key: cord-0922835-g146gzt6 authors: Henke, Karin title: Der Aufbau der Europäischen Gesundheitsunion – Lernen aus der Corona-Krise date: 2021-10-07 journal: Medizinrecht DOI: 10.1007/s00350-021-6007-7 sha: f64a0993d4e9ee0b94e806feae40c6d974e8336f doc_id: 922835 cord_uid: g146gzt6 nan LSG zu dem Schluss, dass die geplante häusliche Eigenanwendung des Medizinprodukts nicht geeignet und erforderlich sei, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, so dass das LSG einen Anordnungsanspruch verneinte und die Beschwerde des Versicherten gegen den erstinstanzlichen Beschluss zurückwies. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss 2017 eine Richtlinie 19 zur Erprobung der Transkorneale Elektrostimulation zur Behandlung der Retinitis Pigmentosa (erblich bedingte Erkrankung der Netzhaut). Obwohl das Erprobungsverfahren noch nicht abgeschlossen war und somit die Anerkennung dieser neuen Methode durch den G-BA fehlte, bejahte das LSG Baden-Württemberg, wie in der letzten Rechtsprechungsübersicht erwähnt 20 , den Anspruch der klagenden Versicherten auf eine Versorgung mit dem bei der Behandlungsmethode zum Einsatz kommenden OkuStim ® System (bestehend aus Gerät, Brille und Elektroden). Das . 2020 (EUCom, Pressemitteilung v. 11. 11. 2020). 5) Mussler, EU will in Gesundheitspolitik enger zusammenarbeiten", FAZ, aktualisiert am 11. 11. 2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/eu-will-in-gesundheitspolitik-enger-zusammenarbeiten-17047702.html, letzter Zugriff am 16. 6. 2021. 6) Mussler, EU will in Gesundheitspolitik enger zusammenarbeiten", FAZ, aktualisiert am 11. 11. 2020, https://www.faz. net/aktuell/politik/ausland/eu-will-in-gesundheitspolitik- Um dem entgegenzuwirken und die Handlungsfähigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten zu stärken, wurde eine Anpassung des EU-Rahmenrechts vorgenommen. Ziel war es, die durch die fehlende Harmonisierung verursachten Stockungen zu beseitigen. Diese Anpassungen beinhalteten, dass die EMA bereits ab der Entwicklung eines möglichen Covid-19 Impfstoffes involviert war und den Entwicklungsprozess engmaschig begleiten und unterstützen konnte 59 . Ein bedingtes Zulassungssystem ermöglichte, dass ein Wirkstoff bei positivem Nutzen-Risiko-Verhältnis zunächst mit weniger umfassenden Daten belegt werden musste, um zugelassen zu werden 60 . Fehlende Daten konnten dann nachträglich noch ergänzt werden. Die so erreichte regulatorische Flexibilität bewirkte eine dringliche Zulassung eines Covid-19-Impfstoffes und beschleunigte den Zulassungsprozess ohne Verlust von Qualitäts-und Sicherheitsstandards 61 . Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen forderte in der Rede zur Lage der Union dazu auf, Lehren aus der Krise zu ziehen und diese in einer Europäischen Gesundheitsunion umzusetzen 62 . Unter anderem ist geplant das Überwachungssystem der ECDC zukünftig zu stärken 63 , da die ECDC derzeit nur begrenzte Kapazitäten zur Erfassung einer faktengestützten Momentaufnahme einer Krisenlage hat 64 . Die EMA ist insbesondere wichtig, um Behandlungen und Impfstoffen einzuordnen und zu bewerten 65 . In Zeiten der Krise wurde jedoch deutlich, dass sie nicht in der Lage war, Engpässe bei dringend benötigten Arzneimittellieferungen zu verhindern und die Lieferung und Verteilung ausreichend zu überwachen 66 . Deshalb muss auch ihre Kompetenz gestärkt werden. Außerdem soll die Datenübermittlung verbessert werden, damit ein Austausch zwischen den Mitgliedsstaaten über freie Kapazitäten beispielsweise von intensivpflichtigen Patienten oder der Anzahl von freien Krankenhausbetten besteht 67 . Die benannten Probleme zeigen den Handlungsbedarf in der EU auf und verpflichten zu einer besseren Koordinierung und Bündelung von Ressourcen. Diese Erfahrungen sollen den Grundstock für die geplante Europäische Gesundheitsunion bilden. Inwiefern diese umgesetzt werden sollen und können, wird im Folgenden erläutert. Die Europäische Kommission schlägt mehrere Legislativakte zur Schaffung der neuen Europäischen Gesundheitsunion vor 68 . Der rechtliche Rahmen wird durch eine neue Verordnung gebildet. Diese soll die künftige Grundlage bilden, um frühzeitig und umfassend auf grenzüberschreitende Gesundheitsverfahren 69 reagieren zu können. Die Neuerungen setzen dabei an unterschiedliche Handlungsmechanismen an. Um hierbei eine Übersichtlichkeit zu schaffen, werden sie anhand eines zeitlichen Handlungsstranges erklärt. Auch bei grenzüberschreitenden Ge-sundheitsgefahren gilt "Vorsicht ist besser als Nachsicht". Darum sind vorverlagerte Handlungen all jene, die Gesundheitsgeschehen beobachten und Vorkehrungen für den Ernstfall treffen, ohne dass bereits eine konkrete Gefahr vorliegt. Anschließend gilt es, Kompetenzen auszuschöpfen und Notfallmechanismen zu aktivieren 70 sowie auf europäischer Ebene unabhängig von Importen außerhalb der EU zu sein. Im Nachgang stellen sich Fragen der Verteilung, der Solidarität und der Finanzierung der Krise. Der Forderung nach einer besseren Koordinierung der Politiken der einzelnen Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus in ganz Europa 71 soll die geplante Europäische Gesundheitsunion nun Rechnung tragen. 85 . Dadurch können im Krisenfall getroffene ad-hoc-Entscheidungen schneller ineinander greifen. Das Frühwarn-und Reaktionssystem (engl. Early Warning Response System, EWRS) soll weiter ausgebaut werden. Dieses Schnellwarnsystem nutzt die laufende Kommunikation zwischen Mitgliedstaaten und Kommission, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu melden und schnell reagieren zu können 86 . In den Mitgliedstaaten sollen ebenfalls mehr Daten zu bevorstehenden möglichen Gesundheitsrisiken erhoben werden. Da Gesundheitskrisen meist grenzüberschreitend wirken und nicht lokal eingrenzbar sind, ist die Einführung einer stetigen epidemiologischen Überwachung und einheitlichen Risikobewertung 87 geplant. Die obligatorische epidemiologische Überwachung wird dabei Arbeitsbereich der ECDC sein 88 . Die Überwachung neuartiger Krankheitserreger soll durch den Einsatz künstlicher Intelligenz erfolgen und eine Vergleichbarkeit durch harmonisierte Datensätze und gemeinsame Falldefinition geschaffen werden 89 . Es sollen so neue Risikobewertungsrahmen für alle Gefahren skizziert und zugleich eine Empfehlung der jeweiligen Gegenmaßnahmen mitgegeben werden 90 . Durch einen Ausbau von Testmöglichkeiten (nicht nur auf Covid-19, sondern auch auf andere Gesundheitsgefahren) und eine bessere Kontaktnachverfolgung ist eine bessere strategische Handlung beabsichtigt 91 . Zukünftig sollen die EMA und die ECDC im Rahmen der begrenzten Kompetenzen ausgebaut werden. Da es bislang keinen Mechanismus gibt, der die Verfügbarkeit von Medizinprodukten in Krisenzeiten überwacht, ist geplant einen solchen neu einzuführen 92 . Die EMA übernimmt künftig u. a. die Überwachung der Arzneimittel und Medizinprodukte, damit Engpässe vermieden werden 93 . Sie wird unterstützt durch die Ad-hoc-EMA-Covid-19-Pandemie Task Force, welche bei der Konzeption klinischer Studien und der Produktentwicklung beraten wird 94 . Das ist ein Krisenreaktionsteam, welches ausgesandt werden kann, um bei lokalen Ausbrüchen zu unterstützen 95 . Ziel der Neuerungen soll sein, dass Arzneimittel in Krisenzeiten kurzfristig und ohne langen Vorlauf zugelassen werden können 96 , ohne dass dies zu Lasten der zeitaufwendigen Qualitätssicherung geht. Daran wird auch das ECDC arbeiten, denn es ist geplant diesem einen verbesserten Zugang zu Gesundheitsdaten zu ermöglichen. Die Einführung von IT-Infrastrukturen soll dem besseren Austausch zwischen den Akteuren, insbesondere der EMA und der ECDC, dienen, damit Studien zur klinischen Wirksamkeit besser koordiniert werden können 97 Das bereits seit 2001 133 bestehende Komitee für Gesundheitssicherheit (Health Security Committee/HSC) 134 soll ebenfalls Teil des Risikomanagement werden. Der HSC soll an Akzeptanz und Handlungskompetenz zunehmen, denn bislang war die Durchsetzungskraft für gemeinsame Reaktionen der EU und zur Bündelung der Risikokommunikation gering 135 . Auch durch gezielte Empfehlungen für Reaktionsmaßnahmen durch den ECDC sollen diesem mehr Nachdruck verliehen werden, sodass der ECDC koordinierte Reaktionen auf EU-Ebene durchsetzen kann 136 . Der Gesundheitsausschuss wiederum kann offizielle Leitlinien und Stellungnahmen annehmen 137 . Für den Erfolg der Maßnahme ist entscheidend, dass die Empfehlungen konkrete umsetzbare Maßnahmen enthalten und die Mitgliedsstaaten sich hinsichtlich der Umsetzung verpflichten 138 . Eine EU-Gesundheits-Taskforce kann zur Schulung des Personals im Gesundheitswesens eingesetzt werden 139 . Neben der Kompetenzerweiterung ist geplant auch neue Kompetenzen auszugestalten. Es soll eine Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen eingerichtet werden 140 . Diese Clearingstelle für medizinisches Gerät der Kommission hilft bei der Abstimmung von Angebot und Nachfrage an Krisengütern und löst Probleme innerhalb der Lieferketten 141 . Auch im Bereich der Entwicklung und Beschaffung biomedizinischer Produkte wird eine neue Behörde eingerichtet, um Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln und PSA zu gewährleisten 142 . Eine weitere EU-Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen wird die Health Emergency Preparedness and Response Authority (HERA) sein 143 . Sie dient der strategischen Früherkennung von Gesundheitsgefahren und soll geeignete Maßnahmen identifizieren 144 . Darunter f ällt die