key: cord-0985716-1oidhp2t authors: Peuckmann-Post, Vera; Wiese, Christoph; Keszei, András; Rolke, Roman; Elsner, Frank title: Wahrnehmungen zum Umgang mit Opioiden: Fokus COVID-19: Eine Umfrage unter Anästhesist:innen über die Fachgesellschaften DGAI/BDA date: 2022-03-16 journal: Anaesthesist DOI: 10.1007/s00101-022-01101-2 sha: 96e2c3871a4629dee48e2f83028c9f3862a2d4de doc_id: 985716 cord_uid: 1oidhp2t BACKGROUND: Opioids are part of the daily routine in anesthesiology and palliative care; however, treatment of dyspnea with opioids is presented heterogeneously in guidelines. This may result in an uncertainty concerning opioid indications and ethical concerns, especially when caring for COVID-19 patients. OBJECTIVE: We aimed to examine the perception of anesthesiologists concerning the handling of morphine as the reference opioid (subsequently termed M/O) for symptom control within and outside of a palliative care setting, including care for COVID-19 patients. MATERIAL AND METHODS: Members of the German Society of Anesthesiology and Intensive Care Medicine (DGAI) and the Professional Association of German Anesthesiologists (BDA) received an anonymized online questionnaire (Survey Monkey®; Momentive Inc., San Mateo, CA, USA) in October 2020, containing questions regarding their perception of symptom management with M/O in general, and in particular concerning COVID-19 patients. Participants were asked to rate their perception within and outside a palliative care setting. RESULTS AND DISCUSSION: A total of 1365 anesthesiologists participated; 46% women. Most anesthesiologists were 41–60 years old (58%), worked in a hospital setting (78%), in the operating theatre (63%) and in intensive care units (49%). The majority (57%) reported > 20 years of professional experience (52%) and partial involvement in palliative care (57%). Perception of M/O handling was mostly “certain and confident” (88%) and “clearly regulated” (85%) within a palliative care setting but rated substantially lower for outside palliative care (77%/63%). When caring for COVID-19 patients, handling of M/O was even less often rated “certain and confident” (40%) or “clearly regulated” (29%) outside palliative care. Dyspnea (95%/75%), relief of the dying process (84%/51%), agitation (59%/27%) and anxiety/panic (61%/33%) were more frequently rated as general indications for morphine within versus outside palliative care. The majority of anesthesiologists disputed that M/O is given with the intention to hasten death within (87%) and outside (93%) palliative care. Highest difference in route of administration was reported for the subcutaneous administration of M/O within (76%) versus outside (33%) palliative care, followed by the intravenous route (57%/79%), while oral (66/62%) and transdermal (48%/39%) administration were reported to be used comparatively frequently. Most participants (85%) wanted more frequent involvement of palliative care consultation teams but also more team conferences (75%), supervision (72%), and training on opioid management (69%). CONCLUSION: Anesthesiologists perceived considerable uncertainty in using M/O for nonpalliative care medical settings. Highest uncertainty was seen for the care of patients with COVID-19. The prevalent use of the subcutaneous route for M/O application in palliative care can serve as inspiration for areas outside palliative care as well. Uniform interdisciplinary guidelines for symptom control including dyspnea, education and involvement of a palliative care consultation team should be more considered in the future. Zur Erfassung der Einschätzungen setzten wir eine 6-stufige Likert-Skala ein (von "stimme gar nicht zu" bis "stimme voll zu"). In der Aufbereitung der Daten wurden die ersten 3 Grade zur Veranschaulichung grau ("stimme nicht zu") und die letzten 3 Grade blau ("stimme zu") hinterlegt. Um die Antworten der Umfrageteilnehmenden in Bezug auf innerhalb und außerhalb der Palliativmedizin zu vergleichen, analysierten wir marginale mittlere Antwortwerte für paarweise Beobachtungen unter zug aus, aber weiterhin stimmten die Ärzt:innen eher für den Bereich innerhalb der Palliativmedizin zu, verglichen mit außerhalb der Palliativmedizin: "Die Indikation für die Gabe von Morphin bei COVID-19-Erkrankten ist klar und einheitlich geregelt" (0,6; 0,5; 0,7), "Der Umgang mit Morphin bei COVID-19-Erkrankten ist sicher und vertraut" (0,2; 0,1; 0,3). Diese Tendenz zeigte sich sehr gering auch für die Fragen "Morphin wird gezielt eingesetzt, um das Sterben zu beschleunigen" (0,3; 0,2; 0,4) und "Morphin wird bei COVID-19-Erkrankten gezielt eingesetzt, um das Sterben zu beschleunigen" (0,3; 0,4;0,2). Anästhesist:innen nahmen teils große Unsicherheit im Umgang mit M/O wahr, insbesondere außerhalb der Palliativmedizin und bei der Betreuung COVID-19-Erkrankter. Leitlinien zur Symptomkontrolle von Dyspnoe sind heterogen, bezüglich einer Empfehlung zum Einsatz von Opioiden: Die COPD-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie warnt vor "bedeutsame(n), unerwünschte(n) Effekten, insbesondere der Atemdepression", weswegen "der Einsatz auf wenige besonders beeinträchtigte Patienten mit schwerer Atemnot beschränkt" sein solle [33] . Hingegen empfiehlt die allgemeine "S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung" (ohne COVID-19 Bezug) eindeutig Opioide zur Therapie von Schmerz und Dyspnoe (Atemnot) [24] . Die bis zum 16.05.2021 gültige, von 14 medizinischen Fachgesellschaften gemeinsam herausgegebeneVersionder "S3-Leitlinie -Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19" vermied die Nennung von Opioiden oder Benzodiazepinen zur Therapie von Dyspnoe [22] . Es wurde zwar festgestellt: "Der Palliativversorgung mit dem Ziel der optimalen Linderung von belastenden Symptomen wie Dyspnoe, Husten, Schwäche und Fieber, Angst, Panik, Unruhe und Delir kommt in diesen Situationen eine besondere Bedeutung zu", konkrete Empfehlungen zur Symptomkontrolle mit Opioiden -wie sie in einer separaten Leitlinie der Palliativmedizin dargestellt waren [27] -fehlten jedoch. Eingang in die S3-Leitlinie zur stationären Therapie von Patient:innen mit COVID-19 fanden konkrete Dosierungsbeispiele erst während der dritten COVID-19-Welle am 17.05.2021 [23] . DieWirksamkeitvonOpioidenbei Dyspnoe wurde insbesondere bei Patient:innen mit COPD, aber auch bei Herzversagen und Krebserkrankungen gezeigt [17, 21] : Hui und Bruera untersuchten in ihrem "evidenzbasiertem Review" die pharmakologische Wirksamkeit speziell kurz wirksamer Opioide für die Linderung von "breathlessness" [17] : Auf der Basis von 28 randomisierten klinischen Studien beurteilten sie die Evidenz insbesondere als gut, wenn kurz wirksame Opioide als Einzeldosis vor körperlicher Anstrengungverabreichtwurden. Johnson und Currow bestätigten retardierten Opioiden eine "moderate 1a-Evidenz" [21] . Sie identifizierten die beste Evidenz für 10-30 mg retardiertes Morphin täglich "de novo" bei opioidnaiven Patient:innen. Optimaler Nutzen wurde im Steady State gesehen. Im Gegensatz dazu sah Vozoris in seinem "kritischen Review" jedoch "bestenfalls eine leichte Verbesserung von Dyspnoe bei einer begrenzten Anzahl von Individuen mit COPD" nach oraler Gabe von Opioiden [34] . Ebenso fanden Feliciano et al. in ihrer Metaanalyse und ihrem systematischen Review keine ausreichende Evidenz für den Einsatz von Opioiden zur Linderung von Breathlessness bei Patient:innen mit fortgeschrittener Krebserkrankung [14] . In Studien zur Sicherheit identifizierte Vozoris bei COPD-Patient:innen sogar "ein erhöhtes Risiko von respiratorischbedingten Exazerbationen, Hospitalisation und Tod in Verbindung mit Opioidgebrauch" [34] , während Johnson und Currow morphinbezogene Nebenwirkungen lediglich als "meist mild und selbstlimitierend, sobald die Substanz abgesetzt wird" beschrieben [21] . Sie verglichen die Häufigkeit von ernsten Nebenwirkungen mit denen von Placebo. Die S3-Leitlinie Palliativmedizin betont darüber hinaus "Es gibt keinen Hinweis, dass eine lege artis durchgeführte Therapie der Atemnot mit Opioiden zu einer klinisch relevanten Atemdepression führt" [24] . Die Die Abfrage der Indikationen in dieser Umfrage (. Abb. 3a,b) basierte auf den typischen Fragestellungen und Assoziationen zum Umgang mit M/O, die wir zuvor in einer qualitativen Erhebung im Rahmen von Interviews und auf Grundlage der Literatur identifizierten (nicht publiziert, s. Abschn. "Material und Methoden"). So entstand auch die Nennung einer "Erleichterung des Sterbeprozesses" durch M/O, die an das Konzept des "dying well" erinnert, das von der Begründerin der Hospizbewegung, Cicely Saunders, beschrieben wurde [32] und deutlich von einer aktiven Sterbehilfe abzugrenzen ist. In der Literatur finden sich weitere Hinweise für einen sinnhaften Einsatz über die klassischen Indikationen hinaus: z. B. bei Agitation, die ein Zeichen für Schmerzen sein kann [18] . Auch wird diskutiert, ob M/O bei einem Teil der COVID-19-Erkrankten Stress reduzieren kann [28] . Hier sollten im klinischen Setting ergänzende und alternative Konzepte wie Benzodiazepine zur Behandlung von Dyspnoe und Unruhe sowie auch nichtpharmakologische Interventionen erörtert werden, wie auch von Rosenbruch et al. empfohlen [31] . Die subkutane Gabe von Opioiden scheint eine "Domäne" der Palliativmedizin zu sein, da sie mit 76 % mehr als doppelt so häufig für den Bereich innerhalb der Palliativmedizin berichtet wurde. Fachpolitische Prozesse in der Anästhesiologie integrierten die Palliativmedizin als "fünfte Säule der Anästhesiologie" durch Hinzunahme eines "P" in das Akronym "AINSP" [12, 19] . Die internationale Literatur sieht in der Palliativmedizin eine "essenzielle Antwort auf die COVID-19-Pandemie", da spezialisierte palliativmedizinische Dienste in der Pandemie flexibel und bedarfsangepasst reagieren konnten und so eine wichtige Rolle in der Versorgung und Symptomkontrolle von COVID-19-Erkrankten spielten [10, 25] . Neben lange bestehenden Forderungen nach einer frühen Integration von Palliativmedizin zur Verbesserung der medizinischen Versorgung [6] fordern Fadul et al. explizit eine Integration von Palliativmedizin auch in die COVID-19-Pandemie-Planung [13]. So wurde -neben Einbindung in Entscheidungsalgorithmen -eine Begleitung des medizinischen Personals im Hinblick auf Erhaltung der Arbeitsfähigkeit vor dem Hintergrund möglicher psychisch belastender Entscheidungen unterstützt. Die "CHARTA zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland" benennt bereits im Leitsatz 2: "Wir werden uns dafür einsetzen, dass Versorgungsstrukturen vernetzt und bedarfsgerecht für Menschen jeden Alters und mit den verschiedensten Erkrankungen mit hoher Qualität so weiterentwickelt werden, dass alle Betroffenen Zugang dazu erhalten" [3, S. 19]. Diese Leitsätze bildeten die Grundlagen für notwendige Prozesse zur verbesserten Versorgung von palliativmedizinischen Patient:innen. Die Umfrage fand statt zu Beginn der zweiten COVID-19-"Welle" in Deutschland. Einige Teilnehmende erwähnten, dass sie noch keine COVID-19-Erkrankten behandelt hätten und daher die Fragen mit COVID-19-Bezug übersprungen hätten. Es konnte keine Rücklaufquote bestimmt werden (s. Abschn. "Ergebnisse" When caring for COVID-19 patients, handling of M/O was even less often rated "certain and confident" (40%) or "clearly regulated" (29%) outside palliative care. Dyspnea (95%/75%), relief of the dying process (84%/51%), agitation (59%/27%) and anxiety/panic (61%/33%) were more frequently rated as general indications for morphine within versus outside palliative care. The majority of anesthesiologists disputed that M/O is given with the intention to hasten death within (87%) and outside (93%) palliative care. Highest difference in route of administration was reported for the subcutaneous administration of M/O within (76%) versus outside (33%) palliative care, followed by the intravenous route (57%/79%), while oral (66/62%) and transdermal (48%/39%) administration were reported to be used comparatively frequently. Most participants (85%) wanted more frequent involvement of palliative care consultation teams but also more team conferences (75%), supervision (72%), and training on opioid management (69%). Conclusion: Anesthesiologists perceived considerable uncertainty in using M/O for nonpalliative care medical settings. Highest uncertainty was seen for the care of patients with COVID-19 Keywords Morphin · SARS-CoV-2 · Symptom management · Dyspnoea · Palliative care symptoms of patients dying of COVID-19: a rapid systematic review COVID-19 and hospital palliative care-a service evaluation exploring the symptoms and outcomes of 186 patients and the impact of the pandemic on specialist hospital palliative care Useofshort-actingopioidsin the management of breathlessness: an evidencebased review Efficacy of treating pain to reduce behavioural disturbances in residents of nursing homes with dementia: cluster randomised clinical trial Administration of label and off-label drugs by the subcutaneous route in palliative care: an observational cohort study Opioids for breathlessness: a narrative review Leitlinienprogramm Onkologie (2020) Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung Characteristics, symptom management and outcomes of 101 patients with COVID-19 referred for hospital palliative care Challenges ofcombiningopioidsandP2Y12inhibitorsinacute coronary syndrome: should the future be opioid free? Handlungsempfehlung zur Therapie von Patient*innen mit COVID-19 aus palliativmedizinischer Perspektive 2 Position paper for the state of the art application of respiratory support in patients with COVID-19-German respiratory society The key role of palliative care in response to the COVID-19 tsunami of suffering ESC guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation: task force for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent STsegment elevation of the European society of cardiology (ESC) On dying and dying well Acriticalreviewoftherespiratory benefits and harms of orally administered opioids for dyspnea management in COPD