key: cord-0751944-8kqki4mf authors: Hart, Dieter title: Impfstoffe gegen SARS-CoV-2: Zulassungskriterien, Aufklärungsvoraussetzungen und Auswahlmöglichkeiten date: 2021-08-24 journal: Medizinrecht DOI: 10.1007/s00350-021-5944-5 sha: f2cef269e2efa0dfb7338574a9f8eb9ab65bbbb6 doc_id: 751944 cord_uid: 8kqki4mf nan Die umfassende Transparenz und gute Kommunikation über die Impfstoffe sind die Voraussetzungen einer breiten Annahme der Impfung in der Bevölkerung 1 . Dies erfordert eine sachgemäße und sachliche Information allgemein über die Impfstoffe, ihren Nutzen und die unerwünschten Wirkungen und impliziert, dass dabei auch über die Begrenztheit unseres bisherigen Wissens informiert wird. Die individuelle Auf klärung der zu Impfenden ist ein wichtiger Prozess und Teil der notwendigen allgemeinen Information und Beratung über die Impfstoffe 2 . Auf klärung ist ein wichtiger Teil der Legitimation der Impfung und ihrer Praxis. Gute Auf klärung ist gute Kommunikation und gegebenenfalls "partizipative Kommunikation" 3 . Das Recht der Arzneimittel und Impfstoffe ist im Wesentlichen Produktrecht und Produktsicherheitsrecht, die Auf klärung gehört zum Behandlungsrecht und Behandlungssicherheitsrecht 4 . Die Nutzen/Risiko-Bilanz und damit die Sicherheit eines Arzneimittels bzw. Impfstoffs ist -neben seiner Qualität -sowohl für die Zulassung wie Aufklärung ein zentrales Bewertungskriterium, wobei erstere eine abstrakt-generelle wirkungsbezogene, letztere eine konkret-individuelle anwendungsbezogene Bewertung darstellt. Diese Differenz wird in der aktuelleren öffentlichen Diskussion um die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 kaum zur Kenntnis genommen und ist deshalb auch für Verwirrungen ursächlich. Die Sicherheit des Arzneimittels/Impfstoffs ist auch ein Prozess, der von der klinischen Prüfung und ihrer Zulassung, über die Zulassung des Impfstoffs bis zur Pharmakovigilanz reicht und sich auf den gesamten Lebenszyklus des Produkts und seiner Anwendung bezieht -mit dem zeitlichen und sachlichen Voranschreiten dieses Prozesses entwickelt sich auch die behandlungsbezogene Kommunikation/Aufklärung über das Produkt. Auch sie ist abhängig von der Entwicklung unseres Wissens über den Impfstoff. Die am Beginn des Prozesses bestehende, aber abnehmende Unsicherheit unseres Wissens ist auch ein Gegenstand der Kommunikation und Aufklärung über das Arzneimittel. Der Prozess gilt für beide Felder. Allerdings zeigen die unterschiedlichen Bewertungen der Nutzen/Risiko-Bilanz zwischen der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), einzelnen Mitgliedstaaten der EU (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte [BfArM] , Paul Ehrlich Institut [PEI] für Deutschland), anderen nicht-mitgliedstaatlichen Zulassungsbehörden sowie Nicht-Zulassungsbehörden (z. B. Ständige Impf kommission [STIKO] ), dass die Kriterien der Nutzen/Risiko-Bilanzierung, also der Abwägung als unbestimmte Rechtsbegriffe eine hohe Interpretationsflexibilität gewähren. Zwischen der scheinbaren Klarheit des Gegensatzes von abstrakt-generell/konkret-individuell existiert ein unsicheres Dunkelfeld. Zusätzlich wird meistens davon geredet, dass den zu Impfenden keine Auswahlfreiheit zwischen den unterschiedlichen Impfstoffen zustehe, was von einer bürgerlich-und sozialrechtlichen Selbstverständlichkeit bei unterschiedlichen Wirkungen von Arzneimitteln identischer Indikation abweicht und wohl der herrschenden Impfkampagnepolitik geschuldet ist. Auch dieser rechtlichen Fehlvorstellung geht der folgende Beitrag nach 5 . Die Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union erfolgt zentral gemäß Art. samkeitsanforderungen liegen bei mindestens 50 %; an die Nachbeobachtung und Pharmakovigilanz werden erhöhte Anforderungen gestellt 13 : "Whenever feasible, the EMA has recommended that clinical trial participants should be followed for safety and efficacy within their randomised groups for at least one year after completing vaccination. This is recommended even if a conditional approval based on a convincing interim analysis of efficacy has occurred before all study participants have reached one year. These longer-term data are important to document any late adverse reactions and to assess whether there is waning of protection against SARS-Cov-2 disease over time." Die Voraussetzungen einer bedingten Zulassung sind in Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 507/2006 geregelt: "Eine bedingte Zulassung kann erteilt werden, wenn der Ausschuss der Ansicht ist, dass alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind, obwohl keine umfassenden klinischen Daten über die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Arzneimittels vorgelegt wurden: a) Das in Artikel 1 Nummer 28a der Richtlinie 2001/83/EG definierte Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels ist positiv; b) der Antragsteller ist voraussichtlich in der Lage, die umfassenden klinischen Daten nachzuliefern; c) eine medizinische Versorgungslücke kann geschlossen werden; d) der Nutzen für die öffentliche Gesundheit, den die sofortige Verfügbarkeit des Arzneimittels auf dem Markt mit sich bringt, überwiegt die Gefahr aufgrund noch fehlender zusätzlicher Daten. In Krisensituationen nach Artikel 2 Nummer 2 kann eine bedingte Zulassung erteilt werden, sofern die in den Buchstaben a bis d des vorliegenden Absatzes aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn noch keine vollständigen präklinischen oder pharmazeutischen Daten vorgelegt wurden." Die Zulassungsanforderungen an die Standards von Qualität und der Nutzen/Risiko-Bilanz bleiben auch in diesem beschleunigten Verfahren prinzipiell erhalten. Allerdings sind gewisse Relativierungen hinsichtlich der Nutzen/Risiko-Bilanz nach der zitierten Guideline 14 möglich: "For the demonstration of a positive benefit-risk balance the available evidence should be sufficient to demonstrate the benefits of the medicinal product to a degree that allows them to be assessed against the risks identified in the studies conducted and the risks related to the absence of some of the data …" "The applicant will have to provide a justification to substantiate the claim that the benefits to public health of the immediate availability of the medicinal product outweigh the risks inherent in the fact that additional data are still required. The justification should assess the impact of immediate availability on public health, based as far as possible on objective and quantifiable epidemiological information, as opposed to availability when comprehensive clinical data are expected to be available. Similarly, the risks inherent in the fact that additional data are still required shall be quantified as far as possible on objective and quantifiable terms …" Dagegen gilt: "For a conditional marketing authorisation, comprehensive non-clinical and pharmaceutical data should be availablable." Insofern sind Relativierungen hinsichtlich der nicht-klinischen Daten nur beschränkt zulässig. Die verbleibende Unsicherheit hinsichtlich der Nutzen/Risiko-Bilanz kann durch zusätzliche, noch laufende oder spätere Studien, Verlängerung der Studiendauer, Monitoring u. ä. ausgeglichen werden, sofern eine positive Bilanz aufgrund der vorliegenden Daten (Zwischenauswertung von Phase III-Studien, die noch nicht vollständig ausgewertet, teilweise fortgesetzt werden, teilweise aber auch abgeschlossen sind [Teilnehmer rekrutiert; Behandlung mit Impfstoff beendet]) trotz verbleibender Unsicherheit gezogen werden kann 15 . Der Sache nach bedeutet das, dass der Zulassungsversagungsgrund der unzureichenden Prüfung fast ausgeschlossen, mindestens stark relativiert wird 16 . Inzwischen gibt es auch regulatorische Hinweise (Reflection Paper) für den Fall einer Anpassung eines zugelassenen Impfstoffs (parent vaccine) an eine oder mehrere neue SARS-CoV-2-Varianten 17 . Es enthält unter bestimmten Voraussetzungen Erleichterungen für die bedingte Zulassung. Die bedingte Zulassung ist keine Notfallzulassung, die es auf EU-Ebene nicht, auf mitgliedstaatlicher Ebene sehr wohl gibt (so z. B. in GB; in D kann § 28 Abs. 3, 3a-f AMG herangezogen werden, der aber eher der bedingten Zulassung auf EU-Ebene entspricht 18 ). Einen Überblick über die Arten der bedingt zugelassenen Impfstoffe geben das Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 19 , Unterschieden werden mRNA-(BioNTech, Moderna, CureVac), und virale Vektor-Impfstoffe (AstraZeneca/Vaxzevria, Johnson&Johnson/Janssen, Sputnik V, Sinovac) 24 . Zusätzlich sind Protein-Impfstoffe in der Prüfung (Novavax) 25 . Durch die EMA bedingt zugelassen sind folgende Impfstoffe: 1. Comirnaty (BioNTech/Pfizer) 26 2. Moderna 27 3. Vaxzevria (AstraZeneca) 28 4. Janssen ( Janssen-Cilag, Johnson&Johnson) 29 . Im Verfahren (Rolling Review-Verfahren vor bedingter Zulassung) befinden sich bei der EMA 30 : Die Rolling Review-Verfahren sind im Februar, März und Mai 2021 gestartet worden. Für alle bedingt zugelassenen Impfstoffe sind die sukzessiven safety update reports der EMA (PRAC = Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz für Sicherheit) 31 oder des PEI 32 bedeutungsvoll. Mit Hilfe des Signalmanagementverfahrens 33 werden neu auftretende Risiken erfasst und bewertet (PRAC). Im Folgenden werden die m. E. wichtigsten Zulassungsvoraussetzungen Qualität, Wirksamkeit, Risiken und die Abwägung zwischen Nutzen und Risiken, die Nutzen/ Risiko-Bilanz behandelt. Die Qualität der im Zulassungsverfahren zu treffenden Bewertungen hängt jenseits der vorzulegenden Unterlagen insbesondere vom institutionalisierten Verfahren ab, das im Wesentlichen eine Art Peer Review-Verfahren darstellt, in dem Berichterstatter, Gutachter, Fachausschüsse (z. B. PRAC = Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz für Sicherheit) und Arbeitsgruppen (z. B. Arbeitsgruppe "Biotechnologie" für Qualität) und Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (Fachvertreter der Mitgliedstaaten) zusammenwirken. Für die Bewertung der Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 wurde zudem eine spezielle Expertengruppe, die COVID-19 Pandemic-Taskforce der EMA eingesetzt 34 . Die Qualität der Daten und des Bewertungsverfahrens sichern die Verlässlichkeit und Seriosität der Zulassung insgesamt. Das Qualitätskriterium ist nicht im Gemeinschaftskodex, wohl aber in § 4 Abs. 15 AMG definiert: "Qualität ist die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird." Es sind insbesondere die Regeln über die gute Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP) zu beachten, die auch die Grundlage für die Pharmazeutische Inspektionskonvention (PIC) sind. Bedeutungsvoll sind außerdem die verschiedenen Arzneibücher oder Pharmakopöen, die eine Sammlung anerkannter pharmazeutischer Regeln über die Qualität, Prüfung, Lagerung, Abgabe und Bezeichnung von Arzneimitteln enthalten ( § 55 Abs. 1 AMG). Die Zulassung wird versagt, wenn "das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt wird oder nicht die angemessene Qualität aufweist" ( § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AMG). Der Gemeinschaftskodex definiert die Qualität aus einer Negativsicht als Überwiegen der Risiken gegenüber dem Nutzen, als nicht den geforderten Qualitätsansprüchen genügend (Art. 1 Nr. 28 1. Spiegelstrich Gemeinschaftskodex). Die Zulassung wird versagt, wenn "das Arzneimittel nicht die angegebene Zusammensetzung nach Art und Menge aufweist" (Art. 26 Abs. 1c Gemeinschaftskodex) 35 . Die Überprüfung der Chargen eines hergestellten Arzneimittels/Impfstoffs obliegt den Behörden der Mitgliedstaaten, also in Deutschland für Arzneimittel dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und für Impfstoffe dem Paul Ehrlich Institut (PEI). Die STIKO ist an Zulassungsprozessen nicht beteiligt. Die Prüfung der Qualität im beschleunigten Verfahren der bedingten Zulassung erlaubt gegenüber dem üblichen Zulassungsverfahren nur geringe Relativierungen. Die Anforderungen sind im Wesentlichen identisch 36 . Das Nutzen/Risiko-Verhältnis ist in Art. 1 Nr. 28a Gemeinschaftskodex definiert, "Eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko gemäß der Definition in Nr. 28 Es sind alle unerwünschten Wirkungen des Arzneimittels/ Impfstoffs in die Abwägung einzubeziehen 46 . Man kann sowohl von einer "absoluten" als auch von einer "relativen" Unbedenklichkeit sprechen: absolut in Bezug auf die Bewertung des fraglichen Arzneimittels/Impfstoffs (auch gegenüber der sog. Null-Strategie), relativ in Bezug auf die Bewertung des Arzneimittels gegenüber anderen im Verkehr befindlichen Arzneimitteln oder gegenüber anderen therapeutischen Strategien, was bei den Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 jedenfalls am Beginn der Entwicklung ausscheidet. Es gibt keine "head to head"-Vergleiche; sie sind auch leider nicht zu erwarten. Das Niveau der Unbedenklichkeit unterliegt im Falle konkurrierender Produkte ei- Der Indikationsanspruch der Impfung gegen SARS-CoV-2 ist der relative Ausschluss einer Infektion mit SARS-CoV-2 und der relativ milde Krankheitsverlauf im Falle der Infektion sowie ein möglichst milder Verlauf einer Reinfektion, wobei die letzten beiden Ziele (noch) nicht in die Definition der Indikation der Impfstoffe aufgenommen sind, weil dazu bisher keine ausreichenden Daten existieren. Es handelt sich um eine schwere, pandemische Erkrankung, für die (bisher) keine gut wirksamen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen; der Impfstoff ist nicht ersetzbar. Indikationsangabe beispielsweise in der Gebrauchsinformation (Summary of Product Characteristics) von Comirnaty: "Comirnaty is indicated for active immunisation to prevent COVID-19 caused by SARS-CoV-2 virus, in individuals 16 years of age and older." Die partiellen Indikationsbeschränkungen der STIKO für Vaxzevria von "nur für <60" bis "nur für >60" und "für alle, aber für <60 nur nach besonderer Auf klärung" (Letzteres auch für Janssen 62 ) in Deutschland waren durch die Zulassung der Impfstoffe durch die EC/EMA nicht gerechtfertigt, aber am Ende aufgrund der in der Nachbeobachtung zu Tage tretenden Risiken jedenfalls vertretbar, wenn nicht geboten. Der präventive Nutzen der Impfstoffe ist hoch, ebenso wie sein Nachweisgrad sicher 63 . Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es sich um eine relative, nicht absolute Wirksamkeit (Berechnungsmethode) handelt (oben III.2.a). Dass Mutanten auftreten können und werden, beeinträchtigt dieses Urteil zunächst nicht, sondern erst dann, wenn aufgrund neuer Erkenntnisse die Mutante den Impfstoff teilweise oder ganz unwirksam macht und Impfstoffanpassungen erforderlich werden. Die Dauer der Immunität ist noch nicht bekannt oder unsicher; man geht von mindestens 6 Monaten aus 64 "Auch wenn das Risiko einer Infektion deutlich reduziert ist, so handelt es sich nicht um eine sog. sterile Immunität. Es muss davon ausgegangen werden, dass einige Menschen nach SARS-CoV-2-Exposition trotz Impfung PCR-positiv getestet werden und potenziell das Virus auch weiterverbreiten können. Das Restrisiko einer Übertragung kann jedoch durch zusätzliche Maßnahmen (Einhalten der AHA+L-Regeln, Selbstisolierung bei Symptomen) zusätzlich reduziert werden." Die Zwischenauswertungen der Phase-III-Prüfungen und spätere Nachbeobachtungen haben Verdachtsfälle von lokalen oder systemischen Nebenwirkungen unterschiedlicher Häufigkeit, Schwere und Reversibilität sowie Behandelbarkeit gezeigt. Die Sicherheitsberichte der EMA und des PEI haben als sehr seltene, aber schwere Nebenwirkungen mit wahrscheinlichem nicht nur zeitlichem, sondern auch ursächlichem Zusammenhang mit den Impfstoffen ("plausibel"), insbesondere thrombotische oder anaphylaktische Reaktionen in unterschiedlichem Auftreten bei Frauen und Männern unterschiedlichen Alters (z. B. Vektor-Impfstoff Vaxzevria: Frauen unter 60 Jahren häufiger betroffen von Sinusvenenthrombosen als Männer) aufgelistet, wobei die beiden Vektor-Impfstoffe in erster Linie von den thrombotischen Reaktionen (Thrombose/Thrombozytopenie) betroffen waren 68 . Beim gegenwärtigen Stand unseres Wissens über die Impfstoffe ist ein valider Vergleich der Risiken der Impfstoffe mit der Möglichkeit, aufgrund der unterschiedlichen Risiken zugunsten des einen oder anderen Impfstoffs zu entscheiden, (noch) nicht möglich -es gibt bisher keine hochwertigen "head to head"-Vergleichsstudien. Das Auftreten von Nebenwirkungen oder Krankheitsbildern im Zusammenhang mit der Impfung wird häufig mit sog. Hintergrundinzidenzen 69 verglichen, also dem Auftreten desselben Krankheitsbildes in der Bevölkerung, ohne Berücksichtigung der Impffälle. Wenn die Hintergrundinzidenz höher oder gleich ist, wird das zu einem wichtigen Argument im Abwägungsprozess. 