key: cord-0809292-mho9m1c5 authors: Donsimoni, Jean Roch; Glawion, René; Plachter, Bodo; Wälde, Klaus title: Projektion der COVID-19-Epidemie in Deutschland date: 2020-04-22 journal: Wirtschaftsdienst DOI: 10.1007/s10273-020-2631-5 sha: 6f9c7cde0e8b5591c3fa46b4942ea65b97d0d7f8 doc_id: 809292 cord_uid: mho9m1c5 The authors model the evolution of the number of confi rmed cases of COVID-19 in Germany. Their theoretical framework builds on a continuous time Markov chain with four physical states: healthy, sick, recovered or asymptomatic infected, and dead. Their quantitative solution matches the number of sick individuals based on the most recent fi gures with the share of sick individuals following from infection rates and sickness probabilities. They employ this framework to study the expected peak of the number of sick individuals in a scenario without public regulation of social contacts. They also study the impact of public regulations. For all scenarios, they report the expected end of the COVID-19 epidemic. Die durch den Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Pandemie hält Deutschland und die Welt fest im Griff. Deren Bedeutung für die gesamtgesellschaftliche Gesundheit und Wirtschaft und für das allgemeine mentale Wohlempfi nden in Deutschland benötigt keiner Betonung. Die dringendste Frage dieser Zeit scheint zu sein: Wie lange geht das noch? Wir verwenden alles uns zugängliche Wissen aus der Virologie, Epidemiologie und den Methoden der Volkswirtschaftslehre bzw. der Stochastik, um darauf eine Antwort zu geben. Neben dem Aspekt der Dauer stellen sich noch die folgenden Fragen: Wie groß ist die Zahl der erkrankten Personen im Zeitverlauf, die wir zu erwarten haben? Wie hoch wird die Zahl der erkrankten Personen sein, die sich im Zeitverlauf mit dem Coronavirus je infi zieren? Auf der letzten Frage liegt das Hauptaugenmerk der breiten Öffentlichkeit, der Politik und der Krankenhäuser, um die Bereitstellung von Krankenhausbetten planen zu können. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, welche Auswirkungen aktuelle Politikmaßnahmen auf den Verlauf der Epidemie haben. Als Hintergrund zur Beurteilung der Lage in Deutschland betrachten wir zunächst die Verläufe der Epidemie in der Provinz Hubei in China, in Südkorea und Japan. Diese Entwicklungen werden eine zentrale Rolle in der Einschätzung des weiteren COVID-19-Verlaufs in Deutschland spielen. hen, und das scheint uns etwas Hoffnung schöpfen zu lassen, dass die Zahl der Infi zierten in Hubei bereits gegen eine Konstante zu konvergieren scheint. Diese liegt bei etwa 1 von 1.000 Personen. Wenn also die Epidemie in Hubei tatsächlich vorüber ist und die Daten ausreichend hohe Qualität haben, dann ist am Ende der CO-VID-19-Epidemie in Hubei 1 von 1.000 Personen erkrankt (oder, in den meisten Fällen, erkrankt gewesen). Anders ausgedrückt sind 999 von 1.000 Personen entweder die ganze Zeit gesund gewesen, oder auch infi ziert, aber mit einem so milden Verlauf der Symptome, dass sie eben nicht als erkrankt erfasst wurden. Ein ähnlicher Verlauf ist in Südkorea zu erahnen, wo sich die Zahl der gemeldeten Erkrankten ebenfalls gegen eine obere Schranke zu entwickeln scheint. Diese liegt bei etwa 3 von 5.000 erkrankten Personen. Die Datenqualität in Südkorea wird üblicherweise höher eingeschätzt als die aus Hubei. Es wird jedoch häufi g betont, dass Südkorea sich vermutlich nicht am Ende der COVID-19-Epidemie befi ndet. Vielmehr ist es gelungen, die Ausbreitung zu stoppen, was jedoch im Umkehrschluss bedeutet, dass es eine Vielzahl von nicht-immunen Einwohnern Südkoreas gibt. Am Ende einer typischen Epidemie sind etwa 50 % bis 60 % einer Bevölkerung infi ziert bzw. haben Antikörper gebildet, sind also immun. 1 Wenn eine 1 Dies ergibt sich aus dem Ausdruck (R0-1)/R0, wobei R0 die Basisreproduktionszahl ist. Sie gibt an, wie viele Personen durchschnittlich von einer infi zierten Person angesteckt werden. Diese Basisreproduktionszahl liegt für eine typische Grippe bei 2 (Mikolajczyk et al., 2009 ) und wird für CoV-2 in Wuhan auf ca. 2 bis 2,5 geschätzt (Riou und Althaus, 2020) . Epidemie unterdrückt wird, dann ist diese Immunität in der Bevölkerung nicht ausreichend vorhanden. Es könnte also jederzeit zu einem erneuten Ausbruch der Epidemie kommen. In Japan ist dagegen noch kein solcher Verlauf bzw. noch kein Abfl achen der Kurve zu erkennen. Leider ist Japan der typische Fall für alle anderen Länder, für die ausreichend Datenmaterial zur Verfügung steht. Diese Länder befi nden sich alle eher am Anfang oder in der Mitte des Epidemieverlaufs. Unser Modell teilt die Bevölkerung in Deutschland in vier Gruppen auf: (1) gesund ohne Infektion, (2) an COVID-19 erkrankt, (3) gesund nach Genesung oder nach einer (annähernd) symptomfreien Infektion, und (4) Wenn wir diese langfristigen Zusammenhänge ebenfalls in die Berechnung durch unser Modell einfl ießen lassen, dann können wir den Verlauf der Epidemie ziemlich gut vorhersagen. Aber natürlich ist die Vorhersage nur so gut, wie die darin enthaltenen Annahmen, also vor allem die zwei zentralen Parameter "Erkrankungswahrscheinlichkeit" und "langfristige Infektionsrate". Da diese Parameter mit großer Unsicherheit verbunden sind (es gab noch keine COVID-19-Epidemie, in der die Medizin diese Werte ausreichend sicher hätte erheben können), berücksichtigen wir in unserer Projektion auch noch ein zweites Szenario, das "optimistische Hubei-Szenario". In Hubei scheint der langfristige Anteil der gemeldet Erkrankten in der Gesamtbevölkerung bei ca. 1 von 1.000 zu liegen. Um etwas vorsichtiger zu sein und um die Zahlen besser mit den bisherigen Kenngrößen zu vergleichen heben wir diesen Wert auf 6 von 1.000 an. Das mag eine manchmal vermutete unvollständige Datenerhebung korrigieren. Mit dieser Korrektur ist mit 6 von 1.000 der langfristige Wert in Hubei um einen Faktor 10 niedriger als der Wert von 6 von 100, also 6 % für Deutschland, der sich aus den üblichen Parametern wie oben beschrieben ergibt. Wir haben also ein optimistisches Hubei-Szenario und ein normales Szenario. Abbildung 2 zeigt den Verlauf der Epidemie ab 24. Februar bis Ende September 2020. Sie zeigt die Zahl der an CO-VID-19 erkrankten Patienten im Zeitverlauf. Es ist wichtig zu betonen, dass dies nicht den Zahlen entspricht, die vom RKI gemeldet werden. Das RKI meldet die Zahl der je an COVID-19 erkrankten Individuen. In unserem Modell ist es ein Einfaches, diese Zahl um die Genesungen (wir nehmen eine durchschnittliche Genesungsdauer von 14 Tagen an) zu bereinigen. Abbildung 2 zeigt mit der hellblauen Kurve einen Verlauf der Epidemie unter Abwesenheit jeglicher öffentlicher Eingriffe. Die Zahl der Erkrankten steigt sehr schnell an, erreicht ihren Höhepunkte Anfang Mai 2020 und die Epidemie endet im Juli. Der Effekt der Bund-Länder-Beschlüsse vom 13. März 2020 (unter anderem Schulschließungen und Absage aller Sportveranstaltungen) und die daraufhin folgenden Maßnahmen werden durch den Was bleibt zu hoffen? Wir haben vor wenigen Tagen gesehen (Hartl et al., 2020) , dass die Bund-Länder-Maßnahmen vom 13. März 2020 die Zuwachsraten der Zahl der Erkrankten fast halbiert haben. Falls sich dieser positive Trend fortsetzt, könnten sich die Szenarien verbessern. Weiter bleibt zu hoffen, dass die Immuni-sierung in der Bevölkerung schneller voranschreitet als in "normalen" Grippeepidemien. Auch dann könnte die Epidemie schneller zu Ende gehen. Oder weitere, noch strengere staatliche Gesundheitsmaßnahmen führen zu einem noch stärkeren Rückgang der Zuwachsraten. Die ökonomischen Kosten weiterer Eingriffe ins öffentliche Leben wären jedoch beachtlich und bereits aktuelle Schätzungen (Dorn et al., 2020) sind erschreckend. Es wäre eine Überlegung wert, Kontaktsperren auf die Bevölkerungsgruppen zu beschränken, die am ehesten einen starken Verlauf einer COVID-19-Erkrankung zu befürchten haben. Dies müsste von deutschlandweiten Unterstützungen (unter anderem Einkaufsservice und persönliche kontaktfreie Begegnungen) für diese Gruppen begleitet werden. Projecting the Spread of COVID19 for Germany Die volkswirtschaftlichen Kosten des Corona-Shutdown für Deutschland: Eine Szenarienrechnung, ifo Schnelldienst Bundesliga, Schulen, Kinos -Wann wissen wir, ob die Maßnahmen gegen Corona etwas gebracht haben? Infl uenza -Einsichten aus mathematischer Modellierung Pattern of early human-to-human transmission of Wuhan COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit