key: cord-0075341-cw54rvxh authors: Kitsche, Benno; Bach, Dieter title: Heimhämodialyse: Aktuelle Aspekte und Wandel in der Nierenersatztherapie date: 2022-03-03 journal: Wien Klin Mag DOI: 10.1007/s00740-022-00436-1 sha: bbec2449478a4858bfd5164fa8884e6fcf4cb7c0 doc_id: 75341 cord_uid: cw54rvxh Home hemodialysis (HHD) is the cornerstone of renal replacement therapy in Germany. From 1969, it enabled survival with a diagnosis that up to then had been fatal; however, with the development of a good network of dialysis centers, the knowledge and experience of HHD was increasingly lost. Today, HHD is practically no longer included in the education. Insufficient information and a lack of HHD services are the result. Currently, less than 0.8% of patients in Germany are treated with HHD. In the development of dialysis machines, the industry focused on stand-alone machines for the centers. This form of treatment hinders mobility and limits the activities of patients with renal insufficiency requiring dialysis. Starting with the Advancing American Kidney Health Initiative there has been a welcome momentum in the development of innovative, wearable and implantable artificial kidneys. This can improve the quality of life and reduce the mortality rate. The first initiatives have also emerged in Germany and Europe. These innovative devices and the associated transition in renal replacement therapy will solve many problems of the nephrology community, such as personnel shortages or the lack of donor organs and death on the waiting list and give patients independence and mobility. The cost burden on healthcare systems can be reduced. In addition, the immense water and electricity consumption will be dramatically reduced by the regenerative techniques of the new machines. Heimhämodialyse (HHD) ist ein Nierenersatzverfahren, bei dem sich die Patienten entweder selbst (partnerlose HHD) oder mit einem Partner zu Hause mit der Hämodialyse (HD) behandeln. HHD war der Grundstein der chronischen Nierenersatztherapie ("kidney replacement therapy", KRT) in Deutschland. 1969 wurde mit der Gründung des Kuratoriums für Heimdialyse (KfH) das Überleben für chronisch dialysepflichtige Patienten durch die HHD überhaupt erst möglich, sodass die Diagnose kein Todesurteil mehr war. Damals wurden fast 100 % der chronisch dialysepflichtigen Patienten mit HHD behandelt. Ambulante Nierenzentren gab es nicht. Die Peritonealdialyse (PD) wurde erst Anfang der 1980er-Jahre in Deutschland eingeführt. Für die HHD werden bisher die gleichen Dialysemaschinen genutzt wie in der Zentrumsdialyse. Technische Innovationen machen nun Hoffnung auf gravierende Verbesserungen in der KRT. Die Lebensqualität der Patienten rückt dabei ins Zentrum. Die steigenden Ausgaben der Gesundheitssysteme für die KRT und der hohe Ressourcenverbrauch sind weitere Begründungen für die Notwendigkeit von Innovationen. Dieser Artikel will über die HHD hinaus den Aufbruch und Wandel der KRT beschreiben, der sich noch weitgehend Dieser Beitrag wurde in der Zeitschrift Der Nephrologe 5 · 2021 16:292-298; https://doi. org/10.1007/s11560-021-00517-y erstveröffentlicht. Zweitpublikation mit freundlicher Genehmigung der Autoren. unbemerkt von der nephrologischen Community vollzieht. In einer TED(Teledialog)-Befragung auf dem Berliner Dialyseseminar 2018 gaben über 91,8 % der Teilnehmer an, ein Heimverfahren für sich selbst wählen zu wollen, wenn sie eine KRT benötigen würden (. Abb. 1). Die tatsächlichen Therapiemodalitäten sind wie folgt: Die HD im Zentrum ist mit 93,16 % das am meisten angewandte Nierenersatzverfahren in Deutschland. Die Heimverfahren sind mit knapp 7 % unterrepräsentiert. Der Anteil der mit HHD behandelten Patienten liegt bei 0,77 %, der mit PD behandelten bei 6,08 % (Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen [IQTIG] 2020; [11, 16] [17, 19, 22] . Das schlägt sich in der fehlenden Aufklärung über alle Nierenersatzverfahren nieder, wie aus den Studien CEAPIR, CORETH und MAU-PD klar hervorgeht [5, 8, 17] . Gesundheitspolitik und Kostenträger scheinen kaum etwas von Heimdialyse zu wissen, obwohl die Kosten für die HD im Zentrum bei Vollkostenbetrachtung am höchsten sind [24] . Zudem ermöglicht HHD häufigere und flexiblere Behandlungsmöglichkeiten. Die tägliche kurze HHD ("short daily HHD") und die lange Nachtdialyse liefern die besten Behandlungsergebnisse. [13, 18, 23, [25] [26] [27] . In einer Registerstudie konnten Rydell et al. zeigen, dass HHD als initiale KRT ein verbessertes Langzeitüberleben der Patienten im Vergleich zur In-Center-HD (IHD) und zur PD hatte. Dieser Überlebensvorteil blieb auch nach Matching und Adjustierung für eine höhere Transplantationsrate bestehen [21] . Das zeigt, dass eine kontinuierliche Therapie der in-Dialyse Abb. 1 [20] . Auch wenn der hohe Kostendruck (jährliche Ausgaben für KRT in den USA: 114 Mrd. US$; [7] ) ein wesent-licher Entscheidungsgrund dafür war, erfährt die "Stimme der Patienten" dadurch eine bisher nicht gekannte Aufmerksamkeit und Teilhabe an den Entscheidungen für die Entwicklung neuer Behandlungsinnovationen. Die Executive Order "Advancing American Kidney Health" (AAKH) hat die Dynamik der Kidney Health Initiative (KHI) extrem beschleunigt. Die KHI ist eine im September 2012 von der American Society of Nephrology (ASN) und der US Food and Drug Administration (FDA) gegründete Initiative, welche die nephrologische Community dabei unterstützt, gemeinsam die Patientensicherheit zu verbessern und neue innovative Therapien zu entwickeln [15] . Dazu gehört auch das KidneyX-Programm, im Rahmen dessen eine Technology Roadmap for Innovative Approaches to Renal Replacement Therapy (RRT Technology Roadmap; [4] ) entwickelt wurde. Zu den wichtigsten Stärken der Roadmap gehören ihr patientenorientierter Fokus und die Beschreibung mehrerer Lösungswege für unterschiedlichen Technologien (z. B. portable, tragbare und implantierbare Geräte, die rein mechanisch, zellbasiert oder hybride Systeme sein können), jeweils mit entsprechenden Zeitprognosen [10] . KidneyX ist eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen dem Department of Health and Human Services (HHS) und der ASN. Die Einbindung der Patienten mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität steht an vorderster Stelle. Dies ist das Erfolgsrezept dieser Initiative. Sie konnte in kurzer Zeit bereits wesentliche Innovationen anstoßen. Die Bedeutung des Themas "Heimdialyse" bzw. "Dialyse zu Hause" und die Notwendigkeit, die zukünftigenEntwicklungen endlich auch aus der Perspektive der Patienten zu betrachten, zeigen neben der Initiative in den USA nun auch die folgenden Initiativen in Deutschland und Europa. KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) hatte unter der Leitung von J. Perl (Kanada) und M. Willkie (UK) in der Reihe "Controversies Conference" ihre 3. Konferenz mit dem Thema "Home Dialysis" für den 21. Mai 2021 nach Berlin einberufen [14] . Aufgrund der SARS-CoV-2("severe acute respiratory syndrome coronavirus 2")-Pandemie wurde diese Konferenz online durchgeführt. Die Firma B.Braun hat ein erfolgreiches HHD-Programm unter dem Namen "Daheim" [3] entwickelt und dafür den German Medical Award 2020 in der Kategorie "Health" bekommen. Die Home hemodialysis (HHD) is the cornerstone of renal replacement therapy in Germany. From 1969, it enabled survival with a diagnosis that up to then had been fatal; however, with the development of a good network of dialysis centers, the knowledge and experience of HHD was increasingly lost. Today, HHD is practically no longer included in the education. Insufficient information and a lack of HHD services are the result. Currently, less than 0.8% of patients in Germany are treated with