77 . Hinsichtlich der Gesamtrisikolast der Impfstoffe kann man eine vorsichtige Differenzierung zwischen den mRNA-Impfstoffen und den Vektor-Impfstoffen vor-nehmen: Warnsignale (insbes. Sinusvenenthrombosen mit Todesfällen) sind weniger bei den mRNA-als bei den Vektor-Impfstoffen (umgekehrt hinsichtlich anaphylaktischer Reaktionen ohne Todesfälle) zu verzeichnen und die systemischen Nebenwirkungen treten bei den Vektor-Impfstoffen häufiger auf 78 . Die Abwägung setzt die Bedeutung der Indikation, den Grad der Wirksamkeit, die unterschiedlich häufigen, schweren, revidier-und behandelbaren Risiken in Beziehung und bildet eine Nutzen/Risiko-Bilanz, die für alle Formen der Zulassung, auch die bedingte Zulassung, positiv ausfallen muss, soll die Zulassung ausgesprochen werden. Valide Vergleichsstudien zwischen den zugelassenen Impfstoffen existieren nicht. Man kann aufgrund der Berichterstattung und den zugänglichen Entscheidungsveröffentlichungen sowie den zugänglichen Packungsbeilagen und SOPs 79 Dass die späteren Risikoentscheidungen die bedingte Zulassung bei verbleibender Unsicherheit der Daten bestätigten 80 , liegt sicherlich an der Qualifikation der Nebenwirkungen ("Sehr selten": <1 : 10.000), an ihrer möglichen Behandlung, an den zu dieser Zeit möglichen Vergleichen mit Hintergrundinzidenzen und der Möglichkeit der Aufnahme von Warnungen in die Gebrauchsinformation bzw. SOP bzw. Fachinformation für Ärzte 81 . Die gesundheitspolitische Grundmelodie "Bekämpfung der Pandemie" ist im Rahmen des Kriteriums Indikation prägend für den gesamten Abwägungsprozess. Es trägt alle arzneimittelrechtlich existierenden Beschleunigungsmöglichkeiten und die Anforderungsrelativierungen im bedingten Zulassungsprozess. Zusätzlich sind die ausgeprägten und umfangreichen Risikomanagementpläne 82 bzw. die angeordnete Nachbeobachtung eine Absicherung, bei dem Auftreten schwerer Nebenwirkungen schnelle Risikoanalysen durchführen und dann reagieren zu können. Der Nutzen der Impfung (Indikation) ist um ein Vielfaches höher als das Risiko, an SARS-CoV-2 zu erkranken und evtl. zu sterben 83 . Im Verhältnis zu den europäischen Zulassungsbehörden nimmt die STIKO eine Sonderstellung insofern ein, als sie weder an dem Zulassungsprozess beteiligt ist noch eine sonstige Entscheidungsfunktion innehat ("Wissensverwaltung") 84 , aber dennoch mit ihren Empfehlungen beim Ast-raZeneca-Impfstoff mindestens anfangs eine zulassungsabweichende Position bezogen hat: Zunächst keine Impfung der Älteren (ab 65 Jahren), weil keine ausreichenden Daten (was zu diesem Zeitpunkt übrigens auch für die anderen Impfstoffe galt) und später bei Vaxzevria (und bei Janssen) uneingeschränkt nur die Älteren (ab 60 Jahren) wegen der spezifischen sehr seltenen Nebenwirkungen 85 . Alle diese Entscheidungen basieren auf demselben Datenmaterial, auf derselben Wissensbasis. Das weist auf Entscheidungsspielräume hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe, auf unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe hinsichtlich der Arzneimittelrisiko-bzw. -sicherheitsvorsorge, auf unterschiedliche wissenschaftliche Vertretbarkeitsmaße und auf unterschiedliche institutionelle Verantwortlichkeiten hin, möglicherweise auch auf unterschiedliche nationale Impfpolitiken und -strategien 86 . Alters-und geschlechtsbezogene Differenzierungen führen zu unterschiedlichen Häufigkeitskategorien und anderen Hintergrundinzidenzen, die dann auch nationale Zulassungsbehörden bzw. Gesundheitspolitiken zu stärker risikovorsorgenden Entscheidungen veranlassen bzw. veranlasst haben (z. B. Dänemark sperrt beide Vektorimpfstoffe, gibt sie später außerhalb des Impfprogramms wieder frei; Belgien sperrt Johnson&Johnson für unter 41-Jährige) 87 . Interessant sind in diesem Zusammenhang die Wertungen des arznei-telegramms 88 : "Die STIKO empfiehlt den AstraZeneca-Impfstoff für Personen ab 60 Jahren weiterhin ohne Einschränkung, da sie die Nutzen-Schaden-Abwägung in dieser Altersgruppe aufgrund der steigenden Letalität einer COVID-19-Erkrankung als eindeutig positiv einstuft. Die Kommission bezieht sich dabei auf Meldedaten des Robert Koch-Instituts, nach denen das Risiko, an COVID-19 zu versterben, ab einem Alter von 60 Jahren etwa 50-mal höher ist als bei 18-bis 59-Jährigen: Seit Beginn der Pandemie sind in Deutschland demnach 300/100.000 Einwohner über 60 Jahre an COVID-19 gestorben gegenüber 6/100.000 Personen zwischen 18 und 60 Jahren. Bei den unter 60-Jährigen wiegt das geringe COVID-19-Sterberisiko das Risiko einer Sinus-thrombose nach Ansicht der STIKO nicht auf, zumal alternative Impfstoffe ohne dieses Risikosignal verfügbar sind. Eine Anwendung bleibt aber ‚nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung möglich'." Die Nutzen/Risiko-Abwägung könnte in dieser Lesart (= Bewertungsmaßstab) in bestimmten Alters-und Geschlechtsgruppen durchaus negativ ausfallen und zu einer partiellen Versagung einer Bestätigung der bedingten Zulassung für Vaxzevria (Indikationsbeschränkung) führen. Allerdings kann man folgende Verhältnisberechnungen dagegen setzen 89 : "In der Altersgruppe der 35-bis 44-Jährigen beispielsweise ist davon auszugehen, dass ungefähr 680 pro einer Million Infizierter versterben -hinzukommt das Leid durch schwere Verläufe und die möglichen Spätfolgen. Dem gegenüber steht eine mögliche Nebenwirkung, die in Deutschland bei zwölf von einer Million Geimpften berichtet wurde und an der drei von einer Million Geimpften gestorben sind. Ich vermisse das nüchterne Abwägen dieser Zahlen in der politischen Diskussion und habe den Eindruck, dass man in Großbritannien dahingehend viel rationaler vorgeht und entscheidet […] . Alleine die Infektionen, die für die Altersgruppe der 35-bis 54-Jährigen im März gemeldet wurden, werden erwartungsgemäß zu 155 Covid-19-bedingten Todesfällen in dieser Altersgruppe führen. Die Infektionen, die über alle Altersgruppen hinweg im März gemeldet wurden, werden zu ca. 4.000 Todesfällen führen. Pro Woche ergeben sich daraus 1.000 Todesfälle, die man durch eine Impfung hätte vermeiden können. Das heißt, jede Woche, um die sich die Impf kampagne weiter verzögert, fordert rund 1.000 Menschenleben." Bewertet man im Rahmen des Abwägungsprozesses in erster Linie nach dem Kriterium "Abwägung zwischen Impfrisiko und Krankheitsrisiko" überwiegt zweifelsfrei der Nutzen der Impfung den Schaden bzw. die Risiken der SARS-CoV-2-Erkrankung. Bezieht man das Kriterium "Austauschbarkeit gegen weniger riskante Arzneimittel/Impfstoffe oder therapeutische Alternativen" mit ein, relativiert das die Eindeutigkeit der Abwägung, insbesondere dann, wenn im Verlaufe des möglichen Informationsgewinns im Prozess der Pharmakovigilanz/Nachbeobachtung die Unterschiede zwischen den Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 zunehmen sollten. Der Prozess der bedingten Zulassung ist in besonderer Weise geeignet, auf solche Erkenntnisgewinne zu reagieren und im Laufe der Zeit Zulassungsanpassungen vorzunehmen. Insbesondere im Bereich des Verfahrens der bedingten Zulassung erfüllen die Packungsbeilage bzw. die SOP eine Art Mittlerfunktion zwischen Zulassung und Versagung der Zulassung, wenn sich im Laufe der Nachbeobachtung/Pharmakovigilanz neue Erkenntnisse über unerwünschte Wirkungen der Impfstoffe ergeben. Vor der Versagung oder einer Einschränkung der bedingten Zulassung kann die (verhältnismäßigere) Warnung stehen. Die im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigten Bewertungsunterschiede bei der Abwägung zwischen Zulassung und Versagung werden durch Warnungen in den Packungsbeilagen bzw. SOPs relativiert. Der Sache nach bleibt es nach der warnenden Information dem Impfstoffanwender in der Kommunikation mit dem zu Impfenden überlassen, eine der Person gerecht werdende Anwendungsentscheidung zu treffen (dazu gleich anschließend). Die Fachinformation/SOP ist für den auf klärenden Arzt oder die Ärztin das Vermittlungsinstrument für die individuelle, persönliche, konkret-situationsbezogene Aufklärung des Patienten/der zu Impfenden 90 . Die Ärztin übersetzt die abstrakt-generelle Information über die Eigenschaften des Impfstoffs in verständlicher, für den zu Impfenden personalisierter Weise mündlich und konkret-situationsbezogen (vgl. § 630 e Abs. 1 BGB). Arzt und Patient kommunizieren in einem "Arbeitsbündnis" 91 Mit der Entwicklung der Kenntnisse über die Impfstoffe entwickeln sich auch die Auf klärungserfordernisse. Die kontinuierliche Aktualisierung der Datenlage über Wirkungen und unerwünschte Wirkungen der Impfstoffe erfordert entsprechende Anpassungen des Aufklärungsprogramms und die Übernahme neuer Informationen in die Auf klärung. Dasselbe gilt für die Ergebnisse der Nachbeobachtung/ Pharmakovigilanz und der sonstigen geplanten Studien 94 . Insofern sind alle Nachzulassungsinformationen für die Aufklärung ausschlaggebend, soweit sie für die selbstbestimmte Entscheidung der zu Impfenden relevant sein können. Insofern besteht für die impfenden und auf klärenden Ärzte eine informationelle Fortbildungspflicht. Der Umfang und der Inhalt der Auf klärung über den zu applizierenden Impfstoff sind also abhängig von unserem Wissen über seine Eigenschaften. Die Auf klärung der zu Impfenden erfolgt auf behandlungsvertraglicher Basis und richtet sich insofern nach den Grundsätzen der Aufklärung bei der Arzneimittelbehandlung ( § § 630 c Abs. 2, 630e Abs. 1 BGB). Die Auf klärung hat individuell, situationsbezogen, mündlich und zeitgerecht durch einen Arzt EMA considerations on COVID-19 vaccine approval s. auch am Ende die zugrunde gelegten Referenzen Guideline on the scientific application and the practical arrangements necessary to implement Commission Regulation (EC) No 507/2006 on the conditional marketing authorisation for medicinal products for human use falling within the scope of Regulation (EC) No 726/2004, EMA/CHMP/509951/2006, Rev.1 v. 25. 2 Guideline on the scientific application and the practical arrangements necessary to implement the procedure for accelerated assessment pursuant to Article Reflection paper on the regulatory requirements for vaccines intended to provide protection against variant strain(s) of SARS-CoV-2 Kloesel/Cyran, Arzneimittelgesetz, 3. Aufl. 2019, § 25 AMG, Rdnr. 106, § 28 AMG, Rdnrn S. 20 ff. sowie IQWiG Gesundheitsinformation Efficacy and safety of the mRNA-1273 SARS-CoV-2 vaccine Der vierte in der EU zugelassene Impfstoff gegen SARS-CoV-2: Ad26.COV2.S, Der Arzneimittelbrief 2021 Zuletzt Sicherheitsberichte aller zugelassenen Impfstoffe bis einschließlich 30 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 520/2012 der Kommission v. 19. 6. 2012 über die Durchführung der in der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vorgesehenen Pharmakovigilanz-Aktivitäten Text von Bedeutung für den EWR Bedingte Marktzulassung für COVID-19-Impfstoffe in der EU v Überblick über die zugelassenen Impfstoffe S. Überblick über die in der Entwicklung befindlichen und zugelassenen Impfstoffe unter NEJMoa2101765; s. auch allgemein zu den Impfstoffen, ihrer Produktion und ihren Preisen weltweit Wouters et al., Challenges in ensuring global access to Covid-19 vaccines: production, affordability, allocation and development, thelancet EC hat den Impfstoff am 31. 5. 2021 für 12-15-Jährige bedingt zugelassen (Indikationsausweitung) Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 3. Aufl. 2019, § 25 AMG, Rdnrn Zu den Anforderungen an die Durchführung von klinischen und nicht-klinischen Studien, Überblick, s. COVID-19 vaccines: studies for approval Recht des Arzneimittelmarktes Systematischer Review zur Sicherheit und Wirksamkeit, S. 30 ff der Gebrauchsinformation von Comirnaty Impact and effectiveness of mRNA BNT162b2 vaccine against SARS-CoV-2 infections and COVID-19 cases, hospitalisations, and deaths following a nationwide vaccination campaign in Israel: an observational study using national surveillance data 85 % bei Personen über 65 Jahren Wie gut schützt die COVID-19-Impfung vor SARS-CoV-2-Infektionen und -Transmission? Bekanntmachung von Empfehlungen zur Gestaltung von Packungsbeilagen nach § 11 des Arzneimittelgesetzes (AMG) für Humanarzneimittel (gem. § 77 Abs. 1 AMG) und zu den Anforderungen von § 22 Abs. 7 S. 2 AMG (Überprüfung der Ver jsessionid= B75B2D71C7DB0468B252F5631B793969. 2_cid344? __blob= publicationFile& v= 4 ); s. auch Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Blood clots are "extremely rare" and benefits outweigh risks, regulators conclude Thrombosen und Throbozytopenie unter AstraZeneca-COVID-19-Vakzine Nr Der Arzneimittelbrief Nr Als Beispiel für individuelle Risikorelativierungen seien Personen angeführt, die Blutverdünnungsmittel einnehmen. Deren Risiko, eine Thrombose mit Therombozytopenie zu erleiden vaccine-safety-update/covid-19-vaccine-safety-update-vaxzevria-previously-covid-19-vaccine-astrazeneca-29-march-2021_en.pdf; letztes update SOP/ Packungsbeilage 28. 4. 2021. Keine Warnung für Janssen, wohl weil Vertriebsstop in der EU Solche Daten mit Verweisen bei Der Arzneimittelbrief 2021, 55, 36DB01 für Vaxzevria; arznei-telegramm, Thrombosen und Throbozytopenie unter AstraZeneca-COVID-19-Vakzine Monitor Versorgungsforschung (03/21) Huster/Kingreen, Handbuch Infektionsschutzrecht, 2021, Kap. 4, Rdnrn Im Gegensatz dazu Medicines & Healthcare products Regulatory Agency = MHRA issues new advice, concluding a possible link between COVID-19 Vaccine AstraZeneca and extremely rare, unlikely to occur blood clots eine solche Richtung auch der Überblick bei Leiter/Stegmaier Thrombosen und Thrombozytopenie unter AstraZeneca-COVID-19-Vakzine wirksamer Impfstoff Die folgenden Ausführungen orientieren sich teilweise daran STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung, RKI, Epidemiologisches Bulletin 16/2021 v. 22. 4. 2021 mit STIKO Empfehlung Archiv/ 2021/Ausgaben/ 16_ 21.pdf ? __blob= publicationFile und PEI, Sicherheitsberichte Arzneimittelbehandlung, Nr. 240, Rdnrn. 21 ff Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS Zur schwierigen Vergleichbarkeit der Impfstoffe auch Der Arzneimittelbrief 2/2021 C. Lenk/ Duttge/Fangerau, Handbuch Ethik und Recht der Forschung am Menschen Auf klärung bei der Arzneimittelbehandlung, Nr. 643, Rdnrn. 19 ff., bes. 27-30; dazu auch BGHZ 172, 1 ff. = MedR Auf klärung bei der Arzneimittelbehandlung, Nr. 643 Lipp 771 f.; der Sache nach auch BGHZ 172, 1, Rdnrn. 33 ff. = JZ 631-633; s. allgemein Kersten/Rixen, Der Verfassungsstaat in der Corona-Krise, 2 Das gilt trotz der nach wie vor in der Begründung zu § 1 Co-ronaImpf V v. 2. 6. 2021 enthaltenen Formulierung: "Darüber hinaus beinhaltet der Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 nicht das Recht, den Impfstoff eines bestimmten Herstellers zu wählen 133 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 7. Aufl. 2014, Rdnrn. 438 ff.; Pauge/Offenloch, Arzthaftungsrecht -Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. V, S. 133 ff Auf klärung bei der Arzneimittelbehandlung, Nr. 643, Rdnr. 34; Hart zu erfolgen 95 . Sie umfasst auch die Auf klärung über Behandlungsalternativen 96 , wenn "gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können." ( § 630 e Abs. 1 S. 3 BGB).Ob die Situation konkurrierender Impfstoffe ohne oder mit unterschiedlichen Eigenschaften auf klärungsrechtlich überhaupt und gegebenenfalls wie sie zu behandeln ist, stellt auf klärungsrechtlich die Frage, ob die Auswahl zwischen zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Arzneimitteln/ Impfstoffen identischer Indikation in die ärztliche Methodenfreiheit fällt und deshalb der ärztlichen Entscheidung unterliegt (V.2) oder ob diese Wahl der Selbstbestimmung der Patienten überlassen bleibt (V.3). Eine andere Situation besteht im Falle der Impfstoffknappheit -dort regiert Knappheit die Anwendung nach Priorisierung (vgl. § 1 CoronaImpf V 97 ). Die (frühere) CoronaImpf V schließt ein Wahlrecht der zu Impfenden nur im Rahmen der Priorisierung aus, nicht dann, wenn die Priorisierungsgruppen geimpft sind oder vorher schon ein allgemeines Angebot gemacht werden kann oder die Priorisierung aufgehoben ist 98 . Ein auf klärungsrechtlich wichtiger Aspekt ist die Anwendung der Impfstoffe als Heilversuchssituation: alle Impfstoffe sind Innovationen auf der Basis begrenzter Erkenntnisse in der bedingten Zulassung (V.1). Die bedingte Zulassung ist eine Entscheidung unter Unsicherheit mit begrenztem Wissen unter Fortsetzung der Auswertung von Phase III-Prüfungen (Rekrutierung der Teilnehmer ist abgeschlossen, ebenso die Behandlung, nicht dagegen die Auswertung der gewonnenen Daten) bzw. auferlegten Prüfungen oder Beobachtungsstudien. Das Produkt Impfstoff ist neu und im Stadium fortlaufender Beobachtung, deren Ergebnis auch die Versagung der Fortsetzung der bedingten Zulassung sein kann. Sichere, evidenzbasierte Urteile über die Impfstoffe sind wahrscheinlich erst nach längerer, möglicherweise Jahre dauernder Nachbeobachtung der Geimpften möglich. Es gibt keine validen Vergleichsstudien. Aus dem Gesagten folgt auch, dass auch der behandlungs-und aufklärungsrechtliche Vergleich zwischen den Impfstoffen schwierig und mit Unsicherheiten belastet und vorläufig ist 99 . Das gilt für alle Impfstoffe der bedingten Zulassung und deshalb handelt es sich im Folgenden um Annäherungen an Vergleiche unter Unsicherheit.Insofern liegt es nicht fern, der Anwendung der bedingt zugelassenen Impfstoffe als Innovationen rechtlich den Charakter von Heilversuchen zuzusprechen 100 . Man kann argumentieren, es fehle bisher an ausreichender Evidenz, um als medizinischer Standard zu taugen; die Notwendigkeit der Nachbeobachtung der Geimpften kann die vorläufige Nutzen/Risiko-Bilanz verändern; die Betonung der zusätzlichen Sicherheitsanforderungen der bedingten Zulassung ist charakteristisch für ein Erprobungshandeln, ebenso wie die zeitliche Begrenzung der Marktfähigkeit. Folgte man dieser Bewertung, hätte das für den Inhalt und Umfang der Auf klärung erhebliche Folgen: es wäre auch über den Versuchscharakter der Behandlung zu informieren 101 und die Auf klärung wäre umfassend geschuldet 102 . Auch bei gleichwertigen Impfstoffen (identische Indikation, gleiche Nutzen/Risiko-Bilanz) wäre eine Einschränkung der Wahlfreiheit der zu Impfenden weder auf klärungsrechtlich noch durch ärztliche Entscheidung gerechtfertigt.Folgt man dieser Bewertung nicht, könnte die Wahlfreiheit der zu Impfenden entweder aufgrund der Mangelsituation, die den Schutz der öffentlichen Gesundheit z. B. durch Priorisierung erfordert und deshalb individuelle Wahlfreiheit zurückstellt, oder dann zurücktreten, wenn es sich um echte Impfalternativen (identische Indikation, gleiche Nutzen/Risiko-Bilanz) handelte (dazu gleich an-schließend Die Begrenzung der Wahlfreiheit der zu Impfenden wegen echter Impfalternativen = alle Impfstoffe sind Standardbehandlung mit der Folge, dass die Entscheidung über ihren Einsatz der ärztlichen Entscheidung überlassen bleibt, wird sogleich behandelt. Wenn zwei oder mehrere Arzneimittel im identischen Indikationsgebiet mit gleicher Indikation und vergleichbaren Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine auf abstraktgenerellen Kriterien beruhende Entscheidung. Es geht insofern gerade nicht um die konkret-individuelle Bewertung in der Behandlungssituation. Von Bedeutung sind demnach die Zulassungsentscheidung (bedingte Zulassung) und die nach der Zulassung entstandenen Daten der "Pharmakovigilanz". Nach den Zulassungsentscheidungen der EMA/ EC ist diese Situation gegeben, weil alle Impfstoffe gleichermaßen ohne Einschränkungen bedingt zugelassen wurden. Auch die Überprüfung der Impfstoffe aufgrund von aufgetretenen Nebenwirkungen (z. B. Sinusvenenthrombosen) durch die EMA und das PEI habe an dieser Situation nichts geändert; geändert hat sich für Vaxzevria und Janssen die zusätzliche Warnung vor dieser Nebenwirkung in der SOP/Packungsbeilage. Eine Indikationsbeschränkung (z. B. Altersindikation) liegt nicht vor; es existiert insofern nur eine Empfehlung der STIKO, die unter abstrakt-generellen Aspekten der bedingten Zulassung nicht von Bedeutung ist.Insofern gibt es hinsichtlich der möglichen Risiken zwischen den mRNA-Impfstoffen und den Vektorimpfstoffen in der Beurteilung der Nutzen/Risiko-Bilanz keinen, in der Beurteilung der Wirksamkeit und insbesondere der Risiken sehr wohl einen Unterschied 110 . Dies wird auf nationaler bzw. mitgliedstaatlicher Ebene noch bestätigt durch z. B. die Beurteilung von Dänemark und durch den Hinweis der STIKO (nur über 60 Jahre), auch wenn dieser Hinweis die Zulassung nicht beeinflusst.Diese Differenz auf der abstrakt-generellen Risiko-/Informationsebene wirkt sich auf der konkret-individuellen Auf klärungsebene aus: Es handelt sich um ein aufklärungsrelevantes Kriterium, weil es die Entscheidung der zu Impfenden, insbesondere Frauen einer bestimmten Altersgruppe beeinflussen kann. Insofern geht es auf der abstrakt-generellen Ebene um Behandlungsalternativen, über deren Anwendung und Auswahl nicht mehr die Ärzte allein entscheiden dürfen. Spätestens auf der Informationsebene wirken sich abstrakt-generelle Differenzen der Impfstoffe aus, weil sie für die individuell-konkrete Behandlungsentscheidung von Relevanz sind. Handelt es sich also um Impfstoffe mit unterschiedlichen Wirksamkeits-und Risikoprofilen oder/und unterschiedlichem Verhältnis zwischen Wirksamkeit und Risiken bei identischer Indikation, gelten andere Regeln. Der Diskussionsstand in Literatur und Rechtsprechung über diese sog. Alternativenauf klärung 111 ist einheitlich 112 . Unterschied-liche Eigenschaften konkurrierender Produkte im identischen Indikationsgebiet und identischer Indikation erfordern eine informierte Einwilligung der zu Behandelnden und deshalb die selbstbestimmte Entscheidung nach Aufklärung über alle für die zu Behandelnden entscheidungsrelevanten Behandlungscharakteristika.Solche Risiken sind auf klärungspflichtig, die behandlungsspezifisch und für die Lebensführung des Patienten von Relevanz sind; das gilt auch für extrem seltene spezifische Risiken, wenn sie aus der Sicht des Patienten bedeutungsvoll sind 113 Auf der abstrakt-generellen Ebene hätte das zur Folge: Zwischen den Impfstoffen der beiden Gruppen entschei-Hart, Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 696 MedR (2021) 39: 683-697 den die zu Impfenden, nicht aber innerhalb der Gruppen. Behandlungs-und auf klärungsrechtlich ist diese Konsequenz nicht begründbar, weil es um die Anwendung der Impfstoffe bei Personen mit individuellen Konstitutionen, Eigenschaften und Vorerkrankungen geht, die individuelle, konkrete Zuordnungen und Informationen erfordern 115 . Beispielhaft sei die Gruppe der Personen genannt, die mit Blutverdünnern behandelt werden: Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Personen durch die Vektorimpfstoffe thrombotische Ereignisse erleiden, ist mindestens gering, wenn nicht ausgeschlossen (also Vektorimpfstoffe auch jenseits der STIKO-Empfehlung möglich). Die individuelle Auf klärung muss diesen Aspekt berücksichtigen. Beispiele von Vorerkrankungen erfordern eine individuelle Auf klärung über die Unterschiedlichkeit der Impfstoffe hinsichtlich des Risikoeintritts bei der Vorerkrankung. Die Auf klärung macht eine Einwilligung in die Auswahl des Impfstoffs und die Impfung erst wirksam (anaphylaktische Reaktionen aufgrund Vorerkrankung eher möglich; Thromboserisiken eher wahrscheinlich, deshalb mRNA-Impfstoff ).Jenseits des Mangels mit Priorisierung gibt es keinen Grund, die selbstbestimmte Entscheidung der zu Impfenden über die Impfstoffwahl auszuschließen. Das behandlungsvertragliche Grundprinzip der selbstbestimmten Entscheidung des zu Behandelnden gilt für die Impfung. Es zu praktizieren ist auch die Aufgabe von Impfärzten und Impfpolitik 116 . Das Recht der Arzneimittel und Impfstoffe ist im Wesentlichen Produktrecht und Produktsicherheitsrecht, die Auf klärung gehört zum Behandlungsrecht und Behandlungssicherheitsrecht. Die Nutzen/Risiko-Bilanz und damit die Sicherheit eines Arzneimittels bzw. Impfstoffs ist sowohl für die Zulassung wie Auf klärung ein zentrales Bewertungskriterium, wobei Erstere eine abstrakt-generelle wirkungsbezogene, Letztere eine konkret-individuelle anwendungsbezogene Bewertung darstellt. Die unterschiedlichen Bewertungen der Nutzen/Risiko-Bilanz zwischen Zulassungsbehörden sowie Nicht-Zulassungsbehörden (z. B. STIKO) zeigen, dass die Kriterien der Nutzen/Risiko-Bilanzierung, also der Abwägung als unbestimmte Rechtsbegriffe eine hohe Interpretationsflexibilität gewähren. Zwischen der scheinbaren Klarheit des Gegensatzes von abstrakt-generell/konkret-individuell existiert ein unsicheres Dunkelfeld.Die für die COVID-19-Impfstoffe bisher ausschließlich bedingte europäische Zulassung (beschleunigtes Verfahren) ist ein früher Ausdruck für die Arzneimittel-/Impfstoffsicherheit als Prozess. Die Zulassungsanforderungen an die Standards von Qualität und der positiven Nutzen/Risiko-Bilanz bleiben auch in diesem beschleunigten Verfahren prinzipiell erhalten. Allerdings sind gewisse Relativierungen hinsichtlich der Nutzen/Risiko-Bilanz möglich. Die verbleibende Unsicherheit kann durch zusätzliche, noch laufende oder spätere Studien, Verlängerung der Studiendauer, Monitoring u. ä. ausgeglichen werden, sofern eine positive Bilanz aufgrund der vorliegenden Daten gezogen werden kann. Die Qualität der Daten und des Bewertungsverfahrens sichern die Verlässlichkeit und Seriosität der Zulassung.Die Abwägung der Nutzen und Risiken setzt die Bedeutung der Indikation, den Grad der Wirksamkeit, die unterschiedlich häufigen, schweren, revidier-und behandelbaren Risiken in Beziehung und bildet eine Bilanz, die für alle Formen der Zulassung, auch die bedingte Zulassung positiv ausfallen muss, soll eine Zulassung ausgesprochen werden. Valide Vergleichsstudien zwischen den zugelassenen Impfstoffen existieren nicht.Die Abwägungsentscheidung zumal bei der bedingten Zulassung enthält ein Wissens-und ein Bewertungselement. Das weist auf Entscheidungsspielräume hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe, auf unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe hinsichtlich der Impfstoffsicherheitsvorsorge, auf unterschiedliche wissenschaftliche Vertretbarkeitsmaße und auf unterschiedliche institutionelle Verantwortlichkeiten hin, möglicherweise auch auf unterschiedliche nationale Impfpolitiken und -strategien.Bewertet man im Rahmen des Abwägungsprozesses in erster Linie nach dem Kriterium "Abwägung zwischen Impfrisiko und Krankheitsrisiko", überwiegt zweifelsfrei der Nutzen der Impfung den Schaden bzw. die Risiken der SARS-CoV-2-Erkrankung. Bezieht man das Kriterium "Austauschbarkeit gegen weniger riskante Arzneimittel/Impfstoffe oder therapeutische Alternativen" mit ein, relativiert das die Eindeutigkeit der Abwägung, insbesondere dann, wenn im Verlaufe des möglichen Informationsgewinns im Prozess der Nachbeobachtung die Unterschiede zwischen den Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 zunehmen sollten.Die Packungsbeilage/SOP/Fachinformation ist für den auf klärenden Arzt oder die Ärztin das Vermittlungsinstrument für die individuelle, persönliche, konkret-situationsbezogene Aufklärung der Patienten/der zu Impfenden. Die Ärztin übersetzt die abstrakt-generelle Information über die Eigenschaften des Impfstoffs in verständlicher, für den zu Impfenden personalisierter Weise mündlich und konkret-situationsbezogen (vgl. § 630 e Abs. 1 BGB). Unterschiedliche Eigenschaften konkurrierender Produkte im identischen Indikationsgebiet und identischer Indikation erfordern eine informierte Einwilligung der zu Behandelnden und deshalb die selbstbestimmte Entscheidung nach Auf klärung über alle für die zu Behandelnden entscheidungsrelevanten Behandlungscharakteristika.Diese Differenzen zwischen Wirksamkeit und Risiken, wie Abwägung der Impfstoffgruppen (mRNA-/ Vektorimpfstoffe) auf der abstrakt-generellen Risiko-/Informationsebene wirkt sich auf der konkret-individuellen Auf klärungsebene aus: Es handelt sich um ein aufklärungsrelevantes Kriterium, weil es die Entscheidung der zu Impfenden, insbesondere Frauen einer bestimmten Altersgruppe beeinflussen kann. Insofern geht es auf der abstrakt-generellen Ebene um Behandlungsalternativen, über deren Anwendung und Auswahl nicht mehr die Ärzte allein entscheiden dürfen. Spätestens auf der Informationsebene wirken sich abstrakt-generelle Differenzen der Impfstoffe aus, weil sie für die individuell-konkrete Behandlungsentscheidung von Relevanz sind.Die Mangelsituation mit Priorisierung ist durch die Aufhebung der Priorisierung im Sommer beendet. Damit ist dieser priorisierungs-(mangel-) bedingte Ausschluss der Wahlfreiheit der zu Impfenden obsolet.Jenseits des Mangels bzw. der Priorisierung gibt es keinen Grund, die selbstbestimmte Entscheidung der zu Impfenden über die Impfstoffwahl auszuschließen. Das behandlungsvertragliche Grundprinzip der selbstbestimmten Entscheidung des zu Behandelnden gilt für die Impfung. Es zu praktizieren ist auch die Aufgabe von Impfärzten und Impfpolitik.