key: cord-0808456-fnndqo7h authors: Mayr, N. P.; Sernetz, S.; Heitzer, F.; Joner, M.; Tassani-Prell, P. title: Arbeitsschutz bei der Versorgung von COVID-19-Patienten: Relevante Gesetze und Regelungen für das versorgende Personal date: 2020-08-11 journal: Anaesthesist DOI: 10.1007/s00101-020-00828-0 sha: 7e3c9a9a5fc8aaafc0a67269f8da07e9ac762824 doc_id: 808456 cord_uid: fnndqo7h The intensive medical care of COVID-19 patients presents the deployed personnel with as yet unknown challenges. For example, protective equipment is now being extensively used, which was otherwise only used in selected situations. Working in such an environment is to be evaluated differently under the aspect of occupational safety than other patient care, especially as more than 1900 suspected cases of a SARS-CoV-19 occupational disease were reported among healthcare workers in Germany. Even in a pandemic, the legal requirements remain valid and personal protective equipment (PPE) has to comply with given standards. The use of FFP3 masks is required in aerosol-forming situations, such as endotracheal intubation or bronchoscopy. In contrast to surgical face masks, there is a maximum wearing time for FFPs masks. Furthermore, in a pandemic there is a basic danger of PPE shortage and recycling of face masks is under discussion. Therefore, usage of non-EU certified PPE may come into effect but this has to follow the requirements defined by European regulations. The aim of this article is to provide an overview of the currently relevant rules and regulations in Germany. Hintergrund Die aktuelle COVID-19-Pandemie stellt weltweit anästhesiologisches, notfallmedizinisches und intensivmedizinisches Personal vor unbekannte Herausforderungen. Neben der Vorhaltung und dem Aufbau von Intensivkapazitäten und Beatmungsgeräten ist der persönliche Schutz des Personals ein elementarer Bestandteil. In anderen Ländern (hier vornehmlich den USA und Großbritannien) ist ein Mangel an PSA-Ausstattung (PSA: persönliche Schutzausrüstung) offensichtlich. So findet man beispielsweise bei Twitter unter #ppnow zahlreiche Beispiele improvisierter Schutzausrüstung, wie Mülltüten oder Plastiktüten als Gesichtsschutz [31] . Die Wichtigkeit der PSA und der suffizienten Schutzausrüstung zeigt sich bei der endotrachealen Intubation besonders, wie zuletzt mittels eines simulierten Hustenstoßes gezeigt werden konnte [14] . Bis Ende April 2020 wurden über 1900 Verdachtsanzeigen bezüglich einer Berufskrankheit nach der Diagnosestellung einer SARS-CoV-2-Infektion bei Beschäftigten im Gesundheitswesen gestellt [28] . Ziel dieser Übersicht soll sein, die aktuelle Gesetzeslage bezüglich des Arbeitnehmerschutzes durch PSA darzustellen. Trotz einer landesweiten medizinischen Krisensituation sind die relevanten Gesetze und Verordnungen weiterhin als gültig anzusehen. Als Arbeitsschutz werden alle Maßnahmen und Mittel verstanden, die den Beschäftigten vor arbeitsbedingten Sicherheits-und Gesundheitsgefährdungen bewahren sollen. Dazu gehören neben der Vermeidung von Arbeitsunfällen auch der Schutz vor akuten und chronischen Gesundheitsschäden. Die technischen und organisatorischen Maßnahmen durch eine adäquate PSA spielen hier eine grundlegende Rolle. In Deutschland wird der Arbeitsschutz dual überwacht, zum einen durch die staatlichen Aufsichtsbehörden (Bundesländer, Regierungspräsidien, zuständige Landkreise) und zum anderen durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Für nichtstaatliche Gesundheitseinrichtungen ist hierbei die gewerbliche Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) zuständig, für staatliche Gesundheitseinrichtungen die zuständige Unfallkasse der Länder. Die wichtigste gesetzliche Grundlage des Arbeitsschutzes bildet das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Darin wird der Arbeitgeber verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen einzuhalten und diese bei sich ändernden Gegebenheiten anzupassen ( § 3 ArbSchG) [10] . Im Fall von COVID-19 ist neben dem Beschluss 609 ("Arbeitsschutz beim Auftreten einer nicht ausreichend impfpräventablen humanen Influenza") [4] die staatliche Arbeitsschutzvorschrift "Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen (BioStoffV)" [11] und ihre konkretisierende "Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe 250 (TRBA 250)" [2] [26] . FFP-Masken gelten entsprechend dem DGUV-Grundsatz G26 [20] (DGUV: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) bzw. der Arbeitsmedizinischen Regel 14.2 als "Atemschutzgerät der Gruppe 1 (bis 3 kg Gewicht und Atemwegswiderstand bis 5 mbar)" [1] . Die Benutzung von Atemschutzgeräten bedeutet i. Allg. eine zusätzliche Belastung für den Träger. In Abhängigkeit von der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung ist bei den Mitarbeitern eine entsprechende arbeitsmedizinische Vorsorge zu veranlassen bzw. anzubieten [20] . Es gilt derzeit die maximale Tragedauer bei Masken ohne Ausatemventil bei 75 min, während diese bei Masken mit Ausatemventil bei 120 min liegt (. Abb. 1). Nach diesem Zeitraum ist bei beiden Maskentypen eine Erholungsdauer von 30 min vorgesehen. Die Einsätze pro Arbeitsschicht sind mit 5 (ohne Ausatemventil) und 3 (mit Ausatemventil) festgelegt. Die Arbeitsschichten pro Woche liegen bei 4 (ohne Ausatemventil) und 5 (mit Ausatemventil) (DGUV-Regel 112-190, Anhang 2, 5.1.3 & 5.1.4) [24] . Der Beschäftigte muss in den richtigen Gebrauch der PSA unterwiesen und ggf. geschult werden. Hierauf ist besonders zu achten, um in Bereichen erhöhter Infektionsgefährdung durch fehlerhafte Anwendung Kontaminationen und gesundheitliche Folgeschäden zu verhindern. Das Robert Koch-Institut hat beispielhafte Vorlagen für das korrekte Anund Ablegen der PSA auf seiner Website veröffentlicht [29] . Die FFP-Masken müssen gemäß (EU) 2016/425 mit einer "CE"-Kennzeichnung versehen sein [26] . Bedingt durch die derzeitigen Umstände empfiehlt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA), ausländische Masken mit dem US-amerikanischen Mindeststandard NIOSH N95 (entspricht etwa FFP2) zu verwenden, sofern KEINE "CE-Masken" zur Verfügung stehen. Alternative Kennzeichnungen sind in der . Tab. 1 dargestellt [9] . Diese von der BAUA herausgegebene Übersicht hat nur einen unverbindlichen Informationscharakter und entspricht nicht dem Rechtscharakter einer Verordnung [8, 25] . Die Empfehlungen bezüglich eines ressourcenschonenden Einsatzes von Schutzausrüstung des Ad-hoc-Arbeitskreises "COVID-19" des Ausschusses für biologische Arbeitsstoffe beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales beziehen sich primär auf organisatorische Maßnahmen. Grundsätzlich werden partikelfiltrierende Halbmasken in 2 Gruppen eingeteilt: "NR" ("nonreusable") und "R" ("reusable"). "NR" bedeutet hierbei, dass der Mehrfachgebrauch "auf die Dauer einer Arbeitsschicht begrenzt ist", während bei "R"-klassifizierten Masken eine Wiederbenutzung "über die Dauer einer Arbeitsschicht möglich ist" (DGUV-Regel 112-190, 3 Anaesthesist https://doi.org/10.1007/s00101-020-00828-0 © Der/die Autor(en) 2020 Zusammenfassung Die intensivmedizinische Versorgung von COVID-19-Patienten stellt das eingesetzte Personal vor -bisher unbekannte -Herausforderungen. So kommen beispielsweise nun großflächig Schutzausrüstungen zum Einsatz, die ansonsten nur in ausgewählten Situationen verwendet wurden. Die Arbeit in einem solchen Umfeld ist unter dem Aspekt des Arbeitsschutzes anders zu bewerten als die sonstige Patientenversorgung. Auch in einer Pandemie bleiben die gesetzlichen Vorgaben gültig. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über die aktuell relevanten Vorschriften und Regelungen darzulegen. Persönliche Schutzausrüstung · Intensivmedizin · Atemschutz · Berufskrankheit · Gefährdungsbeurteilung Occupational safety in the treatment of COVID-19 patients. The intensive medical care of COVID-19 patients presents the deployed personnel with as yet unknown challenges. For example, protective equipment is now being extensively used, which was otherwise only used in selected situations. Working in such an environment is to be evaluated differently under the aspect of occupational safety than other patient care, especially as more than 1900 suspected cases of a SARS-CoV-19 occupational disease were reported among healthcare workers in Germany. Even in a pandemic, the legal requirements remain valid and personal protective equipment (PPE) has to comply with given standards. The use of FFP3 masks is required in aerosolforming situations, such as endotracheal intubation or bronchoscopy. In contrast to surgical face masks, there is a maximum wearing time for FFPs masks. Furthermore, in a pandemic there is a basic danger of PPE shortage and recycling of face masks is under discussion. Therefore, usage of non-EU certified PPE may come into effect but this has to follow the requirements defined by European regulations. The aim of this article is to provide an overview of the currently relevant rules and regulations in Germany. Personal Protective Equipment · Intensive Care Medicine · Respiratory Protection · Occupational Disease · Risk assessment bedecken, langärmlig und flüssigkeitsdicht sein [15] . In der klinischen Praxis werden Einmalhandschuhe u. a. zum "Schutz des Trägers vor Kontamination mit Blut, Sekreten und Exkreten und zur Unterbrechung von Infektionsketten (. . . )" eingesetzt. "Behandschuhte Hände sollten nur in speziellen Fällen desinfiziert werden, z. B. in Situationen, in denen ein häufiger Handschuhwechsel erforderlich, aber erfahrungsgemäß schwierig realisierbar ist bzw. der Wechsel zu einer Unterbrechung des Arbeitsflusses führt" [30] . Die TRBA 250 legt unter 4.2.8 die Kriterien für Schutzhandschuhe fest [2] : "Als Handschuhe sind geeignet [22] -flüssigkeitsdichte, ungepuderte und allergenar-me medizinische Handschuhe [22] mit einem Qualitätskriterium AQL (Accepted Quality Level) von ≤1,5 bei möglichem Kontakt zu Körperflüssigkeiten und -ausscheidungen; -flüssigkeitsdichte, ungepuderte, allergenarme und zusätzlich reinigungs-bzw. desinfektionsmittelbeständige Schutzhandschuhe [23] mit verlängertem Schaft zum Umstülpen bei Reinigungs-und Desinfektionsarbeiten, damit das Zurücklaufen der kontaminierten Reinigungsflüssigkeit unter den Handschuh verhindert wird". Vor dem Ausziehen der Handschuhe kann zusätzlich eine Desinfektion erfolgen, um eine Hautkontamination zu verhindern. Dieses Vorgehen und die Verwendung von 2 Paar Einmalhandschu- hen sollten mit der jeweiligen Krankenhaushygiene abgesprochen sein. Neben der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung ist zusätzlich auch eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung als sinnvoll anzusehen (BGW 08-00-042) [7] . Bei Versicherten im Gesundheitswesen und vergleichbaren Tätigkeiten (z. B. Labor) bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 (COVID-19-Erkrankung) kommt die Anerkennung als Berufskrankheit 3101 in Betracht. Bei begründetem Verdacht zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Auftreten einer SARS-CoV-2-Infektion mit entsprechenden Krankheitszeichen, einer positiven SARS-CoV-2-PCR muss unverzüglich eine Anzeige als Berufskrankheit (BK 3101 der Anlage 1, DGUV) gemeldet werden. Diese kann durch einen Arzt oder den Unternehmer erfolgen [16, 17, 19] . Der gesetzliche Versicherungsschutz bleibt auch bestehen, wenn die Ausstattung mit der notwendigen Schutzausrüstung durch den Arbeitgeber nicht mehr gewährleistet werden kann. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber den Arbeitsschutz sicherstellen und ggf. die gefährdenden Tätigkeiten einstellen. Der Versicherungsschutz bleibt auch bestehen, wenn der Arbeitnehmer die relevanten Vorgaben und Regeln nicht beachtet (Sozialgesetzbuch -SGB VII) [6, 13] . Arbeitsmedizinische Regel 14.2 Einteilung von Atemschutz-geräteninGruppen Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien Ausschusse FüR Biologische Arbeitsstoffe (Abas) (2012) Beschluss 609 -Arbeitsschutz beim Auftreten einer nicht ausreichend impfpräventablen humanen Influenza Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung (aktualisiert: 9 Psychische Gesundheit im Fokus -BGW-Handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastung in Kliniken Bundesanstalt Für Arbeitsschutz Und Arbeitsmedizin (2020) Dürfen auch FFP-Masken ohne CE-Kennzeichnung verwendet und in Verkehr gebracht werden? Bundesanstalt Für Arbeitsschutz Und Arbeitsmedizin (2020) Kennzeichnung von Masken aus Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (ArbSchG) (20 Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen Vorlage für den Krisenstab der Bundesregierung -Einsatz von Schutzmasken in Einrichtungen des Gesundheitswesens Barrier enclosure during endotracheal intubation Schutzkittel bei medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten sowie bei Barrieremaßnahmen und Isolierungen Corona-Virus (SARS-CoV-2) COVID-19 als Berufskrankheit -Informationen für Beschäftigte im Gesundheitswesen COVID-19 als Berufskrankheit: DIVI und DGUV informieren zu Voraussetzungen sowie Versicherungsleistungen DGUV Regel 112-190 -Benutzung von Atemschutzgeräten Handlungsanleitung für arbeitsmedizinische Untersuchungen nach dem DGUV Grundsatz G 26 DIN EN 149 Atemschutzgeräte -Filtrierende Halbmasken zum Schutz gegen Partikeln -Anforderungen, Prüfung, Kennzeichnung DIN EN ISO 374-1 Schutzhandschuhe gegen gefährliche Chemikalien und Mikroorganismen -Teil 1: Terminologie und Leistungsanforderungen für chemische Risiken Europäische Kommission (2020) EMPFEHLUNG (EU) 2020/403 DER KOMMISSION vom 13. März 2020 über Konformitätsbewertungs-und Marktüberwachungsverfahren im Kontext der COVID-19-Bedrohung Verordnung (EU) 2016/425 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9 European Centre for Disease Prevention and Control (Ecdc) (2020) Options for the decontamination andreuseofrespiratorsinthecontextoftheCOVID-19 pandemic-8 Covid-19 bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege Hinweise zum beispielhaften An-und Ablegen von PSA für Fachpersonal Medizinische Einmalhandschuhe und Schutzhandschuhe: Indikation und Desinfektion