key: cord-0825514-15pzmaok authors: nan title: Zur Frage, ob durchgangsärztliche Fehler im hoheitlichen Bereich nach Übernahme der Behandlung fortwirken (I.) : GG Art. 34; BGB §630a; SGB VII §34 date: 2021-02-04 journal: Medizinrecht DOI: 10.1007/s00350-021-5796-z sha: 1ed4f2f62bb5443f0cc4548e1d001076ffc1153f doc_id: 825514 cord_uid: 15pzmaok 1. Bei der vom Durchgangsarzt zu treffenden Entscheidung, ob die allgemeine oder die besondere Heilbehandlung erforderlich ist, handelt es sich um eine der Berufsgenossenschaft obliegende öffentlich-rechtliche Aufgabe; für Fehler des Durchgangsarztes in diesem Bereich haftet dieser nicht persönlich. 2. Bleibt eine Beschwerdeverbesserung aus, kann ein Behandler verpflichtet sein, ein (initial falsch) vorbewertetes Röntgenbild erneut in Augenschein zu nehmen und zu bewerten, weil ein gedacht in der Zwischenzeit die Behandlung übernehmender, dritter Arzt hierzu ebenso verpflichtet wäre. 3. Jedenfalls muss sich der die Behandlung persönlich übernehmende Durchgangsarzt die in den hoheitlichen Bereich fallenden Diagnosefehler zurechnen lassen, wenn er bei ausbleibender Beschwerdebesserung keine Neubewertung des Röntgenbildes vornimmt. (Leitsätze des Bearbeiters) Schließlich nimmt das OLG München noch besonderen Bezug auf die streitgegenständliche Werbung Krankschreibungen im Wege der Online-Videokonsultation. Dazu führt das OLG München unter Verweis auf § 25 S. 1 MBO-Ä aus, dass nach allgemeinen fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen -gerade bei Patienten, die dem Arzt persönlich unbekannt sind -i. S. d. § 9 S. 2 HWG grundsätzlich erforderlich ist, so dass die Werbung für generelle Krankschreibungen per Videokonsultation nicht auf § 9 S. 2 HWG gestützt werden könne. Dies überzeugt nicht. Es ist -anders als das OLG München ausführt -insbesondere nicht richtig, dass nach allgemeinen fachlichen Standards -vor Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung -ein persönlicher phy-sischer Arzt-Patienten-Kontakt grundsätzlich erforderlich ist. Dies gilt auch dann nicht, wenn der jeweilige Patient dem Arzt unbekannt ist. Im juristischen Schrifttum wurde schon ausführlich analysiert und dargestellt, dass im Rahmen der § § 7 Abs. 4, 25 S. 1 MBO-Ä Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch im Wege von ausschließlicher Fernbehandlung ausgestellt werden können und dürfen 17 . Dabei wurde zuletzt auch im Besonderen darauf hingewiesen, dass infolge der Änderungsvereinbarungen zu § 31 BMV-Ä -COVID 19 v. 9. 3. 2020 und 23. 3. 2020 und der weiteren Zusatzvereinbarung v. 11. 3. 2020 die apodiktische Behauptung, die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verstoße in jedem Fall gegen die ärztliche Sorgfalt, vom Tisch sein dürfte 18 3. Selbst wenn man -entgegen dem vom Sachverständigen festgestellten medizinischen Standard bei der Überprüfung der eigenen Diagnose -davon ausgeht, dass der Bekl. zu 2) ab dem 14. 4. 2014 das Röntgenbild nicht erneut anschauen und befunden musste, würde dies seine Haftung nicht entfallen lassen, weil sich der Bekl. zu 2) dann immer noch den fundamentalen Diagnosefehler zurechnen lassen müsste, den er am 9. 4. 2014 im Rahmen seiner Tätigkeit als Durchgangsarzt begangen hat. Zwar fasst der BGH in den oben genannten Entscheidungen v. 29.11. und 20. 12. 2016 das Behandlungsgeschehen bei der Tätigkeit als Durchgangsarzt der gesetzlichen Unfallversicherung haftungsrechtlich zusammen, sei es die Entscheidung über die allgemeine oder die besondere Heilbehandlung, sei es die Befunderhebung bzw. die Diagnoseentscheidung in Vorbereitung dieser Entscheidung, sei es die Erstversorgung oder seien es Maßnahmen im Rahmen einer Nachschau und ordnet sie dem Aufgabenbereich der Berufsgenossenschaft zu. Haftungsrechtlich endete die Verantwortlichkeit der Streithelferin allerdings in dem Augenblick, als die öffentlich-rechtliche Tätigkeit des Bekl. zu 2) als Durchgangsarzt abgeschlossen war (also am 11. 4. 2014). Haftungsrechtlich begann mit der Übernahme der Behandlung durch den Bekl. zu 2) am 14. 4. 2014 ein neuer Abschnitt. Ab diesem Zeitpunkt schuldete der Bekl. zu 2) originär dem Kl. gegenüber die Gewährleistung des vollen Facharztstandards. Diese Behandlung hätte von jedem anderen Facharzt ebenso durchgeführt werden können. Von diesem gedacht fremden Arzt hätte man ohne Zweifel eine eigene Befunderhebung oder aber zumindest eine eigenständige Befundung des vorhandenen Röntgenbildes erwarten müssen. Nichts anderes kann in der ambulanten Phase für den Bekl. zu 2) gelten. Selbst wenn es in der Praxis nahezu üblich (aber nicht Standard -so der Sachverständige) sein sollte, dass der Arzt bei Folgeterminen ein Röntgenbild nicht erneut befundet, sondern auf seinen eigenen Vorbefund 13) Eichelberger BÄK, Hinweise und Erläuterungen zu § 7 Abs. 4 MBO-Ä -Behandlung im persönlichen Kontakt und Fernbehandlung vertraut, entlastet ihn dies im Behandlungsvertragsverhältnis nicht von seiner Haftung für einen vorausgegangenen, also bereits begangenen fundamentalen Diagnosefehler. Nichts anderes kann für den die Weiterbehandlung übernehmenden Bekl. zu 2) gelten. Unterstellte man für die Haftung ab dem 14. 4 . 2014 einerseits, dass der fundamentale Diagnosefehler v. 9. 4. 2014 in den Bereich der Streithelferin fiele und in diesem Sinne "wegzudenken wäre" und billigte man andererseits dem Bekl. zu 2) zu, gerade mit Rücksicht auf die fehlerhafte Diagnose von einer Diagnoseüberprüfung oder gar weiteren Befunderhebungen ab dem 14