key: cord-0730657-o78vjksp authors: Wichmann, D.; Matthews, H.; Nentwich, M. F.; Schmiedel, S.; Kluge, S. title: Intensivmedizinisches Back-up bei infektiologischen Katastrophen date: 2020-10-09 journal: Med Klin Intensivmed Notfmed DOI: 10.1007/s00063-020-00743-7 sha: c4d1d039751eb473daa0f51cbc13262499c98549 doc_id: 730657 cord_uid: o78vjksp BACKGROUND: Outbreaks of infectious diseases pose particular challenges for hospitals and intensive care units. OBJECTIVES: Typical infectiological scenarios and their significance for modern intensive care medicine are presented. MATERIALS AND METHODS: Selected pathogens/infectious diseases that have significantly strained the resources of intensive care units are described. RESULTS: Intensive medical care is necessary in severe cases of many infectious diseases. In the context of epidemics/pandemics, many critically ill patients have to be admitted within a short time. Examples are the 2009 H1N1 influenza pandemic, the 2011 enterohemorrhagic Escherichia coli (EHEC) outbreak in northern Germany, the 2014/2015 Ebola fever outbreak and the 2020 coronavirus disease 19 (COVID-19) pandemic. Multidisciplinary teams, protocol development, adequate staffing, and training are required to achieve optimal treatment outcomes, including prevention of healthcare worker infections. CONCLUSIONS: Pandemics and epidemics are unique challenges for intensive care unit preparedness planning. Wenn man von infektiologischen Katastrophen im Zusammenhang mit Intensivmedizin spricht, steht in der Regel nicht die zunehmende Bedrohung durch multiresistente Erreger im Fokus, an denen nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2050 bis zu 10 Mio. Patienten jährlich versterben werden [1] . Vielmehr sind (un)vorhersehbar auftretende Epidemien und Pandemien gemeint, die aufgrund ihres klinischen Verlaufs intensivmedizinische Ressourcen beanspruchen und auch durch mediale Aufmerksamkeit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangen. Die Anfrage zum Schreiben dieses Übersichtsartikels erfolgte im Oktober 2019 durch Prof. Dr. Andreas Valentin. Wohl kaum einer hätte gedacht, dass das Thema so schnell durch die weltweite Pandemie mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 eine aktuelle Relevanz haben könnte. Nachfolgend werden einige "infektiologische Katastrophen", die die Intensivmedizin in der Vergangenheit stark beanspruchten, dargestellt. Dabei soll auf Aspekte wie Übertragungsmodus, Impfund Expositionsprophylaxe, mögliche Behandlungsoptionen und das daraus resultierende Gefahrenpotenzial für die allgemeine Bevölkerung, das behandelnde Personal und die generelle Rolle der Intensivmedizin eingegangen werden. Influenzaviren besitzen ein mehrfach segmentiertes negativ orientiertes RNA-Genom. Die recht ungenau arbeitende RNA-Polymerase verursacht kontinuierliche Mutationen des Genoms (Gendrift) und der segmentierte Genomaufbau begünstigt den Austausch von ganzen Gensegmenten (Genshift) auch zwischen Viren verschiedener Wirtsspezies und dadurch sprunghafte Veränderungen. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion, wobei infizierte Patienten bereits einen Tag vor Auftreten von Symptomen infektiös sind, was die Unterbrechung der Infektionskette deutlich erschwert. In Abhängigkeit vom Hämagglutinin des Virus infizieren Influenzaviren die respiratorischen Epithelien des oberen oder unteren Respirationstrakts [2] . Neben der primär durch die Virusinfektion ausgelösten Immunantwort stellt die sekundäre Infektion durch Bakterien oder Schimmelpilze die wesentliche Gefahr für die Patienten dar. Therapeutisch Der rasche Anstieg der im Rahmen der H1N1-Pandemie an einem ARDS erkrankten Patienten führte in vielen Ländern auf der ganzen Welt zu einer hohen Auslastung verfügbarer Intensivbehandlungsplätze [4] . In Australien und Neuseeland waren beispielsweise zeitweise 19 % aller Intensivbetten mit H1N1-Patienten belegt [5] . Dabei war aufgrund des schweren hypoxämischen Lungenversagens bei vielen Patienten der Einsatz einer venovenösen ECMO-Therapie erforderlich. Dies führte zu einer Renaissance dieser Therapie, aber gleichzeitig auch zu Lieferengpässen der dafür notwendigen Geräte. Schätzungen gehen davon aus, dass während der H1N1-Pandemie weltweit zwischen 18.500 und 284.500 Menschen verstarben [6] . Von den vorherigen 3 Influenzapandemien 1918, 1957 und 1968 markierte die Pandemie 1918 mit 50-100 Mio. Toten einen dramatischen Höhepunkt [7] . Infektionen mit enterohämorrhagischem Escherichia (E.) coli (EHEC) sind typisch für eine nahrungsmittelassoziierte Epidemie. Sie treten auf, wenn ein mit Erre-gernkontaminiertesLebensmittel inUmlauf kommt. Die EHEC-Erkrankung manifestiert sich in der Mehrzahl der