilant s. 47 und 88; Anonymus bei Nevelet s. 500; Neckam 18 (Du Méril 190); Dorpius A 4. – Dial. creatur. 119. – Desbillons 14, 1: Hirundo et Aves aliae; Wright (Lat. Stories) I, 18: De auibus; Marie de France XVIII: De l'Arondelle et des Oiseax, alias De l'Aronde qui voleit es lins mengier. Ysopet 1,25;-2, 27 (s. Roberts. 11 und 40–46). Haudent 127, 261; Le Noble 2, 39: Du Lin, des Oiseaux et de la Pie; Lafontaine I, 8: LHirondelle et les petits Oiseaux; Guie- ciardini 121. b: La providentia evitare perigli grandissimi e Pin- consideratione operare il contrario. – Boner 23 (Pfeiffer s. 35); Keller, Altd. Erz. 566; Burkh. Waldis 1,16 (Kurz, D. Bibl. s. 40); Gerh. von Mindeh XVII (Niederd. Denkm. 2, s. 25); Kirchhof, Wendunmuth 7, 114 (ausg. v. Oesterley IV, s. 325; Rollenhagen, Der Schwalben Rath; Wolgemuth 65; Lucanor (übers. v. Eichen- dorff) 27; Stainhöwel I, 20 (Oesterley s. 105); Caxton's fabel- sammlung I, 20 (Of the swalowe and other byrdes); Wynkyn de Worde I, 20; Esopus 20; Pantschatantra (übers. v. Benfey) 2, s. 139: Ein alter schwan rettet eine schon gefangene schaar von schwänen. - DX. The taill of the wolf, that gat the nekhering throw the wrinkis of the foxe, that begilit the cadgear,- - v. 1951–2230. - Der fuchs begegnet einem hungrigen mönchswolf, der ihn zu seinem proviantmeister ernennen will. Seine ungeschicklich- keit im hühner- und lämmerfang vorschützend, sucht der fuchs die ehre abzulehnen, muss sich schliesslich aber der gereizten stimmung des mächtigeren wolfes unterwerfen und schwört ihm den eid der treue. Um seines amtes als besorgter “stewart' sofort zu walten, beschliesst der fuchs von einem daherfahren- den fischhändler (cadgear) für seinen silberkranken’ herrn ein fastenessen zu erlangen. Den scheintoten spielend, legt er sich mitten auf den weg und wird, wie geplant, vom fischhändler gefunden und als willkommene beute auf den fischwagen ge- worfen. Der verabredung gemäss wirft er nun dem von weitem folgenden wolfe die häringe vom wagen herab und entkommt wider. Der fischhändler sucht ihn zwar durch versprechungen zurückzulocken, doch dieser zieht vor, sich nicht schnöder behandlung auszusetzen, die der “cadgear” seinem felle zu- gedacht und dies so vernehmlich ausgesprochen hatte, dass es der scheintote fuchs sehr wol hatte hören können. Er kommt nun zum wolfe zurück und erzählt ihm, um die häringe in seinen eigenen besitz zu bringen, von einem riesengrossen “nek- hering', den der fischhändler noch auf dem wagen liegen habe, den er aber, als schwächlicher fuchs, wegen seines allzugrossen gewichts nicht habe herabwerfen können. Er, der stärkere wolf, würde dagegen gewiss seiner herr werden und damit vierzehn tage lang nahrung gewinnen. Als der durch diese günstige aus- sicht lüstern gemachte. wolf fragt, wie er die beute erlangen könne, rät ihm der fuchs die erfolgreiche list des totstellens. Erfreut geht der wolf darauf ein und legt sich auf den weg. Unterdessen hat der fischhändler zur verfolgung und züchtigung des fuchses einen tüchtigen stocke aus dem walde geschnitten und eilt nach der richtung, in der ihm der fuchs entflohen. Bald stösst er auf den wolf, der mit ausgestreckten beinen und heraushängender Zunge regungslos daliegt und krampfhaft die Weisungen des fuchses befolgt. Der fischhändler jedoch, die alte list wider erkennend, prügelt mit aller kraft auf den Wolf los, bis diesem bald das blut über den ganzen körper -- rieselt und lässt ihn dann in hilflosem zustande auf dem wege liegen. Der fuchs aber hat sein ziel erreicht und ist nun herr der ganzen fische geworden, die er mit in seine höhle schleppt und vergnügten mutes verzehrt. «. Die moralitas enthält eine nicht ungeschickte allegorische - auslegung der handelnden individuen und geisselt besonders die habsucht als wurzel aller sozialen zerrüttung. - Quellen. Die anlage wie die ganze ausschmückung dieser erzählung ist eigene schöpfung unsers dichters; die fabel selbst ist eine kompilation aus einzelnen zügen der fuchssage und wurde wol angeregt durch das IV. kapitel von Caxton's Historye of Reynard the Foxe. Dort hat der könig ein parla- ment einberufen, bei dem sich alle tiere über den fuchs be- klagen, bis auf den dachs, den neffen des fuchses, der die verteidigung seines onkels übernimmt: “Reynard habe, um der wolf vor dem hungertode zu schützen, sich tot gestellt, sei so auf einen fischwagen gelangt und habe fische herab- geworfen; doch sei der wolf so undankbar gewesen, habe den ganzen raub allein aufgefressen und jenem nur die gräten übrig gelassen. Mehr als diese anspielung auf die fischraub- episode, die bei Henrisone den kern der erzählung bildet, findet sich weder im flandrischen Reinaert, noch in dessen prosa- auflösung, die 1479 zu Gouda gedruckt und von Caxton als vorlage benutzt wurde. Zur weiteren ausführung der genannten episode diente unserm dichter als quelle: die 10. branche des französischen Roman du Renart: “Si conme Renart et Primaut ventirent les vestemens au Prestre por un Oyson'. Dort gehen Renart und der wolf Primaut auf abenteuer aus und treffen einen priester, von dem sie eine gans für einige kleidungsstücke eintauschen. Da aber der wolf diesen braten allein auffrisst, schwört ihm der fuchs rache. Nun setzt in der französischen branche v. 3939–4264? die erzählung ähn- lich wie bei unserm dichter ein: Vor daherziehenden fisch- händlern legt sich der fuchs als scheintoter auf den weg, wird auf den wagen geworfen, frisst dort viele häringe und nimmt * Vgl. Caxton: “Knowe not ye, how ye mysdeled on the plays whiche he (the Foxe) threwe doun fro the carre, whan ye folowed after fro ferre. And ye ete the good plays allone, and gaf hym no more than the grate or bones, whyche ye myght not ete your self". * Méon, Roman du Renart, vol. 1. 66 »- , - vx : dann einén frischen häring mit sich, um damit seine raché gegen Primaut wegen der ihm weggefressenen gans einzuleiten. Wie erwartet, wird der wolf durch diese mitgebrachte probe lüstern gemacht und will nun, um auch seinerseits zu einer häringsmahlzeit zu gelangen, die list des fuchses nachahmen, wird jedoch von den fischhändlern tüchtig durchgeprügelt und muss wider entfliehen, ohne einen einzigen fisch erlangt zu. haben. – Aus der vergleichung dieses erzählungsganges mit der oben gegebenen analyse wird man leicht ermessen können, inwieweit Henrisone seine vorlage modifizierte. Wie eng er. sich bisweilen an dieselbe anlehnt, möge an folgenden parallel- stellen gezeigt werden; bei der beschreibung des totstellens: . . 10. br., v. 3951 El chemin se met de travers »- »- « * , a Si s'estoit couchiez à en vers; – Si ason balevre retret, » Les eulz clot et la langue tret. – – - 3959 A m er veille resemble mort. Henr. 2049 With that he kest ane compas far about, And strawcht him doun in middis of the way, Ashe wer deid, he feinyeit him, but dout, –– The quhite he turnit vp of his enetway; Histoung out hang – – – etc. « Aehnlich auch bei anwendung dieser list durch den wolf, Henr. v. 2161–64; vgl. auch die stelle, wo der fuchs beschreibt, wie man sich tot stellen müsse: . v . - Henr. 2136 “Hing furth your toung, and clois weill your 10. br., 3954 Les eulz clot et la langue tret (s. o.). [enetway', Als der fischhändler den fuchs findet, dessen fell er sich wol zu nutze machen will: , 10. br., 3966 “Je cuit qu'il (Renart) nos aquitera, g Sa pel enquenuit nostre escot, Ele est bone à metre en sorcot.' 3979 “Nos osterons sempres la pel A la pointe de mon coutel, Quant nos seromesherbergié' Henr. 2058 ff. The cadgear fand the fox, and he was fane, And till himself this softlie can he say: “At the nixt bait in faith ye salbe flane, wa, And of your skin I sall mak mittenistway”.' Um seinen tod wahrscheinlicher zu machen, legt der fuchs sich mitten in eine pfütze: . 10. br., 3957 En l’ardille s'est tooilliez, º Tant que il estoittoz soilliez, . - Henr. 2063 “Heir lyis', quod he (cadgear), the deuill deid in a dyke. - 67 Nachdem der fischhändler den füchs auf seinen wagen ge- schleudert, treibt er mit erneuter lust seine pferde an: : 10. br., 3984 Et tantost se mist à la frape; . . Henr. 2077 Syne be the heid the horſ in hy hes hint . Auch in der französischen branche sind die fische in einem korbe, dessen verschluss der fuchs mit den zähnen öffnet: 10. br., 3985 Et si i avoit un panier, - Oü il avoit bien deus millier De harens frès – etc.” « Vgl. bei Henr. v. 2076 u. 2079: erwähnung und öffnung des korbes (creill). - « Nachdem der fuchs wider entwischt ist, läuft in beiden bearbeitungen der fischhändler hinter ihm her (in der franzö- sischen branche zusammen mit seinen genossen): 10. br., 4022 Et quant se sont aperçeu, « s . Tuit ensemble le vont huiant. Et celui, qui s'en va fuiant, * N'avoit de lor parole cure. . Vgl. Henr. v. 2086, 2168 etc. – Auf das wort “parole’ gründen sich bei Henr. die versprechungen des fischhändlers, durch welche dieser den fuchs zurückzulocken sucht. r " Auch die rückkehr des fuchses zum wolfe findet sich in der 10. branche, - v. 4026 ff. Vet s'en le trot et Pambléure Ham- S---- --- --- ------ -‘ " sam-m- me sºm- - Oü il lessa Primaut le Leu. vgl. Henr. 2105 With that the fox vnto the wolf culd wend, etc. Als der wolf lust verspürt, auch auf den fischwagen zu gelangen, sagt er: - 10. br. v. 4149 “Renart, enseigne moi, Por Dieu et por l'amor de toi, Comment tu ces harens éus; etc. »- Henr. v. 2130 “Than', said the wolf, “ quhat counsale geuis thow me?” Der rat, den hierauf der fuchs dem Wolfe erteilt, bei Henri- sone v. 2133–46, entspricht wider nahezu der französischen Hiermit erklärt sich durch Henrisone das altfrz. wort “frape' als “ antreiben des pferdes', während Méon in sr. ausgabe den sinn dieses verses nicht zu deuten vermochte [vgl. Méon I, 379: “frape, ce mot dont je n'ai Ä trouver l'origine, parott signifier ruse, piége'(2)]. s * Der umstand, dass sich der raubzug des fuchses auf häringe richtet, ist bei unserm dichter ausschliesslich auf einfluss des französ. Roman du Renart zurückzuführen. Im Reinaert stiehlt er “pladise” Ä 211), bei Caxton, kap. IV: “plays', und im Reinke de Vos: “ etlike vische' (v. 188). 4 «- 5* »- --. - « 4. -* » «- - » - - - . - * . . - - - - I * - - » - - - » - - - - - - - - . . . . - 68 - * - * * - - «- > - . . . A. - - - s - " - - S. . . . - - - - - fassung v. 4155–69. Auch der ganze weitere verlauf der handlung korrespondiert bei unserm dichter mit jener branche, nicht ohne dass Herisone manch feinen und humoristischen zug wie durchweg eine selbständige auffassung voraus hätte. So gipfelt z. b. seine erzählung darin, dass der fuchsendlich in den alleinigen besitz der herabgeworfenen fische gelangt. Deshalb wird bei ihm der wolf so sehr vom fischhändler trak- tiert, dass er hilflos auf dem wege liegen bleibt und den fuchs nicht weiter behelligen kann. In der französischen branche dagegen entflieht der wolf, als er glaubt genug schläge be- kommen zu haben, und keinen erfolg der angewanten list ein- sehend, kehrt er hungrig zu Renart zurück. Eine weitere quelle ist zweifellos die 2. branche des Roman du Renart: “Si conme Renart manja le pois- son aus charretiers“, aus der Henrisone noch manche details entnahm, besonders bei der ausführung des raubes durch den fuchs. Einige frappante züge, die nicht gleichzeitig in der vor- erwähnten 10. branche enthalten sind, und die unser dichter - daher nur aus dieser 2.branche entlehnt haben kann, finden sich: 2. br. v. 833 Sor les paniers se gist (Renart) adenz, - [also ist hier von mehreren körben mit fischen die rede; wohin- gegen es in der 10. branche heisst: « - »- v. 3985 Et si i avoit um panier, - , « bei Henrisone in übereinstimmung mit der 2. branche: z v. 2081 Out of the creillishe (Foxe) swakkit doun gude wane; ferner bei dem treiben des fuchses auf dem fischwagen: 2. br. v. 833 Sor les paniers se gist adenz - Si en a un overt as den z, Et si en a, bien le sachiez, Plus de trente harenz sachiez. - - Auques fu vuidiez li paniers, . . . { Qu'il en menja moult volentiers. Henr. 2076: And with ane swak he (cadgear) swang him (Foxe) on the creillis; 2079 And with his teith the stoppell, or he stint, Pullit out, and syne the hering ane and ane Out of the creillis he swakkit doun gude wane; bei der list des totstellens: -“ Henr. v. 2050 “And strawcht him doun in middis of the way, " - As he wer deid he feinyeit him, but dout vgl. 2. branche v. 791 ff: w . Lors s'est couchiez enmila voie, Amerveille ressemble mort. – »- y – - - - Vºr- - - 1 . .) - - F& diesen beiden französischen darstellungen hat unser dichter die zutat, dass der fuchs den fischraub für den wolf ausführt, die er aus Caxton's Historye of Reynard entlehnte; das citat für die betr. stelle s.s. 65, anm. 1. Die be- zeichnung für den wolf “russell' (v.-1962) ist wol der tradition entnommen, nach der sich an die person des wolfes die vor- stellung eines behäbigen, wolbeleibten mönches knüpfte. Vers 2083: “huntis vp, vp, vpoun hie' ist der anfang eines damals in Schottland wie in England sehr beliebten jagdliedes. Es wird auch erwähnt in “The Complaint of Scotland' (ca. 1548) und in Alexander Scots gedicht “On May” (ca. 1560). Zurzeit der reformation wurde es in eine ballade umgedichtet (s. Chappell, Ancient English Ballads). Noch zu Shakespeare's zeit muss der gesang bekannt gewesen sein, vgl. Romeo and Juliet, akt III, sc. V, v. 34 ff, wo Juliet zu Romeo sagt: - “Since arm from arm that voice doth us affray, Hunting thee hence, with hunts-up to the day? Nachweisungen einzelner züge in bearbeitungen, » : " die Henrisone nicht benutzte. Reinardus V, 208–216 erzählt auch den fischdiebstahl, s. Grimm, R. Fuchs s. LXXI. « Die list des totstellens findet sich bei Odo von Cerington, in dessen fabel De vulpe esuriente' es heisst: “Vulpes quando- que eSurit . fingit se mortuam . et jacet in plano. et linguam ejicit . etc.' [abgedruckt in Lemckes Jahrb., 9. bd., s. 137; es ist hier die fabel vom wolf, der durch diese list einen auf sich herablassenden raben fängt. Die intrigue des fuchses, den wolf dürch nachahmung jener list dem fischhändler zu überantworten, ist wider er- wähnt in der 20. branche des Roman du Renart, wo der fuchs seine schelmereien bei hofe selbst erzählt: v. 10783 Et si refu par moi traiz - Devant la charete as plaiz (Méon II, s. 42). Jene list findet sich auch in der 17. branche des Renart le Nouvel, wo der fuchs sie anwendet, um einem vorbei- reitenden abte einen am pferde angebundenen reiher zu stehlen und zu diesem behufe mit jenem zusammengebunden sein will (s. Méon, bd. IV). - - - - "-. Ein grosser teil unserer fabel ist auch in einer „schen tiererzählung behandelt: “karro ja rebbane' (bär und fuchs). Dort sieht ein mann, der mit einer last fische von der stadt kommt, unterwegs einen scheintoten fuchs, hebt ihn auf und legt ihn zu seiner ladung. Bald wirft nun der schlaue fuchs die fische heraus, entweicht, liest sie wider auf und frisst sie. Einem hinzukommenden bären, der sich auch nach einer fisch- mahlzeit sehnt, gibt er dann (abweichend von unserer dar- stellung) den rat, in einem weiher mit seinem schwanze zu angeln, wobei dieser jedoch einfriert, der bär gefangen und durchgeprügelt wird. Dieser schluss entspricht auch dem in der 2. branche, die wie wir oben gesehen, von Henrisone zur vorerzählung mit benutzt wurde. X. The taill of the Foxe that begilit the Wolf in the schadow of the mone, v. 2231–2451. * - - Der inhalt ist kurz folgender: Ein landmann, der mit seinem knechte den acker bestellt, hat unsägliche mühe, seine vor den pflug gespannten ochsen in der rechten furche zu halten. Darüber erzürnt, bricht er schliesslich in die worte aus: “The wolf mot haif yow all at anis’ (v. 2044). Doch der wolf ist näher als er geglaubt und hat in einem naheliegenden busche die verwünschung gehört. Von dem mit ihm im versteck liegenden fuchs noch ganz besonders auf die beute lüstern gemacht, fordert der wolf vom landmanne die ihm verfallenen ochsen. In seiner verlegenheit sucht sich nun jener dadurch auszureden, dass er das corpus delicti weder eidlich noch mit der hand versprochen, noch auch ein schriftstück dar- über ausgestellt habe. Wolle er aber auf seiner forderung be- stehen, so möge er nur den rechtsweg einschlagen. Sofort ruft der wolf den nahebefindlichen fuchs als zeugen und richter herbei, der sich auch bereit erklärt, die streitfrage zu schlichten. Zunächst verpflichtet er beide clienten zur unbedingten an- erkennung seines urteilsspruches und beginnt nun seines richter- amtes zu walten, indem er mit jeder partei einzeln und insgeheim verhandelt. Auf treffliche weise bringt er den bauer dahin, ihm für einen günstigen ausspruch einen flug hennen zu bieten, – was er mit seinem amte wol vereinbaren zu können glaubt, * Siehe Grimm, R. Fuchs CCLXXXVI. 7 “For god is gane to sleip; as for this nicht 1. Sic small thingis ar not sene in to his sicht',– - - dem wolfe aber bietet er als ersatz einen mächtigen, frischen sommerkäse, den ihm der bauer liefern müsse. Nach einigem zögern erklärt sich der wolf damit einverstanden, entlässt den bauer mit seinen ochsen und wird auf sein verlangen vom .fuchse dem orte zugeführt, wo der käse liegen solle. Nach langer wanderung kommen sie gegen mitternacht endlich zu einem brunnen, in dem sich der penny-volle' mond wie ein - rundes, weisses siegel abspiegelt. Dies sei der versprochexe käse, und dahinein habe ihn der bauer gehängt, damit hn niemand stehlen solle. Hocherfreut über diese reiche beute, die ihm jetzt bei gesteigertem hunger viel kostbarer als die ochsenbeute erscheint, bittet der wolf den fuchs, ihm den käse ans trockene land zu bringen; bereitwilligst springt auch der fuchs in einen zieheimer, der nebst einem anderen an einer welle gehend über dem brunnen hängt und fährt damit in die tiefe. Doch bald ruft er dem erwartungsvollen wolfe zu, dass der käse zu gross und schwer sei und er ihn nicht allein in die höhe bringen könne; er habe sich schon die ganzen nägel damit ausgerissen, der wolf möge doch in den anderen eimer springen und ihm zu hilfe kommen. Sofort springt dieser auch in den zweiten eimer, der sich durch das grössere gewicht des wolfes senkt und den ersten mit dem fuchse wider aufwärts gehen macht. Dem über diese unerklärliche fahrt erstaunten und geängstigten wolfe gibt der listige fuchs bei der begegnung im brunnen die naive antwort: «. v. 2418 – – – this fair is of fortoun: - »- W- As ane cummis vp, scho quheillis ane vther doun!' Oben am brunnen angelangt, springt der fuchs heraus und überlässt den wolf seinem schicksale. « In der moralitas zeigt Henrisone wider den im mittelalter so üblichen gebrauch, sie zur “utilitas allegoria' zu machen, mit der er besonders die verwerfung der begierde nach welt- lichen schätzen verknüpft. - - - - - - Quelle ist die 24. erzählung der Disciplina Clericalis' des Petrus Alfonsi. Da unser dichter im eingange der fabel Abgedruckt bei Schmidt, Disc. Cleric. s. 68 ff.; ferner in Migne's Patrologia latina, Paris 1854 als fabula XXI, s. 695; auch in Oesterley's ausg. von Stainhöwel's Aesop, s. 318: De lupo, rustico, vulpe et caseo, 72 (v. 2231) den Esope' als seine quelle angibt, so benutzte er wol eine lat. hs, die den namen des verfassers nicht mit ver- zeichnete und folgte dann dem allgemeinen brauche des mittel- alters, alles was fabel hiess, dem Aesop zuzuschreiben. Verschiedene erweiterungen dieser lat. fassung verraten jedoch, dass unser dichter auch andere darauf zurückgehende redaktionen benutzte. Als solche könnten in betracht kommen: 1. Caxton's übersetzung (in der 1484 erschienenen fabel- sammlung). Doch diese kannte Henrisone bei abfassung seiner Kabel noch nicht, da er sie dem “Esope' zuschreibt, während sie bei Caxton unter denen des Alfonce' angeführt ist? Sie enthält auch keine der charakteristischen erweiterungen. 