key: cord-0961906-q2n54syy authors: Brandt, Martina; Garten, Claudius; Grates, Miriam; Kaschowitz, Judith; Quashie, Nekehia; Schmitz, Alina title: Veränderungen von Wohlbefinden und privater Unterstützung für Ältere: ein Blick auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Frühsommer 2020 date: 2021-03-05 journal: Z Gerontol Geriatr DOI: 10.1007/s00391-021-01870-2 sha: bb1f8b87a37e6194c2615aa0b5a21f3248e1daf6 doc_id: 961906 cord_uid: q2n54syy BACKGROUND: The pilot study “Health and Support in Times of Corona” (TU Dortmund University) collected data on support and well-being of individuals aged 40 plus years in the light of the first wave of the COVID-19 pandemic from May to July 2020. OBJECTIVE: The aim was to study the social and mental effects of the pandemic. We focused on individuals living in private households aged 40 years and older. Participants were asked about pandemic-related changes in receiving and providing support (e.g. personal care, help with household chores), problems arising in taking care of older persons and changes in well-being. MATERIAL AND METHODS: We conducted descriptive and multivariate analyses to show how support changed, problems with support came up and well-being changed in the light of the pandemic and how all this was related. RESULTS: Due to the pandemic older respondents in particular were no longer able to provide the necessary support for others. Especially women reported problems in taking care of older individuals. We found a decrease in well-being for all respondents but most significantly for women and individuals aged 80 years and older. Moreover, problems in the provision of care due to the pandemic and lower well-being were clearly linked. CONCLUSION: Our study showed significant changes in support patterns and well-being due to the COVID-19 pandemic. A substantial part of the respondents reported more loneliness and lower life satisfaction compared to before the pandemic, especially women supporting others. In these pandemic times, informal caregiving is severely hampered. Future pandemic-related measures should be carefully planned bearing such issues in mind. Seit dem Aufkommen der ersten COVID-19-Fälle in Deutschland und den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus stellt sich über die gesundheitlichen Risiken hinaus die Frage nach den sozialen und mentalen Folgen der Pandemie [7, 8] . Von zentraler Bedeutung sind die mehrfach eingeführten und angepassten Bestimmungen zur Einschränkung sozialer Kontakte [1] . Diese Maßnahmen erhöhen die Gefahr von Vereinsamung und verringertem Wohlbefinden [7, 9, 18] . Dabei lastet u. a. besonderer Druck auf Personen, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern -v. a., wenn die Versorgung durch externe Anbieter nicht mehr sichergestellt ist oder zu risikoreich erscheint [2, 9, 16] . Prekär ist die Situation auch für Ältere, die aufgrund ihres höheren Risikos für einen schweren Krankheitsverlauf besonderen Schutz benötigen, aber gleichzeitig wichtiger Partizipationsmöglichkeiten beraubt werden [2, 8] . Durch den Rückzug von professionellen oder privaten HelferInnen erhalten sie ggf. die benötigte Unterstützung nicht mehr [20] . In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob sich Wohlbefinden (Lebenszufriedenheit und Einsamkeit) und Unterstützungsmuster bei in Privathaushalten lebenden Personen im mittleren und höheren Erwachsenenalter (40+ Jahre) durch die COVID-19-Pandemie im Frühsommer 2020 verändert haben. Geleistete (private) und erhaltene (private wie professionelle) Unterstützung kann persönliche Pflege, Hilfe im Haushalt, Hilfe bei Schreibarbeiten und sonstige Hilfen umfassen. Die folgenden Analysen beruhen auf Daten einer Pilotstudie der TU Dortmund, die vom Mai bis Juli 2020, gegen Ende der "ersten Welle", erhoben wurden. In diesem Zeitraum wurden die Kontaktbeschränkungen gerade wieder gelockert, wobei auch im Frühsommer noch Auflagen für Besuche in Pflegeheimen galten [10] . Der Fokus liegt auf Wohlbefinden und Unterstützung Älterer, einem Thema, zu dem es in der frühen Phase der Pandemie kaum empirische Studien gab. Die Forschungsfragen lauten: Beeinflusste die Pandemie Unterstützungsleistungen und erhielten Personen die Unterstützung, die