key: cord-0960037-0c0j934f authors: Hammerschmidt, Stefan Josef; Müller, Patrick; Schirmeister, Tanja title: SARS-CoV-PL(pro)-Inhibitoren als mögliche Breitspektrum-Virostatika date: 2021-05-11 journal: Biospektrum (Heidelb) DOI: 10.1007/s12268-021-1576-6 sha: f637f96c53ee954dfed4ef6fa6d4f8d22568a1d9 doc_id: 960037 cord_uid: 0c0j934f The SARS-CoV-encoded papain-like cysteine protease (PL(pro)) plays crucial roles in viral replication and maturation processes. It is required to cleave the precursor polyproteins into functional proteins. Thus, it is considered to be a promising target for developing specific drugs. For rational optimization of hit compounds, information about the structure-activity relationship (SAR) is fundamental. Herein, we characterize isoindolines as a new class of PL(pro) inhibitors. WISSENSCHAFT BIOspektrum | 03.21 | 27. Jahrgang ó Die SARS-Coronavirus(CoV)-2-Pandemie tobt auf der ganzen Welt und noch ist kein Ende in Sicht. Zurzeit sind keine spezifi schen Arzneistoffe zur Behandlung infi zierter Patienten zugelassen. Während die meisten Staaten auf fl ächendeckende Impfungen setzen, die sich ausschließlich auf das Spike(S)-Protein fokussieren, werden nach und nach mehrere "Escape-Varianten" mit Mutationen in diesem S-Protein selektiert. Um dieser Resistenzentwicklung der Viren zu begegnen, ist es von größter Bedeutung, weiterhin an den Grundlagen einer gezielten Arzneimitteltherapie zu forschen. Die hier vorgestellte Arbeit widmet sich der Entwicklung von small molecules als Inhibitoren einer für die Virusreplikation essenziellen Protease [1] . Bei Proteasen liegt es nahe, zunächst peptidische Substratanaloga als Hemmstoffe zu entwickeln. Diese verfügen meist jedoch nur über eine geringe Mem brangängigkeit, unterliegen raschem Metabolismus und weisen somit reduzierte orale Bioverfügbarkeit auf. Daher liegt der Fokus auf der Entwicklung peptidomimetischer oder im Idealfall nicht peptidischer Strukturen. Viren sind darauf angewiesen, von Wirtszellen repliziert zu werden (Abb. 1A). Dazu müssen sie ihre Erbinformation in diese übertragen. Nach Aktivierung durch die Proteasen transmembrane serine protease type II (TMPRSS2), Furin und Trypsin kann SARS-CoV-2 an seinen Rezeptor, angiotensin converting enzyme 2 (ACE2), binden und mittels endosomaler Aufnahme in die Wirtszelle gelangen. Im Lysosom wird nach Aktivierung durch Cathepsin L eine Membranfu sion mit dem Virus induziert, was in der Freisetzung von Virusproteinen und der viralen RNA resultiert (Abb. 1A The SARS-CoV-encoded papain-like cysteine protease (PL pro ) plays crucial roles in viral replication and maturation processes. It is required to cleave the precursor polyproteins into functional proteins. Thus, it is considered to be a promising target for de ve loping specifi c drugs. For rational optimization of hit compounds, information about the structure-activity relationship (SAR) is fundamental. Herein, we characterize iso indolines as a new class of PL pro inhibitors. DOI: 10 .1007/s12268-021-1576-6 © Die Autoren 2021 SARS-CoV-PL pro -Inhibitoren als mögliche Breitspektrum-Virostatikå Abb. 1: Replikationszyklus des SARS-CoV-2. A, Vereinfachte Darstellung des Replikationszyklus. Nach Bindung des S-Proteins an ACE2 gelangt das Virion in die Zelle und setzt seine RNA frei. Die RdRp vervielfältigt die RNA, die dann am rauen ER in das Präkursor-pp übersetzt wird. Durch PL pro -und M pro -katalysierte Spaltung werden die Virusproteine freigesetzt. Die zusammengesetzten Virionen werden aus der Zelle entlassen. B, SARS-CoV-2-Präkursor-pp und die Restriktionsstellen, an denen durch PL pro (orange) oder M pro (blau) geschnitten wird. Invertierung der Amidbindung zu Benzanilid-Derivaten oder durch Substitution des Phenylrings zum vollständigen Verlust der inhibitorischen Aktivität führen. Im Weiteren wurde das optimale Substitutionsmuster des Benzamids unter Einbeziehung sowohl sterischer als auch elektronischer Effekte untersucht, wobei sich das 1-Chlorbenzamidderivat (Abb. 