key: cord-0733173-zqdv9xer authors: Kampf, Günter; Jatzwauk, Lutz title: Ist die Desinfektion öffentlicher Flächen zur Prävention von SARS-CoV-2 – infektionen sinnvoll? date: 2021-02-04 journal: Gesundheitswesen DOI: 10.1055/a-1335-4549 sha: 523c45eef6d6c88de8d5fd7ea52ea82753f6b0fd doc_id: 733173 cord_uid: zqdv9xer Measures to control SARS-CoV-2 often include the regular disinfection of public surfaces. The frequency of SARS-CoV-2 detection on surfaces in the surrounding of confirmed cases was evaluated in this systematic review. Overall, 26 studies showed 0 and 100% rates of contamination with SARS-CoV-2 RNA on surfaces in the surrounding of patients. Seven studies with at least 100 samples mostly showed detection rates between 1.4 and 19%. Two other studies did not detect infectious SARS-CoV-2 on any surface. Similar results were obtained from surfaces in the surrounding of confirmed SARS- and influenza-patients. A contamination of public surfaces with infectious virus is considerably less likely because there are much less potential viral spreaders around a surface, the contact time between a person and the surface is much shorter, and the asymptomatic carriers typically have no symptoms. In addition, a hand contact with a contaminated surface transfers only a small part of the viral load. A simple cleaning reduces the number of infectious viruses already by 2 log (10) -steps. That is why public surfaces should in general be cleaned because the wide use of biocidal agents for surface disinfection further increases the microbial selection pressure without an expectable health benefit. teren Studien geht hervor, dass der Nachweis von infektiösem SARSCoV2 bislang von keiner Fläche gelungen ist. Vergleich bare Erkenntnisse finden sich für Flächen im Umfeld bestätigter SARS-bzw. Influenzapatienten. Eine Kontamination öffentli cher Flächen mit infektiösem SARS-CoV-2 ist durch die wenigen Virenausscheider im öffentlichen Raum, die meist kurze Kon taktzeit dieser Personen zur Fläche und die fehlende Sympto matik asymptomatischer Fälle noch weitaus unwahrscheinli cher. Außerdem wird durch das Berühren von Flächen nur ein Teil der Viruslast auf die Hände übertragen. Ein reinigendes Wischverfahren kann die Zahl infektiöser Viren bereits um ca. 2 log 10 Stufen reduzieren. Deshalb sollten Flächen im öffentli chen Raum grundsätzlich gereinigt werden, da durch die brei te Anwendung biozider Wirkstoffe zur Flächendesinfektion der mikrobielle Selektionsdruck ohne zu erwartenden Gesund heitsnutzen weiter ansteigt. Measures to control SARSCoV2 often include the regular dis infection of public surfaces. The frequency of SARSCoV2 de tection on surfaces in the surrounding of confirmed cases was evaluated in this systematic review. Overall, 26 studies showed 0 and 100 % rates of contamination with SARSCoV2 RNA on surfaces in the surrounding of patients. Seven studies with at least 100 samples mostly showed detection rates between 1.4 and 19 %. Two other studies did not detect infectious SARS CoV2 on any surface. Similar results were obtained from sur faces in the surrounding of confirmed SARS-and influenzapatients. A contamination of public surfaces with infectious virus is considerably less likely because there are much less potential viral spreaders around a surface, the contact time between a person and the surface is much shorter, and the asymptomatic carriers typically have no symptoms. In addition, a hand contact with a contaminated surface transfers only a small part of the viral load. A simple cleaning reduces the num ber of infectious viruses already by 2 log 10 steps. That is why public surfaces should in general be cleaned because the wide use of biocidal agents for surface disinfection further increases the microbial selection pressure without an expectable health benefit. Flächen werden als mögliche Infektionsquelle für SARS-CoV-2 an gesehen. Es ist davon auszugehen, dass Flächen von infizierten Per sonen durch sedimentierende Tröpfchen (Sprechen, Husten oder Niesen) sowie