key: cord-0077626-rl5ovh93 authors: Saur, Alexandra title: Wenn Schreien sinnlos ist date: 2022-04-29 journal: der junge zahnarzt DOI: 10.1007/s13279-022-0835-3 sha: cbb5c9493eba9faed38fe28cc7c429b8ff27477f doc_id: 77626 cord_uid: rl5ovh93 nan D ie Situation ist leicht vorstellbar: Auf der einen Seite sitzt ein gehörloser Patient auf dem Stuhl. Er hat Schmerzen und spricht im Alltag die Deutsche Gebärdensprache. Auf der anderen Seite befindet sich der Zahnarzt und sein Team, deren sprachliche Fähigkeiten vielleicht noch für Englisch oder Französisch reichen. Von der Deutschen Gebärdensprache hat hier keiner Ahnung und zu allem Überfluss tragen alle einen Mundschutz, während sie mit dem Patienten zu reden versuchen. Schon ist die Situation für beide Seiten angespannt und nervenaufreibend. Es verwundert also kaum, dass Gehörlose oder stark schwerhörige Menschen ungern zum Zahnarzt gehen [1] . Diese für alle Beteiligten anstrengende Situation könnte durch wenige Verhaltensänderungen und Hintergrundwissen gelöst werden. Unabhängig von der Verwendung möglicher Gebärden sollten Zahnärzte sowie ihr zahnmedizinisches Personal kleine Vorkehrungen treffen, um angstgesteuerte Situationen mit ihren hörgeschädigten Patienten zu vermeiden. Termine per E-Mail oder Internetformular auf der Praxiswebsite auszumachen, ist für betroffene Patienten eine große Erleichterung und ein erster großer Schritt in Richtung entspannter Behandlungssitzung. Dokumente wie Anamnesebogen oder Datenschutzerklärung können in diesem Zuge auf der Website zum Herunterladen angeboten oder per E-Mail an den Gehörlosen verschickt werden. So kann dieser sich zu Hause schwer verständliche Wörter in aller Ruhe erklären lassen und Stress wird schon im Wartezimmer und an der Rezeption vermieden. Ebenso sollte mehr Zeit für Termine eingeplant werden, um auch Stress für das Praxisteam zu mindern. Um die Aufmerksamkeit eines Gehörlosen oder Schwerhörigen beispielsweise im Wartezimmer zu bekommen, kann man diesen leicht an der Schulter oder am Arm antippen. Zudem kann bei mehreren Personen oder bei lauter Umgebung das Deckenlicht an-und ausgeschaltet werden, um auf sich aufmerksam zu machen. ▶ Sollten Dolmetscher oder Familienmitglieder die Patienten begleiten, gebietet es die Höflichkeit, bei Gesprächen den Patienten selbst anzuschauen und die Fragen an ihn zu richten. Das "Außen-vor-Lassen" in diesen Situationen wird zu Recht als unhöflich angesehen und fördert sicherlich kein Vertrauen zum Zahnarzt oder seinen Angestellten. In Zeiten der Coronapandemie ist ein Abnehmen des Mundschutzes nicht mehr so einfach möglich wie früher. Eine deutschlandweit durchgeführte Umfrage im Rahmen einer Dissertation machte deutlich, dass 73,9% aller gehörlosen Befragten es für eine Verbesserung hielten, wenn ihr Zahnarzt die Deutsche Gebärdensprache anwenden könnte. Ebenfalls hatten diejenigen Gehörlosen, die mit ihren Zahnärzten gebärden konnten, höhere Zufriedenheitswerte als diejenigen, die über Lautsprache, Schreiben oder dritte Personen mit ihren Behandlern kommunizierten [2] . Da es die Deutsche Gebärdensprache nicht im Google-Übersetzer gibt, entfällt dieses Hilfsmittel für die beschriebene Situation. Verfügt der Behandlungsraum über einen Computer und Internetanschluss, können Ferndolmetscher via Internet ein Gespräch übersetzen. Dieser Dienst ist jedoch kostenpflichtig und nicht universell anwendbar. Gebärdensprachdolmetscher, für deren Kosten die Krankenkasse aufkommt, sollten für große Aufklärungsgespräche oder Diagnosen hinzugezogen werden. Da es aber wenige Dolmetscher in Deutschland gibt, sind lange Terminwartezeiten einzukalkulieren. In einer immer barrierefreieren Welt sollten Inklusion und Kommunikation auch an einer Praxistür keinen Halt machen. Zusammen mit Einfühlungsvermögen, Gelassenheit und oben genannten Ratschlägen kann auch die Behandlung von schwerhörigen und gehörlosen Patienten eine für alle Seiten stress-und angstfreie Zeit werden. Dental anxiety and fear among a young population with hearing impairment Die Situation gehörloser Patienten in der Zahnmedizin sowie Möglichkeit der Sublimierung der Kommunikation durch Anwendungsbeispiele der Gebärdensprache Dieser Artikel erschien ursprünglich in Wir in der Praxis 2/2021