key: cord-0750027-tp9ser7z authors: Wolff, Hannes; Kunz, Anna title: Hirnorganoide – Ethische Herausforderungen und ihre Berücksichtigung und Umsetzung im Recht date: 2021-09-09 journal: Medizinrecht DOI: 10.1007/s00350-021-5977-9 sha: 99152f6ff12f27dd5e07e31f30471e2df6805920 doc_id: 750027 cord_uid: tp9ser7z nan Menschen geforscht wird und deshalb ethische Konflikte, wie die Frage nach der Schutzwürdigkeit einer Entität durch das Erlangen eines Bewusstseinszustands, auftreten können. In diesem Lichte soll das noch relativ neue Forschungsfeld der zerebralen Organoide, auch bekannt unter der Bezeichnung Hirnorganoide, betrachtet werden. Nach einer Einführung in den naturwissenschaftlichen Forschungsstand (I.) werden die ethischen Konflikte zusammengetragen, die sich in Bezug auf Hirnorganoide ergeben (II.). In früheren Debatten ist eine Reihe der Fragen, die sich auch in Bezug auf Hirnorganoide stellen, bereits diskutiert worden. Wir prüfen, inwiefern sich die Antworten auf diese Fragen auf die ethisch-rechtliche Diskussion um Hirnorganoide übertragen lassen (III.). Zusätzlich wird ein Handlungsvorschlag entwickelt, der eine Empfehlung für das weitere Vorgehen auf diesem Forschungsgebiet bis zu einer eindeutigen rechtlichen Regelung ausspricht (IV.). Organoide sind aus Stammzellen 1 generierte dreidimensionale Zellgebilde, die durch die in ihnen vorhandenen Zellen und deren räumliche Organisation ein in vivo vorhandenes Organ nachbilden und grundlegende Funktionen des abgebildeten Organs widerspiegeln. Im Jahr 2013 gelang es Forschern um Madeline Lancaster zum ersten Mal, aus iPSZ dreidimensionale Hirnorga- könnte; der staatliche Zugriff läuft parallel zu dem bei der herkömmlichen Patientendokumentation. Dieses Ergebnis folgt jedoch nicht aus dem unmittelbaren Wortlaut des Gesetzes, sondern muss über eine Analogie des § 97 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 StPO hergeleitet werden. Nur so kann das verfassungsrechtlich gewährleistete Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Leistungserbringern, also insbesondere Ärzten, hinreichend geschützt und das gesetzgeberische Ziel, dieses durch das PDSG zu stärken, erreicht werden. Im Interesse der Rechtssicherheit ist erforderlich, dass der Gesetzgeber § 97 StPO entsprechend anpasst. Sollte es doch einmal zur Beschlagnahme einer ePA kommen, gelten die allgemeinen Grundsätze zur Beweisverwertung. Erlangte Informationen sind nicht pauschal unverwertbar, es sei denn, es liegt ein Eingriff in die Intimsphäre des Versicherten vor. Nicht jede Information in der Krankenakte betrifft jedoch die Intimsphäre, in der Regel ist "nur" die Privatsphäre betroffen. Soweit die Privatsphäre betroffen ist, ist abzuwägen zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Versicherten einerseits und Strafverfolgungsinteresse des Staates andererseits. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Eingriffsintensität bei der Beschlagnahme einer ePA je nach Ausmaß ihrer Befüllung höher sein kann als bei einer herkömmlichen Dokumentation. Im Übrigen überwiegt das Interesse des Versicherten an der Wahrung seiner Rechte das staatliche Strafverfolgungsinteresse, wenn die ePA trotz Beschlagnahmeverbots beschlagnahmt wurde. noidkulturen zu entwickeln. Diese Hirnorganoide hatten untereinander abhängige, aber klar voneinander getrennte, eindeutig identifizierbare Hirnregionen ausgebildet 2 . Während ihrer Entwicklung zeichnen zerebrale Organoide die Entwicklung menschlicher Gehirne in vivo nach 3 -die beobachteten Entwicklungsprozesse und biologischen Vorgänge lassen sich in ähnlicher Form in menschlichen Embryonen etwa bis zum Ende des zweiten Schwangerschaftsdrittels beobachten 4 . Allerdings werden nicht alle in menschlichen Gehirnen vorhandenen Zelltypen ausgebildet und eine komplexe Verschaltung der Hirnregionen hat sich bisher ebenfalls nicht nachweisen lassen 5 . Bislang ist die Entwicklung der Organoide zudem in ihrer Größe stark begrenzt. Die "Mini-Gehirne" konnten mangels eines eigenen Blutgefäßsystems nur wenige Millimeter groß werden 6 . Forscher:innen an der Universität Yale ist es nun jedoch gelungen, Organoide nicht nur nach der Einpflanzung in Mäuse, also letztlich in vivo, "nachträglich" mit einem Gefäßsystem zu versehen 7 , sondern Organoide auch in vitro mit einem eigenen blutgefäßähnlichen System zu züchten 8 . Zu den bisher ausgebildeten Zelltypen gehören auch Retinazellen. Verschiedene Versuche haben gezeigt, dass die gezüchteten Organoide photosensitiv sind, also auf Lichtreize "reagieren" 9 . Welcher Natur diese Reaktion ist, konnte bisher aber noch nicht geklärt werden. Die elektrische Aktivität in Hirnorganoiden wurde an anderer Stelle bereits mit derjenigen von frühgeborenen Säuglingen verglichen 10 . Im September 2020 berichtete Nature Communications erstmals über die "Lernfähigkeit" von Organoiden, die sich nicht nur in einer Ausbildung erster Anzeichen neuronaler Netze zeigt, sondern auch in Anzeichen sog. "neuronaler Plastizität", also einer Anpassung der messbaren Aktivitäten an wiederholt eingespielte Reize 11 . Jedenfalls theoretisch scheinen ihrer Entwicklung damit keine Grenzen gesetzt zu sein 12 . Hirnorganoide, wie sie derzeit entwickelt werden können, sind noch weit davon entfernt, tatsächlich Bewusstsein 13 auszubilden 14 . Während sie sich in ihren gegenwärtig erreichbaren Entwicklungsstadien daher nicht von sonstigem Gewebe unterscheiden -und auch rechtlich nicht anders zu behandeln sind 15 -ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass die Anlagen für die mögliche Ausbildung solcher Bewusstseinsfunktionen bereits geschaffen sind und die Forschung erste Schritte in diese Richtung unternommen hat. Zerebrale Organoide bieten vielfältige Verwendungsmöglichkeiten, u. a. die Untersuchung der Entwicklung des menschlichen Hirns "am lebenden Objekt", die Erforschung komplizierter Krankheitsbilder 16 und die Erprobung von Medikamenten an menschlichem und ggf. sogar patient:inneneigenem Gewebe oder "Organen" 17 . Erklärtes Fernziel ist auch, beschädigtes Hirngewebe mit solch künstlich erzeugtem Hirngewebe zu ersetzen 18 . Ob Hirnorganoide schon deshalb selbst denken können, weil sie aus Hirnzellen erschaffen sind, lässt sich schnell verneinen. Wie bereits oben aufgezeigt, zeichnen Hirnorganoide zwar die Entwicklung des menschlichen Gehirns nach und bilden die typischen Zelltypen und Hirnregionen aus, höherrangige Hirnfunktionen konnten aber noch nicht nachgewiesen werden. Hirnorganoide können bislang weder In-noch Output verarbeiten, was unter anderem auch dazu beiträgt, dass sie, im Vergleich zu höher entwickelten Lebewesen, höhere Bewusstseinsebenen (noch) nicht erreichen können 26 . Zunächst muss festgelegt werden, was der Begriff "Bewusstsein" umfasst und welche Aspekte davon für die Forschung an Hirnorganoiden relevant sind. 87 . Ein solcher stufenweiser (gradueller) Schutz 88 ließe sich auch auf sich entwickelnde Hirnorganoide mit zunehmend ausgeprägtem Bewusstsein übertragen 89 . In § 1 S. 2 des TierSchG heißt es "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen". In § 7 a Abs. 1 TierSchG werden die "vernünftigen Gründe", u. a. die Grundlagenforschung (Nr. 1), die Vorbeugung, Erkennung oder Behandlung von Krankheiten (Nr. 2) und die Entwicklung und Herstellung sowie Prüfung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln (Nr. 4), zu denen Tierversuche durchgeführt werden dürfen, abschließend aufgezählt. Diese Regelungen sind auch eine Ausgestaltung der sog. "Three R's" -Reduce, Refine und Replace, die 2013 90 im Wege der Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtline 2010/63/EU 91 in das deutsche TierSchG aufgenommen wurden 92 . Erstmals 1959 von Russell/Burch in Bezug auf die Beseitigung der Unmenschlichkeit bei Tierversuchen erwähnt, sind sie seitdem zu einem Standard der Tierversuchsregulierung geworden 93 . Reduce zielt auf die Verringerung der Anzahl der Versuchstiere auf ein Minimum ab; Refine auf die Minderung des Leidens der Versuchstiere. Replace steht für die Vermeidung von Tierversuchen, wo auch immer möglich, durch den Einsatz von Alternativmethoden 94 . Dieses 3R-Prinzip ist von Koplin und Savulescu weitergedacht und in einem Gedankenexperiment auf Hirnorganoide angewendet worden 95 . Nicht unähnlich den Regelungen zum Tierschutz, die die Forschung an Tieren nach einer Güterabwägung zulassen, könnte eine solche Konstruktion auch für Hirnorganoide geschaffen werden. In Kombination mit den obigen Ausführungen zur Messung von Bewusstsein in Graden würde dies eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung und Interessenabwägung zwischen Mittel und Zweck erfordern. Eine Forschung wäre dann nur zulässig, wenn (1.) die beabsichtigten Untersuchungen zu dem angestrebten Ziel ohne Forschung an Hirnorganoiden (mit der Fähigkeit zu Bewusstsein) nicht mit gleichem Erfolg durchgeführt werden könnte, (2.) sichergestellt ist, dass die Hirnorganoide, an denen geforscht wird, jeweils nur das Maß an Bewusstsein aufweisen, das für den Erfolg der jeweiligen Forschung unbedingt notwendig ist, und (3.) Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass die negativen Auswirkungen und Nachwirkungen auf die Hirnorganoide so gering wie möglich sind 96 . Auch Vorgaben zur Genehmigungsbedürftigkeit oder Anzeige von Tierversuchen 97 , die Einberufung einer Tierschutzkommission 98 oder Straf-und Bußgeldvorschriften zur Durchsetzung 99 könnten entsprechend Eingang in ein Regelungswerk für Hirnorganoide finden. Der Umgang mit Geweben und Organen richtet sich in Deutschland grundsätzlich nach dem Transplantationsgesetz 100 . Gem. § 1 a Nr. 1 TPG sind "Organe […] alle aus verschiedenen Geweben bestehenden, differenzierten Teile des menschlichen Körpers, die in Bezug auf Struktur, Blutgefäßversorgung und Fähigkeit zum Vollzug physiologischer Funktionen eine funktionale Einheit bilden, einschließlich der Organteile und einzelnen Gewebe eines Organs". Gem. § 1 a Nr. 4 sind Gewebe "alle aus Zellen bestehenden Bestandteile des menschlichen Körpers, die keine Organe nach Nummer 1 sind". Hirnorganoide unterfallen dieser Definition 101 . Allerdings gilt das TPG ausweislich seines § 1 Abs. 2 lediglich "für die Spende und die Entnahme von menschlichen Organen oder Geweben zum Zwecke der Übertragung sowie für die Übertragung der Organe oder der Gewebe einschließlich der Vorbereitung dieser Kunz/Wolff, Hirnorganoide -Ethische Herausforderungen 806 MedR (2021) 39: 800-808 sich entweder ein Bewusstsein oder jedenfalls die Anlagen Schumann, Verantwortungsbewusste Konfliktlösungen bei embryopathischem Befund Verbündete"), insbesondere in einem Zeitraum der Schwangerschaft, in dem die Schwangerschaft von außen noch nicht erkennbar ist Leiden […], die mit der Tötung in einem späteren Stadium verbunden sind LK-StGB, 12. Aufl. 2019, Vor § § 218 ff Vor § § 218 bis 219b, Rdnr. 9 Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz -StZG) v. 28. 6. 2002 (BGBl. I S. 2277), zuletzt geändert durch Art Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl (gentechnische) Veränderung, Ausdifferenzierung" und den Verbrauch von eSZ, in der Folge konsequenterweise wohl auch auf die Herstellung von Hirnorganoiden aus eSZ: Dederer, StZG, 1. Aufl. 2012, § 2, Rdnr. 2; Müller-Terpitz in: Spickhoff Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, Einf 24; Scholz Aus humanen iPSZ gezüchtete Hirnorganoide könnten in eine solche Regelungslücke auch nicht eindringen MedR 2020, 805, 813, jedenfalls für Organoide im Allgemeinen Genehmigung von Tierversuchen Wirbeltiere sind nach der zoologischen Einteilung höherorganisierte Tiere, die über ein Zentralnervensystem verfügen. Diese Tiere haben somit ein hochdifferenziertes Schmerzleitungssystem und ein ausgeprägtes Schmerzempfindungsvermögen da wissenschaftliche Erkenntnisse nahelegen, dass auch diese eine größere Leidensfähigkeit haben als zunächst angenommen. Vgl. auch Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 7. Aufl. 2016, § 1, Rdnrn. 19 ff Zum Auftreten von Bewusstsein in Graden schon oben II. 2. und Tooley Der Schutz von Potentialen bzw. das Konzept unterschiedlicher Schutzstufen für unterschiedlich starke Ausprägungen von Bewusstsein, Wahrnehmung, Schmerzempfinden und Leidensfähigkeit finden sich zudem auch in der Debatte um den Schutz von Embryonen und zur Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs RL 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22. 9. 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere The Principles of Humane Experimental Technique Deutsches Zentrum zum Schutz von Versuchstieren Wir wollen allerdings nicht so weit gehen als Mutmaßungen über die Voraussetzungen einer die auf den ersten Blick eine Identität zwischen entnommenem und transplantiertem Organ oder Gewebe zu suggerieren scheint, keinen Hinderungsgrund dafür, die Transplantation von Organoiden unter das TPG zu fassen. Eine Entnahme ist gem. § 1 a Nr. 6 TPG die "Gewinnung von […] Geweben", ausweislich der Gesetzesbegründung, BT-Dr. 16/3146, S. 24 gerade nicht nur die "unmittelbare Gewinnung", sondern auch die Gewinnung durch "Be-oder Weiterverarbeitung". Die Definition orientiert sich weiterhin an Art. 3 lit. f. der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31. 3. 2004 (Gewebe-RL), nach der AMG als eine Form der Herstellung versteht, die in § 20 b Abs 805, 809; 2021, 412 jedenfalls auf die Spende und Entnahme von Geweben für die Herstellung von Organoiden, außer diese geschieht ausschließlich für Forschungszwecke, die Regelungen des TPG anwenden will MedR 2020, 805, 809. Erfolgt die Nutzung der Gewebe ausschließlich für Forschungszwecke, findet keine in Deutschland bestehende Regelung direkte Anwendung. Stattdessen greifen die rechtlichen Grundgedanken aller relevanten Gesetze gemeinsam. Zudem finden (rechtlich unverbindliche) Regeln Anwendung, die von internationalen Einrichtungen wie der International Society for Stem Cell Research (ISSCR) herausgegeben werden und die daher, anders als nationale Gesetze, auch international Geltung beanspruchen bzw. von den anwendenden Forscher:innen freiwillig befolgt werden. Für die Forschung an Stammzellen sind dies z. B. die 2016 erschienenen Guidelines for Clinical Trials and Clinical Translation Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (GewebeG) v. 20. 7. 2007 (BGBl. I S. 1574) zu Es kann aber durchaus auf Hirnorganoide in ihrem derzeitigen Entwicklungsstadium Anwendung finden Arzneimittelgesetz -AMG) i. d. F. d. Bekanntmachung v. 12 VO (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 11. 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz -GenTG) i. d. F. d. Bekanntmachung v. 16. 12. 1993 (BGBl. I S. 2066) Zur Behandlung von Organoiden als Sachen vgl. Taupitz, MedR 2021, 410 ff., zur Einstufung als Handelsgut ebd folgte, dass er genomeditierte Säuglinge zur Geburt gebracht habe, in dessen Folge nicht nur eine Reihe hochrangiger internationaler Wissenschaftler ein Moratorium der Geneditierungsforschung am Menschen forderte 660 unter Hinweis auf Vrselja/ Daniele/Silbereis u. a., Nature 2019, 336, die nach der Feststellung scheinbar koordinierter EEG-Aktivität in Schweinehirnen die Experimente zunächst pausiert haben, um die Meinung eines Ethikrats einzuholen und während des weiteren Verlaufs der Versuche die Schweinehirne vorsorglich anästhetisiert haben Die Regelungen solcher Organisationen, exemplarisch der ISSCR, haben zwar keinen Gesetzescharakter, anders als nationale Gesetze finden sie aber international Anwendung und können so, ggf. sogar besser als nationale Gesetze Maßnahmen" 102 . Sollen die Organoide nicht transplantiert werden, sondern ausschließlich zu Forschungszwecken verwendet werden, findet das Transplantationsgesetz daher weder auf sie noch auf die Entnahme des Zellmaterials zu ihrer Herstellung Anwendung 103 .Unabhängig davon kann das TPG aber auf eine Transplantation von (fortgeschrittenen, z. B. bewusstseinsfähigen) Hirnorganoiden schon deshalb keine Anwendung finden, weil das TPG nicht darauf ausgelegt ist, Regelungen für einen ggf. notwendigen Schutz der zu transplantierenden Hirnorganoide zu treffen. Zweck des die relevanten Vorschriften des TPG ändernden GewebeG 104 war es, die "Qualität und Sicherheit von Geweben" zu gewährleisten und dadurch die "Verhütung der Übertragung von Krankheiten" zu erreichen. Mit anderen Worten dient das Gesetz dem Gesundheitsschutz der Patient:innen 105 , könnte also nicht Hirnorganoide mit Bewusstsein als solche schützen 106 .Ähnliche Feststellungen lassen sich auch für weitere in Betracht kommende Regelungswerke aus dem Bereich des Medizinrechts treffen. Das AMG 107 -unter das Hirnorganoide als ATMP gem. § 4 Abs. 9 AMG, in den meisten Fällen als biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte gem. Art. 2 lit. a) dritter Spiegelstrich i. V. mit lit. b) ATMP-VO 108 , fallen und das in § 20 b Abs. 1 S. 1 Regelungen für den Umgang mit zu therapeutischen Zwecken entnommenen Geweben enthält -dient ausweislich seiner Gesetzesbegründung der Verwirklichung einer optimalen Arzneimittelsicherheit 109 . Gleichermaßen dient das Gentechnikgesetz 110 der Förderung der "Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland" und hat als oberstes Ziel den "Schutz von Mensch und Umwelt" 111 . Alle haben gemeinsam, dass sie die in Bezug auf Hirnorganoide auftretenden ethischen Fragen derzeit nicht beantworten und -jedenfalls wenn sie ihrem ursprünglichen Gesetzeszweck treubleiben sollen -auch nicht werden beantworten können. Die bestehenden Regelungen des Medizinrechts sind für den Umgang mit den hier behandelten speziellen Problemfeldern fortgeschrittener Hirnorganoide, jedenfalls hinsichtlich einer Forschung mit und an diesen, ungeeignet. Sowohl auf eine Forschung an Hirnorganoiden in ihrem derzeitigen Entwicklungsstadium als auch auf eine Therapie mit Hirnorganoiden können sie, ggf. nach Klärung der weiteren Rechtsfragen 112 , keine Anwendung finden.Übertragbar dürften allerdings die grundsätzlichen Wertungen der Gesetze zum Umgang mit menschlichem Gewebe sein. So bedarf die Entnahme von Gewebe stets einer Einwilligung der Patient:innen/Proband:innen. Bei der Entnahme von Gewebeproben ergeben sich darüber hinaus eigentumsrechtliche Probleme, weil der menschliche Körper als sogenanntes res extra commercium zunächst außerhalb des Eigentumsrechts steht 113 116 . Keines der hier besprochenen Regelwerke kann in seiner derzeitigen Form auf den Schutz und den Umgang mit Hirnorganoiden in einem späteren Entwicklungsstadium ohne Weiteres angewendet werden. Gleichwohl enthält die Gesamtheit der vorhandenen Regelwerke alle notwendigen Regelungskonzepte, um eine möglicherweise notwendige, ganzheitliche gesetzliche Regelung für die Behandlung von Hirnorganoiden in Forschung und Therapie zu schaffen, die nicht nur in der Lage wäre, die wesentlichen ethischen Fragen zu beantworten, sondern sich auch in das System des geltenden Medizinrechts einfügen könnte.Zusammenfassend müsste ein solches Regelwerk jedenfalls die folgenden Punkte umfassen, um einen ausreichenden Schutz von Hirnorganoiden sicherzustellen, in denen für die Entwicklung eines Bewusstseins entwickeln. 1. Regelungen für die Entnahme des Ausgangsgewebes, die Weiterverarbeitung des Gewebes zu Hirnorganoiden und die Regeln für eine Forschung an oder Transplantation der entstehenden Hirnorganoide, jedenfalls soweit die Regelungen des TPG keine Anwendung finden.2. Regelungen über einen abgestuften Schutz von Hirnorganoiden mit unterschiedlich stark entwickeltem Bewusstsein. Dabei muss der Schutz sich nicht auf das maximale Bewusstseinspotential der Entität beziehen, sondern kann mit fortschreitender Entwicklung zunehmen, im Ergebnis also ein und dieselbe Entität stärker schützen, wenn man ihr erlaubt, sich länger zu entwickeln.3. Regelungen, die sicherstellen, dass Versuche mit Hirnorganoiden in Anlehnung an den 3R-Ansatz des Tierschutzrechts auf die notwendige Menge und das notwendige Maß beschränkt werden.4. Regelungen, die eine funktionierende Überwachung der stattfindenden Forschung ermöglichen, nicht unähnlich der Register-, Anzeige-und Genehmigungsvorschriften des TPG, StZG und TierSchG.5. Je nachdem, wie hochrangig die zu schützenden Rechtsgüter angesehen werden, könnte ein solches Gesetz entweder als echtes Nebenstrafrecht ausgestaltet sein oder aber die Nichteinhaltung der getroffenen Regelungen durch eine Art Annexstrafrecht sanktionieren.Soweit ein solches Regelungswerk die Forschung und damit die Forschungsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) betrifft, müsste allerdings geklärt werden, welches Rechtsgut von Verfassungsrang in Bezug auf Hirnorganoide geschützt werden soll. Die Gesetzgebung sollte nicht zu lange abwarten, sich über die Notwendigkeit einer solchen Regelung grundsätzlich Gedanken zu machen: Schon jetzt macht die Forschung auf dem Gebiet der Hirnorganoide Fortschritte, die regelmäßig bahnbrechende neue Erkenntnisse liefern. Dabei werden die oben besprochenen ethischen Probleme zunehmend auch in der Bevölkerung rezipiert und sind in der Lage, heftige Diskussionen auszulösen 117 . Um zu verhindern, dass sich die Gesetzgebung mit einem plötzlichen Erfolg der Forschung hinsichtlich eines Auftretens oder der Nachweisbarkeit von Bewusstsein und den damit verbundenen Problemen unvorbereitet konfrontiert und dann ggf. zu schnellen, nicht abschließend durchdachten politischen Kurzschlussreaktionen gezwungen sieht, welche das Forschungsfeld und alle damit verbundenen vielversprechenden Möglichkeiten auf Jahre beschädigen können 118 , sollten die Vorbereitungen für ein gut durchdachtes und funktionierendes Regelwerk schon jetzt getroffen werden. So kann auch der Wissenschaft Sicherheit gegeben werden, wenn sie sich ihrerseits überraschend mit tatsächlichen Anzeichen des Vorliegens eines Bewusstseins konfrontiert sieht 119 .In der Zwischenzeit darf die Forschung an Hirnorganoiden aber nicht auf hören. Bislang sind die bestehenden Regeln und Gesetze für die Forschung mit menschlichem Gewebe ausreichend 120 . Sie muss die Augen offenhalten für jeden Hinweis auf die Ausbildung eines Bewusstseins. Tritt ein solches auf, sollten laufende Versuche, wenn möglich, unterbrochen werden, und eine Ethikkommission sollte in die Entscheidung über ein weiteres Verfahren eingebunden werden.Die Forschung an Hirnorganoiden verspricht viele wertvolle Erkenntnisse sowohl in der Grundlagenforschung als auch für die therapeutische Anwendung. Ihr Fortschritt sollte daher nicht gefährdet werden, wie auch Madeleine Lancaster in einem Gespräch mit Nature 121 hervorhebt: "There are truly conscious people out there with neurological disorders with no treatments. If we did stop all the research […] that would be very detrimental to actual human beings who do need some new treatment."