key: cord-0779486-xeevl02y authors: Mahnke, Anna; Loibl, Johanna title: Interprofessionell arbeiten: Das Regensburger Modell date: 2021-05-21 journal: Pflege Z DOI: 10.1007/s41906-021-1045-3 sha: b846bd4e86dc7be06aa70e98dbe1396bec6150f7 doc_id: 779486 cord_uid: xeevl02y Innovative und zukunftsweisende Projekte können den hohen Anforderungen im Gesundheitswesen entgegenwirken. In der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Regensburg heißt das Schlüsselwort Interprofessionalität. Im "Regensburger Modell" arbeiten, forschen, lehren und managen Pflegende und Ärzte gemeinsam - mit großem Erfolg. Die Forschung nimmt auch in der Pflege einen hohen Stellenwert ein. Wie sich die Arbeit in der direkten Patientenversorgung mit wissenschaftlichem Arbeiten kombinieren lässt, zeigt das Beispiel einer Mitarbeiterin im Pflegedienst der Inneren Medizin I - von der Gesundheits- und Krankenpflegerin in der Intensivstation über den Bachelor zum Master ANP. In allen Bereichen der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I werden -über alle Hierarchiestufen und Professionen hinweg -du-ale Leitungen eingesetzt. So bilden beispielsweise Prof. Müller-Schilling und Anna Mahnke ein Leitungsteam, ebenso die Oberärzte und die pflegerischen Leitungen der Intensivstation, der Allgemeinstation und der Poliklinik. Auf diese Weise werden die Belange der Abteilungen und deren Teams immer im interprofessionellen Kontext gesehen. Zweimal jährlich werden Strategieklausuren für alle Mitarbeitenden angeboten, bei denen die gemeinsamen Ziele und Meilensteine besprochen und diskutiert werden. Jeder Mitarbeitende kann seine Vorstellungen und Ideen hier einbringen. So entsteht Transparenz in den Entscheidungen, und die Mitarbeitenden können diese besser nachvollziehen. Es entsteht ein "Wir-Gefühl", und die Mitarbeiter ziehen -im Sinne einer guten Patientenversorgung -in den interprofessionellen Teams an einem Strang. Um eine Patientenversorgung auf höchstem Niveau zu gewährleisten, müssen die am Behandlungsprozess beteiligten Berufsgruppen optimal zusammenarbeiten. Dies gelingt in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I durch gemeinsame Strukturen: Die Tagesabläufe der Mediziner und Pflegenden wurden synchronisiert. Gemeinsame Tafelbesprechungen werden mehrmals täglich für alle an der Patientenversorgung beteiligten Berufsgruppen organisiert. Fallbesprechungen und Ethikgespräche, Team Time Outs und Morbiditätskonferenzen werden in regelmäßigen Abständen einberufen. Außerdem hat jedes Teammitglied die Möglichkeit, diese Instrumente bei Bedarf sofort selbst zu initiieren. Damit können kritisch bewertete Situationen frühzeitig deeskaliert werden. Ein absolutes Novum ist auch der "Pflegetag" für alle neuen Ärztinnen und Ärzte. Zu Beginn ihrer Tätigkeit auf den Stationen begleiten sie einen Tag lang eine erfahrene Pflegekraft der jeweiligen Station, um die Prozesse und Standards sowie die Räumlichkeiten kennenzulernen. Die fachliche und persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden ist im Regensburger Modell ein wichtiger Bestandteil. Unter dem Stichwort "Talentförderung" werden alle Fortbildungsreihen interdisziplinär und interprofessionell aufgebaut. Die Lehrveranstaltungen für Medizinstudierende wurden auch für Pflegeauszubildende geöffnet. Beide Professionen profitieren vom gemeinsamen Lernen. Es entstehen Synergieeffekte, die für das spätere Zusammenarbeiten von großer Bedeutung sind. Aus den durchweg positiven Erfahrungen der interprofessionellen Lehre entstand 2019 der Gedanke einer interprofessionellen Ausbildungsstation, die im Oktober 2019 in einer Allgemeinstation der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I eröffnet wurde -die A-STAR (Ausbildungsstation Regensburg). Pflegeauszubildende und Medizinstudierende im praktischen Jahr betreuen hier eigenständig acht Patienten. Die Patienten werden nicht vorselektiert, das heißt, die Ausbildungsstation bewegt sich in einem realen Setting. Selbstverständlich werden die Medizinstudierenden und Pflegeauszubildenden durch erfahrene Lernbegleiter in ihrer täglichen Arbeit unterstützt. Pro Schicht sind immer ein Praxisanleiter der Pflege und ein Facharzt vor Ort. Dies sichert den hohen Standard in der Patientenversorgung. Seit Mai 2020 wurde das Konzept der Ausbildungsstation auch auf die Intensivstation (I'M ASTAR = Intensivmedizinische Ausbildungsstation Regensburg) ausgeweitet. Hier werden neben Pflegeauszubildenden auch Fachweiterbildungsteilnehmer mit einbezogen. Es findet eine wissenschaftliche Begleitevaluation des Projektes statt. Die bisherige Resonanz der Teilnehmenden wie auch der Patienten ist sehr positiv. Ein weiteres Forschungsprojekt wurde im Rahmen der Masterarbeit im Studiengang ANP (Advanced Nursing Practice) in der Poliklinik für Innere Medizin I, genauer gesagt der Spezialsprechstunde für chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), durchgeführt. Im Zuge einer explorativen Mixed-Methods-Studie, bestehend aus teilnehmender Beobachtung, leitfadengestützten Interviews sowie einer Befragung per Fragebogen, wurden die Informations-und Beratungswünsche von Patientinnen und Patienten mit CED erhoben. Dabei konnten 14 verschiedene Themen ausfindig gemacht werden, zu denen die Betroffenen (mehr) Information oder Beratung wünschen. Im Vordergrund standen vor allem Aspekte, die der Alltagsbewältigung und dem Selbstmanagement der Erkrankten dienen, wie beispielsweise die Themen Ernährung, Medikamenten-Management, Vorsorge und Prävention, Sport und Reisen. Außerdem manifestierte sich ein Bedarf an alternativen Informations-und Beratungsformen, etwa in Form von Tele-oder Videosprechstunden, der in langen Anfahrten mit hohem Zeitaufwand sowie dem aktuell erhöhten Infektionsrisiko mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, begründet liegt. Um den Ergebnissen des Pflegeforschungsprojektes auch in der Klinik Rechnung zu tragen, wurden diese sowohl in der Pflegedirektion als auch in der ärztlichen Direktion der Klinik erörtert und, in Anlehnung an das Hamric-Modell, eine Tätigkeitsbeschreibung generiert, in der die ermittelten Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten berücksichtigt wurden (Hamric et al. 2014) . Basierend auf zahlreichen europäischen Evaluationsstudien und Handlungsempfehlungen zu ANP im Bereich CED wurden neben edukativen Aufgaben auch weitere Tätigkeitsfelder definiert, die nachweislich zu einer Verbesserung der Patientenversorgung führen (O'Connor 2013; Kemp 2018) . Sowohl die Ergebnisse der Masterarbeit als auch die geplante Erweiterung der Versorgungsstruktur wurden im Zuge der regelmäßig stattfindenden, professionsübergreifenden Strategieklausuren innerhalb der Klinik transparent gemacht. Ab dem 1. April 2021 wird es, ergänzend zu der bislang rein ärztlichen Sprechstunde, eine pflegerische Sprechstunde geben, die auf dem international bewährten und anerkannten Konzept "Advanced Nursing Practice" basiert und das entsprechende Tätigkeitsfeld abdeckt. ANP ist zum einen charakterisiert durch die Spezialisierung auf einen bestimmten Fachbereich, in der genannten Kli-nik auf Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, zum anderen durch die Erweiterung der pflegerischen Praxis. Dies bedeutet, dass die sich verändernden Bedürfnisse der Erkrankten wahrgenommen und die gesundheitliche Versorgung, beispielsweise durch den Aufbau neuer Versorgungsstrukturen oder technischer/medizinischer Neuerungen, entsprechend angepasst und stetig verbessert wird. Pflegeexperten ANP verfügen über eine hohe pflegerische Expertise in ihrer jeweiligen Spezialisierung und können daher auch autonome Entscheidungen treffen. Die wissenschaftliche Ausbildung auf Master-Niveau soll außerdem dazu beitragen, dass aktuelle Forschungsergebnisse Einzug in die praktische Pflege finden und dadurch der Theorie-Praxis-Transfer verbessert wird (Schober und Affara 2008; DBfK 2019) . Für die Implementierung von ANP in unserer Klinik bedeutet das, dass initial die Ergebnisse aus der eigenen Pflegeforschung umgesetzt werden. Basierend auf den ermittelten Themenwünschen der befragten Patientinnen und Patienten wird sich somit ein großes Tätigkeitsfeld in den Bereichen Patientenedukation und Selbstmanagementförderung ergeben. Auch auf dem Gebiet der Wissenschaft und Forschung (z.B. EBN, Theorie-Praxis-Transfer, Evaluationsforschung), Praxisentwicklung (z.B. Digitalisierung, Fallsteuerung) und natürlich der klinischen Praxis (z.B. erweiterter Pflegeprozess, Krankheitsverlaufskontrollen) werden neue Aufgabenfelder entstehen. Die Masterarbeit in der CED-Sprechstunde zeigt seitens der Patientinnen und Patienten einen vermehrten Informations-und Beratungswunsch zu verschiedenen Themen, aber, in Anbetracht der gewünschten Themen, auch einen generellen Bedarf an pflegerischer Betreuung. Mit der Implementierung von ANP in die CED-Sprechstunde soll die Betreuung und Behandlung von CED-Erkrankten optimiert, verbessert und stetig weiterentwickelt werden. Zudem sollen auch in Zukunft Fragestellungen aus der Praxis aufgenommen und wissenschaftlich bearbeitet werden. Die ständige Weiterentwicklung und Evaluation der neuen, pflegerischen Rolle findet, ebenso wie die Bedarfserhebung für ein neues Pflegemodell, in Anlehnung an das PEPPA-Framework statt (Bryant-Lukosius & DiCenso, 2004 A Framework for the Introduction and Evaluation of Advanced Practice Nursing Roles Advanced Practice Nursing. Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung Advanced Practice Nursing. An Integrative Approach Second N-ECCO Consensus Statements on the European Nursing Roles in Caring for Patients with Crohn's Disease or ulcerative Colitis N-ECCO Consensus Statements on the European Nursing Roles in Caring for Patients with Crohn's Disease or ulcerative Colitis Advanced Nursing Practice (ANP)