key: cord-0888866-mc7ss1bn authors: Eufinger, Alexander title: Die Konsolidierung des Krankenhaussektors – Anpassung der Fusionskontrolle für Krankenhäuser durch die 10. GWB-Novelle date: 2021-03-29 journal: Medizinrecht DOI: 10.1007/s00350-021-5819-9 sha: abda95254f39cb40a7b3a1cdd75d07721dcf70a5 doc_id: 888866 cord_uid: mc7ss1bn nan Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die ohnehin schon mit komplexen ethischen, medizinischen und juristischen Fragestellungen behaftete prädiktive genetische Testung im Zusammenhang mit Minderjährigen eine zusätzliche Problemdimension entfaltet. Bei einwilligungsunfähigen Minderjährigen kommt ihre Vornahme gemäß § 14 Abs. 1 GenDG nur im Hinblick auf solche Erbkrankheiten in Betracht, bei denen Präventions-oder Behandlungsmaßnahmen verfügbar und bereits im jungen Alter indiziert sind, denn ansonsten wäre die Beeinträchtigung des Rechts auf Nichtwissen infolge einer irreversiblen Kenntnis auch kaum zu rechtfertigen. Einwilligungsfähige Minderjährige hingegen sind nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängig vom Bestehen solcher medizinischen Handlungsoptionen zu einer selbstbestimmten Entscheidung für oder gegen eine prädiktive Testung berechtigt, im Rahmen derer sie sowohl ihr Recht auf Nichtwissen als auch ihr Recht auf Wissen ausüben können. Obwohl die eigenverantwortliche Bestimmung des Umfangs von Nichtwissen oder eben auch Wissen über relevante und identitätsprägende genetische Daten Ausdruck personeller Autonomie und persönlicher Entfaltung ist 32 , wird das nachvollziehbare und rechtlich anerkannte Interesse an der Erlangung von Gewissheit über die Trägerschaft einer krankheitsassoziierten Mutation in der Praxis missachtet und das Recht auf Wissen durch die restriktive Handhabung dieser Fälle so in bedenklicher Weise beeinträchtigt. Der Umstand, dass das Gesetz eine bestimmte ärztliche Leistung gesetzlich erlaubt bzw. vorsieht, diese tatsächlich aber zurückhaltend angeboten oder ihre Erbringung gar abgelehnt wird, ist aus anderen, ebenfalls mit ethisch-moralischen Problemen behafteten Konstellationen bekannt 33 . Wenngleich auch die Vornahme prädiktiver genetischer Testungen auf das Vorliegen einer schwerwiegenden und unheilbaren Krankheit bei Minderjährigen durchaus in Konflikt mit dem Gewissen einzelner Mediziner geraten kann, erscheint die pauschale Verweigerung einer Leistungserbringung in diesem Kontext durchaus kritikwürdig und im Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Denn die ihr zugrundeliegenden Zweifel, ob der Minderjährige die Folgen des erlangten Wissens einzuschätzen und mit diesem umzugehen vermag, können im Rahmen der Prüfung der individuellen Einwilligungsfähigkeit ausreichend berücksichtigt werden und lösen sich bei lebensnaher Betrachtung wohl auch in den wenigsten Fällen am Tag der Vollendung des 18. Lebensjahres auf. Die nichtsdestotrotz praktizierte Gleichstellung von Einwilligungsfähigkeit und Volljährigkeit steht in offensichtlichem Widerspruch zu den einfachgesetzlichen Regelungen und hat Pauschalierungen sowie Restriktionen zur Folge, die der Gesetzgeber -wie aus seiner Entscheidung für die Maßgeblichkeit der Einwilligungsfähigkeit hervorgeht -im Zusammenhang mit der Zulässigkeit genetischer Untersuchungen gerade nicht intendiert hat. Gleichwohl kleine Krankenhäuser mit einem zu geringen Grad an medizinischer Spezialisierung vorgehalten werden 31 . Die Zentralisierung und Konzentration von Krankenhäusern wird daher als gesundheitspolitisch wünschenswert erachtet 32 . Schließen sich zwei Krankenhäuser zusammen, bietet dies dem alleinigen Krankenhausbetreiber die Möglichkeit, die Häuser neu zu organisieren und die gesundheitspolitisch gewünschten Spezialisierungs-und Zentralisierungsziele direkt umzusetzen 33 . Fusionen auf dem Krankenhausmarkt sind damit ein effektives und -vor allem -schnell wirkendes Instrument, um die Konsolidierung des deutschen Klinikmarktes zu erreichen. Aus gesundheitspolitischer Perspektive hat dieses Instrument nur einen entscheidenden Nachteil: Ein solcher Zusammenschluss unterliegtwie bereits ausgeführt -regelmäßig der Fusionskontrolle nach den § § 35 ff. GWB und das BKartA hat in der Vergangenheit wenig Motivation gezeigt, die besondere Situation des Krankenhausmarktes zu berücksichtigen 34 . Bislang berücksichtigt das BKartA vornehmlich die "Diversion Ratio" (sog. Umlenkungsquote) zwischen den Zusammenschlussbeteiligten. Hierbei wird ermittelt, wie niedergelassene Ärzte ihre Einweisungsempfehlungen bei Wegfall eines Krankenhauses hypothetisch ändern würden. Eine hohe Umlenkungsquote zwischen zwei fusionierenden Kliniken indiziert regelmäßig ein enges Wettbewerbsverhältnis zwischen den Zusammenschlussbeteiligten, wodurch sich der Wettbewerb im Falle der Fusion weiter verringern würde 35 . Diese Praxis des BKartA hat im Ergebnis zur Folge, dass eine besondere wettbewerbliche Nähe der Zusammenschlussbeteiligten häufig zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen wird, da den niedergelassenen Ärzten ein Leistungserbringer für ihre Einweisungsempfehlungen wegfallen würde. Im Umkehrschluss gilt jedoch auch: Ist durch einen geplanten Zusammenschluss auch keine Veränderung des Einweisungsverhaltens der Ärzte zu Lasten der Wettbewerber zu erwarten -die den Verhaltensspielraum der am Zusammenschluss Beteiligten erweitern könnten -wird der Wettbewerb auch nicht (erheblich) gemindert 36 . Obgleich es aus gesundheitspolitischer Sicht angezeigt ist, hat das BKartA bislang die Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf die medizinische Versorgungsqualität und die mit der Fusion einhergehenden Änderungen bei der Erreichbarkeit durch die Patienten kaum in den Fokus genommen. So machten etwa die Beteiligten im Verfahren Klinikum Esslingen/Kreiskliniken Esslingen darauf aufmerksam, dass der intendierte Zusammenschluss der Krankenhäuser zu einer verbesserten Qualität der Patientenversorgung führe, da komplexe oder weniger häufige Erkrankungen an einem Standort konzentriert würden, während die "Grund-und Regelversorgung" in der Fläche erhalten bleibe 37 46 . Besonders bemerkenswert ist, dass der Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen eine nahezu gleichlautende Position bereits in seinem Gutachten aus dem Jahr 2007 vertrat. So sollte vor dem Hintergrund der Bestrebungen, auch im Gesundheitssektor zu einer stärker wettbewerblich orientierten Struktur zu gelangen, schon damals dafür Sorge getragen werden, dass keine marktbeherrschenden Stellungen auf Seite der Leistungserbringer entstehen 47 . Begründet wurde dies unter anderem mit Erkenntnissen aus US-amerikanischen Studien, nach denen Krankenhausfusionen mit deutlichen Preisanstiegen einhergehen können. Aus diesem Grund sei eine "konsequente Anwendung" der Fusionskontrolle im Krankenhaussektor zu befürworten 48 . Eine Marktstruktur, die einen Qualitätswettbewerb ermöglicht, gibt den Krankenhäusern einen ständigen Anreiz zu Qualitätsverbesserungen, sodass die Zusammenschlusskontrolle -welche diesen Qualitätswettbewerb schützt -letztlich einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung gesundheitspolitischer Ziele leistet 49 . Die im Zuge der 10. GWB-Novelle geplante kartellrechtliche Bereichsausnahme im Krankenhaussektor steht im Beschl. v. 27. 5. 2013 Rdnr. 33; kritisch hierzu Augursky/Jendges, Strukturanpassungen im Krankenhausbereich: Notwendige Veränderungen bei der Fusionskontrolle, RWI Positionen 73 Entwurf eines GWB-Digitalisierungsgesetz, S. 171; unter Verweis auf Schmid, Marktkonzentration im Krankenhaussektor 14. 5. 2014 -B3-135/13 -, Klinikum Esslingen/Kreiskliniken Esslingen 14. 5. 2014 -B3-135/13 -, Klinikum Esslingen/Kreiskliniken Esslingen Entwurf eines GWB-Digitalisierungsgesetz Wettbewerb 2020, S. 59; so auch das Ergebnis der Bertelsmann-Studie aus dem Jahr Wettbewerb 2020, S. 60; Schmid Augursky/Jendges, Strukturanpassungen im Krankenhausbereich: Notwendige Veränderungen bei der Fusionskontrolle, RWI Positionen 73 14. 5. 2014 -B3-135/13 -, Klinikum Esslingen/Kreiskliniken Esslingen 14. 5. 2014 -B3-135/13 -, Klinikum Esslingen/Kreiskliniken Esslingen 14. 5. 2014 -B3-135/13 -, Klinikum Esslingen/Kreiskliniken Esslingen Sicherlich mag es in diesem Zusammenhang auch schwarze Schafe geben, deren Zuweisungsverhalten mehr durch monetäre Anreize, als durch die qualitativen Vorteile eines Krankenhauses beeinflusst wird; wobei derartige Praktiken -insbesondere unter Berücksichtigung der § § 299 a und 299b StGB -eher die Ausnahme sind Hauptgutachten XXIII: Wettbewerb 2020 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen