key: cord-1045727-g2ev81uy authors: Dutsch, Alexander; Kessler, Thorsten title: Long-COVID: kardiovaskuläre Implikationen date: 2022-04-06 journal: CV DOI: 10.1007/s15027-022-3652-3 sha: b1e5ac98f8af5d578c90ba69f4ab434b1dc16605 doc_id: 1045727 cord_uid: g2ev81uy nan S eit Ende 2019 haben sich weltweit ca. 281 Mio. Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert und ca. 5,4 Mio. Menschen (2 %) sind an den Folgen von COVID-19 bzw. mit der Erkrankung gestorben [1] . Im Laufe der Pandemie haben sich Berichte über länger anhaltende klinische Beschwerden nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion gemehrt, z. B. Abgeschlagenheit oder Dyspnoe. Dies wird unter den Begriffen Long-COVID bzw. Post-COVID zusammengefasst und stellt, neben der Belastung des Gesundheitssystems durch hospitalisierte Patienten mit akuter COVID-19-Infektion, eine zunehmende Herausforderung in der ambulanten Patientenversorgung dar. Persistieren die Beschwerden einer akuten COVID-19-Erkrankung mehr als vier Wochen, so spricht man von Long-COVID. Treten hingegen Beschwerden über mehr als 12 Wochen nach einer akuten COVID-19-Erkrankung auf, die nicht durch andere Erkrankungen hinreichend erklärt werden können, so spricht man vom Post-COVID-Syndrom bzw. Post-COVID (Abb. 1). Der Bezug zwischen Symptomatik und CO-VID-19-Erkrankung ist auch bei fehlendem Virusnachweis (z. B. mittels Virus-PCR im Nasenrachenabstrich) letztlich aufgrund des zeitlichen Zusammenhanges und der Häufung entsprechender Beschwerden seit dem Beginn des Pandemiegeschehens anzunehmen [2] . Man kann eine Häufigkeit von Long-COVID von mindestens 15 % nach akuter COVID-19-Erkrankung annehmen [3] . In der Post-acute COVID-19 US Study zeigten 32 % der Teilnehmer persistierende Symptome [4] ; laut einer italienischen Studie berichteten sogar mehr als 44 % der Teilnehmer über eine reduzierte Lebensqualität aufgrund persistierender Symptome [5] Die aktuellen Theorien zur möglichen Pathophysiologie von Long-COVID begründen sich vor allem aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit mit SARS-CoV-1 und MERS-CoV [8] , den Viren die das Schwere Akute Respiratorische Syndrom (SARS) bzw. das "Middle East Respiratory Syndrome" (MERS) auslösen und den im Rahmen dieser Erkrankungen gewonnenen Erkenntnissen und geführten Überlegungen. So werden zum einen virusspezifische Organschäden und Organveränderungen aufgrund einer Persistenz des Virus in den Organen diskutiert, welche zu einem strukturellen Umbau der Organe führen und so langfristig deren Funktion alterieren könnten. Zum anderen werden immunologische Veränderungen aufgrund des inflammatorischen Kollateralschadens im Rahmen der Akuterkrankung für die klinische Symptomatik verantwortlich gemacht [9] . Nicht mit CO-VID-19 direkt, aber mit den Folgen einer prolongierten Intensivtherapie bei schwerem Verlauf, werden Veränderungen durch die "Critical Illness" diskutiert: mikrovaskuläre Ischämie, Folgen der Immobilität, metabolische Veränderungen; ferner auch Folgen sekundärer Komplikationen im Rahmen der Akuterkrankung (Superinfektionen, Thrombosen, Hyperkoagulabilität) [9] . Häufig berichtete Beschwerden bei Long-COVID sind persistierende Dyspnoe und eine eingeschränkte körperliche sowie geistige Leistungsfähigkeit. Neben weiteren organspezifischen Symptomen (Abb. 2) berichten viele Patienten nach akuter COVID-19-Erkrankung zudem von Fatigue als Allgemeinsymptom [10] . Diese ist gekennzeichnet durch eine subjektive Erschöpfung, die sich auch nicht durch Schlaf oder Erholung bessert. Allerdings existiert kein klares Leitsymptom von Long-COVID, auch pathognomonische laborchemische oder durch technische Untersuchungen detektierbare Veränderungen lassen sich aktuell nicht identifizieren. Das Risiko für eine Fatigue scheint unabhängig von der Schwere der akuten COVID-19-Erkrankung zu sein [10] . Jedoch ist das Risiko für eine Fatigue bei Patienten, die im Rahmen der akuten Erkrankung stationär behandelt werden mussten, größer als bei Patienten, die nicht hospitalisiert waren [11, 12] . Hier könnten auch psychosoziale Aspekte eine Rolle spielen, wie z. B. vorbestehende psychische Erkrankungen (Depressionen, Angstsörungen, Somatisierungsstörungen) oder ein niedriger sozioökonomischer Status. Analog hierzu sind auch bei anderen viralen Erkrankungen postinfektiöse Syndrome mit Fatigue beschrieben; ein klassisches Beispiel ist die Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus [13] . Wie oben bereits beschrieben, scheinen andere Organmanifestationen (Abb. 2) subklinisch bereits bei mildem bis moderatem Verlauf von COVID-19 aufzutreten und zu persistieren [7] . Wahrscheinlich ist die Schwere der persistierenden Symptome/Organmanifestationen auch abhängig von der akuten Erkrankung [11] . Neben pulmonalen Symptomen (z. B. persistierende Dyspnoe) und möglichen fibrotischen Veränderungen, stechen neuropsychiatrische Veränderungen (u. a. kognitive Beeinträchtigungen, Konzentrationsstö-rungen -sog. "brain fog") und thrombo embolische Komplikationen (tiefe Venen thrombose, TVT; Lungenarterienembolie, LAE) hervor. Seltenere Komplikationen sind Erstmanifestationen einer diabetischen Stoffwechsellage mit diabetischer Ketoazidose oder Schilddrüsenerkrankungen, wie z. B. eine subakute Thyreoiditis oder auch kutane Manifestationen, wie z. B. Haarausfall. Zudem können Myalgien auftreten oder Kontrakturen der Muskeln/Sehnen v. a. nach langem Intensivaufenthalt. Möglich ist auch eine dauerhaft reduzierte Nierenfunktion oder eine Veränderung des intestinalen Mikrobioms (Abb. 2). Jedoch sind die Auswirkungen des letzteren noch unklar. Im Rahmen der akuten SARS-CoV-2-Infektion kann es zu einer direkten Virusinfektion des Herzens (und möglicherweise auch der Kardiomyozyten) kommen, wobei die Viren mitunter kardial persistieren können [14] . Dies könnte langanhaltende kardiale Symptome erklären. Zudem scheint die immunologische Antwort auf eine mögliche Persistenz der Viren in der Folge die struktu- [2, 7] . Anders als bei der Fatigue scheint die Inzidenz dieser Komplikationen direkt mit dem Schweregrad der Akuterkrankung assoziiert zu sein. Zudem ist das Risiko für Komplikationen bei schwerem Verlauf mit stationärer Therapie im Rahmen der akuten CO-VID-19-Erkrankung im Vergleich zu einem leichteren Verlauf bei ambulant geführter Therapie doppelt so hoch [15] . Analog zu einer Influenzainfektion besteht nach einer COVID-19-Pneumonie ein 30-50 % erhöhtes Risiko für einen Myokardinfarkt und ischämischen Schlaganfall [16, 17] . Weitere häufige Symptome nach einer COVID-19-Erkrankung können z. B. thorakale Beschwerden bei Belastung (Angina-Äquivalent), Palpitationen oder das Auftreten inadäquater Tachykardien sein (Abb. 1) [2] . Observationsstudien zeigen, dass Palpitationen bzw. Tachykardien bei ca. 20 % bzw. 14 % der Patienten auftreten können [5, 