key: cord-0724158-ltt5cac0 authors: Naumann, Elias; von den Driesch, Ellen; Schumann, Almut; Thönnissen, Carolin title: Anstieg depressiver Symptome bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen während des ersten Lockdowns in Deutschland: Ergebnisse des Beziehungs- und Familienpanels pairfam date: 2021-11-03 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-021-03451-5 sha: ade615ba26e21bf141a1f9b21c3a847aa2c564cb doc_id: 724158 cord_uid: ltt5cac0 BACKGROUND: The COVID-19 pandemic has fundamentally changed social life within a very short time. Lockdown policies often consider the tradeoff between containing the spread of the pandemic and negative consequences for the economy. Policymakers should pay more attention to the psychological and social impacts of the lockdown. RESEARCH QUESTION: How did the mental health of adolescents in Germany change during the first wave of the COVID-19 pandemic and the lockdown? MATERIALS AND METHODS: Analyses are based on longitudinal data from nationwide randomly selected anchors of the German family panel pairfam. The age group considered here, born between 2001 and 2003, was surveyed for the first time in 2018/2019 in the course of a refreshment sample, and 854 of these adolescents and young adults aged 16–19 also participated in the COVID-19 supplementary survey from May to July 2020 (first lockdown). Depressiveness is assessed with the State-Trait Depression Scale. RESULTS: During the first lockdown, adolescents show a significant increase in depressive symptoms. Prior to the lockdown, 10.4% had clinically relevant depressive symptoms [95% CI: 8.4; 12.5]. In spring 2020, the prevalence increased to 25.3% [95% CI: 22.4; 28.2]. Young women have a significantly higher risk of developing depressive symptoms than men of the same age. Immigrant background is an equally strong risk factor. The prevalence of depressive symptoms among adolescents with an immigrant background increased from 11% to 33%. DISCUSSION: To address this increased mental health risk and the inequalities, policymakers and society should ensure access and availability of target-group-specific and low-threshold prevention and counselling. gen Kinder und Jugendliche erheblich belasten können [1, 2] . Gleichzeitig waren in vielen Fällen aber auch die Möglichkeiten der Eltern begrenzt, ihre Kinder in dieser Zeit zu begleiten und zu unterstützen. Viele Eltern sind selbst vor die Herausforderung gestellt, Arbeit und Kinderbetreuung zu vereinbaren, und manche haben zudem gesundheitliche oder auch finanzielle Sorgen aufgrund der COVID-19-Pandemie [3] . Insgesamt ist also zu erwarten, dass die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Lockdownmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen zu psychosozialem Stress führen. Gleichzeitig sind Resilienzfaktoren wie Kontakte zu Freunden oder eine gute Beziehung zu den Eltern [4] nur eingeschränkt vorhanden, sodass letztlich eine Zunahme psychischer Probleme zu erwarten ist. Eine Abschätzung des Ausmaßes dieser Zunahme ist bisher jedoch unbekannt -genauso wie die Identifizierung von Risikogruppen, die besonders stark durch die COVID-19-Pandemie beeinflusst sind. Bestehende Studien zur psychischen Gesundheit von Erwachsenen zeigen Anstiege bei Depressionen und Ängsten im Vergleich zur Zeit vor der COVID-19-Pandemie (z. B. [5] [6] [7] [8] [9] ). Skoda et al. [7] berichten von einer deutlichen Zunahme depressiver Symptome, deren Prävalenz von 8% auf 21% zunimmt (gemessen mit dem Patient Health Questionnaire-2). Peters et al. [10] hingegen finden, dass die Prävalenz moderater bis schwer ausgeprägter depressiver Symptome von 6,4 % auf 8,8 % steigt, allerdings findet sich diese Zunahme depressions-und angstassoziierter Symptome im Vergleich zur letzten Untersuchung vor COVID-19 nur bei Teilnehmenden unter 60 Jahren, insbesondere bei jungen Frauen. Verlässliche Ergebnisse zur psychischen Gesundheit von Kindern während der COVID-19-Pandemie gibt es bisher wenig. Eine Ausnahme ist die Studie von Ravens-Sieberer et al. [11] , die ein repräsentatives Sample von Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 17 Jahren in Deutschland untersucht. Vergleiche mit Daten aus der Zeit vor COVID-19 zeigen eine signifikante Abnahme der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, mehr psychische Probleme (17,8 % vs. 9,9 %) und höhere Angstwerte (24,1 % vs. 14,9 %) als vor der Pandemie. Überraschenderweise zeigt sich jedoch keine Zunahme depressiver Symptome bei den Kindern (siehe auch [12] ). Der Beitrag unserer Studie liegt daher darin, dass mit den 16 Die Analysen basieren auf längsschnittlichen Daten des Beziehungs-und Familienpanels pairfam [14] und der online durchgeführten pairfam-COVID-19-Zusatzbefragung [15] Bundesgesundheitsbl https://doi.org/10.1007/s00103-021-03451-5 © Der/die Autor(en) 2021 a significantly higher risk of developing depressive symptoms than men of the same age. Immigrant background is an equally strong risk factor. The prevalence of depressive symptoms among adolescents with an immigrant background increased from 11% to 33%. Discussion. To address this increased mental health risk and the inequalities, policymakers and society should ensure access and availability of target-group-specific and lowthreshold prevention and counselling. COVID-19 · Mental health · Inequality · Gender differences · Migration gelten als Goldstandardinstrumente zur Bestimmung der Prävalenz von Depressionen. Das Munich-Composite International Diagnostic Interview (M-CIDI) weist relativ zu einer klinischen Diagnose für einfache bzw. wiederkehrende depressive Episoden eine Sensitivität von 92 % und eine Spezifität von 100 % auf [18] . Um das Vorhandensein depressiver Symptome und ihren Schweregrad in Umfragen zu erfassen, werden ver-schiedene sogenannte Depressionsskalen eingesetzt. Hierzu gehören auf der Ebene der Selbstbeurteilungsverfahren (Patientenbeurteilung) u. a. die Center of Epidemiological Studies Depression Scale (CES-D), das Beck Depression Inventory (BDI) oder der Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D; [19] Bei Jugendlichen hat sich die psychische Gesundheit unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie und den Eindämmungsmaßnahmen deutlich verschlechtert und depressive Symptome haben im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie deutlich zugenommen (siehe auch [11, 12] ). Dies gilt insbesondere für Mädchen und junge Frauen sowie für junge Menschen mit Migrationshintergrund. Sie gehören zu den Gruppen in der Bevölkerung, bei denen sich ein besonders starker Zusammenhang zwischen den Kontaktbeschränkungen und depressiven Symptomen zeigt und die somit einem besonderen Risiko ausgesetzt sind. Der Unterschied zwischen den Prävalenzen bei beiden Geschlechtern ist nicht überraschend. Sie nimmt mit steigendem Alter zu [22, 23] . Während weibliche Jugendliche und junge Erwachsene vermehrt Symptome von Depressivität und Angst zeigen, also internalisierendes Verhalten, kommt es bei den männlichen verstärkt zu externalisierendem Verhalten, wie Problemen im Sozialverhalten oder Aufmerksamkeitsdefizit-und Hyperaktivitätsstörung (ADHS; [24] ). Weitere Forschung sollte demnach gezielt schauen, ob diesen strukturellen Ungleichheiten, beruhend vor allem auf dem Geschlecht und dem Migrationshintergrund, weitere erklärende Mechanismen zugrunde liegen. Eine adäquate Ursachenforschung in diesen Gruppen kann schließlich helfen, diese Ungleichheiten zu verringern und flächendeckende, zielgruppenspezifische und niedrigschwellige Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung auszubauen und zu fördern. Nach über einem Jahr der COVID-19-Pandemie mit mehreren Lockdowns und wiederholten Phasen von Schulschließungen machen unsere Befunde deutlich, dass die psychische Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei zukünftigen politischen Entscheidungen unbedingt stärker beachtet werden sollte. Dazu gehört, dass Politik und Gesellschaft Wege finden, die psychische Gesundheit von jungen Menschen zu schützen und aufrechtzuerhalten und besonders belastete Jugendliche und deren Eltern zu unterstützen. Universität Mannheim B6 30-32, 68131 Mannheim, Deutschland naumann@uni-mannheim.de Funding. Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL. Interessenkonflikt. E. Naumann, E. von den Driesch, A. Schumann und C. Thönnissen geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission (Referenznummer 19016KH), im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor. Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ licenses/by/4.0/deed.de. A wake-up call: COVID-19 and its impact on children's health and wellbeing The effects of social deprivation on adolescent development and mental health The COVID-19 pandemic and subjective wellbeing: longitudinal evidence on satisfaction with work and family Parental factors associated with depression and anxiety in young people: a systematic review and meta-analysis COVID's mental-health toll: how scientistsaretrackingasurgeindepression Lost in lockdown? COVID-19, social distancing, and mental health in Germany Veränderung der psychischen Belastung in der COVID-19-Pandemie in Deutschland: Ängste, individuelles Verhalten und die Relevanz von Information sowie Vertrauen in Behörden (Change in psychological burden during the COVID-19 pandemic in Germany: fears, individual behavior, and the relevance of information and trust in governmental institutions) Health behaviorsandmentalhealthbeforeandduringthe COVID-19 pandemic: a longitudinal populationbased survey Thementalhealtheffectsofthe firsttwomonthsofLockdownduringtheCOVID-19 pandemic in the UK The impact of the COVID-19 pandemic on self-reported health Impact of the COVID-19 pandemic on quality of life and mental health in children and adolescents in Germany SeelischeGesundheitundpsychischeBelastungen von Kindern und Jugendlichen in der ersten Welle der COVID-19-Pandemie -Ergebnisse der COPSY-Studie (Mental health and psychological burden of children and adolescents during the first wave of the COVID-19 pandemic-results of the COPSY study) Depression in adolescence Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics (pairfam): Conceptual framework and design The pairfam COVID-19 survey Bericht über die deutsche Adaptation der State-Trait Depression Scales (STDS) Screening depressiver Störungen mittels Allgemeiner Depressions-Skala (ADS-K) und State-Trait Depressions Scales (STDS-T) To what degree does the Composite International Diagnostic Interview (CIDI) correctly identify DSM-IV disorders? Testing validity issues in a clinical sample Measuring depression outcome with a brief selfreport instrument: sensitivity to change of the Patient Health Questionnaire (PHQ-9 Annual research review: a metaanalysis of the worldwide prevalence of mental disorders in children and adolescents Depression in childhood and adolescence Geschlechtsunterschiede im Auftreten von psychischen und Verhaltensstörungen im Jugendalter Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Factors associated with sharing e-mail information and mental health survey participation in large population cohorts Seasonality and symptoms of depression: a systematic review of the literature Protecting the psychological health of children through effective communication about COVID-19