key: cord-0839748-uh0cz8gh authors: Lamberty, Pia title: Die Ursachen des Glaubens an Verschwörungserzählungen und Empfehlungen für eine gelungene Risikokommunikation im Gesundheitswesen date: 2022-04-06 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-022-03524-z sha: 0879eb672ce445dd13e2d70bf3978a8eb0133223 doc_id: 839748 cord_uid: uh0cz8gh Throughout the COVID-19 pandemic, the belief in conspiracy narratives within the population strongly influenced the implementation of containment measures and medical recommendations. Conspiracy narratives involve the belief that a group perceived as powerful would pursue secret plans to harm society, which distinguishes them from misinformation or disinformation. This paper presents findings from the research literature on the causes of conspiracy beliefs, their effects on individual health behaviors, and ways to counteract their spread. In situations where people have less capacity and motivation for deeper information processing, they form their opinions more heuristically, which increases vulnerability to cognitive biases. People become particularly susceptible to receiving misinformation or disinformation, which are frequently linked to the emotionalization of facts and simplistic responses. Belief in conspiracy narratives may become more easily established, with additional issues of personal identity and various psychological motives playing a role, among others. A general distrust of people who are perceived as “powerful,” such as representatives from science, medicine, and politics, can arise. Digital networks additionally contribute to the spread of conspiracy narratives. There are several ways that healthcare institutions can reduce the emergence and spread of misinformation, disinformation, and conspiracy narratives through their risk and crisis communications. The Crisis and Emergency Risk Communication Model (CERC) provides important approaches in this regard. In der Debatte um Desinformation und Verschwörungserzählungen ist es wichtig, sich mit Definitionen auseinanderzusetzen. Der Glaube an Verschwörungen ist psychologisch gesehen etwas anderes als der Glaube an Fehlinformationen. In der wissenschaftlichen Forschung wird häufig mindestens zwischen Fehlinformationen, Desinformation und Verschwörungserzählungen unterschieden ( [3, 4] ; siehe . Infobox 1). Bei Fehlinformationen geht es erst einmal darum, dass Menschen etwas verbreiten, das nicht stimmt. Dahinter steckt keine Täuschungsabsicht, sondern oft ein falschesVerständnisvonFaktenoderwissenschaftlichen Hintergründen. Es werden inakkurate Schlüsse gezogen, Statistiken falsch wiedergegeben oder Aussagen falsch übersetzt. Fehlinformationen können Schaden anrichten, eine Intention, zu schaden, liegt hier aber nicht vor. Bei einer Fehlinformation weiß die verbreitende Person nicht, dass die Information nicht korrekt ist. Anders verhält es sich bei der Desinformation, die sich von der Fehlinformation eben genau durch die absichtliche Täuschung oder Irreführung unterscheidet. Eine Person, die Desinformation verbreitet, will sich dadurch z. B. bereichern oder politischen Einfluss erlangen [3] . Bei Verschwörungserzählungen dagegen geht es vorrangig um die Annahme, dass eine als mächtig wahrgenommene Gruppe geheime Pläne verfolgt, um der Gesellschaft Schaden zuzufügen [4] . Sie werden also stärker inhaltlich und weniger über den Wahrheitswert oder eine eventuell vorhandene Täuschungsabsicht des Senders bestimmt. 1 Wenn beispielsweise eine Person in den sozialen Netzwerken verbreitet, dass das Virus SARS-CoV-2 nicht existiert, kann sie dies entweder deshalb tun, weil sie es nicht besser weiß (Fehlinformation), oder aber, weil sie eine gewisse Intention verfolgt (Desinformation), beispielsweise den Verkauf von alternativen Heilmitteln. Sie kann aber auch durch Verschwörungserzählungen beeinflusst sein, 1 Es gibt unterschiedliche Definitionen von Verschwörungserzählungen bzw. -theorien, die sich insbesondere darin unterscheiden, inwiefern der Wahrheitswert eine Rolle spielt. In der psychologischen Forschung hat sich vielfach durchgesetzt, dass eine Verschwörungserzählung oder -theorie eine mögliche Erklärung für wichtige Ereignisse ist, die geheime Absprachen durch mächtige und bösartige Gruppen oder Einzelpersonen enthält [8, 9] . Andere Disziplinen nähern sich der Bestimmung der Thematik anders und inkludieren teilweise die Einschätzung des Wahrheitsgehalts in ihre Definitionen. "Verschwörungserzählungen" werden dann eindeutig als falsch bewertet, während der Begriff "Verschwörung" genutzt wird, wenn sich eine These bewahrheitet (siehe bspw. [45] [6] . Warum glauben Menschen nun aber an Verschwörungserzählungen? Blickt man auf die Forschungsergebnisse, zeigt sich, dass eine falsche Verarbeitung von Fakten hier viel weniger zentral ist als bei Fehl-und Desinformation, sondern es vielmehr um Fragen der eigenen Identität, also um psychologische Motive geht (. Tab. 1). Häufig wird zwischen dem eher abstrakten Verschwörungsglauben und dem Glauben an konkrete Verschwörungserzählungen unterschieden. Der Verschwörungsglaube beschreibt eine Denkweise oder eine politische Einstellung, die sich in der Vorstellung zusammenfassen lässt, dass alles Schlechte, was in der Gesellschaft passiert, das Ergebnis der geheimen Planung durch einige mächtige Einzelpersonen und Gruppen ist. Hinsichtlich des Glaubens an Verschwörungserzählungen hat die Forschung festgestellt, dass Verschwörungserzählungen zwar auf den ersten Blick sehr unterschiedlich und vielfältig sind, die generelle Zustimmung zu solchen Narrativen aber eine eher konsistente Tendenz ist, die bei manchen Menschen auftritt und bei anderen nicht [8] . Während der abstrakte Verschwörungsglaube über die Zeit eher stabil zu bleiben scheint, wird der Glaube an konkrete Verschwörungserzählungen u. a. durch verschiedene psychologische Motive beeinflusst und kann daher variieren ( [8, 9] und . Tab. 1). Existenzielle Motive. Ein Ergebnis der psychologischen Forschung ist, dass ein erlebter Kontrollverlust, als Bedrohung der eigenen Existenz, insbesondere den konkreten Verschwörungsglauben verstärken kann [10] . In Momenten, in denen Menschen nicht in der Lage sind, Kontrolle herzustellen, reagieren sie, indem sie beispielsweise auch dort Muster sehen, wo keine sind. Dieser Befund wurde bereits früh in der psychologischen Forschung zum Verschwörungsglauben formuliert, allerdings zeichnet sich hier mittlerweile eine heterogene Studienlage ab. Es scheint so zu sein, dass der politische bzw. gesellschaftliche Kontrollverlust (bspw. im Rahmen von Terror, Krankheitsausbrüchen, gesellschaftlichen Umbrüchen) relevanter für einen verstärkten Verschwörungsglauben ist als ein Kontrollverlust, der das private Umfeld betrifft (bspw. durch Arbeitsplatzverlust, Krankheit; [11] ). Darüber hinaus wirkt sich der Kontrollverlust stärker auf den Glauben an konkrete Verschwörungen als auf den abstrakten Verschwörungsglauben aus [12] . Motiven für den Verschwörungsglauben spielen auch soziale Faktoren eine Rolle, die erklären, warum Menschen insgesamt an Verschwörungen glauben. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass ein starkes Bedürfnis nach Einzigartigkeit mit einem gesteigerten Verschwörungsglauben einhergeht [13] . Dies trifft auch auf den "kollektiven Narzissmus" zu, welcher die Tendenz beschreibt, die eigene Gruppe als höherwertig anzusehen und anderen Gruppen gegenüber feindselig zu sein [14] . Beide psychologischen Bundesgesundheitsbl https://doi.org/10.1007/s00103-022-03524-z © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 Verschwörungstheorie · Umgang mit Impfkritik · Impfgegner · Risikowahrnehmung · Social Media Throughout the COVID-19 pandemic, the belief in conspiracy narratives within the population strongly influenced the implementation of containment measures and medical recommendations. Conspiracy narratives involve the belief that a group perceived as powerful would pursue secret plans to harm society, which distinguishes them from misinformation or disinformation. This paper presents findings from the research literature on the causes of conspiracy beliefs, their effects on individual health behaviors, and ways to counteract their spread. In situations where people have less capacity and motivation for deeper information processing, they form their opinions more heuristically, which increases vulnerability to cognitive biases. People become particularly susceptible to receiving misinformation or disinformation, which are frequently linked to the emotionalization of facts and simplistic responses. Belief in conspiracy narratives may become more easily established, with additional issues of personal identity and various psychological motives playing a role, among others. A general distrust of people who are perceived as "powerful, " such as representatives from science, medicine, and politics, can arise. Digital networks additionally contribute to the spread of conspiracy narratives. There are several ways that healthcare institutions can reduce the emergence and spread of misinformation, disinformation, and conspiracy narratives through their risk and crisis communications. The Crisis and Emergency Risk Communication Model (CERC) provides important approaches in this regard. Conspiracy theory · Dealing with vaccination criticism · Vaccination opponents · Risk perception · Social media Faktoren eint, dass Menschen sich über den Glauben an Verschwörungen persönlich über andere erheben und als besonders gegenüber der Fremdgruppe, also den "anderen", wahrnehmen können. Hier zeigt sich noch einmal: Es geht weniger um ein falsches Verständnis von Fakten, sondern vielmehr um eine Identitätsfunktion für die Menschen, die an Verschwörungen glauben. Fakten-und Hintergrundwissen. Verschwörungserzählungen bieten Erklärungen, die es ermöglichen, angesichts von Unsicherheit und Widerspruch eine Gewissheit zu bewahren. Es zeigt sich, dass Menschen mit ausgeprägtem Verschwörungsglauben eher an Stellen Muster sehen, wo keine existieren [15] . Der Verschwörungsglaube hängt mit der Wahrnehmung von Intentionalität zusammen: Der Zufall wird weniger als Ursache für Ereignisse gesehen, stattdessen eher eine Absicht hinter Ereig-nissen vermutet [16] . In einer anderen Studienreihe konnte gezeigt werden, dass Menschen mit ausgeprägtem Verschwörungsglauben einen geringeren "Expertenbias" zeigen: Je stärker der Verschwörungsglaube, desto weniger wurde zwischen Expert:innen und Laien in Bezug auf die Glaubwürdigkeit von Quellen differenziert [17] . Neben diesen psychologischen Motiven gibt es noch weitere Gründe, die diskutiert und erforscht werden. Unterschiedliche Studien zeigen, dass Men-schen mit niedrigerer formaler Bildung stärker an Verschwörungen glauben. Es konnte allerdings gezeigt werden, dass dies nicht durch Intelligenzunterschiede erklärt werden kann, sondern damit zusammenhängt, dass Menschen mit niedriger formaler Bildung sich stärker von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen [18] . Auch andere Forschungsarbeiten fanden Zusammenhänge mit Marginalisierungserfahrungen sowie dem Erleben von tatsächlichen Missständen. Hier wird dann argumentiert, dass der Glaube an Verschwörungen im Medizinbereich (bspw. im Kontext von HIV) durch reale Diskriminierungen befeuert werden kann und nicht nur auf psychologische Bedürfnisbefriedigung zurückzuführen ist [19] . Diese