key: cord-0873649-wfuz46le authors: Gäckler, A.; Rohn, H.; Witzke, O. title: Akutes Nierenversagen bei COVID-19 date: 2020-12-14 journal: Nephrologe DOI: 10.1007/s11560-020-00473-z sha: c78b7fbb6ea786c1f0941ef60c061f9fbfc17d33 doc_id: 873649 cord_uid: wfuz46le Acute kidney injury (AKI) is a frequent complication in coronavirus disease 2019 (COVID-19). It is often linked to progressive respiratory failure and is associated with increased morbidity and mortality. The AKI is presumably of multifactorial origin, whereby direct viral infestation of the kidneys also seems to be involved. Specific treatment procedures for AKI associated with COVID-19 are currently missing. In addition, the role of extracorporeal procedures in the treatment of COVID-19 could so far not be clarified. Latest data indicate persistent loss of renal function following COVID-19-associated AKI. Therefore, a re-evaluation of renal function following recovery from COVID-19 should be recommended. Mehrere Studien konnten zeigen, dass viele der zuvor nierengesunden Patienten bereits zu Beginn einer COVID-19-Erkrankung eine Nierenbeteiligung mit Nachweis einer Albuminurie (und/oder Hämaturie) aufweisen [1, 2] . Diese frühen Zeichen einer Nierenbeteiligung sind für den weiteren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung prognostisch bedeutsam [3] : So verschlechtert eine Nierenbeteiligung bei COVID-19 das Patienten-Outcome dramatisch und erhöht die Mortalität um das bis zu 10-Fache [1, 4] . Das akute Nierenversagen betrifft hauptsäch- lich Patienten mit respiratorischer Insuffizienz, insbesondere solche mit der Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung, und steht häufig auch in zeitlichem Zusammenhang mit einer erforderlichen Intubation [5] . Das Auftreten eines akuten Nierenversagens ist unabhängig von seiner Genese mit einer verschlechterten Erkrankungsprognose assoziiert [6] und ist auch im Rahmen von COVID-19 ein unabhängiger Prädiktor für die Mortalität [5, 6] . Grundsätzlich werden hier ein negativer Einfluss des gestörten Wasser-und Säure-Basen-Haushalts, eine Unterdrückung der Immunantwort sowie eine fehlregulierte Inflammation vermutet. Ein akutes Nierenversagen trägt häufig zu einer schlechteren Steuerbarkeit des Volumenhaushalts bei, und eine (pulmonale) Überwässerung kann den Gasaustausch und auch die Lungenschädigung im Rahmen einer bereits bestehenden respiratorischen Insuffizienz weiter verstärken [7] . Dasakute NierenversagenistbeiCOVID-19-Patienten häufig anzutreffen: In großen Beobachtungsstudien entwickelten 5-50 % der hospitalisierten Patienten mit COVID-19 ein akutes Nierenversagen unterschiedlichen Schweregrads [5, 8] , in einer französischen Studie lag die Inzidenz sogar bei 80 % [9] . In großen Kohortenstudien aus den USA lag der Anteil der Patienten mit akutem dialysepflichtigen Nierenversagen bei 5-20 % [1] . Unter den intensivpflichtigen Patienten entwickelten sogar fast zwei Drittel ein akutes Nierenversagen, von denen 25-45 % eine Dialysetherapie benötigten [5] . Diese Daten wurden durch Registerstudien aus anderen Ländern bestätigt. Eine Auswertung der Daten von über 10.000 AOK-versicherten Patienten aus mehr als 900 deutschen Krankenhäusern zeigte, dass allein 27 % der beatmungspflichtigen COVID-19-Patienten während des Krankenhausaufenthalts ein dialysepflichtiges akutes Nierenversagen entwickelten [10] . Risikofaktoren für die Entwicklung eines akuten Nierenversagens im Rahmen von COVID-19 finden sich in der . Infobox 1. Ob die hohe Inzidenz an akutem Nierenversagen bei COVID-19 die Schwere der systemischen Erkrankung wiederspiegelt oder ob ein akutes Nierenversagen auch eine separate (von der Erkrankungsschwere) unabhängige Organmanifestation der SARS-CoV-2("severe acute respiratory syndrome coronavirus 2")-Infektion darstellen kann, ist Gegenstand aktueller intensiver Forschung. Neben einem direktem Virusbefall der Niere sind vielfältige weitere Mechanismen denkbar, die zu einer insgesamt multifaktoriellen Genese des akuten Nierenversagens beitragen können [12] . So kann es im Rahmen der respiratorischen Insuffizienz zu einer Hypooxygenierung und Rechtsherzbelastung mit konsekutiver Entstehung eines ischämisch bedingten