key: cord-0739981-9a2g88ce authors: Adorjan, Kristina; Pogarell, Oliver; Pröbstl, Lisa; Rüb, Mike; Wiegand, Hauke Felix; Tüscher, Oliver; Lieb, Klaus; Wassiliwizky, Michael; Gerlinger, Gabriel; Heinz, Andreas; Falkai, Peter title: Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Versorgungssituation in psychiatrischen Kliniken in Deutschland date: 2021-05-18 journal: Nervenarzt DOI: 10.1007/s00115-021-01129-6 sha: 1ef859dbaf29100c76c9d67d6ae5389b31a24a1d doc_id: 739981 cord_uid: 9a2g88ce AIM: To assess the structural performance of psychiatric hospitals in Germany during the COVID(coronavirus disease)-19 pandemic, a nationwide survey was launched in March 2020, in which the corona-related changes in care structures during the first wave of the pandemic were collated. METHODS: Data on the care situation were collected by means of a survey in 38 out of 388 contacted psychiatric and psychotherapy hospitals in Germany over the course of 1 month. The changes and adaptations of the care structures, the type of therapy measures applied and care options for people with mental disorders and a COVID-19 infection as well as the legal basis underlying the care for patients unable to consent were documented. RESULTS: On average, the inpatient treatment capacity of psychiatric hospitals in Germany decreased by approximately 40% compared with prepandemic periods. Day clinic and outpatient services were also only available in a limited form or were even discontinued completely. Specialized wards for patients with COVID-19 infections were available in most of the surveyed clinics (84%). CONCLUSION: Psychiatric hospitals were already able to respond quickly and adequately to the crisis situation in the first wave of the pandemic, e.g. by setting up COVID wards; however, the reduction in treatment capacity to 60% has significantly worsened the care situation for people with mental illnesses. Therefore, further efforts should urgently be made to adapt mental health care to the requirements of the pandemic in the long term. Um die strukturelle Leistungsfähigkeit psychiatrischer Kliniken in Deutschland während der COVID-19("coronavirus disease 2019")-Pandemie beurteilen zu können, wurde im April 2020 ein Kooperationsprojekt ins Leben gerufen. Beteiligt waren die folgenden Institutionen: Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz und die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Im Folgenden werden die Ergebnisse einer deutschlandweiten Umfrage berichtet, in der die Corona-bedingten Veränderungen der Versorgungstrukturen in psychiatrischen Kliniken während der ersten Welle der Pandemie erfasst wurden. Eine Folgestudie zur Beurteilung der Versorgungssituation in der zweiten Pandemiewelle wird im Rahmen des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), in Kooperation mit den psychiatrischen K. Adorjan Die durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ("severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2") verursachte Infektionserkrankung COVID-19 breitet sich in vielen Ländern weiter aus. Auch in Deutschland steigt die Zahl der positiv auf SARS-CoV-2 getesteten und auch der stationär behandlungsbedürftigen Personen erneut an [1] . Zur Sicherstellung ihrer Versorgung ist deshalb die Bereitstellung und Erweiterung von Bettenkapazitäten für die Behandlung von COVID-19-Patient*innen erforderlich, z. B. durch Verschiebung oder Aussetzung planbarer Aufnahmen, Eingriffe oder Operationen sowie durch Schaffung zusätzlicher intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten. Parallel sollten Erlösausfälle sowie wirtschaftliche Defizite der Krankenhäuser vermieden und ihre Liquidität weiterhin sichergestellt werden. Aufgrund erkrankter Mitarbeiter*innen, Quarantänemaßnahmen sowie der Schließung von Schulen und Kinder-tagesstätten kommt es immer häufiger vor, dass auch psychiatrische Kliniken mit Situationen konfrontiert sind, in denen die vertraglich vereinbarten Personalstandards und Qualifikationsanforderungen nicht mehr eingehalten und Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht ausreichend versorgt werden können. Eine weitere Ursache reduzierter Versorgungskapazitäten in der Psychiatrie kann zudem auf die Umwandlung psychiatrischer Betten in COVID-19-versorgungsrelevante Betten zurückgeführt werden [21] . Die Behandlungskapazität der beteiligten psychiatrischen Kliniken verringerte sich im Zeitraum Mitte April bis Mitte Mai 2020 stationär wie teilstationär signifikant (p < 0,001). Vor der Pandemie wurden durchschnittlich 180,2 Patienten (min. = 43, max. = 898, SD = 187,0) pro Klinik behandelt. Während desErhebungszeitraumsverringerte sich dieser Wert auf 111,0 (min. = 26,0, max. = 551,0, SD = 108,2). Ein Vergleich der Personalverfügbarkeit (Ärzt*innen, Therapeut*innen, Pflege) für psychiatrische Patient*innen vor und während des Erhebungszeitraums zeigte keinen Unterschied (p = 0,58). Zum Zeitpunkt der Umfrage gaben 30 (78,9 %) Behandlungszentren an, seit durchschnittlich ca. 37,9 Monaten (min. = 1,5, max. = 168,0, SD = 53,5) über einen Pandemieplan zu verfügen, welcher bei 37,0 % (n = 10) der Zentren psychiatriespezifisch und bei 63,0 % für das Gesamtklinikum ausgelegt war. Umfrage · Versorgungsstrukturen · Psychiatrie · Behandlungskapazität · Therapiemaßnahmen Aim. To assess the structural performance of psychiatric hospitals in Germany during the COVID(coronavirus disease)-19 pandemic, a nationwide survey was launched in March 2020, in which the corona-related changes in care structures during the first wave of the pandemic were collated. Methods. Data on the care situation were collected by means of a survey in 38 out of 388 contacted psychiatric and psychotherapy hospitals in Germany over the course of 1 month. The changes and adaptations of the care structures, the type of therapy measures applied and care options for people with mental disorders and a COVID-19 infection as well as the legal basis underlying the care for patients unable to consent were documented. Results. On average, the inpatient treatment capacity of psychiatric hospitals in Germany decreased by approximately 40% compared with prepandemic periods. Day clinic and outpatient services were also only available in a limited form or were even discontinued completely. Specialized wards for patients with COVID-19 infections were available in most of the surveyed clinics (84%). Conclusion. Psychiatric hospitals were already able to respond quickly and adequately to the crisis situation in the first wave of the pandemic, e.g. by setting up COVID wards; however, the reduction in treatment capacity to 60% has significantly worsened the care situation for people with mental illnesses. Therefore, further efforts should urgently be made to adapt mental health care to the requirements of the pandemic in the long term. Survey · Care structures · Psychiatry · Treatment capacity · Therapy measures 18,2 Patient*innen (min. = 0, max. = 80, SD = 16, 9) In 4 Kliniken (10,5 %) wurden in den letzten Wochen vor der Umfrage im Durchschnitt 1,3 Patient*innen (min. = 1,0, max. = 2,0, SD = 0,5) nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) behandelt. Behandlungen nach PsychKG (Psychisch-Kranken-Gesetz) oder BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) bei SARS-CoV-2positiven Patient*innen mit führender psychischer Erkrankung wurden in 5 Zentren (13,2 %) durchgeführt, durch-schnittlichan1,6 Patient*innen(min. = 0, max. = 5,0, SD = 1,9). Weitere signifikante Unterschiede hinsichtlich der Anzahl der pandemiebedingten Entlassungen (p = 0,10), des klinikeigenen ambulanten Nachsorgeangebots (p = 0,41) und der allgemeinen Weiterversorgung (p = 0,69) zeigten sich nicht. Kliniken, in denen keine Intensivbetten für COVID-19-Patient*innen zur Verfügung standen, gaben signi- Uneingeschränkt 3 (7,9) 3 (7,9) 1 (2,6) Nicht vorhanden 0 (0) 1 (2,6) 12 (31,6) Keine Angabe 0 (0) 0 (0) 12 (31, 6) Die Pandemie gilt als Innovationstreiber für digitale Gesundheitsangebote. Die allgemeinen Stärken und Herausforderungen webbasierter und telemedizinischer Nachsorgeangebote wurden bereits inderLiteraturausführlichbeschrieben. Vorteile sind ein direkter "Face-toface"-Kontakt ohne Maske und ein kontextualisierter Einblick in das Leben der Patient*innen zu Hause [9] . Zu den Herausforderungen gehören die Notwendigkeit einer sorgfältigeren Sicherheitsplanung für Hochrisikopatient*innen, die Aufrechterhaltung professioneller Grenzen in der neuen informellen virtuellen Umgebung, die Gestaltung des physischen Raums und die Berücksichtigung von Verzögerungen und Unterbrechungen [11, 12] . Obwohl telemedizinische Angebote bereits zu Beginn der Pandemie zur Verfügung standen und im weiteren Verlauf auch reliable Konzepte für eine telemedizinische Versorgung für psychisch erkrankte Menschen ausgearbeitet wurden [13] , bedarf es dringend der Verbesserung der technischen Ausstattung sowohl der Kliniken als auch der betroffenen Patient*innen, um eine breite Anwendung zu ermöglichen. In den meisten befragten Einrichtungen (84 %) standen Spezialbereiche für COVID-19-infizierte Patient*innen zu Verfügung. Die Ausstattung für die Versorgung infektiöser Patient*innen konnte zwar nicht flächendeckend gewährleistet werden, in der Regel war aber die für die Erstversorgung notwendige Ausstattung vorhanden. Eine Sauerstoffversorgung konnte allerdings lediglich in etwa 75 % der Kliniken bereitgestellt werden, nur die Hälfte der befragten Einrichtungen verfügte über Monitore und lediglich in 25 von 38 Kliniken gab es eine Schleuse zur Einhaltung der Hygienestandards. Mitarbeitertestungen zur frühzeitigen Identifizierung von In-fektionen konnten in der Mehrzahl der befragten Zentren durchgeführt werden, wobei sich hier kein Zusammenhang mit der Größe der Klinik, gemessen an der Behandlungskapazität vor der Krise, zeigte. Die Hygienemaßnahmen konnten beinahe in allen Kliniken vollständig umgesetzt werden. Trotz Infektionsgefahr wurden allerdings zu Beginn der Pandemie die Hygieneschulungen primär in Präsenzkursen (65 %) durchgeführt, Onlinekurse wurden nur in etwas mehr als der Hälfte der Fälle (57 %) angeboten. Aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie ergab sich zudem, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei nichteinwilligungsfähigen Patient*innen eher auf öffentlich-rechtlicher Grundlage als in Anwendung des Infektionsschutzgesetzes erfolgten. Grundsätzlich ist die Anwendung beider Rechtsgrundlagen bei nichteinwilligungsfähigen Patient*innen möglich. Liegt jedoch keine psychische Erkrankung vor, sollten Personen mit Verdacht auf SARS-CoV-2-Infektion oder mit einer COVID-19-Erkrankung nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden; ebenso wenig, wenn bei stabilem psychopathologischem Befund die somatische Komponente eindeutig im Vordergrund steht. Eine unzulässige Instrumentalisierung des psychiatrischen Versorgungssystems sollte unbedingt vermieden werden [14, 15] . Aus der aktuellen Umfrage ließen sich keine Hinweise auf nichtrechtskonforme Unterbringungen in den befragten psychiatrischen Kliniken ableiten. A global needs assessment in times of a global crisis: world psychiatry response to the COVID-19 pandemic Psychische Komorbiditäten Implications of the association of social exclusion with mental health Increased psychological distress, loneliness, and unemployment in the spread of COVID-19 over 6 months in Germany Vicarious traumatization in the general public, members, and non-members of medical teams aiding in COVID-19 control Systematische Literaturanalyse und Studienergebnisse aus dem deutschen COSMO-Panel Mental burden and its risk and protective factors during the early phase of the SARS CoV-2 pandemic: systematic review and meta-analyses Forty percent reduction in referrals to psychiatric services during the COVID-19 pandemic Successful treatment in the day clinic of the clinic for psychiatry and psychotherapy of LMU munich. Experienced changes from the patients' perspective Adapting an outpatient psychiatric clinic to telehealth during the COVID-19 pandemic: a practice perspective The NIMH global mental health research community and COVID-19 Psychosocial support during the COVID-19 pandemic: interdisciplinary concept of care at a university hospital Coercive measures and the SARS-CoV-2 pandemic Role of psychiatric hospitals during a pandemic: introducing the Munich psychiatric covid-19 pandemic contingency plan (MPCPCP) The mental health of medical workers in Wuhan, China dealing with the 2019 novel coronavirus Factors associated with mental health outcomes among health care workers exposed to Coronavirus disease Differential impact of COVID-related lockdown on mental health in Germany COVID-19 pandemic inpatient bed allocation planning-A Canada-wide approach COVID-19-Pandemie: Psychische Störungen werden zunehmen Consensus statement on the use of clozapine during the COVID-19 pandemic