2. Castoiement d'un père à son fils, Conte XXI: “Du vilein qui dona ses bues au lou' [siehe Fabliaux et Contes des Poètes Fronçois des XI, XII, XIII, XIV et XV“ siècles, publiés par Barbazan; nouvelle et complète édition par Méon, Paris 1808, s. 144 ff. - Für Henrisone's benutzung des Castoiement' ist kein auf- fälliges beweismoment zu finden; nur an einer stelle hat unser dichter eine erweiterung der lat. fassung mit jener frz. redak- tion gemeinsam und zwar in v. 2371, wo der fuchs den wolf zum brunnen führt: g- h - “Than hand in hand thay held vnto ane hill', vgl. Cast. v. 56 Sisen von andui main à main'. - Doch kann aus dieser einen stelle noch nicht der beweis ge- folgert werden, dass Henrisone das Castoiement' gekannt habe, zumal das bedeutsame zwischengespräch der beiden sich im brunnen begegnenden tiere, das der lat. fassung gänzlich fremd bleibt, sich in beiden bearbeitungen verschieden gestaltet: Cast. 100 ff. – – – “beax frere, »- Alez vos fromaiges menger « T Dont vos avez tel desirrer”. vgl. dagegen Henrisone v. 2416 ff. 3. Einzelne branchen des Roman du Renart, welche züge aus unserer fabel enthalten. } * Warton in seiner Dissert. on the Gesta Romanorum s. VI erwähnt mehrere solcher handschriften, die in England geschrieben waren. * Wie die XI. fabel Henrisone's zeigt, die sich auch chronologisch an die X. anreiht und ihren stoff jener Caxton'schen fabelsammlung ent lehnt, muss Henrisone die hier erörterte X. fabel kurz vor dem erscheinen jener Sammlung verfasst haben (s. datierung). a - " 73 Eine solche ist die fünfundzwanzigste branche: “C'est de l'Ours et de Renart et dou vilain Liétart. Der darin mit unserer erzählung kongruierende teil, in welchem der bauer seine ochsen verwünscht und der wolf (dort der bär) dieselben verlangt, enthält nun einige stellen, die eine benutzung durch Henrisone als zweifellos erscheinen lassen. Sie mögen in folgendem hervorgehoben werden: der eingang der frz. erzählung, 25. br. v. 15323 Il a vint an cienement - » , Se l'escriture ne nos ment, entspricht dem bei unserm dichter: v. 2231 In elderis dayis, as Esope can declair. In dieser branche wird auch übereinstimmend mit Henrisone erwähnt, dass der bauer zusammen mit einem knechte auf dem acker gepflügt habe, während hiervon weder die latei- nische fassung, noch das Castoiement, noch auch Stainhöwel oder Caxton etwas sagen: - 25.br. v. 15465 Et un gars qui avec lui fu »- Qui les buez chaçoit de vertu, " l Henr. v. 2236 – – – his gadman and he (the husband); - His stottis he straucht with “benedicite'. Auch ist in keiner der übrigen fassungen ausser bei Henrisone und in genannter branche etwas über ein gebüsch gesagt, das sich in der nähe des ackers befindet und hinter dem sich der wolf (resp. bär) verborgen hält: »- Henr. v. 2246 For in ane busk he lay (the wolf), – – – « In ane ruch rone, was at the furris end, 25. br. v. 15331 Près d'un grant bois ses bués lia, » ebend. v. 15392 En un buisson avoit (li Ors) boté, Vgl. dagegen die betreffenden stellen in der lat. fassung: – quod lupus audiens acquievit; bei Caxton: the wulf hyde hym self nyghe them; im Castoiement v. 9: Li lox fu près si l'entendi, – nirgends die rede von einem gebüsche. In der frz. branche ist ferner in übereinstimmung mit Henri- sone auch besonders hevorgehoben, dass der landmann schon bei tagesgrauen auf dem felde pflügt: ef 25.br. v. 15334 – – – Atanten son essart (feld), Si est encore bel le jor, – – Puis qu'il voit le jor aparoir, Ne puet vilains nule aise avoir, «“ Ainz velt aler s'ovraingne fere Henr. v. 2235 Airlie in the morning to follow furth his feir Vnto the pleuch etc. * Méon II, s. 212 ff; E. Martin I, s. 279 ff. 74 Als eine geradezu frappante coincidenz ist anzusehen, dass bei Henrisone wie auch in jener branche der erzürnte land- mann zur züchtigung der ochsen seinen stock (patill) ge- braucht: - * - - / 25. br. v. 15356 Li vilains qui fu fel et aigres, - «w Por ce que trop le sent à lent, f - - - Le (Rogel, den ochsen) pointet dit par maltalent, etc. l Henr. v. 2242 The husband than woxe angrie asane hair, Syne cryit, and caist his patill and grit stanis; – In beiden ist auch abweichend von den übrigen fassungen die beteuerung des wolfes (bären) hervorgehoben, auf der ausliefe- rung der durch den bauer verwünschten tiere bestehen zu wollen: 25.br. v. 15421 “Ce puet bien li vilains savoir, Que je voudrai mon buef avoir'. Henr. v. 2251 “Yone carlis word, as he war king, sall stand'. Eine weitere branche des Roman du Renart, die Henri- sone benutzte, ist die dreizehnte: “Si conme Renart fist avaler Ysengrin dedenz le puis' (s. Méon I, s. 240 ff.). Dort ist der fuchs, getäuscht durch seinen eigenen schatten, in dem er seine geliebte Hermeline zu erblicken glaubt, vermittels eines eimers in einen brunnen eingefahren und wird vom hinzu- kommenden Ysengrin dadurch befreit, dass dieser sich in den andern eimer setzt, der durch sein gewicht den ersten mitsammt dem fuchse auffahren macht. Bei ihrer begegnung während der fahrt zeigt sich nun ein ganz analoges gespräch wie bei unserm dichter: V- 4 13.br. v.6893ff. Et puis se sont entrecontré; Ysengrin l'a araisoné: “Compère, porquoi t'en vas-tu?” - - Et Renart lia respondu: «. “Quant li uns va, li autres vient, .« C'est la costume qui avient. . . Henr. v. 2415 The tod come hailland vp, the wolf yeid doun; s Than angerlie the wolf vpoun him cryis: - “I cummand thus dounwart, etc. Den weiteren worten des fuchses in der frz. branche: * Unter patill” (engl. pattle, s. Johnson) haben wir einen mit eisen- spitze versehenen stock zu verstehen, der beim Ä dazu diente, die steine aus dem wege zu räumen. Der dichter der französischen branche muss unbedingt bei dieser stelle, wo der bauer den ochsen, sticht, an einen solchen stock gedacht haben; bei Henrisone wirft der bauer diesen stock nach den ochsen, offenbar auch in der absicht, um dieselben mit der spitze zu treffen, - - . . . . . v. 6901 “Je vois en Paradis lasus, „ . . . Et tu vas en Enfer lä jus” . . . . . . . . entspricht dann wider ein passus in Henrisone's moralitas: - v. 2452 “Dryuand ilk man to leip in the buttrie, a - - That dounwart drawis vnto the pane of hell'. – - Bei jenem zwischengespräch, wo Henrisone die brunnen- - welle mit dem rade der Fortuna vergleicht, ist auch eine auf- fallende beeinflussung durch Jakob I. zu konstatieren; vgl. King's Quair I, 9. str.: - »- For sothe it is, that on her (Fortoune's) tolter quhele Every wight clevereth in his stage, 1 And failyng foting oft quhen hir lest rel - « Sum vp, sum doun, etc. »- " Henrisone v. 2418: – – – this fair is of fortoun: * - - As ane cummis vp, scho quheilles ane vther doun! vgl. auch Henrisone's 13. fabel, v. 2947: ºh - V. Now on the quheill, now wrappit to the ground. «s" Die zurückverfolgung dieses vergleichs bis auf Chaucer und Boetius s. Anglia III, s. 229; doch ist mit Chaucer keine so frappante ähnlichkeit zu finden, wie zwischen Jakob und Henrisone an den citierten stellen. »- - In vers 2335 unserer fabel zeigt sich ferner auch eine frappante anlehnung an Lydgate’s Secunde tale of Isopos, Harl. 2251, fol. 286, 8. str: - “With empty handis men may no hawkes lure', Henrisone v. 2335: - “With emptie hand na man suld halkis lure'; - * º. - diese stelle findet sich auch in Chaucer's Cant. Tales v. 5997: - “With empty hond men may no haukes lure', ist aber bei unserm dichter wol auf den einfluss Lydgates zu setzen, da sie sich bei letzterem in einer fabel findet, die auch Henrisone kannte und, wie sich weiter unten zeigen wird, zur abfassung seiner 12. fabel mitbenutzte. Da ferner die 10. fabel erst nach der 12. entstand (s. datierung), so muss Henrisone jene stelle bei Lydgate gelesen haben. * Siehe auch Renart le Nouvel, wo Fortuna zum fuchse Sagt: v. 7951 Renart, jou te voel coroner, »- Sur ma ruée et en haut lever'. – Weitere nachweisungen dieser allegorie in altfranz. dichtungen siehe in Leop. Bahlsen's dissertation: Adam de la Hale's Dramen, Marburg 1884, S. 71 ff. und S. 77 ff. T. « - - / , Schliesslich sei hier auch auf eine stelle aufmerksam ge- macht, mit der unser dichter seinerseits einen einfluss auf Douglas ausübte; Henrisone v. 2241: thay (the oxin) couth the fur forfair, Douglas, The thrie Tailes of the thrie Priests of Peblis, v. 412: God's pleuch may never hald the fur, - - He is ma hird to keip thay sely sheip, “ “ - - Nocht bot ane tod in-ane lambskin to creip. - Die weitere anspielung Douglass auf fabeln zeigt, wie er wirklich in diesen versen den Henrisone benutzte. ) Nachweisung einzelner züge unserer erzählung in dichtungen, die Henisone nicht benutzt hat. « Die episode der wolfsbetörung durch den mondschatten ist erzählt in der 20. branche des Roman du Renart v. 10780 ff. (Méon II, s. 1 ff; E. Martin I, s. 30, v. 1058 ff); ferner in der 24. branche des Roman du Renart v. 14350 ff. (Méon II, s. 145 ff), º wo die am brunnen inscenierte intrigue des fuchses als be- lastungsmoment bei seiner anklage vor hofe erwähnt wird. Die brunnenaffaire findet sich schon ausführlich behandelt von Heinrich dem Glichesäre in seinem “Reinhart' v.831–1016, doch ist dort nicht die rede von einem mondreflex, der für einen käse gehalten wird, sondern der wolf wird durch seinen eigenen schatten getäuscht, in dem er sein weib zu erblicken glaubt. Aber es findet sich daselbst schon das bedeutsame zwischengespräch der beiden sich in den eimern begegnenden tiere V. 945 ff.: - “Reinhart, wä sol ich nu sin?” daz sagich dir gewaerliche: hie ze himelriche a soltu minen stuol hän, wandich dir es vil wole gan; ich wil üz in daz lant, - var du dem tiuvel in die hant’ –. : Dieselbe brunnengeschichte behandelt eine deutsche fabel: Der fuchs und wolf, Grimm, R. F. s. 356 ff. Die täuschung durch den mondreflex bildet auch den kern einer fabel des Romulus, app. 43: De vulpe lambente aquam, wo der wolf den reflex des mondes in einem bache für käse hält und um diesen zu erreichen so lange vom wasser leckt, * Siehe Grimm, R. F. s. 55 ff. *N. / S. bis er sich selbst ertränkt hat; ebenso be Marie de France XLIX: Dou Leu qi cuida de la Lune ce fust un Fourmaige. Eine der frühesten darstellungen der brunnenepisode in England bot Odo von Cerington in seiner 57. fabel: De vulpe et lupo, wo der wolf zum fuchse in den brunnen hinabfahren will, um mit ihm eine fischmahlzeit zu geniessen. Das zwischen- gespräch der beiden tiere ist hier: [Et quando obviarunt sibi, ait lupus: “Bone compater, quo vadis?“ Et ait vulpes: “Satis comedi et ascendo, tu descendens invenies mirabilia' (also nicht von Henrisone benutzt). »- Schliesslich sei noch die altenglische fabel “The Vox and the Wolf"? erwähnt, die ebenso die brunnengeschichte behan- delt, aber auch auf Henrisone keinen einfluss ausgeübt hat. Auch hier ist nicht die rede von einem käse, wol aber findet sich darin das zwischengespräch (v. 243–52); ausserdem ist das schicksal des in den brunnen gefahrenen wolfes (abweichend von Henrisone) noch in der bekannten weise weiter ausgeführt, dass auf anstiften des dolosen fuchses mönche zum brunnen eilen, die den wolf heraufwinden und halb tot prügeln. – Die verwünschung der ochsen durch den bauer zu anfang unserer dichtung findet ein pendantin der ersten fabel des Avian: Rustica et lupus, in der eine erzürnte mutter ihr schreiendes kind vom wolfe gefressen haben möchte, worauf sich dieser sofort einstellt und die ihm verfallene beute fordert. Einzelne züge unserer fabel in einer ehstnischen erzählung: karro ja mees' (bär und bauer) s. Grimm, R. F. CCLXXXIX. XI. The taill of the Wolf and the Wedder, . V. 2455–2615. Einem hirten ist der hund gestorben, über dessen verlust er in bittere klagen ausbricht; ein hoffärtiger widder sucht ihn zu trösten und erbietet sich, durch überziehen eines hunde- felles den wolf zu täuschen und den wächter über die herde zu spielen. Die list bewährt sich auch einige zeit; doch als der wolf eines tages so verhungert ist, dass ihm die gefahr vor dem hunde gleich gilt, stiehlt er einen hammel und ent- * Siehe Th.Wright, Latin Stories, Percy Soc. VIII, s.54; oder in Ebert's Jahrb. 9. bd. als 17. fabel; Gatos 14; Mone 1. * Siehe Th. Wright, Lat. Stor, Percy Soc. VIII, s. XVI ff.; Rel. Ant. II, s. 272 ff.; – Mätzner, Sprachpr. s. 132 ff. - - - - - J 78 N -s flieht damit. Der den raub gewahrende widder jagt ihm nach und seine wahre natur vergessend, lässt er selbst dann nicht von der verfolgung ab, als der wolf die gestohlene beute wider fallen gelassen hat. Da plötzlich verliert er in einem gestrüpp sein hundefell, der wolf bemerkt es, stürzt auf den machtlosen verfolger zu und frisst ihn. « - In der moralitas geisselt der dichter die hoffart und den dünkel, mit denen sich oft geringe leute seines landes ver- messen, ein ihrem stande nicht zukommendes leben zu führen und sich ämter anmassen, die sie nie auszufüllen vermögen. Quelle ist die 15. fabel des Extravagantes Esopi Antiquae!, die Henrisone aus Caxton's fabelsammlung entnahm. Dass er Caxton's version und nicht die lateinische fassung vor sich hatte, dafür spricht v. 2588: „...