key: cord-1022234-2qa41xoj authors: Speth, M. M.; Speth, U. S.; Sedaghat, A. R.; Hummel, T. title: Riech- und Schmeckstörungen date: 2022-04-13 journal: DGNeurologie DOI: 10.1007/s42451-022-00434-x sha: a4f1d61f42e36da75f85da69cf5d908a814fe3e9 doc_id: 1022234 cord_uid: 2qa41xoj This manuscript aims to provide an overview of the etiology and diagnosis of olfactory and gustatory disorders. Not only are they common with about 5% of the population affected, but olfactory and gustatory disorders have recently gained attention in light of the rising SARS-CoV‑2 pandemic: sudden loss of smell and/or taste is regarded as one of the cardinal symptoms. Furthermore, in the early diagnostics of neurodegenerative diseases, olfactory disorders are of great importance. Patients with olfactory dysfunction often show signs of depression. The impact of olfactory/gustatory disorders is thus considerable, but therapeutic options are unfortunately still limited. Following a description of the etiology, the diagnostic and therapeutic options are discussed on the basis of current literature. Potential future treatments are also addressed, e.g. autologous mucosal grafts or olfactory implants. Eine Limitation der Datenlage bezüglich Riechstörung ist zum Großteil auch der Heterogenität der unterschiedlichen Testverfahren geschuldet. Die einfache Selbsteinschätzung der Riechfunktion ist häufig nicht zuverlässig [21] . Daher wird bei der Befragung von Patienten die Benutzung von validierten Fragebögen oder Skalen empfohlen [22] . Wird eine Riechstörung vermutet, ist jedoch die Kombination mit einer objektiveren Erhebungsform, z. B. eine psychophysische Testung sinnvoll. Bei der psychophysischen Testung wird zwischen der Schwellentestung und überschwelligen Untersuchungen unterschieden. Bei Ersterer geht es darum, ob der Proband einen Geruch erkennt oder nicht, bei Letzterer soll der Duft nicht nur erkannt, sondern auch benannt werden. Beide Testverfahren, Schwellentestung und die überschwellige Testung werden häufig zu einer diagnostischen Kenngröße zusammengefasst. Bei Riechtests sollte im Idealfall erst eine seitengetrennte Durchführung erfolgen, z. B. mit einem Kurztest. Damit können seitengetrennte Unterschiede erkannt werden, wie sie beispielsweise bei Tumoren oder Nasenatmungsbehinderungen auftreten [23] . Stellt sich kein Unterschied zwischen der olfaktorischen Wahrnehmung der beiden Nasenseiten heraus, kann mit einer beidseitigen Testung fortgefahren werden. Es gibt eine Reihe von validierten und reliablen Tests. So gibt es beispielsweise einen Riechidentifikationstest, bei dem 40 Duftstoffe mikroverkapselt auf Papier aufgetragen sind. Der Test ist einfach durchzuführen und in vielen Ländern validiert, er beschränkt sich allerdings nur auf eine Duftidentifikation, die kulturell angepasst werden muss und durch verbale Funktionen wesentlich mitbeeinflusst wird, wie z. B. Muttersprachlichkeit. Ein anderer Test mit Riechstiften hingegen erhebt nicht nur eine Duftidentifikation, sondern auch einen Duftschwellenwert und die Geruchsdiskriminierung. Auch Bei einer auf nasaler Obstruktion basierenden Riechstörung, aufgrund von allergischer Rhinitis oder einer CRS (mit oder ohne Polypen), stellen topische Steroide den Goldstandard im Rahmen der konservativen Therapie zur Reduktion der Entzündungsreaktion dar. Bei der Anwendung topischer Steroide ist es wichtig, dass das Nasenspray nach Möglichkeit mit einem langen Applikator angewendet wird, sodass das Spray die Riechspalte erreicht [61, 62] -ansonsten erreichen Nasensprays wegen der Filterfunktion der Nase bestenfalls die mittlere Muschel, aber nicht die Riechspalte [63] (Kaiteki-Position; Abb. 1). Systemische Steroide können bei CRS mit oder ohne Polypen entsprechend den Leitlinien zur CRS initial bei Riechstörungen bzw. auch zur funktionellen diagnostischen Abklärung des Vorliegens einer entzündlich bedingten Riechstörung verabreicht werden [5]. Zunächst sollten zur Therapie chronisch entzündlicher Riechstörungen, aber auch bei Riechstörungen im Rahmen einer akuten Rhinitis im Sinne supportiver Maßnahmen ggf. lokal abschwellende Maßnahmen (z. B. abschwellende Nasensprays, Salzwasserspray) angewandt werden, um einen mechanischen Zugang zu den Riechspalten zu gewährleisten. Auch supportive Maßnahmen zur Nasenpflege, wie z. B. Nasenduschen, haben sich bewährt [64] . Merke. Sowohl bei akuten als auch chronischen Riechstörungen sollten lokal abschwellende Maßnahmen für den mechanischen Zugang zu den Riechspalten erfolgen. Im Folgenden sind eine Reihe von Therapievorschlägen aufgeführt, zu denen es erste Befunde gibt, die allerdings noch nicht breiter untersucht wurden. Akupunktur Traditionelle chinesische Akupunktur stellt eine der ältesten Heilmethoden der Welt dar. Eine Studie untersuchte den Effekt von Akupunktur auf postvirale Riechstörungen [65] . Über 10 Wochen erhielten die Patienten in einer je 30-minütigen Sitzung eine Akupunktur von 7 fixen Punkten (DuMai 16 und 20, Di20, Lu 7 und 9, Ma 36, Ni3) und 3 individuellen Punkten. Gemäß den Autoren kann bei traditioneller chinesischer Akupunktur keine Standardtherapie erfolgen, sondern es muss die Therapie auf das Individuum abgestimmt werden. Ungefähr die Hälfte der behandelten Patienten zeigte eine Verbesserung der Riechstörung nach Behandlungsabschluss. Eine weitere Studie bestätigte die positiven Ergebnisse vorhergehender Studien. Insbesondere wurden auf das Vorhandensein einer entsprechenden Kontrollgruppe, Patientenanzahl sowie Homogenität der Patienten geachtet. Die Patienten erhielten 2-mal wöchentlich eine Akupunktur von fixen Punkten (Bl3, LG23, NP12, Op16, Di4, Lu7, MP6, Ma44), insgesamt 12 Sitzungen. Es zeigte sich bei postinfektiöser Riechstörung eine Verbesserung in der Unterscheidung von Geruchsstoffen. Akupunktur scheint also unabhängig vom Alter die Riechstörung positiv zu beeinflussen und kann daher als adjuvante Maßnahme bei Riechstörungen gelten, jedoch ist es wichtig, zeitnah nach Auftreten der Riechstörung mit der Behandlung zu beginnen [66] . Weitere Studien sind nötig, u. a. auch im Vergleich zur Therapie mit Riechtraining. Vitamin A ist essenziell in der Regeneration olfaktorischer Rezeptorneurone. Eine Therapie mit topischem Vitamin könnte daher dort ansetzen. Aktuell gibt es hierzu jedoch nur eine Pilotuntersuchung, die auf den möglichen Erfolg von lokalem Vitamin A im Vergleich zu alleinigem Riechtraining hinweist [67] . Diese Studie war eine retrospektive Kohortenstudie, daher sollten weitere prospektive Doppelblindstudien/placebokontrolliert durchgeführt werden. Damit die Nasentropfen effektiv zur Riechspalte gelangen, sollten sie in Kopf-Seit-Kipp-Lage (sog. Kaiteki-Position) angewendet werden [68] . Dabei liegt der Patient auf der Seite mit dem Kopf etwa 20-30° nach oben gedreht und etwa 20-40° nach hinten gekippt (Abb. 1). Auch für Steroidlösungen stellt diese Position eine Möglichkeit dar, den therapeutischen Effekt zu verbessern, da die Lösung direkt die Riechspalte erreicht und das Manöver für Patienten einfach und bequem durchführbar ist. Bei der Aktivierung von Neuronen spielt freies Kalzium eine wesentliche Rolle. Eine Erhöhung des mukosalen Kalziums erhöht wiederum das negative Feedback auf die olfaktorische Signalkaskade, sodass die Sensitivität für einen Geruchsreiz erniedrigt wird. Eine Bindung des freien Kalziums mithilfe von Pufferlösungen wie Natriumzitrat könnte zur Erhöhung der olfaktorischen Signalkaskade und entsprechend zu einer Verbesserung der Riechfunktion führen. In einer Studie wurde einmalig