key: cord-0830778-l956pxe5 authors: Münch, Urs; Müller, Heidi; Deffner, Teresa; von Schmude, Andrea; Kern, Martina; Kiepke-Ziemes, Susanne; Radbruch, Lukas title: Empfehlungen zur Unterstützung von belasteten, schwerstkranken, sterbenden und trauernden Menschen in der Corona-Pandemie aus palliativmedizinischer Perspektive: Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), des Bundesverbands Trauerbegleitung (BVT), der Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG) und der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) date: 2020-06-02 journal: Schmerz DOI: 10.1007/s00482-020-00483-9 sha: 5408ba5a76eae462a7accc83b39b681540adef08 doc_id: 830778 cord_uid: l956pxe5 The corona pandemic has led to a number of restrictions and prohibitions, which in turn place large psychosocial or spiritual burdens on patients with COVID-19, their families and relatives and the treating personnel in the healthcare system. Patients with COVID-19 are not allowed to receive visitors and many hospitals and nursing homes have completely banned visitors. Many support services have been reduced or stopped completely. Necessary treatment interventions for other patients with critical and life-limiting diseases have been delayed or suspended in order to free resources for the expected COVID-19 patients; however, these people need to feel social connectedness with their relatives. Palliative care patients should be exempted from any ban on visitors. Families should be able to visit dying patients even on intensive care units or isolation wards, using adequate protective equipment. Alternative options, such as video telephone calls or via social media should be explored for patients in isolation. Families should also be enabled to say goodbye to the deceased with adequate protective equipment or should be offered alternative real or virtual options for remembrance and commemoration. Health care professionals coping with the exceptional stress should be continuously supported. This requires clear communication and leadership structures, communication training, psychosocial support, but most of all optimal framework conditions for the clinical work. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivund Notfallmedizin (DIVI), des Bundesverbands Trauerbegleitung (BVT), der Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG) und der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) Einleitung Die mit dem SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 einhergehenden Einschränkungen, Beschränkungen und Verbote sorgen auf vielen Ebenen für psychische, soziale und spirituelle Belastungen mit Auswirkungen auf die Gesundheit. Das gilt insbesondere für die an dem neu-artigen Virus schwer Erkrankten und deren Zugehörige (Familienmitglieder, Partner*innen und Nahestehende). Patient*innen mit COVID-19 werden auf der Isolierstation, Intensivstation oder anderen isolierten Bereichen behandelt und dürfen nicht von ihren Zugehörigen besucht werden. Andere Begleitungsund Unterstützungsangebote (zum Bei-spiel durch ehrenamtliche Helfer*innen oder Seelsorger*innen) sind aufgrund der Corona-Pandemie in Folge des Besuchsverbots zumeist verringert oder ganz eingestellt worden. Die Aufgabe der psychosozialen Unterstützung dieser Menschen mit ihrer Not und Angst in dieser existenziellen Krisensituation lastet somit größtenteils und zusätzlich zu al-Der Schmerz len anderen Aufgaben auf den Schultern der Pflegekräfte und Ärzt*innen vor Ort. Darüber hinaus ist selbst bei sterbenden, mit COVID-19 infizierten Patient*innen für Zugehörige kein Abschiednehmen möglich, da diese Patient*innen in vielen dieser Einrichtungen keinen Besuch erhalten können. Diese Umstände verstärken die ohnehin schon durch den ungewissen Ausgang der Erkrankung bestehende Belastung für Erkrankte und An-und Zugehörige enorm. Sie beeinträchtigen den Prozess der Abschiednahme und können den Trauerprozess erschweren. Doch nicht nur die Patient*innen mit COVID-19, sondern auch andere Patient*innen mit sehr kritischen und/ oder lebenslimitierenden Erkrankungen leiden unter den Folgen der Pandemie. Sie haben Angst, dass sie die notwendigen Behandlungsmaßnahmen nicht mehr erhalten werden, weil die Ressourcen im Krankenhaus für an COVID-19 Erkrankte freigehalten werden. Sie leiden unter den Folgen der Regulierungen zur physischen Distanzierung, zum Beispiel durch Besuchsverbote in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Zudem fühlen sich in der ambulanten Versorgung sterbende Menschen und ihre Zugehörigen zu Hause alleingelassen [1] . Recommendations for the