key: cord-0767875-5zm6j5p6 authors: nan title: Mitteilungen der DGN date: 2021-06-07 journal: Nervenarzt DOI: 10.1007/s00115-021-01146-5 sha: 59110281e3268a95454a163bf0b3a0e004b99cac doc_id: 767875 cord_uid: 5zm6j5p6 nan Herr Professor Templin, Sie sind Kardiologe. Warum halten Sie eine Lecture vor Neurologen? Unsere Forschung beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Takotsubo-Syndrom, das viele auch als "Broken-Heart-Syndrom" kennen: eine akut einsetzende und oft schwerwiegende Funktionsstörung des Herzmuskels, die vorwiegend ältere Frauen betrifft. Im Jahr 2019 konnten wir belegen, dass diese Herzkrankheit vom Gehirn ausgeht. Über diese Hirn-Herz-Interaktionen berichte ich während des Präsidentensymposiums auf dem 94. DGN-Kongress. Bevor wir näher auf Hirn-Herz-Interaktionen eingehen: Was hat Ihre Arbeit eigentlich mit einem japanischen Fischerwerkzeug zu tun? "Takotsubo" bedeutet auf Japanisch "Tintenfischfalle". Bei einem Takotsubo Christian Templin ist leitender Arzt der Klinik für Kardiologie und Leiter der Andreas-Grüntzig-Herzkatheterlabore am Universitäts Spital Zürich. Unter seiner Führung ist dort in den vergangenen elf Jahren ein großes Forschungsprogramm über das Takotsubo-Syndrom entstanden, an dem sich Wissenschaftler aus aller Welt beteiligen. Im Jahr 2011 gründeten die Züricher Forscher das Internationale Takotsubo-Register (InterTAK Registry), das inzwischen die weltweit größte Datenbank für das "Broken-Heart-Syndrom" ist: Aktuell sind mehr als 3500 Patienten aus 16 Ländern und 60 Zentren eingeschlossen. Anhand des Registers konnte die Forschergruppe um Christian Templin bislang mehr als 50 Arbeiten über das Takotsubo-Syndrom publizieren. "Wir sind bei diesem Krankheitsbild führend", sagt Christian Templin. 2015 konnten die Forscher zeigen, dass neurologische und psychiatrische Faktoren bei Takotsubo eine wichtige Rolle spielen. Großes Medienecho rief 2016 der Hinweis auf das "Happy-Heart-Syndrom" hervor. Auch positive Ausnahmesituationen wie ein Lottogewinn lösen mitunter das Takotsubo-Syndrom aus. 2018 initiierte Templin zusammen mit Takotsubo-Experten aus den USA, Asien, Australien und Europa die ersten international einheitlichen Diagnose-und Therapieempfehlungen. In einem Kooperationsprojekt zeigte eine Forschergruppe aus Kardiologen des Universität Spitals Zürich unter der Leitung von Christian Templin und Neurowissenschaftlern der Universität Zürich im Jahr 2019 erstmals, dass funktionelle Veränderungen im Gehirn von Takotsubo-Patienten existieren, die in Zusammenhang mit dieser Erkrankung stehen. Herzen werden wahrscheinlich im Gehirn gebrochen. Für seine wegweisenden Arbeiten am Takotsubo-Syndrom erhielt Christian Templin neben diversen Preisen im Jahr 2016 den Georg Friedrich Götze Preis der Universität Zürich und den Forscherpreis der Schweizer Herzstiftung. Der Kardiologe hat eine Vielzahl von international beachteten Studien in hochrangigen Journalen veröffentlicht. raus. Genauso verhält es sich mit dem Blut. Weil nur noch der obere Teil des Herzens pumpt, füllt sich die erschlaffte Spitze mit Blut, das nicht mehr richtig abfließen kann. Dieser Moment ist so gefährlich wie ein Herzinfarkt. Haben die Herzprobleme von Takotsubo-Patienten tatsächlich ihre Ursache im Kopf? Bis vor wenigen Jahren gingen Mediziner davon aus, dass sich das Takotsubo-Syndrom auf das Herz beschränkt. Nach einer im Jahr 2015 durchgeführten Studie stand jedoch die Theorie im Raum, dass neurologische und psychiatrische Erkrankungen sehr wahrscheinlich eine Rolle beim Takotsubo-Syndrom spielen. Daraus folgerten wir, dass es einen Zusammenhang zwischen Herz und Hirn geben könnte. In einem Kooperationsprojekt mit dem Neurophysiologischen Institut der Universität Zürich