durch die Handkontakte kontaminiert werden kön nen und in der Folge das Virus durch Handkontakte mit der konta minierten Fläche und einem späteren HandGesichtKontakt auf Dritte übertragen werden kann. In Laborstudien mit einer hohen Viruslast wurde nachgewiesen, dass die Zahl infektiöser Coronavi ren im Lauf der Zeit zwar kontinuierlich sinkt [1] , aber auf unbeleb ten Flächen bei Raumtemperatur bis zu 9 Tage infektiös bleibt [2] . SARSCoV2 ist auf Edelstahl und Plastik nach 7 Tagen nicht mehr nachweisbar, auf Glas nach 4 Tagen und auf Holz nach einem Tag. Völlig unbeachtet bleibt dabei, dass im Gegensatz zu Laborexperi menten in der Praxis die Viren aus den Atemwegen infizierter Per sonen kommen und dabei zwangsläufig in Speichel oder Sputum suspendiert sind. In diesem Umfeld ist mit Antikörpern, Leukozy ten, Peroxidasen sowie Bakterien und Hefepilzen zu rechnen, die wahrscheinlich dazu führen, dass Viren im Sputum weitaus kürzer auf unbelebten Flächen infektiös bleiben (eher Stunden als Tage) [3] . Die regelmäßige Flächendesinfektion ist trotzdem Bestandteil vieler HygieneKonzepte zur Eingrenzung von SARSCoV2. Zahl reiche Flächen des öffentlichen Raums mit häufigen Handkontak ten werden wischdesinfiziert, in einigen Ländern ganze Straßenzü ge durch Verspritzen von Desinfektionsmitteln benetzt. In der Phänomenta in Flensburg, einer Ausstellung zum Anfas sen und Begreifen im naturwissenschaftlichtechnischen Erfah rungsfeld, werden auf Basis des neuen "Hygienekonzepts" alle 2 Stunden sämtliche Exponate und Handläufe im Wischverfahren desinfiziert [4] . In Restaurants sollen Salzstreuer nach jedem Gast desinfiziert werden [5] . Der Bedarf an Flächendesinfektionsmitteln für den öffentlichen Raum ist derart stark angestiegen, dass Ge sundheitseinrichtungen inzwischen erhebliche Schwierigkeiten haben, mit den üblicherweise verwendeten Flächendesinfektions mitteln beliefert zu werden. Wahrscheinlich fühlt sich der Bürger im öffentlichen Raum gegenwärtig sicherer, wenn er von einer Des infektion der Kontaktflächen ausgehen kann. Dieser psychologi sche Aspekt ist nicht von der Hand zu weisen, darf aber kein Argu ment für die wissenschaftliche Betrachtung der Wirksamkeit der Maßnahme zur Prävention der COVID19Infektion sein. In dieser Übersichtsarbeit wird beschrieben, wie häufig SARS-CoV2 auf unbelebten Flächen bereits nachgewiesen wurde und in der Folge bewertet, wie sinnvoll die breite und häufige Anwendung von Flächendesinfektionsmitteln im öffentlichen Raum zur Eingren zung von SARSCoV2 ist. Am 10. Juli 2020 wurde ein Literaturrecherche auf MedLine durch geführt. Die folgenden Suchbegriffe wurden verwendet, jeweils in Kombination mit "SARS-CoV-2" und "surface": "house" (2 Treffer), "flat" (1 Treffer), "shop" (keine Treffer), "bus" (keine Treffer), "train" (29 Treffer), "domestic" (1 Treffer), "home" (7 Treffer) und "conta mination" (70 Treffer). Alle Veröffentlichungen mit Originaldaten wurden ausgewertet, wenn Ergebnisse zum Nachweis von SARS CoV-2 auf unbelebten Flächen zu finden waren, sei es mit PCR Ver fahren (RNA Nachweis) oder mit Zellkulturverfahren (Nachweis in fektiöser Viren). Darüber hinaus wurden Studien zur Ausbreitung von SARSCoV2 ausgewertet, wenn die Flächendesinfektion ein Bestandteil der Maßnahmen zur Eingrenzung war. Der Nachweis einer Kontamination mit SARSCoV2 erfolgt übli cherweise mit der PCR Methode, mit der die RNA des Virus nach gewiesen werden kann. Tatsächlich lässt sich die RNA des Virus auf Flächen im unmittelbaren Umfeld von COVID19Patienten vor einer Desinfektion finden [6] , die Nachweisrate liegt je nach Studie zwischen 0 und 100 % (▶ tab. 1). In der Mehrzahl der Studien mit einer großen Stichprobe ( ≥ 100 Proben) wurde maximal in jeder 5. Probe die RNA von SARSCoV2 entdeckt. Wenn die RNA entdeckt wurde, fanden sich zwischen 2,0 und 5,2 virale Kopien pro ml [7] [8] [9] . Insgesamt wurde eine positive Korrelation zwischen der Anzahl viraler Kopien aus Patientenmaterial und der Rate positiver Flächen proben beschrieben [8] . Nach einer Desinfektion