HHD. In the development of dialysis machines, the industry focused on stand-alone machines for the centers. This form of treatment hinders mobility and limits the activities of patients with renal insufficiency requiring dialysis. Starting with the Advancing American Kidney Health Initiative there has been a welcome momentum in the development of innovative, wearable and implantable artificial kidneys. This can improve the quality of life and reduce the mortality rate. The first initiatives have also emerged in Germany and Europe. These innovative devices and the associated transition in renal replacement therapy will solve many problems of the nephrology community, such as personnel shortages or the lack of donor organs and death on the waiting list and give patients independence and mobility. The cost burden on healthcare systems can be reduced. In addition, the immense water and electricity consumption will be dramatically reduced by the regenerative techniques of the new machines. Renal replacement therapy · Quality of life · Trend · Portable dialysis machines · Artificial kidneys tige Rolle, die dann die Geräte revolutionierten und in kurzer Zeit komplett veränderten. Ebenso sind ähnliche innovative Entwicklungen der Schlüssel für den Wandel der KRT (. Abb. 2). Durch die in . Abb. 2 gezeigten technologischen Innovationen wird erstens der Wasserverbrauch deutlich reduziert und zweitens die Filtergröße drastisch verkleinert. Das führt dazu, dass kleine portable, tragbare und zuletzt implantierbare künstliche Nieren ("artificial kidneys") produziert werden können. Die Entwicklung erfolgt in Stufen von der portablen über die tragbare ("wearable") zur implantierbaren künstlichen Niere. Der Zeitplan dafür liegt innerhalb den nächsten 10 Jahre (. Abb. 3). Portable künstliche Niere (PAK), automatisierte tragbare künstliche Niere (AWAK), tragbare künstliche Niere (WAK) und implantierbare künstliche Niere (IAK) zielen darauf ab, die Belastung für Patienten, ihre Familien und das Gesundheitssystem zu verringern [12] . Vier portable Geräte sind bereits in der regulären Anwendung (. Abb. 4) Der nächste Schritt sind die wirklich tragbaren ("wearable") Geräte (WAK, AWAK). Hier liegt das Gewicht zurzeit bei 1-5 kg. Sie werden wie eine Umhänge-oder Laptoptasche, wie ein Gürtel, eine Weste oder wie ein Rucksack getragen. Bei diesen Geräten verwischt sich die Unterscheidung zwischen HHD-und PD-Geräten bereits. Deshalb erwähnen wir auch PD-Wearables. Die Gerätegröße ist bei beiden Verfahren ähnlich, und die Mobilitätsmöglichkeiten lassen auch nicht mehr von Heimdialyse sprechen, sondern eher von Dialyse zu Hause und unterwegs. Um die geringe Größe und das geringe Gewicht erreichen zu können, muss der Wasserverbrauch im Vergleich zu den portablen Geräten noch einmal drastisch verringert werden. Dies gelingt durch die oben beschriebenen Dialysataufbereitungstechniken Adsorption oder Kryoregeneration. Die notwendige Dialysatmenge liegt dann zwischen 300 und 3000 ml. In Deutschland wird in Rostock von der Arbeitsgruppe um S. Mitzner (Universität) und R. Goldau (Fraunhofer-Institut) ein HHD-Wearable entwickelt. Die Dialysataufbereitung erfolgt mittels Kryoregeneration [9] . Das Gerät wird wie eine Weste getragen. Es soll 3-5kg wiegen und 500-3000 ml Dialysat be- Das CFPD-Gerät kann an 1-oder 2-lumige PD-Katheter angeschlossen werden. Die Clearance soll das 1,5-bis 5-Fache einer herkömmlichen PD betragen. Durch den kontinuierlichen Fluss des Dialysats sind weniger Konnektionen bzw. Diskonnektionen erforderlich (2/Tag), was zu einem geringeren Peritonitisrisiko führt. Nanodialysis hat im Juli 2021 ein von der Europäischen Union (EU) gefördertes klinisches Projekt gestartet, um die klinische Wirksamkeit und Sicherheit des Systems zu demonstrieren. Zuerst erfolgt eine Machbarkeitsstudie am Menschen mit 12 Patienten. Nach erfolgreicher Funktions-und Sicherheitsanalyse soll die klinische Validierung in einer Crossover-Studie mit 30 stabilen PD-Patienten erfolgen (randomisiert), die zu Hause entweder in den ersten 2 Monaten die Wearable-Behandlung und in den Monaten 3 und 4 die traditionelle PD-Behandlung erhalten oder umgekehrt. Das Team des Kidney Project unter der Leitung von S. Roy von der University of California in San Francisco (UCSF) und dem Nephrologen W. Fissell von der Vanderbilt University Nashwille (VUMC) hat bereits 2 RRT-Preise von KidneyX ge- Angaben Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation 2/2021 USA-und EU-Nierengruppen schließen sich für globales Innovationskonsortium zusammen A technology roadmap for innovative approaches to kidney replacement therapies: a catalyst for change Wearable Artificial Organs, Inc. granted patent for the Wearable Artificial Kidney(WAK)3.0 CMS announces transformative new model of care for medicare beneficiaries with chronickidneydisease.www.cms.gov/newsroom/ press-releases/cms-announces-transformativenew-model-care-medicare-beneficiarieschronic-kidney-disease Blutwäsche to Go Kidney health initiative roadmap for kidney replacement therapy Gemeinsamer Bundesausschuss (2020) IQTIG Jahresbericht. www.g-ba Ambulatory hemodialysis-technology landscape and potential for patient-centered treatment Effect of daily hemodialysis on depressive symptoms and postdialysis recovery time: interim report from theFREEDOM (followingrehabilitation, economics and everyday-dialysis outcome measurements) study KDIGO (2021) Controversies conference on home dialysis Status quo und Zukunft der Heimdialyse. Forschung und Entwicklung im Gesundheitswesen, Bd. 5. Nomos Analyse der Ursachen für die niedrige Prävalenz der ambulanten Peritonealdialyse in Deutschland -G-BA Innovationsfonds (g-ba Intensivierte Heimhämodialyse (HHD) im Vergleich zur konventionellen Behandlung im Zentrum (ZHD) Heimhämodialyse -Eine wirkliche Alternative zur Zentrumsdialyse Trump administration pushes U.S. at-home kidney care, transplant availability Improved long-term survival with home hemodialysis compared with institutional hemodialysis and peritoneal dialysis: a matched cohort study Heimhämodialyse -Aussterben-derKolibri oderVerfahrenderZukunft? In-center hemodialysis six times per week versus three times per week Modellierung eines patientenorien-tiertenVersorgungsoptimumsvonNiereninsuffizi-enzpatienteninDeutschland Home hemodialysis and conventional in-center hemodialysis in Japan: a comparison of healthrelated quality of life Survival in daily home hemodialysis and matched thrice-weekly in-center hemodialysis patients Relativesurvivalamongincidentpatientsonhome versus in-center hemodialysis wonnen (2019 und 2020). Die Gruppe arbeitet seit etwa 10 Jahren an der Entwicklung einer voll funktionsfähigen implantierbaren bioartifiziellen Niere (BAK). Sie besteht aus 2 Bestandteilen, nämlich einem Hämofilter, der in der Lage ist, Toxine aus dem Blut durch präzise gemusterte Nanoporenmembranen herauszufiltern, und einem Bioreaktor, der lebende Nierenzellen enthält. Bis die BAK in die Behandlungsroutine kommt, werden noch ein paar Jahre vergehen. Die Hämofilterkomponente aber kann deutlich früher zu einem implantierbaren Dialysesystem (IAK) adaptiert werden. Patienten könnten häufige und längere Behandlungen auf sichere und einfache Weise zu Hause durchführen.Die bereits in Tierversuchen getestete IAK heißt iHemo-System. Es verbindet einen implantierten Hämofilter mit dem Kreislaufsystem des Patienten im Bauchraum und verwendet dann eine externe Pumpe, um blutreinigendes Dialysat durch das Gerät zu infundieren. Der prämierte Prototyp des Geräts hat gezeigt, dass damit das Blut gesunder Schweine bis zu 30 Tage lang effektiv gefiltert werden konnte und sich auch ohne systemische Antikoagulation keine Thromben bildeten.