18] . Häufiger wird zudem über eine posturale Tachykardie (POTS) berichtet, vor allem gekennzeichnet durch inadäquate Veränderungen der Herzfrequenz bei Lageänderung und eine reduzierte Ausdauertoleranz [19] . Bei Vorliegen kardiovaskulärer Komplikationen im Rahmen der Akuterkrankung sollte ca. 6-12 Wochen nach Erkrankung bzw. Entlassung aus dem Krankenhaus eine Basisdiagnostik, bestehend aus klinischer Untersuchung, EKG, transthorakaler Echokardiografie sowie Labordiagnostik (mit hochsensitivem Troponin-T/I und NT-proBNP), erfolgen (Abb. 1). Hier ist besonders auf neue Einschränkungen der LV-Funktion, EKG-Veränderungen sowie erhöhte kardiale Marker zu achten. Bei persistierender Symptomatik (Angina pectoris, Dyspnoe) wird überdies eine ergometrische/spiroergometrische Untersuchung empfohlen [9] . Im Einzelfall -speziell bei der Detektion von auffälligen Befunden in der Echokardiografie -sollten weitergehende bildgebende Untersuchungen wie eine kardiale MRT-Untersuchung erwogen werden. In einer Studie aus dem Jahr 2020 zeigte sich hier der Hinweis auf eine mögliche Persistenz der Erkrankung bzw. strukturelle Veränderungen, vergleichbar mit einer Myokarditis; allerdings sind diese Ergebnisse in der Folge durchaus kontrovers diskutiert worden (kleines Patientenkollektiv, kardial vorerkrankte Patienten im Studienkollektiv) [20] und weitere Untersuchungen sollten hier in der Zukunft Klarheit bringen. Neben einer kardialen MRT-Untersuchung sollte im Einzelfall eine CT-Untersuchung (Lunge und Herz) zum Ausschluss pulmonaler Pathologien und einer stenosierenden koronaren Herzerkankung sowohl bei Angina pectoris als auch persistierender Dyspnoe/Abgeschlagenheit sowie pathologischen Befunden im Belastungs-EKG erwogen werden [9] . Für Long-COVID sowie für damit einhergehende Organmanifestationen gibt es bisher keine spezifische Therapie. Im Allgemeinen wird bei vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen empfohlen, die zuvor initiierte medikamentöse Therapie fortzusetzen. Bei reduzierter LV-Funktion sollte eine leitliniengerechte Herzinsuffizienztherapie erfolgen oder begonnen werden (z. B. ACE-Hemmer/AT1-Antagonisten, Betablocker, ARNI, SGLT2-Inhibitoren). Bei Indikation für eine orale Antikoagulation sollte diese initiiert bzw. fortgesetzt werden (z. B. Lungenarterienembolie, Vorhofflimmern, mechanischer Klappenersatz). Keine Empfehlung kann -bei unklarer Risiko-Nutzen-Abwägung -hingegen für eine generelle Thromboseprophylaxe nach unkompliziertem oder schwerem Verlauf von COVID-19 abgegeben werden [9] . Bei POTS oder inadäquater Sinustachykardie (ohne andere Ursache) kann ggf. eine medikamentöse Therapie mit niedrig dosierten Betablockern oder "off-label" mit Ivabradin begonnen werden. Zurückhaltend sollte die Indikation für Amiodaron gestellt werden, insbesondere bei Patienten, die aufgrund einer COVID-19-Pneumonie mögliche strukturelle Veränderungen an der Lunge erlitten haben. Allen Patienten sollte ein langsam aufbauendes Ausdauertraining empfohlen werden. Leistungssportler mit kardiovaskulären Komplikationen im Rahmen der Akuterkrankung hingegen sollten nach überstandener Erkrankung ca. 3-6 Monate keinen Sport betreiben und vor Wiederaufnahme eine kardiale MRT-Untersuchung mit der Frage nach strukturellen kardialen Veränderungen durchführen lassen [9] . Durch die hohe Anzahl an Neuerkrankungen ist auch zukünftig mit vermehrten Fällen von Long-COVID zu rechnen. Dies könnte insbesondere im ambulanten Sektor zu einem erhöhten Patientenaufkommen beitragen. Vieles über Long-COVID ist allerdings noch unverstanden. Langfristige Folgen über Zeiträume von mehr als 6 Monaten sind Gegenstand aktueller Studien. Es wird zudem untersucht, ob eine akute COVID-19-Erkrankung auch längerfristig eine Myokarditis bedingen kann. Darüber hinaus ist noch unklar, ob bei infizierten geimpften Personen nach Impfdurchbrüchen auch ein erhöhtes Risiko für Long-COVID besteht und ob sich die klinische Ausprägung in diesem Patientenkollektiv von infizierten, ungeimpften Personen unterscheidet. Das Auftreten neuer SARS-CoV-2-Varianten kann ebenfalls einen Einfluss auf den akuten Verlauf von COVID-19 und chronische Folgezustände wie Long-COVID/ Post-COVID haben. Das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen (Myokardinfarkt, ischämischer Schlaganfall, Myokarditis, Thromboembolien) ist nach akuter COVID-19-Erkrankung signifikant erhöht. Patienten mit vorbekannten kardiovaskulären Erkrankungen oder mit kardiovaskulären Komplikationen, die im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung hospitalisiert waren, sollten 6-12 Wochen nach Entlassung aus dem Krankenhaus einer ambulanten kardiologischen Basisdiagnostik zugeführt werden. Hier ist insbesondere auf neue Einschränkungen der Belastbarkeit und der LV-Funktion zu achten. Gegebenenfalls sollte eine leitliniengerechte Herzinsuffizienztherapie eingeleitet werden. Bei persistierenden Symptomen ist die Diagnose Long-CO-VID in Erwägung zu ziehen. Neben einer engmaschigen kardiologischen Betreuung sollte in Abhängigkeit der bestehenden Beschwerden ein interdisziplinärer Therapieansatz unter Einbeziehung weiterer Fachdisziplinen (u. a. Allgemeinmedizin) angestrebt werden. Coronavirus disease (COVID-19) pandemic Post-acute COVID-19 syndrome Attributes and predictors of long COVID Sixty-Day Outcomes Among Patients Hospitalized With COVID-19 Persistent Symptoms in Patients After Acute COVID-19 Immunoglobulin signature predicts risk of post-acute COVID-19 syndrome Multi-organ assessment in mainly non-hospitalized individuals after SARS-CoV-2 infection: The Hamburg City Health Study COVID programme Genomic characterisation and epidemiology of 2019 novel coronavirus: implications for virus origins and receptor binding Persistent fatigue following SARS-CoV-2 infection is common and independent of severity of initial infection 6-month consequences of CO-VID-19 in patients discharged from hospital: a cohort study Prevalence and Determinants of Fatigue after COVID-19 in Non-Hospitalized Subjects: A Population-Based Study CDC Grand Rounds: Chronic Fatigue Syndrome -Advancing Research and Clinical Education Association of Cardiac Infection With SARS-CoV-2 in Confirmed CO-VID-19 Autopsy Cases High-dimensional characterization of post-acute sequelae of COVID-19 Acute Myocardial Infarction after Laboratory-Confirmed Influenza Infection Rates of serious clinical outcomes in survivors of hospitalisation with CO-VID-19: a descriptive cohort study within the OpenSAFELY platform Follow-up of adults with noncritical COVID-19 two months after symptom onset Long-Haul Post-COVID-19 Symptoms Presenting as a Variant of Postural Orthostatic Tachycardia Syndrome: The Swedish Experience Outcomes of Cardiovascular Magnetic Resonance Imaging in Patients Recently Recovered From Coronavirus Disease 2019 (COVID-19)