key: cord-0723990-evgrszmd authors: Kuhn, Eva; Seidlein, Anna-Henrikje title: Intensivpflege in Zeiten der COVID-19 Pandemie: Zur Frage des Verhältnisses von Fürsorge und Selbstsorge date: 2021-01-27 journal: Ethik Med DOI: 10.1007/s00481-021-00606-5 sha: 9c0138dd94ca04fbc4a23083a239335450052552 doc_id: 723990 cord_uid: evgrszmd DEFINITION OF THE PROBLEM: The COVID-19 pandemic poses a considerable challenge to the capacity and functionality of intensive care. This concerns not only resources but, above all, the physical and psychological boundaries of nursing professionals. The question of how care for others and self-care of nurses in intensive care units are related to each other in the context of the COVID-19 pandemic has not been addressed in public and scientific discourse so far. ARGUMENTS: The present contribution reflects this relationship with reference to the Code of Ethics of the International Council of Nurses, particularly considering principlism and the Care Ethics according to Joan Tronto. As a result, it shows a corridor of ethically justifiable care with several borders, above all: (1) self-care must not be given up completely for the benefit of care for others, and (2) a categorical subordination of care for others to self-care is ethically not justifiable. CONCLUSION: The article makes an important contribution to a differentiated ethical consideration of the rights and responsibilities of intensive care nurses as moral actors within the pandemic in Germany. It, thus, provides a first starting point for a broad social and political discourse which is urgently needed not only during but also after the pandemic in order to improve the situation of intensive care nurses and those who are cared for. medizinisch-technische Herausforderungen schrittweise gemeistert werden, so darf nicht in Vergessenheit geraten, dass die Intensivversorgung nicht nur im Hinblick auf die begrenzten finanziellen, räumlichen und instrumentellen Ressourcen an die Grenzen ihrer Kapazität und Funktionalität kommt. Vielmehr riskiert das medizinische Personal auch seine körperliche (ICN 2020b) und psychische Gesundheit (Neto et al. 2020) , wenn den gesteigerten materiellen Ressourcen keine adäquaten personellen Ressourcen (im Sinne einer 1:1 Nurse-to-Patient-Ratio) entgegengesetzt werden können. Unzureichende Personalschlüssel verschlechtern die Adhärenz mit hygienischen Standards (WHO 2009, S. 6 ) und gehen so auch mit einer erhöhten Infektionsgefahr für die Pflegenden selbst einher. Zudem wird "care left undone" bzw. "missed care" befördert, was zu "moral distress" und weiteren negativen psychischen Konsequenzen auf Seiten der Pflegenden führen kann (Suhonen et al. 2018) . Insbesondere Pflegefachpersonen (PP) 1 haben weiterhin engen und häufigen Kontakt mit Patient*innen. Doch anders als beispielsweise Ärzt*innen (BÄK 2019) wurde PP im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs bislang wenig Beachtung geschenkt. Vielmehr ist auch im Jahr der Pflegenden und Hebammen die Feststellung, dass PP "oft unter herausfordernden Bedingungen zu arbeiten [haben]: unterschätzt -unterbesetzt -überlastet" (DBfK 2020a), aktueller denn je. Gleichzeitig kommt ihnen als der größten Berufsgruppe im Gesundheitswesen jedoch eine zentrale Rolle und "grundlegende professionelle Verantwortung" (ICN 2012) bei der kurativen und palliativen Begleitung COVID-19-Erkrankter auf Intensivstationen (ITS) zu. Neben Fragen danach, wie Pflege-Ressourcen bei ausgelasteten oder gar überlasteten ITS rationiert werden sollen, werfen Maßnahmen wie die Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen (PpU) und Lockerung der Vorschriften zur persönlichen Schutzausrüstung (PSA) Licht auf eine andere Überlegung: Wie sollten sich in der COVID-19 Pandemie Fürsorge und Selbstsorge von ITS-PP zueinander verhalten? Hintergrund dieser Überlegung ist die Annahme, dass "An der Selbstsorge [...] Andere [sic!] direkt oder indirekt beteiligt" sind (Schnell 2017, S. 50) . Denn angesichts der Leiblichkeit, Endlichkeit und daraus resultierender Vulnerabilität der Menschen, sind Fürsorge und Selbstsorge grundlegende Modi menschlichen Daseins. Diese müssen deshalb folgerichtig als einander bedingend und beeinflussend verstanden werden und somit auch gemeinsam betrachtet werden. Es geht also nicht um ein "Entweder-oder", sondern um ein "Sowohl-als-auch", wobei "sowohl -als auch" nicht heißen muss, dass Selbst-und Fürsorge dieselbe Aufmerksamkeit gewidmet wird, sondern je neu ihr Verhältnis zueinander zu bestimmen ist. Die damit verbundene Abwägung geht über eine rein deskriptive Erfassung einer konkreten Situation hinaus. Vielmehr drängt sich die Frage nach zugrundeliegenden normativen Kriterien für eine Verhältnisbestimmung zwischen Für-und Selbstsorge auf. Eine vergleichbare Frage, nämlich wie viel persönliches Risiko und Selbstaufopferung von PP gerechtfertigterweise erwartet werden kann, wurde bereits 2014 von Johnstone und Turale als Forschungslücke identifiziert, bislang jedoch nicht näher betrachtet. Auch über das Pandemiegeschehen hinaus dient das Füllen dieser Forschungslücke einer Perspektiverweiterung der Ethik im Gesundheitswesen: Die Fokussie-1 Im Folgenden wird durchgehend von "Pflegefachpersonen" gesprochen. Gemeint sind damit die dreijährig ausgebildeten, staatlich examinierten Pflegeberufe. K rung der Prinzipienethik auf die Person des*der Patient*in, die sich in den Prinzipien Fürsorge, Nicht-Schaden und Respekt der Autonomie widerspiegelt, wird durch einen Blick auf das Care-Netzwerk ergänzt und dadurch die Umstände fürsorglichen Handelns verstärkt in den Blick genommen. Entsprechend wird im vorliegenden Beitrag die Situation von PP, die in direktem Patient*innenkontakt auf der ITS 2 stehen, als moralischen