Ergebnisse sind allerdings empirisch nicht eindeutig und benötigen weitere, metaanalytische Betrachtung. Aus psychologischer Sicht kann der individuelle Glaube an Verschwörungen auch als generalisierte politische Einstellung verstanden werden, bei der denen mit Misstrauen begegnet wird, die als mächtig wahrgenommen werden [8] . Dies können sowohl Personengruppen sein, die tatsächlich eine gesellschaftliche Machtposition einnehmen, als auch Personengruppen, deren tatsächliche Macht entweder stark überschätzt oder nur konstruiert wird. Aus der Forschung zum Stereotype Content Model (SCM) zur Entstehung von Gruppenstereotypen lässt sich ableiten, dass verschiedene Gruppen wie Wissenschaftler:innen, Ärzt:innen oder Politiker:innen gesellschaftlich oft als mächtig wahrgenommen werden [20] . Überträgt man diese Denkweise auf das individuelle Gesundheitsverhalten, lässt sich zeigen, dass das Ausmaß, in dem Menschen eine verschwörerische Weltsicht vertreten, mit einer stärkeren Präferenz für alternative gegenüber biomedizinischen Ansätzen verbunden ist [21] . Insbesondere während der Pandemie wird viel zum Einfluss von Verschwörungsdenken auf das Gesundheitsverhalten geforscht. Studien zeigen sowohl quer-als auch längsschnittlich, dass ein stärkerer Verschwörungsglaube mit einer Reduktion von Social Distancing sowie anderen Schutzmaßnahmen wie Masketragen einhergeht. Der starke Glaube an COVID-19-Verschwörungserzählungen verringert auch das Vertrauen in Institutionen, die Unterstützung staatlicher Vorschriften und -in gewissem Maße -auch das soziale Engagement [22, 23] . Ähnliche Befunde zeigen sich auch für das Thema Impfen: Je stärker der Verschwörungsglaube, desto weniger sind Menschen bereit sich generell und auch spezifisch gegen COVID-19 impfen zu lassen [5] . Studien belegen, dass bereits die einmalige Konfrontation mit Verschwörungserzählungen zum Thema Impfungen einen signifikanten Effekt auf die berichtete Impfbereitschaft haben kann. Vermittelt wird diese Reduktion der Impfbereitschaft dadurch, dass die Impfung als gefährlicher wahrgenommen und Autoritäten weniger vertraut wird [24] . Neuere Forschung zeigt allerdings auch, dass dieser Effekt möglicherweise durch den Einfluss des eigenen sozialen Umfeldes abgefedert werden kann [25] . Verschwörungserzählungen haben insbesondere zu den Themen Gesundheit und Krankheit eine lange Geschichte. Während der europäischen Pestepidemie im Mittelalter wurden Jüdinnen:Juden basierend auf dem antisemitischen Mythos der sog. "Brunnenvergiftung" für die Krankheitsausbrüche verantwortlich gemacht [26] . Seit einigen Jahrzehnten existieren zu HIV und Aids unzählige Mythen, die einen Einfluss auf die Behandlungsbereitschaft von infizierten Personen und das Präventionsverhalten von Risikogruppen haben können [27] . Bei der Ebolafieberepidemie 2014-2016 in Westafrika hatten Verschwörungserzählungen auch einen Einfluss auf das Management der Krankheitsausbrüche. Es kam beispielsweise im stark von Ebola betroffenen Guinea zu tödlichen Angriffen auf humanitäre Hilfskräfte, die als Teil einer angeblichen Verschwörung wahrgenommen wurden, da geglaubt wurde, dass sie als "weiße Eliten", das Virus absichtlich verbreiten würden [26, 28] . Dass während der COVID-19-Pandemie Verschwörungserzählungen und Desinformation eine große Rolle spielen, scheint mit Blick auf das Wissen aus vorangegangenen Krankheitsausbrüchen erst einmal wenig überraschend. Dennoch lässt sich die Frage, inwiefern der Glaube an Verschwörungen zugenommen hat, nur schwer abschließend beantworten. Aus vorangegangener Forschung zeigt sich, dass der erlebte Kontrollverlust ein Verstärker von Verschwörungserzählungen sein kann [10] . Gerade eine Pandemie kann genau solche Zustände hervorrufen. Dementsprechend kann man davon ausgehen, dass der