key: cord-0888878-tfkearo8 authors: Schweighart, Roxana; Klemmt, Malte; Neuderth, Silke; Teti, Andrea title: Erfahrungen und Sichtweisen von Pflegeheimbewohnenden mit depressiver Symptomatik während der COVID-19-Pandemie: eine qualitative Studie date: 2021-06-03 journal: Z Gerontol Geriatr DOI: 10.1007/s00391-021-01926-3 sha: 08d12ee829fd685034c18bfc330ce10e41bb4d3b doc_id: 888878 cord_uid: tfkearo8 BACKGROUND: The COVID-19 pandemic requires extensive health protection interventions in order to prevent infections in the long-term care setting. These interventions impact residents’ lives, including an increase in depressive symptoms and other negative concomitants. OBJECTIVE: The study aimed to explore the experiences and perspectives of nursing home residents with depressive symptoms during the pandemic. METHODS: In this study nine guideline-based interviews were conducted with residents. These were analyzed using the content-structured content analysis according to Kuckartz. RESULTS: Three main themes were identified: perceptions and emotions related to the pandemic, changes and limitations due to the interventions and wishes in terms of the pandemic. The residents reported both emotional distress and not being afraid of infection and its consequences. In addition, some respondents reported unpleasant restrictions, such as wearing masks. In some cases their usefulness was critically questioned. Furthermore, various wishes of the residents in relation to the pandemic, such as leaving the nursing home, were identified. CONCLUSION: The study showed complex perceptions, changes, and wishes due to the pandemic and its interventions. Therefore, an individual approach to residents with depressive symptoms is necessary to avoid an increase in mental health problems. Against this background, there is a need for participatory implementation of health protection measures for the particularly vulnerable group of nursing home residents. Am 28.01.2020 wurde in Deutschland die erste Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-Cov-2 (COVID- 19) bestätigt. Mitte Februar empfahl das Robert Koch-Institut den Schutz besonders vulnerabler Personen, welche ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe und Mortalität aufweisen, hierzu zählen u. a. Pflegeheimbewohnende [1] . Dies und die Tatsache, dass es in Pflegeheimen mit bestätigten Infektionen zu hohem Infektionsgeschehen kommt, stellt die Einrichtungen vor große Herausforderungen und führt zu diversen, z. T. restriktiven, Maßnahmen [2, 3] . Zum Schutz der Bewohnenden gelten für diese teilweise tiefgreifendere Maßnahmen als für die Allgemeinbevölkerung. Ab März 2020 bestanden massive Zugangseinschränkungen sowohl für externe Dienstleister und Leistungserbringer als auch für ehrenamtliche Helfende. Weiter wurde auch der Besuch Angehöriger temporär ausgesetzt oder nur in Ausnahmefällen erlaubt [2] . In der Alltagsgestaltung wurden tägliche Beschäftigungen und Gruppenaktivitäten wie auch die gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten eingestellt; teilweise wurden Bewohnende in ihren Zimmern isoliert [4] . Diese Einschränkungen gehen mit negativen Folgen für die GesundheitderBewohnendeneinher. In Frankreich und den Niederlanden, wo ähnliche Einschränkungen galten, wurden erhöhte Depressivität, Ängstlichkeit, Einsamkeit und eine Zunahme an Verhaltensauffälligkeiten festgestellt [5, 6] . Soziale Isolation und Einsamkeit können sich durch eine Vielzahl von Folgeerscheinungen (Bluthochdruck, kardiovaskuläre Erkrankungen, gesteigerte Depressivität, Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeit) negativ auf den Gesundheitszustand von Pflegeheimbewohnenden auswirken und zu einer erhöhten Sterblichkeit führen [7] [8] [9] . Bereits vor der COVID-19-Pandemie zeigte knapp die Hälfte der Bewohnenden in deutschen Pflegeheimen Hinweise auf eine depressive Symptomatik [10] . Zielsetzung der Studie war es, die Auswirkungen der Pandemie auf das alltägliche Leben der Bewohnenden mit depressiver Symptomatik in stationären Pflegeheimen zu beleuchten und ihre subjektiven Sichtweisen und Erfahrungen zu explorieren. Da die Pandemie eine nie vorher dagewesene Situation in den