im Wischverfahren ist die RNA von SARSCoV2 nur noch sehr selten auf unbelebten Flächen nachweis bar [22, 25, 29, 32] . Möglicherweise wurde dieser Effekt allein durch das Wischen erzielt. Flächen des öffentlichen Raums können im Grunde nur von asymptomatischen bzw. präsymptomatischen Virusträgern konta miniert werden [38] . Ihr Anteil an der Bevölkerung ist jedoch, je nach epidemischer Situation, vergleichsweise gering. Für Hamburg mit seinen 1,8 Millionen Einwohnern wurden am 6. Mai 2020 ins gesamt 20 neue Fälle gemeldet [39] . Wenn man davon ausgeht, dass Fälle im Durchschnitt bereits 2 Tage vor der Diagnose infekti ös sind [40] , kommen am 6. Mai 2020 bereits die Personen hinzu, die erst am 7. und 8. Mai 2020 als Fall identifiziert werden. Somit wären am 6. Mai 2020 etwa 60 Personen asymptomatisch infiziert und potenziell im öffentlichen Raum unterwegs gewesen. Das ent ▶tab. [42] , ihre Reichweite kann mehr als 2 m sein [44] . Beim Sprechen von 100 Worten verlassen etwa 36 Partikel die Mundhöhle, ihre Reichweite ist unbekannt [42] . COVID-19 Patien ten husteten während des Ausatmens durchschnittlich 17 mal pro 30 min [45] . Hier hätte man also mit ca. 24 140 Partikeln pro Stun de zu rechnen, die bei permanenter Exposition auf die Flächen se dimentieren und anschließend als RNA oder infektiöses Virus nach weisbar sein können. Die Exposition öffentlicher Flächen gegenüber potenziellen Vi rusausscheidern ist im Vergleich zu stationären COVID19 Patien ten vergleichsweise kurz (meist weniger als 1 Stunde). Deshalb ist eine Kontamination dieser Flächen im Vergleich zum Krankenhaus weniger wahrscheinlich. Durch die Berührung kontaminierter Flächen wird nur ein Teil der Viruslast auf die Hände aufgebracht, wie man von anderen Atem wegviren weiß. Bringt man das Rhinovirus auf einen Edelstahlträger aus und berührt anschließend 5 Sekunden lang die kontaminierte Fläche, dann sind 0,7 % der Viren auf den Händen nachweisbar [46] . Beim Parainfluenzavirus ist die Rate mit 1,5 % etwas höher [46] . Vom Influenza-A-Virus hingegen finden sich nach 3 Sekunden Berühren von Edelstahl 7,9 % der Viren auf den Fingerkuppen wieder, von Pa pier ließen sich nur 0,25 % der Viren später auf den Händen nachwei sen [47] . Wie viele Viren von den Händen auf die Schleimhäute bei einer Berührung abgegeben werden, ist nicht untersucht. Von Edel stahlflächen jedoch weiß man, dass von den Händen, die mit Rhino viren kontaminiert wurden, lediglich 0,9 % auf der Fläche zu finden sind, wenn diese 5 Sekunden berührt wird [46] . Von den Händen aus geht vermutlich also ein weiterer Teil beim Berühren mit den Schleimhäuten oder der Haut verloren. Aerosol and Surface Stability of SARSCoV2 as Compared with SARSCoV1 Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and its inactivation with biocidal agents Respiratory mucus and persistence of virus on surfaces Flensburger Phänomenta öffnet wieder Im Internet Detection of air and surface contamination by SARSCoV2 in hospital rooms of infected patients Aerosol and Surface Distribution of Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 in Hospital Wards Air and environmental sampling for SARSCoV2 around hospitalized patients with coronavirus disease 2019 (COVID-19) Escalating infection control response to the rapidly evolving epidemiology of the coronavirus disease 2019 (COVID-19) due to SARS-CoV-2 in Hong Kong Environmental contamination of SARSCoV2 in healthcare premises Containing COVID19 outside the isolation ward: the impact of an infection control bundle on environmental contamination and transmission in a cohorted general ward Environmental contamination by SARS CoV2 in a designated hospital for coronavirus disease 2019 SARSCoV2 environmental contamination associated with persistently infected COVID-19 patients Masks and closedloop ventilators prevent environmental contamination by COVID19 patients in negativepressure environments SARS-CoV-2 in environmental samples of quarantined households Asymptomatic COVID19 Patients Can Contaminate Their