key: cord-0075354-t82bq3mb authors: Leuteritz, Katja; Zebralla, Veit; Wirtz, Hubert title: Tabakkonsum und Behandlung von Tabakabhängigkeit: Wirksame Strategien und aktuelle Entwicklungen date: 2022-03-04 journal: Forum DOI: 10.1007/s12312-022-01055-x sha: a0642d36efc344b22b473d3b6b620573b04a040c doc_id: 75354 cord_uid: t82bq3mb Every year, around 127,000 people in Germany die as a result of smoking tobacco. These include 85,000 people with tobacco-related cancer. However, about a quarter of the adult population in Germany still smokes—often even when a tobacco-related disease develops. Many smokers do not achieve abstinence without support. This article provides an overview of evidence-based tobacco cessation strategies and also describes the potential of tobacco cessation in the context of adjuvant therapy for tumor diseases. Finally, health policy challenges for tobacco cessation care are highlighted. A variety of psychological and pharmacological intervention methods for tobacco cessation are effective. Patients who smoke with tobacco-related diseases should be offered tobacco cessation therapy. As an adjuvant therapy in cancer treatment, it is comparatively inexpensive, with significant benefits for disease recovery and quality of life for those affected. To date, however, it has been offered in Germany only as a poorly regulated preventive measure. Tobacco cessation is of great importance as an adjuvant therapy for tumor diseases. In order to improve the quality of life of a large number of people with tobacco-related diseases, as well as for health economic reasons, it is urgently necessary that it become established and financed as a nationwide routine process in medical care. . Regelmäßiger Tabakkonsum wird einerseits durch verhaltenswirksame operante und klassische Konditionierungsprozesse aufrechterhalten, wodurch die Mehrheit der Rauchenden eine ausgeprägte psychische Gewöhnung bildet. Zudem wirkt Nikotin in komplexer Weise auf dopaminerge, serotonerge, noradrenerge, glutamaterne und cholinerge Transmittersysteme und bewirkt eine dauerhafte Veränderung der Neurophysiologie und Neuroplastizität [8] . Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass es nur der Minderheit gelingt, den Tabakkonsum ohne Hilfe von außen zu beenden. Nur jeder fünfte Rauchende in Deutschland versucht, mit dem Rauchen aufzuhören [9] . Durch evidenzbasierte Tabakentwöhnungsinterventionen lässt sich der Abstinenzerfolg deutlich erhöhen. Tabakrauch ist auch als Risikofaktor für die Entwicklung von Bronchialkarzinomen und Kopf-Hals-Malignomen, v. a. dem Plattenepithelkarzinom, zu nennen, neben Alkoholmissbrauch und Infektionen mit dem humanen Papillomavirus. In einer internationalen Multicenterstudie des International Head and Neck Cancer Epidemiology Consortium konnte der Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und der Entwicklung eines Kopf-Hals-Malignoms eindrücklich belegt werden [10] . Insbesondere Larynxkarzinome sind überproportional häufig mit Tabakrauchen assoziiert. Fortgesetzter Tabakkonsum im Rahmen sowie nach erfolgter Tumorbehandlung eines Kopf-Hals-Tumors erhöht außerdem das Risiko für ein Tumorrezidiv und die Ausbildung eines Zweitkarzinoms [11, 12] . Neben der negativen Beeinflussung des Überlebens zeigt sich ein kausaler Zusammenhang zwischen posttherapeutischer Fibrose und Tabakkonsum bei Patienten und Patientinnen mit Kopf-Hals-Tumoren [13] . Eine verstärkte Fibrosierung beeinträchtigt relevant die Schluck-und Sprechfunktion sowie die Sensibilität im oberen Aerodigestivtrakt und hat somit direkten Einfluss auf das funktionelle posttherapeutische Ergebnis. Zusätzlich zeigt sich bei rauchenden Patienten und Patientinnen häufiger eine relevante Einschränkung der Zahn-und Mundgesundheit mit Parodontitis, Periimplantitis, Karies und Halitosis [14] . Rauchende mit postoperativer adjuvanter Radiotherapie zeigten außerdem ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Osteoradionekrose [15] . Neben der Beeinträchtigung somatischer Organfunktionen durch den Tabakkonsum zeigen verschiedene Studien eine Interdependenz zwischen Substanzmissbrauch und negativen psychischen Symptomen wie Depressivität, Rezidivangst oder einer schlechteren Wiedereingliederungsrate in das Berufsleben bei Patienten und Patientinnen mit Kopf-Hals-Tumoren [16] [17] [18] . Aus diesem Wissen ergibt sich die dringende Notwendigkeit, Tumorpatienten bei der Rauchentwöhnung zu unterstützen. Eine erfolgreiche Tabakentwöhnung kann ein vergleichsweise günstiger zusätzlicher Baustein in der Behandlung von Tumorpatienten sein, um Folgeschäden zu vermeiden sowie Behandlungserfolge und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Patienten und Patientinnen, die sich in stationäre Behandlung begeben müssen, befinden sich in einer vulnerablen Situation, in der sie oftmals sehr empfänglichfür einenRauchstopp sind. Mittlerweile hat daher die Empfehlung zur Rauchentwöhnung auch in den fachspezifischen S3-Behandlungsleitlinien Einzug gehalten. So wird beispielsweise in der S3-Leitlinie "Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Larynxkarzinoms" [19] Obwohl es eine Vielzahl von Studien gibt, die die Wirksamkeit von Tabakentwöhnungsmaßnahmen belegen, wird evidenzbasierte Tabakentwöhnungstherapie bisher nur von einem kleinen Teil der Rauchenden in Anspruch genommen. Ein Grund ist, dass es bislang medizinischen Einrichtungen in Deutschland überwiegend selbst überlassen bleibt, welchen Stellenwert sie evidenzbasierten Interventionen zur Behandlung der Tabakabhängigkeit einräumen und ob und wie diese in Routineprozesse implementiert werden. Die Betroffenen informieren sich häufig selbst auf einem wenig regulierten Markt von Tabakentwöhnungsangeboten. Daher ist es dringend erforderlich, dass in Zukunft in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens evidenzbasierte Interventionen zur Förderung des Rauchstopps und Algorithmen für die Zuweisung zu diesen Angeboten implementiert werden. Maßgeblich mitverantwortlich für die zu geringe Inanspruchnahme von Tabakentwöhnungsangeboten ist auch die Tatsache, dass diese bisher nur von einigen Krankenkassen im Sinne einer Präventionsmaßnahme geringfügig bezuschusst werden, unter der Voraussetzung, dass noch keine tabakassoziierten Erkrankungen aufgetreten sind. Eine Pharmakotherapie (Nikotinersatztherapie, Medikamente) müssen Rauchende bisher vollständig selbst bezahlen. Eine Nutzung von Pharmakotherapie und evidenzbasierten Therapieangeboten ist jedoch wahrscheinlicher, wenn das Einkommen höher ist bzw. wenn die Kosten erstattet werden [9] . Mit der im Juni 2021 beschlossenen Übernahme von Arzneimittelkosten für den Rauchausstieg durch die gesetzliche Krankenversicherung haben Versicherte, bei denen eine schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, in Zukunft alle 3 Jahre Anspruch auf eine Übernahme dieser Kosten, wenn sie an einem evidenzbasierten Programm zur Rauchentwöhnung teilnehmen. Welche Medikamente und Therapiemaßnahmen unter welchen Voraussetzungen verordnet werden können, wird der Gemeinsame Bundesausschuss festlegen. Dies ist umso FORUM 3 wichtiger, als der Anteil der Rauchenden, die versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören, in den letzten Jahren gesunken ist [9] und das Einsparpotenzial der medizinischen Behandlungskosten in Deutschland durch einen Rauchstopp belegt wurde [29] . Zu hoffen ist, dass die Erstattung der Kosten durch die Krankenkassen einen erheblichen Beitrag für die häufigere Beratung durch Ärzte und Ärztinnen, für die Teilnahme an evidenzbasierten Tabakentwöhnungsmaßnahmen und für mehr Gesundheitsgerechtigkeit leisten wird. Ärztinnen und Ärzte sollen nach den aktuell gültigen Leitlinien rauchende Patienten und Patientinnen professionell beraten und ihnen wirksame Entwöhnungstherapien anbieten, um rauchbedingte Erkrankungen zu verhindern oder den Verlauf bereits eingetretener Erkrankungen zu verlangsamen. Jedoch wird dies bisher im Medizinstudium kaum trainiert und viele Ärztinnen und Ärzte in Deutschland kommen dieser Aufgabe nicht adäquat nach [30] Smoking and COVID-19 outcomes: an observational and Mendelian randomisation study using the UK Biobank cohort Systematic review of cigar smoking and all cause and smoking related mortality Non-daily cigarette smokers: mortality risks in the U.S Prevalence of DSM/ICD-defined nicotine dependence Neurobiological and neurophysiological mechanisms underlying nicotine seeking and smoking relapse KastaunS(2020)Smokingcessation attemptsandcommonstrategiesemployed Cigarette, cigar, and pipe smoking and the risk of head and neck cancers: pooled analysis in the International Head and Neck Cancer Epidemiology Consortium Tobacco smoking during radiation therapy for head-and-neck cancer is associated with unfavorable outcome Prognostic factors in head and neck cancer: a 10-year retrospectiveanalysisinasingle-institutioninItaly The impact of smoking, alcohol use, recurrent disease, and Age on the development of neck fibrosis in head and neck cancer patients following radiation therapy Tobacco use and oral health Exposedbone in patients with head and neck cancer treated with radiation therapy: An analysis of the Observational Study of Dental Outcomes in Head and Neck Cancer Patients (OraRad) Day AT (2022) Substance use and mental health burden in head and neck and other cancer survivors: a national health interview survey analysis FunkGF(2014)Fearofrecurrenceimpacts health-related quality of life and continued tobacco use in head and neck cancer survivors Exploratory study of functional and psychologicalfactorsassociatedwithemployment Fokus status in patients with head and neck cancer Zugegriffen: 21. Dez The Fagerström test for nicotine dependence: a revision of the Fagerström tolerance questionnaire Measuring the heaviness of smoking: using self-reported time to the first cigarette of the day and number of cigarettes smoked per day Group behaviour therapy programmes for smoking cessation New Zealand smoking cessation guidelines Internet-based interventions for smoking cessation Smoking cessation for adolescents: a review of pharmacological and psychosocial treatments Physician advice for smoking cessation Das Einsparpotenzial der Behandlungskosten bei COPD durch Rauchstopp -Modellierung für DMP COPD in Deutschland Lack of training as a central barrier to the promotion of smoking cessation: a survey among general practitioners in Germany It Takes Two to Tango: Patients' and Providers' Perspectives in Tobacco Cessation and Head/Neck Cancer Every year, around 127,000 people in Germany die as a result of smoking tobacco. These include 85,000 people with tobacco-related cancer. However, about a quarter of the adult population in Germany still smokes-often even when a tobaccorelated disease develops. Many smokers do not achieve abstinence without support. This article provides an overview of evidence-based tobacco cessation strategies and also describes the potential of tobacco cessation in the context of adjuvant therapy for tumor diseases. Finally, health policy challenges for tobacco cessation care are highlighted. A variety of psychological and pharmacological intervention methods for tobacco cessation are effective. Patients who smoke with tobacco-related diseases should be offered tobacco cessation therapy. As an adjuvant therapy in cancer treatment, it is comparatively inexpensive, with significant benefits for disease recovery and quality of life for those affected. To date, however, it has been offered in Germany only as a poorly regulated preventive measure. Tobacco cessation is of great importance as an adjuvant therapy for tumor diseases. In order to improve the quality of life of a large number of people with tobacco-related diseases, as well as for health economic reasons, it is urgently necessary that it become established and financed as a nationwide routine process in medical care.