key: cord-0075606-5d0lsckr authors: Behrendt, Christian-Alexander; Rother, Ulrich; Uhl, Christian; Goertz, Hartmut; Stavroulakis, Konstantinos; Gombert, Alexander title: Vorhersage von schweren Blutungsereignissen bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit: Der OAC(3)-PAD-Risikoscore date: 2022-03-11 journal: Gefasschirurgie DOI: 10.1007/s00772-022-00881-6 sha: 6a71d1d8a5487a8044c3bde359054a70f4146015 doc_id: 75606 cord_uid: 5d0lsckr Although patients with peripheral arterial disease (PAD) are at a high risk of major bleeding owing to their comorbidity and risk profile, no validated tools exist to predict bleeding risk. To make matters worse, several randomized and controlled trials have excluded patients who are at a high risk of bleeding. Using routine health insurance claims data and machine learning methods, a pragmatic prediction model was developed and internally validated. The OAC(3)-PAD risk score identified eight variables that can predict major bleeding events within 1 year of inpatient treatment for PAD. This risk score can help to carry out a tailored patient-centered risk–benefit assessment in order to obtain the maximum potential from available antithrombotic treatment strategies. Obwohl Patient:innen mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) aufgrund ihres Komorbiditäts-und Risikoprofils ein insgesamt erhöhtes Blutungsrisiko aufweisen, standen bisher keine validierten Werkzeuge zur Vorhersage des Blutungsrisikos zur Verfügung. Erschwerend kommt hinzu, dass viele randomisierte und kontrollierte Studien zu antithrombotischen Therapien Patient:innen mit erhöhtem Blutungsrisiko ausgeschlossen haben. Anhand von Routinedaten der Krankenkasse wurde mittels Verfahren des maschinellen Lernens ein pragmatisches Vorhersagemodell entwickelt und intern validiert. Mit dem OAC 3 -PAD-Risikoscore wurden acht Variablen identifiziert, die das Risiko von schweren Blutungsereignissen innerhalb eines Jahres nach stationärer Behandlung der PAVK vorhersagen können. Dieser Risikoscore kann dabei helfen, eine patientenzentrierte Risiko-Nutzen-Abwägung durchzuführen, um das maximale Potenzial aus den verfügbaren antithrombotischen Therapiestrategien zu schöpfen. Schlüsselwörter PAVK · Risikovorhersage · Antithrombotika · Blutungen · Gerinnung Kaum ein anderes Thema -ausgenommen vielleicht COVID-19 oder die Paclitaxel-Debatte -erhält aktuell so viel Aufmerksamkeit durch die gefäßmedizinische Community, wie die optimale Arzneimitteltherapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK). Neben der lipid-senkenden, antihypertensiven und antidiabetischen Therapie steht außer Zweifel, dass Thrombozytenaggregationshemmer in symptomatischen Krankheitsstadien sowohl das langfristige Gesamtüberleben als auch die Amputationsraten substanziell verbessern können [1, 7, 11, 18] gehören. Etwa 80 % der invasiv revaskularisierten PAVK-Patient:innen in Deutschland gaben an, jemals aktiv geraucht zu haben, 44 % sogar aktiv zum Zeitpunkt der stationären Behandlung [14] . Die 10-Jahres-Inzidenz von Lungenkrebs nach erstmaliger Indexbehandlung der PAVK beträgt 7 % bei Männern und 4 % bei Frauen, was den negativen Einfluss des Rauchens in dieser Population zusätzlich unterstreicht [13] . Bis zu 30 % haben nach den gültigen Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Adipositasdiagnose und 20 % leiden unter einer laborchemisch nachweisbaren Dyslipidämie [14, 16] . Ein Viertel der Patient:innen ist bereits klinisch herzinsuffizient und das konsekutive Risiko für Tod oder Amputation beträgt letztendlich zwischen 9 und 48 % bei Patient:innen mit Claudicatio intermittens bzw. 45 und 88 % bei Patient:innen mit chronischer extremitätengefährdender Ischämie [15, 16] . Zusammenfassend illustrieren diese bemerkenswerten