haben wir bis 2019 die Hirnareale von Takotsubo-Patienten mittels modernster funktioneller Ma-8 Kein Herzinfarkt: Diese Patientin mit Takotsubo-Syndrom zeigt die typische regionale Wandbewegungsstörung im Bereich des apikalen und midventrikulären linken Vetrikels, der die Form einer japanischen Tintenfischfalle angenommen hat (a). In der T2-gewichteten TSE-SPIR-Sequenz imponiert das midventrikuläre und apikale Myokard heller, entsprechend einem myokardialen Ödem (b), ohne gleichzeitiges Auftreten einer Narbe (c) des betreffenden Herzmuskels Angela Vincent 8 Neurologen sollten das Takotsubo-Syndrom also kenneninsbesondere Neurologen in der Notaufnahme und auf der Intensivstation. Eine "spektakuläre Publikation, die jeder Neurologe gelesen haben sollte", so Diener, gibt im "Lancet" [8] Mit dem Plasma-Phospho-Tau217 (P-tau217) ist erstmals ein sensitiver Biomarker für die Alzheimer-Demenz verfügbar [10] . Er ermöglicht auch die zuverlässige Abgrenzung von M. Parkinson, progressiver supranukleärer Parese ( PSP) bzw. kortikobasaler Degeneration ( CBD) sowie vaskulären Demenzen. Die sehr gute Trennschärfe dieses Biomarkers wird außerdem künftig Studien deutlich erleichtern, da nicht mehr bei allen Patienten eine PET durchgeführt werden muss. Auch soll die Labordiagnostik des P-tau217 künftig weiter vereinfacht werden. Die Therapie der arteriellen Hypertonie reduziert das Risiko für Demenzerkrankungen sowie für eine MCI ("mild cognitive impairment"), das zeigte eine aktuelle Studie [11] . Der Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und Demenz war hochsignifikant, es kam zu einer Risikoreduktion um 61 %, wenn eine arterielle Hypertonie suffizient behandelt wurde ( HR 0,39). "Hier müssen wir aber bedenken, dass in Deutschland über 30 % der Hypertoniker nicht ausreichend eingestellt sind", mahnte Diener. Die neue S1-Leitlinie [ [3] für diese Schlaganfälle seien zum einen Gerinnungsstörungen, die zu Thrombosen und Embolien im arteriellen und venösen Bereich führen, zum anderen scheinen Vaskulitiden im Rahmen der Erkrankung zu kleinen lakunären Infarkten zu führen. In der ersten Pandemie-Welle war es zu einer deutlichen Abnahme der Zahl an Schlaganfall-Patienten gekommen, die stationär aufgenommen wurden [4] . Verschiedene Probleme wurden dabei aufgezeigt wie Zeitverluste in der Notaufnahme wegen erforderlicher SARS-CoV-2-Testung, organisatorische Probleme bei der Bildgebung, erniedrigte Bettenkapazität durch Umwidmung von Betten der Stroke Unit zu COVID-19-Betten sowie Umverteilung von ärztlichem und nicht ärztlichem Personal. Die limitierte Verfügbarkeit für Interventionen führte zum vorübergehenden Rückgang der Thrombektomieraten sowie zu Problemen bei der Verlegung in die Rehabilitationsein-richtungen. Die Festlegung einer Reihenfolge der Notfallpatienten ging auch mit ethischen Herausforderungen einher. In der Konsequenz wurden die Schlaganfall-SOPs angepasst. Nach der ersten Welle hatte sich die Schlaganfall-Versorgung wieder normalisiert -"es bleibt zu hoffen, dass dies von Dauer ist", so Diener. Bei COVID-19-Intensivpatienten mit Enzephalopathie stellt sich meistens die Frage, ob spezifisch virale Pathomechanismen eine Rolle spielen oder "nur" die Hypoxie aufgrund schwerer Ventilationsstörungen bzw. die Gesamtsituation der "critical illness". Insgesamt spielen auf der Intensivstation aufgrund der vielfältigen neurologischen Manifestationen und Komplikationen Neurologen eine wichtige Rolle. Nachweislich führen Kortikosteroide bei schwerstbetroffenen Patienten insgesamt zu einer Reduktion der Mortalität um ca. 30 %; bei nicht beatmungspflichtigen (O 2 -bedürftigen) Intensivpatienten um ca. 15 %. Bei nicht intensivpflichtigen Patienten hatten Kortikosteroide keine Wirkung auf die Mortalität [5] . Der Wirkmechanismus scheint vor allem an der überschießenden Immunreaktion bzw. dem Zytokinsturm anzusetzen. Eine "Eine weitere sehr interessante Substanz zur Therapie des Morbus Alzheimer stellt Nilotinib dar", fuhr Diener fort. Der Tyrosinkinasehemmer ist zur Therapie der chronisch myeloischen Leukämie zugelassen, gegen Alzheimer-Demenz war die Substanz in einer Proof-of-Concept-Studie eingesetzt worden [13] , nachdem sie in präklinischen Modellen wirksam war. Es zeigte sich eine deutliche Verbesserung im ADAS-Score ("Alzheimer's Disease Assessment Scale") sowie im PET eine Abnahme der intrazerebralen Amyloid-Ablagerungen. Auch weitere Biomarker wurden günstig beeinflusst, z. B. das Hippocampus-Volumen und die Liquor-Biomarker Beta-Amyloid-Aβ40 und -Aβ42. Zwar würden bereits hohe Erwartungen an diesen neuen therapeutischen Ansatz mit der schon bekannten und zugelassenen Substanz geknüpft, jedoch wurden bisher nur 37 Patienten behandelt, schränkte Diener ein, und es sei auch nur der Effekt auf Biomarker belegt. Wirkungsnachweise auf die Kognition oder Progression fehlten bisher; hier läuft zurzeit eine Phase-III-Studie. 13 % der ALS-Patienten in Deutschland tragen eine Muta-tion im Gen für die Superoxid-Dismutase-1 (SOD1). Für diese genetische ALS-Variante gibt es erstmals eine kausale intrathekale Therapie mit Tofersen, einem Antisense-Oligonukleotid ( ASO), das die pathologische SOD1-Proteinsynthese reduziert. In der randomisierten Dosisfindungsstudie [14] erhielten zehn Patienten pro Gruppe 20, 40, 60 und 100 mg Tofersen. Im Ergebnis zeigte sich dosisabhängig ab 40 mg eine Wirksamkeit auf den primären Endpunkt (SOD1-Konzentration). Verträglichkeit und Sicherheit des ASOs waren gut, klinische Endpunkte wurden hier jedoch noch nicht untersucht. Positive Signale gibt auch eine Phase-II-Studie zur Kombination von Natriumphenylbutyrat und Taurursodiol [15] , deren Wirksamkeit in präklinischen Tiermodellen belegt worden war. Nun erhielten 89 ALS-Patienten die Substanz über 24 Wochen, 48 erhielten Placebo. Primärer Endpunkt war der ALS-FRS-R-Score (" ALS functional rating scale revised"), der eine gute Verbesserungstendenz zeigte, das Signifikanzniveau wurde jedoch nicht erreicht. Eine Phase-III-Studie läuft zurzeit mit 450 Patienten. "Da bisher leider die meisten Studien zur medikamentösen Therapie der ALS fehlgeschlagen sind, hofft man sehr, dass mit diesen beiden Substanzen künftig eine Behandlungsmöglichkeit für die ALS zur Verfügung stehen könnte", kommentiert Diener. Auch die LIPCAL-ALS-Studie zur hochkalorischen Ernährung bei ALS zeigte keinen signifikanten therapeutischen Effekt auf die Gesamtpopulation der Patienten [16] . Bei der viralen Differenzialdiagnostik sei zunehmend auch in Deutschland an seltene, neue Viren zu denken, so Diener. Dies sind beispielsweise das Usutu-Virus und das West-Nil-Virus. So kann das West-Nil-Virus ( WNV) Verschiedene monoklonale Antikörper als spezifische Medikamente zur Migräne-Prophylaxe sind inzwischen zugelassen. Sie richten sich gegen das migräneauslösende "Calcitonin-Gene-Related-Peptide" (Anti-CGRP, z. B. Fremanezumab, Galcanezumab) oder dessen Rezeptor (Anti-CGRP-R, z. B. Erenumab). Es gibt dazu sehr viele Publikationen, sodass es schwierig sei, den Überblick zu behalten, so Diener. Insbesondere die eigentlich wichtigsten Fragen würden kaum beantwortet, nämlich ob die Substanzen besser wirken als die traditionellen Medikamente zur Migräne-Prophylaxe. Eine Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie SARS-CoV-2 and Stroke in a Coagulopathy and Antiphospholipid Antibodies in Patients with Covid-19 Preserving stroke care during the COVID-19 pandemic: Potential issues and solutions WHO Rapid Evidence Appraisal for COVID-19 Therapies (REACT) Working Group (2020) Association Between Administration of Systemic Corticosteroids and Mortality Among Critically Ill Patients With COVID-19: A Meta-analysis Effect of Convalescent Plasma on Mortality among Hospitalized Patients with COVID-19: Initial Three-Month Experience Drug treatments for covid-19: living systematic review and network meta-analysis Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission Neurodegenerative Disease Mortality among Former Professional Soccer Players Discriminative Accuracy of Plasma Phospho-tau217 for Alzheimer Disease vs Other Neurodegenerative Disorders Association of Blood Pressure Lowering With Incident Dementia or Cognitive Impairment: A Systematic Review and Meta-analysis Computing and interpreting the Number Needed to Treat for Cardiovascular Outcomes Trials (2020) Perspective on GLP-1 RA and SGLT-2i therapies Nilotinib Effects on Safety, Tolerability, and Biomarkers in Alzheimer's Disease Phase 1-2 Trial of Antisense Oligonucleotide Tofersen for SOD1 ALS Trial of Sodium Phenylbutyrate-Taurursodiol for Amyotrophic Lateral Sclerosis Effect of High-Caloric Nutrition on Survival in Amyotrophic Lateral Sclerosis Aktuelle Situation zu autochthonen menschlichen Infektionen mit dem West-Nil-Virus in Deutschland Die Kommission "Leitende Krankenhausärzte" der DGN schreibt den Robert Wartenberg-Preis aus. Der Preis richtet sich an wissenschaftlich tätige Ärztinnen und Ärzte an inländischen nicht universitären neurologischen Kliniken (Ober-, Fach-, Assistenzärztinnen und -ärzte), deren wissenschaftliche Arbeit Bezug zur klinischen Neurologie hat und konkrete Anwendung in der Klinik finden kann. Der Preis ist mit der Verleihung einer Urkunde verbunden und mit einer Prämie von 5000 Euro dotiert. Die Preisträgerin/der Preisträger wird auf der Jahrestagung der Leitenden Krankenhausärzte am 11. März 2022 im Rahmen einer Vorlesung die preisgekrönte Arbeit vorstellen ("Wartenberg Lecture").Gewürdigt werden soll eine bereits (in 2020/2021) veröffentlichte oder eine zur Veröffentlichung angenommene wissenschaftliche Einzelarbeit oder ein für die Bewerberin/den Bewerber repräsentatives wissenschaftliches Werk, das an einer nicht universitären Einrichtung entstanden ist oder dort fortgesetzt wird. Die Bewerbungsunterlagen sind bis zum 30. November 2021 an Prof. Dr. med. Stefan Isenmann: stefan. isenmann@st-josef-moers.de zu senden.Weitere Informationen, auch zu den einzureichenden Unterlagen erhalten Sie unter: https:// dgn.org/uberuns/awards/ Mit dem ersten Förderpreis unterstützt die Deutsche Hirnstiftung die neurologische Forschung zu neurologischen Manifestationen durch eine "Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2" ( SARS-CoV-2)-Infektion. Gefördert werden können entweder abgeschlossene wissenschaftliche und publizierte Arbeiten oder eine Projektidee (Anschubfinanzierung). Einsendeschluss ist der 31. August 2021. Weitere Informationen, auch zu den einzureichenden Unterlagen, finden Sie unter: https://hirnstiftung.org/ 2021/ 02/foerderung-2021/ Der Preis wird gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V. ( DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Neu-roIntensiv-und Notfallmedizin e. V. ( DGNI) für innovative, therapierelevante Forschung in der neurologischen Intensivmedizin und Notfall-Neurologie ausgeschrieben. Die Auszeichnung wird während der Eröffnungsveranstaltung auf der Arbeitstagung der DGNI in Form einer Urkunde verliehen und ist mit einer Geldprämie von 5000 Euro verbunden. Der Preis firmierte bis 2020 als "Hans Georg Mertens-Preis".Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 31. August 2021 bei der Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V.: info@dgn.org ein.