key: cord-0743325-od29t2ve authors: Brendel, Alfred Benedikt; Greve, Maike; Masuch, Kristin; Trang, Simon title: Corona Tracing Apps – Eine Analyse und Strukturierung des europäischen Marktes date: 2021-06-28 journal: HMD DOI: 10.1365/s40702-021-00753-9 sha: f4ea880f0a9195b9905f58a9be81695d774578af doc_id: 743325 cord_uid: od29t2ve So called corona tracing apps are an essential part of national strategies to fight the coronavirus. Contact tracing apps aim to trace infection chains and interrupt them as quickly as possible more effectively. Corona tracing apps can be designed in a variety of ways from a technological, a development, and a functional perspective. Due to the diversity of options, more than 40 different apps have been developed and released in Europe since the beginning of the corona pandemic. This diversity of technology becomes a problem because the effectiveness of corona tracing apps depends on how many citizens use the same app. This paper addresses the diversity of different app configurations. Based on a morphological analysis, we investigate in which aspects the apps differ and then show that these apps can be distinguished into two archetypes. welche Anwendungsgebiete sich bestimmte App-Gestaltungen anbieten oder wie Nutzer*innen auf bestimmte Konfigurationen reagieren. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel dieses Artikels, die Gestaltungsmerkmale von aktuellen europäischen CCT Apps systematisch abzuleiten und Archetypen zu identifizieren. Mit diesem Forschungsvorhaben werden folgende Forschungsfragen adressiert: FF1: Anhand welcher Merkmale lassen sich europäische CCT Apps hinsichtlich ihrer Technik, Entwicklung und Funktionalität differenzieren? FF2: Welche CCT App Archetypen lassen sich identifizieren? Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen wurde für diesen Artikel eine systematische Suche nach europäischen CCT Apps durchgeführt und anschließend die gesammelten 43 CCT Apps einer morphologischen Analyse unterzogen. Basierend auf den entwickelten Dimensionen und Eigenschaften wurde anschließend eine Clusteranalyse durchgeführt, wobei zwei Archetypen identifiziert werden konnten. Im nachfolgenden Kapitel wird ein kurzer Überblick über aktuelle Forschung rund um CCT Apps gegeben. Anschließend wird die methodische Vorgehensweise, mittels welcher die relevanten CCT Apps identifiziert, analysiert und ausgewertet werden, beschrieben. In Kap. 4 werden die Dimensionen und Eigenschaften des entwickelten morphologischen Kastens präsentiert. Ergänzend werden in Kap. 5 die Ergebnisse der Clusteranalyse dargestellt. Abschließend werden die Ergebnisse in Kap. 6 diskutiert. Kap. 7 schließt diesen Artikel mit einem kurzen Fazit. Von Beginn der COVID-19 Pandemie wurde auf bewährte Verfahren des Nachverfolgens von Kontaktpersonen zurückgegriffen. Diese wurden bereits bei anderen Infektionskrankheiten, wie beispielsweise Tuberkulose, angewendet (Kiehl 2015) . Während der COVID-19 Pandemie wird der digitalen Nachverfolgung eine zentrale Bedeutung zugesprochen, welche auch wesentliche Neuerungen im CCT mit sich bringt. Insbesondere die sogenannten Tracing Apps, welche eine digitale Nachverfolgung durch mobile Applikationen ermöglichen und vordergründig die Gesundheitsämter bei ihrer Arbeit unterstützen sollen, sind eine Innovation der COVID-19 Pandemie (Robert Koch-Institut 2020). Ihre zentrale Rolle bei der Nachverfolgung der Infektionsketten begründet sich dadurch, dass sich das Virus unter der Annahme, dass kein vollständiger Lockdown angeordnet wird oder alle gefährdeten Personen geimpft sind derart schnell verbreitet, als dass es mittels einer manuellen Kontaktverfolgung lückenlos nachverfolgt werden könnte. Dieser Effekt wird auch von Ferretti et al. (2020) in ihren Modellrechnungen bestätigt und es wird dargelegt, dass die Pandemie mittels der digitalen CCT Apps nachverfolgt und kontrolliert werden könnte. Sie zeigen, dass die Nutzung von Tracing Apps einen positiven Effekt bei der Eindämmung der COVID-19-Pandemie haben können. Die Effektivität von CCT Apps zur Kontaktverfolgung hängt allerdings überproportional von der Anzahl der tatsächlichen Nutzer*innen ab. Somit wird die breite Akzeptanz von CCT Apps in der Bevölkerung zu einer funktionalen Voraussetzung (Trang et al. 2020) . Durch spezifische Eigenschaften von CCT Apps lassen sich hierbei drei zentrale Herausforderungen für eine funktionierende digitale Nachverfolgung ableiten. Die erste Herausforderung besteht darin, dass das Motiv zur Nutzung von Tracing Apps ein anderes ist als das von anderen Apps im Gesundheitsbereich. Fitness-und Ernährungsapps konzentrieren sich bspw. Darauf, die Gesundheit der Nutzer*innen zu verbessern, indem sie es ermöglichen individuelle Werte zu ermitteln und zu optimieren. Tracing Apps hingegen dienen nicht nur dem Nutzer*innen selbst, sondern insbesondere auch der Gesellschaft. Somit ermöglichen Tracing-Apps Nutzer*innen zwar informiert über potenzielle Hochrisikokontakte zu sein, jedoch bietet die Anwendung keine Möglichkeit riskante Kontakte zu vermeiden. Vielmehr steht der gesellschaftliche Faktor dem individuellen gegenüber, in dem eine Tracing App dazu beiträgt, eine breite Abdeckung der Kontaktverfolgung zu ermöglichen und andere darüber zu informieren, ob sie möglicherweise infiziert sind (Trang et al. 2020) . Die zweite Herausforderung besteht darin, dass die Tracing Apps für ihre Funktionalität Zugriff auf die persönlichen Daten der Nutzer*innen haben müssen. Hierbei gibt es bei den Tracing Apps zwei zentrale Möglichkeiten: Erhebung von hoch sensiblen Daten oder Erhebung von weniger sensible Daten. Somit unterscheiden sich die Tracing-Apps darin, dass einerseits Infektionsketten und somit die Kontakte verfolgt werden, in dem das GPS eines Smartphones verwendet wird. Dadurch werden sensible, standortbasierte Daten erhoben. Alternativ kommt die Bluetooth Technologie zum Einsatz, um Benutzer*innen in der Nähe zu identifizieren und zu speichern und später rückwirkend zu kontaktieren. Auf diese Weise ist der tatsächliche Standort nicht bekannt, weswegen auf diesem Wege keine sensiblen standortbezogenen Daten der einzelnen Personen erfasst werden müssen. Zusätzlich unterscheidet sich auch die Speicherung der erhobenen Daten. Entweder erfolgt eine Speicherung der Kontaktdaten mit einem hohen Maß an Kontrolle, in dem die Daten vollständig und ausschließlich auf dem Smartphone gespeichert werden oder es erfolgt eine Speicherung ohne Benutzerkontrolle auf einem zentralen Server (Trang et al. 2020) . Die dritte Herausforderung besteht darin, dass die Tracing-App dauerhaft aktiviert sein müssen, damit Daten in Echtzeit abgerufen werden können. In diesem Punkt unterscheiden sich die Apps ebenfalls darin, wie viel der Nutzende zur kontinuierlichen Aktivität beitragen muss. Hierzu zählen bspw., ob eine aktive Benutzerinteraktion erforderlich ist, um die App aktiv zu halten oder sogar regelmäßige Updates durchgeführt werden müssen, um die Grundfunktionalität der App zu gewährleisten (Trang et al. 2020) . Wie bereits einleitend betont kann zum momentanen Zeitpunkt eine große Heterogenität zwischen den Tracing-Apps verzeichnet werden. Jede Anwendung adressiert die erwähnten Herausforderungen auf eine eigene Weise und Entwickler*innen sind bemüht, die jeweilige Tracing-App für die Allgemeinheit zu optimieren. In den folgenden Unterkapiteln wird das methodische Vorgehen beschrieben. Als Erstes wird beschrieben, wie die CCT Apps identifiziert wurden, bevor auf die morphologische Analyse der Eigenschaften der Apps eingegangen wird. Um eine CCT App Sammlung aufzubauen, wurde eine strukturierte Suche durchgeführt. Als Quellen zur Identifikation der App wurden öffentliche Datenbanken verwendet: die Datenbank der European Commission (2020) Zur weiteren Analyse der ermittelten Apps wurde eine individuelle Recherche für jede App durchgeführt. Zuerst wurden die zu den Apps gehörigen Webseiten auf relevante Informationen untersucht. Besonders integrierte FAQs, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die Datenschutzrichtlinien boten Informationen zur Verwendung und Verarbeitung der Daten. Des Weiteren wurde der Quellcode (sofern öffentlich verfügbar) eingesehen und mit den bisherigen Informationen abgeglichen. Zur Analyse der gesammelten CCT-Apps wurde eine morphologische Analyse durchgeführt. Die morphologische Analyse ist eine Technik, die den Grundgedanken verfolgt, ein komplexes Problem in einzelne unabhängige Dimensionen zu zerlegen, um es in eine überschaubare Struktur zu bringen und anschließend Lösungen zu präsentieren, die aus kombinierten charakteristischen unabhängigen Eigenschaften der zuvor getrennten Dimensionen bestehen (Ritchey 2011) . Wir wenden die Methode für den Entwurf des morphologischen Kastens an und folgen dabei dem Vorgehensmodell nach Ritchey (2011) mit den folgenden fünf Schritten: (1) Identifizierung der K A. B. Brendel et al. Technik relevanten Dimensionen, (2) Ermittlung der Eigenschaften der jeweiligen Dimensionen, (3) Entwerfen eines morphologischen Kastens, um alle charakteristischen Eigenschaften pro Dimension zu spezifizieren, (4) Analysieren der resultierenden Kombinationen von charakteristischen Eigenschaften (durch Clusteranalyse) und (5) Verwenden des Modells. Die grundlegende Notwendigkeit einer solchen Analyse liegt in der komplexen und undurchsichtigen Natur der CCT Apps und der Vielfalt am europäischen Markt. Wir konzentrieren uns auf die Identifikation der Dimensionen und deren Charakteristika. CCT-Apps lassen sich anhand von sechs Dimensionen charakterisieren (siehe Abb. 1). Hierzu zählen zum einen technische Eigenschaften zur Architektur, der Nutzung von Schnittstellen und der Frage nach der Transparenz des Quellcodes. Zum anderen ist zu unterscheiden, wer der Herausgeber der App ist, ob neben der Kernfunktionalität der Kontaktverfolgung auch weitere Funktionalitäten integriert sind und ob die App einen nationalen oder internationalen Funktionsumfang hat. Für die Erfassung von Kontakten existieren verschiedene technische Ansätze, die entweder auf die GPS-Schnittstelle, die Bluetooth-Schnittstelle oder eine Kombination beider Schnittstellen setzen (Legendre et al. 2020 Datennutzung beschreibt, ob die durch die App erhobenen Daten nur für Zwecke der COVID-19 Pandemie verarbeitet werden, oder ob eine anderweitige Nutzung der Daten möglich bzw. vorgesehen ist. Der Fokus liegt hier jedoch auf den persönlichen Daten, nicht auf metrischen Daten der App. Diese werden von fast allen Anbietern erhoben und nicht im Kontext von COVID-19 verarbeitet, sondern zum Tracken in der App und des Nutzerverhaltens. Diese zwei Kategorien an Daten, persönliche Daten und App Metriken, werden auch in den jeweiligen Datenschutzrichtlinien aufgeführt. Die Dimension Interoperabilität beschreibt, ob die CCT App national oder international verfügbar ist. International beinhaltet dabei, dass diese App nicht nur beschränkt auf das Land des Herausgebers verfügbar ist, sondern auch über die Landesgrenzen hinweg. Eine Vielzahl der CCT Apps sind ausschließlich national verfügbar. Der Grund für die beschränkte Verfügbarkeit der CCT Apps auf nationaler Ebene liegt darin begründet, dass die Gesundheitsbehörden die Positivmeldung autorisieren bzw. verifizieren müssen und in Kommunikation mit der App stehen. Einige CCT Apps sind daher in ihrer Verfügbarkeit sowie Verwendung eingeschränkt. Nachdem wir ein Verständnis für die unterschiedlichen Eigenschaften der europäischen CCT Apps erarbeitet hatten, analysierten wir auf empirischer Basis diese im Hinblick auf häufige Kombinationen der Eigenschaften. Mithilfe der Durchführung einer Clusteranalyse zielten wir darauf ab, Archetypen (Cluster) von Ausprägungen auf Basis von Ähnlichkeitsmaßen zu identifizieren. Apps innerhalb eines Archetyps sollen dabei möglichst ähnlich und möglichst unähnlich zu Apps der anderen Archetypen sein. Die Entscheidung, wie viele Cluster verwendet werden sollen, ist eine der größten Herausforderungen dieser Analyse. In der Literatur wird häufig ein zweistufiges Verfahren empfohlen. Entsprechend wurde zunächst die Ward-Methode zur Identifizierung der Anzahl von Clustern verwendet, ein hierarchisches und statistisches Verfahren. Die definierten Dimensionen mit ihren Eigenschaften dienten als Abb. 3 zeigt einen detaillierten Einblick in die Verteilung der Charakteristika der jeweiligen Archetypen. Die prozentualen Angaben beziehen sich dabei auf den Anteil der App in den jeweiligen Archetypen, der diese Eigenschaft erfüllt. Je grüner die Einfärbung der jeweiligen Zelle, desto höher ist der Anteil der Apps mit dieser Eigenschaft in den jeweiligen Archetypen. Unsere Auswertung zeigt, dass 31 Apps dem Archetyp 1 zugeordnet werden können. Somit legt sich dar, dass die Kombination aus Eigenschaften dieses Archetyps aktuell auf dem europäischen Markt überwiegen. Zu den dominanten Charakteristika der Apps gehören die dezentrale Architektur und die Kontakterfassung über Bluetooth. Die Entwicklung der Apps ist dabei staatlich veranlasst und der Code wird Open Source öffentlich zur Verfügung gestellt, um maximale Transparenz zu schaffen. Die Datennutzung ist ausschließlich Covid-19 spezifisch. Die Interoperabilität ist dabei teils international (51 %), aber auch national (49 %), sodass sich hier keine eindeutige Mehrheit zeigt. Die Eigenschaften dieses Archetyps ermöglichen im Falle einer Infektion rückwirkend den Kontakt zu den App Nutzer*innen aufzunehmen, welche sich im näheren Radius der App in einer vergangenen Zeitperiode befunden haben. Es ist nicht möglich, die örtliche Lokalisation festzustellen oder diese Kontakte als Personen zu identifizieren. Ein Beispiel für eine solche App dieses Archetyps ist die deutsche Corona-Warn App. Die deutsche Bundesregierung (2020) hat als offizielle Tracing App die "Corona-Warn-App" am 16. Juni 2020 veröffentlicht. Diese wurde von SAP und der Telekom im Auftrag der Bundesregierung entwickelt. Die "Corona-Warn-App" basiert auf dem dezentralen Contact Tracing und sowohl der Quellcode der App als auch der Backend-Infrastruktur werden vollständig als Open Source zugänglich gemacht. Die Corona-Warn-App wurde auf der Basis des Exposure Notification Framework ("ENF") von Apple und Google entwickelt, das Bluetooth Low Energy Technologie ("BLE") verwendet. Die App sammelt pseudonymisierte Daten von Mobiltelefonen in der Nähe über BLE. Sobald sich zwei Nutzende auf zwei Meter nähern und für fünfzehn Minuten oder länger in dieser Entfernung bleiben, tauschen ihre Apps anonymisierte IDs aus. Wenn Jemand positiv auf COVID-19 getestet wird, kann das Testergebnis in der App eingefügt werden. Die App informiert dann anonymisiert alle gespeicherten Kontakte. Die Daten werden lokal auf jedem Gerät gespeichert, wodurch der Zugriff und die Kontrolle über die Daten durch Behörden oder eine dritte Partei ausgeschlossen ist. Die EU arbeitet an der Interoperabilität der verschiedenen Tracing Apps. Aktuell kann die Corona-Warn-App in allen nationalen App-Stores der Europäischen Union sowie in denen der Schweiz, Norwegens, Großbritanniens und der Türkei heruntergeladen werden (Tab. 1). Im Gegensatz zu Archetyp 1 zeigt der Archetyp 2 ein diverseres Bild an Eigenschaften. Insgesamt lassen sich 12 Apps diesem Archetyp zuordnen. Die dominanten Eigenschaften des Archetyps sind eine zentrale Architektur, während es kein klares Muster bezüglich der verwendeten Schnittstelle gibt. Im Vergleich zu Archetyp 1 lassen sich Apps, die GPS oder Bluetooth verwenden, mehrheitlich dem Archetyp 2 zuordnen. Die Mehrheit der Apps wurde von privaten Anbietern entwickelt (67 %) und stellt den Quellcode nicht öffentlich zur Verfügung (83 %). Es zeigt sich, dass Im Oktober 2020 wurde in Frankreich die bisherige CCT App aufgrund von Datenschutzbedenken überarbeitet und die neue Version unter dem Namen "Tous-AntiCovid" veröffentlicht. Die Kontaktverfolgung funktioniert über Bluetooth. Im Falle einer Covid-19-Erkrankung sendet die App die Historie der angetroffenen Krypto-Identifikatoren an einen zentralen Server, ohne die eigenen Krypto-Identifikatoren offenzulegen. Jedes Smartphone, das die App heruntergeladen hat, überprüft regelmäßig mit diesem zentralen Server, ob seine Krypto-Identifikatoren zu den gefährdeten gehören. Die zentralen Server werden von der französischen Regierung verwaltet (Norton Rose Fulbright 2020) (Tab. 2). Auch die norwegische CCT App "Smittenstopp" basiert auf einer zentralen Architektur. Durch die Nutzung werden GPS und Bluetooth-Daten an das norwegische Institut für öffentliche Gesundheit gesendet. Diese Daten werden sowohl verwendet, um Kontakte zu infizierten Personen zu identifizieren, als auch um anonymisierte Statistiken zu erstellen, damit Bewegungsmuster in der Bevölkerung analysieren werden können. Wegen starker Kritik, dass alle Daten über einen längeren Zeitraum zentral gespeichert werden sollten und dass Nutzende sich nicht dafür entscheiden konnten, Daten nur für Kontaktverfolgungszwecke zu teilen, wurde die App im Sommer 2020 vom Markt genommen. Anfang 2021 wurde eine überarbeitete Version veröffentlicht (Euronews 2020 ; Norton Rose Fulbright 2020) (Tab. 3). Der vorliegende Beitrag ist eine der ersten Arbeiten, die sich mit den realen Implementierungen der CCT Apps beschäftigt. Bisher wurden in der Praxis, der Wissenschaft und den Medien vor allem die möglichen einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten (z. B. zentrale versus dezentrale Architektur) diskutiert. In dieser Arbeit wird eine andere Perspektive eingenommen. Es wird auf der Metaebene analysiert, wie die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten und Vertriebsstrategien kombiniert wurden. Mittels einer Clusteranalyse konnten zwei dominante Archetypen identifiziert werden, welche gegensätzliche Konfigurationen betrachtet. Der erste Archetype (CCT Apps zur Kontakterfassung) zeichnet sich vor allem durch eindeutige Eigenschaften aus, welche eine dezentrale Bluetooth-basierte Technik, eine staatlich-finanzierten und transparenten Entwicklung auszeichnet. Im Gegensatz dazu basiert Archetype 2 (CCT Apps zur Kontaktverfolgung) vor allem auf der Diversität in anderen Ansätzen. Darunter zählt eine zentrale Architektur, die Erhebung von GPS-basierten Daten und einer privaten proprietären Entwicklung. Die CCT Apps haben sich bisher hauptsächlich national durchgesetzte und wie unsere beiden Beispiele zeigen, stoßen diese auf Datenschutzkritik. Basierend auf diesen beiden Archetypen lassen sich verschiedene Implikationen ableiten. Es scheint sich ein implizierter Konsensus entwickelt zu haben, wie ein CCT App gestaltet und vertrieben werden sollte. Die Möglichkeiten für die Gestaltung und den Vertrieb einer CCT App werden nichtdisjunkt voneinander betrachtet und implementiert, sondern einige Eigenschaften werden als zusammengehörig angesehen. Zum einen gibt es die natürlichen technischen Umstände, welche zu einer Verbundenheit von Eigenschaften führen, wie eine dezentrale Architektur und der Einsatz von Bluetooth als Schnittstelle. Jedoch werden auch andere Eigenschaften häufig kombiniert bzw. können zusammen beobachtet werden, wie die Bereitstellung des Quellcodes als Open Source und staatliche Betreibende der CCT App. Hier bietet sich für die Wissenschaft die Möglichkeit die Prominenz von Kombinationsmöglichkeiten zu hinterfragen und Vor-und Nachteile für eine Abweichung von den Archetypen systematisch zu eruieren. Für die Praxis bieten die Archetypen ein Framework für die Diskussion von CCT App-Gestaltungen. Entwickler*innen und Betreiber*innen von CCT Apps können ihre Gestaltung der App vor dem Hintergrund der identifizierten Archetypen diskutieren und Abweichungen explizit durchdenken. Somit ergibt sich ein Referenzrahmen für die Entwicklung von CCT Apps, welcher den Umfang einer "Trialand-Error" Phase reduzieren kann. Das ist von besonderer Bedeutung, da eine CCT App auf einen starken Netzwerkeffekt angewiesen ist. Eine langsame Zunahme der Nutzer*innen nach der Veröffentlichung der CCT App kann zu einem unmittelbaren Scheitern führen. Daher ist es notwendig, dass CCT Apps von Anfang an eine ausgereifte Gestaltung und Vertriebsstrategie aufweisen. Abschließend ist anzumerken, dass sich CCT Apps im Archetyp 1 scheinbar durchgesetzt haben und ein Trend zu erkennen ist. Das deutet darauf hin, dass die Eigenschaften des ersten Archetypens erfolgsversprechender sind als die des zweiten Archetypens. Im Moment ist die Datenlage noch relativ unklar, aber wir glauben, dass es im Laufe der nächsten Jahre eindeutigere und verlässliche Daten geben wird. Mittels dieser Daten kann untersucht werden, welche Eigenschaftskonfigurationen zu einer höheren Nutzerzahl führen. Dennoch halten wir unsere Beobachtung für aktuell relevant. An dieser Stelle möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass Tracing Apps ein sehr dynamisches Technologiefeld sind, welches sich in kurzer Zeit, ausgelöst durch die Pandemie, ad hoc entwickeln musste, und sich stetig weiterentwickelt. Daher bietet unsere Analyse nur eine Momentaufnahme. Außerdem möchten wir auf die Limitationen der Methodik hinweisen. Die morphologische Analyse ist in ihrer methodischen Vorgehensweise nie vorständig und interpretativ ist. Sie bietet immer eine Kategorisierung ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Zuletzt möchten wir auch auf die Limitationen der Clusteranalyse hinweisen. Die generische Unterteilung in zwei Archetypen verallgemeinert die vorliegende Datengrundlage, um die Balance aus inhaltlicher Erklärungskraft und Komplexität zu bieten. Dieser Forschungsbeitrag befasst sich mit den verschiedenen europäischen CCT Apps, die im Rahmen der COVID-19 Pandemie entwickelt und auf den Markt gebracht wurden. Es wird untersucht, wie die unterschiedlichen Eigenschaften der Apps ausgeprägt sind und dahingehend zwei Hauptarchetypen anhand der Kombinationen der Eigenschaften identifiziert und definiert. Die Ergebnisse der vorliegenden Forschungsarbeit liefern wertvolle Erkenntnisse über die Ausgestaltung von CCT Apps im Kontext von COVID-19. Es zeigt sich, dass sich die CCT Apps des europäischen Marktes in Archetyp 1 und Archetyp 2 kategorisieren lassen. Zudem lässt sich feststellen, dass die beiden Archetypen eine unterschiedliche Verbreitung auf dem Markt aufweisen und sich zukünftig zeigen wird, ob der zweite Archetyp an Apps vom Markt verschwindet oder als Insellösung bestehen bleibt. Neben diesen neuartigen Erkenntnissen sind einige wichtige Einschränkungen zu nennen, welche aber auch Möglichkeiten für zukünftige Forschung bieten. Eine besondere Herausforderung besteht gerade bei diesem speziellen Thema darin, dass die Ergebnislage sich schnell weiterentwickelt und die gesammelten Daten immer aktualisiert werden müssen. Somit kann nicht sichergestellt werden, dass alle Apps, die im Rahmen der Analyse verwendet wurden, noch existieren und keine neuen Apps hinzugekommen sind. Darüber hinaus kann, obwohl die Entwicklung der zwei Archetypen für die CCT Apps von zwei unabhängigen Forschern durchgeführt wurde, nicht garantiert werden, dass es keine anderen wichtigen Aspekte gibt, die zu einer weiteren Kategorie gehören könnten, da die Kodierung auf den ausgewählten Aspekten basiert. An dieser Stelle könnte zukünftige Forschung ansetzen und die Analyse der Archetypen erweitern und verfeinern und weitere mögliche Ebenen der Kategorisierung finden. Des Weiteren wurde nicht untersucht, ob die Eigenschaften der Archetypen tatsächlich zu einer Adaption oder Ablehnung der Apps führen. Dieser Aspekt scheint sich lediglich abzuzeichnen. Zukünftige Forschung sollte daher untersuchen, ob und wie verschiedene Eigenschaften von CCT Apps zur Adaption oder Ablehnung dieser führen. Funding Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL. Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation A survey of COVID-19 contact tracing apps Contact tracing Apps Die Bundesregierung (2020) Corona-Warn-App: Unterstützt uns im Kampf gegen Corona Smittestopp verboten: Norwegen muss Covid-19-App stoppen Mobile contact tracing apps in EU member states Quantifying SARS-CoV-2 transmission suggests epidemic control with digital contact tracing Exposure notifications: helping fight COVID-19 Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie. Fachwörter -Definitionen -Interpretationen Contact tracing: an overview of technologies and cyber risks. arXiv Norton Rose Fulbright (2020) Contact tracing apps: a new world for data privacy Wicked problems-social messes: decision support modelling with morphological analysis Bd Coronavirus SARS-CoV-2-Infektionsketten digital unterbrechen mit der Corona-Warn-App One app to trace them all? Examining app specifications for mass acceptance of contact-tracing apps