akuten Nierenversagens kommen. Sehr wahrscheinlich virusassoziierte Zytokinfreisetzung und Komplementaktivierung können ebenfalls zu Inflammation und Zellschädigung beitragen [13] . Zugleich wäre eine Verstärkung des Alveolarschadens durch die Komplementaktivierung denkbar. Auch die damit einhergehende Hyperkoagulabilität könnte durch die Entstehung von Mikrothromben in Lunge und Niere direkt und indirekt über eine weitere Verminderung der Oxygenierung bei erhöhtem pulmonalen Widerstand zu einer Nierenschädigung beitragen. Zusätzliche weitere mögliche Faktoren, welche die Nierenschädigung triggern können, sind die Toxizität von Arzneimitteln und die häufig im Rahmen der Erkrankung beobachtete Rhabdomyolyse [4, 14] . Spezifische histopathologische renale Veränderungen, wie sie beispielsweise bei Hantavirusinfektionen oder Polyomavirusnephropathie beschrieben werden, konnten bei COVID-19-Patienten mit akutem Nierenversagen bislang nicht identifiziert werden [15] . Der mit Abstand häufigste histopathologische Befund in den Nieren bei COVID-19-Patienten ist eine akute Tubulusnekrose im Bereich des proximalen Tubulus. Auch das durch Urinanalyse erhobe- Nephrologe https://doi.org/10.1007/s11560-020-00473-z © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Zusammenfassung Das akute Nierenversagen ("acute kidney injury", AKI) ist eine häufige Komplikation bei COVID-19 ("coronavirus disease 2019"). Es geht häufig mit der progredienten respiratorischen Verschlechterung einher und ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert. Das AKI ist vermutlich multifaktorieller Genese, wobei auch ein direkter Virusbefall der Niere eine Rolle zu spielen scheint. Spezifische Behandlungsverfahren für das COVID-19-assoziierte Nierenversagen existieren aktuell nicht. Auch die Rolle extrakorporaler Verfahren in der COVID-19-Behandlung konnte bislang nicht geklärt werden. Aktuelle Daten deuten auf eine anhaltende Nierenfunktionseinschränkung nach COVID-19-assoziiertem AKI hin, sodass eine Reevaluation der Nierenfunktion nach stattgehabter Erkrankung empfohlen werden sollte. Coronavirus · Komplikationen · Pathophysiologie · Extrakorporale Blutreinigung · Nierenfunktionseinschränkung Abstract Acute kidney injury (AKI) is a frequent complication in coronavirus disease 2019 . It is often linked to progressive respiratory failure and is associated with increased morbidity and mortality. The AKI is presumably of multifactorial origin, whereby direct viral infestation of the kidneys also seems to be involved. Specific treatment procedures for AKI associated with COVID-19 are currently missing. In addition, the role of extracorporeal procedures in the treatment of COVID-19 could so far not be clarified. Latest data indicate persistent loss of renal function following COVID-19-associated AKI. Therefore, a re-evaluation of renal function following recovery from COVID-19 should be recommended. Coronavirus · Complications · Pathophysiology · Extracorporeal blood purification · Renal insufficiency ne Schädigungsmuster entspricht einer (vorwiegend) akuten tubulären Schädigung, einer interstitiellen Nephritis oder einer Kombination von beidem [9] . Zudem konnten in einigen Fällen Zeichen einer thrombotischen Mikroangiopathie gefunden werden [16] . Diese Befunde sind gut vereinbar mit der Hypothese einer multifaktoriellen Genese des akuten Nierenversagens bei SARS-CoV-2. Eine derzeit stark diskutierte Frage ist, inwieweit eine direkte Virusaffektion der Niere zur Pathogenese beiträgt. So konnten in einzelnen Obduktionsstudi-en SARS-CoV-2-Antigene in menschlichen Nieren nachweisen werden [17] [18] [19] . Auch eine häufig nicht vorhandene Differenzierung von Patienten mit und ohne akutes Nierenversagen anhand inflammatorischer Parameter (C-reaktives Protein [CRP] und Ferritin) könnte auf einen virusspezifischen Schaden hindeuten [9] . Der hohe Nierentropismus von SARS-CoV-2 kann z. T. durch die Affinität des Virus für das membrangebundene ACE2 erklärt werden [20] . SARS-CoV-2 nutzt ACE2 als "Türöffner", um Zugang zu seinen Zielzellen zu erhalten [21, 22] . ACE2 findet sich v. a. in Alveolarzellen der Lunge, aber auch in anderen Organen, darunter der Niere, wo es insbesondere von proximalen Tubuluszellen und glomerulären Parietalzellen, zum Teil aber auch von Podozyten exprimiert wird [23] . Der Virusbefall der Niere scheint auch funk-Abb. 1 9 Mögliche extrakorporale Verfahren als Behandlungsoption bei COVID-19 ("coronavirus disease 2019"). DAMP "damage-associated molecular patterns", PAMP "pathogen-associated molecular patterns", TNF Tumornekrosefaktor, IL Interleukin. (Modifiziert nach [11]) tionell relevant zu sein, da eine Assoziation mit dem Auftreten eines akuten Nierenversagens beobachtet werden konnte [24] . Aus den bisherigen epidemiologischen Daten geht hervor, dass über zwei Drittel der Patienten, die an COVID-19 starben, an Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten [25] . Die meisten dieser Patienten erhielten eine leitliniengerechte blutdrucksenkende Therapie mit ACE-Hemmern oder Angiotensinrezeptorblockern (ARB). Diese beiden Medikamentengruppen sind in der Lage, die ACE2-Expression in der Niere und im Herzen um das 2-bis 5-Fache zu erhöhen [26, 27] . Nach dem derzeitigen Wissensstand gibt es jedoch keine Belege für einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ACE-Hemmern bzw. ARB und einem schweren COVID-19-Verlauf [28, 29] . In ihren offiziellen Stellungnahmen empfehlen die European Society of Hy-pertension (ESH) und die European Society of Cardiology (ESC) daher, dass die Blutdruckmedikamente bei Patienten mit einem Risiko für COVID-19 oder bei Patienten, bei denen bereits COVID-19 diagnostiziert wurde, nach Möglichkeit nicht verändert werden sollten. Inflammatorische Zytokine, DAMP ("damage-associated molecular patterns") und PAMP ("pathogen-associated molecular patterns") einschließlich Kidney disease is associated with inhospital death of patients with COVID-19 The incidence, risk factors, and prognosis of acute kidney injury in adult patients with coronavirus disease 2019 COVID-19-associated nephritis: early warning for disease severity and complications? Renal involvement and early prognosis in patients with COVID-19 pneumonia Acute kidney injury in patients hospitalized with COVID-19 Targeting acute kidney injury in COVID-19 Acute kidney injury in sepsis Acute kidney injury in hospitalized patients with Covid-19 Characterization of acute kidney injury in critically ill patients with severe coronavirus disease 2019 Case characteristics, resource use, and outcomes of 10 021 patients with COVID-19 admitted to 920 German hospitals: an observational study COVID-19-associated acute kidney injury: consensus report of the 25th Acute Disease Quality Initiative (ADQI) workgroup Management of acute kidney injury in patients with COVID-19 Complement as a target in COVID-19? Acute kidney injury associated with coronavirus disease 2019 in urban Unspecific post-mortem findings despite multiorgan viral spread in COVID-19 patients Postmortem examination of COVID-19 patients reveals diffuse alveolar damage with severe capillary congestion and veriegated findings in lungs and other organs suggesting vascular dysfunction Clinical characteristics of 113 deceased patients with coronarvirus disease 2019: retrospective study Is the kidney a target of SARS-CoV-2? Multiorgan and renal tropism of SARS-CoV-2 Receptor recognition by the novel coronavirus from Wuhan: an analysis based on decade-long structural studies of SARS coronavirus SARS-CoV-2 cell entry depends on ACE2 and TMPRSS2 and is blocked by clinically proven protease inhibitor Structural basis for the recognition of SARS-CoV-2 by full-length human ACE2 Renalhistopathologicalanalysisof26 postmortem findingsofpatientswithCOVID-19inChina SARS-CoV-2 renal tropism associates with acute kidney inury COVID-19 and Italy: what next? Upregulation of angiotensin-convertingenzyme2aftermyocardial infarction by blockade of angiotensin II receptors Kidney and lung ACE2 expression after an ACE inhibitororanANGIIreceptorblocker: implications for COVID-19 Reninangiotensin system blockers and the COVID-19 pandemic: at present there is no evidence to abandon renin-angiotensin system blockers Sound scinece before quick judgement regarding RAS blockade in COVID-19 AKI treated with renal replacement therapy in critically ill patients with COVID-19