key: cord-1027696-h3sv4x51 authors: Ahlheim, Michael; Bruckmeyer, Stefan; Konrad, Kai A.; Windsteiger, Lisa title: Verlorenes Glück — Zufriedenheitsverluste in der Corona-Krise date: 2020-08-21 journal: Wirtschaftsdienst DOI: 10.1007/s10273-020-2715-2 sha: 0f3b7ad80123351828cc0245c1a9fb04ab420bbe doc_id: 1027696 cord_uid: h3sv4x51 This study illustrates the loss of life satisfaction, and with it the psychological costs of the COVID-19 pandemic and the lockdown measures taken, for self-employed and women. Building on the data collected by Windsteiger et al. (2020) and their internet interviews at the peak of lockdown measures, and looking at specific population subgroups, this essay illustrates that many solo self-employed and women report a significant decline in life satisfaction, and that these effects are strongest where solo self-employment coincides with economic losses and childcare responsibilities for women with children of dependent age. 1 Im Mittelpunkt der Kostendiskussion standen sowohl die durch CO-VID-19-verursachte Übersterblichkeit und mögliche Überlastungen des Gesundheitssystems als auch die durch den Lockdown verursachte Rezession bzw. Einkommenseinbußen. Über Letztere wurde schon viel geschrieben (z. B. European Commission, 2020; Deutsche Bundesbank, 2020; SVR, 2020) . Psychosoziale und gesellschaftliche Kosten der Pandemie und der ergriffenen Maßnahmen fi nden geringere Beachtung (unter anderem Hipp und Munnes, 2020; Bertschek und Erdsiek, 2020; Möhring, Naumann, Reifenscheid et al., 2020; Schröder, Entringer, Goebel et al., 2020) . Tatsächlich führte die Krise zu erheblichen Beeinträchtigungen des Lebens, etwa im Zusammenhang mit der Schließung von Schulen und Kindertagesstätten, im Zusammenhang mit den Besuchsverboten in Krankenhäusern, Pfl ege-und Seniorenheimen, in den Beschneidungen vieler Aktivitäten im Alltagsleben, aber auch in Gestalt von Sorgen und Ängsten, von denen nicht alle wirtschaftlicher Natur sind. Als zentrale Messgrößen für diese Lasten bieten sich Maße des subjektiven Wohlbefi ndens bzw. deren Veränderung an, wie sie in der Glücksforschung seit einigen Jahrzehnten einen erheblichen Aufmerksamkeitszuwachs erfahren haben (Frey und Stutzer, 2002; Helliwell und Putnam, 2004; Clark, Frijters und Shields, 2008; Diener, 2012; Clark, 2018; Diener, Oishi und Tay, 2018) . Wir nutzen die Antworten von 4.000 Befragten aus einem Internetexperiment für eine Studie von Windsteiger, Ahlheim und Konrad (2020) Analysen und Berichte Corona-Krise verluste berichten als die Gesamtgruppe von Solo-Selbständigen und das entsprechend auch für negativ betroffene Unternehmer mit Angestellten gilt. Weniger eindeutig ist die Interpretation der höheren Zufriedenheitsverluste von Solounternehmern im Vergleich zu Unternehmern mit Angestellten. Man hätte auch denken können, dass die Krise Unternehmer mit Angestellten stärker trifft, weil das Volumen des fi nanziellen Verlusts größer ist, weil der Niedergang eines traditionsreichen Familienunternehmens für den Unternehmer mit einem großen Gesichtsverlust verbunden ist oder er es als Versagen seinen Arbeitnehmern gegenüber empfi ndet. Anscheinend wiegen indes Betroffenheitsaspekte bei den Solo-Unternehmern schwerer. Vielleicht hilft in Betrieben mit mehreren Mitarbeitern das Gemeinsamkeitsgefühl in der Krise, das Solo-Unternehmer so nicht erleben. Vielleicht unterscheiden sich die Gruppen auch in ihren Erfahrungen, was vorherige Krisen angeht. Die fi nanziellen Auswirkungen der Corona-bedingten Beschränkungsmaßnahmen unterscheiden sich ebenfalls, sodass auch handfeste fi nanzielle Gründe zu einer größeren Betroffenheit von Solo-Selbständigen führen mögen. Sie können zwar, wie alle Selbständigen mit bis zu fünf Mitarbeitern, im Rahmen der Corona-Soforthilfen der Bundesregierung und der Länder einmalige nichtrückzahlbare Zuschüsse in Höhe von maximal 9.000 Euro beantragen (bei Selbständigen mit sechs bis zehn Mitarbeitern sind es maximal 15.000 Euro), aber diese Zuschüsse dürfen nur zur "Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und der Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen" verwendet werden. "Dagegen können Kosten des privaten Lebensunterhalts wie die Miete der Privatwohnung oder Krankenversicherungsbeiträge nicht durch die Soforthilfe abgedeckt werden." (BMWi, 2020). Für derartige Aufwendungen werden in fi nanzielle Not geratene Solo-Selbständige auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, insbesondere dem Arbeitslosengeld II, verwiesen. Ein Problem vieler Solo-Selbständiger kann darin bestehen, dass sie in Zeiten, in denen sie nicht