sie benötigten? Wie änderte sich das subjektive Wohlbefinden, und welche Rolle spielten dabei Schwierigkeiten in der Versorgung älterer Angehöriger? Diese Fragen haben Stand heute -in der zweiten Welle -wieder größte Aktualität und Relevanz auch mit Blick auf künftige Strategien zur Eindämmung der Pandemie. Soziale Kontakte und gegenseitige Unterstützung innerhalb des sozialen Netzwerks sind eng mit dem subjektiven Wohlbefinden verbunden [4] . Soziale Isolation und das Gefühl von Einsamkeit sind dagegen ein Risiko für die mentale Gesundheit [4] . Bekannt Erwachsenenalter [11] . Das Einsamkeitsrisiko ist zudem erhöht, wenn intensive Unterstützung und Pflege für andere geleistet werden [19] , was sich mit dem "Stress-process"-Modell [13] durch dabei entstehende Belastungen erklären lässt. Die Pandemie macht bestehende Ungleichheiten deutlich und verstärkt diese, auch in diesem Bereich: Auf Basis des Deutschen Alterssurvey zeigt sich für den Zeitraum Juni/Juli 2020 ein Anstieg geleisteter Pflege in der Altersgruppe 40+ im Vergleich zum Jahr 2017. Pflegende Angehörige, und hier v. a. Frauen, berichten seit der Pandemie von schlechterer mentaler Gesundheit und gestiegener Einsamkeit, was für Nicht-Pflegende nicht in diesem Maße gilt [9] . Ähnliches zeigen Befragungen pflegender Angehöriger, die eine nach dem SGB XI pflegebedürftige Person versorgten, aus dem Frühjahr und Sommer 2020. Für ca. ein Drittel hat sich die Pflegesituation verschlechtert, und die subjektive Belastung [2] sowie der Zeitaufwand für Pflege sind gestiegen [16] . Auch zur Situation von unterstützungsbedürftigen Personen gibt es erste Studien. Zu Beginn der Pandemie wurden Pflegekräfte in Pflegeinrichtungen zu den Auswirkungen für die Gepflegten befragt. Demnach führen die für die BewohnerInnen nicht immer nachvollziehbaren Einschränkungen, u. a. des Besuchsrechts, zu mentaler Belastung [7] . In einer Telefonbefragung wurden im Herbst 2020 in Privathaushalten lebende Personen (75 bis 100 Jahre) zu den Pandemiefolgen befragt: Etwa ein Viertel der 500 Befragten berichtete von vielen oder gelegentlichen Momenten der depressiven Verstimmung und Langeweile. Zu einem etwas geringen Anteil gaben die Befragten an, sich mindestens hin und wieder alleingelassen zu fühlen (ca. 15 %). Von denjenigen, die bisher praktische oder pflegerische Hilfe bekamen, gab die Mehrheit aber an, diese Unterstützung weiterhin zu erhalten [8] . Der Forschungsstand zeigt, dass sich private Unterstützungund Wohlbefinden durch die COVID-19-Pandemie verändert haben. Ursächlich sind aufseiten der Unterstützungspersonen vermutlich der gestiegene Betreuungsaufwand und gesunkene Unterstützung durch Dritte [2, 9, 16] . Bei den unterstützungsbedürftigen Personen können es der Verzicht auf gesundheitliche Dienstleistungen sowie der Rückgang der benötigten Unterstützung insgesamt sein [20] . Zudem ist davon auszugehen, dass eine Reduktion der sozialen Kontakte das Wohlbefinden allgemein verringert hat [3] . Die vorliegende Studie erweitert den Forschungsstand zu Unterstützung und Wohlbefinden von Personen im mittleren und im höheren Erwachsenenalter, indem sie das Thema breiter auffasst als die bisherigen Studien, u. a. was die Inhalte (wie z. B. Hilfe im Haushalt, Hilfe bei Schreibarbeiten, sonstige Hilfen) betrifft. Die Datenerhebung fand zudem zu einem frühen Zeitpunkt der Pandemie statt. Ob hier schon Probleme in der Unterstützung älterer Angehöriger entstanden, und inwiefern sich dies auf das subjektive Wohlbefinden auswirkte, wurde bislang nicht untersucht. In der Pilotstudie "Gesundheit und Unterstützung in Zeiten von Corona" wurde der Einfluss der Pandemie auf Menschen im Alter von 40+ Jahren in Privathaushalten untersucht. Die Erhebung fand von Mai bis Juli 2020 statt, als langsam Locke-rungen der Pandemiemaßnahmen auch in den am stärksten betroffenen Bundesländern eingeführt wurden. So wurden in Nordrhein-Westfalen im Mai die Schulen schrittweise wieder geöffnet, gefolgt von Restaurants. Ab Mitte Juni wurden dann Restriktionen, die private Feste und Freizeiteinrichtungen betrafen, gelockert. In Altenpflegeeinrichtungen galt im Befragungszeitraum kein generelles Besuchsverbot mehr, aber strenge Schutzmaßnahmen für Besuche waren bis Anfang Juli noch