key: cord-0840066-lwjmygrx authors: Stuck, B. A.; Demmler, U.; Hoffmann, T. K. title: Präoperative Coronavirustestung in Deutschland: Erfahrungsberichte zum Umgang mit den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. date: 2020-11-10 journal: HNO DOI: 10.1007/s00106-020-00966-2 sha: ee9c472c5cf24d82b3fd6f8e3a771bfd36650773 doc_id: 840066 cord_uid: lwjmygrx nan Die pandemische Ausbreitung der neuen Variante des Coronavirus SARS-Cov-2 (Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2) und die damit einhergehenden Infektionszahlen für die in diesem Zusammenhang auftretenden COVID-19-Infektionen (Coronavirus Disease 2019-Infektionen) haben die klinischen Versorgung in der Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Heilkunde auf vielfältige Weise nachhaltig beeinflusst [1] . Während in einigen HNO-Kliniken in Deutschland durchgängig erhebliche Einschränkungen in Bezug auf die Durchführung elektiver Operationen aufrechterhalten werden, sind andere Kliniken über die Sommermonate wieder weitgehend zu den früheren Leistungszahlen zurückgekehrt. Die teils erheblichen Unterschiede in der Aufrechterhaltung insbesondere der operativen HNO-ärztlichen Versorgung lassen sich nur z. T. durch unterschiedliche infektionsepidemiologische Situationen erklären. Häufig bestehen die Einschränkungen aufgrund von Entscheidungen der lokalen Krankenhausleitungen oder der Corona-Krisenstäbe, ohne dass sich hier ein deutschlandweit einheitliches Vorgehen abzeichnen würde. Um in dieser Situation eine Orientierung zu ermöglichen, hat die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf-und Hals-Chirurgie e. V. eine S1-Leitlinie zum Personal-und Patientenschutz bei Durchführung planbarer Eingriffe zur Zeit der SARS-CoV-2-Pandemie veröffentlicht [2] Bisher wurden an der HNO-Klinik in Marburg auf dieser Basis 675 Abstrichentnahmen durchgeführt (Stand 09.09.2020). Von diesen 675 Untersuchungen waren lediglich 2 positiv, dies jedoch nicht bei verdachtsunabhängigen Untersuchungen, sondern bei Abstrichen, die bei Patienten mit klinischem V. a. eine Coronainfektion durchgeführt wurden. Entsprechend waren alle 673 verdachtsunabhängigen Corona-Abstriche unauffällig. An der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf-und Halschirurgie an der Universitätsklinik Ulm wurden im Zeitraum vom 01.05. bis zum 31.08.2020 bei allen stationär aufgenommenen und einzelnen (symptomatischen) ambulanten Patienten insgesamt 1742 SARS-CoV-2-PCR-Tests durchgeführt. Davon waren 5 Testergebnisse fraglich positiv. In Nachfolgeuntersuchungen konnte aber bei diesen 5 zunächst fraglich positiven Proben eine SARS-CoV-2-Infektion ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund, dass in beiden Kliniken bei insgesamt 2415 verdachtsunabhängigen Abstrichentnahmen keine positiven Testergebnisse zu verzeichnen waren, stellt sich die Frage nach der Effizienz einer verdachtsunabhängigen Untersuchung. Die Wertigkeit einer solchen Untersuchung hängt in hohem Maße von der Prätest-Wahrscheinlichkeit, also von der Prävalenz der Infektion bzw. der aktuell infektiösen Erkrankungen im jeweiligen Einzugsgebiet der Klinik, ab. Die Prävalenz der SARS-CoV-2-Infektionen in Deutschland ist derzeit nicht bekannt bzw. kann nur geschätzt werden. Eine aktuelle antikörperbasierte Reihenuntersuchung an einem kleinen Kollektiv ergab eine Seroprävalenz von 1,2 % [5] . Zahlreiche weitere Studien zur Seroprävalenz in Deutschland sind angelaufen [6] . Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese Angaben sich auf Personen beziehen, die eine Infektionen durchlaufen hatten bzw. eine Antikörperreaktion aufweisen; diese Personen sind nicht notwendigerweise noch infektiös. Die verdachtsunabhängige Abstrichentnahme hat das Ziel, infizierte, aber asymptomatische Patienten zu identifizieren. Der Anteil der asymptomatischen infizierten Patienten lässt sich nur näherungsweise bestimmen und wird derzeit mit 40-45 % der Infizierten angegeben [7] . Als problematisch bei der verdachtsunabhängigen präoperativen Abstrichentnahme erweist sich die hohe Rate an falsch-negativen Befunden. Diese ist abhängig von der Viruslast und damit vom Zeitpunkt der Infektion sowie von der Art des Testsystems (PCR-Test versus Antigen-Schnelltest). Während am 8. Tag nach der Infektion die Rate an falsch-negativen Ergebnissen bei einer PCR-basierten Testung mit 20 % angegeben wird, liegt diese am ersten Tag nach Infektion bei 100 % und noch bei etwa 67 % am 4. Tag [8] . Dies bedeutet, dass auch eine Wiederholung der Testung nach einer Woche immer noch mit etwa 20 % falsch-negativen Testergebnissen einhergehen würde, unabhängig vom Risiko der zwischenzeitlichen Infektion. Suboptimale Entnahmetechniken beim Abstrich, die insbesondere bei der Delegation dieser Abstriche an nichtärztliches Personal auftreten können, können die verhältnismäßig hohen Rate an falschnegativen Ergebnissen weiter erhöhen. Bei der Betrachtung der Ergebnisse der eigenen Abstrichuntersuchungen verwundert die Tatsache, dass im dargestellten Untersuchungszeitraum keine positiven Testergebnisse aufgetreten sind. Dies kann mehrere Erklärungen haben. Denkbar wäre, dass der Anteil von positiven, potenziell infektiösen Patienten in dem "präoperativen" Patientenkollektiv sehr gering ist, also geringer als 1/2415, was 0,04 % entsprechen würde. Eine alternative Erklärung wäre, dass diese Patienten trotz der klinischen Screeningmaßnahmen und der präoperativen Abstrichentnahme nicht diagnostiziert wurden (falsch-negativ waren) und die Klinik nach unkompliziertem operativen Eingriff wieder verlassen haben, ohne Komplikationen oder Infektionszeichen entwickelt oder Mitpatienten oder Klinikmitarbeiter infiziert zu haben (an beiden Kliniken sind bisher keine derartigen Infektionen aufgetreten). Eine weitere mögliche Erklärung ergibt sich bei der Auswertung der durch das RKI veröffentlichten bundesdeutschen Infektionszahlen unter Berücksichtigung der Dauer der Infektiosität positiv getesteter Patienten und deren Anteil an der jeweiligen spezifischen Alterskohorte in der Bevölkerung [9] . Im Verlauf der bisherigen Pandemie reduzierte sich der Anteil der über 59-Jährigen von etwa 35 % in der 14.-17. Kalenderwoche auf unter 10 % in der 33.-36. Kalenderwoche. Zusammengefasst wurden in den jeweiligen Zeiträumen 32.374 versus 2546 Menschen in diesen Altersgruppen positiv getestet, was einer Reduktion um etwa 92 % zwischen den beiden 4-Wochen-Zeiträumen entspricht. Gleichzeitig sind diese Altersgruppen für 95 % der Mortalität ursächlich. Die systematische Testung aller Patienten vor operativen Eingriffen hat insbesondere unter Kenntnis der oben beschriebenen Mortalität [3, 4] Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auf die universitäre Hals-Nasen-Ohrenheilkunde im Interdisziplinär abgestimmte Empfehlungen zum Personal-und Patientenschutz bei Durchführung planbarer Eingriffe zur Zeit der SARS-CoV-2-Pandemie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Clinical characteristics and outcomes of patients undergoing surgeries during the incubation period of COVID-19 Mortality and pulmonary complications in patients undergoing surgery with perioperative SARS-CoV-2 infection: an international cohort study Die Prävalenz von SARS-CoV-2-IgG-AK liegt bei 1,2 % Screening bei asymptomatischen ambulanten Patienten Studien zur Seroprävalenz von SARS-CoV-2 in Deutschland und international Prevalenceofasymptomatic SARS-coV-2 infection. A narrative review Variation in false-negative rate of reverse transcriptase polymerase chain reaction-based SARS-coV-2 tests by time since exposure Datenlizenz Deutschland -Namensnennung -Version 2