support of suffering, severely ill, dying or grieving persons in the corona pandemic from a palliative care perspective. The corona pandemic has led to a number of restrictions and prohibitions, which in turn place large psychosocial or spiritual burdens on patients with COVID-19, their families and relatives and the treating personnel in Genauso können neben Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Psychoonkolog*innen, Psychotherapeut*innen und Seelsorger*innen auch ambulante Koordinator*innen und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen der ambulanten Hospizdienste oder anderer Dienste per Telefon oder Videotelefonie Kontakt aufnehmen und halten. Die Einrichtungen der Hospiz-und Palliativversorgung sollten sich lokal vernetzen, um solche Angebote auszubauen und diese möglichst allen bedürftigen Patient*innen anzubieten. Zugehörige sind ebenfalls besonderen Belastungen ausgesetzt. Auch ohne Corona-Pandemie mussten sie bisher verschiedene Rollen in sich vereinen, waren zugleich Unterstützende der Patient*innen wie auch selbst Betroffene, und mussten die Aufgaben und Rollen übernehmen, die der schwer kranke Mensch nicht mehr ausfüllen konnte [4, 5] . In der aktuellen Situation sind sie zusätzlich belastet durch die Manchmal hilft die Erinnerung an gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen. Für manche Menschen sind es Geschichten, für andere Gegenstände zum Anfassen oder bestimmte Lieder, Bilder, Fotos etc. Trauernde können solche Erinnerungen sammeln, auch zusammen mit anderen Zugehörigen. Sie können Gegenstände real an einem Ort sammeln (Erinnerungskiste, Fotobuch) oder auch virtuell (Bilder, Texte und Geschichten; siehe zum Beispiel gedenkseiten.de). In der Trauer sind Ängste häufige Begleiter [7] . Es gibt inzwischen gute Webseiten, die sich mit Angstgefühlen beschäftigen und erklären, was Trauernden in solchen Situationen helfen kann (zum Beispiel www.angst-panik-hilfe. de/panikanfall-umgang.html). Mit den Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie nimmt das Risiko zu, dass Betroffene in Folge einer Verlusterfahrung eine erhöhte psychische Belastung bis hin zu einer "prolonged grief disorder" (zu Deutsch: anhaltende Trauerstörung) nach ICD-11 (6B42) erleben [8] . Fachkräfte wie Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen, Psychoonkolog*innen, Sozialarbeiter*innen und Seelsorger*innen sollten entsprechend im Kontakt mit Zugehörigen auf Risikofaktoren achten [9] . Trauerspezifische Einrichtungen sollten aus diesem Grunde Adressen von speziell geschulten approbierten Psychotherapeut*innen vorhalten und ggf. weiterverweisen. Nicht nur die Patient*innen und ihre Zugehörigen unterliegen in der Corona-Pandemie besonderen Belastungen, sondern auch die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen, sowohl stationär als auch ambulant. Neben der Belastung durch ihre Arbeit sind sie selbst potenziell betroffen, sorgen sich um die eigene Gesundheit und die ihrer Zugehörigen. Die Mitarbeiter*innen von Isolierbereichen und Intensivstationen haben besonders hohe Belastungen zu tragen [10] , aber gerade für diese gibt es trotz dieser Tatsache keine einheitlichen Empfehlungen, Standards und Qualitätskriterien für die psychosoziale Unterstützung bei Großschadenslagen. Die bestehenden Konzepte des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zur psychosozialen Notfallversorgung von Einsatzkräften sind nicht für diesen Bereich gedacht und entwickelt worden [11] . Die Pandemie als Großschadensereignis ist für Mitarbeiter*innen in den Notfall-, Isolier-und Intensivbereichen potenziell traumatisierend [12] . Die Versorgung von alten, kranken und sterbenden Menschen auf dem Prüfstand Therapie von PatientInnen mit COVID-19 -Empfehlungen aus der Perspektive der Palliativversorgung Erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung -Konsultationsfassung Hrsg) Oxford textbook of palliative medicine, 5. Aufl Psychological burden in family caregivers of patients with advanced cancer at initiation of specialist inpatient palliative care COVID-19 Pandemie -Impulse für Palliativpsycholog*innen. Sektion Psychologie der DGP Bereavement and anxiety ProlongedgriefdisorderfollowingtheCoronavirus (COVID-19) pandemic Anhaltende Trauer. Wenn Verluste auf Dauer zur Belastung werden Factors associated with mental health outcomes among health care workers exposed to Coronavirus disease 2019 Entwicklung von Standards und Empfehlungen für ein Netzwerk zur bundesweiten Strukturierung und Organisation psychosozialer Notfallversorgung. Schriftenreihe Zivilschutzforschung -Neue Folge DGUV Grundsatz 306-001.Traumatrische Ereignisse. Prävention und Rehabilitation Arbeitshilfe zu stepup Qualifizierungen und step-up Personaleinsatz bei erhöhtem Erkrankungsaufkommen im Rahmen der SARS-CoV-2 Herausforderungen und Co-vid19 Erkrankungen Arbeitsbedingungen und Organisationsprofile als Determinanten von Gesundheit, Einsatzfähigkeit sowie von haupt-und ehrenamtlichem Engagement bei Einsatzkräften in Einsatzorganisationen des Bevölkerungsschutzes Managing mental health challenges faced by healthcare workers during covid-19 pandemic Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin (2020) Klinische Psychosoziale Notfallversorgung -Handlungsempfehlungen Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin (2020) Klinische Psychosoziale Notfallversorgung -Handlungsempfehlungen Five essential elements of immediate and mid-term mass trauma intervention: empirical evidence Palliativpsychologie -Berufsbild für Psychologinnen und Psychologen in der Palliativversorgung Konzept Spirituelle Begleitung in der Palliativmedizin der Sektion Seelsorge der DGP Profil Soziale Arbeit in Palliative Care der Sektion Soziale Arbeit der DGP Allgemein Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin mit Informationen zu COVID-19. https://www. dgpalliativmedizin.de/neuigkeiten/empfehlungen-der-dgp.html Deutscher Hospiz-und Palliativverband mit Arbeitshilfe zu COVID-19. https://www.dhpv.de/tl_ files/public/Aktuelles/News/20200316_Arbeitshilfe_Corona_EF.pdf DIVI zur psychosozialen Notfallversorgung bei COVID-19. https://www.divi.de/empfehlungen/ publikationen/covid-19/1527-divi-empfehlung-step-up-qualifizierung-pflege-covid19-2/file DIVI und sechs weitere Fachgesellschaften: Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall-und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie: Klinisch ethische Empfehlungen. https://www.divi.de/empfehlungen/publikationen/covid-19/1540-covid-19ethik-empfehlung-v2/file Empfehlungen des Deutschen Ethikrats zu COVID-19. https://www.ethikrat.org/fileadmin/ Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/ad-hoc-empfehlung-corona-krise.pdf Erweiterte S3-Leitlinie "Palliativmedizin" 2019. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/ fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Palliativmedizin/Version_2/LL_Palliativmedizin_2. 0_Langversion.pdf S2k-Leitlinie "Diagnostik und Behandlung von akuten Folgen psychischer Traumatisierung". https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-027l_S2k_Diagnostik_Behandlung_akute_ Folgen_psychischer_Traumatisierung_2019-10.pdf S3-Leitlinine "Psychoonkologie": https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_ upload/Downloads/Leitlinien/Psychoonkologieleitlinie_1.1/LL_PSO_Langversion_1.1.pdf AWMF-Leitlinie "Diagnostik und Behandlung von akuten Folgen psychischer Traumatisierung". https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051-027.html Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19. https://link. springer.com/article/10.1007%2Fs00063-020-00674-3 Zur Versorgung und Betreuung von alten, kranken und sterbenden Menschen aus systemischer Sicht mit und ohne COVID-19: https://www.dgsf.org/ueber-uns/gruppen/fachgruppen/pflegen/ mit-und-ohne-corona-die-versorgung-und-betreuung-von-alten-kranken-und-sterbendenmenschen-auf-dem-pruefstand Von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin (DIVI) wird der kurzfristige Aufbau einer klinischen psychosozialen Notfallversorgung im Rahmen der Corona-Pandemie empfohlen und die Integration dieser Versorgung in die Krisenpläne der Pandemie (https://tinyurl. com/tpsjdcw).Sowohl für die Versorgung der Patient*innen mit COVID-19, die nicht intensivmedizinisch versorgt und beatmet werden, wie auch für Palliativpatient*innen ohne COVID-19 und kritisch kranke Patient*innen auf Intensivstationen bedarf es der Einbeziehung von Expert*innen für die psychologische, soziale und spirituelle Versorgung dieser besonders vulnerablen Personengruppen und ihrer Zugehörigen.In der Hospiz-und Palliativversorgung qualifizierte Fachkräfte verfügen über Wissen und Kompetenzen im Umgang mit existenziellen Situationen wie Sterben, Tod und Trauer [19] [20] [21] . Vor allem bei komplexer und intensiv ausgeprägter Problematik (aber nicht nur dort) ist je nach Schwerpunkt des Unterstützungsbedarfs das Hinzuziehen von Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen, Psychoonkolog*innen, Psychotherapeut*innen, Seelsorger*innen, Hospizkoordinator*innen und Trauerberater*innen/-begleiter*innen angezeigt.Sie verfügen über Möglichkeiten und Techniken, 4