2A, 2) als einer der potentesten Vertreter dieser Strukturklasse herauskristallisierte. Essenziell sind ebenfalls Konfi guration und Substitution des Chiralitätszentrums: Es werden die (R)-Konfi guration und ein 1-Naphthylrest bevorzugt. Mit der Isoindolin-Verbindung (Abb. 2A, 3) konnte ein neues Leitstrukturmotiv für potente PL pro -Inhibitoren entwickelt werden. Hauptmerkmale sind zum einen die basische Aminofunktion (berechneter pKa ca. 8,5) und die Rigidisierung durch Zyklisierung des Inhibitors. Somit wird der Entropieverlust bei Bindung an das Enzym reduziert. Untermauert wird diese Annahme durch das Fehlen der Aktivität beim azyklischen Analogon. Wie bei den Benzamiden sind die (R)-Konfi guration und der 1-Naphthylrest wichtige Strukturmerkmale. Im Gegensatz dazu führt die Einführung der 4-Methylgruppe (analog der 1-Methylgruppe am Benzamidgerüst) oder anderer Substituenten am Isoindolinring zu einer Verringerung der Aktivität. Mithilfe von computergestützten Studien konnte der Bindemodus der Benzamide als auch der Isoindoline postuliert werden zifi sch und sind daher attraktive Zielstrukturen [2] . Die PL pro ist Teil des nicht strukturgebenden Proteins 3 (nsp3) und schneidet zwischen nsp1/nsp2, nsp2/nsp3 und nsp3/nsp4 (Abb. 1B). Substrate werden vornehmlich an einem "LXGG↓XX"-Motiv gespalten. Neben dieser Aufgabe übernimmt die PL pro auch weitere für den Replikationszyklus essenzielle Funktionen. Mit ihrer Deubiquitinase-Aktivität moduliert PL pro außerdem die Stabilität von Proteinen und ist an der Regulierung der Immunantwort der Wirtszelle beteiligt [3]. Schon bei der ersten SARS-CoV-Pandemie 2002/2003 hat unsere Gruppe an Inhibitoren der PL pro gearbeitet. Um an diese Forschung anzuknüpfen, musste zunächst untersucht werden, inwieweit sich die Proteasen beider SARS-CoV-Stämme ähneln. Ein alignment ergab, dass beide Proteasen nahe verwandt sind (sequence identity 82 %, sequence similarity 90 %), was sich mit einer root mean square deviation (RMSD) von 1,8 Å auch in der 3D-Faltung beider Proteasen widerspiegelt. Ausgangspunkt unserer SAR-Studie war der Benzamid-Inhibitor ( Abb. 2A, 1, [4] ). Zunächst konnte gezeigt werden, dass die Veränderungen der Benzamidstruktur durch Spaltungen durch die viruseigenen Cystein-Proteasen papain-like protease (PL pro ) und main pro tease (M pro ). PL pro schneidet an drei Stellen, während M pro an elf Restriktionsseiten aktiv wird (Abb. 1B). Die freigesetzten Proteine können nun ihre jeweiligen Funktionen übernehmen sowie zu neuen Virionen zusammengesetzt werden. Die reifen Virionen werden wieder in den Extrazellularraum entlassen, wo ein neuer Replikationszyklus beginnt. Wie bei Inhibitor 1 adressieren die Naphthylreste beider Inhibitorklassen die hydrophobe S4-Bindetasche, gebildet von Pro248, Pro249 und Tyr269. Das Benzamid-und das Isoindolinstrukturelement finden in der S3-Bindtasche zwischen Leu163, Tyr265 und Tyr274 Platz. Die (R)-Konfiguration wird bevorzugt, da Tyr265 aufgrund sterischer Hinderung eine Bindung der (S)-konfi gurierten Methylgruppe erschwert. Zusätzlich lässt sich eine für die inhibitorische Wirkung essenzielle ionische bzw. polare Wechselwirkung der positiven Aminogruppe der Isoindoline bzw. der Amidgruppe der Benzamide mit Asp165 beobachten. Um experimentell zu untersuchen, ob die mit SARS-CoV-PL pro erhaltenen Testergebnisse auf die homologe Protease des SARS-CoV-2 übertragen werden können, wurde diese rekombinant exprimiert und isoliert. Wie aufgrund der strukturellen Verwandtschaft beider Enzyme zu erwarten und zu erhoffen, liegen die Aktivitäten bei beiden Proteasen im gleichen Größenbereich. Zusätzlich wurden Daten zur antiviralen Aktivität an SARS-AUTOREN Stefan Josef Hammerschmidt Approbation als Apotheker Approbation als Apothekerin. 1989-1999 Promotion und anschließend Habilitation im Fach Pharmazeutische/Medizinische Chemie. 2000 Hochschuldozentin (C2) am Pharmazeutischen Institut der Universität Freiburg. 2000-2011 C3-Professur für Pharmazeutische/Medizinische Chemie