key: cord-0693948-ef26fnld authors: Bartek, Benjamin; Jung, Tobias; Schwiedernoch, Antonia; Perka, Carsten; Palmowski, Yannick title: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die physiotherapeutische und ärztliche Nachsorge nach Rekonstruktionen des vorderen Kreuzbandes date: 2022-01-03 journal: Orthopade DOI: 10.1007/s00132-021-04197-3 sha: 32b50f9c6ac7e67466e8cd50333dd42d9387443a doc_id: 693948 cord_uid: ef26fnld BACKGROUND: The aim of this study was to examine the influence of the COVID-19(coronavirus disease 2019) pandemic on the medical and physiotherapeutic follow-up care after reconstructions of the anterior cruciate ligament. METHODS: 116 patients (72 men and 44 women) who had received a reconstruction of the anterior cruciate ligament between September 2019 and December 2020 were included in this study. These patients were divided into two groups depending on the date of surgery: one group that had received surgery in 2019 before the COVID-19 pandemic and one group that had undergone surgery in 2020 and was directly affected by the COVID-19 pandemic. All patients were interviewed using a standardized questionnaire regarding the influence of the coronavirus pandemic on the medical and physiotherapeutic follow-up care, as well as the moment of return to work. In addition, the range of motion of the respective knee 3 months postoperatively was analysed based on physical examination. RESULTS: At 3 months postoperatively, patients who had undergone surgery in 2020 showed a clear trend towards a higher frequency of extension deficits of ≥ 5° (18.8% vs. 4.3%, p = 0.097) or an inability to bend the knee ≥ 120° (23.3% vs. 10%, p = 0.197) compared to those who had received surgery in 2019. Patients who had undergone surgery in 2020 reported significantly longer delays for appointments, a higher number of futile attempts to get an appointment and a higher number of cancelled appointments, regarding both medical and physiotherapeutic follow-up care. 34.9% of the patients who received surgery in 2020 indicated that they were able to reduce the duration of their sick leave due to the increased possibilities of working in a home-office situation during the pandemic. Alternative treatment options due to the pandemic were offered by 13.3% of the physiotherapists and 12.2% of the physicians. CONCLUSION: Although the physiotherapeutic and medical follow-up care was not directly affected by a “lockdown”, the pandemic led to significant restrictions, which are also reflected in a clear trend towards worse clinical outcomes. Consequently, a further expansion of alternative treatment options, which were only offered by 12–13% of practices and that are presumably of comparable relevance for various other diseases, is needed. Mit einer jährlichen Inzidenz von über 40.000 Rupturen des vorderen Kreuzbandes (VKB) deutschlandweit sowie etwa 1/1000 in der Altersgruppe 15-25 Jahre gehört die VKB-Ruptur zu den häufigsten Sportverletzungen junger Patienten [1] [2] [3] . Insbesondere bei jungen Patienten steht laut aktueller S1-Leitlinie aufgrund des hohen funktionellen Anspruchs sowie des langfristig erhöhten Arthroserisikos bei VKB-Insuffizienz die operative Therapie im Vordergrund, die in der Regel durch eine Rekonstruktion mit autologer Sehnenplastik erfolgt [4, 5] . Für ein optimales postoperatives Outcome mit langfristig möglichst vollständiger Wiederherstellung der Funktionalität und Belastbarkeit ist die physiotherapeutische Nachsorge von entscheidender Bedeutung. Diese erfolgt üblicherweise entsprechend standardisierter Nachbehandlungsschemata. Die Relevanz einer konsequenten Physiotherapie mit frühzeitigem Beginn der Therapie, kontinuierlicher Wahrnehmung aller Termine und regelmäßiger Kontrolle des Fortschritts ist in Studien belegt [6, 7] . Seit Ende 2019 verbreitet sich die "coronavirus disease" 2019 (COVID-19) weltweit. In Deutschland wurde zum Infektionsschutz ab dem 11.03.2021 an die Bevölkerung appelliert, Kontakte zu beschränken. Bereits kurz darauf trat ab dem 22.03.2020 der erste "Lockdown" in Kraft und führte zu deutlichen Einschränkungen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens [8] . Bisher ist unseres Wissens ungeklärt, welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie sowie die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen auf die postoperative Nachsorge hatten und auch die Folgen für das klinische Outcome sind bislang nicht bekannt. Um dies zu untersuchen, führten wir in der vorliegenden Studie daher eine Befragung von Patienten durch, welche während oder direkt vor der Pandemie eine Rekonstruktion des VKB erhielten und ergänzten dies durch Auswirkungen auf die physiotherapeutische Nachsorge Bei der Befragung zur physiotherapeutischen Nachbehandlung zeigten sich hinsichtlich aller erfragten Items signifikante Unterschiede zwischen den 2019 und 2020 operierten Patienten (. Tab. 1). Bei der Befragung zur ärztlichen Nachbehandlung zeigten sich hinsichtlich der Fragen zu Terminvereinbarung und -wahrnehmung signifikante Unterschiede zwischen den 2019 und 2020 operierten Patienten (. Tab. 2). Einfluss auf die postoperative Nachsorge hatte, obwohl Physiotherapie auch während aller "Lockdown"-Phasen als Teil der Grundversorgung weiter in Anspruch genommen werden konnten. Eine mögliche Erklärung für diese Auswirkungen bietet eine Onlineumfrage mit 1370 Therapeuten in der ambulanten Heilmittelversorgung, in der 88 % der Teilnehmer eine höhere psychische Belastung aufgrund der COVID-19-Pandemie angaben, insbesondere aufgrund des zeitlichen Drucks durch die Hygienemaßnahmen, wirtschaftlichen Sorgen und Angst vor Infektion Angehöriger [12] . Interessanterweise steigerte sich die durchschnittliche Wartedauer auf Termine von 1,09 Wochen auf 2,57 Wochen um mehr als das doppelte, wohingegen es beim Zeitpunkt des ersten postoperativen Termins zu einer etwas geringeren Änderung von 1,15 auf 1,88 Wochen kam. Dies lässt vermuten, dass einige Patien-tenentsprechendeSchwierigkeitenbereits vorausgesehen und sich daher früher als üblich um Termine gekümmert hatten. Auch wenn bislang keine weitere Studie zu den Auswirkungen auf die physiotherapeutische Nachsorge nach VKB-Rekonstruktion in Deutschland vorliegt, bestätigen die international zu ähnlichen Fragestellungen veröffentlichten Studien diesen Eindruck, teils mit noch deutlicheren Unterschieden. So berichtet eine indische Studie, dass dortige Physiotherapeuten die Anzahl ihrer Patienten und die durchschnittliche Länge der Therapiesitzungen reduzieren mussten und sich durch das permanente Tragen der Schutzkleidung und die Infektionsangst physisch und psychisch beeinträchtigt fühlten [13] . In einer weiteren Studie aus Portugal bei 619 Physiotherapeuten gaben 73,2 % an, dass sie pandemiebedingt keinen direkten Patientenkontakt mehr hatten und sich stattdessen oft für eine Therapie aus der Distanz mit schriftlichen Behandlungsverordnungen und synchroner Behandlung per Videokonferenz entschieden [13] . Im Vergleich dazu scheinen die Auswirkungen in Deutschland eher gering geblieben zu sein, was sich auch in der trotz der Einschränkungen hohen Zufriedenheit (2020 im Durchschnitt 7,8/10) niederschlägt. Insgesamt sehr ähnliche Ergebnisse zeigten sich in unserer Studie hinsichtlich der ärztlichen Nachbehandlung. Auch hier kam es zu einer signifikanten Zunahme der Wartedauer auf Termine sowie der Anzahl vergeblicher Terminanfragen und abgesagter Termine mit einer entsprechenden Verzögerung des ersten postoperativen Nachsorgetermins. Im Gegensatz zur Physiotherapie gab es hier nur eine Tendenz zu etwas geringerer Zufriedenheit ohne signifikanten Unterschied zwischen 2019 und 2020 (7,48/10 vs. 7,16/10, p = 0,4). Eine mögliche Erklärung hierfür ist der insgesamt deutlich intensivere Patientenkontakt während der physiotherapeutischen Behandlung, sodass Einschränkungen hier noch deutlicher wahrgenommen werden. Dazu passend gaben nur 8,5 % der Patienten an, sich bei der ärztlichen Nachbehandlung deutlich eingeschränkt gefühlt zu haben, wohingegen 39,8 % deutliche Einschränkungen in der physiotherapeutischen Nachsorge verspürten. Neben den subjektiven Angaben der Patienten haben wir unseres Wissens als erste Studie auch die Auswirkungen auf das klinische Ergebnis in Form des postoperativen Bewegungsumfangs nach 3 Monaten untersucht. Hierbei zeigte sich bei den 2020 operierten Patienten eine deutliche Tendenz zu einem häufigeren Auftreten postoperativer Bewegungsdefizite gegenüber 2019, welche allerdings nicht signifikant war (Beugung: 10 % vs. 23,3 %, p = 0,197; Streckung: 4,3 % vs. 18,8 %, p = 0,097). Auch wenn (mutmaßlich aufgrund des zu kleinen Patientenkollektivs) keine signifikanten Unterschiede gezeigt werden konnten, bestätigt die deutliche Tendenz unserer Meinung nach dennoch den hohen Stellenwert der postoperativen Nachsorge sowie die relevanten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Trotz der häufig geschilderten Einschränkungen in der Nachsorge gaben 34,9 % der 2020 operierten Patienten an, dass sich durch die im Rahmen der Pandemiebekämpfung erfolgte Ausweitung der Möglichkeiten zur Arbeit im Homeoffice die Dauer der Arbeitsunfähigkeit verkürzte. Im Vergleich mit den 2019 operierten Patienten gab es 2020 dennoch über das gesamte Jahr betrachtet eine Tendenz zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit (7,77 Wochen vs. 8,53 Wochen, p = 0,688). Eine mögliche Erklärung bietet die genauere Betrachtung der Arbeitsunfähigkeitsdauer in den einzelnen Tertialen. Während es im ersten Tertial 2020 zu einem deutlichen Anstieg von 7,77 auf 13,04 Wochen kam, fiel die durchschnittliche Dauer bereits ab dem 2. Tertial mit 7,1 Wochen wieder deutlich ab und hielt sich auch im 3. Tertial mit 6,54 Wochen auf einem ähnlichen Niveau. Auch die einfaktorielle Varianzanalyse bestätigte signifikante Unterschiede in der Dauer der Arbeitsunfähigkeit zwischen den Tertialen (p = 0,048). Der Grund für diesen zeitlichen Verlauf ist wahrscheinlich darin begründet, dass es zu Beginn der Pandemie recht schnell zu deutlichen Einschränkungen in der Nachbehandlung mit entsprechend verlängerter Krankheitsdauer kam, wohingegen Arbeitgeber erst mit einer gewissen Latenz auf Angebote wie Homeoffice umstellten. Der hohe Anteil an Patienten, die eine Verkürzung der Arbeitsunfähigkeit angaben, zeigt eindrucksvoll das Potenzial solcher nun erstmalig großflächig eingeführten Maßnahmen. In der physiotherapeutischen und ärztlichen Nachbehandlung hingegen wurden den Patienten nur relativ selten (Physiotherapie: 13,3 %; Orthopädie: 12,2 %) aufgrund der Pandemie Alternativen zum regulären Programm (z. B. Onlinetermine, Telefontermine) angeboten. Hier bieten sich daher mögliche Ansatzpunkte, um die Auswirkungen im Falle erneuter vergleichbarer Situationen weiter zu reduzieren. Dass hier noch dringender Nachholbedarf besteht, zeigt sich auch darin, dass sich immerhin 8,4 % der 2020 operierten Patienten aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen nicht erneut in einer vergleichbaren Situation operieren lassen würden. Trotz der eindeutigen Ergebnisse unserer Studie sollten bei der Interpretation die Limitationen aufgrund des Studiendesigns beachtet werden. So handelt es sich um eine retrospektive Studie mit den üblichen Einschränkungen, wobei die beiden verglichenen Studiengruppen recht unterschiedlich große Kohorten beinhalten. Eine Vergrößerung der 2019er-Kohorte wäre allerdings nur durch den zusätzlichen Einschluss noch früher operierter Patienten möglich gewesen, was durch Abfrage weiter zurückliegender Erinnerungen unvermeidlich mit einer reduzierten Verlässlichkeit der Angaben verbunden gewesen wäre. Zudem unterliegen die Einschätzungen der Patienten zu großen Teilen keinen objektiven Kriterien, sondern vorwiegend subjektiven Wahrnehmungen. Die unterschiedlichen Kohortengrößen führen in erster Linie zu einer reduzierten statistischen Power, sodass eventuell nicht alle tatsächlich bestehenden Unterschiede zwischen den Gruppen tatsächlich nachgewiesen werden konnten, was z. B. auf unsere Beobachtungen zum Bewegungsdefizit zutreffen könnte. Background: The aim of this study was to examine the influence of the COVID-19(coronavirus disease 2019) pandemic on the medical and physiotherapeutic followup care after reconstructions of the anterior cruciate ligament. Methods: 116 patients (72 men and 44 women) who had received a reconstruction of the anterior cruciate ligament between September 2019 and December 2020 were included in this study. These patients were divided into two groups depending on the date of surgery: one group that had received surgery in 2019 before the COVID-19 pandemic and one group that had undergone surgery in 2020 and was directly affected by the COVID-19 pandemic. All patients were interviewed using a standardized questionnaire regarding the influence of the coronavirus pandemic on the medical and physiotherapeutic follow-up care, as well as the moment of return to work. In addition, the range of motion of the respective knee 3 months postoperatively was analysed based on physical examination. Results: At 3 months postoperatively, patients who had undergone surgery in 2020 showed a clear trend towards a higher frequency of extension deficits of ≥ 5°(18.8% vs. 4.3%, p = 0.097) or an inability to bend the knee ≥ 120°(23.3% vs. 10%, p = 0.197) compared to those who had received surgery in 2019. Patients who had undergone surgery in 2020 reported significantly longer delays for appointments, a higher number of futile attempts to get an appointment and a higher number of cancelled appointments, regarding both medical and physiotherapeutic follow-up care. 34.9% of the patients who received surgery in 2020 indicated that they were able to reduce the duration of their sick leave due to the increased possibilities of working in a home-office situation during the pandemic. Alternative treatment options due to the pandemic were offered by 13.3% of the physiotherapists and 12.2% of the physicians. Conclusion: Although the physiotherapeutic and medical follow-up care was not directly affected by a "lockdown", the pandemic led to significant restrictions, which are also reflected in a clear trend towards worse clinical outcomes. Consequently, a further expansion of alternative treatment options, which were only offered by 12-13% of practices and that are presumably of comparable relevance for various other diseases, is needed. ACL reconstruktion · "Coronavirus disease" 2019 · Knee joint · Physical therapists · SARS-CoV-2 an Erkrankungen gesehen werden, für die ähnliche Auswirkungen zu vermuten sind. Anterior cruciate ligament injury in adults : diagnostics and treatment Evidence-based concepts for prevention of knee and ACL injuries. 2017 guidelines of the ligament committee of the German Knee Society (DKG) Prevention of anterior cruciate ligament injuries in female team handball players: a prospective intervention study over three seasons S1 Leitlinie vordere Kreuzbandruptur Aktuelle Techniken zur operativen Versorgung der Ruptur des vorderen The effects of rehabilitation protocol on functional recovery after anterior cruciate ligament reconstruction Evidence-based rehabilitation following anterior cruciate ligament reconstruction Coronavirus-Pandemie (SARS-CoV-2): Chronik bisheriger Maßnahmen und Ereignisse Rehabilitation after anterior cruciate ligament reconstruction: a systematic review Evidence-based clinical practice update: practice guidelines for anterior cruciate ligament rehabilitation based on a systematic review and multidisciplinary consensus Evidence-based recommendationsforthemanagementofanterior cruciate ligament (ACL) rupture Aktuelle Auswirkung der Corona-Pandemie auf die ambulante Heilmittelversorgung -Ergebnisse einer Online Befragung ChangesinClinicalPractice in Physiotherapy as Repercussions of COVID-19 Pandemic