* - - - Esope, that poete, first father of this fabill. - In der behandlung dieser vorlage hat Henrisone wider wie bei früheren fabeln sich durchweg seine selbständigkeit und origi- nelle auffassung, wie in der nüchternen motivierung, so auch in manchem humoristischen zuge gewahrt. Um eine bequeme einsicht in jene freie benutzungsweise seiner vorlage zu ge- währen, möge diese hier aus Caxton's druck von 1484 wider- gegeben werden; sie findet sich dort auf fol. LXXXXIII": The XV. fable is of the dogge | of the wulf and of the whether. - Grete folye is to a fool that hath no myght | that wylle begyle another stronger than hym self as reherceth this fable of a fader of famylle whiche had a grete herd or flock of sheep and had a grete dogge for to kepe them whiche was wel stronge | And of his voys all the wolues were aferd wherfore the sheepherd slepte more surely but it happed that this dogge for his grete_age deyde wherfore the sheepherdes Were Sore troubled and wrothe | and sayd one to other | we shall nomore slepe at oure ease by cause that our dogge is dede | for the wulues shall now come andete our sheep and thenne a grete wether fyers and proyd | whiche herd alle these wordes came to them and sayd | I shalle gyue yow good counceylle Shaue me | and put on me the skynne of the dogge. And whanne the wulues shalle see me they shalle haue grete fere of me And whanne the wulues came and sawe the wether clothed with the skynne of the dogge | they beganne all to flee and ranne awey It happéd on a day that a wulf whiche was sore hongry | came and toke a lambe | and after ran awaye therwith | And thenne the sayd wether ranne after hym | And . * Abgedruckt mit der deutschen version zusammen in Oesterley's aus- gabe von Stainhöwel's Aesop. «- » N- 79 , , Y .. v the wulf whiche supposed that it had ben the dogge shote thryes by the waye for the grete fere that he had | And ranne euer as fast as he coude and the wether also ranne after hym withoute cesse ty that he ranne thurgh a busshe full of sharpthornes | the whiche thornes rente and brake alle the dogges skynne | whiche was on hym And as the wulf loked and sawe behynde hym beynge moche doubtous of his dethe sawe and per- ceyued alle the decepcion and falshede of the wether | And forthwith re- torned ageynste hym | and demaunded of hym | what beest arte thow And the wether ansuerd to hym in this maner | My lord I am a wether whiche playeth with the And the wulf sayd | Ha mayster, ought ye to playe with your mayster and with your lord | thow hast made me so Sore aferd | that by the weye as I ranne before the | I dyte shyte thre grete toordes | And thenne the wulf ledde hym vnto the place where as he had shyte sayenge thus to hym | Loke hyther | callest thow this a playe I take hit not for playe For now I shalle shewe to the how thou oughtest not to playe so with thy lord | And thenne the wulf took and kylled hym | and deuoured and ete hym. And therfore he that is wyse muste take good hede | how he playeth with hym whiche is wyser | more sage and more stronge | than hym self is. Unsere fabel, besonders aber ihre moralitas, beeinflussste in auffälliger weise den Douglas in seinen Thrie Tailes of the thrie Priests of Peblis'; vgl. z. b. Henrisone v. 2607: “Bot he! wes wyse that bad his sone considder: “Bewar in welth, for hall-benkis ar richt slidder”.' Priests of Peblis V. 614: “For wit thou weill, Hall bin ks aray slidder'. Nachweisungen dieser fabel. Stainhöwel's deutsche übersetzung: fabel von dem hund, wolff und widder (in Oesterley's ausg. s. 232); lat. fassung: De cane, lupo etariete (ibid. s. 231); Baldo, alter Aesopus, 21 (bei Du Méril, poés. inéd.). – Es ist dies auch die einzige fabel aus Henrisone's sammlung, die sich bei Gay widerfindet I, 17: - The Shepherd's Dog and the Wolf. XII. The tail of the Wolf and the Lamb, V. 2616–2776. Es ist die bekannte Aesopische fabel, wo der wolf mit einem an demselben bache trinkenden lamme hader sucht und jenes schliesslich auffrisst. Die moralitas richtet sich gegen die brutalität und habsucht der grossen, wie auch gegen die * Siehe anm. auf seite 12. 80 mängel der gerichtspflege, bei denen der arme nie zum rechte gegen seine bedrücker gelangen könne. An dieser fabel ist das verhältniss der moralitas zur eigent- lichen fabel zu tadeln, indem erstere beinahe ebenso viele strophen zählt wie letztere (10: 13). Es ist dies auf rechnung des ausgesprochen satirischen charakters der fabel zu setzen, und in der tat zeigt fast keine andere in ebenso unverblümten worten die tendenz: “to repreue the haill misleuing“, die der dichter nach diesen worten des prologs (v. 6) seinen fabeln zu grunde legen will. Quelle ist der Anonymus I, 2: De lupo et agno, dessen distichen er sehr frei bearbeitete und dabei nicht unwesentlich durch Lydgate's fabel beeinflusst wurde: “The secunde tale of Isope, declaryng how the wolf founde agenst the lamba quarel'.! Mit letzterer hat Henrisone eine gleiche auffassung wie auch eine gleiche nutzanwendung gemeinsam, insofern als beide fassungen in dem streben gipfeln, die parteilichkeit in der da- maligen rechtspflege und die unterdrückung der armen durch die grossen zu geisseln. Dem gegenüber hat der Anonymus die einfache moral: Sic nocet innocuo nocuus, causamque nocendi Invenit; hii regnant qualibet urbe lupi. Sind auch nur wenige nahezu deckende parallelstellen zwischen Lydgate und Henrisone anzuführen, - Lydg. str. 9 The wolf is likened to folkes ravenous, The sely lamb resemblith the poraile The wolf is gredy, fel, and dispitous, Henr. 2707 The pure people this lamb may signifie, 2728 ff. Ane vther kynd of wolfis rauenous Ar michtie men, hauand full grit plentie, . Quhilkis ar sa gre die and Sa couetous, so ist dies durch die originalität unseres dichters zu erklären, bei der nirgends eine plagiarische benutzung seiner vorlagen zu konstatieren ist. Gekannt hat Henrisone diese Lydgate'sche fabel zweifellos, s. o. 10. fabel; vielleicht würden sich auch noch einige andere anklänge hervorheben lassen, wenn nicht in dem Harl. ms. 2251 gerade der wichtigste teil dieser zweiten fabel * Harl. ms. 2251, fol. 286a ff. . 81 Lydgates fehlte, der den dialog zwischen wolf und lamm ent- halten haben muss. » Der einfluss Henrisone's mit dieser satirischen fabeldichtung auf Dunbars General Satire ist unverkennbar und sei hier nur angedeutet (siehe auch 6. fabel). Nachweisungen. »- Aesop. Corai 229: Avxog xai Agg (zwei fabeln), Aes. Furia 101: Aixog xai Aovög; Nevelet s. 233; Babrius 89: Avxog xai Aoviov; Gabrias 35; Aes. Camer. s. 163; Phaedrus I, 1, bei Dressler s. 33; bei Burmann s. 7; bei Müller s. 1; Romnlus I, 2; Anonymus I, 2, bei Nevelet s. 487; Nilant s. 2 und 67; Brom- yard, Summa Praedicantium A, 12,45; Vincentius Bellovacensis, Spec. doctr. 3, 114; Spec. histor. 2, 2: Contra calumniosos; Pel- bartus, quadragesimale 22; Dialog. creatur. 51; Wright, Lat. Stories I, 2: De agno et lupo; Odo von Cerington, Oxforder hs. codex Douce 88, no. 67 (siehe Ebert's Jahrb. 9, s. 121 ff); Neckam 10 (bei Du Méril); Ysopet I, 2; II, 10 (Robert 1, s. 58, 60 etc.); Marie de France II: Dou Leu é de l'Aigniel; Haudent 113; Le Noble 2, 210; Lafontaine I, 10; Boner 5 (Pfeiffer's ausgabe s. 9); Keller, Altd. Erz. s. 495; Stricker 3, 169 (Grimm, Altd. Wälder); Geiler, Narrenschiff 78; Geschwarm (Scheible's Kloster s. 660); Luther (Jena) 5, 405a (Wolff vnd Lämmlin); B. Waldis I, 2 (Kurz, Deutsche Bibl. I, s. 17); H. Sachs (Kempten) I, 4, 978; Eyring 1, 487: Der Hund hat Leder fressen; 3, 458: Wer den andern vermagk, der stöst jhn in Sack; Er. Alberus 6 (Frankf. 