key: cord-0947740-3s5ptcj8 authors: Krauss, F.; Giesler, M.; Offergeld, C. title: Zur Effektivität der digitalen Vermittlung praktischer Fertigkeiten in der curricularen HNO-Lehre date: 2021-09-20 journal: HNO DOI: 10.1007/s00106-021-01107-z sha: c2c28b9fa6ec8dacfca24df40a421356a4443490 doc_id: 947740 cord_uid: 3s5ptcj8 BACKGROUND: Due to the current COVID-19 pandemic, the curricular courses at faculties of medicine had to be digitalized within a short time. This poses a particular challenge regarding the teaching of practical skills. OBJECTIVE: To determine to what extent practical skills can be learned within the framework of a fully digitally implemented ENT mirror examination, the minimum number of teaching units (UE) required for competent execution, and the difficulty of the various examinations were identified. MATERIALS AND METHODS: During a period of 5 days of their ENT block internship, a total of 146 students learned six ENT mirror examinations in daily videoconferences. A subgroup (n = 48) was assessed formatively each day and the increase in performance was statistically analysed over the 5 days. On the fifth day, exams were carried out with the entire cohort. RESULTS: Over the course of the 5 days, a significant increase in performance was observed in the various examinations. Based on the evaluation of the increase in performance in the subsections, examinations could also be classified as “simple” and “difficult.” Peak performance according to competence level 3a of the Nationaler Kompetenzorientierter Lernzielkatalog Medizin (NKLM) was achieved on day 4 after 5 UE had been completed. CONCLUSION: Practical skills can also be acquired through digital courses. Limitations result from the quality of the examination instruments and the diagnostic findings. Additionally, economical curriculum planning can be achieved by a suitable weighting of the focus of the examination. "Präsenzlehre ist unersetzlich!" [19] . Das ist die zentrale Botschaft der gleichnamigen Senatsresolution der Universität Freiburg vom 31. Juli 2020 zur Lehr-und Lernsituation im Sommersemester 2020, das ganz im Zeichen der COVID-19-Pandemie stand. Es bleibt die Frage, ob die hier als "eine Ausnahmelösung in einer Ausnahmesituation" beschriebene Momentaufnahme nicht vielmehr den Einstieg in das Lehrkapitel der Zukunft skizziert. Dieser Einstieg begann mit der notgedrungen kompletten Umstellung auf Online-Lehre, was die deutschen Universitäten z. T. vor Probleme in der digitalen Realisierung eines tragfähigen Konzepts stellte [14] . In der curricularen Lehre der medizinischen Fakultäten hat die digitale Transformation schon präpandemisch Einzug gehalten, jedoch mit Unterschieden in Ausmaß und Qualität [16] . Studien der vergangenen Jahre konnten aufzeigen, HNO [1, 12, 14, 17, 23] . Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) und die Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) geben hierbei die Lernziele vor und stellen auch Qualitätsanforderungen an Prüfungsformate [1, 12] . Unter Beachtung dieser Vorgaben und der neuen Online-Bedingungen bleibt vorerst ungeklärt, ob eine standardisierte Vermittlung praktischer Fertigkeiten in der HNO-Heilkunde möglich ist [9] . Die Online-Lehre in der universitären HNO-Heilkunde in Freiburg erfolgt auf der offiziellen Lehrplattform "ILIAS" und basiert seit 2018 auf einem eigenständigen, webbasierten Lernprogramm [7, 10] . Im Sommersemester 2020 konnten außerdem positive Erfahrungen mit der 4-Schritt-Methode nach Peyton bei der Vermittlung komplexer praktischer Fertigkeiten gemacht werden [22] . Bisher fehlen jedoch spezifische Untersuchungen zur Effektivität dieser Methode bei digitaler Anwendung im Sinne einer Lernerfolgsüberprüfung. Mit dieser Studie soll überprüft werden, inwieweit praktische Fertigkeiten im Rahmen eines digital stattfindenden Spiegelkurses erworben werden können. Es wird erwartet, dass die Studierenden die angebotenen Untersuchungen im Verlauf der 6 Unterrichtseinheiten (UE) zunehmend besser ausführen. Zudem soll festgestellt werden, ob manche Untersuchungen online leichter zu erlernen sind als andere. Der Studienaufbau orientiert sich an der Studie von Polk et al., die gezeigt hat, dass für eine sichere Ausführung der Untersuchungsabläufe die Wiederholung unabdingbar ist [17] . Diese Studie wurde unter regulären Unterrichtsbedingungen in Präsenz durchgeführt und liefert somit optimale Referenzwerte bei der Beantwortung der Frage, ob die Vermittlung praktischer Fertigkeiten in der digitalen Lehre mit der der Präsenzlehre Schritt halten kann. Um adäquate Gruppengrößen von maximal 10 Studierenden sicherzustellen, erfolgte eine randomisierte Einteilung in drei Gruppen (A, B und C). Von diesen wurde vor der Randomisierung eine Gruppe als sog. Prüfgruppe (PG) bestimmt, die sich jeden Tag nach der letzten UE einer formativen Prüfung unterziehen musste (n = 48). Die Studierenden der anderen beiden Gruppen dienten als Kontrollgruppe (KG) für die Abschlussprüfung an Tag 5 (n = 98). Die Online-Präsenzveranstaltungen fanden eine Woche lang täglich statt. Am letzten Tag dieser Woche wurde der Spiegelkurs durch eine summative Prüfung beendet (. Tab. 1). In der ersten Sitzung an Tag 1 wurden die Untersuchungstechniken unter ärztlicher Leitung nach der Peyton-Methode online demonstriert. In einer nachfolgenden 90-minütigen Sitzung konnten die erworbenen Kenntnisse in Zweiergruppen angewendet werden. Die Betreuung der Studierenden erfolgte dabei an den ein- Datum: Parotis ausstreichen bds. Aufforderung zu Untersuchungen nötig □ -3 Untersuchungszeit > 6 Minuten □ -2 Instrumentenhaltung Spatel □ -2 Spiegel □ -2 Temperaturtest □ -5 Lichteinstellung □ -1 Laryngoskopie Instrumentenhaltung Zunge □ -2 Spiegel □ -2 Temperaturtest □ -7 Phonation / Respiration □ -1 Lichteinstellung □ -1 Patientenführung □ -1 Nervenaustrittspunkte □ -1 NNH / Mastoid abklopfen □ -2 Lymphknotenstatus vergessen □ -3 unvollständig □ -1 Fazialisprüfung □ -1 Nystagmusprüfung □ -1 Stimmgabeltests Weber □ -2 Rinne □ -2Notengebung Bei der Einhaltung der Untersuchungszeit konnte bis zu Tag 3 täglich ein signifikanter Leistungszuwachs festgestellt werden (p ≤ 0,05; . Abb. 4). Auch verglichen mit der Anfangsleistung war bis Tag 5 eine signifikante Verbesserung in der Einhaltung der Untersuchungszeit zu beobach- Mit den Ergebnissen kann belegt werden, dass der Erwerb praktischer Fertigkeiten im Rahmen einer digital stattfindenden Lehrveranstaltung möglich ist. Für die Teiluntersuchungen des Spiegelkurses, für die Grundfertigkeiten und für die Einhaltung der Untersuchungszeit konnte ein signifikanter Lernzuwachs bei den Studierenden im Laufe der 6 UE festgestellt werden. Die ermittelten Effektstärken belegen die praktische Relevanz dieser Ergebnisse. Mit Blick auf eine ökonomische Curriculumplanung ist aber nicht nur die Frage nach der Quantität relevant, sondern auch nach der Qualität in dem Sinne, dass ein ausgewogenes Verhältnis in puncto Lern-Zeit-Aufwand zwischen "leicht" und "schwer" zu erlernenden Fertigkeiten sichergestellt sein soll. "Leicht" und "schwer" sind dabei jedoch nicht dichotom zu verstehen, sondernals Kontinuum mitfließenden Übergängen. Bei der Differenzierung helfen die von der ÄApprO vorgegebenen Prozentranggrenzen und die Kompetenzebenen des NKLM [1, 12] . Lauter et al. [11] haben in ihrer Studie Schwierigkeitsempfinden und klinische Relevanz des Erlernens verschiedener medizinischer Untersuchungen aus der Sicht von Lehrenden, Tutor*innen und Studierenden im Rahmen des Studierendenunterrichts dargestellt. Diese Einschätzungen können durch die Daten unserer Studie weitestgehend bestätigt werden. Zu den schwer zu erlernenden Fertigkeiten zählen die anteriore Rhinoskopie, die posteriore Rhinoskopie und die Laryngoskopie. Bei diesen Untersuchungen konnte erst an Tag 3 nach 4 UE, bei der Laryngoskopie sogar erst an Tag 4 nach 5 UE eine nach ÄApprO "sehr gute" Leistung erbracht werden [1] . Diese Leistungen genügen dem Anspruch der Kompetenzebene 3a ("Unter Anleitung selbst durchführen und demonstrieren") des NKLM [12] . Interessanterweise definiert der NKLM auch für das Praktische Jahr (PJ) von den sechs Teiluntersuchungen nur bei der anterioren Rhinoskopie und der Laryngoskopie -die posteriore Rhinoskopie findet keine Erwähnung -die Kompetenzebene 3a als Zielwert, während es bei Otoskopie, Mundhöhleninspektion und Kopf-Hals-Untersuchung die Kompetenzebene 3b ("Selbstständig und situationsadäquat in Kenntnis der Konsequenzen durchführen") zu erreichen gilt [12] . Mit Sicherheit ist ein Grund für diese Unterscheidung darin zu sehen, dass es sich bei den als "schwer" eingestuften Fertig-keiten um genuin HNO-ärztliche Untersuchungen handelt, die für das PJ meist nur dann relevant sind, wenn das Wahlfach in der HNO-Heilkunde absolviert wird. Die als "leicht" eingestuften Fertigkeiten sind auch in anderen klinischen Fächern relevant. So spielt die Kopf-Hals-Untersuchung z. B. bei der Erhebung eines neurologischen Status eine zentrale Rolle, und sowohl die Otoskopie als auch die Mundhöhleninspektion gehören in der Pädiatrie und der Allgemeinmedizin zum Standardrepertoire. Darüber hinaus wird in Freiburg ein Famulaturreifekurs angeboten, der die Studierenden frühzeitig befähigen soll, im Rahmen der medizinischen Ausbildung aktiv an Untersuchungen teilzunehmen [20] . Hierbei werden die Otoskopie, die Mundhöhleninspektion und die Kopf-Hals-Untersuchung (. Abb. 1) nahezu vollständig abgedeckt. Unsere Studie kann dennoch verdeutlichen, dass auchbeidiesen"leicht" zu erlernenden Untersuchungen über die fünf Tage statistisch signifikante Leistungssteigerungen möglich sind. Zudem zeigte sich beim Vergleich der Prüfungsergebnisse von PG und KG bei der Mundhöhleninspektion trotz guten Ausgangsniveaus ein signifikanter Unterschied (. Abb. 2c). Dies kann u. a. dadurch erklärt werden, dass einerseits eine bestimmte Untersuchungsreihenfolge der Einzelschritte einzuhaltenwar und andererseits mancheEinzelschritte wie z. B. die Untersuchung der Glossotonsillarfurche oder die Provokation von Tonsillenexprimat (. Abb. 1) von den Studierenden im Famulaturreifekurs noch nicht eingeübt wurde. Es ist davon auszugehen, dass sich durch die täglich stattfindenden formativen Prüfungen der PG und das anschließende Feedback eine bessere Untersuchungsroutine als bei der KG eingestellt hat. Bei einer ressourcenoptimierten Lehrplanung ist also eine stärkere Ausrichtung auf die "schwer" zu erlernenden Untersuchungen durchaus sinnvoll, jedoch sollte auch der potenzielle Leistungszuwachs bei den "leichten" Untersuchungen maximal ausgereizt werden. In diesem Kontext kann "maximales Ausreizen" aber auch bedeuten, dass ein Üben jenseits der Lernsättigungskurve ineffektiv ist und unnötig Ressourcen verbraucht. Bei unserer Studie konnten in allen Teiluntersuchungen an Tag 4, d. h. nach 5 UE, über 90 % der maximalen Punktzahl erreicht werden, was nach ÄApprO einer "sehr guten" Leistung entspricht [1] . Von Tag 4 auf Tag 5 trat kein signifikanter Kompetenzzuwachs mehr auf. Demnach scheint sich in der digitalen Vermittlungsversion von Tag 4 auf Tag 5 nicht die von Polk et al. postulierte "Prozessroutine" einzustellen [17] . Damit ist auch die Notwendigkeit einer sechsten UE infrage gestellt. Dennoch ist es durch die Verbesserung der Untersuchungszeit im Verlauf der fünf Tage (. Abb. 4) durchaus gerechtfertigt zu behaupten, dass sich bei der digitalen Lehre praktischer Fertigkeiten zumindest eine "Untersuchungsroutine" vollzieht. Ob diese von Dauer ist, müsste jedoch durch eine Wiederholung der formativen Prüfung mit zeitlichem Abstand zum Untersuchungskurs belegt werden. Auf dem Weg zu dieser digital-praktisch erworbenen Untersuchungsroutine sind auch einige Störfaktoren im Gegensatz zur Präsenzlehre zu berücksichtigen, die Einfluss auf den Lernzuwachs haben können. Ein Grundproblem war die Realisierung der ersten beiden Schritte nach der Peyton-Methode. Mittels standardisierter Kameraeinstellung in 45°-Position auf die untersuchte Person sollten einerseits die technische Ausführung und andererseits die erhobenen Befunde nachzuvollziehen sein. Die fehlende natürliche "Autofokussierung" führte diese Herangehensweise jedoch an ihre Grenzen. Wir begegneten dem Problem mit makroskopischer wie auch endoskopischer Demonstration der Befunde sowie in fusionierter Darstellung im Videotutorial. Zudem stellten wir in den jeweiligen Kurssitzungen sicher, dass sich über eine Verbindung der Schritte 3 und 4 der Peyton-Methode, die dem Grundgedanken der "circulation" von Nikendei et al. als Aufhänger diente [13] , alle Studierenden aktiv beteiligen konnten. Dies erfolgte durch wechselnde Anleitung von Studierenden zu Teiluntersuchungen. Die Tutor*innen gaben jeweils am Ende der Untersuchung ein Feedback. Diese Modifikation wurde für den Kleingruppenunterricht übernommen, da die originale Peyton-Methode auf eine 1:1-Betreuung angelegt ist [22] . Methodenkritisch ist die Qualität des Einmal-Untersuchungsinstrumentariums einzuschätzen. Die Spiegel wiesen eine vergleichsweise geringe Winkelung auf. Zudem erfolgte die Beschaffung einer Lichtquelle in studentischer Eigenverantwortung mit resultierenden Qualitätsunterschieden der Lichtverhältnisse. Die Summe beider Probleme führte v. a. bei der posterioren Rhinoskopie und der Laryngoskopie zu erschwerten Bedingungen bei der klinischen Befunderhebung. Bei Befindlichkeiten (Würgereflex) des*der Untersuchungspartner*in war ein Wechsel ausgeschlossen. Zudem sind die einzelnen Items der Checkliste (. Abb. 1) nicht näher spezifiziert. So geht z. B. aus dem Item "Instrumentenhaltung" nicht automatisch die korrekte Instrumentenhaltung hervor. Dennoch darf deren Kenntnis bei prüfenden HNO-Ärzt*innen vorausgesetzt werden und wurde entsprechend den Studierenden in den UE vermittelt. Limitationen aufseiten der Lehrenden in Form einer empfundenen "räumlichen Barriere" fanden ihren Ausdruck in Tonund Verbindungsproblemen, fehlender natürlicher "Autofokussierung" sowie taktilen Defiziten (z. B. Korrekturen bei der Instrumentenhaltung). Dem wäre gegenüberzustellen, dass im häuslichen Umfeld mit den Materialien ein häufigeres und zeitlich unabhängiges Üben mit dem*der Partner*in möglich war, wenngleich pandemiebedingt nicht in einem klinischen Setting. Enhancing teaching through constructive alignment A systematic review of the effectiveness of flipped classrooms in medical education Statistical power analysis for the behavioral sciences, 2. Aufl. Lawrence Erlbaum Digitale Strategien in der Lehre Einsatz von E-Learning an deutschen Universitäts-HNO-Kliniken Peer Teaching und Peer Assessment sind effektive Lehrinstrumente in der HNO-Heilkunde Die Operationalisierung der HNO-Spiegeluntersuchung Digitalisierung in der curricularen Lehre: Erfahrungen mit dem Freiburger HNO-Lernprogramm Tuto-rielleVermittlungklinisch-praktischerFertigkeiten im Skills-Lab: Komplexität, Relevanz und Lehrkompetenz aus ärztlicher, tutorieller und studentischer Sicht Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog -NKLM. Verabschiedet auf der Mitgliederversammlung des 76. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentages am 04.06.2015 in Kiel Modification of Peyton's four-step approach for small group teaching-a descriptive study Ab morgen bitte online": Vergleich digitaler Rahmenbedingungen der curricularen Lehre an nationalen Universitäts-HNO-Kliniken in Zeiten von COVID-19 Vermittlung digitaler Kompetenzen in der curricularen HNO-Lehre: abwartende Haltung oder vorauseilender Gehorsam? ENT-expect no teaching Lernkurve der HNO-Spiegeluntersuchung: Zielgerichtete Lehrveranstaltungsplanung zu einer psychomotorischen Fertigkeit Medical education reimagined:acalltoaction Manual zur Praxis der Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung Eine Einführung in die Inverted/Flipped-Classroom-Methode in der Aus-und Weiterbildung in der Medizin und den Gesundheitsberufen Teaching in theatre. In: Peyton JWR (Hrsg) Teaching and learning in medical practice Neustrukturierung des Medizinstudiums und Änderung der Approbationsordnung für Ärzte. Empfehlungen der Expertenkommission zum Masterplan Medizinstudium 2020