key: cord-0761562-z7d2zn7n authors: Deister, Sören; Felix, Dagmar title: “Nikolaus light”: Zur neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu 137c SGB V date: 2022-01-19 journal: Medizinrecht DOI: 10.1007/s00350-021-6075-8 sha: 4a2e25effae23fa493789ff2ee0ece82f7a3b8ae doc_id: 761562 cord_uid: z7d2zn7n nan Das Methodenbewertungsverfahren im Recht der GKV hat sich als eine Art "Dauerbaustelle" für den Gesetzgeber erwiesen. Der Neunte und mit "Sicherung der Qualität der Leistungserbringung" überschriebene Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V wurde im Laufe der Jahre um zahlreiche neue Normen wie etwa § § 137 e oder 137h SGB V ergänzt; aber auch lange bestehende Normen wurden immer wieder reformiert. Das gilt insbesondere für § 137 c SGB V, der die Bewertung von Untersuchungs-und Behandlungsmethoden im Krankenhaus regelt. Über den richtigen Umgang mit der Methodenbewertung im stationären Bereich 1 wird bekanntermaßen seit langem gestritten; und dieser Streit ist gekennzeichnet durch die eher auf die Patientensicherheit ausgerichtete restriktive Rechtsprechung des 1. Senat des BSG auf der einen Seite und das Streben des Gesetzgebers, den Versicherten einen schnellen Zugang zu vor allem 2 innovativer Medizin zu eröffnen. Das "Duell" zwischen den Beteiligten ist mit der mit Spannung erwarteten 3 ersten Entscheidung des "neuen" 4 1. Senats zu § 137 c SGB V vom März 2021 nun in eine neue Runde gegangen. Wie in anderen Kontexten hat der Senat die bisherige Rechtsprechung in Teilen korrigiert bzw. ausdrücklich aufgegeben 5 ; am restriktiven Vorverständnis von insbesondere § 137 c Abs. 3 SGB V hat sich damit allerdings nichts geändert. Der Zugang zu neuen Untersuchungs-und Behandlungsmethoden wird entgegen der eindeutigen Zielsetzung der Norm bis zu einer zu erwartenden weiteren "Klarstellung" 6 des Gesetzgebers nach wie vor eine Ausnahme bleiben. Das Gericht deutet § 137 c Abs. 3 SGB V nämlich nunmehr als eine Konstellation, die mit "Nikolaus light" treffend umschrieben ist. Die dieser Entscheidung zugrunde liegende Argumentation soll im vorliegenden Beitrag kritisch hinterfragt werden. Es wird zu zeigen sein, dass die Begründung des Gerichts Schwächen aufweist und zugleich -und das ist weitaus bedenklicher -auch in methodischer Hinsicht nicht überzeugen kann. Die eigenmächtige "Anreicherung" des Tatbestands des § 137 c Abs. 3 SGB V um weitere Tatbestandsmerkmale stellt eine unzulässige Rechtsfortbildung des Gerichts dar, die -das hat der 2. Senat des BSG jüngst im Kontext des Unfallversicherungsrechts überzeugend dargelegt 7 -auch mit § 31 SGB I unvereinbar ist. Genau dieser Aspekt wurde in der jahrelangen Diskussion über § 137 c SGB V nicht ausreichend berücksichtigt: Wer -unter Hinweis auf den gebotenen Patientenschutz -entgegen dem Wortlaut der Norm den Zugang zu innovativer Medizin verweigert, verkürzt subjektive, gesetzlich begründete Ansprüche der Versicherten. Zum besseren Verständnis der aktuellen Rechtsprechung soll der jahrelange Streit über § 137 c SGB V zunächst kurz skizziert werden (hierzu unter II.). Mancher Aussage des 1. Senats in der neuen Entscheidung lässt sich durchaus zustimmen (III.); die entscheidenden Ausführungen allerdings überzeugen nicht (IV.). Die jüngste Entscheidung des 1. Senats ist ein weiterer Baustein im langjährigen Streit über das "richtige Verständnis" von § 137 c SGB V, der sowohl die Frage nach der Entscheidungskompetenz als auch den anzulegenden inhaltlichen Bewertungsmaßstab betraf. Dieser Streit hat nicht nur Rechtsprechung und Literatur beschäftigt 8 ; vielmehr sah sich auch der Gesetzgeber immer wieder genötigt, durch gesetzliche Reformen den Regelungsgehalt der Norm "klarzustellen" 9 , um seine Vorstellungen von einer Bereitstellung innovativer Medizin im stationären Bereich durchzusetzen. Wer gehofft hatte, dass der "neue" 1. Senat des BSG das nunmehr respektiert, wird enttäuscht sein. Ein kurzer Blick auf die Genese des § 137 c SGB V und die seit seinem Inkrafttreten erfolgten Reformen mögen das Verständnis der aktuellen Entscheidung -und der Kritik daran -verdeutlichen. Das SGB V differenziert bezogen auf die Erbringung neuer Untersuchungs-und Behandlungsmethoden bekanntermaßen zwischen der vertragsärztlichen Versorgung einerseits und der Krankenhausbehandlung andererseits 10 Mit der neuen Entscheidung des 1. Senats wird die bisherige Rechtsprechung nunmehr ausdrücklich aufgegeben. Akzeptiert wird, dass § 137 c Abs. 3 SGB V dem Versicherten einen vom allgemeinen Qualitätsgebot abweichenden Anspruch auf Krankenbehandlung einräumt, für den mit dem Potentialmaßstab ein "abgesenktes Qualitätsgebot" gilt 35 . Wer allerdings geglaubt hat, dass die Proble-me damit gelöst sind und endlich das geschieht, was der Gesetzgeber von Beginn an erreichen wollte, irrt. Denn der "neue" 1. Senat hat den Tatbestand des § 137 c SGB V nunmehr um zwei ungeschriebene Tatbestandsmerkmale ergänzt, die faktisch dazu führen dürften, dass gerade neue -und zumeist teure -Potentialmethoden im Krankenhaus so lange nicht erbracht werden, bis der G-BA die erforderliche Erprobungsrichtlinie erlassen hat. Dass auch diese Argumentation des BSG nicht trägt und zudem mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren ist, wird im Folgenden zu zeigen sein. Dabei ist der ersten Entscheidung des neuen 1. Senats in mancher Hinsicht uneingeschränkt zuzustimmen (hierzu im Folgenden unter III.); in anderer Hinsicht allerdings erweisen sich die Ausführungen als äußerst kritikwürdig (hierzu unter IV.). Zutreffend geht der 1. Senat nunmehr von einer bereichspezifischen Modifizierung des allgemeinen Qualitätsgebotes durch § 137 c Abs. 3 SGB V aus. Die bisherige Rechtsprechung wird insoweit ausdrücklich aufgegeben: Seit Inkrafttreten des § 137 c Abs. 3 SGB V haben Versicherte auch außerhalb von Erprobungsrichtlinien auch dann Anspruch auf Krankenhausbehandlung, wenn für die in Frage stehende Methode nicht der volle Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute vorliegt 36 . Das Gericht akzeptiert damit -jedenfalls grundsätzlich -den Potentialbegriff und seine Konsequenzen und legt in seiner Entscheidung unter Hinweis auf den Wortlaut der Regelung, ihre Entstehungsgeschichte sowie das "Regelungssystem des SGB V" 37 ausführlich dar, dass § 137 c Abs. 3 SGB V eine "partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots" darstelle. Dass die entsprechenden Bewertungsnormen insoweit lex specialis zur allgemeinen Regelung des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V sind 38 , muss der Gesetzgeber nun also nicht mehr klarstellen. Zustimmen kann man dem 1. Senat -jedenfalls grundsätzlich -auch hinsichtlich der Einschätzung des "transitorischen" Charakters des Methodenbewertungsverfahrens -oder genauer: der Anspruchsberechtigung hinsichtlich der Potentialmethode 39 . Der Gesetzgeber wollte, wie unter II. dargelegt, den Versicherten mit der Schaffung des Potentialbegriffs einen schnellen Zugang zu vor allem auch innovativer Medizin in der stationären Versorgung eröffnen. Zugleich -und das zeigen die gesetzlichen Regelungen sehr deutlich -soll aber auch zügig eine Klärung des Nutzens der Potentialmethode erfolgen. Handelt es sich um eine Potentialmethode, deren Nutzen noch nicht hinreichend belegt ist, beschließt der G-BA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137 e SGB V und entscheidet nach Abschluss der Erprobung über die Frage, ob die Methode endgültig zum Leistungskatalog des SGB V gehört oder nicht. Die Tatsache, dass der Versicherte die Potentialmethode nach § 137 c Abs. 3 SGB V sofort