key: cord-0846473-xwiskj2y authors: Ganslmeier, Andreas; Engelmann, Tom; Lucke, Martin; Täger, Georg; Pfeifer, Michael; Scherer, Michael A. title: Einstellung von Pflegekräften zur SARS-CoV-2-Impfung: Eine strukturierte Umfrage in Kliniken in Deutschland date: 2021-09-09 journal: MMW Fortschr Med DOI: 10.1007/s15006-021-0139-6 sha: 47b507ced726107095fc39deb860785518dfab73 doc_id: 846473 cord_uid: xwiskj2y Objectives: Attitude of health care workers (HCW), namely registered nurses, towards SARS-CoV-2 vaccination and compulsory vaccination. Method: In a structured anonymous scientific survey from January 29 to April 26, 2021 a questionnaire was sent to 72 heads of orthopedic and trauma departments. The doctors were asked to distribute and recollect the questionnaire after obtaining informed consent from the hospital administration, the nursing management and the works council. Descriptive statistics were used to explain the results. Results: 355 answers from 5 departments were evaluated. In 65 out of 72 hospitals the top managers of either hospital or nursing administration or the works council declined participation, 2 heads of department were not interested. 50,7% of HCW were already vaccinated or had a scheduled appointment for vaccination, 14,9% had not yet made up their mind and 34,4% refuse vaccination. The majority of HCW vote against compulsory vaccination (47,6%), less than a quarter approves it (23,4%). Conclusion: The willingness to vaccinate was extremely low in this survey. The main reason for refusal to vaccinate is fear of side effects, so an information campaign should primarily focus on this topic. Fragestellung: Einstellung von Pflegekräften zur SARS-CoV-2-Impfung und einer etwaigen Impfpflicht. Methode: Im Rahmen einer strukturierten anonymen wissenschaftlichen Erhebung zwischen 29. Januar und 26. April 2021 wurden Fragebögen an 72 Leiter von Orthopädie-und Unfallchi rurgie-Abteilungen verschickt. Die Ärzte wurden gebeten, das Einverständnis von Klinikverwaltung, Pflegedienstleitung und Betriebsrat einzuholen und die Fragebögen an das Pflegepersonal zu verteilen und wieder einzusammeln. Die statistische Auswertung erfolgte deskriptiv. Ergebnisse: Es wurden 355 Antworten aus 5 Kliniken ausgewertet. In 65 der 72 Kliniken lehnten Verwaltung, Pflegedienstleitung oder Betriebsrat die Teil-nahme ab, in 2 Kliniken waren die ärztlichen Leiter nicht interessiert. 50,7% der Pflegekräfte waren bereits geimpft oder hatten einen festen Impftermin, 14,9% waren noch unentschlossen und 34,4% lehnten eine Impfung ab. Gegen eine Impfpflicht sprach sich die Mehrheit der Pflegekräfte aus (47,6%), weniger als ein Viertel befürwortete sie (23,4%). Schlussfolgerung: Die Impfbereitschaft war in dieser Umfrage ausgesprochen gering. Hauptgrund für Impfverweigerung ist Angst vor Nebenwirkungen, Aufklärung sollte daher in erster Linie auf dieses Thema fokussieren. Schlüsselwörter: SARS-CoV-2, Corona, COVID-19, Impfbereitschaft, Impfpflicht, Pflegekräfte, Nebenwirkungen, Impfskepsis Eingereicht am 13.6.2021 -Revision akzeptiert am 21. 6.2021 Vergleichbare Umfragen zur Impfeinstellung von Pflegekräften außerhalb von Intensivstationen sind an deutschen Kliniken bisher nicht durchgeführt und veröffentlicht worden. Ziel der Umfrage ist es, die Einstellung von Pflegekräften zur SARS-CoV-2-Impfung und einer etwaigen Impfpflicht zu erfragen. Daraus lassen sich Defizite in der Aufklärung aufdecken und Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Informations-und Impfkampagne entwickeln. Innerhalb eines Netzwerkes (MAS) wurden ärztliche Ansprechpartner, die deutschlandweit 72 Krankenhäuser repräsentieren, zwischen 29. Januar und 26. April 2021 gebeten, eine anonyme Umfrage zu diesem Thema durchzuführen, wenn eine Zustimmung durch die lokalen Leitungsinstitutionen (Pflegedienstleitung, Betriebsrat, Klinikdirektion/Klinikgeschäftsführung) vorlag. Die Fragen und ihre Ausformulierung stammen aus Beiträgen der "Süddeutschen Zeitung", der "Zeit" und der ARD sowie dem ZDF in der Woche nach der Verlautbarung des Ministerpräsidenten. In den jeweiligen Kliniken wurden die Fragebögen unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen an die Pflegekräfte ausgeteilt und nach Rücklauf anonym ausgewertet. Zum Datenschutz und der Anonymität der Untersuchung liegt eine positive Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten vor: Urheber der Befragung ist einer der Autoren (MAS), es bestehen keinerlei Interessenskonflikte. Die Unterlagen sind nicht öffentlich zugänglich und werden, nachdem sie keine Persön- Ich hatte bereits COVID-19, war SARS-CoV-2 positiv. 