key: cord-0953133-wi3o802v authors: Holtemöller, Oliver; Kooths, Stefan; Michelsen, Claus; Schmidt, Torsten; Wollmershäuser, Timo title: Gemeinschaftsdiagnose: Pandemie verzögert Aufschwung — Demografie bremst Wachstum date: 2021-05-17 journal: Wirtschaftsdienst DOI: 10.1007/s10273-021-2915-4 sha: 73c2910c6a4daa7e92b87a7c4b2e672a34ea0925 doc_id: 953133 cord_uid: wi3o802v In Germany, the first year of the coronavirus pandemic was characterised by extreme fluctuations in economic activity and a massively paralysed domestic economy. In their spring report, the leading economic research institutes assume that the current shutdown will continue and gradually be lifted from mid-May until the end of the third quarter. In the wake of the easing, private consumption in particular will recover strongly. Overall, GDP is expected to grow by 3.7 % this year and 3.9 % next year. Dr. Timo Wollmershäuser ist stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen in München. Das erste Jahr der Corona-Pandemie stand im Zeichen extremer Schwankungen der ökonomischen Aktivität und einer massiv gelähmten Binnenwirtschaft. Anders als in früheren Krisen ist der private Konsum diesmal kein stabilisierender Faktor, sondern seinerseits mitursächlich für die starken Schwankungen. Maßgeblich hierfür ist, dass Infektionsschutzmaßnahmen zahlreiche kontaktintensive Geschäftsmodelle vor allem in den konsumbezogenen Dienstleistungsbranchen behindern, sodass die privaten Haushalte ihre Ausgaben nicht wie gewohnt tätigen können. Im Zuge der zweiten Infektionswelle während des zurückliegenden Winterhalbjahrs gab die Aktivität in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen erneut deutlich nach. Dagegen war die Industriekonjunktur vor allem dank eines steigenden Auslandsgeschäfts bis zuletzt weiter aufwärts gerichtet. Trotz des immer wieder verlängerten zweiten Shutdowns haben sich eine Reihe von Indikatoren zuletzt wieder deutlich verbessert. Dabei ist bemerkenswert, dass sich die Geschäftserwartungen des ifo Instituts auch im Dienstleistungssektor und im Handel aufgehellt haben. Darin dürfte vor allem die Erwartung zum Ausdruck kommen, dass die zunehmende Immunisierung der Bevölkerung die Infektionsschutzmaßnahmen in absehbarer Zeit entbehrlich macht. Allerdings gehen die Institute davon aus, dass der derzeitige Shutdown zunächst fortgesetzt wird und dabei auch die zuletzt erfolgten Lockerungen wieder weitgehend zurückgenommen werden. Erst ab Mitte des zweiten Quartals setzen Lockerungsschritte ein, die es den im Shutdown befi ndlichen Unternehmen erlauben, ihre Aktivitäten nach und nach wieder aufzunehmen. Bis zum Ende des dritten Quartals sollten dann alle Beschränkungen aufgehoben worden sein, weil bis dahin insbesondere mit einem weitreichenden Impffortschritt zu rechnen ist. Unter dieser Voraussetzung wird es in den Dienstleistungsbereichen zu einer kräftigen Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivität im Sommerhalbjahr kommen. Verwendungsseitig spielt dabei der private Konsum die Hauptrolle. Die Erfahrungen aus dem vergangenen Frühjahr legen nahe, dass sich das wirtschaftliche Geschehen in vielen Bereichen rasch normalisiert und der Aufholprozess im Verlauf dieses Jahres weitgehend abgeschlossen sein wird. Im kommenden Jahr fallen die Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts dann wieder normal aus. Infolge der für das Sommerhalbjahr erwarteten kräftigen Erholung dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 3,7 % zulegen. Die mit 3,9 % sogar noch etwas höhere Rate im kommenden Jahr geht überwiegend auf die kräftigen Zuwächse in der zweiten Jahreshälfte 2021 zurück (die Jahresverlaufsrate 2022 beträgt 1,4 %). Die bisher niedrigen Zahlen bei den Unternehmensinsolvenzen dürften vor allem auf die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und das Aussetzen der Anmeldepfl icht für Insolvenzen zurückzuführen sein, welches derzeit noch bis Ende April dieses Jahres vorgesehen ist. Durch den Corona-Schock sind die Geschäftsmodelle der davon betroffenen Wirtschaftsbereiche für die Zeit nach der Pandemie ganz überwiegend nicht obsolet geworden, sondern dürften dann weiterhin marktfähig sein. Allerdings steigt die Zahl der Insolvenzanmeldungen auch in normalen Rezessionen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Weil ein Teil der Anzeigen diesmal durch die wirtschaftspolitischen Maßnahmen verhindert wurde, wird es wohl vorübergehend zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen kommen, wenn die staatlichen Hilfsmaßnahmen auslaufen und die Pfl icht zur Insolvenzanmeldung wieder vollumfänglich gilt. Die Folgen der Corona-Krise dürften die Wirtschaftsaktivitäten auch mittelfristig belasten. Das aktuell geschätzte Produktionspotenzial liegt in den Jahren 2020 bis 2024 durchschnittlich rund 1,1 % unter dem Niveau, das vor der Corona-Krise (Herbstgutachten 2019) geschätzt wurde. Ursächlich für diese Abwärtsrevision sind insbesondere Revisionen des potenziellen Arbeitsvolumens und des Trends der totalen Faktorproduktivität (TFP). In der kurzen Frist überwiegt dabei der Revisionsbeitrag des Arbeitsvolumens, in den Jahren danach der Revisionsbeitrag der TFP. Der von der Fortschreibung des Kapitalstocks ausgehende Revisionsbeitrag ist hingegen verhältnismäßig gering und am Ende der mittleren Frist aufgrund der veränderten Prognose für die Investitionstätigkeit sogar leicht positiv. Im Unterschied dazu ist inzwischen deutlich erkennbar, dass die Entwicklung des Produktionspotenzials in den kommenden Jahren stark von der demografi schen Entwicklung geprägt wird. Die Einschätzung der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung lehnt sich an die Variante 2 der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts an (G2-L2-W2: moderate Entwicklung der Geburtenhäufi gkeit, Lebenserwartung und Wanderung). Nach den Berechnungen der Institute ergibt sich daraus für das potenzielle Arbeitsvolumen bis zum Jahr 2025 ein jahresdurchschnittlicher Rückgang um 0,1 %. Nach Anstiegen in den Jahren 2020 und 2021 um jeweils 0,3 % setzt ab dem Jahr 2023 demografi sch bedingt der Schrumpfungsprozess ein, wodurch zugleich das Wachstum des Produktionspotenzials sinkt. Alles in allem steigt das Produktionspotenzial nach den Berechnungen der Institute bis zum Jahr 2024 um durchschnittlich 0,9 % pro Jahr. Die Wachstumsrate liegt damit etwa 0,4 Prozentpunkte unter dem Mittel seit 1996. Der sich bereits in der mittleren Frist abzeichnende demografi sche Wandel wird sich in den darauf folgenden Jahren weiter verstärken. Ausschlaggebend hierfür ist, dass ein Großteil der etwa 13 Mio. Babyboomer -der geburtenstarken Jahrgänge zwischen Mitte der 1950er Jahre und Mitte der 1960er Jahre -das Rentenalter erreicht. Somit steigt der Anteil der Rentner:innen bis 2030 deutlich an, während die Erwerbsbevölkerung schrumpft. Dies wirkt sich über zwei Kanäle auf das Wirtschaftswachstum aus. Zum einen sinkt das Arbeitsangebot mit der abnehmenden Zahl von Personen Altersgrenze 70 Altersgrenze 65 Schätzung von Produktionspotenzial und -lücke: Eine Analyse des EU-Verfahrens und mögliche Verbesserungen Demographic Structure and Macroeconomic Trends Mit Investitionen und Innovationen aus der Corona-Krise, DIW Wochenbericht Wirtschaftliche Implikationen der Corona-Krise und wirtschaftspolitische Maßnahmen Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sowie zu den Anträgen der Fraktionen der FDP Integration von Migrantinnen und Migranten in Deutschland: Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse hat positive Arbeitsmarkteffekte Start-up subsidies for the unemployed: Opportunities and limitations Kieler Modell für betriebliche Stabilisierungshilfen -Funktionsweise und Einsatz in der Corona-Krise Gründungszuschuss: ein erfolgreiches Instrument steht zur Disposition Bevölkerung Deutschlands bis 2060