Surroundings: an Environment Sampling Study Environmental Detection of Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) from Medical Equipment in LongTerm Care Facilities undergoing COVID19 Outbreaks Environmental virus surveillance in the isola tion ward of COVID19 Environmental contamination of SARSCoV2 during the COVID19 outbreak in South Korea SARSCoV2 RNA detection in the air and on surfaces in the COVID19 SARSCoV2 RNA detection of hospital isolation wards hygiene monitoring during the Coronavirus Disease 2019 outbreak in a Chinese hospital Surface Environmental, and Personal Protective Equipment Contamination by Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) From a Symptoma tic Patient Do established infection prevention and control measures prevent spread of SARSCoV2 to the hospital environment beyond the patient room? Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 RNA contamination of inanimate surfaces and virus viability in a health care emergency unit Environmental contamination by SARSCoV2 of an imported case during incubation period Detection of Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 RNA on Surfaces in Quarantine Rooms Detection of SARSCoV2 on hightouch surfaces in a clinical microbiology laboratory Lack of SARSCoV2 RNA environmental contamination in a tertiary referral hospital for infectious diseases in Northern Italy Detection of Novel Coronavirus on the Surface of Environmental Materials Contaminated by COVID19 Patients in the Republic of Korea Environmental Surface Testing for Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) during Prolonged Isolation of an Asymptomatic Carrier Environment and Personal Protective Equipment Tests for SARSCoV2 in the Isolation Room of an Infant With Infection Environmental cleaning is effective for the eradication of severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) in contaminated hospital rooms: A patient from the Diamond Princess cruise ship Temperaturedependent surface stability of SARSCoV2 Detection of airborne severe acute respiratory syndrome (SARS) coronavirus and environmental contamination in SARS outbreak units Severe acute respiratory syndrome coronavirus on hospital surfaces Environmental Contamination and Viral Shedding in MERS Patients During MERSCoV Outbreak in South Korea Influenza virus contamination of common household surfaces during the 2009 influenza A (H1N1) pandemic in Bangkok, Thailand: implications for contact transmission Kampf G , Hrsg. Nutzen und Risiken von CoronaMaßnahmen -Erkenntnisse aus der Wissenschaft Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus Krankheit-2019 (COVID-19). 06.05.2020 -AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. Im Internet Temporal dynamics in viral shedding and transmissibility of COVID19 Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus Krankheit-2019 (COVID-19). 10.07.2020 -AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. Im Internet Aerobiology and its role in the transmission of infectious diseases Turbulent Gas Clouds and Respiratory Pathogen Emissions: Potential Implications for Reducing Transmission of COVID19 Documentary Research of Human Respirato ry Droplet Characteristics Respiratory virus shedding in exhaled breath and efficacy of face masks Potential role of hands in the spread of respiratory viral infections: studies with human parainfluenza virus 3 and rhinovirus 14 Survival of influenza viruses an environmental surfaces Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen Postnatal exposure to household disinfectants, infant gut microbiota and subsequent risk of overweight in children Man-made microbial resistances in built environments Adaptive microbial response to low level benzalkonium chloride exposure Adaptive resistance to biocides in Salmonella enterica and Escherichia coli O157 and crossresistance to antimicrobi al agents Assessing the Contributions of Inactivation, Removal, and Transfer of Ebola Virus and Vesicular Stomatitis Virus by Disinfectant Presoaked Wipes