1590); Wolgemuth 2; Fromann, Lesebuch 1,48; Kirchhof, Wend- unmuth I, 57 (wolff und lamb); VII, 37 (Gewalt geht für Recht); Gerh. v. Minden 2 (Niederd. Denkm. bd. II, s. 3); Stainhöwel I, 2 (ausg. v. Oesterley s. 81); Caxton I, 2 (wolf and lambe); Wyn- kyn de Worde I, 2; Guicciardini s. 206: La crudeltà ne con ragione ne con humiltà placarsi mai; Tuti-Nameh (übersetzt von Rosen) 1, 229: Vom Löwen und vom Schafe. -. XIII. The taill of the Paddok and the Mous, V. 2777–2975. Diese erzählung, die entschieden zu den anmutigsten erzeugnissen Henrisone's zu rechnen ist, gründet sich auf die In der hs fehlt fol. 287 mit ca. 10 Chaucerstrophen; erhalten sind noch 1 1 strophen. 6 82 bekannte Aesopische fabel vom frosch und der maus. Der verlauf bei unserm dichter ist kurz folgender: Eine hungrige maus sieht, ihren weg zu einem kornfelde durch einen fluss gesperrt. Da sie letzteren wegen ihrer kurzen beine nicht durchwaden kann, auch des schwimmens unkundig ist, so rennt sie “with mony pietous peip' am ufer auf und ab, bis endlich eine kröte ans ufer klettert und sie nach ihrem begehr fragt; dieser klagt sie nun ihre not, dass sie weder boot noch fähr- mann finden und wol schwerlich zur stillung ihres hungers nach jenem getreidefelde gelangen könne, da sie nicht einmal das fährgeld bei sich habe. Auf das anerbieten der kröte, sie ohne alle nautischen hilfsmittel selbst über den fluss bringen zu wollen, weicht sie anfangs entsetzt zurück, da ihr deren hämische züge berechtigten argwohn einflössen, geht aber schliesslich vom hunger getrieben auf den vorschlag ein unter der bedingung, dass ihr die kröte den mördereid leiste. Letztere willigt ein und schwört beim Jupiter, “die maus übers wasser zu bringen'. Ohne den im eide liegenden dolus zu merken, bindet sich nun die maus nach dem vorschlage der kröte mit dieser vermittels eines fadens fest, und so beginnt die gefähr- liche wasserpartie. In der mitte des flusses angekommen, taucht aber die kröte unter, um die maus mit nachzuziehen und zu ersäufen. Vergeblich beruft sich diese auf den empfangenen eid und umsonst nimmt sie alle kraft zusammen, sich über wasser zu halten; sie wird schwächer und schwächer, ihr atem geht aus und in ihrer todesangst ruft sie zuletzt noch, um zu beichten, nach einem priester. – Mittlerweile hat ein geier diesem treiben zugesehen, der sich nun herabsenkt, die doppelte beute erfasst und sie zum frasse fortführt. Die moralitas warnt vor treuloser genossenschaft und er- geht sich schliesslich in einer phantasievollen allegorie, in welcher der fluss mit der welt, die nach oben strebende maus mit der seele, die zum verderben hinabdrängende kröte mit dem körper und der plötzlich sich einstellende geier mit dem stets drohenden tode verglichen werden. – In der letzten strophe nimmt der dichter abschied vom leser; die weitere nutzanwendung dieser fabel wolle er den geistlichen über- lassen. In einer ursprünglich anzunehmenden sammelhandschrift, auf Welche jedenfalls auch die auf uns gekommenen manuskripte 8Z und alten drucke zurückgehen, schien der betr. schreiber die letzte strophe dieser 13. fabel fälschlich als schlussstrophe für Henrisone's sämmtliche fabeldichtungen angesehen zu haben. Daher auch in unserer handschrift jene unchronologische an- ordnung der einzelnen fabeln, wie sie uns schon oben bei der datierung auffallen musste (auf s. 12 habe ich dieselbe wol an- nähernd richtig gestellt). Wenn Henrisone sagt v. 2969 ff.: “Adew, my freind; and gif that ony speiris, Of this fabill sa schortlie I conclude, Say thow, I left the laif vnto the freiris, To mak exempill and ane similitude', so beziehen sich diese worte lediglich auf diese eine fabel und “I left the laif" ist nicht zu deuten, als ob unser dichter ein weiteres erzählen von anderen fabeln den predigern überlassen wollte, wie es jener schreiber aufgefasst zu haben scheint, sondern erklärt sich durch eine gleiche fabel Lydgates, wo dieser die moralitas noch weiter ausdehnt (gegen false- nesse, frawde, vnkyndnesse, ingratitude etc.) und so unsern dichter zu jenen worten veranlasste. [Bei Lydgate, strophe 21 und 22, bei Henrisone v. 2969 ff.; siehe die betreffenden stellen unten s. 84. Quelle ist der Anonymus I, 3: De rana et mure; starke beeinflussung zeigt sich durch die ebengenannte fabel Lydgate's.! Während unser dichter genau dem gange der distichen folgt und diese nur in einzelnen zügen erweitert, gibt Lydgate die ganze vorgeschichte bis zur flusspassage vollständig abweichend, indem er dort die bewirtung des frosches bei der maus in der mühle erzählt. (Der einfluss dieses ersten teiles auf Henri- sone's 2. fabel wurde an betreffender stelle schon erörtert) Ausschliesslich auf rechnung des Anonymus ist zu setzen: Henr. 2789 [ane paddok] With voce full rauk – – – Anon. venit obviam muri | ran a lo quax, Henr. 2857 And bind thy leg to myne with knottis fast'. Anon. 7 Pes cogit ergo pedem, – – – dagegen Lydg. 19. str. “No', quod the frossh, “I shaltey a threde F Aboute thi nekke, – – – – – – bei beginn der flusspassage: Henr. 2876 “Bot in thair myndis thay war richt different', Anon. 7 – – – sed mens a mente recedit. The V. fable of Isopos discernyng the myschief, that the frossh for hisingratitude shewed to the mowse. – Umfasst 24 Chaucerstrophen und steht ebenfalls in dem schon erwähnten Harl. ms. 2251, fol. 293b. 6* 84 Die stellen bei Henrisone, wo der frosch den mördereid leistet (v. 2865 ff) und ihn bricht (v. 2884 ff.), gründen sich auf Anonymus v. 9: - [amico Naufragium faciens naufragat ipsa (rana) fidem. Auch vom ausweiden der tiere durch den geier ist in keiner anderen lateinischen fassung, auch nicht bei Lyd- gate die rede; - Henr. 2903 “Syne bowellit thame, that bucheour, with his bill', Anon. v. 14 – – – ambo (rana et mus) jacent, Viscera rupt a fluunt. Einfluss der Lydgate’schen fabel. Von der stelle an, wo maus und frosch wegen der über- setzung über den fluss unterhandeln (Lydg., 18. strophe, Henr., 12. strophe, v. 2854 ff.), gehen beide fassungen ziemlich eng nebeneinander her; parallelstellen sind: Lydg. 5. str. The frossh of custom abode at the revere, Henr. v. 2936 The paddok, vsand in the flude to duell, Lydg. 19.str. The mowse answerd quakyng in his drede, “I have of swymmyng none experience'. Henr. 2780 Scho (the mous) culd not swym, – – – l 2858 “I (paddok) sall the leir to swym, be not agast. Lydg. 20. str. Thus gan the frossh covertly to fayne, Of false frawde the litel mowse to drowne; The frosshe by swymmyng dide his besy payne, To make the mowse lowe to plunge adowne. K Henr. 2877 The mous thocht of na thing bot for to swym, The paddok for to droun set hir intent. With all hir force the paddok preissit doun, And thocht the mous without mercie to droun. Lydg. 22. Str. ingratitude is worse than pestilence – Henr. 2912 ane wickit mynd | passis far all kinde of pestilence. Lydg. 21. Str. For this conclusioun, clerkis, put in mynd, That lawe and nature playne of folkis vnkynd. 