Fakten, wie wichtig die Vermeidung von thromboembolischen Ereignissen in allen Gefäßregionen ist, was zusätzlich durch die hohe Prävalenz von kardialen Rhythmusstörungen (25 %) unterstrichen wird [14, 16] . Es erscheint daher naheliegend, die Intensität der antithrombotischen Therapie dementsprechend so weit auszureizen, bis deren Komplikationsrisiko eine weitere Intensivierung nicht mehr zulässt. Allerdings muss vor diesem Hintergrund auch angemerkt werden, dass etwa 30 % der Patient:innen eine chronische Niereninsuffizienz aufweisen und ungefähr 10-20 % bereits dementiell erkrankt und daher sturzgefährdet sind [14, 16] . Das Thema Frailty (Gebrechlichkeit), Multimorbidität und Polypharmazie erfährt gegenwärtig vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen zunehmende Bedeutung. Verschiedene randomisierte kontrollierte Studien (RCT) zu den antithromboti-schenTherapiestrategienbei Patient:innen mit PAVK haben nachgewiesen, dass eine verlängerte oder intensivierte gerinnungswirksame Therapie mit höheren Blutungsraten assoziiert werden konnte. Die überwiegende Mehrheit der Studien hat dabei designbedingt Patient:innen mit erhöhten Blutungsrisiken ausgeschlossen und die Leitlinienempfehlungen beschränken sich daher primär auf diejenigen Patient:innen mit hohem Thromboembolierisiko ohne erhöhtes Blutungsrisiko [2, 6, 9, 12, 19] . In der Kardiologie existieren zur Einschätzung des mittel-und langfristigen Blutungsrisikos etablierte Vorhersagemodelle bzw. Scores, die aufgrund der Unterschiede bei den Komorbiditätsprofilen allerdings nicht ohne Weiteres bzw. direkt auf die Zielpopulation PAVK anzuwenden sind. So wurden mit HAS-BLED und HEMORR2HAGES zwei Risikoscores für Patient:innen mit Vorhofflimmern entwickelt [10, 17] . Die Konsensusempfehlungen zu ARC-HBR gelten vor allem für Patient:innen mit perkutanen Koronarinterventionen [20] . Ähnliche Einschränkungen gelten für ATRIA, PE-CH, RIETE, mOBRI und ACCP. Lediglich der Risikoscore, der anhand des REACH-Registers entwickelt wurde, hat ambulant behandelte Patient:innen mit stabilem Verlauf und hohem Risiko für atherothrombotische Ereignisse adressiert und konnte daher eine relevante Anzahl an PAVK-Patient:innen einschließen, wenn auch nicht primär adressieren [8] . Neben dem hohen Alter, Niereninsuffizienz, vorhergehenden Blutungsereignissen und Anämie, die in zahlreichen Risikovorhersagemodellen eine Rolle spielen, konnten Demenz, Herzinsuffizienz und fortgeschrittene PAVK-Stadien erstmals als zentrale Prädiktoren identifiziert werden. Neben der Heterogenität von Variablen und deren Definitionen in den früheren kardiologischen Blutungsscores wurde offensichtlich, dass auch die zentralen Endpunktdefinitionen zwischen den Studien und Registern variierten. Obwohl internationale Konsensusempfehlungen zu PAVK-Registern die Erhebungen von Blutungsereignissen empfohlen haben, wurden dort keine eindeutigen Aufgreifkriterien für Blutungsereignisse benannt [4, 5] . Dementsprechend eingeschränkt bleibt die Vergleichbarkeit dieses wichtigen Sicherheitsendpunkts. Der OAC 3 -PAD Risikoscore nutzt dabei eine Definition, die am ehesten mit der Definition der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) für Majorblutung vergleichbar ist [21] . Unabhängig von der konkreten Definition der Endpunkte ist allerdings insbesondere in Registererhebungen davon auszugehen, dass eine Untererfassung von Ereignissen immanent ist, da Patient:innen bei intrakraniellen und gastrointestinalen Blutungen vermutlich eher in anderen Abteilungen bzw. Einrichtungen behandelt werden oder an infausten Ereignissen versterben. Dieses weitverbreitete Problem wird auch als Non-Registration-Bias bezeichnet und ist bisher weitgehend ungelöst; insbesondere solange die Rate an postmortalen Autopsien in Deutschland so niedrig ist. Externe Validierungsprojekte zum OAC 3 -PAD wurden bereits mit populationsbasierten Daten in Schweden, England, Frankreich und den Vereinigten Staaten initiiert. Es erscheint zudem sinnvoll und machbar, ein von der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) e. V. getragenes Validierungsprojekt mit prospektiv erhobenen Primärdaten zu initiieren. Grundsätzlich erscheint es ratsam, das Blutungsrisiko unserer Patient:innen individuell zu kalkulieren und in alle Erwägungen zur antithrombotischen Therapie einzubeziehen. Das kann sowohl der Wechsel auf ein anderes Monopräparat, die (temporäre) Einleitung einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung oder auch eine neue Dual-pathway-Therapie sein. Nicht selten finden sich sowohl eine orale Antikoagulation in voller Dosierung als auch ein oder sogar zwei Thrombozytenaggregationshemmer in den Entlassungsempfehlungen, was unsere Bemühungen zur Erhaltung der peripheren Durchblutung unterstreicht. Eine derart aggressive antithrombotische Triple-Therapie ist allerdings, bis auf wenige Ausnahmen, nicht sicher bzw. gerechtfertigt. Nicht immer erhalten die Editor's choice-2017 ESC guidelines on the diagnosis and treatment of peripheral arterial diseases, in collaboration with the European society for vascular surgery (ESVS) A randomised, blinded, trial of clopidogrel versus aspirin in patients at risk of ischaemic events (CAPRIE). CAPRIE Steering Committee The OAC3-PAD risk score predicts major bleeding events on year after hospitalisation for peripheral artery disease International consortium of vascular registries consensus recommendations for peripheral revascularisationregistrydatacollection Editor's choice-recommendations for registry data collection for revascularisations of acute limb ischaemia: a delphi consensus from the international consortium of vascular registries Rivaroxaban in peripheral artery disease after revascularization Global vascular guidelines on the management of chronic limb-threatening Ischemia Risk score to predict serious bleeding in stable outpatients with or at risk of atherothrombosis Rivaroxaban with or without aspirin in stable cardiovascular disease Clinical classification schemes for predicting hemorrhage: results from the National Registry of Atrial Fibrillation (NRAF) AHA/ACC guideline on the management of patients with lower extremity peripheral artery disease: a report of the American college of cardiology/American heart association task force on clinical practice guidelines Ticagrelor versus Clopidogrel in symptomatic peripheral artery disease Longterm incidence of cancer after index treatment for symptomaticperipheralarterialdisease-ahealth insurance claims data analysis The prospective GermanVasc cohort study Editor's choice-the GermanVasc score: a pragmatic risk score predicts five year amputation free survival in patients with peripheral arterial occlusive disease Editor's choice-comorbidity patterns among patients with peripheral arterial occlusive disease in Germany: a trend analysis of health insurance claims data The HAS-BLED score predicts bleedings during bridging of chronic oral anticoagulation. Results from the national multicentre BNK Online bRiDging REgistRy (BORDER) Long-term effectiveness and safety of initiating statin therapy after index revascularization in patients with peripheral arterial occlusive disease Management of peripheral arterial interventions with mono or dual antiplatelet therapy-the MIRROR study: a randomised and double-blinded clinical trial Defining high bleeding risk in patients undergoing percutaneous coronary intervention Risk of major bleeding among users of direct oral anticoagulants combined with interacting drugs: Apopulation-basednestedcase-controlstudy