key: cord-0075946-9u7qkfue authors: Seifert, Julia title: Aktuelle Hygienevorschriften in der Operationsabteilung unter besonderer Berücksichtigung baulich-funktionaler Maßnahmen date: 2022-03-22 journal: Chirurg DOI: 10.1007/s00104-022-01613-y sha: fb2060295b633ce45c53bddfeb2d4c746bef975b doc_id: 75946 cord_uid: 9u7qkfue The article provides an overview of the most important innovations in hygiene recommendations that were published in 2018 by the Committee for Hospital Hygiene and Infection Prevention (KRINKO) on the prevention of postoperative wound infections. This summarizes several older recommendations and supplements, updates and extends them. The article focusses on technical and constructional hygiene regulations for operating theaters and includes the position of the German Statutory Accident Insurance (DGUV). Noch vor 150 Jahren war es quasi üblich, nach operativen Eingriffen an einer Wundinfektion zu erkranken. Eine englische Letalitätsstatistik über die Jahre 1852 bis 1857 nach Amputation einer Gliedmaße ergab eine Letalität von 46 %, wovon 61 % durch Sepsis und Schock bedingt waren [1] . "Die verhängnisvollste Neuerung in der Behandlung frischer Knochenbrüche ist die grundsätzliche operative Einrichtung derselben, besonders, wenn sie von Ungeübten, ohne entsprechende Indikation bei ungenügender Asepsis und mit mangelhaften Hilfsmitteln ausgeführt wird und das Festhalten der Bruchstücke durch große metallische Fremdkörper geschieht. Tausende von Menschenleben sind diesem Verfahren zum Opfer gefallen und noch mehr sind durch dasselbe zu Krüppeln geworden" (Lorenz Böhler, 1885 -1973 . Die Erkenntnis des Nutzens einer Antisepsis bei operativen Eingriffen, die Entwicklung von Antibiotika, der Nachweis von Infektionserregern sowie weiterführende Kenntnisse in der immunologischen Antwort des menschlichen Organismus auf Bakterien, Viren und Pilze führten zur Entstehung der wissenschaftlichen Bereiche wie Mikrobiologie, Hygiene und Infektiologie. Sie sind aus dem heutigen Klinikalltag mit jährlich ca. 17 Mio. Operationen (www.destatis.de) nicht mehr wegzudenken. Dank einer seit 2001 verpflichtenden Surveillance ( § 23 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes [IfSG]) wird das Auftreten nosokomialer Infektionen in einzelnen Fach-und Behandlungsbereichen kontinuierlich erfasst. Unter den nosokomialen Infektionen lagen postoperative Wundinfektionen in einer zweiten nationalen Prävalenzstudie an zweiter Stelle [2] . Erfreulicherweise ergab sich im Vergleich zur ersten Prävalenzstudie von 1994 [3] keine wesentliche Änderung der Prävalenz für nosokomiale Infektionen, die mit 3,8 % annähernd gleichgeblieben war. Seit 2017 ist eine neue und zeitlich erweiterte Definition für nosokomiale Infektionen und postoperative Wundinfektionen zu berücksichtigen: Eine nosokomiale postoperative Wundinfektion ist eine Infektion, die innerhalb von 30 bzw. 90 Tagen nach einer Operation im Operationsgebiet auftritt und die Kriterien für eine oberflächliche (A1) oder tiefe (A2) oder eine Infektion an operierten Organen oder Körperhöhlen (A3) erfüllt, unabhängig davon, ob der Patient zum Infektionsdatum noch im Krankenhaus ist oder nicht [4] . Für Deutschland nimmt das Robert Koch-Institut (RKI) eine zentrale Bedeutung in der nationalen Gesundheitsüberwachung ein. Wichtigster Arbeitsbereich ist dabei die Bekämpfung von Infektionskrankheiten sowie ein Gesundheitsmonitoring der Bevölkerung (Gesundheitstrendanalysen). Zu den Aufgaben gehört auch der generelle gesetzliche Auftrag, wissenschaftliche Erkenntnisse als Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen zu erarbeiten (Forschung). Das RKI berät das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und wirkt also bei der Entwicklung von Normen und Standards mit. Das Institut wird im Wesentlichen aus Bundeshaushaltsmitteln finanziert. Am RKI sind insgesamt 17 wissenschaftliche Kommissionen angesiedelt, die Empfehlungen erarbeiten, darunter die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO). The article provides an overview of the most important innovations in hygiene recommendations that were published in 2018 by the Committee for Hospital Hygiene and Infection Prevention (KRINKO) on the prevention of postoperative wound infections. This summarizes several older recommendations and supplements, updates and extends them. The article focusses on technical and constructional hygiene regulations for operating theaters and includes the position of the German Statutory Accident Insurance (DGUV). Basic hygiene measures · Room air conditioning installations · Room air classes · Risk stratification · Preventive measures Die Kommissionen setzen sich aus externen Fachleuten verschiedener Disziplinen zusammen, die vom BMG auf Vorschlag der wissenschaftlichen Fachgesellschaften berufen wurden. Die von der KRINKO erarbeiteten Empfehlungen sind aufgrund § 23 des IfSG maßgeblich: Die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft wird dann vermutet, wenn vorhandene Empfehlungen der Kommissionen beachtet worden sind. Die widerlegbare Vermutung lässt im Einzelfall ein Unterschreiten der Empfehlungen der KRINKO zu, etwa wenn nicht erfüllte baulichfunktionelle Voraussetzungen durch betrieblich-organisatorische Maßnahmen kompensiert werden können. Ein Überschreiten der Empfehlungen ist erforderlich, soweit diese objektiv nicht an den Stand der Wissenschaft angepasst sind. Wesentliche Neuerungen ergaben sich aus der 2018 von der KRINKO publizierten Empfehlung "Prävention postoperativer Wundinfektionen" [5] , die mehrere ältere Empfehlungen zusammenfasste und aktualisierte und auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Ein Novum in der neuen KRINKO-Empfehlung ist die konsequente Verwendung des Begriffes "Operation", die damit den uneinheitlichen Gebrauch von "Eingriff" oder "Operation" ablösen soll. Dabei wird "Operation" wie folgt definiert: diagnostische und/ oder therapeutische Maßnahme, die mit Durchtrennung der Haut bzw. Schleimhaut und ggf. tieferer Gewebeschichten einschließlich knöcherner Strukturen einhergeht -unter Ausschluss von Injektionen und Punktionen. Die neue Einteilung der KRINKO hat innerhalb der chirurgischen Community zu erheblichen Diskussionen geführt, da auf eine feste und schriftlich fixierte Zuordnung definierter Operationen und Operationskategorien zu Risikoklassen in der Empfehlung von 2018 [5] Obwohl in Studien nachgewiesen werden konnte, dass die Erreger-und Partikelbelastung der Luftunter TAV gegenüber TMS (turbulente Mischströmung) reduziert ist, ergibt sich bisher (!) kein nachweisbarer protektiver Einfluss auf die Inzidenz postoperativer Wundinfektionen [8] . Dabei sollte berücksichtigt werden, dass ein fehlender Nachweis eines Effektes (protektiver Einfluss von TAV auf Inzidenz postoperativer Wundinfektionen) nicht bedeutet, dass dieser nicht existiert, zumal nachgewiesen werden konnte, dass die mikrobielle Luftbelastung und Partikelzahl durch Anwendung einer RLTA mit TAV signifikant reduziert wird. Trotz des bisher fehlenden Nachweises einer infektionspräventiven Wirkung der TAV wird in der DIN 1946-4, die 2018 aktualisiert wurde, an ihr festgehalten, da sie einen klar definierten Schutzbereich markiert, für eine schnelle Partikelabfuhr aus dem Operationsfeld sorgt, eine geringere Erregerbelastung der Luft und auf den Instrumentiertischen (sofern innerhalb des Schutzbereiches) CME Ein weiterer positiver Effekt der Raumklasse 1a ist der enorm hohe Luftwechsel. Die Luftwechselraten betragen für Raumluftklasse 1a 900 m 3 /(hm 2 ) und für Raumluftklasse 1b ≥60 m 3 /(hm 2 ). Daher empfiehlt der Verband Deutscher Maschinen-und Anlagenbau (VDMA) derzeit, Operationen an COVID-19("coronavirus disease 2019")-Patienten in Operationssälen mit Raumluftklasse 1a durchzuführen, da man davon ausgeht, dass besonders der Verdünnungseffekt kontaminationsmindernd wirke [9] . Wissenschaftliche Untersuchungen hierzu existieren allerdings noch nicht. Während in den Operationssälen stets eine positive Luftbilanz herrschen muss (Raumluftklasse 1), können alle anderen Räume der Operationsabteilung Raumluftklasse 2 entsprechen. Sie werden durch den positiven Luftdruck der Operationssäle überströmt. Werden allerdings Instrumentiertische außerhalb des Operationssaales vorbereitet und gedeckt, so kann dies nur in Räumen der Raumluftklasse 1 erfolgen. Um den Effekt einer RLTA innerhalb eines Operationssaales nicht zu mindern, bedarf es besonderer Verhaltensregeln. Dazu gehört, dass nur so viel Personal wie nötig im Operationssaal anwesend ist, die Türen geschlossen zu halten sind und das Operationsteam samt Instrumentiertisch(en) innerhalb des TAV-Deckenfeldes positioniert ist. Daher wird empfohlen, bei Einbau eines TAV-Deckenfeldes auf eine ausreichende Größe zu achten. 7 Merke Die Raumluftklasse 1 ist durch einen hohen Luftwechsel gekennzeichnet. Dieser kann jedoch nur optimal erfolgen, wenn die Türen der Operationsräume geschlossen sind. Patienten mit COVID-19 sollten in Operationsräumen der Raumluftklasse 1a operiert werden. Es empfiehlt sich das eingehende Studium der KRINKO-Empfehlung [5] . Zur besseren Übersicht und Vereinfachung sind im Folgenden CME .. die Oberflächen der Räume und betrieblichen Einbauten (z. B. Türen, Regalsysteme, Lampen) sowie der Geräte so zu beschaffen bzw. so zu positionieren, dass es zu möglichst wenigen Beschmutzungen kommt und sie problemlos gereinigt und desinfiziert werden können. Oberflächen müssen intakt sein, ohne dass es z. B. zu Abblätterung (z. B. von Farbe) oder schwer zu reinigenden/desinfizierenden Oberflächen kommt. Gleiches gilt für die Lagerung von Materialien und Geräten -... sofern die Operationsabteilung mit einer raumlufttechnischen Anlage ausgestattet ist, diese regelmäßig zu warten, sodass sie dem technischen Standard entspricht, in die Operationsräume (und ggf. Vorbereitungsräume für das Herrichten von Instrumentiertischen) wird dreifach gefilterte Luft eingeleitet, die Operationssäle haben eine Überdruckhaltung im Vergleich zu den Nebenräumen; Geräte mit eigenständigen Lüftungen (z. B. Hypothermiegeräte bei kardiochirurgischen Operationen) so zu positionieren bzw. zu gestalten, dass von ihnen keine eigene Kontaminationsgefahr ausgeht -Aus der Nutzung von LAF/TAV ("laminar air flow"/turbulenzarme Verdrängungsströmung) ergibt sich kein eigener infektionspräventiver Effekt Aus der Trennung "reiner" und "unreiner" Operationsabteilungen ergibt sich kein eigener infektionspräventiver Effekt II KRINKO Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, MNS Mund-Nasen-Schutz, MPG Medizinproduktegesetz, MPBetreibV Medizinprodukte-Betreiberverordnung, SSI "surgical site infection" a Ia: Empfehlung basiert auf gut konzipierten systematischen Reviews oder einzelnen hochwertigen randomisierten kontrollierten Studien, Ib: Empfehlung basiert auf klinischen oder hochwertig epidemiologischen Studien und strengen, plausiblen nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen, II: Empfehlung basiert auf hinweisenden Studien/Untersuchungen und strengen plausiblen, nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen, III: Maßnahmen, über deren Wirksamkeit nur unzureichende oder widersprüchliche Hinweise vorliegen, deshalb ist eine Empfehlung nicht möglich, IV: Anforderungen, Maßnahmen und Verfahrensweisen, die durch allgemein geltende Rechtsvorschriften zu beachten sind. (In Anlehnung an [11]) weitere Empfehlungen der Publikation hier tabellarisch zusammengefasst dargestellt (Tab. 1). Amputations at the London hospital 1852-1857 Nosocomial infection and antibiotic use-a second national prevalence study in Germany Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Epidemiologie in den alten und neuen Bundesländern Änderungen bei den Definitionen für nosokomiale Infektionen im Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) Registernummer: 029/014, S1 Leitlinie DIN 1946-4:2018-09: Raumlufttechnik -Teil 4: Raumlufttechnische Anlagen in Gebäuden und Räumen des Gesundheitswesens A road map to a comprehensive regulation on ventilation technology for operation rooms VDMA: Raumlufttechnische Anlagen in Zeiten von COVID-19. Empfehlungen für das Gesundheitswesen Die Kategorien in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention: Aktualisierung der Definitionen Die neuen KRINKO Empfehlungen zur Prävention Postoperativer Wundinfektionen Zu den Kursen dieser Zeitschrift: Scannen Sie den QR-Code oder gehen Sie auf www Interessenkonflikt. Gemäß