erlebte Kontrollverlust das Verschwörungsdenken in der Bevölkerung während der Pandemie verstärkt hat. Es zeigt sich beispielsweise, dass Faktoren wie die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder vor einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems auch mit dem Glauben an Verschwörungen korrelieren [29] . Eine neuere Metaanalyse kommt allerdings zu dem Schluss, dass der Kontrollverlust sich weniger auf den abstrakten Verschwörungsglauben als auf den Glauben an konkrete Verschwörungen auswirkt [12] . Für Deutschland existieren aber nur für den abstrakten Verschwörungsglauben Vergleichsdaten aus der Zeit vor der Pandemie. Basierend auf diesen Erkenntnissen lässt sich ein Anstieg nicht eindeutig belegen [30, 31] . Daneben steht die Wissenschaft aber auch vor anderen Herausforderungen bei der Datenerhebung zu dieser Thematik. Aus vorangegangenen Studien weiß man beispielsweise, dass der Verschwörungsglaube empirisch auch mit einer erhöhten Wissenschaftsfeindlichkeit einhergeht [27] . Die Mobilisierung gegen die Wissenschaft wurde auch in der Pandemie an verschiedenen Stellen sichtbar -und zwar bei verschiedenen Akteur:innen mit unterschiedlichen Bildungshintergründen. Es kann aber sein, dass dieses Phänomen noch unter-schätzt wird, da wissenschaftsfeindliche Personen weniger bereit sind, an wissenschaftlichen Studien teilzunehmen. Auf dieses Problem weisen auch bereits verschiedene Studien der jüngeren Vergangenheit hin [31, 32] . Blickt man auf die erhobenen Daten aus der Pandemie, zeigt sich eine große Spannbreite von eingesetzten Messinstrumenten und Ergebnissen. Auch das kann die Interpretation und Vergleichbarkeit erschweren. Das durchschnittliche Antwortniveau, also wie stark man auf einer Skala zustimmt, unterscheidet sich je nach Formulierung der Items und auch die Methode der Befragung kann sich auf die Ergebnisse auswirken. Dennoch ist es wichtig, die Zahlen zur Verbreitung von Verschwörungserzählungen zu kennen. Im Dezember 2021 stimmten laut der COSMO-Studie (COVID-19 Snapshot Monitoring) 15 % der Befragten (eher) der Aussage zu, dass Corona ein Schwindel sei ("Experten führen uns absichtlich zu ihrem eigenen Vorteil in die Irre, obwohl das Virus nicht schlimmer als eine Grippe ist"), und 11 % der Aussage, dass Corona menschengemacht sei ("Corona wurde absichtlich in die Welt gebracht, um die Bevölkerung zu reduzieren"); 9 % aller Befragten glaubten gleichzeitig an beide, sich eigentlich logisch ausschließenden Aussagen [29] . Ähnliche Werte fand die HBS-Panel-Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung vom Sommer 2021, laut der 18 % der befragten Erwachsenen ein hohes Ausmaß an Zustimmung zu Coronazweifeln und Verschwörungserzählungen zeigten. 2 Im Zeitverlauf zwischen April 2020 und Juli 2021 konnte die Studie keine Abnahme der Zustimmung zu Verschwörungserzählungen feststellen [33] . Verschwörungserzählungen und Desinformation stellen außerdem eine Herausforderung im Zusammenhang mit einer Erhöhung der Impfquote dar. Im Oktober 2021 wurden 9,4 % der Erwachsenen in Deutschland den "Impfverweigerern" zugeordnet. Studien zeigen dabei, dass der Glaube an Verschwörungen bei Nichtgeimpften signifikant stärker verbreitet ist als bei geimpften Personen [29] . Auch wenn die Frage nach einem Anstieg des Verschwörungsglaubens sich aktuell nicht allumfassend beantworten lässt, lässt sich ein Umstand sicher feststellen: In der Pandemie kam es zu einer Vernetzung des verschwörungsideologischen Milieus, die es in diesem Ausmaß so bisher nicht gegeben hatte. 