beanspruchen kann, und zwar auch ohne dass der G-BA überhaupt eine Entscheidung nach § 137 Abs. 1 SGB V über eine Erprobungsrichtlinie getroffen hätte 40 , ändert also nichts daran, dass diese Methode langfristig überprüft werden und gegebenenfalls aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen werden wird. Insofern lässt sich die Anspruchsberechtigung hinsichtlich der konkreten Methode 41 als transitorisch, also "vorübergehend" bzw. "später wegfallend" 42 beschreiben. Damit ist allerdings keineswegs gesagt, dass die Erprobung nicht auch den vollen Nutzenbeleg erbringen kann und die Methode damit dauerhaft von den Versicherten beansprucht werden kann. 64 , überzeugt dies nicht. Der Grund dafür, warum der Gesetzgeber es bewusst nicht für notwendig gehalten hat, für die Zeit vor Erlass einer Erprobungsrichtline weitere Sicherheitsvorkehrungen "einzuführen", ist klar benennbar: Die Erprobungsregelung ist eingeführt worden, um den aus gesetzgeberischer Sicht unbefriedigenden Zustand, dass Methoden ohne Nutzenbeleg, aber mit Potential vom G-BA aus der stationären Versorgung ausgeschlossen werden können, zu beseitigen 65 . Statt Methoden ohne Nutzenbeleg unmittelbar auszuschließen, sollte der G-BA sie zunächst strukturiert erproben und sie erst dann ausschließen dürfen, wenn nach dieser Erprobung noch immer kein Nutzenbeleg möglich ist. Zielrichtung der Erprobungsregelung war also die Förderung, nicht die Begrenzung von Innovation. Die zusätzlichen Vorgaben zur Ausgestaltung der Erprobung dienen der Sicherstellung, wonach "die Erprobung unter qualifizierten Bedingungen von fachlich geeigneten Ärzten und Einrichtungen durchgeführt wird", sollen also deren erfolgreiche Durchführung absichern 66 . Aus Sicht des Gesetzgebers, der zuvor -wie zunächst auch das BSG -von einer Erlaubnis zur Erbringung jeglicher Methoden bis zu deren Ausschluss durch den G-BA ausgegangen war 67 , stellte sich die spätere Einführung der Voraussetzung eines Potentials für Leistungen außerhalb einer Erprobungsregelung nicht als Erweiterung des Leistungsanspruchs im stationären Bereich, sondern als dessen Begrenzung dar. Daher ist es folgerichtig und entspricht dem Regelungszweck, dass für diese Begrenzung des Leistungsanspruchs keine zusätzlich begrenzenden Elemente vorgesehen worden sind. Das BSG teilt lediglich die gesetzgeberisch vorgenommene Abwägung zwischen Innovationsförderung und Patientensicherheit nicht. Im Übrigen ist der die Entscheidung tragende Befund, es gäbe jedenfalls vor Einleitung des Erprobungsverfahrens weder ausdrückliche Sicherheitsvorkehrungen noch ein strukturiertes Verfahren, "das auf eine abschließende Bewertung der Potentialmethode hinauslaufen könnte", unzutreffend 68 . Zunächst ist zu beachten, dass die abschließende Bewertung jederzeit durch die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene mit einem Antrag auf Überprüfung nach § 137 c Abs. 1 S. 1 SGB V eingeleitet werden kann. Ein solcher Antrag setzt konkrete Fristen in Gang 69 , denn ebenso wie in anderen Bewertungsverfahren war der Gesetzgeber auch im Kontext des § 137 c SGB V bemüht, zügigere Entscheidungen des G-BA zu gewährleisten. Sinnhafte Innovationen sollen schnell in den Leistungskatalog aufgenommen werden; nutzlose Methoden sollen aber auch frühzeitig ausgeschlossen werden 70 . Mit Wirkung v. 23. 7. 2015 71 hatte der Gesetzgeber daher die Regelung des § 137 c Abs. 1 SGB V um die Sätze 6 und 7 -heute Sätze 5 und 6 -ergänzt. Nach § 137 c Abs. 1 S. 5 SGB V muss die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. 72 Und das eigentliche Bewertungsverfahren muss nach § 137 c Abs. 1 S. 6 SGB V grundsätzlich spätestens innerhalb von drei Jahren abgeschlossen sein 73 78 Der Vergleich mit den existierenden Standardbehandlungen, der notwendigerweise auch die Auseinandersetzung mit möglichen Risiken der Potentialmethode voraussetzt, ist dem Potentialbegriff nach der gesetzlichen Konzeption also bereits inhärent. Von schärferen "Sicherheitsvorkehrungen" hat der Gesetzgeber -dem diese Gefahr, das ergibt sich aus dem soeben Dargelegten -durchaus präsent war, abgesehen. Das kann man versorgungspolitisch für richtig halten oder auch nicht, es ist jedenfalls als gesetzgeberi- Dass der in den Gesetzesmaterialien enthaltene Hinweis auf die "typischerweise schwerer erkrankten Versicherten" nicht als Begründung des erdachten Tatbestandsmerkmals der "schwerwiegenden Erkrankung" taugt, sei abschließend erwähnt. Dem Gesetzgeber ging es hier um eine Abgrenzung des vertragsärztlichen vom stationären Bereich, in dem typischerweise schwerer erkrankte Menschen versorgt werden; mit der Eingrenzung des Anspruchs auf Potentialmethoden hat das nichts zu tun 85 . Sinn und Zweck der Regelung des § 137 c Abs. 3 SGB V dürften nach den bisherigen Ausführungen mehr als deutlich auf der Hand liegen: Es geht um den Zugang gesetzlich krankenversicherter Menschen zu innovativer Medizinund zwar schon vor einer Entscheidung des G-BA nach Maßgabe von § 137 c Abs. 1 SGB V. Die Auslegung von § 137 c Abs. 3 SGB V anhand von Systematik, Materialien sowie Sinn und Zweck ergibt damit eine Bestätigung dessen, was der Wortlaut im Grunde bereits unmissverständlich vorgibt: Eine Potentialmethode darf im stationären Bereich vor einer Entscheidung des G-BA erbracht werden. Die juristisch durchaus anspruchsvolle "Auslegungsakrobatik" des BSG vermag darüber nicht hinwegzutäuschen: Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle keine "offene" Abwägungsentscheidung zwischen Innovation und Patientenschutz vorgesehen, sondern an das Vorliegen einer Potentialmethode eine klare Rechtsfolge geknüpft. Um seine eigenmächtige Schaffung einschränkender Tatbestandsmerkmale methodisch zu rechtfertigen, hätte der Senat eigentlich begründen müssen, warum der Gesetzgeber die Situation vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie nicht genau so regeln wollte, wie er es im Wortlaut getan hat -oder warum diese Entscheidung zwingend korrekturbedürftig ist. Den Versuch der Begründung einer gesetzlichen "Lücke" 86 -methodisch gleichermaßen Voraussetzung für teleologische Reduktion wie für Schaffung ungeschriebener begrenzender Voraussetzungen 87 -unternimmt der 1. Senat aber erst gar nicht. Dies wäre auch nicht erfolgsversprechend: Zu deutlich ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Wortlaut und Materialien, dass der Gesetzeber nicht nur nichts übersehen, sondern einen klar identifizierten Konflikt mit einer eindeutigen Regelung gelöst hat 88 . Deister/Felix, Zur neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 137c SGB V 6 MedR (2022) 40: 1-8 BSGE 90 BSGE 90 Ein Beitrag des Richters Hauck aus dem Jahr 2007 ließ erahnen, dass das Gericht sich neu positionieren würde 1, 3; vgl. auch schon Deister MedR 2011, 67 und Felix, MedR 2014, 283 sowie Felix/Deister, NZS 2013 NZS 2016 SozR 4-2500 § 137 Nr. 6, Rdnr. 30. Vgl. jüngst auch BSG BSGE 125, 283, Rdnrn Wenn ein Bundesgericht dennoch bewusst und sehenden Auges von dieser mehr als klaren Aussage in einer für das Gesetzgebungsverfahren ganz maßgeblichen Drucksache abweichen, ja sogar das erklärte Gegenteil realisieren will, verletzt es den Grundsatz der Gewaltenteilung und setzt sich dem Vorwurf der der Praxis war das vor allem relevant im Kontext der Entgeltvereinbarungen nach § 6 KHEntgG (hierzu ausführlich Felix 2021 -B 1 KR 25/20 R -, Rdnrn. 22 f. So auch schon Orlowski Sehr deutlich erkennbar in BT-Dr. 17/6906, S Vgl. Art. 1 Nr. 62 GKV-VSG v. 16. 7. 2015 (BGBl. I S. 1211) Der Sache nach geht es hier nur um die Annahme des Antrags Hier ist allerdings eine Verlängerungsoption vorgesehen Tatsächlich dürften entsprechende Vorgaben allerdings zumeist am fehlenden Wissen des G-BA von der Methode scheitern Vgl. zur Rechtsprechung insoweit Ihle, in: jurisPK-SGB V, Stand. 15. 6. 2020, § 137 c, Rdnr. 25 m. w. N 2021 -B 1 KR 25/20 R -, Rdnr Eingehend zur Lückenfüllung Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 11. Aufl. 2019, Rdnrn Insofern besteht auch ein deutlicher Unterschied zum Unfallversicherungsrecht: Hier ist mitunter eine Verweigerungshaltung des Gesetzgebers auszumachen, die die Gerichte vor besondere Herausforderungen stellt (hierzu anschaulich Spellbrink/Karmanski Rdnr. 35 zur Höhe der Regelleistungen auch mit Blick auf Gesundheit. Man mag sich fragen, warum das BVerfG nicht bereits im so genannten Nikolaus-Beschluss auf einen Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass eine verfassungskonforme Auslegung durch das Gericht am klaren Wortlaut des § 137 c Abs. 3 SGB V gescheitert wäre NZS 2019 Weiter-)Verwendung von menschlichen Körpermaterialien von Verstorbenen für Zwecke medizinischer Forschung, DÄBl 2 der ersten Ergänzung; s. auch mit Blick auf noch lebende Personen Nr. 3 und Nr. 7 der Stellungnahme Das das BVerfG mit Blick auf die Grenzen der Rechtsfortbildung als Kontrollinstanz an Bedeutung zu verlieren scheint, wurde bereits an anderer Stelle dargelegt (Felix, NZS 2019, 646, 650). Insofern bedarf es wohl erneuter Korrekturen durch den Gesetzgeber Richter sprechen "kein eigenes Recht In seinem Bestreben nach Umsetzung seiner eigenen Vorstellung von "Patientensicherheit" übersieht der 1. Senat einen gewichtigen Aspekt im Kontext richterlicher Lückenfüllung, auf den zu Recht der 2. Senat jüngst in einigen rechtsmethodisch in jeder Hinsicht vorbildlich begründeten Entscheidungen hingewiesen hat: Gegen die richterliche Entwicklung ungeschriebener einschränkender Tatbestandsmerkmale spricht im Sozialrecht bereits § 31 SGB I, "der über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus bestimmt, dass Rechte in den Sozialleistungsbereichen nur "aufgehoben werden" dürfen, "soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt". Mit der insoweit notwendigen "Schriftlichkeit" ist die -gedankliche -Hinzufügung ungeschriebener gesetzlicher Tatbestandsmerkmale zu Lasten Versicherter grundsätzlich unvereinbar." 89 Dessen Entscheidung wäre nur dann in Frage zu stellen, wenn das Regelungssystem der Methodenbewertung des SGB V als verfassungsrechtlich bedenklich zu werten wäre, weil der Gesetzgeber der Patientensicherheit letztlich zu wenig Beachtung geschenkt habe. Als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt käme hier insbesondere Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in Betracht, der nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe verhindert, sondern den Staat zugleich verpflichtet, sich schützend vor das Leben zu stellen 91 . In diesem Kontext wäre allerdings gleichsam umgekehrt zu bedenken, dass die Norm in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip in den letzten Jahren vor allem zur Begründung individueller Leistungsansprüche verwendet wurde 92 -es stellt sich also eher die Frage, wie weit der Anspruch der Versicherten auf die Teilhabe an innovativer Medizin reichen müsste. Eine Missachtung der Patientensicherheit durch den Gesetzgeber ist jedenfalls nicht ersichtlich, so dass auch eine Vorlage an das BVerfG aus naheliegenden Gründen nicht in Betracht kam 93 . Es überrascht daher nicht, dass der 1. Senat die verfassungsrechtliche "Karte" nicht gezogen hat.Und ein Letztes sei im Kontext der Patientensicherheit angemerkt. Selbst wenn man das Verständnis des BSG teilen wollte, dass -zusätzlich zur gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge -eine Einzelfallabwägung notwendig wäre, könnte die vom