in Kraft [10] . Der 7-Tage-Inzidenzwert, erfasste Neuansteckungen pro 100.000 EinwohnerInnen in den letzten 7 Tagen, betrug zum Monatsanfang Mai, Juni und Juli deutschlandweit 7,2, bzw. 2,6 und 2,9 [15] . Bei der Studie handelt es sich um eine standardisierte quantitative Online-Befragung auf Basis einer Gelegenheitsstichprobe [14] . Sofern gewünscht, konnte der Fragebogen in einem Telefoninterview mit den ProjektmitarbeiterInnen durchgegangen werden. In der Befragung wurden u. a. Änderungen im Erhalt und im Leisten von Unterstützung sowie Probleme in der Betreuung älterer Angehöriger im Zuge der Pandemie erfasst. Sub-jektivesWohlbefindenwurde mitderFrage nach allgemeiner Lebenszufriedenheit sowie mit der Frage danach, ob man Gesellschaft vermisst, als Einsamkeitsitem [17] erhoben. Die TeilnehmerInnen wurden explizit um einen Vergleich ihrer Situation vor Ausbreitung der COVID-19-Pandemie, vor Ende Februar 2020, bevor die ersten Fälle in Deutschland bekannt wurden, mit der Zeit nach Ausbreitung der Pandemie ab März 2020 gebeten. Erhoben wurden zudem soziodemografische Merkmale wie Bildung, Alter und Geschlecht. Im Folgenden werden deskriptive Statistiken zu COVID-19-bedingten Veränderungen erhaltener und geleisteter Unterstützung, Betreuungsproblemen mit älteren Angehörigen sowie Aspekten des subjektiven Wohlbefindens (Lebenszufriedenheit, Einsamkeit), differenziert nach Alter und Geschlecht, präsentiert. Anschließend werden Ergebnisse logistischer Regressionsmodelle gezeigt, die den Zusammenhang zwischen Unterstützung(sproblemen) und Wohlbefinden beleuchten. Z Gerontol Geriat https://doi.org/10.1007/s00391-021-01870-2 © Der/die Autor(en) 2021 Sorgearbeit · Einsamkeit · Lebenszufriedenheit · Geschlechterungleichheit · Alter Changes in well-being and private support for older people: a closer look at the impact of the COVID-19 pandemic in early summer 2020 Abstract Background. The pilot study "Health and Support in Times of Corona" (TU Dortmund University) collected data on support and well-being of individuals aged 40 plus years in the light of the first wave of the COVID-19 pandemic from May to July 2020. Objective. The aim was to study the social and mental effects of the pandemic. We focused on individuals living in private households aged 40 years and older. Participants were asked about pandemic-related changes in receiving and providing support (e.g. personal care, help with household chores), problems arising in taking care of older persons and changes in well-being. We conducted descriptive and multivariate analyses to show how support changed, problems with support came up and well-being changed in the light of the pandemic and how all this was related. Results. Due to the pandemic older respondents in particular were no longer able to provide the necessary support for others. Especially women reported problems in taking care of older individuals. We found a decrease in well-being for all respondents but most significantly for women and individuals aged 80 years and older. Moreover, problems in the provision of care due to the pandemic and lower well-being were clearly linked. Our study showed significant changes in support patterns and well-being due to the COVID-19 pandemic. A substantial part of the respondents reported more loneliness and lower life satisfaction compared to before the pandemic, especially women supporting others. In these pandemic times, informal caregiving is severely hampered. Future pandemic-related measures should be carefully planned bearing such issues in mind. Care work · Loneliness · Life satisfaction · Gender inequality · Age Unterstützungsmuster unterscheiden sich stark zwischen den Altersgruppen (. Tab. 2). So gaben 39,5 % der 40-bis 49-Jährigen an, die benötigte Unterstützung seit der Ausbreitung von COVID-19 (teilweise) nicht erhalten zu haben (40-49 J.: 17,1 und 22,4 %). Umgekehrt lag der Anteil derer, die die benötigte Unterstützung für andere nicht leisten konnten, bis zu einem Alter von 79 Jahren bei rund einem Zehntel der Befragten (9,9 bis 11,3 %). Bei den Befragten im Alter von 80 Jahren und älter sagten 38,5 %, dass sie seit Ausbreitung von COVID-19 die benötigte Unterstützung für andere nicht leisten konnten. Frauen berichteten