key: cord-0911985-5sybjmtn authors: Huppertz, Hans-Iko; Kopp, Matthias V.; Hübner, Johannes title: Prävention von Infektionen durch das Influenza- und respiratorische Synzytialvirus nach Aufhebung der Lockdown-Maßnahmen: Gemeinsames Statement der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP) date: 2021-08-17 journal: Monatsschr Kinderheilkd DOI: 10.1007/s00112-021-01278-7 sha: c6e2e871622444a017f59bc4252d325749befb32 doc_id: 911985 cord_uid: 5sybjmtn There have recently been reports of unusual outbreaks of respiratory infections in children due to influenza virus and respiratory syncytial virus (RSV) during the summer in the southern hemisphere. This phenomenon is attributed to the termination of the drastic hygiene measures to contain the pandemic triggered by the coronavirus disease 2019 (COVID-19). The affected children were much older than anticipated. Coincident with the end of the present lockdown in summer, a similar situation could develop in Germany. Physicians and hospitals should be alerted to such a possibility. Interseasonal vaccines are not available for influenza but passive immunization against RSV could help to protect infants for whom appropriate indications exist according to the guidelines. In jüngster Zeit sind Berichte zu lesen, in denen das ungewöhnliche Auftreten respiratorischer Infektionen bei Kindern, verursacht durch das Influenza-und respiratorische Synzytialvirus (RSV), während des Sommers in der südlichen Erdhalbkugel beschrieben wird. Dieses Phänomen wird mit dem Ende der einschneidenden Hygienemaßnahmen zur Eindämmung der durch die "coronavirus disease 2019" (COVID-19) ausgelösten Pandemie in Zusammenhang gebracht. Die betroffenen Kinder waren deutlich älter als erwartet. Mit dem Ende des Lockdowns im Sommer könnte sich eine ähnliche Situation auch in Deutschland entwickeln. Ärzte und Krankenhäuser sollten mit dieser Möglichkeit rechnen. Während intersaisonale Impfstoffe für Influenza nicht bereitstehen, könnte die passive Immunisierung gegen das RSV den Säuglingen helfen, bei denen gemäß Leitlinie eine diesbzügliche Indikation besteht. Atemwegsinfektionen · COVID-19-Pandemie · Hygiene · Impfung · Passive Immunisierung [7] . Was als teilweise erfolgreiche Expositionsprophylaxe gegenüber dem "severe acute respiratory syndrome coronavirus 2" (SARS-CoV-2) gedacht war, erwies sich als sehr effiziente Expositionsprophylaxe gegenüber fast allen respiratorischen Erregern mit Ausnahme der Rhinoviren [5] . Die beiden wichtigsten Atemwegsviren der Vor-COVID-19-Ära, das Influenza-Virus und das RSV, treten saisonal auf; die Saisons beginnen in Deutschland i. Allg. im November, enden im April und sind nicht völlig kongruent. Die Charakteristika der Saisons hängen stark vom Breitengrad ab und sind bei jährlichen Abweichungen, gut vorhersagbar, in den gemäßigten Zonen der Nord-und Südhalbkugel an den jeweiligen Winter gebunden [4] . Auch intersaisonal können Infektionen auftreten, die sich aber nicht stark ausbreiten und z. B. durch Reisende eingeschleppt werden [2]. Eine scheinbare Zunahme intersaisonal auftretender Influenza war begleitet von einer ähnlich starken Zunahme der in der winterlichen Saison gemeldeten Fälle [6] . Variationen sind möglich, bei RSV auch abhängig davon, ob der RSV-Typ A oder B vorherrschend ist. So wurde ein kleiner Ausbruch von Bronchiolitis im Sommer in Minnesota auf einen neuen stärker pathogenen Typ B zurückgeführt, der in der nachfolgenden Wintersaison zum dominierenden Typ mit erhöhter Fallzahl wurde [8] . Eine vergleichbare Situation mit Unterbrechung der weltweiten Zirkulation die-ser respiratorischen Viren ist bisher nicht berichtet worden. Deshalb ist auch schwer vorhersagbar, wie sich die Auseinandersetzung mit diesen Viren weiterentwickeln wird, wenn die einschneidenden Hygienemaßnahmen gelockert oder aufgehoben werden. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Viren verschwunden sind; vielmehr ist anzunehmen, dass sie wieder auftauchen werden, wenn die hygienischen Eindämmungsmaßnahmen aufgehoben werden. Mit dem Voranschreiten der Impfkampagnen in Europa ist mit einer allgemeinen Lockerung im Sommer zu rechnen. Dann wird ein Jahrgang von Kindern exponiert sein, die sich mit diesen Erregern, einschließlich dem RSV, noch nicht auseinander gesetzt haben, sodass es zur Verlagerung der primären Infektion und Erkrankung in ein höheres Alter kommen kann. Es könnten zudem in allen Altersstufen der Bevölkerung mehr Fälle auftreten, durch Minderung der Immunität mangels natürlicher Boosterung und dadurch, dass die zur Infektion notwendige Erregerdosis vermindert ist. Diese Faktoren könnten außerdem zu schweren klinischen Verläufen führen, mit erhöhter Notwendigkeit für