key: cord-0869573-0eplhr8c authors: Raichle, Claudia; Schäfer, Johannes; Gann, Annette; Warth, Elisa; Slesak, Günther title: COVID-19-Ausbruch-Untersuchung in einer geriatrisch-palliativmedizinischen Klinik date: 2021-07-06 journal: Z Gerontol Geriatr DOI: 10.1007/s00391-021-01930-7 sha: d0a8e7f0f0f709337648e098522734cd9c561a03 doc_id: 869573 cord_uid: 0eplhr8c BACKGROUND: During the second COVID-19 wave, a large COVID-19 outbreak happened at a 90-bed geriatric palliative care hospital in December 2020, whereby 32 % of the healthcare personnel (HCP) and 29 patients became infected within 23 days and 13 patients died. The bed occupancy rate dropped to 20 %. Drastically enhanced hygiene measures directly after outbreak detection could stop further nosocomial infections among patients but were less effective among HCP. OBJECTIVE: Outbreak investigation and detection of risk factors for infection in HCP. MATERIAL AND METHODS: Anonymous online survey among HCP from January and February 2021 investigating potential risk factors for PCR positive infections (poorly fitting FFP2 masks, close contacts with positive patients, team meetings with positive HCP). RESULTS: Of 184 HCP, 96 completed the survey (52.2 %), including 38 who became infected. Of the HCP 8 remained asymptomatic/oligosymptomatic, 30 HCP became ill for a median of 10 days and in 2 continuously. Factors associated with an infection were close contacts with positive patients in a time-dependent manner despite wearing an FFP2 mask (OR 6.0; 95 % CI 1.6–22). Out of 88 HCP 55 described poorly fitting FFP2 masks. An infection was mostly attributed to a longer contact with positive, sometimes restless patients. The overall exhausting working situation was repeatedly mentioned. CONCLUSION: A COVID outbreak within the care-intense geriatric context is challenging to control especially among HCP. Longer patient contacts and limited compliance by patients counteracts strict hygiene measures. Vulnerability of HCP and patients requires additional preventive interventions by rapidly effective vaccinations and has to be a priority for health policy. In der zweiten COVID-19-Welle/Phase 3 in Deutschland [9] kam es vermehrt zu Ausbrüchen in Kliniken und Pflegeheimen [2, 11] . Generell wurde bei Pflegekräften, Therapeut*innen, Ärzt*innen, medizinischen Fachangestellt*innen, im Folgenden "health care personnel" (HCP) genannt, ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für SARS-CoV-2 beobachtet [1, 5] . Die pflegeintensive Geriatrie und Palliativmedizin scheinen dabei aufgrund von längeren und engeren Kontakten besonders betroffen zu sein. Neben der Notfall-und Intensivmedizin hat die Geriatrie zwar eine Hauptlast getragen, sie hat dabei aber in der gesundheitspolitischen Diskussion nur wenig Gehör gefunden [13] . 29.11.2020 01. 12 Im Zeitraum vom 24.01.2021 bis zum 26.02.2021 erfolgte eine freiwillige anonyme Befragung aller MA, die in der Ausbruchszeit in der direkten Patientenversorgung gearbeitet hatten (129 Pflegekräfte, 20 Therapeut*innen und Mitarbeiterinnen des Sozialdienstes, 19 Ärzt*innen, 10 medizinische/medizinisch technische Fachangestellte, 6 Sekretärinnen). Es wurde ein standardisierter vorgetesteter Online-Fragebogen (mobosurvey.com) zu typischen Risikofaktoren verwendet bezüglich 1) Problemen mit der Schutzausrüstung, 2) enger Kontakte mit positiven Patient*innen und 3) enger Kontakte zu positiven MA. Die Assoziationen mit positiven PCR-Testergebnissen wurden in univariater Analyse und logistischer Regressionsanalyse für folgende 3 Indikatoren untersucht: 1) schlecht sitzende FFP2-Maske (definiert als "manchmal undicht oder verrutscht" oder "passt schlecht"), 2) Kontaktdauer mit positiven Patient*innen mit FFP2-Maske und < 1,5 m Abstand und 3) Kontakt mit positiven MA mit < 1,5 m Abstand. Die Datenanalyse erfolgte mit EpiInfo 7.2.4.0 TM (CDC, USA). Der Chi-Quadrat-Test wurde für den Vergleich der kategorischen Variablen verwendet. Ein zweiseitiger p-Wert < 0,05 galt als statistisch signifikant. "Odds ratios" (OR) sind mit dem 95 %-Konfidenzintervall (95 %-KI) angegeben. In einer Subgruppenanalyse wurden dieselben Assoziationen mittels Chi-Quadrat-Test für positive PCR-Testergebnisse untersucht, die ab einer Woche nach Ver- In 143 Antikörpertestungen