key: cord-0076600-fxzp000t authors: da Silva Morais, Ana Patricia; Rieger, Christina title: Patientenprofit einer präoperativen urologischen Sprechstunde date: 2022-04-04 journal: Urol DOI: 10.1007/s41973-022-00176-z sha: d57a71b8cc682a6791b2606f54ef1a3a0dcef904 doc_id: 76600 cord_uid: fxzp000t HINTERGRUND: Angesichts der Zunahme von chronischen Erkrankungen und Polymorbidität besteht ein Optimierungsbedarf in Bezug auf die Früherkennung von potenziellen Risiken und Prävention in der präoperativen Abklärung vor einer urologischen Hospitalisierung. ZIEL: Durch die Interprofessionalisierung mit einer präoperativen urologischen Sprechstunde sollen potenzielle Risiken vor einer Operation erkannt und passende präventive Massnahmen eingeleitet werden. FRAGESTELLUNG: Welchen Nutzen der Bedarfsabklärung können Patient*innen aus einer solchen präoperativen urologischen Sprechstunde ziehen? METHODE: Es wurden eine Ist- und Soll-Analyse durchgeführt und darauf aufbauend das Konzept erstellt und umgesetzt. Zu Auswertungszwecken wurden die erhobenen Daten kontinuierlich in einer Accessdatenbank dokumentiert. Nach 9 Monaten wurden diese ausgewertet. ERGEBNISSE: Früherkennung und Prävention wurden nach Bedarf bei 73 Patient*innen erfolgreich umgesetzt und dadurch folgende Schritte eingeleitet: 5 Beratungsgespräche zur psychischen Unterstützung (7 %), 11 Empfehlungen für Nahrungsergänzungen (15 %), 9 Angehörigeninstruktionen (12 %), 3 Case-Management-Anmeldungen (4 %), 4 sexologische Beratungsgespräche (5 %) und 3 spezifische urotherapeutische Angebote (4 %). SCHLUSSFOLGERUNG: Eine prästationäre urologische Sprechstunde eignet sich, um die Risiken und Bedürfnisse der Patient*innen frühzeitig zu erkennen und präventive und beratende Massnahmen einzuleiten. Einleitung Angesichts der Zunahme von chronischen Erkrankungen, demografischen Veränderungen und Polymorbidität gewinnen operative Behandlung und Versorgung an Relevanz [1] . Einerseits ist es möglich, Leben zu retten und die Lebensqualität zu verbessern, andererseits ist bekannt, dass bis zu 65 % aller operativen Behandlungen zu Komplikationen führen [1, 2] . Diese Tatsachen können bei Patient*innen zu Ängsten und Verunsicherungen führen, sodass sie sich schnell unter Druck gesetzt fühlen, wenn Entscheidungen zu operativen Interventionen getroffen werden sollen. Deshalb ist es wichtig, dass sie effektiv, verständlich und vollumfänglich informiert und aufgeklärt werden [3] . Eine ärztliche Operationsaufklärung sollte die Beschreibung der Operation, die Ausführung von Alternativen, Komplikationen/Risiken, die angestrebten Ergebnisse und den prä-und postoperativen Verlauf beinhalten. Dabei sind die pflegerische und anästhesiologische präoperative Edukation sowie das Erfassen der potenziellen Risiken ebenfalls unerlässlich [4, 5] . Dies kann den Patient*innen helfen, angemessene Reaktionen und Bewältigungsstrategien auf verschiedene Situationen zu entwickeln sowie die Beteiligung am Behandlungsprozess zu verbessern [3, 6] . Die präoperative Phase beginnt mit der Indikationsstellung einer Operation und ist beendet, wenn der/die Patient*in in den Operationssaal gebracht wird [7] . Gemäss Cheever u. Hinkle ist die präoperative Phase entscheidend betreffend Früherkennung und Prävention von möglichen Komplikationen. Zu diesem Zweck sollten die physischen, psychischen, geistigen sowie die sozialen Bedürfnisse der Patient*innen und deren Angehörigen eruiert werden [8] . Ausgehend von der Ermittlung der Bedürfnisse können der nachfolgende Behandlungsplan ausgearbeitet und so die Behandlungskontinuität garantiert werden [8] . Studien belegten, dass Patient*innen, die präoperativ gut vorbereitet werden, weniger Komplikationen intra-und postoperativ entwickeln. Zusätzlich nimmt die Aufenthaltsdauer ab, Patient*innen äussern weniger Ängste und benötigen geringere postoperative Analgesie. Aufgrund der besseren Vorbereitung werden auch weniger chirurgische Eingriffe abgesagt, und sie führt zu einer Prozessoptimierung [5, 6, [9] [10] [11] [12] . Das "National Confidential Enquiry in Patient Outcome and Death" (NCEPOD) veröffentlichte 2011 einen Bericht über die präoperative Beurteilung chirurgischer Patient*innen in Grossbritannien [13] . Dieser zeigte, dass die präoperative Beurteilung und die gewählten Interventionspfade eine entscheidende Rolle spielen bei der Identifizierung jener Patient*innen, die nach der Operation ein höheres Morbiditäts-und Mortalitätsrisiko aufweisen. Durch das interprofessionelle präoperative Erstgespräch mit Bedarfserhebung durch spezifische Assessments, Laboruntersuchungen und Anästhesiebesprechung ist eine frühzeitige Intervention mög-lich. Ebenso spielen die präoperative Physiotherapieinstruktion (Atemübung, Mobilisation nach Operation usw.) und Evaluierung des psychischen Zustandes eine grosse Rolle für die erfolgreiche postoperative Genesung [9, 13] . Studien deuten darauf hin, dass die beschriebenen Konzepte im Bereich der Anästhesie bereits hohen Stellenwert geniessen. Diese sollen auch auf weitere Gebiete der Medizin und Pflege übertragen werden [9] . Ärzteschaft, Pflege und Anästhesie haben in dieser Phase verschiedene wichtige Rollen, die sich gegenseitig ergänzen [3] . Eine Schlüsselempfehlung des "Royal College of Anaesthesists: Perioperative Medicine Vision Document" und der "American Urological Association" (AUA) ist der Ansatz eines multidisziplinären präoperativen Teams [4, 13] . Das Projekt wurde im Rahmen des Masterstudiums der Autorin an der Careum Hochschule für Gesundheit entwickelt und an der urologischen Universitätsklinik des Inselspitals Bern im November 2020 implementiert. Die Klinik verfügt über 45 Betten und behandelt pro Jahr rund 2000 Patient*innen stationär und 10.000 ambulant [14] . Prävention und die ganzheitliche Sicht auf Patient*innen soll an Priorität gewinnen [15] . In diesem Sinne und basierend auf dem biopsychosozialen Modell nach Engel wurde das Praxisentwicklungsprojekt der präoperativen urologischen Tab. 1 Demografische Daten und Operationen der Patient*innen (n = 73) Alter ( In Frage kommende Patient*innen werden maximal 3 Wochen vor der Operation für die präoperative urologische Sprechstunde aufgeboten. Dabei müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: 4 Patient*in ist mit der präoperativen urologischen Sprechstunde einverstanden; 4 Operationsaufklärung und Voruntersuchungen/Staging wurden durchgeführt. [20] . Im Rahmen der präoperativen urologischen Sprechstunde findet auch parallel das Anästhesieaufklärungsgespräch statt. Bei offenen Fragen oder falls eine Ope-rationsaufklärung noch offen ist, wird zusätzlich der/die Urolog*in involviert. Von den 73 Patient*innen (n = 73) sind 58 Männer und 15 Frauen (. Tab. 1). Bénéfice pour le patient · Consultation ambulatoire d'urologie · Gestion des processus opérationnels · Optimisation des soins -gestion de la qualité · Structuration des processus de l'hôpital Tab. 3 Präoperative Angebote und Ergebnis der Screenings/Assessments (n = 73) Merkmale n (%) prästationäre urologische Sprechstunde mitbringen durften. Das Case-Management wird auf der urologischen Klinik meist bei komplexen medizinischen und psychosozialen Patientensituationen eingeschaltet, welche Spitex, Rehabilitation oder andere Anschlusslösungen nach dem Spitalaustritt erfordern. Mit der präoperativen urologischen Sprechstunde war es möglich, bei 3 Patient*innen diese Dienste schon vorgängig anzumelden. Bei allen 3 Fällen ging es darum, Unterstützung für zu Hause zu organisieren, z. B. Spitex und/ oder Mahlzeitendienst nach dem Spitalaustritt. Das Angebot für sexologische Beratung wurde von 4 Patient*innen gewünscht, 1-mal im Rahmen einer TUR-P, 2-mal bei Nephrektomie und 1-mal bei der retroperitonealen Lymphadenektomie. In Bezug auf das Outcome, gesundheitsökonomische Gründe sowie der Patientenzufriedenheit des Spitalaufenthaltes ist ein effektives Austrittsmanagement elementar. In der heutigen Zeit werden die meisten Patient*innen bereits frühzeitig entlassen, mit dem Kernpunkt, sich Zuhause vollständig von der Operation zu erholen. Wichtige Informationen und notwendige Instruktionen müssen in den individuell zeitlich angepassten Pflegeprozess aufgenommen und patientenorientiert abgeben werden [21] -ein Grund mehr, diese Beziehung vorgängig aufzubauen. Da diese Beziehung in der präoperativen urologischen Sprechstunde aufgebaut wird und eine umfassende Informationsgabe stattfindet, ist dies ein möglicher Grund für die hohe Patientenzufriedenheit mit der prästationären urologischen Sprechstunde. Zusätzlich ist bekannt, dass die Patient*innen viele Unsicherheiten und Ängste vor einer Operation haben, was wiederum zu Komplikationen und negativen emotionalen Reaktionen führen kann [3, 22] . Die Evaluation von der präoperativen urologischen Sprechstunde bestätigt dies. Einen Disstresslevel zwischen 1 und 3 gaben 42/73 an und über 4 gaben 28/73 (38 %) an. Von den 28 nahmen 5 ein Angebot für psychische Unterstützung an, und 23 lehnten es ab. Es soll angemerkt werden, dass unter den 45/73 (61 %) sich mehrheitlich Patient*innen mit TUR-B und TUR-P befanden. Im Falle einer erhöhten Integration von Patient*innen mit grösseren/ komplexeren Operationen in die präoperative urologische Sprechstunde könnte auch ein Anstieg der angenommenen psychologischen Unterstützungsangebote vorkommen. Die vorliegende Arbeit wurde geleitet durch die Frage, ob in der präoperativen urologischen Sprechstunde Risiken erkannt werden können, um präoperative Massnahmen frühzeitig einzuleiten. Dies ist möglich, indem der physische, psychische und emotionale Zustand anhand von Screenings, Assessments und Gesprächen bewertet wird [5, 9] . In der präoperativen urologischen Sprechstunde konnten mehrere präoperative Angebote und Massnahmen initiiert werden; z. B. die Urotherapeutin für die Stomamarkierung und Stomaaufklärung bei der Zystektomie und der Anlage eines Ileumconduits, aber auch die Schulung zum sauberen intermittierenden Katheterismus bei der Pouchanlage. Auch sexologische Beratungen konnten vorgängig initiiert werden, weil der Bedarf in der Pflegeanamnese erfragt worden war. Mit der Hilfe des "nutrition risk score" konnte bei allen Patient*innen, die einen Wert von 2 aufwiesen, prophylaktisch eine Nahrungsergänzung empfohlen und gestartet werden. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass insgesamt 59/73 (81 %) der Patient*innen kleinere Operationen hatten. Die Patientenedukation erfolgte, wie vorgängig erklärt, standardmässig. Wie Studien belegten, ist die genannte Patientenedukation für eine Minimierung der postoperativen Komplikationen und Stress sowie auch eine Verbesserung der postoperativen Genesung relevant [4, 23] Nachhaltige Entwicklung des Gesundheitssystems: Positionspapier der SAMW Operation Sichere Chirurgie. Stiftung für Patientensicherheit 2020) Patients' experiences of informed consent and preoperative education Optimizing outcomes in urological surgery: pre-operative care for the patient undergoing urologic surgery or procedure-American urological association The role of the nurse and the preoperative assessment in patient transitions Autocontrole de ansiedade no préoperatório cardíaco: resultado de uma intervenção de enfermagem Enfermagem Médico-Cirúrgica-Conceceitos e Prática Clínica Tratado de enfermagem médico-cirúrgica The preoperative assessment and optimization of patients undergoing major urological surgery A survey of patients' preoperative need for information about postoperative pain-effect of previous surgery experience Preoperative anxiety in ambulatorysurgery: the impact of an empathic patient-centered approach on psychological and clinical outcomes The effect of hospital size and surgical service on case cancellation in elective surgery: results from a prospective multicenter study Knowing the risk: a review of the peri-operative care of surgical patients Über die Klinik The need for a new medical model: a challenge for biomedicine Das biopsychosoziale Modell von Krankheit und Gesundheit Use of the distress thermometer in clinical practice Nutritional assessment tools for the identification of malnutrition and nutritional risk associated with cancer treatment S3-Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie Influência da consulta pré-operatória de enfermagem na satisfação das necessidades informativas do doente Caring for the surgically anxious patient: a review of the interventions and a guide to optimizing surgical outcomes Enhanced recovery pathways versus standard care after cystectomy: a meta-analysis of the effect on perioperative outcomes Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral