key: cord-0735270-dpcjm77j authors: Güttler, Thomas; Dobbelstein, Matthias; Görlich, Dirk title: Therapeutische Nanobodies gegen SARS-CoV-2 date: 2022-02-13 journal: Biospektrum (Heidelb) DOI: 10.1007/s12268-022-1684-y sha: af1d4af287ceca5407e83f4a05469c2c78343fd5 doc_id: 735270 cord_uid: dpcjm77j Monoclonal immunoglobulins are widely successful as therapeutics and have also been effective in treating COVID-19. However, their production in mammalian cells is expensive and cannot be scaled to meet the demand in a global pandemic. Camelid V(H)H antibodies (also called nanobodies), however, can be manufactured cost-efficiently in bacteria or yeast. Here we highlight our progress in developing nanobodies that effectively neutralize SARS-CoV-2 and its variants. ó Sie werden eingesetzt als Immunsuppressiva nach Organtransplantationen, in der Krebstherapie, bei der Behandlung von Autoimmunkrankheiten, Asthma, Allergien, Infektionen und Osteoporose. Auch in der Diagnostik sind sie längst Standard. Die Rede ist von monoklonalen Antikörpern (mAbs). Seit der Entwicklung der Hybridoma-Technologie durch Georges Köhler und César Milstein um das Jahr 1975 [1] und der ersten klinischen Zulassung 1986 haben mAbs die Biomedizin buchstäblich revolutioniert. Sie machen inzwischen knapp ein Fünftel aller neuen Medikamente und etwa die Hälfte der 20 meistverkauften Pharmaka aus [2] . Kein Wunder, denn mAbs verfügen über eine exzellente Zielspezifität und lassen sich genau auf ihre Anwendung zuschneiden. Auch in der COVID-19-Pandemie kommen sie seit November 2020 bei der Prophylaxe und Therapie von Risikopatienten zum Einsatz. Mit zwei schweren und zwei leichten Polypeptidketten, die über Disulfi dbrücken verknüpft sind, ist das typisch Y-förmige Immunglobulin G (IgG) ein relativ großes und fl exibles Molekül (Abb. 1A). Die Antigenbindestellen (Paratope) werden von den variablen Ig-Domänen der leichten und schweren Kette am Ende der Y-Arme gestellt. Diese passen genau auf die entsprechende Therapeutische Nanobodies gegen SARS-CoV-2 WISSENSCHAFT · SPECIAL: COVID-19-FORSCHUNG bodies aus der Immunbibliothek und produzierten eine Auswahl dieser in E. coli. Nicht jeder RBD-spezifi sche Nanobody kann das Virus stoppen. Ob die ausgewählten Nanobodies SARS-CoV-2 ausschalten, ermittelten wir mit einem eigens entwickelten Test, der das Virus sogar im frühen Stadium der Infektion und in einzelnen Zellen detektieren kann [9] . Dafür infi zierten wir Zellkulturen mit dem Virus, das zu Beginn des ersten Lockdowns in der Göttinger Universitätsklinik isoliert wurde. Zellen, die infolge der Infektion neue Viruspartikel produzieren, ließen sich mit fl uoreszenzmarkierten anti-RBD-Nanobodies per Mikroskop detektieren. Versetzt man das Virus mit einem Nanobody, der die Infektion verhindert, bleibt das Fluoreszenzsignal aus -man spricht dann von Virus-neutralisierenden Nanobodies. 43 von 60 getesteten Nanobodies waren in der Lage, das Virus zu stoppen. Ein wichtiges Kriterium in der pharmazeutischen Entwicklung ist die minimale Dosis, bei der ein Antikörper wirksam ist. Die verabreichte Menge entscheidet über Nebenwirkungen und nicht zuletzt über Produktionskosten und Marktpreis. Dieser liegt bei dem mAb-Präparat REGEN-COV mit einer Dosis von etwa einem Gramm bei mindestens 2.000 Euro -viel zu hoch für den breiten Einsatz während einer globalen Pandemie. Indem wir die Kandidaten-Nanobodies bei unterschiedlichen Konzentrationen testeten, konnten wir ermitteln, welche Menge für den Neutralisationseffekt ausreicht. Das Ergebnis war erstaunlich: Die potentesten Nanobodies (z. B. Kandidat Re5D06) neutralisierten das Virus bereits transkribierten mRNA dieser Zellen ließen sich nun die Nanobody-codierenden Bereiche durch PCR amplifizieren und klonieren. Hier zeigt die Nanobody-Technologie eine ihrer größten Stärken: V H Hs sind viel einfacher zu klonieren als Multidomänen-Antikörper aus mehreren Ketten. In vergleichbar wenigen Schritten ließ sich so das gesamte V H H-Repertoire der Alpakas (∼10 8 individuelle Sequenzen pro Tier) in einer Nanobody-DNA-Bibliothek (wie man den Satz an Nanobody-kodierenden Plasmiden nennt) spiegeln. Die Selektion der antigenspezifi schen Nanobodies aus dem Pool aller rekombinanten V H Hs gleicht der Suche einer Nadel im Heuhaufen. Hierbei kommen Bakteriophagen zum Einsatz -Viren, die Bakterien infi zieren und deren Biosynthesemaschinerie für ihre Vermehrung kapern. Bei der Konstruktion der Immunbibliothek wird der V H H-codierende Bereich mit dem eines Bakteriophagen-Hüllproteins fusioniert. Infi ziert man nun Bakterien, die die Bibliothek exprimieren, so präsentiert ein Teil der neu produzierten Phagen einen Nanobody auf der Oberfl äche -daher der Name "Phage Display" [10, 11] . Die Plasmide der Bibliothek, die Phagemide, tragen ein Phagen-eigenes Replikationssignal und werden daher in den Phagenpartikeln verpackt. Durch Selektion der Phagen über die präsentierten Nanobodies (mittels Affi nitätschromatographie) kommt man so auch der Nanobody-Sequenz auf die Spur. Mit der RBD des Spike-Proteins als Köder fi schten wir nun die RBD-bindenden Nano-Eine Zufallsentdeckung an der Freien Universität in Brüssel brachte in den späten 1980er-Jahren den Durchbruch: Während eines Studentenkurses fi elen in Dromedar-Seren Immunglobuline auf, die deutlich kleiner waren als herkömmliche IgGs [7] . Sie bestehen lediglich aus zwei verkürzten schweren Ketten, in denen jeweils eine einzige variable Ig-Domäne das Paratop stellt (Abb. 1B). Diese Domänen lassen sich ohne Aggregationsprobleme oder Affi nitätsverlust abgetrennt vom Rest der schweren Kette produzieren, als V H H-Antikörper (Abb. 1C), aufgrund ihrer kompakten Größe auch Nanobodies genannt. Nanobodies lassen sich auch aus anderen Alt-und Neuweltkamelen (wie Alpakas) gewinnen. Das Spike-Protein auf der Oberfl äche von SARS-CoV-2 ist ein hervorragendes pharmazeutisches Target. Mit dessen Rezeptorbindedomäne (RBD) dockt das Virus an den zellulären Rezeptor ACE2 (angiotensin-converting enzyme 2). Daraufhin fusionieren die Membranen von Virus und Zelle, wodurch das Virusgenom in den Wirt eingeschleust wird [8] . Unser Ziel war es, die Interaktion zwischen RBD und ACE2 mit RBD-spezifischen Nanobodies zu blockieren, und SARS-CoV-2 somit zu stoppen, bevor es Zellen infizieren kann [9] . Um solche Nanobodies zu gewinnen, haben wir drei Tiere unserer Alpakaherde mit einer geringen Menge des Spike-Proteins immunisiert. Bereits fünf Wochen später gewannen wir aus etwas Blut periphere B-Lymphozyten -jene Zellen, die auch Spike-Antikörper produzieren. Aus der revers- Mit Immunfluoreszenz-Experimenten erkannten wir bereits früh, dass neutralisierende Nanobodies eines von zwei nicht überlappende RBD-Epitopen ( [12] ). Dadurch passen sie in für IgGs nur schwer zugängliche konkave Oberfl ächenbereiche und können so auch komplizierte 3D-Epitope lesen und sogar aktive Zentren von Enzymen blockieren [13] . Das Paratop von IgGs ist hingegen meist fl ach oder konkav, wodurch diese eher lineare Peptide mit hoher Affi nität binden [12] . Über Kryo-Elektronenmikroskopie erschlossen wir, dass Re5D06 das Spike-Protein in all dessen Konformationen zu blockieren vermag -es kann sich dem Nanobody praktisch nicht entziehen. Die Röntgenstruktur des freien, nicht RBD-gebundenen Re5D06 zeigte zudem, dass dieser außerordentlich formstabil ist und seine RBD-kompatible Konformation nicht erst allmählich mit der RBD-Bindung einnimmt, sondern diese von Anbeginn aufweist. Strukturelle Stabilität von Proteinen geht nicht selten mit Temperaturtoleranz einher. Unsere Favoriten-Nanobodies überstehen sogar eine Temperatur von 95 °C, ohne unwirksam zu werden [9] . Sie zeigen damit eine bisher einzigartige Kombination aus antiviraler Aktivität und Thermostabilität. Letztere gilt sogar als Schlüsselkriterium in der Wirkstoffentwicklung [14] : Zum einen zeigt sie, dass Nanobodies die oft langen Produktions-und Lieferketten unbeschadet durchlaufen können, zum anderen ist sie ein Indikator für lange Wirksamkeit im Körper. In einer dritten Strategie bündelten wir Epitop-2-Binder zu trimeren Komplexen. So entsprechen sie der Dreier-Symmetrie des Spikes und binden auch die Alpha bis Delta praktisch irreversibel. Nanobodies lassen sich also modular zu effektiven Wirkstoffen kombinieren. Die Nanobody-Pipeline kann man in Echtzeit dem Pandemiegeschehen anpassen. Unsere derzeitige Aufmerksamkeit gilt vor allem der Omikron-Variante. Caplacizumab, ein Thrombozytenaggregationshemmer, ist das bislang einzige zugelassene Nanobody-basierte Präparat [12] . Dass weitere Nanobodies den Weg in die Klinik fi nden, ist wahrscheinlich. Vor allem dort, wo kompakte Struktur und hohe Stabilität ausschlaggebend sind, werden Nanobodies vor-aussichtlich konv e n t i o n e l l e n mAbs überlegen sein. Die intranasale Anwendung oder Inhalation ist für anti-RBD-N a n o b o d i e s besonders vielversprechend, denn Nanobodies können leicht in Gewebe eindringen und das Virus bereits am Infektionsort ausbremsen oder sogar stoppen. Erste Ergebnisse aus dem Hamstermodell sind vielversprechend. Falls diese sich bestätigen lassen, könnten klinische Studien bereits im kommenden Jahr beginnen. Wir danken unseren Arbeitsgruppen am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und an der Universitätsmedizin Göttingen für die hervorragende Teamarbeit an den SARS-CoV-2-Projekten sowie den Facility-Teams am MPI (Tierhaltung, Kristallisation, cryo-EM und Live-Cell Imaging) für die ausgezeichnete Unterstützung. Diese Arbeit wurde von der Max-Planck-Gesellschaft und der Max-Planck-Stiftung gefördert. ó Continuous cultures of fused cells secreting antibody of predefi ned specifi city Escherichia coli secretion of an active chimeric antibody fragment Assembly of a functional immunoglobulin Fv fragment in Escherichia coli Protein engineering of antibody binding sites: recovery of specifi c activity in an anti-digoxin single-chain Fv analogue produced in Escherichia coli Binding activities of a repertoire of single immunoglobulin variable domains secreted from Escherichia coli Naturally occurring antibodies devoid of light chains Mechanisms of SARS-CoV-2 entry into cells Neutralization of SARS-CoV-2 by highly potent, hyperthermostable, and mutation-tolerant nanobodies Phage display: simple evolution in a petri dish (Nobel lecture) Harnessing evolution to make medicines (Nobel lecture) The therapeutic potential of nanobodies Crystal structure of a camel single-domain VH antibody fragment in complex with lysozyme Developability assessment during the selection of novel therapeutic antibodies -2010 Promotion am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und an der Universität Göttingen Postdoktorand an der Harvard Medical School und Boston University, USA. Seit 2019 Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften (früher Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Medizinstudium an der LMU München mit Promotion am Institut für Biochemie. 1993-1996 Postdoktorand an der Princeton University, USA. 1997-2004 Gruppenleiter am Institut für Virologie der Universität Marburg Promotion am Max-Delbrück-Zentrum/HU Berlin. 1993-1995 Postdoktorand am Wellcome/CRC Institute Cambridge, UK. Forschungsgruppenleiter (1996-2001) und Professor (2001-2006) am Zentrum für Molekularbiologie der Universität Heidelberg (ZMBH) Abb. 2: Die Rezeptorbindedomäne (RBD, grün) des SARS-CoV-2 Spike-Proteins (links) wird durch Nanobodies gegen Epitop 1 (magenta) und Epitop 2 (blau) blockiert