3 Insbesondere auf dem Messengerdienst Telegram hat sich ein großes Netzwerk gebildet, in dem sich verschwörungsideologische Akteur:innen miteinander austauschen und organisieren [34] . Den Gruppen und Kanälen auf Telegram folgen teilweise Hunderttausende Menschen und die Inhalte werden dann auch aus diesem Messengerdienst hinaus in die Gesellschaft verbreitet. Auf Telegram gab es in diesem Milieu im September 2021 bei den reichweitenstärksten Nachrichten noch durchschnittlich 275.000 Aufrufe pro Tag [34] . Spätestens mit Einführung der Impfungen gegen das Coronavirus entstand eine Vielzahl von Kanälen und Gruppen, über die gefälschte Testzertifikate, Impfausweise oder QR-Codes zum Verkauf angeboten wurden. Während solche Angebote vorher häufig nur über das sogenannte Darknet erhältlich waren, gab es mit Telegram eine Möglichkeit, auch ohne große technische Expertise solche Fälschungen in Auftrag zu geben [35] . Auch hier existieren bis dato kaum valide Zahlen zum Ausmaß der Fälschungen [36] . Über Telegram werden zudem Dokumentenvorlagen verbreitet, die sich an Schulen, Institutionen, Abgeordnete, das Gesundheitswesen oder Ministerien richten. Allein im August 2021 wurden in den von der Denkfabrik Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) erforschten Gruppen und Kanälen über 1660-mal solche Word-Vorlagen geteilt. Das reichweitenstärkste Dokument wurde allein auf Telegram knapp eine Million Mal aufgerufen und enthielt 2 Vorlagen für Lehrkräfte und Eltern, wonach eine Testung von Schüler:innen untersagt wird und notfalls gerichtliche Schritte eingeleitet würden [34] . Dies ist insofern problematisch, da eine Flut an E-Mails auch Auswirkungen auf konkretes politisches Handeln und das Gesundheitsmanagement haben kann [37] . So wurden kritische E-Mails in der Pandemie teilweise als ein Grund angeführt, warum beispielsweise die Maskenpflicht in Schulen aufgehoben werden sollte [34] . [44] . Evaluation. Nach der Bewältigung der Krise sollte die bisherige Kommunikationsstrategie in Bezug auf ihre Wirksamkeit genau bewertet werden. Dazu gehört auch die Implementierung von Maßnahmen, die aus dieser Evaluation abgeleitet werden können. Im Nachgang der Krise kann dann wieder verstärkt auf Präventionsmaßnahmen gesetzt werden, um die Gesellschaft krisenfester zu machen. Dazu gehört auch die Berücksichtigung von sozialen Medien bei der Informationsgewinnung und -weitergabe [38] . Die COVID-19-Pandemie zeigt eindrücklich, welche Herausforderungen Verschwörungserzählungen, Fehl-und Desinformation in Gesundheitskrisen mit sich bringen können [2] . In Anbetracht zukünftiger Gesundheitskrisen ist es daher unerlässlich, diese Phänomene weiter zu erforschen. Es ist unwahrscheinlich, dass der Verschwörungsglaube oder Fehl-und Desinformation gänzlich verschwinden werden [31] . Gerade deswegen ist es wichtig, diese Themen als zusätzliche Herausforderung im Gesundheitsmanagement mitzudenken. In der Pandemie spielen die Auswirkungen von Verschwörungserzählungen, Fehl-und Desinformation auch gesellschaftlich eine besondere Rolle. Es greift zu kurz zu sagen, dass der Glaube an Verschwörungen eine alleinige Folge gescheiterter Risikokommunikation sei. Der Verschwörungsglaube war prävalent vor der Pandemie -und ist nicht allein durch eben diese zu erklären [9, 31] . Dennoch gibt es Möglichkeiten, die Verbreitung von Verschwörungserzählungen, von Fehlund Desinformation einzudämmen und die Gesellschaft zu befähigen, besser mit diesen Herausforderungen umzugehen [4] . Wenn Gesundheitsinstitutionen und Wissenschaftler:innen als Teil einer Verschwörung markiert werden, hat das Konsequenzen. Menschen sind dann weniger bereit, Eindämmungsmaßnahmen und medizinischen Empfehlungen zu folgen [5] . Nicht nur bei Pandemien und Epidemien spielen Verschwörungsnarrative eine Rolle, sondern bereits beim alltäglichen Gesundheitsverhalten [21] . Auch der Klimawandel wird gesundheitlich neue Herausforderungen mit sich bringen. Ein modernes Gesundheitssystem sollte daher in der Lage sein, auf gefährliche Entwicklungen frühzeitig