key: cord-0828780-yswnnxra authors: Gutmann, Thomas title: Das Recht der Triage – Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 16.12.2021 – 1 BvR 1541/20 date: 2022-03-14 journal: Medizinrecht DOI: 10.1007/s00350-022-6140-y sha: 6490d3fad9787d11a57c5e1e0a85f1f51179400e doc_id: 828780 cord_uid: yswnnxra nan eine Benachteiligung wegen der Behinderung bezogenen Gleichstellungs-, Inklusions-und Teilhaberecht der Länder hier keinen wirksamen Schutz. Das gilt auch für das Sozialrecht mit dem Querschnittsgebot zur Teilhabe behinderter Menschen in § 33 c S. 1 SGB I, der allgemeinen Norm in § 10 SGB I oder der Regelung des § 2 a SGB V, oder auch für das Beihilferecht. Sie alle bieten keinen Schutz vor dem Risiko einer Benachteiligung in der Triage-Situation. Auch im Landeskrankenhausrecht finden sich zwar teilweise Regelungen zugunsten der besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen, aber keine Vorgaben, die den hier gefragten Schutz hinreichend wirksam gewährleisteten. Die derzeit geltenden Regelungen erschöpfen sich entweder in einer Wiederholung des Benachteiligungsverbots aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG oder beschränken sich darauf, dass besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen sei, was zur Erfüllung der aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG resultierenden staatlichen Handlungspflicht nicht genügt. [125] Desgleichen gewährleistet das aktuelle ärztliche Berufsrecht den Schutz vor Benachteiligung nicht hinreichend wirksam. Insofern genügt es nicht, auf das sogenannte Genfer Gelöbnis zu verweisen, wonach eine Behinderung nicht zwischen die ärztlichen Pflichten und ihre Patienten treten darf. Das gilt auch, wenn es von den Ärztekammern in ihre Satzung aufgenommen worden ist. Es bleibt ganz allgemein. Für einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungsrisiken bei Entscheidungen über Leben und Tod reicht es auch nicht, dass die Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer den Erwerb von behandlungsbezogenen Kenntnissen zu den "Besonderheiten bei der Betreuung von Menschen mit Behinderung" einbezieht. [126] 3. Dem Gesetzgeber steht bei der Entscheidung, wie die konkrete Pflicht aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG im Einzelnen erfüllt werden soll, Menschen vor einer Benachteiligung wegen der Behinderung bei einer Entscheidung über die Zuteilung knapper intensivmedizinischer Ressourcen wirksam zu schützen, ein Einschätzungs-, Wertungs-und Gestaltungsspielraum zu. Das Risiko behinderter Menschen, bei der Zuteilung pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Ressourcen benachteiligt zu werden, ergibt sich nach den Feststellungen des Senats aus einer Gesamtschau verschiedener, teils ineinandergreifender Umstände (dazu o. Rdnrn. 110 ff.). Dem Gesetzgeber stehen daher mehrere Möglichkeiten offen, diesem Risiko wirkungsvoll zu begegnen. Dass allein durch eine bestimmte Maßnahme dem Schutzgebot Genüge getan werden könnte, ist auf der Grundlage der im Verfassungsbeschwerdeverfahren gewonnenen Erkenntnisse nicht ersichtlich. [127] Geleitet und begrenzt wird der Einschätzungs-, Wertungs-und Gestaltungsspielraum durch die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs und die zu beachtenden Grundrechte aller Betroffenen. Dabei hat der Gesetzgeber auch zu berücksichtigen, dass die für die Behandlung zur Verfügung stehenden begrenzten personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitswesens nicht zusätzlich in einer Weise belastet werden, dass das letztendlich angestrebte Ziel, Leben und Gesundheit von Patientinnen und Patienten mit Behinderungen wirkungsvoll zu schützen, in sein Gegenteil verkehrt würde. Gleiches gilt im Hinblick auf die durch den Gesetzgeber zu beachtenden Schutzpflichten für das Leben und die Gesundheit der anderen Patientinnen