8 4,5 lichkeitsrechte berühren, nur bis zur Publikation aufbewahrt und danach vernichtet. Nach Auswertung gehen die Gesamtergebnisse an die benannten Verantwortlichen der einzelnen teilnehmenden Kliniken, unabhängig von einer tatsächlich erfolgenden Publikation. Insgesamt konnten 355 Fragebögen von fünf verschiedenen Kliniken ausgewertet werden. Zwei der angeschriebenen 72 ärztlichen Kollegen waren nicht interessiert, die überwiegende Mehrheit der Anfragen scheiterte an der fehlenden Zustimmung durch Klinikgeschäftsführung, Pflegedienstleitung und/oder Betriebsrat, die eine solche Umfrage untersagten. Hiervon wiederum gaben die meisten gar keine oder eine negative Antwort "wir nehmen nicht teil". Typische, ausführlichere Begründungen für die Nicht-Teilnahme lauteten: • schlechter Zeitpunkt, kein "Öl ins Feuer gießen" • unwissenschaftlich • keine repräsentative Umfrage • warum nur die Berufsgruppe der Gesundheits-und Krankenpfleger*innen und nicht auch die Ärzt*innen, Physiotherapeut*innen • bei uns lassen sich alle impfen • Wissensdefizite bestehen bei maximal verfügbarer Information und Aufklärung nicht. Zum Zeitpunkt der Erhebung waren 19,2% bereits geimpft, 13,4% hatten einen Impftermin in Aussicht, wobei sich davon trotz fixierten Termines nur 44,3% auch sicher impfen lassen wollten. Der Fragebogen war so konzipiert, dass Umfrageteilnehmer nach Beantwortung der Fragen 1-3 (Tab. 1) mit "ja" die Fragen nach Gründen für eine Impfablehnung nicht mehr beantworten sollten, da die bereits Geimpften ja offensichtlich keine validen Gründe zur Impfverweigerung hatten. Gelegentliche Doppelnennungen -"habe Impftermin, bin aber noch unsicher" -kamen vor. 180 von 355 Umfrageteilnehmern waren geimpft oder standen mit Akzeptanz davor (50,7%). Von der anderen Hälfte waren jeweils ein Drittel noch unsicher (n = 53, 14,9%), tendierten eher dazu, sich nicht impfen zu lassen (n = 68, 19,2%) oder lehnten eine Impfung a priori ab (n = 54, 15,2%). Unter den Gründen für Impfunsicherheit oder Impfablehnung dominierten die Aussagen "ich habe Angst, weil der Impfstoff so schnell entwickelt wurde", "ich fürchte mich vor den Nebenwirkungen" und "niemand weiß, was die Impfung im Körper macht" (Tab. 1). Eine Mehrheit der Gesundheits-und Krankenpfleger*innen spricht sich gegen eine Impfflicht aus (n = 169, 47,6%), 83 votieren dafür (23,4%), 59 sind unentschieden (16,6%) und 44 wollen sich nicht äußern (12,4%) (Tab 1). Eine Impfpflicht wird von der Mehrheit der Befragten abgelehnt. Das Thema "Impfflicht", mit dem Bürger*innen, die in der DDR sozialisiert wurden, ein tendenziell geringeres Problem haben, wird für alle Berufsgruppen unterschiedlich, aber immer extrem kontrovers diskutiert [8] . In der DDR bestand teilweise eine Impfpflicht, nach der Wiedervereinigung und durch die Aufhebung der Impfpflicht sanken die wesentlich höheren Impfquoten in den neuen Bundesländern zunächst merklich ab [9] . In der DDR war die Impfprävention entsprechend der Struktur des staatlichen Gesundheitswesens organisiert. Impfpflicht existierte gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis, Masern und Tuberkulose. Die Impfquoten waren sehr hoch, da die Mehrzahl der Kinder eine Kindereinrichtung besuchte. Die impfpräventablen Krankheiten, wie Masern und Pertussis, galten deshalb als weitgehend eliminiert [10] . In der Bundesrepublik gibt es nur eine (indirekte) Masernimpfpflicht. Der Deutsche Ethikrat hatte sich zwar gegen eine allgemeine Impfpflicht für Masern ausgesprochen, diese aber für Ärzte eingefordert [11] . Wer freiwillig eine berufsspezifische Verantwortung für Menschen übernimmt, muss auch bereit sein, sich impfen zu lassen. Das müsste analog für Erzieher*innen und Kinderpfleger*innen gelten. Die Hoffnung auf ein Erreichen der Herdenimmunität in diesem Jahr wird sich nicht erfüllen [12] . Mehrere Studien haben selbst in den am stärksten betroffenen Gegenden Europas und Nordamerikas (Spanien [13] , USA und New York [14] ) eine SARS-CoV-2-Antikörper-Seroprävalenz gefunden, die stets unter 20% liegt. Die ärmeren Länder auf der Erde haben weder die finanziellen