key: cord-0687057-knujsbzp authors: Löschel, Andreas; Werthschulte, Madeline title: Energienachfrage und CO(2)-Emissionen nach COVID-19 date: 2021-01-19 journal: Wirtschaftsdienst DOI: 10.1007/s10273-021-2827-3 sha: bbbb68569751ec99f9259a1ef9bd336ab5391b2c doc_id: 687057 cord_uid: knujsbzp nan Die mittel-und langfristigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Energieverbrauch sowie globale und lokale Schadstoffe sind ungewiss (Freire-González und Font Vivanco, 2020, Gillingham et al., 2020 , Ou et al., 2020 . Auf den letzten Rückgang der globalen CO 2 -Emissionen infolge der Wirtschafts-und Finanzkrise 2009 folgte ein rasches Zurückspringen der Emissionen in den 2010er Jahren. Ein solches Zurückspringen der Emissionen kann nun verhindert werden, wenn durch die Maßnahmenpakete zur Abschwächung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie grüne Investitionen und klimafreundliches Verhalten nachhaltig etabliert werden (Cohen, 2020; European Commission, 2020; Hodges und Jackson, 2020; Pearson et al., 2020; Rosenbloom und Markard, 2020) . Die Stimuli der Konjunkturprogramme dürfen aber grüne Investitionen nicht nur kurzfristig attraktiv machen. Vielmehr muss der klimapolitische Rahmen so gestaltet werden, dass sich das grundlegende Geschäftsmodell der Unternehmen und die Entscheidungen der Haushalte ändern. Dazu sind höhere CO 2 -Preise das Instrument der Wahl, ergänzt durch einen nachhaltigen Infrastrukturausbau und die Förderung von Forschung und Entwicklung, Innovationen, Diffusion und Adoption neuer CO 2 -armer Technologien (Löschel und Pittel, 2020) . Eine Strompreisreform für Haushalte und Industrie mit höheren CO 2 -Preisen und niedrigeren Strompreisen durch die Senkung der Umlagen, Abgaben und Steuern auf Elektrizität wird den aktuellen auch verteilungspolitischen Anforderungen besonders gerecht . Das Jahr 2020 wurde maßgeblich von der COVID-19-Pandemie bestimmt. Neben den gesundheitlichen und gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen hatte die Pandemie auch weitreichende energiewirtschaftliche Folgen. Durch die Lockdown-Beschränkungen und die "Stay-at-Home"-Aufforderungen kam es zu einer Reduzierung der globalen CO 2 -Emissionen, der lokalen Luftschadstoffe sowie der Energienachfrage (Friedlingstein et al., 2020 , Le Quéré et al., 2020 , Liu et al,. 2020 , Ou et al., 2020 . Die globalen CO 2 -Emissionen sind 2020 um etwa 7 % gesunken, in Europa um etwa 11 %. In der ersten Aprilhälfte, als die Einschränkungen insbesondere in den USA und Europa besonders umfassend waren, betrugen die Rückgänge gegenüber dem Vorjahr sogar etwa 17 %. Seit dem zweiten Weltkrieg hat es noch keinen solchen Rückgang der CO 2 -Emissionen gegeben. Dabei sind durch die Einschränkungen vor allem die Emissionen im Verkehrssektor und die Ölnachfrage gesunken, aber auch die Industrieemissionen sowie die kohlebedingten Emissionen in der Stromerzeugung (Friedlingstein et al., 2020) . In Deutschland ist der Primärenergieverbrauch 2020 im Vergleich zu 2019 um etwa 9 % gesunken (BDEW, 2020a). In den von den Ausgangsbeschränkungen am stärksten betroffenen Monaten April und Mai 2020 ging der Stromverbrauch um 10 % bzw. 11 % im Vergleich zum Vorjahr (AGEB, 2020) zurück. In Kombination haben der Rückgang der Stromnachfrage aufgrund der Corona-Pandemie, die hohen CO 2 -Preise im Europäischen Emissionshandelssystem seit Ende 2018 re Wahrnehmung des Verbrauchs würden dann dazu führen, dass Haushalte ihren Stromverbrauch im Zuge der politischen Maßnahmen zur Eindämmung von Corona reduzieren. Löschel et al. (2021b) untersuchen diesen Zusammenhang zwischen COVID-19 und Energiespargewohnheiten mit deutschen Umfragedaten, die in zwei Befragungswellen erhoben wurden. Die erste Befragung wurde Anfang 2018 durchgeführt, die zweite Befragung im Mai 2020, also während des Lockdowns und der "Stay-at-home"-Aufforderungen in Deutschland. Die Kernergebnisse von Löschel et al. (2021b) sind in Abbildung 1 und 2 dargestellt. Abbildung 1 zeigt, dass Haushalte während der Pandemie neue Gewohnheiten entwickelten, während Abbildung 2 nahelegt, dass Salienzeffekte im Gegensatz zu Einkommenseffekten der Haupttreiber der Gewohnheitsbildung waren. Abbildung 1 (A) zeigt, dass die durchschnittliche Zahl an Energiespargewohnheiten bei den Befragten während der COVID-19-Pandemie um ca. 67 % höher ist als vor der Pandemie (zweiseitiger t-Test, p = 0,0000). Ein ähnlicher Unterschied zeigt sich in den jeweiligen Wahrscheinlichkeiten, eine bestimmte Energiesparmaßnahme regelmäßig durchzuführen (vgl. Abbildung 1 (B)). Im Vergleich zu den Werten aus der ersten Befragungswelle steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person angibt, das Licht auszuschalten, wenn sie einen Raum verlässt, um 8 Prozentpunkte; jeden Raum zu überprüfen, bevor sie das Haus verlässt, um 27 Prozentpunkte; und Geräte nach der Nutzung auszustecken, um 17 Prozentpunkte. Diese Anstiege sind hochsignifi kant (zweiseitige t-Tests, p = 0,0002 für das Ausschalten des Lichts, p = 0,0000 für das Überprüfen jedes Raums, p = 0,0000 für das Ausstecken von Geräten). Abbildung 2 untersucht beispielhaft für das Ausstecken von Geräten, ob eher Einkommens-oder Salienzeffekte diesen Anstieg begründen. Dazu werden die Teilnehmenden der Gleichzeitig hängt der langfristige Übergang zu nachhaltigen Konsummustern entscheidend von Veränderungen im Verbraucherverhalten ab und davon, ob bzw. wie die Konsumgewohnheiten durch COVID-19 beeinfl usst wurden. Inwieweit die COVID-19-Pandemie die Konsumgewohnheiten beeinfl usst hat, soll am Beispiel des Stromverbrauchs dargestellt werden, der zu einem Viertel von der Nachfrage der Haushalte bestimmt wird (BDEW, 2020b). Dem deutschen Rückgang im Stromverbrauch 2020 steht ein leichter Anstieg der Stromnachfrage der privaten Haushalte um etwa 2 % entgegen (BDEW, 2020a). Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der Ausgangsbeschränkungen waren Haushalte angehalten, mehr Zeit zuhause zu verbringen, weswegen der Stromverbrauch dieser Gruppe angestiegen ist. Es ist jedoch unklar, was die erhöhte Zeit zuhause für die Energieeffi zienz und die langfristigen Verbrauchsmuster von Haushalten bedeutet. Möglicherweise haben sie aufgrund der Pandemie Energiespargewohnheiten entwickelt, sodass der tatsächliche Verbrauch ohne diese Veränderungen im Verbraucherverhalten noch höher wäre. Es gibt mindestens zwei Gründe, warum die COVID-19-Pandemie die Haushalte veranlasst haben könnte, neue Gewohnheiten und Strategien zum Energiesparen zu entwickeln. Erstens führte die Pandemie bei vielen Personen zu Veränderungen im Beschäftigungsstatus und im Arbeitseinkommen. Da es einen positiven Zusammenhang zwischen Stromverbrauch und Einkommen gibt (für Deutschland: Schulte und Heindl, 2017) , werden Einkommensbeschränkungen zu einer Reduzierung des Stromverbrauchs führen. Zweitens könnten Haushalte, entsprechend der Salienzmodelle aus der Verhaltensökonomik (Bordalo et al., 2013; Gabaix, 2019) , durch die erhöhte Zeit im Haus die stromverbrauchenden Geräte und Handlungen stärker wahrnehmen. Der Stromverbrauch wird salienter, wodurch Haushalte auch eher zu Stromsparmaßnahmen greifen könnten. Sowohl Einkommenseffekte als auch die stärke- Quelle: Löschel et al. (2021b) . Die COVID-19-Pandemie und die getroffenen Maßnahmen könnten also die Bildung von Energiespargewohnheiten unterstützt haben und so einen langfristigen Wandel hin zu nachhaltigen Konsum-und Produktionsmustern beschleunigt haben. Es bleibt offen, ob COVID-19 ähnliche langfristige Verhaltensänderungen auch in den anderen Sektoren hervorgerufen hat. Einige aktuelle Arbeiten deuten auf weitere Spill-Over-Effekte der COVID-19-Pandemie hin (Newbold et al., 2020; Helm, 2020) . So könnten z. B. Gewohnheits-und Lerneffekte in Kombination mit den Fortschritten der Informations-und Kommunikationstechnologien dazu führen, dass auch langfristig Dienstreisen durch Videokonferenzen und Homeoffi ce ersetzt werden. Globale Lieferketten könnten verlagert werden durch einen Anstieg der Nachfrage nach im eigenen Land produzierten Gütern aufgrund der offensichtlich gewordenen Unsicherheit. Beide Faktoren würden einen nachhaltigen Rückgang der durch Transport und Güterverkehr verursachten Emissionen bewirken. Die Auswirkungen sind aber noch weitgehender, z. B. könnten Ausgehbeschränkungen zu einer erhöhten Wertschätzung von Naherholungsgebieten geführt haben und einer entsprechenden Bereitschaft, zu deren Erhalt beizutragen (Newbold et al., 2020; Helm, 2020) . Um diese nachfrageseitigen Trends zu verstärken, sollten die erreichten Verhaltensanpassungen von politischer Seite durch höhere CO 2 -Preise, nachhaltigen Infrastrukturausbau und die Förderung CO 2 -armer Technologien unterstützt werden. Die Energiewende im Corona-Jahr: Stand der Dinge 2020. Rückblick auf die wesentlichen Entwicklungen sowie Ausblick auf 2021 Energieverbrauch in Deutschland, Daten für das 1. bis 3. Quartal 2020 Die Energieversorgung 2020 -Jahresbericht Stromverbrauch in Deutschland nach Verbrauchergruppen 2019 Salience and Consumer Choice Does the COVID-19 outbreak mark the onset of a sustainable consumption transition? Europe's moment: Repair and prepare for the next generation Global Carbon Budget 2020 Pandemics and the Environmental Rebound Effect: Refl ections from COVID-19 Behavioral inattention The Short-run and Long-run Effects of Covid-19 on Energy and the Environment The Environmental Impacts of the Coronavirus, Environmental and Resource Economics Pandemics and the global environment Temporary reduction in daily global CO2 emissions during the COVID-19 forced confi nement Abrupt decline in tropospheric nitrogen dioxide over China after the outbreak of COVID-19 Klimaschutz vorantreiben, Wohlstand stärken -Kommentierung zentraler Handlungsfelder der deutschen Energiewende im europäischen Kontext, Expertenkommission Stellungnahme zum achten Monitoring-Bericht der Bundesregierung für die Berichtsjahre Der EU Green Deal und deutsche Anstrengungen zum Klimaschutz in der Coronakrise Implications of the COVID-19 pandemic for household energy consumption: The stay-at-home orders and energy conservation habits Effects of Physical Distancing to Control COVID-19 on Public Health, the Economy, and the Environment Machine learning model to project the impact of COVID-19 on US motor gasoline demand COVID-19 recovery can benefi t biodiversity A COVID-19 recovery for climate Price and income elasticities of residential energy demand in Germany