Bereitstellung von Infrastruktur für den Datenaustausch und die Bevorratung und den Vertrieb knapper Güter 145 . Die Mitgliedsstaaten sind dadurch in der Lage, im Falle einer gesundheitlichen Notlage unverzüglich medizinische und sonstige Maßnahmen zu ergreifen 146 . Die HERA wird eine weitere Krisenbehörde darstellen, die Synergien und Komplementarität mit den bestehenden EU-Einrichtungen eingehen soll 147 . Der Vergleich bisheriger Gesundheitspolitik mit den Vorschlägen der Europäischen Gesundheitsunion verdeutlicht die mittlerweile erfolgten Veränderungen. Im Verlauf der Corona-Krise zeigte sich deutlich, dass eine Abstimmung auf europäischer Ebene im Bereich des Gesundheitswesens in der Praxis deutlich stockt. Die bisherige nationale Regelung der Gesundheitssysteme erschwert ein ausgewogenes Miteinander der Mitgliedsstaaten bei grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren. Die Europäische Gesundheitsunion hat viele neue Ansätze, um eine zukünftige Harmonisierung der Abläufe zu erreichen. Die Bereitstellung erheblicher finanzieller Mittel begünstigt die Unabhängigkeit der Europäischen Union im Wettbewerb mit Drittländern und kann im Krisenfall ein weitgehend autonomes Handeln erreichen. Zu bedenken ist allerdings, dass die aus der Corona-Krise gezogenen Lehren vorrangig auf Erfahrungen im Umgang mit dem Covid-19-Virus beruhen. Die Erkenntnisse auf generelle Gesundheitsrisiken zu übertragen, ist nur begrenzt möglich. Wichtig wird sein, sich bei zukünftigen Überlegungen davon frei zu machen und auch andere grenzüberschreitende Gesundheitsrisiken in den Blick zu nehmen. So wird Europa perspektivisch auch lernen müssen Pandemien anderer Art zu bewältigen. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts-und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, EU-Strategie für COVID-19-Impfstoffe COM(2020) 245 final Ausschnitt: "For me, it is crystal clear -we need to build a stronger European Health Union. And to start making this a reality COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final, S. 1; EUCom, Pressemitteilung v Auf dem Weg zur Gesundheitsunion Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Auf hebung des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU, Europäische Kommission, COM(2020) 727 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final So wurde dies schon bei den Ankaufsverfahren der EU angewendet COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final Abs. 1 aus dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Auf hebung des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU Abs. 3 aus dem Vorschlag für eine Verordnung COM(2020) 724 final, S. 14 ff COM(2020) 724 final Eine europäische Gesundheitsunion: Gesundheitskrisen gemeinsam bewältigen, 11. 11 COM(2020) 724 final Eine europäische Gesundheitsunion: Gesundheitskrisen gemeinsam bewältigen, 11. 11 COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final Eine europäische Gesundheitsunion: Gesundheitskrisen gemeinsam bewältigen, 11. 11 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zu einer verstärkten Rolle der Europäischen Arzneimittel-Agentur bei der Krisenvorsorge und dem Krisenmanagement in Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 725 final Verkaufsstart bei Discountern -Ansturm auf Corona-Selbsttests COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 245 final COM(2020) 724 final COM(2020) 245 final Deutsche Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa e. V., zusammengesetzt aus der Deutschen Rentenversicherung Bund, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, der GKV-Spitzenverband und die Verbände der gesetzlichen Krankenund Pflegekassen auf Bundesebene Arzneimittel für kommende Generationen -mehr Versorgungssicherheit durch strategische Unabhängigkeit? Erschwingliche, zugängliche und sichere Arzneimittel für alle: Die Kommission stellt eine Arzneimittelstrategie für Europa vor COM(2020) 725 final Pressemitteilung v. 25. 11. 2020, vgl. Art. 9 Abs. 3 g) Vorschlag für eine Verordnung COM(2020) 725 final Auf dem Weg zur Gesundheitsunion COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final Eine europäische Gesundheitsunion: Gesundheitskrisen gemeinsam bewältigen, 11. 11 COM(2020) 724 final Commission of the European Communities, Commission staff working document, Heath Security in the European Union and Internationally, Brussel, 23. 11 COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final Eine europäische Gesundheitsunion: Gesundheitskrisen gemeinsam bewältigen, 11. 11 COM(2020) 724 final Eine europäische Gesundheitsunion: Gesundheitskrisen gemeinsam bewältigen, 11. 11 COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final COM(2020) 724 final Auf dem Weg zur Gesundheitsunion