zu reagieren. Organization Munich security conference Coronavirus is a breeding ground for conspiracy theories-here's why that's a serious problem The debunking handbook 2020 A bioweapon or a hoax? The link between distinct conspiracy beliefs about the Coronavirus disease (COVID-19) outbreak and pandemic behavior Whydopeoplebelieveinfakenews over the Internet? An understanding from the perspective of existence of the habit of eating and drinking Dual-process models in social and cognitive psychology: Conceptual integration and links to underlying memory systems Speaking (un-) truth to power: conspiracy mentality as a generalised political attitude The psychology of conspiracy theories Lacking control increases illusory pattern perception How paranoid are conspiracy believers? Toward a more fine-grained understanding of the connect and disconnect between paranoia and belief in conspiracy theories Does lack of control lead to conspiracy beliefs? A meta-analysis Too special to be duped: need for uniqueness motivates conspiracy beliefs Does self-love or self-hate predict conspiracy beliefs? Narcissism, self-esteem, and the endorsement of conspiracy theories Connecting the dots: Illusory pattern perception predicts belief in conspiracies and the supernatural Intention seekers: Conspiracist ideation and biased attributions of intentionality Usingpoweras a negative cue: how conspiracy mentality affects epistemic trust in sources of historical knowledge Why education predicts decreased belief in conspiracy theories Conspiracy Theories through a cross-cultural lens Warmth and competence as universal dimensions of social perception: The stereotype content model and the BIAS map Powerful pharma and its marginalized alternatives? Belief in COVID-19 conspiracy theories reduces social distancing over time The conspiracy hoax? Testing key hypotheses about the correlates of generic beliefs in conspiracy theories during the COVID-19 pandemic The effects of antivaccine conspiracy theories on vaccination intentions Pro-vaccinationsubjectivenormsmoderate the relationship between conspiracy mentality and vaccination intentions Fake Facts -Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen Conspiracy beliefs about HIV/AIDS and birth control among African Americans: Implications for the prevention of HIV, other STIs, and unintended pregnancy Medical mistrust in the context of Ebola: Implications for intended care-seeking and quarantine policy support in the United States COVID-19 Snapshot Monitoring, Verschwörungsdenken Autoritäre Dynamiken: Alter Ressentiments -neue Radikalität Verschwörungserzählungen als Bedrohung für die Gesellschaft Befragung von nicht geimpften Personen zu den Gründen der fehlenden Inanspruchnahme der Corona Sommer 2021: Inzidenzen sinken, Corona-Zweifel und Verschwörungsmythen bleiben Analyse & Strategie (2021) Die Bundestagswahl 2021 -Welche Rolle Verschwörungsideologien in der Demokratie spielen Der Handel mit gefälschten Impfpässen auf Telegram Erstellt: 21. Okt. 2021). Zugegriffen: 5. Febr Bias in perceptions of public opinion among political elites Crisis and emergency risk communication as an integrative model Organization WHO launches pilot of AI-powered public-access social listening tool Can you hear me now? Social listening as a strategy for understanding user needs Acceptance and adoption of protective measures during the COVID-19 pandemic: the role of trust in politics and trust in science I hope you die': how the COVID pandemic unleashed attacks on scientists Public health and risk communication during COVID-19-enhancing psychological needs to promote sustainable behavior change Nichts ist, wie es scheint Conspiracy beliefs as psycho-political reactions to perceived power Reichsbürger, Selbstverwalter und Souveränisten