der MA zeigte sich 2 Wochen nach dem Ausbruchsende kein positiver Befund bei Nichtinfizierten. Im weiteren Verlauf traten bis dato keine weiteren nosokomialen SARS-CoV-2-Infektionen mehr auf. Auch nach der Entdeckung des Ausbruchs in unserer Klinik und umgehender Verschärfung der Hygienemaßnahmen kam es weit nach der mittleren Inkubationszeit von 5 bis 6 Tagen [8] noch ungebremst zu zahlreichen MA-Neuinfektionen. Da diese späteren Infektionen jedoch seither nicht mehr bei Patient*innen auftraten, lässt sich ein ausreichender Patientenschutz durch insbesondere das generelle Tragen einer FFP2-Maske von -auch unerkannt infizierten -MA ableiten. Auffällig ist, dass sich die signifikante Risikoerhöhung einer HCP-Infektion mit zunehmender Zeitdauer der Patientenkontakte trotz FFP2-Maske nicht sicher verhindern ließ. Diese Dosisabhängigkeit spricht gemäß den Bradford-Hill-Kriterien epidemiologisch für einen kausalen Zusammenhang [3] . Ähnliches wurde für engere Pflegekontakte auch in einer anderen Krankenhausausbruchsuntersuchung [12] und großen Kohortenstudie beobachtet [1] . Wurden dieser Zeitfaktor und das Fachgebiet jedoch nicht differenziert einbezogen, so wurde bei einer Querschnittsstudie sogar keine arbeitsbedingte Assoziation mit Infektionen bei HCP gefunden [7] . Unserer Erfahrung nach spielt der pflegeintensive geriatrische Kontext mit längerer Aufenthaltsdauer im Patientenzimmer eine wesentliche Rolle, zudem die erschwerte Umsetzbarkeit von Hygieneregeln seitens der Patient*innen, wie etwa das Tragen eines MNS bei Demenz, lautes Sprechen/Rufen beiHörschwächeund/oder Delir und damit die erhöhte Aerosolbildung [4] . Auch das Ausbruchsgeschehen in einem Krankenhaus der Maximalversorgung in Deutschland unterstreicht die besondere Vulnerabilität der Geriatrie: Bezeichnenderweise begann dieser in der Geriatrie und war trotz vergleichbar drastischer Hygienemaßnahmen ebenfalls nur schwer zu stoppen [2] . Eine vermehrte Übertragung zwischen MA wurde durch unsere Daten nicht als ausbruchstreibend bestätigt. In der Zeit vor den Hygieneverschärfungen kann es insbesondere im Rahmen gemeinsamer Besprechungen zu Infektionen gekommen sein, wie die nichtadjustierte Analyse zu MA-Kontakten, die Subgruppenanalyse, Freitextkommentare und auch informelle Rückmeldungenvermutenlassen.Fallzahlbedingt waren weitergehende Analysen dazu allerdings nicht valide möglich. Wie auch in Großkliniken beobachtet [2] , war für das Ausbruchsmanagement eine transparente Kommunikation des Ausbruchsgeschehens und der Maßnahmen ganz wesentlich für die Akzeptanz und Compliance der MA. Da 62 % der MA Probleme mit Masken beschrieben, sollte dieser Aspekt zukünftig bei Maskenbestellungen und Hygieneschulungen vermehrt beachtet und es soll-ten Dichtsitzprüfungen durchgeführt werden [10] . Limitationen unserer Untersuchung sind neben dem retrospektiven Design mit "recall bias" die begrenzte Rücklaufquote. Die höhere Beteiligung der kleineren Gruppe der Infizierten ermöglichte dennoch eine valide statistische Auswertung. Sie lässt auf eine höhere persönliche Motivation und Betroffenheit schließen. Sie spiegelt auch die besondere psychosoziale Belastung der MA, die wiederholt rückgemeldet wurde, jedoch nicht Fokus dieser Untersuchung war, wider. Die Verschärfung der Hygieneregeln erschweren eine gemeinsame Analyse der Infektionsrisiken. Hierfür wurde daher eine Subgruppenanalyse der Infizierten ab einer Woche danach durchgeführt, für die jedoch ein Zuordnungsbias im Falle von längeren Inkubationszeiten möglich wäre, was die untersuchten Assoziationen schmälern könnte. Das Studiendesign mit Anonymisierung schränkte die Untersuchung weiterer potenzieller Risikofaktoren ein, etwa des Einflusses der genauen Tätigkeit oder der Vorerkrankungen auf eine Infektion von MA. Eine weitere PCR-Sequenzierung der positiven Proben war zum Ausbruchszeitpunkt nicht möglich. Die Infektionskette konnte daher nicht sicher rückverfolgt werden. Jedoch wurde nur von einem MA eine mögliche Infektion außerhalb des Krankenhauses angegeben. Letztlich zeigt diese Untersuchung, dass trotz drastischer Hygienemaßnahmen ein SARS-CoV-2-Ausbruch insbesondere unter HCP im geriatrischen Kontext nicht ausreichend kontrolliert werden konnte und zu dramatischer Gesundheitsgefährdung und