Gericht gewonnene Verallgemeinerung des Abwägungsergebnisses auf der Grundlage der selbst geschaffenen Anspruchsvoraussetzungen "Schwere der Erkrankung" und "fehlende Standardbehandlung" nicht überzeugen. Dass die Aussage "Patientensicherheit schlägt Innovation" nicht selbsterklärend ist 94 , wurde bereits dargelegt. Aber auch die Schwere der Erkrankung hat letztlich nichts mit Risikominimierung zu tun, denn gerade bei schweren Erkrankungen können Nebenwirkungen besonders gefährlich sein. Zudem kann der Vorteil der Potentialmethode gerade in geringeren Nebenwirkungen und damit einer höheren Patientensicherheit liegen. Hier drängt sich die Frage auf, ob es dem Gericht, das im Übrigen stets nur von "neuen" Methoden spricht, letztlich nicht eher um den Aspekt der Kostensenkung geht. Für die Patientensicherheit taugt das Kriterium der Schwere der Erkrankung jedenfalls nicht. Und auch die Frage nach der Existenz irgendeiner Standardbehandlung steht in keinem Bezug zum Risiko. Das erste Urteil des neuen 1. Senats zu § 137 c SGB V erweist sich in vielfältiger Weise als enttäuschend. Ein weiteres Mal wurde -wenn auch mit neuer Begründung -der im Gesetz zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wille missachtet. Vielen Versicherten nimmt das neue Verständnis von § 137 c Abs. 3 SGB V die Chance auf die Behandlung mit einer Potentialmethode, die vielleicht weniger Nebenwirkungen hat oder eine größere Aussicht auf Heilung bietet.Aus methodischer Sicht ist die Entscheidung zu kritisieren. Der 1. Senat selbst spricht von einer "Auslegung" der Norm 95 ; in der Sache dürfte es sich aber wohl eher um eine Form der richterlichen Rechtsfortbildung handeln 96 . Diese gehört zu den ureigensten Aufgaben der Rechtsprechung; sie darf allerdings nicht dazu dienen, den erkennbaren Willen des Gesetzgebers beiseitezuschieben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung der Interessen zu ersetzen 97 . Genau das ist aber hier geschehen -das Gericht hat die gesetzgeberische Entscheidung aufgrund seiner eigenen rechtspolitischen Entscheidung verändert und durch eine judikative Lösung ersetzt, die so im Parlament vielleicht nicht erreichbar gewesen wäre 98 Willens des Verstorbenen) zu Recht betont. Gleichwohl finden sich unter rechtlichen Gesichtspunkten auch Unzulänglichkeiten, die in der Praxis bislang nur unzureichend reflektiert werden. Angesichts der weit verbreiteten Tendenz, Richtlinien der Bundesärztekammer oder Stellungnahmen der ZEKO mit Parlamentsgesetzen gleichzusetzen, bedarf es insoweit einiger Klarstellungen unter rechtlichen Gesichtspunkten. Die erste Ergänzung zur Stellungnahme der ZEKO unterstreicht zunächst einmal die spezialgesetzlichen und damit vorrangig zu beachtenden "Verfügungen für eine Autopsie" 3 und betont im Folgenden den basalen Charakter des "Einverständnisses zur weiteren Verwendung von Körpermaterialien", das primär beim Betroffenen, ersatzweise aber auch "von den Angehörigen einzuholen" ist, wobei die "Angehörigen (…) nach mutmaßlichem Willen des Verstorbenen entscheiden (sollten). Eventuell vom Verstorbenen zu Lebzeiten gegebene Eingrenzungen der Verwendung sind grundsätzlich zu beachten." 4 99 . Vorliegend fehlt es bereits an einer Regelungslücke -und dass die anerkannten Auslegungsmethoden das vom BSG gewonnene Ergebnis nicht tragen, wurde ausführlich dargelegt 100 . Das gesetzgeberische Regelungskonzept ist auch unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 2 GG gut vertretbar -und es ist zu respektieren 101 .Es bleibt fast zu wünschen, dass der Gesetzgeber sichspätestens nach dem Ende der Covid-19-Pandemie -zu einer weiteren "Klarstellung" genötigt sieht und dem Einsatz innovativer Medizin im stationären Sektor endlich zu der Durchschlagskraft verhilft, die sie von Beginn an haben sollte.