key: cord-0723712-c0bf5iab authors: Salzberger, Bernd; Glück, Thomas; Franzen, Caspar title: Infektiologie 2003—Teil I: Epidemiologie date: 2004 journal: Med Klin (Munich) DOI: 10.1007/s00063-004-1007-8 sha: 309354b792c96e9cbd6c1cd18075d72b4c1cd1ff doc_id: 723712 cord_uid: c0bf5iab The outstanding issue regarding recent trends in the epidemiology of infectious diseases is the epidemic occurrence of severe acute respiratory syndrome (SARS) in 2003. SARS is caused by a novel coronavirus, presumably originating from wild cats. This new agent was rapidly identified and characterized, the outbreak was terminated in early summer 2003 after implementation of strict infectious control measures. Especially the high rate of complications and nosocomial infections has caused severe public health problems in China and Canada. The number of persons infected with HIV is still rising rapidly globally. New regions with rapid spread include the countries of the former Soviet Union in East Europe and Central Asia. The introduction of modern antiretroviral therapy in countries with high prevalence is making slow progress, with no visible impact on transmission dynamics so far. The WHO has implemented a number of programs to eradicate or eliminate targeted infectious diseases. Polio eradication and elimination of neonatal tetanus are making slow progress, obstacles to the control of these diseases are ongoing armed conflicts in regions with high prevalence and underfinancing of programs. Lack of funding is especially obvious regarding programs for the control and therapy of malarial infections. The numbers of patients newly identified with new variant Creutzfeldt-Jakob disease are not rising, but rather constant or even declining, making a large epidemic of vCJD unlikely. D as Update Infektiologie 2003 ist wiederum in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die Neuigkeiten zur Epidemiologie von Infektionskrankheiten dargestellt. Hier hat natürlich das schwere akute respiratorische Syndrom (SARS) als erste neue Infektionskrankheit des 21. Jahrhunderts den ersten Platz. Neben dem Schrecken, den die rasche Ausbreitung und hohe Komplikationsrate dieser Infektion verbreitet haben, sind die Aufklärung und Charakterisierung des Erregers und die Beendigung der Epidemie durch strikte Infektionskontrolle auch eine Erfolgsgeschichte für Wissenschaft, öffentliche Gesundheitssysteme und den Gebrauch moderner Kommunikationsmittel. Die sorgfältige Analyse dieser Epidemie liefert wichtige Hinweise und Lehren für die adäquate Reaktion auf mögliche künftige Ausbrüche mit respiratorisch übertragbaren Infektionen, z.B. lang erwarteten bzw. gefürchteten neuen Influenzastämmen. Aber auch Daten zu "alten" Infektionen dürfen nicht fehlen. Die immer noch zunehmende Ausbreitung von HIV stellt nicht rasch lösbare Probleme für Wissenschaft, Gesundheitssysteme und Politik dar. Die Entwicklung einer protektiven Vakzine macht nur langsame Fortschritte, alle derzeit entwickelten Impfstoffe sind noch Jahre von einer möglichen breiten Anwendbarkeit entfernt, und die ersten großen Impfstudien sind ohne Erfolg geblieben. Die Implementierung von Programmen zur Anwendung der antiretroviralen Therapie in den Dritte-Welt-Ländern schreitet nach vielen anfänglichen Widerständen endlich voran, stößt aber auch auf große Schwierigkeiten und Hindernisse. Erkrankungen an Tuberkulose sind in vielen Regionen parallel zur Entwicklung der HIV-Infektion erneut im Zunehmen begriffen. Jährlich sterben weiterhin 2 Mio. Menschen an Tuberkulose, viele davon koinfiziert mit HIV, was dann zu einem rascheren ❑ Das kürzliche Auftreten des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS) ist das wichtigste Ereignis in der Epidemiologie infektiöser Erkrankungen. Es wird durch ein neu entdecktes und vermutlich beim Menschen neu aufgetretenes Coronavirus verursacht. Durch internationale Kooperation und schnelle Reaktion konnte der Erreger rasch identifiziert und charakterisiert werden, die Epidemie ließ sich erfolgreich eindämmen. Die hohe Komplikationsrate und die häufige nosokomiale Übertragung dieses Erregers haben in den Zentren der Epidemie viele Probleme verursacht. ❑ Die HIV-Infektion ist global weiter auf dem Vormarsch, nach Afrika und Südostasien sind nun auch die Länder Osteuropas und Zentralasien von dieser Pandemie bedroht. Präventivmaßnahmen und die Einführung der modernen antiretroviralen Therapie machen in Ländern mit hoher Prävalenz und Inzidenz Fortschritte, bisher nur mit geringen Auswirkungen auf epidemiologische Trends. Die Maßnahmen der WHO und anderer internationaler Organisationen zur Eindämmung oder gar Elimination wichtiger Infektionskrankheiten schreiten nur mühsam voran und haben mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein Einsatz von Infektionserregern in militärischen Auseinandersetzungen oder auch bei terroristischen Anschlägen ist in den letzten Jahren vermehrt diskutiert und gefürchtet worden; Anstrengungen richten sich hier vor allem auf die rasche Erkennung und Prävention solcher Anschläge. Die Befürchtungen einer rasch steigenden Zahl von Patienten mit der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung haben sich glücklicherweise bisher nicht bestätigt. [7, 9, 16] . Als vermutlicher Wirt wurden Wildkatzen (Zibetkatzen) in Südchina identifiziert: Nach der Zubereitung eines solchen Tieres war der Indexfall, der Koch, erkrankt, und eine Reihe der ersten Fälle konnte diesem Indexfall zugeordnet werden. Bei der Identifizierung und Charakterisierung dieses Virus wurden Vorteile der modernen Informationstechniken eindrucksvoll benutzt. Sequenzdaten des neuen Erregers wurden sofort über das Internet publiziert, wodurch Primer für eine diagnostische Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und weitere Werkzeuge rasch weltweit verfügbar waren. Eine Impfung oder medikamentöse Therapie konnte dagegen bisher nicht entwickelt werden. Insgesamt wurden 8 098 Fälle mit einer Letalitätsrate von nahezu 10% beobachtet (s. Tabelle 1) [26] . Die Rate der impact on transmission dynamics so far. The WHO has implemented a number of programs to eradicate or eliminate targeted infectious diseases. Polio eradication and elimination of neonatal tetanus are making slow progress, obstacles to the control of these diseases are ongoing armed conflicts in regions with high prevalence and underfinancing of programs. Lack of funding is especially obvious regarding programs for the control and therapy of malarial infections. The numbers of patients newly identified with new variant Creutzfeldt-Jakob disease are not rising, but rather constant or even declining, making a large epidemic of vCJD unlikely. Die mit großer Spannung, aber auch erheblicher Skepsis erwarteten Phase-II/III-Impfstudien mit Proteinvakzinen haben keine Protektion der geimpften Probanden zeigen können [11] . Damit ist eine mögliche Impfung gegen HIV vermutlich noch mehrere Jahre vom Einsatz entfernt. Dass damit eine umso dringlichere Notwendigkeit für die Einführung der modernen lebensrettenden antiretroviralen Therapie vor allem in Hochprävalenzgebieten besteht, ist unbestritten. Schwierig ist und bleibt die Organisation der Therapie. Nach erheblichen Preissenkungen der Hersteller bzw. Fabrikation von Generika ist nicht mehr der Preis der Therapie das Haupthindernis, sondern die Organisation von Verteilung, Applikation und Therapiekontrolle. Durch die genannten Maßnahmen konnten die Tagestherapie [3] . Nicht bestätigt haben sich aber auch die initial euphorischen Vorstellungen der Wirksamkeit verschiedener in vitro wirksamer Substanzen. Zu befürchten bleibt, dass für diese Erkrankung die Entwicklung eines wirksamen Medikaments allein aufgrund mangelnder Prüfbarkeit nicht möglich sein wird. Mögliche terroristische Anschläge mit oder auch eine akzidentelle Freisetzung von Infektionserregern werden seit einigen Jahren diskutiert und gefürchtet. Von mehreren Staaten ist bekannt oder wird angenommen, dass sie erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um biologische Waffen zu entwickeln und anzufertigen. Als im zeitlich engen Zusammenhang mit den Anschlägen des 11. 9. 2001 einige Anthraxfälle auftraten, wurde hier rasch eine Verbindung vermutet. Insgesamt 23 Verdachtsfälle (19 gesichert, fünf Todesfälle) mit Anthrax wurden durch die Verbreitung von waffenfähigen Anthraxsporen mit Postsendungen ausgelöst. Die Quelle für diese Sporen konnte nicht klar identifiziert werden, vermutet wurde allerdings die Herkunft aus einer US-Quelle. Eine Verbindung zu den Anschlägen der Al-Qaida-Gruppen konnte nicht hergestellt werden. Die Herkunft und Herstellung der Sporen wie auch die Motive für diese Anschlagsserie sind letztlich nicht öffentlich geworden -das FBI hat insgesamt mehr als 20 verdächtige Personen intensiv, jedoch ohne Erfolg nachrecherchiert [21] . Die möglichen Folgen eines Anschlags mit Pocken werden vor allem wegen der Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch als dramatisch eingestuft. Erschwerend kommt hinzu, dass nach nunmehr ca. 20 Jahren nicht mehr durchgeführter Impfung keine breite Immunität mehr gegen Pocken besteht. Ob Pockenviren tatsächlich in den Händen von Terroristen oder auch Staaten außerhalb der USA und Russ-lands vorhanden sind, ist unklar. Nachdem bekannt wurde, dass irakische und nordkoreanische Soldaten gegen Pocken geimpft werden, wurde diese Vermutung gerade in Bezug auf diese beiden Staaten geäußert, aber bisher nie bewiesen. Waffenfähige Pockenviren wurden in der alten Sowjetunion entwickelt und produziert, nach Angaben von Überläufern aus diesen Waffenprogrammen wurden zeitweise bis zu 20 t Pockenviren gefriergetrocknet dort gelagert, eine Menge, bei der nicht vorstellbar ist, dass heute noch Rechenschaft über Vernichtung, Verderben oder Weitergabe dieses Materials möglich ist. Im Rahmen der geplanten militärischen Einsätze in Afghanistan und im Irak wurde das Potential von möglichen Anschlägen so hoch eingestuft, dass umfangreiche Impfkampagnen bei militärischem und zivilem Personal in den USA initiiert und breite Impfkampagnen für die Durchimpfung der Bevölkerung vorbereitet wurden. Dabei erwies sich allerdings der benutzte Impfstoff als relativ nebenwirkungsreich. Neben einer Reihe von bekannten Nebenwirkungen traten unerwartet bei einer Reihe von älteren Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen auch schwere und in einigen Fällen tödliche kardiale Nebenwirkungen auf [23] . Glücklicherweise wurde ein terroristischer oder militärischer Einsatz von Pockenviren bisher nicht verzeichnet. Entsprechende Waffen wurden bis heute auch nicht in den irakischen Waffendepots entdeckt. Zu hoffen bleibt, dass solche Anschläge aufgrund der Kontrolle der Staaten, die solche Erreger noch besitzen, Fiktion bleiben. Seit einigen Jahren betreibt die WHO Kampagnen zur Eradikation, Elimination oder besseren Kontrolle von Infektionskrankheiten in entsprechenden Endemieregionen. Während sich aufgrund der Epidemiologie nur eine geringe Zahl von Erkrankungen zur Eradikation eignet, sind andere Erkrankungen mittels Immunisations-oder Therapiestrategien zumindest auf ein niedriges Niveau zu bringen. Ein globales Meldesystem, das empfindlich vor allem auf neue Infektionen reagiert, ist sicherlich vonnöten. Immerhin lief die SARS-Epidemie über einige Monate von der Weltöffentlichkeit unbeachtet lokal in Südchina an, ohne dass hier eine neue Erkrankung vermutet wurde. Des Weiteren muss sicherlich diskutiert werden, ob nicht generell für die bekannten Virusfamilien systematisch nach Virostatika gefahndet werden sollte, die dann bei Auftreten einer neuen Epidemie rasch zur Entwicklung einer wirksamen medikamentösen Therapie eingesetzt bzw. geprüft werden könnten. Für solche Entwicklungen bestehen für forschende Pharmaunternehmen allerdings derzeit keinerlei Anreize, sie wären ein reines Vabanquespiel, das bei knapper werdenden Forschungsetats und strikten unternehmerischen Regeln des Shareholder-Values kein Vorstand genehmigen könnte. Forschung hierzu wird nur bei Schaf-fung entsprechender Anreize stattfinden, ansonsten müssten solche Entwicklungen in nichtkommerziellen For schungseinrichtungen erbracht werden. Internationale Kooperationen müssen hierzu vereinbart werden, ebenso wie für die genannten Meldesysteme. Die wichtigsten Infektionskrankheiten mit großer Morbidität und Mortalität, vor allem in Regionen mit großer Armut, sind weiterhin die HIV-Infektion und die Tuberkulose. Für beide Infektionen existieren suppressive (HIV) bzw. kurative (Tbc) medikamentöse Therapien, deren konsequente Anwendung in den Hochprävalenzregionen bisher unvollständig und nicht zufrieden stellend ist. Der terroristische Einsatz von Infektionserregern ist in einer kleinen Serie in den USA Wirklichkeit geworden. Zum Glück sind größere Anschläge mit solchen Erregern bisher ausgeblieben. Die Schwierigkeiten bei der Prävention und Prophylaxe eines solchen Anschlags mit Pockenviren in den USA zeigen, dass zur Vorbereitung auf derartige Ereignisse noch viel Arbeit zu leisten sein wird, um entsprechende sichere Vakzinen bzw. Therapien zur Verfügung stellen zu können. Auch wenn Infektionskrankheiten in armen Regionen die größten Probleme bereiten, besteht angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre kein Anlass, die Hände in den Schoß zu legen. Eine qualifizierte Aus-bzw. Weiterbildung auch in Deutschland in diesem Fach ist dringend notwendig. Der entsprechende Anstoß hierzu wurde von den deutschen Berufsverbänden glücklicherweise bereits gegeben. West Nile virus Final report of the Conference on the Eradicability of Onchocerciasis London: Department of Health Federal bodysnatchers and the New Guinea virus Epidemiological determinants of spread of causal agent of severe acute respiratory syndrome in Hong Kong Case clusters of the severe acute respiratory syndrome Identification of a novel coronavirus in patients with severe acute respiratory syndrome UPDATE 8. HIV/AIDS JUNPo. AIDS epidemic update December 2002 A novel coronavirus associated with severe acute respiratory syndrome A major outbreak of severe acute respiratory syndrome in Hong Kong HIV vaccine fails in phase 3 trial Multistate outbreak of monkeypox -Illinois, Indiana, and Wisconsin Roll back malaria? The scarcity of international aid for malaria control West Nile virus: an emerging virus in North America Outbreak of West Nile-like viral encephalitis -New York Coronavirus as a possible cause of severe acute respiratory syndrome Identification of severe acute respiratory syndrome in Canada Progress toward global eradication of poliomyelitis The achievements and challenges of the African Programme for Onchocerciasis Control (APOC) West Nile encephalitis epidemic in southeastern Romania Investigation of bioterrorism-related anthrax Multistate outbreak of monkeypox -Illinois Cardiac and other adverse events following civilian smallpox vaccination -United States Tetanus in developing countries: an update on the Maternal and Neonatal Tetanus Elimination Initiative Special action projects for the elimination of leprosy Geneva: WHO