22. str. Of vices al shortly to conclude N Henr. 2969 – – – and gif that ony speiris, Of this fabill sa schortlie I conclude, . Say thow, I left the laif vnto the freiris, etc. Einer beeinflussung auf v. 2947 durch Jakobs“ King's Quair“ Wurde schon bei gelegenheit der 10. fabel gedacht, - Nachweisungen dieser fabel. Aesop. Corai 245: Mög xa Bátoaxog (zwei fabeln); Aesop. Furia 307; bei Nevelet s. 249; im leben Aesop's von Planudes; 85 Phaedrus, ausg. v. Burmann app. 6; Müller VII, 1, s. 86: Mus et rana; Romulus I, 3, bei Nilant 4; Anonymus I, 3, bei Wyn- kyn de Worde I, 3; bei Nevelet s. 488; Camerarius, Fab. Aesop. s. 57; Galfredus 3; Oxf. hs, codex Douce 88. 19 (Ebert's Jahrb. IX, s. 121 ff); Neckam 6 (Du Méril); Wright, Latin Stories I, 3: De mure et rana; Vincentius Bellovacensis, Spec. doctr. 3, 114; Spec. hist. 2, 2: Contra insidiosos; Dialog. creatur. 107; Brom- yard, Summa Praedicantium P, 13, 37; Ysopet I, 3; II, 6 (s. RO- bert 1, 259–261); Marie de France III: De la Soris é de la Renoille; Haudent 114; Le Noble 98; Lafontaine 4, I1; Boner 6 (s. Pfeiffer's ausg. s. 10); B. Waldis I, 3 (Kurz, D. Bibl. I, S. 18), etwas modifiziert; Stricker 3. 177 (Altd. Wälder); Luther 5,405; Er. Alberus 2; H. Sachs I, 4, 980; Rollenhagen, Froschmeuseler: Quackebauchs Historie; Gerhard v. Minden 3 (Niederd. Denkm. II, s. 5 ff); Wolgemuth 3; Kirchhof, Wendunmuth VII, 71: Straff der undanckbarkeit. (Diese letzten beiden bearbeitungen haben auch wie Lydgate die froschbewirtung als einleitung) Stain- höwel I, 3: mus, frosch und wyen. (ausg. v. Oesterley s. 82); Caxton I, 3 (of the rat and of the frogge); Bidpai, fables (trad. par Galland et Cardonne, Paris 1788) 3,87; Pantschatantra, übers. v. Benfey (Leipzig 1859) 1, 223. Zum Schlusse sei nun auf grund der vorhergegangenen untersuchung kurz zusammengefasst, in welchem Verhält- miss die fabeln Henris one's zu ihren quellen stehen. Es war bei jeder einzelnen bearbeitung die grosse und erfreuliche selbständigkeit hervorzuheben, mit der Henrisone den vorliegenden stoff stets nach seinen eigenen intentionen zu gestalten und ihn, mit eigenen gedanken und motiven er- weitert, in durchweg origineller weise zum poetischen ausdruck zu bringen wusste. Mit den innersten triebfedern des tierlebens vertraut, baute er oft aus geringen andeutungen seiner vorlagen die phantasievollsten episoden auf, in denen dramatische be- lebung und epische ausführlichkeit nicht die geringsten vor- züge unseres dichters bilden. Durch höchst geschickte ver- knüpfung einzelner züge wusste er selbst auch neue fabeln zu schaffen (die vierte und fünfte), die durch ihre treue wahrung der tiermasken, wie durch die feine und naive darstellung des 86 tierlebens geradezu muster der fabulierenden erzählung genannt zu werden verdienen. a - Die abweichungen von seinen quellen lassen sich im wesent- lichen als folgende kennzeichnen: 1. Erweiterungen in einzelnen zügen des tierlebens und vorwiegend in den beigefügten moralitäten, die er mit allegorien und ausführungen dogmatischen gepräges wie mit politisch-tendenziösen anspielungen ausschmückt. 2. Kürzungen, indem er weitere ausführungen der vor- lagen, die nicht streng in den rahmen seiner einzelerzäh- lungen hineingehörten, unberücksichtigt liess. Dies gilt besonders den einzelnen branchen des Roman du Renart wie den Lydgate'schen fabeln und Chaucer's “Nonne Prestes Tale" gegenüber. 3. Einkleidung der darstellung in dialogische for- men, was vorwiegend den lateinischen distichen gegen- über in betracht kommt. »- 4. Geschickte einschaltung schottischer, wie auch bis- weilen lateinischer sprichwörter. - 5. Ersetzung der in den französischen branchen, bei Cax ton etc. gebräuchlichem epischen tiernamen durch solche, die in Schottland populärer waren, wie Tod, Tod-Lowrie, Lowrence, auch father Wer (5. fabel) für den fuchs, Russell, freir Waitskaith für den wolf, Spru- tok, Pertok, Tappok für die hennen etc.; vgl. auch die hundenamen, 3. fabel v. 546–47. Bezüglich ihrer originellen anlage und trefflichen, humo- ristischen durchführung nehmen unter allen seinen fabeln, die 2., 4., 5., 9., 10. und 13. zweifellos den ersten rang ein; in der fünften macht sich die reichste epische entfaltung geltend. Unter den dichtern, die in gedanken und sprache einfluss- reich auf Henrisone wirkten, stehen oben an Lydgate, Jakob I. und Chaucer; ausserdem ist mehrfach auf den einfluss hin- gewiesen worden, den Henrisone seinerseits bes. auf Douglas und Dunbar ausübte. W IT A. Ich wurde geboren am 12. August 1860 zu Niederbobritzsch in Sachsen, wo mein seliger vater, Friedrich Immanuel Diebler, eine bildhauerei und sandsteinniederlage besass. Nach dessen frühzeitigem tode im jahre 1866 verzog meine mutter, Pauline Wilhelmine geb. Anke, nach Freiberg und verheiratete sich später wider an meinen jetzigen stiefvater, den dortigen bildhauereibesitzer Carl Wilhelm Schimmel. Nachdem ich meinen ersten unterricht an der bürgerschule zu Freiberg genossen, besuchte ich daselbst das gymnasium Al- bertinum und hierauf das dortige realgymnasium, das ich Ostern 1880 absolvierte. Um mich nun dem studium für neuere philo- logie zu widmen, ging ich zunächst behufs praktischer aus- bildung im Französischen nach Lausanne, woselbst ich an der Academie u. a. besonders die vorlesungen des herrn prof. Renard über romanische philologie hörte, dann nach Genf und kehrte im herbst wider nach Freiberg zurück, um dort meiner militär- pflicht als einjährig-freiwilliger zu genügen. Michaelis 1881 bezog ich sodann die universität Leipzig, verblieb vier semester und wante mich hierauf im August 1883 nach London, um am Britischen Museum eingehendere studien des Altenglischen und Schottischen zu treiben und mich den vorarbeiten vorliegender dissertation wie der zugehörigen textausgabe zu widmen. Ende März 1884 ging ich dann nach Paris, arbeitete daselbst bei dreimonatlichem aufenthalte in der Bibliothèque Nationale und kehrte hierauf an die universität Leipzig zurück. Während 88 meiner studien an letzterer hörte ich vor allem die vorlesungen der herren professoren Drobisch, Ebert, Heinze, Hilde- brand, Hofmann, Masius, Strümpell, Wülker, Zarncke und beteiligte mich an den übungen resp. seminarien der herren v. Bahder, Masius, Wülker und Zarncke. « Es sei mir gestattet, noch hierbei meiner angenehmsten pflicht ausdruck zu geben und allen den genannten herren für die vielseitige anregung, die mir durch sie bei meinen studien geworden, auch an dieser Stelle meinen wärmsten dank aus- zusprechen. Arthur Richard Diebler. - UNIVERSITY OF MCHIGAN «. „“ n - „X. "Ägó5 03964 § - H - - . . \ W - ** . . ' r d A »