Fälle als Gastroenteritis, mögliche Verlaufsformen sind eine hämorrhagische Kolitis sowie das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS). WesentlicherPathogenitätsfaktor ist die Fähigkeit der Bakterien, ein sog. Shiga-like-Toxin zu produzieren, das aus dem Darm der infizierten Patienten aufgenommen wird und in den Endothelien der Blutgefäße die 60S-Untereinheit der Ribosomen inhibiert. Durch die Unterbrechung der Peptidsynthese kommt es zum Untergang der Endothelien. Dieser Endothelschaden führt zur Aktivierung der Blutgerinnung mit Bildung von Mikrothromben und lokalen Hämorrhagien. Je nach betroffenem Organ kann dies zu sekundären Organschäden wie Nierenversagen und intestinalen oder zerebralen Ischämien führen [8] . Im Jahr 2011 kam es durch den vorher wenig bekannten EHEC-Serotyp O104:H4 zu einem großen Ausbruch mit Schwerpunkt in Norddeutschland. Innerhalb weniger Tage stiegen die Fallzahlen rasant an, ohne dass eine auslösende Quelle gefunden werden konnte (. Abb. 1). In den Jahren 2014/2015 kam es in Westafrika zum größten Ebola-Fieber-Ausbruch in der Geschichte, es erkrankten mehr als 28.000 Menschen und es waren mehr als 11.000 Todesfälle zu verzeichnen. Klinische Hauptprobleme der Ebola-Fieber-Erkrankung sind Hypotension, Elektrolytstörungen, akutes Nierenversagen und respiratorisches Versagen. Eine wichtige Rolle bei der Behandlung kommt der intensiven supportiven Therapie zu [15] . Etwa 50 % der betroffenen Patienten benötigen eine intensivmedizinische Therapie. Erforderlich sind bei diesen Patienten vor allem das Monitoring der Vitalparameter, Labortestungen, intravenöse Flüssigkeitsgabe, die Applikation von vasoaktiven Medikamenten und Sauerstoff, Beatmung und Nierenersatztherapie (. Abb. 2; [16] ). Die Sterblichkeit in Westafrika betrug zwischen 39 und 70 %. Dass die Überlebensrate durch moderne Intensivmedizin deutlich verbessert wird, zeigen die Erfahrungen bei Patienten, die während der Epidemie in andere Industriestaaten evakuiert wurden. So betrug die Sterblichkeit bei in Europa und in den USA behandelten Patienten nur 18,5 % [16, 17] . Der hierfür notwendige klinische und materielle Aufwand ist in den Endemieländern nicht zu leisten. Mit Ausnahme des Zaire-Subtyps des Ebola-Virus existiert für keinen Erreger eine Impfung oder Prophylaxe. Zur spezifischen Therapie wurden in der Vergangenheit mehrere Substanzen (u. a. Favipiravir, ZMapp) eingesetzt. In Folge der letzten Epidemien in Afrika wurden zahlreiche weitere Substanzen entwickelt und in Studien untersucht. Im Rahmen einer im Jahr 2019 publizierten randomisierten kontrollierten Studie zeigte sich eine Sterblichkeitsreduktion durch die Antikörperpräparate REGN-EB3 und MAb114 [18] . Bislang ist allerdings noch keine spezifische Therapie gegen Ebola-Fieber zugelassen. Coronaviren (CoV) können sowohl Menschen als auch Tiere infizieren und sind typische Erreger von respiratorischen Infektionen. Beschrieben wurden die ersten Infektionen mit Coronaviren Mitte der 1960er-Jahre. Mit dem "severe acute respiratory syndrome-related" (SARS-)CoV-2 sind insgesamt 7 humanpathogene Coronaviren bekannt. In der Vergangenheit ist es mehrmals zu einem Überschreiten der Speziesbarriere vom Tier auf den Menschen gekommen. Die Viren verfügen über eine Lipidhülle, in der unter anderem das virale Rezeptormolekül verankert ist. Die Erbinformation ist auf einem positiv orientierten einzelsträngigen RNA-Genom kodiert. Gegenüber anderen RNA-Viren ist das Genom wenig mutationsanfällig, da die virale Polymerase über eine Proof-reading-Funktion verfügt. Im Jahr 2003 kam es in der chinesischen Provinz Guangdong zu einer Epi-demie, bei der mehrere hundert Personen an einem ARDS erkrankten. Als Erreger konnte das SARS-CoV-1 am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg identifiziert werden, die Erkrankung wurde SARS genannt [19] . Fledermäuse gelten als Primärwirt. Ausgehend von China verbreitete sich die Erkrankung als Pandemie binnen kurzer Zeit über nahezu alle Kontinente, der Großteil der SARS-Fälle ereignete sich aber in Ostasien. Die Übertragungs-und Infektionsraten beim Gesundheitspersonal waren hoch, wobei bis zu 60 % der exponierten Pflegekräfte in einem Krankenhaus in Toronto erkrankten, bevor wirksame Schutzmaßnahmen eingeführt wurden. Bei 10-20 % der hospitalisierten Patienten kam es zu einem hypoxämischen Lungenversagen, das eine mechanische Beatmung erforderte [20] . Laut WHO erkrankten weltweit 8096 Personen, die Sterblichkeit lag bei 9,6 % [21] . Im Jahr 2012 wurde ein weiteres Coronavirus beschrieben, das bei Patienten auf der arabischen Halbinsel auftrat [22] . [30] ). Eine klini-sche Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie bei schwerer COVID-19-Erkrankung (hospitalisierte Patienten) ist bisher für Remdesivir und Dexamethason nachgewiesen [31] . Ein Impfstoff existiert bislang nicht. Aufgrund ihres nachweislichen Potenzials zur Auslösung großer Epidemien mit schweren Folgen für Gesundheitsund Wirtschaftssysteme arbeiten internationale Konsortien, wie z. B. The Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), an der Entwicklung einer Impfstoffplattform, die es zukünftig ermöglichen soll, im Fall einer erneuten Epidemie mit einem unbekannten Coronavirus schnell einen gentechnisch generierten Impfstoff herzustellen [32] . Eine Pandemie stellt das Krankenhaus und die Intensivstation vor große Herausforderungen. Wichtige notwendige Voraussetzungen zur erfolgreichen Bewältigung einer Pandemie mit der Aufnahme vieler kritisch kranker Patienten innerhalb kurzer Zeit sind sicherlich entsprechende räumliche Kapazitäten (Einzelzimmer, ggfs. Sonderisolierstationen), eine entsprechende Personalbesetzung, Material (persönliche Schutzausrüstung etc.), Arzneimittel und Geräte (Beatmungsgeräte, Dialysegeräte). Weitere relevante Aspekte sind die enge Verzahnung mit der Mikrobiologie, Hygiene und Infektiologie und Kapazitäten in diesen Bereichen sowie ggf. die Reduktion geplanter (zumeist postoperativer) Intensivstationsaufnahmen. Im Rahmen der COVID-19-Pandemie wurden innerhalb kurzer Zeit in den Krankenhäusern viele neue Intensivbetten geschaffen und Beatmungsgeräte angeschafft (. Abb. 4). Hierfür wurden zum Teil Intermediate-care(IMC)-Stationen und "post anesthesia care units" (PA-CU) zu Intensivbereichen umgewandelt. Zudem war eine Etablierung von Isolationsbereichen notwendig. Insgesamt ergab sich durch diese Erfordernisse eine erhebliche Änderung der Patientenströme und Infrastruktur im Krankenhaus. Eine Schlüsselrolle kam dem Personal auf der Intensivstation zu. Aufgrund des Bulletin of the World Health Organization The interplay between the host receptor and influenzavirushemagglutininandneuraminidase Extracorporeal lung support in H1N1 provoked acute respiratory failure: the experience of the German ARDS Network Critical care services and 2009H1N1influenzainAustraliaandNewZealand Estimated global mortality associated with the first 12 months of 2009 pandemic influenza A H1N1 virus circulation: a modelling study Pandemic preparedness and response-lessons from the H1N1 influenza of 2009 Clinical features of critically ill patients with Shiga toxin-induced hemolytic uremic syndrome The 2011 HUS epidemic in Germany. Challenges for disease control: what should be improved? Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz The EHEC O104:H4 outbreak in Germany 2011-lessons learned? RKI Abschließende Darstellung und Bewertung der epidemiologischen Erkenntnisse im EHEC O104:H4 Ausbruch European Centre for Disease Prevention and Control Safe use of personal protective equipment in the treatment of infectious diseases of high consequence Isolation in patients with Ebola virus disease Intensive care treatment of a patient with Ebola virus disease in Germany Treatment of Ebola-related critical illness A case of severe Ebola virus infection complicated by gram-negative septicemia A randomized, controlled trial of Ebola virus disease therapeutics Identification of a novel coronavirus in patients with severe acute respiratory syndrome Intensive care unit preparedness during pandemics and other biological threats WHO Summary of probable SARS cases Isolation of anovelcoronavirusfromamanwithpneumoniain Saudi Arabia Middle east respiratory syndrome Coronavirus superspreading event involving 81 persons, korea 2015 WHO MERS situation update Virological assessment of hospitalized patients with COVID-2019 Transmission of MERS-coronavirus in household contacts Characteristics of and important lessons from the Coronavirus disease 2019 (COVID-19) outbreak in China: summary of a report of 72 314 cases from the Chinese center for disease control and prevention Baseline characteristics and outcomes of 1591 patients infected with SARS-coV-2 admitted to ICus of the Lombardy region Epidemiology, clinical course, and outcomes of critically ill adults with COVID-19 in New York City: a prospective cohort study German recommendations for treatment of critically ill patients with COVID-19-version 3 : S1-guideline CEPI New vaccines for a safer world Risk of COVID-19 among front-line health-care workers and the general community: a prospective cohort study RKI Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19 Access to intensive care in 14 European countries: a spatial analysis of intensive care need and capacity in the light of COVID-19 World Health Organization (2020) WHO coronavirus disease (COVID-19) dashboard Abb. 5