eine Intensivtherapie und Beatmung. Völlig offen ist des Weiteren, ob, und wenn ja in welcher Form, der Ausfall von viralen Atemwegsinfektionen und Erkrankungen die Prävalenz allergischer Erkrankungen beeinflussen wird. Aus dem abgelegenen und leicht zu isolierenden Gebiet Westaustralien ist folgende Situation beschrieben worden [3] : Nach Lockerung der Hygienemaßnahmen erfolgte im australischen Sommer ein RSV-Ausbruch; die Fallzahl überstieg den Median vorgehender Saisons der Jahre 2012-2019 bei Weitem, und das Alter der betroffenen Kinder war mit 18,4 Monaten signifikant höher als der obere Altersbereich in den vergangenen Saisons. Was hier für RSV exemplarisch beschrieben wurde, kann auch für andere respiratorische Viren wie Influenza zutreffen, mit der Möglichkeit von Ausbrüchen im bevorstehenden Sommer. Es ist nicht vorstellbar, den gesamtgesellschaftlichen Lockdown unbegrenzt fortzu-führen. Selbst wenn dadurch die Übertragung von RSV auf Neugeborene verhindert werden könnte, ist nicht zu erwarten, dass Eltern weiterhin sich selbst und ihre Kinder den einschränkenden Hygienemaßnahmen unterwerfen. Allerdings zeigen die Daten, dass die nosokomiale Übertragung in medizinischen Einrichtungen mit den Maßnahmen verhinderbar ist. In Abwesenheit kurativer Optionen kommt Impfungen eine besondere Bedeutung zu. Für Influenza sind jährlich wechselnde aktive Impfungen vorhanden, für das RSV eine passive Impfung für Säuglinge. Die Influenza-Impfung erfolgt 4-valent jährlich kurz vor Beginn der Saison, also etwa zwischen Oktober und Dezember. Eine Impfung exponierter Personen in diesem Sommer bei einem intersaisonalen Ausbruch ist allerdings nicht möglich, da der Impfstoff weiterhin in einem komplizierten Verfahren jeweils etwa 9 Monate vorher in Auftrag gegeben und hergestellt werden muss. Der nächste zur Verfügung stehende Impfstoff gegen Influenza wird im Herbst für die Saison 2021/2022 bereitstehen. Die Verwendung des passiven Impfstoffs Palivizumab gegen das RSV erfolgt bei Frühgeborenen und kranken Neugeborenen nach der AWMF-Leitlinie 048-012 (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ ll/048-012.html). Kernaussage 8 besagt, dass der Impfstoff bei klar beschriebenen ausgewählten Patienten während der RSV-Saison in 4-Wochen-Intervallen i.m. appliziert werden soll. Der Beginn der Saison wird anhand der Sentinel-Untersuchungen festgestellt. Neben Untersuchungen mithilfe von "multiplex polymerase chain reaction" (Multiplex-PCR) und Schnelltesten bei vorgestellten Kindern mit Atemwegsinfektionen sind regionale und nationale Surveillance-Systeme beim Robert Koch-Institut und in einzelnen Landesgesundheitsämtern vorhanden. Entsprechend könnte der Impfstoff bei Beginn einer intersaisonalen Epidemie auch im Sommer appliziert werden. Allerdings heißt es in der Kernaussage 13 der Leitlinie, dass der Beginn frühestens Anfang November liegen soll. Daraus ergibt sich, dass eine Gabe der Immunprophylaxe gegen RSV auch bei einem intersaisonalen Ausbruch z. B. in diesem Sommer sinnvoll sein kann, aber von der Leitlinie nur teilweise gedeckt ist. Des-halb bedarf es vermutlich Verhandlungen mit den Krankenkassen, wenn man den betroffenen Säuglingen und ihren Familien diese Option eröffnen möchte. There have recently been reports of unusual outbreaks of respiratory infections in children due to influenza virus and respiratory syncytial virus (RSV) during the summer in the southern hemisphere. This phenomenon is attributed to the termination of the drastic hygiene measures to contain the pandemic triggered by the coronavirus disease 2019 (COVID-19) . The affected children were much older than anticipated. Coincident with the end of the present lockdown in summer, a similar situation could develop in Germany. Physicians and hospitals should be alerted to such a possibility. Interseasonal vaccines are not available for influenza but passive immunization against RSV could help to protect infants for whom appropriate indications exist according to the guidelines. Respiratory infections · COVID-19 pandemic · Hygiene · Vaccination · Passive immunization The interseasonal resurgence of respiratory syncycial virus in Australian children following the reduction of coronavirus disease 2019-related public health measures Global patterns in monthly activity of influenza virus, respiratory syncytialvirus, parainfluenzavirus, andmetapneumovirus: a systematic analysis COVID-19 pandemic period, where are the seasonal viruses? JMedVirol Interseasonality of influenza in Australia Decreased influenza activity during the COVID-19 pandemic-United States Summer outbreak of severe RSV-B disease, Minnesota, 2017 associated with emergence of a genetically distrinct viral lineage