Akteuren innerhalb des Pandemiegeschehens in Deutschland vor dem Hintergrund aktueller politischer Entscheidungen, Problemlagen und Empfehlungen ethisch reflektiert. Damit sollen weder diese auf komplexen Abwägungen beruhenden Entscheidungen diskreditiert werden, noch will die Fokussierung auf PP die mit der Pandemie einhergehenden Belastungen und ethischen Konflikte anderer Gesundheitsprofessionen wie Ärzt*innen schmälern (dazu u. a. Kannampallil et al. 2020) . Vielmehr erlaubt sie, "die ohnehin fragile professionelle Integrität angesichts schwieriger Arbeitsbedingungen, teilweise inkonsistenter politischer Forderungen und hoher gesellschaftlicher Erwartungen" (AEM 2020, S. 4) sowie "grundlegende Gerechtigkeitsprobleme" (Bobbert 2019, S. 290; vgl. dazu auch Dichter et al. 2020) beruflicher Pflege in das Zentrum zu stellen. Die ethische Frage nach dem Recht, sich zu schützen und für sich selbst zu sorgen, im Verhältnis zu der Verantwortung zu pflegen, wird dabei aus der Perspektive der Pflege gestellt. Im Fokus stehen folglich nicht die gesellschaftlichen Ansprüche der Allgemeinbevölkerung gegenüber den beruflich Pflegenden, sondern deren professionelle Verantwortung und letztlich Selbstverpflichtung. Eine gesonderte Betrachtung der Situation von PP mit Führungsaufgaben (bspw. Pflegedienstleitung) kann in diesem Beitrag nicht geleistet werden. Grundlage der Verhältnisbestimmung von Selbst-und Fürsorge sind der ICN-Ethikkodex, mit besonderer Berücksichtigung der Prinzipienethik, sowie der moralphilosophische Ansatz der Care Ethik. Der Beitrag schließt mit einer Einordnung dieser Abwägung in den organisationalen und politischen Kontext. Die Situation der (ITS-)Pflege stellt sich als circulus vitiosus dar: In Deutschland herrscht bereits als Ausgangssituation eine im Vergleich niedrigere Nurse-to-Patient-Ratio als in anderen EU-Ländern . Die Arbeitsbelastung steigt damit in einer ohnehin schon sehr belastenden Arbeitsumgebung weiter und begünstigt eine hohe Fluktuation von der Station oder sogar komplett aus der Pflege. Der von der DIVI (2010) empfohlene Personalschlüssel (eine PP betreut pro Schicht zwei Patient*innen) kann aufgrund von Personalmangel oft nicht gewährleistet werden 2 Die Situation stellt sich zugespitzt auf ITS dar. Die Autorinnen möchten jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass die geschilderten Problemlagen auch für alle anderen klinischen und ambulanten pflegerischen Arbeitsbereiche zutreffen. 3 Eine ausführliche Betrachtung der Situation beruflicher Pflege unter sozialethischen Gesichtspunkten findet sich bei Bobbert (2019). K (Karagiannidis et al. 2019) . Mittlerweile führt der Mangel an qualifizierten ITS-PP regelhaft zu Sperrungen von Betten auf vielen ITS (Karagiannidis et al. 2018; Isfort 2017) . Parallel lässt sich eine Zunahme von Teilzeitarbeit verzeichnen (Statistisches Bundesamt 2018, S. 8), die nicht zuletzt auch, aber nicht ausschließlich, darauf zurückzuführen ist, dass der Anteil der beschäftigten Frauen in der Pflegeprofession nach wie vor sehr hoch ist (BA 2019). Frauen übernehmen überdurchschnittlich häufig zeitgleich auch andere Sorgearbeit in der Familie und reduzieren dafür ihre Erwerbstätigkeit (DZA 2018, S. 21) . Dies bringt sie in eine "Sandwich-Position" mit dreifacher Verpflichtung (Kinderbetreuung, Pflege der Angehörigen, Ausübung der Profession), die sich in Extremsituationen wie einer Pandemie noch verschärft (Malm et al. 2008, S. 16) . Es müssen folglich mindestens zwei Dimensionen konkurrierender Fürsorge für andere und Selbstsorge ausdifferenziert werden, die in diesem Zusammenhang relevant sind: 1. Fürsorge für Patient*innen und Selbstsorge von PP im Kontext der Berufsausübung sowie 2. Fürsorge für An-und Zugehörige mit PP in der Rolle informell Pflegender. Diese Situation ist insofern insbesondere für PP kennzeichnend, als dass ein beachtlicher Anteil beruflich Pflegender zeitgleich mehrere Sorgeaufgaben übernimmt, da sie aufgrund ihrer spezifischen Expertise auch als informell Pflegende herangezogen werden (Ward-Griffin et al. 2015) . In dieser bereits multifaktoriell belastenden Ausgangslage der (ITS-)PP im Krankenhaus soll nun das Augenmerk auf vier aktuelle Entscheidungen und Problemlagen im Rahmen der COVID-19 Pandemie gelenkt werden, die für diese PP von praktischer und auch moralischer Relevanz sind. Diese Entscheidungen sind selbst unter Abwägung verschiedener Rechtsgüter und Gesichtspunkte wie der öffentlichen Gesundheit, Fairness und Solidarität (Leopoldina 2020, S. 10ff.) und zumeist unter hohem Zeitdruck aufgrund der äußerst dynamischen Entwicklung getroffen worden. Anders als in der aktuellen Public Health Diskussion (Gostin et al. 2020 ; Kompetenznetz Public Health zu COVID-19/AG Ethik 2020) steht im Folgenden nicht die Frage nach der Billigkeit und Angemessenheit dieser Entscheidungen im Vordergrund. Vielmehr werden diese exemplarisch für die Bestimmung des Korridors ethisch vertretbarer Pflege herangezogen. Diesen zukünftig bei einer Anpassung des "crisis standard of care" zu berücksichtigen, ist Aufgabe der jeweiligen Entscheidungsträger*innen. Um Verantwortungsdiffusion zu vermeiden, ist hierbei notwendigerweise die Differenz zwischen kurzfristig beeinflussbaren Faktoren (wie z. B. Priorisierung ökonomischer Interessen der Krankenhäuser) und solchen, die von den Akteur*innen akut nicht beeinflussbar sind (z. B. hohes Patient*innenaufkommen, andauernde Personalknappheit), zu berücksichtigen. Eine solche Trennung ist jedoch besonders für Pandemie-spezifische Problemlagen nicht durchzuhalten. Mit Inkrafttreten der PpUGV gelten seit Januar 2019 (BGBl Teil I Nr. 37) nun vorerst für vier sogenannte "pflegesensitive Bereiche" 4 verbindliche PpU. Für ITS als einem dieser Bereiche gilt derzeit, dass in den Tagesschichten eine PP maximal 2,5 Patient*innen, im Nachtdienst maximal 3,5 Patient*innen betreuen darf. Trotz begründeter Kritik können die gesetzlichen PpU als ein erster Schritt in die richtige Richtung mit Blick auf Pflegequalität und Patient*innensicherheit betrachtet werden. Im Rahmen der COVID-19 Pandemie wurde mit Wirkung vom 1. März 2020 als einer der sieben Punkte des Maßnahmenpaketes zur "Entlastung von Pflegekräften" innerhalb der Bundesregierung die Aussetzung der PpU beschlossen (Bundesregierung 2020). Zwar wurde zum 1. August 2020 die PpU (als beeinflussbarem Faktor) in der Intensivpflege wiedereingesetzt, dennoch bleibt die Nurse-to-Patient-Ratio angesichts der bereits vor der COVID-19 Pandemie bestehenden "Aufweichung" selbiger in der täglichen Praxis (DBfK 2020b) und durch personelle Engpässe (verstärkt u. a. durch Anordnung häuslicher Quarantäne und die beginnende Grippesaison) faktisch weiterhin unter der PpU, ist also unbeeinflussbar. Zunehmend wird thematisiert, dass nicht die Beatmungsgeräte, sondern die verfügbaren Fachkräfte über die tatsächliche Intensivkapazität bestimmen (Tagesschau.de 2020) . Eine Aussetzung der PpU steht deshalb mit Datum vom 23.10.2020 wieder zur Debatte (Ärzteblatt.de 2020) . Gesetzesentwürfe und Beschlüsse aus dem Frühjahr 2020 greifen darüber hinaus das Thema Zwangsverpflichtung von medizinischem Fachpersonal auf: Der Epidemie-Gesetzentwurf für Nordrhein-Westfalen sowie die Reform des Bundesgesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen sahen eine Zwangsrekrutierung vor. Eine explizite "Zwangsverpflichtung" für die Gesundheitsprofessionen lässt sich im neugefassten Infektionsschutzgesetz (BGBl Teil I 2020 Nr. 14) zwar nicht mehr finden, dennoch bleibt die Frage nach der Auslegung im Hinblick auf die Möglichkeit "durch Rechtsverordnung [...] Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in [...] Krankenhäusern [...] in Abweichung von bestehenden gesetzlichen Vorgaben vorzusehen" ( § 5 Abs. 2 Nr. 7 IfSG). Zwischen dem Auftreten von Symptomen und der Ansteckungsgefahr für die Kontaktpersonen muss nicht zwangsläufig ein Zusammenhang bestehen. Ein Großteil der Erkrankungen verläuft symptomlos oder mit sehr milden Symptomen. Darüber hinaus ist derzeit noch unklar, wie lange Träger*innen des Virus ansteckend sind. Die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal (RKI 2020b) wurden seit Pandemiebeginn gelockert. Vor dem Hintergrund der zwei konfligierenden Ziele Infektionsschutz und Gewährleisten der akutmedizinischen Versorgung unterscheiden die Empfehlungen zwischen Situationen mit und ohne relevantem Personalmangel. Sie sehen eine mögliche Verkürzung der häuslichen Quarantäne vor, sowie die Option, dass PP ohne Symptome weiterhin in der direkten Patient*innenversorgung tätig bleiben. Die Empfehlungen des RKI kommen jedoch mit einer weiteren Problemlage einher. Es gehört zu den grundlegenden Pflichten des Arbeitgebers, "die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen" ( § 3 Abs. 1 S. 1 Arbeitsschutzgesetz). Die Umstände der COVID-19 Pandemie bringen es jedoch mit sich, dass ein eklatanter Mangel an PSA durch Lieferengpässe v. a. von chirurgischem Mundschutz, FFP2/FFP3-Masken, Schutzvisieren und Desinfektionsmittel zu verzeichnen ist (BMG 2020). Aufgrund der Übertragung von SARS-CoV-2 durch Tröpfcheninfektion haben PP auf ITS ein sehr hohes Ansteckungsrisiko, da sie regelhaft bei der Ausübung pflegerischer Tätigkeiten Aerosolen ausgesetzt sind. Dabei wissen PP nicht immer, ob die Patient*innen Träger des Virus sind, sodass eine Behandlung auf der ITS, bei der primär eine andere Diagnose im Vordergrund steht, denkbar ist. Dennoch sind die Empfehlungen zu Hygienemaßnahmen im Verlauf der COVID-19 Pandemie gelockert bzw. herabgesetzt worden. 5 Der zu Pandemiebeginn wirksame und in weiten Teilen auch noch im Herbst 2020 gültige "crisis standard of care", d. h. der aufgrund von Einschränkungen bei Versorgung, Personal u. a. mögliche Versorgungsgrad während einer Krise (IOM 2009, S. 112), lässt sich für ITS-PP in Deutschland entsprechend unter den Schlagworten Aussetzung sowie Missachtung von PpU, Mangel an PSA, Verkürzung bzw. Verzicht der Quarantäne sowie letztlich auch Aufhebung von Beschlüssen der Selbstverwaltung durch das Bundesministerium für Gesundheit ("Zwangsverpflichtung") zusammenfassen. Hinzu kommt -und daraus resultiert, wie empirische Erhebungen im Zusammenhang mit anderen Pandemien gezeigt haben, dass PP um ihre eigene Gesundheit und die ihrer Familie fürchten, an die sie die Infektion weitertragen könnten (Ehrenstein et al. 2006) . Schließlich sind PP besonders lange mit (potenziell) infizierten Patient*innen in direktem Kontakt und durch ihre Pflegetätigkeiten einer besonders hohen Viruslast ausgesetzt. Für diese Situationskonstellation muss deshalb festgestellt werden, dass sie außergewöhnliche Risiken mit sich bringt, die über allgemeine berufliche Risiken in der Pflege hinausgehen und Fragen des angemessenen Umgangs mit dieser besonderen Risikosituation aufwerfen (Wolff et al. 2020) . Auch im Rahmen der COVID-19 Pandemie infizieren sich PP und versterben 6 . Zudem können sie durch ihre individuelle Prädisposition (z. B. chronische Vorerkrankungen wie Asthma) ein besonderes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf tragen. Diese Tatsachen lassen auch PP erwägen, sich in Pandemiesituationen aus dem Beruf zurückzuziehen (Shiao et al. 2007 ). Ethik in der Pflege und für die Pflege folgt nicht einem universalen Ansatz, d. h. sie bedient sich verschiedener theoretischer Zugänge. 7 Über die Prinzipienethik als kleinsten gemeinsamen Nenner aller Gesundheitsberufe hinaus (Riedel et al. 2017, S. 163) , besteht lediglich ein Minimalkonsens darin, dass PP eine Verantwortung für ihre Patient*innen haben (Lachmann 2012, S. 114) . Umfang und Ausmaß dieser Verantwortung sind jedoch abhängig von der spezifischen Situation und der im Einzelfall vorgenommenen Abwägung der tangierten moralischen Prinzipien. Außerdem kommen verschiedene Begründungsquellen für die Pflicht von PP zur Behandlung im Fall einer ernsten Infektionskrankheit, die sie selbst einem bedeutenden Risiko aussetzt, in Betracht. Eine solche Begründung kann auf der ausdrücklichen oder impliziten Zustimmung fußen, der (teilweise auch staatlich finanzierten) Fachausbildung und dem Gedanken der Reziprozität bzw. eines Gesellschaftsvertrags. Außerdem finden sich ethische Begründungen insbesondere in Gelöbnissen sowie Kodizes der Profession (Malm et al. 2008) . Letztere Begründungsquelle, professionsethische Kodizes, ist vorliegend ein Ausgangspunkt. Die anderen vier Begründungsquellen werden an dieser Stelle nicht näher untersucht, da -so auch von Malm et al. (2008, S. 7ff.) ausgeführt -PP bei Vertragsschluss im Regelfall bislang weder auf das Risiko einer Pandemie aufmerksam gemacht wurden noch dieses mitbedacht haben. Eine solche, für einen gültigen Arbeitsvertrag nicht verpflichtende Klausel würde bedeuten, dass PP mit Vertragsunterzeichnung, abhängig von der Formulierung, explizit einwilligen, auch hochinfektiöse Patient*innen, bspw. im Rahmen einer Pandemie, zu behandeln und sich dazu folglich vertraglich zu verpflichten. Ebenso greift die Begründungsquelle der Fachausbildung zu kurz, da im Rahmen der COVID-19 Pandemie auch verstärkt PP auf ITS eingesetzt werden, die für diese nicht primär ausgebildet und qualifiziert sind, sondern im Rahmen von Personalumverteilungskonzepten dort eingesetzt werden sollen (DIVI 2020). Auch die Begründung einer Sorgepflicht unter Rekurs auf Reziprozität, d. h. einen Vertrag zwischen Gesellschaft und PP, ist zu unspezifisch. Eine solche kann nur Aussagen über die Gruppe der PP als ganze machen, nicht aber alle Aspekte und Prinzipien für eine Abwägung im Einzelfall generieren (Malm et al. 2008, S. 11) . Anders als z. B. Ärzt*innen, werden beruflich 6 Das RKI berichtet (Stand: 17.12.2020) von 37.080 COVID-19 Fällen bei Personal in medizinischen Einrichtungen nach §23 des Infektionsschutzgesetzes (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-17-de.pdf?__blob=publicationFile, zugegriffen: 18. Dez. 2020). 7 Zu der kontrovers diskutierten Frage, ob Ethik in der Pflege und für die Pflege als sog. "Pflegeethik" eine eigene Bereichsethik ist oder zu der Medizinethik zu zählen ist, siehe bspw. Bobbert (2003) und Rehbock (2000) . K Pflegende nach wie vor als "(Semi-)Profession" diskutiert (Kälble 2017) . Aus ihrem Status als (Semi-)Profession erwachsende Vorteile sind demnach weniger durch besondere Vorteile in (im)materieller Anerkennung gekennzeichnet als vielmehr durch ein besonderes Vulnerabilitätsniveau, das sich aus den vorherrschenden Meinungen über ihren Berufsstand und den unzulänglichen Rahmenbedingungen für ihre Arbeit ergibt (Schrems 2020, S. 35ff.). Darüber hinaus kann -selbst bei Anerkennung des Professionsstatus -allein durch die Zugehörigkeit einzelner PP zur Gruppe der beruflich Pflegenden nicht davon ausgegangen werden, dass für einzelne PP aus dem damit verbundenen Ansehen tatsächlich Vorteile erwachsen (vgl. dazu auch Malm et al. 2008, S. 12) . Im Folgenden wird deshalb exemplarisch der ICN-Ethikkodex für Pflegende unter besonderer Berücksichtigung der Prinzipienethik als Anhaltspunkt für dessen konkretes Verständnis beleuchtet und durch den moralphilosophischen Ansatz der Care-Ethik nach Joan Tronto komplementiert. Diese Auswahl begründet sich durch die Konzentration des ICN-Ethikkodexes auf professionelle Verantwortung. Der ICN-Ethikkodex und die Prinzipienethik legen in Teilen dieselben ethischen Verhaltensweisen zugrunde, wenn auch mit anderer Begründung und Tiefe. Die Prinzipienethik kann in diesem Sinne den ICN-Ethikkodex substantiieren. Sie dient folglich hier als Vehikel für die Anwendung des ICN-Ethikkodex auf die konkrete Situation. Tronto ihrerseits fokussiert ebenso auf eine verantwortungsbasierte Ethik (Tronto 1993, S. 131ff.) , in der sie Verantwortung -im Unterschied zu Ansätzen, die auf Pflichten basieren -als kontextrelatives Handlungsprinzip und relationales Konzept betrachtet. Die von ihr entwickelten vier Komponenten des Caring eignen sich besonders, diese Relationalität im Care-Prozess allgemein sowie im Pflegeprozess im Besonderen nachzuvollziehen. Entsprechend gibt Trontos Ansatz Anhaltspunkte für dem pflegerischen Handeln zugrundliegende moralische Prinzipien, die auf den Fall von ITS-Pflege in Zeiten der COVID-19 Pandemie angewendet und gegeneinander abgewogen werden. Auch wenn Malm et al. kritisch anmerken, dass Kodizes erstens von den Adressat*innen stärker als lediglich symbolisch und weniger als handlungsleitend angesehen werden und zweitens sehr allgemein und mit großem Interpretationsspielraum formuliert sind (Malm et al. 2008, S. 13, 16) , geben sie dennoch Aufschluss über die grundlegenden Werte und Prinzipien der entsprechenden Profession. Verstanden als Bezugssystem, das professionsethisches Handeln leitet, ist ein Ethikkodex ein Instrument der berufsständischen Selbstverwaltung (Ruderman et al. 2006 ). Werden Kodizes Teil der Berufsordnung (z. B. im Rahmen von Pflegekammergesetzen), so gewinnen sie an Gesetzeskraft. Entsprechend legt auch der ICN-Ethikkodex für Pflegende 8 "den Kern der ethischen Identität der Pflege" nieder (Riedel et al. 2017, S. 163 K Folglich haben PP nicht nur eine Verantwortung gegenüber anderen, sondern auch sich selbst gegenüber. Es muss an dieser Stelle kritisch angemerkt werden, dass die Darstellung der Verantwortung respektive Pflicht zur Selbstsorge ein instrumentelles Verständnis der Gesundheit Pflegender impliziert, da es direkt an die Fähigkeit zur Pflegeübernahme geknüpft wird (Seidlein et al. 2019) . Diese gerade in einer Pandemie über einen längeren Zeitraum hinweg überbordende Verantwortung für andere wie für sich selbst und die daraus resultierende fortwährende Abwägung lassen sich jedoch unter alleinigem Rekurs auf Prinzipienethik und ICN-Kodex nicht auflösen. Vielmehr ist der größere Kontext, darunter berufliche Beziehungen und soziale (Macht-)Strukturen, in die Abwägung und Entscheidungsfindung einzubeziehen (Austin 2008 ). Den Einbezug solcher Aspekte erlaubt der moralphilosophische Ansatz der Care-Ethik. "Care" ist dabei nicht mit der pflegerischen Tätigkeit gleichzusetzen und ebenso wenig instrumentell zu verstehen, sondern geht weit über sie hinaus. So wird Care zumeist definiert als Tätigkeit oder Tugend, die auf das Erhalten der Welt sowie auf die Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse wie der Bedürfnisse anderer zielt. Care-Ethik zeichnet sich folglich durch die Betonung des relationalen Moments, der Verbundenheit mit-und Abhängigkeit voneinander sowie eine Bedürfnisorientierung aus. Sie schreibt den grundlegenden Komponenten von (Sorge-)Beziehungen moralische Bedeutung zu (Sander-Staudt 2019). Für Tronto umfasst die Care-Ethik, einen entsprechenden Care-Habitus zu entwickeln, sich seinem Gegenüber zuzuwenden und sich selbst gleichzeitig zu fragen, wie die Care-Verantwortung bestmöglich erfüllt werden kann (Tronto 1993, S. 110, 127) . Das Sorgen (Caring), bspw. für Patient*innen, hat ihr zufolge vier Phasen: caring abouttaking care ofcaregivingcare receiving (Tronto 1993, S. 165) . Notwendig für erfolgreiches sowie wirkungsvolles Caring sind wiederum vier grundliegende Komponenten: Aufmerksamkeit (attentiveness) -Verantwortung (responsibility) -Kompetenz (competence) -Reaktion des*der Gepflegten (responsiveness of the care receiver) (Tronto 1993, S. 127) . Nur wer aufmerksam ist, kann erkennen, dass jemand -das Gegenüber oder man selbst -ein Bedürfnis hat. Zum einen ist für Tronto Ignoranz ein moralisches Übel. Zum anderen hebt sie hervor, dass es, wenn die Aufmerksamkeit auf Bedürfnisse anderer geht, wichtig ist, auch auf seine eigenen Bedürfnisse zu achten und sich nicht mit dem Gegenüber überzuidentifizieren (Tronto 1993, S. 127ff.) . Die ethische Dimension der Verantwortung betont hingegen, dass Caring über eine Pflichterfüllung hinausgeht. Damit zusammen hängt auch die Frage nach Kompetenz, welche für Tronto insofern eine ethische Dimension hat, als dass der*die Sorgende bei eigenem fachlichen Unvermögen oder fehlenden Ressourcen dafür Sorge zu tragen hat, dass ein*e andere*r Fachkundige*r die Sorgearbeit ausführt (Tronto 1993, S. 133f.) . Schließlich werden durch die vierte Dimension, die Reaktion -von Kohlen mit "Resonanz" übersetzt (Kohlen 2018, S. 263) , die ethischen Konzepte und Herausforderungen der Vulnerabilität sowie (Un-)Gleichheit, Abhängigkeit und Machtasymmetrie in einer Care-Beziehung hervorgehoben (Tronto 1993, K S. 134ff.) . Außerdem verweist diese letzte Dimension auf die Wichtigkeit der Selbstsorge des*der Sorgenden: Die Reaktion des Gegenüber und damit die Reziprozität der Beziehung (Watson 2001) impliziert zugleich, dass der*die Gepflegte nicht als Mittel zum Zweck der eigenen Genugtuung "gebraucht" und als Mittel zum Zweck der eigenen Selbstsorge stilisiert werden darf. Vielmehr ist Selbstsorge ein Teil der Care Work (Sorgearbeit). Selbstsorge "umfasst die Sorge um die eigene Gesundheit, Bildung und individuellen Bedürfnisse. Sorgearbeit für sich selbst ist im Beruf, im Familien-und Freundeskreis sowie in anderen Bereichen notwendig, um das eigene Arbeitsvermögen aufrecht zu erhalten" (Kohlen 2018, S. 268) . Dadurch wird deutlich, dass Selbstsorge weder isoliert betrachtet und absolut gesetzt, noch verkürzt allein für die Aufrechterhaltung der beruflichen (Pflege-)Tätigkeit instrumentalisiert werden kann. Vielmehr ist nicht nur bei Care, sondern auch bei Self-Care das relationale Moment und damit relative Selbstsorge zu betonen. Der Ansatz der Care-Ethik erweitert das Spektrum ethischer Verhaltensweisen, die pflegerischem Handeln zugrunde liegen, entsprechend in verschiedene Richtungen: hin zu Aufmerksamkeit und Verantwortung, Kompetenz und Resonanz. Zugleich wird die im ICN-Ethikkodex angeklungene ethische Verhaltensweise der Selbstsorge aufgenommen und substantiiert. Die Betrachtung des ICN-Ethikkodex und der Prinzipienethik als Begründungsquelle für moralische Verantwortlichkeiten und Rechte von PP, erweitert um die Perspektive der Care-Ethik, ermöglicht es, einen ersten Versuch zu unternehmen, einen Korridor ethisch vertretbarer Pflege -sowohl für Patient*innen als auch für die PP selbst -aufzuzeigen. Dabei werden Für-und Selbstsorge nicht als sich gegenseitig ausschließend angesehen, sondern stehen komplementär zueinander. Im Vordergrund steht entsprechend nicht die Lösung eines Konflikts, sondern ein Abwägungsprozess. Die in diesem Zusammenhang auch relevante Abwägung zwischen Fürsorge für Patient*innen und Fürsorge für eigene Angehörige der PP kann hier nicht weiter verfolgt werden. Insbesondere im Kontext der Pandemie mit erhöhtem Arbeitsaufkommen und veränderten Rahmenbedingungen für die Versorgung (Schließung von Tagespflegeeinrichtungen für pflegebedürftige Angehörige, Kindergarten und -krippe; begrenzte Kapazitäten der Notfallbetreuung; Homeschooling) stellt sich die Frage, welcher Fürsorgepflicht Vorrang zukommt und in welchem Verhältnis hierzu die Dimension der Selbstsorge steht. Diese Frage kann jedoch hier nicht weiterverfolgt werden. Welche eindeutigen Grenzen des Korridors ethisch vertretbarer Pflege ICN-Ethikkodex, Prinzipienethik und Care-Ethik bei der Abwägung zwischen Selbstsorge und Fürsorge für Patient*innen vorgeben, wird im Folgenden in drei Schritten beleuchtet. Dabei widmen sich die ersten beiden der Abwägung von Selbst-und Fürsorge auf individueller Ebene (Mikroebene); der letzte zielt auf die übergeordneten Entscheidungsebenen (Meso-und Makroebene). Situationen, die innerhalb dieses Korridors anzusiedeln sind, können mithilfe der Instrumente (ICN-Ethikkodex, Prinzipienethik und Care-Ethik) nicht abschließend bewertet werden. In einem ersten Schritt stellt sich die Frage, ob einer Vernachlässigung der Selbstsorge eine Grenze gesetzt werden sollte und wie diese näher bestimmt werden kann. Nach dem ICN-Ethikkodex achtet die PP "auf ihre eigene Gesundheit, um ihre Fähigkeit zur Berufsausübung nicht zu beeinträchtigen" (ICN 2012). Diese ethische Verhaltensweise der Gesunderhaltung ist direkt an die Fähigkeit zur Ausübung professioneller Pflege gebunden. Eine klare Grenze wird also dort gezogen, wo die Fürsorge für Patient*innen durch mangelnde Sorge der PP für ihr eigenes "psychisches, körperliches, soziales und geistiges Wohlbefinden" (ICN 2012) nicht mehr adäquat, d. h. im Sinne des Kodex, ausgeführt werden kann. Daraus kann geschlossen werden, dass es dann nicht mehr als professionelle Verpflichtung angesehen werden kann, diese zu einer Beeinträchtigung führenden Sorgeaufgaben zu übernehmen, denn die Fürsorgepflicht Pflegender ist nicht absolut (McKenna 2020). Hier ist beispielsweise an den Fall zu denken, dass eine zur Risikogruppe gehörende PP bei Mangel an PSA auf einer COVID-19-Station eingesetzt wird. Da sie Kontaktperson ist, ist ihr zudem der monatliche ärztliche Kontrolltermin versagt. Zudem führt der Personalmangel zu einer erhöhten Arbeitsbelastung und aufgrund des damit einhergehenden Energieund Zeitmangels einer weiter reduzierten Selbstsorge (Petzold et al. 2020) . Bereits aus diesem instrumentellen Verständnis heraus folgt, dass Selbstsorge nicht komplett zugunsten der Fürsorge aufgegeben werden kann. Damit ist eine Grenze dort gezogen, wo vollständige "Selbstaufopferung" und "Selbstaufgabe" von PP gezeigt werden, wie dies ein immer noch zu findendes Pflegeverständnis nahelegt (DGP 2020), in dem Pflegenden vor allem aufgrund ihres "aufopferungsvollen Einsatzes" (AEM 2020, S. 6) Anerkennung zukommt. Die mediale Darstellung von Pflegenden in "Helden-" oder "Engel-Narrativen" manifestiert derartige Stereotypen und untergräbt die pflegerische Professionalität (Stokes-Parish et al. 2020). Die Care-Ethik erweitert diese Perspektive. Im Sinne der Reziprozität darf die Selbstsorge und damit Gesundheit der PP nicht rein als instrumentelles Gut betrachtet werden. Es gilt vielmehr, dass wirkungsvolles Caring auch die Verantwortung umfasst, die Sorgearbeit an Kolleg*innen zu übergeben, wenn die eigenen Grenzen erreicht sind, und eine solche Übergabe zu ermöglichen, bevor die völlige Erschöpfung eintritt (Bohlken et al. 2020) . Insbesondere die Aussetzung oder Missachtung der PpU kann jedoch zu Fällen führen, in denen die PP ihre Grenzen und Bedürfnisse erkennt (attentiveness), die Sorgearbeit aber dennoch weiterhin ausführt oder ausführen muss. Exemplarisch seien verlängerte Schichten durch krankheitsbedingte Ausfälle in Kombination mit Personalmangel genannt. Für die PP liegt neben den Sachzwängen meist ein Gefühl der moralischen Verantwortung gegenüber Patient*innen und Kolleg*innen dahinter sowie das Erleben von moralischem Stress (Kohlen 2019; Knochel et al. 2020) . Verstärkt werden kann dies zudem noch durch die von den Pflegenden wahrgenommene gesellschaftliche Vorstellung von "Pflege als Berufung", die den moralischen Druck, selbstlos handeln zu müssen, noch verstärkt (Slettmyr et al. 2019 Die Verhältnisbestimmung von Selbst-und Fürsorge erfolgt nicht nur individuell, sondern ist bereits in den Maßnahmen und politischen Empfehlungen selbst eine Abwägung impliziert. Der ICN-Ethikkodex selbst kann bezüglich des politisch ausgearbeiteten "crisis standard of care" als solchem keine eindeutige Antwort für die Verhältnisbestimmung zwischen Selbst-und Fürsorge liefern, da er ausschließlich ethische Verhaltensweisen für PP formuliert, nicht aber politische Institutionen bindet. Auch die Prinzipienethik fokussiert sich auf die Patient*in-Gesundheitsprofession-Beziehung. In diesen Fällen erlaubt die Care-Ethik als kritisches Analyseinstrument politischer Entscheidungen eine übergeordnete Verhältnisbestimmung von Selbst-und Fürsorge (Tronto 1993, S. 172 ) und kann damit komplementär zu Gerechtigkeits-und Menschenrechtstheorien auch für Abwägungen auf Public Health Ebene fruchtbar gemacht werden. Denn neben den Patient*innen haben auch die PP selbst als ebenso vulnerable, interdependente Mitglieder der Gesellschaft im Fokus des staatlichen "care-about" und der (sozial-)staatlichen Verantwortung zu stehen. Die vorgestellten Maßnahmen stehen zwar im-oder gar explizit unter dem Diktum "Entlastung der Pflegekräfte" (Bundesregierung 2020), sind jedoch vor dem Hintergrund einer Abwägung von Für-und Selbstsorge kritisch zu beleuchten. Zum einen folgern sie aus PSA-und Personalmangel als empirischen Problemen eine Herabsetzung der Hygienemaßnahmen und Quarantäne-Zeit. Inwieweit eine derartige Anpassung von Empfehlungen, die im Sinne der Care-Ethik auch eine moralische K Qualität haben, ein naturalistischer Fehlschluss von Sein auf Sollen darstellt (eine Ableitung der Anpassung normativer Standards aus einer empirischen Mangelsituation), müsste für die Maßnahmen einzeln beleuchtet werden. Zum anderen, und für den vorliegenden Beitrag bedeutender, ist fraglich, ob sich der "crisis standard of care" als solcher im ethisch vertretbaren Korridor von Für-und Selbstsorge bewegt. Ein Mangel an PSA, Verkürzung der Quarantäne-Zeit und personelle Unterbesetzung stellen gerade auf ITS nicht nur eine potenzielle Gefährdung für PP und das gesamte Team dar, sondern gehen mit einer erhöhten (Infektions-)Gefahr, reduzierter Pflegequalität und geringerer Patient*innensicherheit einher (Ausserhofer et al. 2014; Schmitz-Rixen und Grundmann 2020) . Dies stellt PP vor ein doppeltes Dilemma: Auf der einen Seite werden sie in der Ausübung der aus dem ICN-Ethikkodex und der Care-Ethik resultierenden ethischen Verhaltensweise der Selbstsorge beschnitten. Auf der anderen Seite wird ihnen zudem verwehrt, ihrer professionellen Verantwortung -oder gar Pflicht -der Fürsorge unter Einhaltung pflegepraktischer Standards nachzukommen. Der für die Mikro-Ebene herausgearbeitete Korridor ist deshalb um die Sorge des Staates auch für das Wohl der PP als moralischer Akteure zu komplementieren. Es folgt entsprechend, dass auch staatliche Akteure die Selbstsorge der PP (sowie deren Fürsorge für An-und Zugehörige) nicht komplett zugunsten der Fürsorge für Patient*innen unterminieren dürfen. Die weitergehende Frage, inwieweit und in welchen Fällen staatliche Stellen PP dazu verpflichten können, ihre Selbstsorge (und Fürsorge für ihre An-und Zugehörigen) der Fürsorge für Patient*innen unterzuordnen, erfordert eine umfassende Abwägung unter Gesichtspunkten wie Solidarität, Gerechtigkeit und Verantwortung, welche hier nicht geleistet werden kann. Auch wenn an dieser Stelle kein umfassendes Bild gezeichnet werden kann, ergeben sich folgende Eckpfeiler als Antwort auf die Frage, wie sich in der COVID-19 Pandemie Fürsorge für Patient*innen und Selbstsorge von ITS-PP zueinander verhalten sollten: 1. Fürsorge darf auch in der besonderen Pandemiesituation nicht regelhaft der Selbstsorge übergeordnet werden -weder durch die PP selbst noch durch politische und andere Entscheidungsträger*innen. 2. Eine Unterordnung von Selbstsorge unter Fürsorge kann jedoch zeitweise, im Rahmen einer derartigen Ausnahmesituation -auf der Basis einer intra-individuellen Abwägung von PP, nicht auf der Basis einer Verpflichtung durch Dritte -erfolgen. 3. Allerdings ist, umgekehrt, eine kategorische Unterordnung von Fürsorge unter Selbstsorge ethisch nicht zu rechtfertigen. Diese Eckpfeiler können nicht mehr als Grenzen aufzeigen, die eine Hilfestellung für die praktische Implementierung des Selbst-und Fürsorgegedankens für PP auf ITS bieten, jedoch den je konkreten Aushandlungsprozess, abhängig von der Situation auf der konkreten ITS und den Bedürfnissen der PP, nicht ersetzen können. Deutlich wurde in der Abwägung jedoch, dass Selbstsorge ein essentieller Bestandteil der Sorgearbeit ist. Das Hervorheben von Selbstsorge darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese ebenso relational zu verstehen ist und folglich die Sorge um das Wohl der Pflegebedürftigen mit einbezieht. Für Deutschland fehlt bislang belastbare Evidenz für den Einfluss des "crisis standard of care" auf die Gesundheit von ITS-PP. Solche Evidenz zu generieren und ein Raster für die Abwägung im Einzelfall zu entwickeln, welches auch die jeweilige Selbstreflexionsfähigkeit der PP berücksichtigt, bleibt ein Desiderat der Forschung. Schließlich changieren die Eckpfeiler zwischen Mikro-und Makroebene, und wird auf die Verteilung und Zuschreibung von Verantwortung innerhalb eines Krankenhauses nicht explizit eingegangen. Dies resultiert aus der Natur der in der COVID-19 Pandemie verabschiedeten Gesetze und politischen Empfehlungen, die wenig Handlungsspielraum lassen und stark in die Selbstverwaltung eingreifen. Dennoch kann gerade auf der Mesoebene über die Implementierung eines wertorientierten Pflege-Managements, das Selbstsorge als Teil der professionellen Grundhaltung von PP anerkennt und diese aktiv unterstützt, relationale Selbstsorge kultiviert werden. Zudem ist jedoch ein umgreifender Prozess auf übergeordneter Ebene notwendig und kommt hier politischen wie gesellschaftlichen Akteuren im Sinne der Care-Ethik auch eine Verantwortung dafür zu, die instrumentelle wie relationale Selbstsorge der PP in zukünftiger "pandemic prepardness" mitzudenken und nicht durch Aussetzen von PpU oder Empfehlungen zu einem Weiterarbeiten bei asymptomatischer Infektion vollständig zu unterminieren: Wie das ICN, an die PP gerichtet, feststellt, ist "[d]er bisherige Verlauf des Internationalen Jahres der Pflegenden (...) nicht das Jahr, das wir geplant hatten. Aber durch Ihre Arbeit, durch Ihr Handeln, durch Ihr Pflegen zeigen Sie so deutlich, warum professionell Pflegende mehr Anerkennung, mehr Investitionen und mehr Unterstützung brauchen" (ICN 2020a). Hierzu gehören eine ausreichende Personalausstattung mit PP (DBfK 2020c), eine angemessene Berücksichtigung persönlicher Gesundheit und Sicherheit der PP (Fowler 2018) und öffentliche Wertschätzung -folglich Rahmenbedingungen, die einer der Pflegeprofession inhärenten Notwendigkeit der stetigen Verhältnisbestimmung zwischen Fürsorge und Selbstsorge gerecht werden. Funding Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL. Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ licenses/by/4.0/deed.de. Interessenkonflikt E. Kuhn und A.-H. Seidlein geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Ethische Standards Für diesen Beitrag wurden von den Autorinnen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. AEM (2020) Pflegeethische Reflexion der Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 Nurse staffing and education and hospital mortality in nine European countries: a retrospective observational study Klose: Pflegekräfte "entscheidender Engpass" auf Intensivstationen ) Prevalence, patterns and predictors of nursing care left undone in European hospitals: results from the multicountry cross-sectional RN4CAST study Ethics in a time of contagion: a relational perspective Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt -Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich Deutscher Ärztetag (Münster, 28. bis 31. Mai BMG (2020) Verordnung zur Beschaffung von Medizinprodukten und persönlicher Schutzausrüstung bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie Pflegeethik als neue Bereichsethik: Konturen, Inhalte, Beispiele Berufliche Pflege und soziale Gerechtigkeit: sechs sozialethische Problemanzeigen COVID-19-Pandemie: Belastungen des medizinischen Personals Gute Pflege auch in Zeiten des Coronavirus DBfK (2020a) 2020 -Internationales Jahr der Pflegenden und Hebammen Ziel erreicht? Ergebnisse einer Online-Umfrage zu Effekten der Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus Pflegeberufe ihrer Leistung entsprechend bezahlen -während und nach der Pandemie Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise. Ad-Hoc-Empfehlung COVID-19 und die Rolle der Pflege(Wissenschaft) Pflege ist systemrelevant -nicht nur in Corona-Zeiten Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V.; European Academy of Nursing Science Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein KdöR; Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands e. V.; Netzwerk Pflegeforschung im VPU e Empfehlungen zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen Arbeitshilfe zu step-up Qualifizierungen und step-up Personaleinsatz bei erhöhtem Erkrankungsaufkommen im Rahmen der SARS-CoV-2 Herausforderungen und Covid19 Erkrankungen in den Kliniken Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall-und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie. Klinisch-ethische Empfehlungen. Von den Fachgesellschaften verabschiedete 2 Ausgewählte Aspekte zur informellen häuslichen Pflege in Deutschland Influenza pandemic and professional duty: family or patients first? A survey of hospital employees Duties to self: The nurse as a person of dignity and worth Responding to Covid-19: How to navigate a public health emergency legally and ethically Critical care utilization for the COVID-19 outbreak in Lombardy, Italy: early experience and forecast during an emergency response Anerkennung und Dank des International Council of Nurses an Pflegende in Deutschland COVID-19 Update: Occupational risks to nurses must be minimised to enable them to continue their vital work Guidance for establishing crisis standards of care for use in disaster situations. A letter report Ergebnisse einer Onlinebefragung von Intensivpflegenden Nurses' experiences of ethical preparedness for public health emergencies and healthcare disasters: a systematic review of qualitative evidence Zur Professionalisierung der Pflege in Deutschland: Stand und Perspektiven Exposure to COVID-19 patients increases physician trainee stress and burnout Intensivmedizin: Versorgung der Bevölkerung in Gefahr Auswirkungen des Pflegepersonalmangels auf die intensivmedizinische Versorgungskapazität in Deutschland COVID-19-Pandemie: Support durch klinisch-ethische Angebote. Psychische Belastungen von Gesundheitspersonal im Umgang mit moralischen Konflikten. Eine Handreichung für klinische Ethikberater*innen Geschlechtergerechte Sorgearbeit im Horizont der Care-Ethik Ethische Fragen der Pflegepraxis im Krankenhaus und Möglichkeiten der Thematisierung Public Health Ethik und COVID-19. Ethische Dimensionen des Pandemiemanagement Applying the ethics of care to your nursing practice Ethikkompetenzerwerb im Handlungsfeld -Voraussetzungen und Impulse für die professionelle Pflegepraxis Dritte Ad-hoc-Stellungnahme: Coronavirus-Pandemie -Die Krise nachhaltig überwinden Ethics, pandemics, and the duty to treat Covid-19: ethical issues for nurses When health professionals look death in the eye: the mental health of professionals who deal daily with the 2019 coronavirus outbreak Umgang mit psychischer Belastung bei Gesundheitsfachkräften im Rahmen der Covid-19-Pandemie Braucht die Pflege eine eigene Ethik? Zentrale Aspekte der Ethikkompetenz in der Pflege. Empfehlungen der Sektion Lehrende im Bereich der Pflegeausbildung und der Pflegestudiengänge in der Akademie für Ethik in der Medizin e. V RKI (2020a) Mögliche Maßnahmen zum Ressourcen-schonenden Einsatz von Mund-Nasen-Schutz (MNS) und FFP-Masken in Einrichtungen des Gesundheitswesens bei Lieferengpässen im Zusammenhang mit der neuartigen Coronavirus-Erkrankung COVID-19 RKI (2020b) Optionen zur vorzeitigen Tätigkeitsaufnahme von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern bei relevantem Personalmangel On pandemics and the duty to care: whose duty? Who cares Care ethics. Internet encyclopedia of philosophy Pflegepersonalausstattung des Krankenhauses und Patientenoutcome Weilerswist Schrems BM (2020) Vulnerabilität in der Pflege Concepts of health in long-term home care: an empirical-ethical exploration Factors predicting nurses' consideration of leaving their job during the SARS outbreak Lives on the line? Ethics and practicalities of duty of care in pandemics and disasters The ambiguity of altruism in nursing: a qualitative study Grunddaten der Krankenhäuser The ICN code of ethics for nurses: a time for revision Ein ethischer Hintergrundkommentar zur gemeinsamen Stellungnahme der AEM und anderer medizinischer Fachgesellschaften vom Angels and heroes: the unintended consequence of the hero narrative Ethical elements in priority setting in nursing care: a scoping review Zahl der Intensivpatienten steigt Nurses negotiating professional-familial care boundaries: striving for balance within double duty caregiving Theory of human caring WHO guidelines on hand hygiene in health care: a summary Covid-19 and the ethics of risk. How can we fairly distribute risks across individuals and groups within societies?