und Patienten. Hierbei hat der Gesetzgeber die Sachgesetzlichkeiten der klinischen Praxis, etwa die aus medizinischen Gründen gebotene Geschwindigkeit von Entscheidungsprozessen, ebenso zu achten wie die Letztverantwortung des ärztlichen Personals für die Beurteilung medizinischer Sachverhalte im konkreten Einzelfall, die in deren besonderer Fachkompetenz und klinischer Erfahrung begründet liegt. [ Frage, ob, und wenn ja, nach welchen Kriterien Covid-19-Patient/innen in der Intensivmedizin hinsichtlich des Zugangs zu lebensrettenden Beatmungsplätzen bevorzugt oder benachteiligt werden dürfen, eine rechtliche ist. Es ist das Recht, das hier den Rahmen zulässigen, weil rechtmäßigen Handelns setzt und die normativen Prinzipien vorgibt, und nicht ein vorrechtlicher ethischer Diskurs oder die Einstellungen oder institutionellen Interessen der handelnden Ärztinnen und Ärzte. Es gibt keine rechtsfreien Räume, wenn es um Entscheidungen über Leben oder Tod geht. Der Beschluss wurde notwendig, weil es sich bei den "Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin (DIVI) zur intensivmedizinischen Behandlung von Covid-19-Patienten" 1 um den paradigmatischen Fall einer kompetenzüberschreitenden "Ethikberatung" handelt, die auf der Annahme beruht, dass Ärzt/innen und "Ethiker/innen" den Umgang mit dem Lebensgrundrecht von Patient/innen am Recht vorbei regeln können 2 . Die Feststellung des Senats, der Umstand, dass "aufgrund der Achtung vor der Unantastbarkeit der Menschenwürde Leben nicht gegen Leben abgewogen werden darf, [stehe] einer Regelung von Kriterien, nach denen zu entscheiden ist, wie knappe Ressourcen zur Lebensrettung verteilt werden, nicht von vornherein entgegen" (Rdnr. 128), richtet sich gegen den Deutschen Ethikrat. Dieser hatte in seiner "Ad-hoc-Empfehlung: Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise" v. 27. 3. 2020 zunächst den "Grundsatz der Lebenswertindifferenz" hervorgehoben und festgehalten, dass von Verfassungs wegen jedes menschliche Leben den gleichen Schutz genieße und deshalb jede unmittelbare oder mittelbare staatliche Unterscheidung nach Wert oder Dauer des Lebens und jede damit verbundene staatliche Vorgabe zur ungleichen Zuteilung von Überlebenschancen in akuten Krisensituationen, z. B. anhand des Alters oder einer prognostizierten Lebensdauer der Patienten, unzulässig sei. Aus dieser richtigen Prämisse zog der Ethikrat allerdings den grotesk anmutenden Schluss, der Gesetzgeber, der selbst nichts Wesentliches regeln und deshalb keine "[p]ositive Orientierung für die konkrete Auswahlentscheidung" geben könne, solle stattdessen die "Entscheidungen" der medizinischen Fachgesellschaften "akzeptieren", deren "Orientierungshilfen […] inhaltlich über das hinausgehen, was staatlicherseits zulässig wäre" 3 a) Bei näherer Hinsicht wird indes klar, dass mit dem Tenor, der Argumentationsstruktur und dem grundrechtsdogmatischen Fundament (Rdnrn. 88 ff., 130) des Beschlusses nur eine sehr restriktive Interpretation des Kriteriums der "klinischen Erfolgsaussicht" vereinbar ist. aa) Ihr Ausgangspunkt ist, dass es weithin Konsens finden wird, dass Patienten, bei denen keine oder keine realistische Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ihr Leben durch eine Intensivbehandlung gerettet werden könnte, nicht (bzw. nur nichtintensiv oder nur noch palliativ) versorgt werden müssen 8 . Der Senat rekurriert insoweit auf die (von den "Empfehlungen" selbst allerdings nicht gedeckte) Verfahrensstellungnahme der DIVI, ein Ausschlussgrund für eine Behandlung bestehe nur, "wenn Behandlungsbedürftige nach individueller Prognose die Behandlung auf der Intensivstation trotz aller Bemühungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht überleben würden" (Rdnr. 37). Die Aussichtslosigkeit ( futility) eines Therapieeinsatzes ist selbstverständlich ein zulässiges (negatives) Allokationskriterium für knappe lebensrettende Ressourcen; zu diskutieren wäre allerdings, wie niedrig der objektive Wahrscheinlichkeitsgrad der Rettungschance bei Fragen von Leben und Tod sein muss, damit davon gesprochen werden kann, dass der konkrete Patient keine "Aussicht" habe, "die akute Erkrankung zu überleben". bb) Eine weitere, hiervon unabhängige Restriktion für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des "Kriteriums der klinischen Erfolgsaussicht im Sinne des Überlebens der aktuellen Erkrankung" besteht sodann darin, dass der Senat im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG darauf abstellt, dass "die Überlebenswahrscheinlichkeit […] eindeutig nur auf die aktuelle Krankheit bezogen" werden dürfe (Rdnr. 118), wobei er die "aktuelle Krankheit" von den "Grunderkrankungen" und "Komorbiditäten" unterscheidet, die gerade mit der jeweiligen Behinderung und den aus ihr resultierenden Beeinträchtigungen des Patienten assoziiert sind. Der Senat hält deshalb fest, dass die von den DIVI-Empfehlungen vorgesehene Heranziehung von Grunderkrankungen und Komorbiditäten als Indikatoren für eine schlechtere kurzfristige Erfolgsaussicht der intensivmedizinischen Behandlung das entscheidende "Einfallstor für eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen" darstelle (Rdnr. 118). In dieser Perspektive kann das Kriterium der "klinischen Erfolgsaussicht im Sinne des Überlebens der aktuellen Erkrankung" als Ausschlussgrund für eine lebensrettende Behandlung verfassungsrechtlich mithin nur dann "unbedenklich" sein, wenn allein die nenden Umgang mit Funktionsweise und Prämissen der DIVI-Empfehlungen. aa) Der Beschluss analysiert nicht in der nötigen Klarheit, dass eine den Empfehlungen der DIVI auch nur im Ansatz folgende medizinische Triage-Praxis mit den Vorgaben, die der Senat für die geforderte Effektivität des Schutzes nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG macht, systematisch unvereinbar ist. Jenseits der genannten Minimalnutzenschwelle (keine Aussichtslosigkeit der Behandlung) muss jede Form des Abstellens auf die aggregierte "Erfolgsaussicht" des Einsatzes knapper medizinischer Ressourcen mit Notwendigkeit vulnerable Patientengruppen diskriminieren -Menschen, die zu behindert, zu komorbid, zu alt oder oder zu "fragil" sind, um als "Gefäße" für den gesuchten Erfolg dienen zu können. Ansätze, die auf die Erfolgsaussicht der Behandlung zielen, unterscheiden sich nur in der Radikalität, in der sie diese Diskriminierung einfordern. Dies gilt auch für das Kriterium der "klinischen Erfolgsaussicht" im Sinne der DIVI-Richtlinien. Auch diese zielen hinsichtlich der Erfolgsaussicht der Intensivtherapie von vorneherein nicht auf einen Grenzwert absolut fehlender Rettungschance (futility), sondern skalieren die Erfolgsaussichten der Intensivtherapie, priorisieren den einzelnen Patienten "im Vergleich zur Erfolgsaussicht der Intensivtherapie für andere Patienten" 10 und wollen die zwar hinreichend, aber eben relativ weniger aussichtsreichen Kandidaten sterben lassen 11 . Patienten mit vitalem Behandlungsbedarf trotz einer realistischen Rettungschance aufgrund einer nur relativ geringeren kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit vom Zugang zur Intensivmedizin auszuschließen, verletzt jedoch deren Recht auf chancengleiche Teilhabe an den Gesundheitsressourcen. Hierzu wendet die DIVI zudem systematisch alle Komorbiditäten -also gerade auch jene Formen chronischer Krankheit und spezifischer gesundheitlicher Beeinträchtigungen, wegen denen die Patienten dem Schutz von Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG unterfallen -, die in ihrer Schwere oder Kombination die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einer Intensivtherapie erheblich -aber eben nur relativ -verringern, gegen den Patienten. Sodann soll anhand der sog. Clinical Frailty Scale 12 der allgemeine (prämorbide) Gesundheitsstatus des Patienten -seine Gebrechlichkeit -in die Entscheidung einbezogen werden. Dieses Kriterium stellt in erster Linie darauf ab, wie weit ein Patient in seinem Lebensalltag auf Unterstützung angewiesen 13 ist, wieweit mithin seine Fähigkeit zur individuellen und selbstständigen Lebensführung längerfristig beeinträchtigt ist. Letzteres ist indes die Definition einer Behinderung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG (s. Rdnr. 90 m. w. N.). In diese "Gebrechlichkeitsmessung" gehen unterschiedliche Parameter zugeschriebener mangelnder Lebensqualität ("klinische Defizite", Krankheiten, Behinderung, kognitive Beeinträchtigungen und Demenz, fehlende Fitness) ein. Die Berücksichtigung des Kriteriums der Gebrechlichkeit birgt deshalb nicht, wie der Senat meint, nur das "Risiko einer Benachteiligung, weil aus dem Umstand, dass viele behinderte Menschen im Alltag auf Assistenz angewiesen sind, vorschnell auf Gebrechlichkeit geschlossen werden kann" (Rdnr. 118). Der Rekurs auf das mit "Gebrechlichkeit" definitorisch gemeinte Kriterium der Abhängigkeit von der Hilfe Dritter zielt vielmehr unmittelbar und systematisch darauf, Menschen mit Behinderungen gerade wegen ihrer behinderungsspezifischen Angewiesenheit auf Hilfe von lebensrettenden Behandlungen auszuschließen 14 . Deshalb könnte ein Triage-Gesetz, das auch nur den Denkansatz der DIVI-Richtlinien übernehmen oder diesen durch den Erlass bloßer Verfahrensregeln (vgl. Rdnr. 128) bemänteln würde, den grundrechtlichen Vorgaben des Beschlusses, namentlich seines Tenors, nicht genügen. bb) Darüber hinaus spricht der Beschluss an mehreren Stellen in selbstwidersprüchlicher Weise davon, dass eine Zurücksetzung von behinderten Menschen wegen der Gebrechlichkeit und der Komorbidität, die mit ihrer Behinderung verbunden sind, verfassungsrechtlich nur zum Problem werde, wenn sie "pauschal", "stereotyp" oder "vorschnell" (allesamt Rdnr. 118) erfolge, als läge eine Benachteiligung wegen einer Behinderung dann nicht vor, wenn einem Menschen wegen einer Behinderung konkret, nach individueller Analyse seiner Gesundheits-und Beeinträchtigungsparameter und mit Vorbedacht Lebenschancen vorenthalten werden, und als bezöge sich der Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG nur auf das Kollektiv behinderter Menschen und nicht primär auf den einzelnen Grundrechtsträger 15 . Nähme man diese verunglückten Ausführungen ernst, bliebe nur ein symbolischer, praktisch aber wert-und wirkungsloser Schutz behinderter Menschen übrig; eine solche Farce bezweckte der Senat, der "jede Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Verteilung pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen hinreichend wirksam verhindert" wissen will (Rdnr. 130), jedoch offensichtlich nicht. I. Nachdem die ersten Befürchtungen aufgekommen waren, auch in Deutschland könne in der weiteren Entwicklung der Pandemie eine Knappheit der intensivmedizinischen Behandlungsressourcen auftreten und daher eine Triage im Sinne der Entscheidung, welcher von mehreren Patienten eine potentiell überlebensnotwendige Behandlung erhält, erforderlich werden, wurde aus juristischer Perspektive zunächst deutlich, dass für diese Situation keine spezielle rechtliche Regelung vorhanden ist. Man musste daher auf das allgemeine Strafrecht zurückgreifen, was dazu führte, dass die Diskussion zunächst sehr stark von strafrechtlichen Kategorien und Problemen -etwa der Einordnung der sog. Ex post-Triage -bestimmt war 1 . Angesichts des Fehlens spezifischer Regelungen und der damit verbundenen Orientierungsunsicherheit entwickelten die medizinischen Fachgesellschaften eine Leitlinie zum Umgang mit der Knappheitssituation 2 . Diese Leitlinie, die nicht mehr als Empfehlungscharakter haben konnte und sich selbst auch als "klinisch-ethische Empfehlung" bezeichnete, stellte vorrangig auf die klinische Erfolgsaussicht als Verteilungskriterium ab. Eine weitergehende Effizienzorientierung des Verteilungsmodus -etwa orientiert an Lebensalter, Lebensqualität, sozialem Wert o. ä. -wurde ausdrücklich abgelehnt. Dabei ist aber nicht zu übersehen, dass auch bereits das Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht zu einer differenzierten Zuteilung der Ressourcen führt, die an den Gesundheitszustand der Patienten und die davon abhängigen Chancen der intensivmedizinischen Behandlung anknüpft. Im Ergebnis kann sich daraus eine Schlechterstellung von Menschen mit einschlägigen Vorerkrankungen oder Behinderungen ergeben. Die Leitlinie sah dementsprechend auch vor, dass nicht nur der klinische Zustand des Patienten sowie die einschlägigen Laborparameter und Scores erhoben werden, sondern auch die Komorbiditäten und der Allgemeinzustand inkl. Gebrechlichkeiten 3 . Dieser Rechtszustand weckte aus zwei Gründen Bedenken, und damit kommen wir zum Verfassungsrecht. Zum einen wurde beklagt, dass in einer derartig (grundrechts-)wesentlichen Frage der Gesetzgeber nicht schweigen dürfe, sondern die Grundsätze, nach denen die Ärzte im Triage-Fall vorgehen sollen, selbst festlegen müsse 4 . Zum anderen befürchteten Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen, dass sie durch das Triagekriterium der Erfolgsaussicht benachteiligt werden könnten 5 . Sie verlangten daher vom Gesetzgeber, dass er die Auswahlkriterien selbst und in einer Art und Weise regele, die eine Behindertendiskriminierung ausschließe. Beide Aspekte werfen ersichtlich sehr grundsätzliche normative Fragen auf. Die Regelungsverpflichtung des Gesetzgebers kollidiert mit einer gewissen Unwilligkeit, vielleicht sogar Überforderung des politischen Systems, sich in ethisch heiklen und komplexen Verteilungsfragen eindeutig zu positionieren; das ist aus der Organtransplantation, aber zuletzt auch aus der Impfpriorisierung bekannt 6 . Der Ethik rat hatte insoweit sogar grundsätzliche Vorbehalte angemeldet: Muss Prof. Dr. iur. Stefan Huster, Institut fur Sozial-und Gesundheitsrecht der Ruhr-Universitat Bochum, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum, Deutschland DIVI Vorrangig werden demgegenüber diejenigen Patienten intensivmedizinisch behandelt, die durch diese Maßnahmen eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben". S. dazu, dass ein solches Abstellen auf die klinische Erfolgsaussicht mit dem Ziel, "die größtmögliche Anzahl von Leben zu retten Clinical Frailty Scale Living with severe frailty: completely dependent for personal care, for whatever cause […] 8 Living with very severe frailty: completely dependent for personal care and approaching end of life Die Schweizer Richtlinien, die im diskriminierenden Einsatz der "Gebrechlichkeitsskala" (kombiniert mit dem Lebensalter der Patienten) aggressiver vorgehen (s. Fateh-Moghadam/Gutmann Eine Sammlung der Fragen und Beiträge findet sich jetzt bei Hilgendorf/Hoven/Rostalski (Hrsg.), Triage in der (Strafrechts-)Wissenschaft Zu den medizinethischen Hintergrundannahmen der Empfehlung vgl. Marckmann/Neitzke/ Schildmann, DIVI (Mitgliederzeitschrift der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin) Kriterien für Priorisierungs-Entscheidungen" der in Fn. 2 genannten Leitlinie Gärditz, Zf L 2020, 381, 384 ff.; Gelinsky, Brauchen wir ein Triage-Gesetz? In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird daher nicht selten allein ein Zufallsverfahren für verfassungsmäßig gehalten; vgl. etwa Engländer Bedarf es für die Festlegung der Impfreihenfolge einer gesetzlichen Grundlage? Triage in der Pandemie, 2021, S. 2918, 296 ff. m. w. N. S. auch Deutscher Ethikrat Gutmann/Fateh-Moghadam Bonner Kommentar zum GG