endoskopisch kontrolliert 1 ml Natriumzitratlösung (3,5 g/140 ml, pH 7,4) in das rechte oder linke Nasenloch appliziert, die Gegenseite fungierte als Kontrolle. Die postinfektiöse Hyposmie konn-te nach Einmalgabe von intranasalem Natriumzitrat kurzfristig verbessert werden [69] . In einer weiteren Studie wurde Natriumzitrat unter Verwendung eines Sprays endonasal appliziert, auch hier zeigten sich positive Resultate. Die Applikation ist einfach, schnell und scheint vorübergehend zu einer Verbesserung bei quantitativen Riechstörungen führen [70, 71] . Die Applikation von Natriumzitrat über einen längeren Zeitraum, d. h. 2 Wochen, scheint allerdings nicht zu einer Verbesserung der olfaktorischen Funktion führen, jedoch deuten die Daten auf einen vorteilhaften Effekt bei Phantosmien hin [72] , der allerdings in weiteren Studien überprüft werden sollte. Alpha-Liponsäure ist eine Fettsäure, die die Blut-Hirn-Schranke passiert und dort in den aktiven Metaboliten Dihydroliponsäure umgewandelt wird. Durch antioxidative Prozesse hat sie u. a. neuroprotektive und neuroregenerative Eigenschaften und wird beispielsweise in der Behandlung von diabetischer Neuropathie eingesetzt. In einer Pilotstudie bei postviralen Riechstörungen wurde nach peroraler Applikation von alpha-Liponsäure über einen Zeitraum von 4,5 Monaten bei einer Dosierung von 600 mg täglich ein positiver Effekt gezeigt [73] . Weiterführende Studien stehen aktuell noch aus. Plättchenreiches Plasma ("platelet-rich plasma"; PRP) ist ein autologes, d. h. körpereigenes Produkt, dem neuroprotektive und antiinflammatorische Eigenschaften nachgesagt werden. PRP wird zur besseren Wundheilung, zur Behandlung von Entzündungen oder peripheren Neuropathien angewendet. In einer Pilotstudie wurde bei Patienten mit persistierender Riechstörung PRP einmalig unter endoskopischer Visualisierung in die Riechspalte gespritzt. Nach der Intervention verzeichneten die Patienten zunächst eine subjektive Verbesserung ihrer Riechstörung, danach stagnierte die Verbesserung jedoch [74] . Eine olfaktorische Dysfunktion ist eine bekannte Komplikation nach endoskopischen Schädelbasisoperationen. In einer Studie wurde postoperativ Nasenpflege mit Kochsalzlösung durchgeführt, außerdem erhielten die Studienpatienten eine supportive Gabe von Omega-3-Kapseln (1400 mg, 2-mal täglich). Ungesättigte Omega-3-Fettsäure verbessert die synaptische Plastizität, kann neuroprotektiv wirken und als Neurotransmitter fungieren [78] . Der direkte Zusammenhang mit der Besserung einer Riechstörung ist bis dato unklar, jedoch zeigten die Studienpatienten eine Verbesserung ihrer Riechstörung. Vermutet werden eine mögliche neuronale Regeneration oder aber entzündungshemmende Effekte auf die olfaktorische Schleimhaut [79] . Regelmäßiger Sport hat nicht nur positive Effekte auf das kardiovaskuläre und kognitive System, sondern kann möglicherweise auch einer Degeneration des Riechempfindens vorbeugen. Eine Studie zeigte, dass Patienten mit Normosmie aufgrund von regelmäßiger körperlicher Betätigung (2-mal wöchentlich) ein vermindertes Risiko für eine Riechstörung in späteren Lebensabschnitten vorweisen konnten [80] . In einer weiteren aktuellen Studie wurden aktive und inaktive ältere Personen bezüglich ihres Riechempfindens verglichen. Auch hier zeigte sich der positive Effekt von physischer Aktivität, insbesondere stellten die Autoren eine Verbesserung bei der Identifikation und Diskriminierung von Gerüchen fest, wofür v. a. höhere, komplexere Hirnfunktionen benötigt werden. Insgesamt besteht ein Zusammenhang zwischen Riechempfinden, sozialen Beziehungen, Essverhalten, aber auch kognitiven Fähigkeiten, was durch Aktivität beeinflusst werden kann und die Lebensqualität älterer Menschen erhöht [81] . Merke. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Riechempfinden, sozialen Beziehungen, Essverhalten und kognitiven Fähigkeiten. In der vorliegenden Arbeit wird ein Überblick über Riechstörungen, deren Ursache und Diagnostik gegeben, darüber hinaus werden aktuelle Ansätze zur Therapie aufgezeigt. In Zukunft wären des Weiteren z. B. auch autologe Schleimhauttransplantationen denk-bar, eine elektrische Reizung im Sinne einer Tiefenhirnstimulation oder aber auch ein olfaktorisches Implantat. Erste Ergebnisse im Tiermodell zeigten gute Ergebnisse für transplantierte Stammzellen der Riechschleimhaut, da diese nicht nur gut anwuchsen, sondern auch die Riechfunktion zu verbessern schienen [82] . Auch bei geringer Invasivität sind weiterführende Studien nötig, um insbesondere unkontrollierte Zellentwicklung zu untersuchen. Eine Tiefenhirnstimulation hingegen wäre vom Verfahren her invasiver, die Auslösung von Geruchsempfindungen durch elektrische Reize konnte aber in ersten Studien generiert werden [82] . Die vollständige Erklärung zum Interessenkonflikt der Wissenschaftlichen Leitung finden Sie am Kurs der zertifizierten Fortbildung auf www Techniques of intranasal steroid use Chronic rhinosinusitis Effects of traditional Chinese acupuncture in post-viral olfactory dysfunction Acupuncture is associated with a positive effect on odour discrimination in patients with postinfectious smell loss-a controlled prospective study Intranasal vitamin A is beneficial in post-infectious olfactory loss The administration of nasal drops in the "Kaiteki" position allows for delivery of the drug to the olfactory cleft: a pilot study in healthy subjects Intranasal sodium citrate solution improves olfaction in post-viral hyposmia A randomised controlled trial of sodium citrate spray for non-conductive olfactory disorders The effect of intranasal sodium citrate on olfaction in post-infectious loss: results from a prospective, placebo-controlled trial in 49 patients Intranasal sodium citrate in quantitative and qualitative olfactory dysfunction: results from a prospective, controlled trial of prolonged use in 60 patients Lipoic acid in the treatment of smell dysfunction following viral infection of the upper respiratory tract The use of platelet-rich plasma in treatment of olfactory dysfunction: a pilot study Intranasal insulin influences the olfactory performance of patients with smell loss, dependent on the body mass index: a pilot study Effect of intranasal insulin on olfactory recovery in patients with hyposmia: a randomized clinical trial Insulin fast-dissolving film for intranasal delivery via olfactory region, a promising approach for the treatment of anosmia in COVID -19 patients: design, in-vitro characterization and clinical evaluation PUFA for prevention and treatment of dementia? Effect of omega-3 supplementation in patients with smell dysfunction following endoscopic sellar and parasellar tumor resection: a multicenter prospective randomized controlled trial Association of exercise with lower long-term risk of olfactory impairment in older adults Age-related olfactory decline is associated with levels of exercise and non-exercise physical activities Future therapeutic strategies for olfactory disorders: electrical stimulation, stem cell therapy, and transplantation of olfactory epithelium-an overview Welche der folgenden Aussagen zur Therapie bei Riechstörungen trifft am ehesten zu? Zu den Kursen dieser Zeitschrift: Scannen Sie den QR-Code oder gehen Sie auf www.springermedizin.de/kurse-dgneurologie. Diese Fortbildung wurde von der Ärztekammer Nordrhein für das "Fortbildungszertifikat der Ärztekammer" gemäß § 5 ihrer Fortbildungsordnung mit 3 Punkten (Kategorie D) anerkannt und ist damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig.