key: cord-0796883-vl19wg4m authors: Hobusch, Sandra; Ochs, Sebastian title: Rechtsprechungsübersicht zum Medizinprodukterecht und zu angrenzenden Gebieten 2020/2021 date: 2021-10-07 journal: Medizinrecht DOI: 10.1007/s00350-021-6006-8 sha: 2eb96d17fc47ccd7a2874bf1fdbcc1903c986c0f doc_id: 796883 cord_uid: vl19wg4m nan Die nachfolgende Rechtsprechungsübersicht knüpft an den Vorjahresbericht von Hobusch/Ochs, MedR 2020, 911 ff. an. Sie gibt erneut einen Überblick über Medizinprodukte in der Rechtsprechung zum Medizinprodukte-, Wettbewerbs-, Haftungs-und Krankenversicherungsrecht. Nach § 3 Nr. 1 MPG (bzw. auch Art. 2 Nr. 1 MDR) kann es sich bei Software um ein Medizinprodukt handeln. Im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens vor dem LG Hamburg 1 war die Einordnung einer ohne CE-Kennzeichnung vertriebenen Software streitig, die bei der Dokumentation der Auf bereitung medizinischer Instrumente eingesetzt wird. Die Software ist nicht in einem Desinfektionsgerät integriert, sondern wird separat von den bei der Auf bereitung verwendeten Geräten vertrieben. Das LG sah in der Software weder eine eigenständige noch eine Steuerungssoftware i. S. des § 3 Nr. 1 MPG. Nach Ansicht des LG fehlt es an den in § 3 Nr. 1 MPG beschriebenen Zwecken. Die Software bestimme nicht die diagnostische oder therapeutische Hauptfunktion des eingesetzten Desinfektionsgeräts. Sie erhebe und analysiere die Daten auch nicht eigenständig. Dies erfolge durch das bei der Auf bereitung eingesetzte Gerät selbst. Zweck der Software sei es nur, die Daten auszulesen und für den Anwender lesbar zu machen. Die streitige Software nehme keine eigenen Berechnungen vor und gebe in den Protokollen keine eigenen bewertenden Hinweise, wie z. B. "sterile Beladung", ab, sondern übernehme nur die Informationen, die das Desinfektionsgerät erstellt. Der Bay. VGH 2 stufte wie die Vorinstanz Wurzelkanalinstrumente eines Zahnarztes als "kritisch B" ein. Er führte in dem Zusammenhang aus, dass nach dem von der Vorinstanz eingeholten Sachverständigengutachten und dem Hygieneplan der BZÄK zwar grundsätzlich die Einstufung als "kritisch A" und "kritisch B" in Betracht komme. Wenn jedoch die Effektivität der Reinigung durch Inspektion nicht unmittelbar beurteilbar sei, im zu entscheidenden Fall wegen der fehlenden Lichtlupe, so seien die Instrumente als "kritisch B" einzustufen. Das OLG Hamm 3 entschied im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit über die Frage, ob eine sogenannte "Alltagsmaske" in Form einer Stoffmaske als Mund-Nase-Bedeckung ein Medizinprodukt ist und welche Konsequenzen dies hat. Der Senat stufte die Stoffmaske nicht als Medizinprodukt ein. Insoweit komme es für die Beurteilung auf die subjektive Bestimmung des Herstellers an. Maßgeblich sei, was der Verkehr der Kennzeichnung des Produkts, seiner Gebrauchsanweisung sowie der Bewerbung entnehme. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken fehlte bei der Alltagsmaske selbst sowie auf deren Verpackung. Auch aus der Gestaltung und Aufmachung ergab sich nichts Abweichendes. Vielmehr spreche nach dem OLG die comicartige Darstellung auf der Alltagsmaske dagegen, dass der angesprochene Verkehr diese als für medizinische Zwecke verwendbar erkenne. Irrelevant sei, dass die Alltagsmaske im Einzelhandel auch neben "medizinisch anmutenden Gesichtsmasken" angeboten werde. Genauso wenig komme es nachteilig für alleinstehende Frauen und Frauen in einer homosexuellen Partnerschaft aus, die regelmäßig diese medizinischen Erfordernisse nicht erfüllen 61 . Die Richtliniengebung der Bundesärztekammer ist als hoheitliche Tätigkeit anzusehen. Insoweit ist zu beachten, dass sich eine Indikationsstellung im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit nach dem modernen Eingriffsbegriff an den Grundrechten messen lassen muss 62 . Eine hoheitliche Beschränkung des Zugangs zu Maßnahmen der assistierten Reproduktion bedarf insoweit einer Rechtfertigung der damit verbundenen Einschränkung des Grundrechts auf freie Reproduktion. Nach dem Ergebnis der Diskussion um die statusrechtlichen Vorgaben der bisherigen (Muster-) Richtlinie ist eine Rechtfertigung dieses Eingriffs nicht ersichtlich 63 . Auch stellt bezüglich der Richtliniengebung nach § 16 b TPG die Frage, ob die Bundesärztekammer hinreichend personell legitimiert ist 64 . Es ist durchweg zu begrüßen, dass die Bundesärztekammer in jüngerer Zeit mit der (Muster-) Richtlinie zur assistierten Reproduktion und dem Verbot ärztlicher Suizidbeihilfe zwei verfassungswidrige Vorschriften aus der Musterberufsordnung gestrichen hat. Es ist nun an der Zeit, Lehren aus der jahrelangen Diskussion und der Rüge durch das BVerfG zu ziehen und diese Lehren zukünftig auch konsequent umzusetzen. wissenschaftliche Mitarbeiterin am ineges -Institut für Europäische Gesundheitspolitik und Sozialrecht, promoviert zum Thema "Möglichkeiten und Grenzen für Erstattungsansprüche von Liposuktionen bei Lipödem" bei Doktormutter: Prof. Dr. iur Astrid Wallrabenstein Überlegungen zu einer gesundheits-zentrierten Gesundheitspolitik Kompetenzen, Perspektiven, 1997, S. 60 ff.; Schmidt am Busch, Die Gesundheitssicherung im Mehrebenensystem BAnz AT 6. 10. 2017 B3 MedR 2020, 911 ff., sub 5. b) MedR 2020, 911 ff., sub 5. c) Die deutsche Gesundheitspolitik fußt auf dem politisch geprägten Gesundheitswesen und versteht sich als politische Querschnittsaufgabe 1 . Nach Busch hat sich Gesundheitspolitik lediglich auf Bereiche des körperlichen und psychischen Wohlbefindens zu beschränken 2 , soziale Rahmenbedingungen bleiben dabei außen vor 3 . Die Gesundheitspolitik wurde stets als nationale Aufgabe gesehen, jegliches Handeln fußte auf dieser Sichtweise. Das Auftreten des COVID-19-Virus und dessen Verbreitung über Ländergrenzen und Kontinente hinweg erfordert eine neue Denk-