etwas häufiger von Problemen in der Betreuung älterer Angehöriger (16,3 % vs. 14,2 %). Nach Alter unterschieden kamen Betreuungsprobleme am häufigsten bei den 50-bis 59- Die durchschnittliche Lebenszufriedenheit vor Beginn der Pandemie (retrospektiv zum Befragungszeitpunkt eingeschätzt) betrug bei Frauen wie Männern 8 (± 1,6) bzw. 7,9 (± 1,6). Mit der Ausbreitung von COVID-19 berichteten Frauen eine durchschnittlich stärkere beeinträchtigte Lebenszufriedenheit von 6,6 (± 2,1) im Vergleich zu Männern mit 7,0 (± 1,7). Der Altersgruppenvergleich zeigte, dass die 60-bis 69-Jährigen und die 80+ im Zuge der Pandemie besonders starke EinbußenderLebenszufriedenheit erlebten (. Tab. 4). Veränderungen sind, wie erwartet, auch für das Einsamkeitsempfinden (hier dargestellt anhand des Items "Gesellschaft vermissen") feststellbar (. Abb. 1). In der Zeit vor der Ausbreitung von COVID-19 war der Anteil an Personen, die "häufig Gesellschaft vermissten", mit 7,0 % (Frauen) und 5,6 % (Männer) eher gering. Seit der Ausbreitung des Virus hat das Gefühl von fehlender Gesellschaft drastisch zugenommen. Nun gaben 36,9 % (Frauen) und 25,0 % (Männer) an, sich "häufig" einsam zu fühlen. Zudem zeigten sich Altersunterschiede im Einsamkeitsempfinden. Vor COVID-19 lag der Anteil derjenigen, die "häufig Gesellschaft vermissten", nur in der Altersgruppe 80+ Jahre bei über 20 %. Seit COVID-19 gab in allen Altersgruppen mindestens ein Drittel Die Ergebnisse der Pilotstudie zeigen im Einklang mit den Erwartungen deutliche Veränderungen in Unterstützungsmustern und Wohlbefinden im Frühsommer der Pandemie. Ein beachtlicher Teil der Befragten gab an, nicht mehr ausreichend unterstützt zu werden oder andere nicht mehr ausreichend unterstützen zu können. Insbesondere Personen im höheren Alter zogen sich aus der Unterstützung für andere zurück, v. a. aus (gegenseitiger) Angst vor Ansteckung [5, 6] . Die Auswirkungen der Pandemie und ihrer Begleiterscheinungen auf das subjektive Wohlbefinden zeigten sich ebenfalls deutlich. Viele Befragte berichteten von einem verringerten Wohlbefinden. Die stärksten Veränderungen sind bei Frauen und Hochaltrigen festzustellen, die auch vor der Pandemie schon ein erhöhtes Einsamkeitsrisiko trugen [11, 12] . Die Befragung legt nahe, dass sich solche Ungleichheiten im Zuge der Pandemie weiter verschärft haben. So überrascht die stärkere Abnahme des Wohlbefindens bei Frauen nicht, die einen Großteil der in der Pandemie erschwerten Sorgearbeit für ältere Angehörige leisten [9, 16] Das sind die geltenden Regeln und Einschränkungen Pflegende Angehörige in der COVID-19 Krise. Ergebnisse einer bundesweiten Befragung Psychische Krise durch Covid-19? Sorgen sinken Social support and protection from depression. Systematic review of current findings in Western countries Impact of and responses to the COVID-19 pandemic Pilotstudie: Gesundheit und Unterstützung in Zeiten von Corona Ermöglichung sozialer Kontakte von Bewohner*innen in Altenund Pflegeheimen während der COVID-19-Pandemie Häusliche Altenpflege in Zeiten von Corona. Erste Studienergebnisse Corona-Krise = Krise der Angehörigenpflege? Zur veränderten Situation und den Gesundheitsrisiken der informell Unterstützungs-und Pflegeleistenden in Zeiten der Pandemie Age differences in loneliness from late adolescence to oldest old age Influences on loneliness in older adults: a meta-analysis Caregiving and the stress process: an overview of concepts and their measures Health and support in times of corona -study description Coronavirus SARS-CoV-2 -Gesamtübersicht der pro Tag ans RKI übermittelten Fälle, Todesfälle und 7-Tage-Inzidenzen nach Bundesland und Landkreis Zur Situation der häuslichen Pflege in Deutschland während der Corona-Pandemie. Ergebnisse einer Online-Befragung von informellen Pflegepersonen im erwerbsfähigen Alter UCLA loneliness scale (version 3): reliability, validity, and factor structure Loneliness and mental health during the COVID-19 pandemic: a study among Dutch older adults Long-term care provision and the well-being of spousal caregivers: an analysis of 138 European regions Pflege in Zeiten von Corona: Ergebnisse einer deutschlandweiten Querschnittbefragung von ambulanten Pflegediensten und teilstationären Einrichtungen