noch organisatorischen Ressourcen, eine ausreichende Impfkampagne auf die Beine zu stellen. Am 18.6.2021 wurde in Deutschland die 50%-Marke an Erstimpfungen überschritten. Die Umfrage wurde zu einem Zeitpunkt durchgeführt (29.1.2021-26.4.2021), an dem die aktuellen Anreize wie Urlaubsreisen, Gastronomie und Öffentlichkeit bei vorliegendem Impfpass erst andiskutiert und mit der Maßgabe verworfen wurden, dass eine solche Zweiteilung in Bevorzugung bestätigt Geimpfter gegenüber Nicht-Geimpften erst nach Abschluss der Impfkampagne zulässig wäre: dann, wenn alle (Erwachsenen) die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen. Wenn in der Bundesrepublik Deutschland im 3. Quartal die erste Impfkampagne erfolgreich zu Ende geführt sein wird, dann verbleiben als vier Hauptursachen für ein Weiterbestehen der Pandemie die genetische Variabilität und Mutation des Virus (variants of concern, VOC) [15] , die bisher fehlende [16] oder nur bei Risikogruppen von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfung bei Kindern und Jugendlichen, die weltweit ungleiche Impfstrategie und schließlich der Bevölkerungsanteil mit fehlender Impfbereitschaft -"vaccine hesitancy, as a global threat, is affecting all countries" [16] . Nachdem in dieser Umfrage in Übereinstimmung mit der Literatur die Angst vor Impfnebenwirkungen der Hauptgrund für die Impfverweigerung ist, sollte sich eine Aufklärungskampagne nicht nur des Arbeitgebers, sondern auch des Staates in Funk und Fernsehen in erster Linie auf dieses Thema fokussieren. Die Erläuterung epidemiologischer und statistischer Zusammenhänge muss klar, leicht verständlich und in einfacher Sprache formuliert, mit einer stringenten verbalen und bildlichen Kommunikation überall im Land gleich lauten, um wieder das Vertrauen in wissenschaftsbasiertes Handeln der Politik aufzubauen. Attitude of health care workers towards SARS-CoV-2 vaccination Abstract: Objectives: Attitude of health care workers (HCW), namely registered nurses, towards SARS-CoV-2 vaccination and compulsory vaccination. Method: In a structured anonymous scientific survey from January 29 to April 26, 2021 a questionnaire was sent to 72 heads of orthopedic and trauma departments. The doctors were asked to distribute and recollect the questionnaire after obtaining informed consent from the hospital admi ni stration, the nursing management and the works council. Descriptive statistics were used to explain the results. Results: 355 answers from 5 departments were evaluated. In 65 out of 72 hospitals the top managers of either hospital or nursing administration or the works council declined participation, 2 heads of department were not interested. 50,7% of HCW were already vaccinated or had a scheduled appointment for vaccination, 14,9% had not yet made up their mind and 34,4% refuse vaccination. The majority of HCW vote against compulsory vaccination (47,6%), less than a quarter approves it (23,4%). Conclusion: The willingness to vaccinate was extremely low in this survey. The main reason for refusal to vaccinate is fear of side effects, so an information campaign should primarily focus on this topic. SARS-CoV-2, Corona, COVID-19, acceptance of vaccination, compulsory vaccination, registered nurse, side effects, vaccine hesitancy Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. SARS-CoV-2: a systematic review and meta-analysis COVID-19: SARS-CoV-2 susceptibility in healthcare workers -cluster study at a German Teaching Hospital Die Erosion der Impfbereitschaft in der österreichischen Bevölkerung Editors Choice: Influenza vaccine uptake, COVID-19 vaccination intention and vaccine hesitancy among nurses: a survey Beyond confidence: Development of a measure assessing the 5C psychological antecedents of vaccination Mandating COVID-19 Vaccines Prävention und Gesundheitsförderung Primäre Prävention: Impfpflicht in der Diskussion Ethikrat gegen generellen Zwang Antibodies, immunity, and COVID-19 ENE-COVID Study Group. Prevalence of SARS-CoV-2 in Spain (ENE-COVID): a nationwide, population-based seroepidemiological study Estimated SARS-CoV-2 seroprevalence in the US as of The potential future of the COVID-19 pandemic: will SARS-CoV-2 become a recurrent seasonal infection? Simulated identification of silent COVID-19 infections among children and estimated future infection rates with vaccination