Pflegeheimen darstellt und somit noch wenig über die Auswirkungen auf das Leben der Bewohnenden mit depressiver Symptomatik bekannt ist, wurde ein exploratives Studiendesign gewählt. Die Erfassung der sub-jektiven Wahrnehmungen der Befragten erfolgte über 9 leitfadengestützte Interviews. Die Durchführung der Studie und die Befundgenerierung wurden gemäß der COREQ-Checkliste [11] protokolliert. Coronavirus · SARS-CoV-2 · Depression · Langzeitpflege · Risikogruppe Experiences and perspectives of nursing home residents with depressive symptoms during the COVID-19 pandemic: a qualitative study Abstract Background. The COVID-19 pandemic requires extensive health protection interventions in order to prevent infections in the longterm care setting. These interventions impact residents' lives, including an increase in depressive symptoms and other negative concomitants. Objective. The study aimed to explore the experiences and perspectives of nursing home residents with depressive symptoms during the pandemic. Methods. In this study nine guideline-based interviews were conducted with residents. These were analyzed using the content-structured content analysis according to Kuckartz. Results. Three main themes were identified: perceptions and emotions related to the pandemic, changes and limitations due to the interventions and wishes in terms of the pandemic. The residents reported both emotional distress and not being afraid of infection and its consequences. In addition, some respondents reported unpleasant restrictions, such as wearing masks. In some cases their usefulness was critically questioned. Furthermore, various wishes of the residents in relation to the pandemic, such as leaving the nursing home, were identified. The study showed complex perceptions, changes, and wishes due to the pandemic and its interventions. Therefore, an individual approach to residents with depressive symptoms is necessary to avoid an increase in mental health problems. Against this background, there is a need for participatory implementation of health protection measures for the particularly vulnerable group of nursing home residents. [5, 6] . Überwiegend berichten die Befragten jedoch, die Pandemie als wenig belastend zu empfinden und keine Angst vor einer Infektion und deren möglichen Folgen zu haben. Obwohl die Befragten gut über die Gefahren des Virus informiert zu sein scheinen und über dramatische Ausbrüche in nahegelegenen Pflegeheimen Bescheid wissen [17] , erwecken sie stellenweise einen sorglosen Eindruck angesichts einer potenziell letalen Erkrankung. Eine Erklärung hierfür könnten die Charakteristika der Bewohnenden sein. Höheres Alter, Leben im Pflegeheim und Depression können in Zusammenhang mit einem Todeswunsch, wie ihn ein Befragter mitunter kommuniziert hat, stehen [18] . Dies könnte zu Akzeptanz der eigenen Sterblichkeit und zu Sorglosigkeit gegenüber SARS-CoV-2 führen. Eine Studie [19] zeigt, dass ältere Menschen, die zu Hause leben, weniger durch die Pandemie belastet sind als jüngere Personen. Das lässt auf Bewältigungsstrategien schließen, die mit Erreichen eines gewissen Alters assoziiert sind und die Sorglosigkeit ebenfalls erklären könnten. Obwohl zum Zeitpunkt der Interviewdurchführung z. T. noch erhebliche Einschränkungen in den untersuchten Heimen galten (keine Gruppenaktivitäten, wöchentlicher Besuch auf eine Person und Stunde beschränkt, dauerhaftes Tragen einer FFP2-Maske außerhalb des Zimmers etc.), waren die Reglementierungen aufgrund umgesetzter Hygienekonzepte und einer Ausweitung der Teststrategien lockerer als noch zu Beginn der Pandemie. Beispielhaft ist hier zu nennen, dass den Bewohnenden im Frühjahr und im Sommer ein Verlassen des Heims und teilweise auch des Zimmers nicht gestattet war. Im Dezember, zum Erhebungszeitpunkt, waren diese Einschränkungen aufgehoben. Lockerungen im Pandemieverlauf könnten ebenfalls zu einer Entlastung bei den Bewohnenden führen, welche sie entsprechend in den Interviews benennen. Die Befragten empfinden die geltenden Maßnahmen als lästig und störend. Mitunter wird auch deren Sinnhaftigkeit hinterfragt. Das Zentrum für Qualität in der Pflege [20] und die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft [21] warnen davor, den Infektionsschutz über den Erhalt der Lebensqualität zu setzen und werben für eine Abwägung zwischen Viruseindämmung, der Wahrung individueller Bedürfnisse und dem Schutz der psychischen und sozialen Gesundheit. So berichten auch die Befragten von Wünschen, welche sich aufgrund der Pandemieeinschränkungen nicht realisieren lassen. Eine Nicht-Erfüllung kann sich negativ auf die Lebensqualität und die psychische Verfassung derBewohnenden auswirken. Es ist ein schmaler Grat zwischen der Vermeidung von Infektionen und Sterbefällen und dem Versuch, die Lebensqualität der Menschen zu erhalten und damit eine Zunahme von psychischen Problemen zu vermeiden [3, 5, 6, 22] . In Situationen, in denen persönlicher Kontakt nicht möglich ist, kann die Nutzung von Alternativen hilfreich sein. So führen regelmäßige Videokonferenzen mit Angehörigen zu weniger Einsamkeit und Depressivität sowie zu vermehrter emotionaler Unterstützung [23] . Der geringere DIA-S-Wert der Bewohnenden mit dokumentierter, teils schwerer, Depressionsdiagnose könnte auf eine antidepressive Pharmakotherapie zurückzuführen sein, die die Bewohnenden mit ärztlicher Diagnose mit höherer Wahrscheinlichkeit erhalten, als Bewohnende ohne dokumentierte Diagnose. Da die Medikation der Befragten nicht erfasst wurde, können hierzu keine Aussagen getroffen werden. Darüber hinaus könnte die Wahrnehmung depressiver Symptome durch Pflegende anders sein, als bei einer ärztlichen Diagnostik oder in der Situation, in der die DIA-S eingesetzt wurde. Dies könnte die unterschiedlichen DIA-S-Werte ebenfalls erklären. Limitationen der Studie betreffen die Selektion der Befragten, welche durch die Mitarbeitenden der Heime vorgenommen wurde. Zum einen, da der Zugang zu den Heimen aufgrund der Pandemie stark reglementiert war, zum ande- RKI -Archiv 2020 -Beschreibung des bisherigen Ausbruchsgeschehens mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Deutschland Pflege in Zeiten von Corona: Zentrale Ergebnisse einer deutschlandweiten Querschnittsbefragung vollstationärer Pflegeheime Infektionsumfeld von erfassten COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland COVID-19: it is time to balance infection management and person-centered care to maintain mental health of people living in German nursing homes High depression and anxiety in people with Alzheimer's disease living in retirement homes during the covid-19 crisis Theimpact of COVID-19 measures on well-being of older longterm care facility residents in the Netherlands Loneliness as a public health issue: the impact of loneliness on health care utilization among older adults Social isolation and memory decline in later-life Soziale Isolation als Sterblichkeitsrisiko für ältere Menschen Consolidated criteria for reporting qualitative research (COREQ) Entwicklung eines neuen Depressionsscreenings für den Einsatz in der Geriatrie Praxisbuch Interview, Transkribieren & Analyse, 6. Aufl. Eigenverlag Qualitative Inhaltsanalyse, Methoden,Praxis,Computerunterstützung,4.Aufl. Beltz Juventa Zum Verhältnis von innerfamilialen sozialen Erfahrungen, Persönlichkeitsentwicklung und politischen Orientierungen. Dokumentation und Erörterung des methodischen Vorgehens in einer Studie zu diesem Thema Software für qualitative Datenanalyse Jungbauer A (2021) Corona vor einem Jahr: Als die Katastrophe im Nikolausheim begann Risikofaktoren von Todeswünschen Hochbetagter Older adults and the mental health effects of COVID-19 Zentrum für Qualität in der Pflege (2020) Infektionsschutz und Lebensqualität im Pflegeheim in der Corona Pandemie 2020) S1 Leitlinie -Soziale Teilhabe und Lebensqualität in der stationären Altenhilfe unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie -Langfassung -AWMF Registernummer 184-001 Mortality associated with COVID-19 outbreaks in care homes: early international evidence. Resources to support community and institutional Long-Term Care responses to COVID-19 Videoconference program enhances social support, loneliness, and depressive status of elderly nursing homeresidents Depression in the first year of stay for elderly long-term nursing home residents in the USA