arbeiten können, nur sehr geringe Betriebskosten haben, weil sie ihren Beruf beispielsweise von ihrer Privatwohnung aus oder mobil von verschiedenen Standorten aus ausüben (Briegleb, 2020) . In einer kürzlich erschienenen Studie zur Reaktion von Solo-Selbständigen auf die COVID-19-Krise fanden Block et al. (2020) , dass ein Großteil der Solo-Selbständigen mit einem Alter von über 60 Jahren inzwischen ans Aufgeben denken. Auch Bertschek und Erdsiek (2020) konstatieren auf Basis einer umfragegestützten Studie des ZEW in Mannheim eine desolate Situation der Solo-Selbständigen: "Jeder Vierte der befragten Soloselbstständigen sieht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, die eigene Selbstständigkeit in den nächsten zwölf Monaten aufge-ben zu müssen. … Bei knapp 60 % der Befragten ist zum Zeitpunkt der Umfrage im April 2020 der monatliche Umsatz um mehr als 75 % eingebrochen. Aufgrund der notwendigen Kontaktbeschränkungen und Shutdown-Maßnahmen konnte jeder zweite befragte Soloselbstständige seine Tätigkeit zum Zeitpunkt der Umfrage überhaupt nicht mehr ausüben." Dass eine solche Situation auf die Lebensfreude drückt, ist leicht nachzuvollziehen. Vor einem Blick auf die Betroffenheitsunterschiede zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern blicken wir auf die unterschiedliche Betroffenheit von Frauen über alle Beschäftigungskategorien hinweg. Eine Rolle könnte spielen, ob eine Frau allein oder mit Partner/Partnerin in einem Haushalt wohnt, ob in dem Haushalt Kinder unter 14 Jahren leben und ob die Frau erwerbstätig ist oder nicht. Abbildung 3 zeigt die Verteilung der Lebenszufriedenheitsverluste für die Gesamtbevölkerung, für die Gruppe der Frauen, für die Gruppe der Frauen mit einem oder mehreren Kindern unter 14 Jahren und für die Teilgruppe unter diesen, die nicht in einem Haushalt mit mehreren Erwachsenen leben. Bei Berücksichtigung der gesamten Stichprobe ergibt sich ein Mittelwert von 1,15. Frauen erfahren hierbei durchschnittlich einen Verlust an Lebenszufriedenheit von 1,34. Für die Teilpopulation der Frauen mit Kindern stellt sich ein Mittelwert von 1,53 ein. Alleinerziehende Frauen weisen einen durchschnittlichen Rückgang der Lebenszufriedenheit von 1,14 Punkten auf. Zu vermuten ist, dass diese Effekte mit der De-facto-Arbeitsteilung innerhalb vieler Ehen und Familien zusammenhängen. Empirische Befunde zur Arbeitsteilung weisen darauf hin, dass Mütter einen deutlich größeren Anteil an der Kindesbetreuung haben (Bianchi, 2000; Tamm, Natürlich sind die fi nanziellen Folgen der Krise von erheblicher Bedeutung für die Gesamtbevölkerung, aber insbesondere auch für Selbständige und Frauen. So stimmen in der Studie von Windsteiger et al. (2020) rund 55 % aller Selbständigen der Aussage "Ich fürchte große negative finanzielle Konsequenzen in der Zukunft" entweder "voll zu" oder "eher zu", während dies im Durchschnitt aller Befragten nur für 42 % der Probanden gilt. Hier zeigt sich, dass die von der Regierung bereitgestellten Corona-Hilfen die fi nanziellen Kosten bei den Selbständigen nur teilweise kompensieren und dass die psychologischen Kosten vor allem auch mit der individuell empfundenen Vulnerabilität der Betroffenen korreliert sind. So sind Selbständige schlechter für die Krise gewappnet als der Durchschnitt der Bevölkerung und sie sind sich dessen offensichtlich auch bewusst. Die Solo-Selbständigen sind noch verwundbarer als der Durchschnitt aller Selbständigen und auch dies spiegelt sich in ihrem entsprechend größeren Verlust an Lebenszufriedenheit wider. Ferner ergeben sich bedeutende Geschlechterunterschiede. Frauen sind stärker betroffen, besonders solche mit Kindern im betreuungsintensiven Alter. Diese Unterschiede gelten insbesondere auch für selbständige Frauen und Unternehmerinnen. Für die Bewertung der Größenordnung dieser Einbußen kann man Vergleiche mit dem Durchschnitt des Rückgangs an Lebenszufriedenheit in der Folge von Schicksalsschlägen heranziehen. Zu Vergleichswerten sei auf Felbermayr et al. (2017, 22) für Daten aus dem GSÖP verwiesen. Diese berichten Rückgänge der Lebenszufriedenheit durch Arbeitslosigkeit von 0,49 Punkten, für Alleinlebende von 0,20, Verwitwete von 0,31, Geschiedene von 0,08. Dies illustriert die erhebliche Größenordnung der in Windsteiger et al. (2020) ermittelten Verluste an Lebenszufriedenheit infolge der Corona-Krise. Soloselbstständigkeit in der Corona-Krise, Digitalisierung hilft bei der Bewältigung der Krise, ZEW expert brief Maternal employment and time with children: Dramatic change or surprising continuity? 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