Belastungssituationen bei MA und Patient*innen führte. Treibender Faktor waren arbeitsbedingt lange und enge Patientenkontakte bei kritisch hohen Bevölkerungsinzidenzraten. Stationsschließungen und Aufnahmestopps haben sicherlich kurzfristig dazu beigetragen, den Ausbruch einzugrenzen, sind jedoch keine probate Zukunftsoption für ein Krankenhaus. Da kaum weitere expositionslimitierende Maßnahmen möglich gewesen wären, muss zusätzlich die Vulnerabilität der MA Abstract COVID-19 outbreak investigation in a geriatric palliative hospital Background: During the second COVID-19 wave, a large COVID-19 outbreak happened at a 90-bed geriatric palliative care hospital in December 2020, whereby 32 % of the healthcare personnel (HCP) and 29 patients became infected within 23 days and 13 patients died. The bed occupancy rate dropped to 20 %. Drastically enhanced hygiene measures directly after outbreak detection could stop further nosocomial infections among patients but were less effective among HCP. Objective: Outbreak investigation and detection of risk factors for infection in HCP. Material and methods: Anonymous online survey among HCP from January and February 2021 investigating potential risk factors for PCR positive infections (poorly fitting FFP2 masks, close contacts with positive patients, team meetings with positive HCP). Results: Of 184 HCP, 96 completed the survey (52.2 %), including 38 who became infected. Of the HCP 8 remained asymptomatic/oligosymptomatic, 30 HCP became ill for a median of 10 days and in 2 continuously. Factors associated with an infection were close contacts with positive patients in a time-dependent manner despite wearing an FFP2 mask (OR 6.0; 95 % CI 1.6-22). Out of 88 HCP 55 described poorly fitting FFP2 masks. An infection was mostly attributed to a longer contact with positive, sometimes restless patients. The overall exhausting working situation was repeatedly mentioned. Conclusion: A COVID outbreak within the care-intense geriatric context is challenging to control especially among HCP. Longer patient contacts and limited compliance by patients counteracts strict hygiene measures. Vulnerability of HCP and patients requires additional preventive interventions by rapidly effective vaccinations and has to be a priority for health policy. Coronavirus · Disease outbreak · Personal protective equipment · Health personnel · Geriatrics und Patient*innen in geriatrischen Einrichtungen rasch gemindert werden, durch die Präventionsmaßnahme einer effektiven Impfung. Unsere Daten unterstreichen somit auch die gesundheitspolitische Bedeutung einer prioritären, möglichst raschen und flächendeckenden COVID-Impfung von HCP im hygienisch besonders herausfordernden Setting der Geriatrie, um auch längerfristig einen sicheren Schutz der MA und die umfassende Versorgung der Patient*innen zu gewährleisten. Interessenkonflikt. C. Raichle, J. Schäfer, A. Gann, E. Warth und G. Slesak geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Die Untersuchung wurde von der Ethikkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg geprüft, eine berufsrechtliche Beratung entfiel aufgrund der komplett anonymen Datenerfassung. Prevalence ofSARS-CoV-2infectioninpreviouslyundiagnosed health care workers in New Jersey, at the onset of the U.S. COVID-19 pandemic SARS-CoV-2-Ausbruch. Wenn Maximalversorger maximal betroffen sind Applying the Bradford Hill criteria in the 21st century: how data integration has changed causal interference in molecular epidemiology Protection from COVID-19-the efficacy of face masks Beschäftigte in Sozialberufen erkranken häufiger an COVID-19 Wie sich die Inzidenzzahlen in den Kreisen Reutlingen und Tübingen seit Dezember entwickelt haben Risk factors associated with SARS-CoV-2 seropositivity amongUShealthcarepersonnel The incubation period of coronavirus disease 2019 (COVID-19) from publicly reported confirmed cases: estimation and application Retrospektive Phaseneinteilung der COVID-19-Pandemie in Deutschland bis Februar 2021 Testing the proper fit of respirator masks during the COVID-19 pandemic-a study among medical staff Situationsbericht des RKI vom 02.03.2021, S.11 Universal masking to control healthcare-associated transmission of SARS-CoV-2 COVID-19 im Alter -Die geriatrische Perspektive