key: cord-0074741-0wi250ay authors: Valicek, Gerhard title: Critical Care Ultrasound: Fixer Bestandteil der ICU-Visite? date: 2022-02-11 journal: Anästhesie Nachr DOI: 10.1007/s44179-022-00027-9 sha: eccdbe62b2671b3859f4a8cf98166a99feaff007 doc_id: 74741 cord_uid: 0wi250ay nan Dieser Übersichtsartikel befasst sich mit der routinemäßigen täglichen organübergreifenden Sonografie im Rahmen der Visite auf der Intensivstation, die eine Verlaufsbeurteilung erlaubt. Der Ultraschall hat durch den technischen Fortschritt und durch die mittlerweile ubiquitäre Verfügbarkeit in allen Fachdisziplinen breite Anwendung gefunden. Neben der formalen umfassenden Anwendung mit kompletter Untersuchung eines Organs, einer Region oder einer physiologi-schenEinheithabensichindenletztenJahren sowohl klinisch symptomorientierte als auch fokussierte organbezogene Untersuchungsalgorithmen durchgesetzt, die eine fächerübergreifende Bedside-Evaluierung von kritisch kranken Patient*innen ermöglichen. So ist zum Beispiel die Akuttherapie eines Schockzustandes heute ohne echokardiographische Evaluierung nicht mehr leitlinienkonform. Ebenso sind die Anlage zentralvenöser Gefäßzugänge und regionalanästhesiologische Techniken nur mehr unter sonographischer Kontrolle empfohlen. Vor mittlerweile 20 Jahren hat der Konsensusbericht "To err is human" vom Institute of Medicine in den USA für Aufsehen gesorgt, da in dieser Publikation gezeigt wurde, dass zwischen 50.000 und 100.000 Patient*innen jährlich an den Folgen medizinischer Fehler versterben [1] . Somit reihen sich medizinische Fehler in die Liste der acht häufigsten Todesursachen ein. Die Folge dieser Erkenntnisse war das Projekt "Building a safe health system" mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung in der medizinischen Versorgung. Dazu Bei sämtlichen Anwendungsgebieten der Sonografie in unserem Fachgebiet findet sich die Abkürzung POCUS für Point of Care Ultraschall. Damit ist gemeint, dass wir bei der sonographischen Diagnostik auf für uns wesentliche Informationen fokussieren, um therapeutische Konsequenzen daraus ableiten zu können. Es geht also nicht um Organsonografie im Sinne der Diagnostik von Raumforderungen oder chronischen Erkrankungen, auch nicht um komplexe Fragestellungen der Echokardiographie, sondern um einfach zu interpretierende bildgebende Informationen, die unser unmittelbares Handeln beeinflussen. In der Literatur finden sich zahlreiche Untersuchungsprotokolle zur raschen Diagnostik von akuten Problemen. Das RUSH- Sowohl in der internationalen Literatur als auch an unserer Intensivstation hat sich die Dokumentation anhand des LUS-Scores durchgesetzt [9] . Hierbei werden beide Thoraxhälften in jeweils sechs Areale unterteilt und anhand der Untersuchungsergebnisse werden Punktewerte zugeordnet. Dies erlaubt die Schweregrad-und Verlaufsdarstellung für die einzelnen Areale. Der maximale Punktewert mit Konsolidierungen in sämtlichen Arealen beträgt 36, die gesunde Lunge hätte einen Gesamtwert von 0. Der LUS-Score wird an unserer Abteilung standardisiert nach Aufnahme und einmal täglich dokumentiert. Die Ergebnisse fließen in die Adaptierung der Beatmung, der Flüssigkeitstherapie und in die Indikation der kinetischen Therapie ein. Durch den unterschiedlichen Charakter der Aerobronchogramme bei Viruspneumonie und bakterieller Pneumonie kann die Lungensonografie auch als zusätzlicher Puzzlestein zum Nachweis einer Superinfektion dienen [10] . Die Datenlage zur Implementierung einer sonographischen Evaluierung in die tägliche Intensivvisite ist beschränkt. Eine internationale Multicenter-Umfrage beschäftigte sich mit dem Thema der Einbindung fokussierter Sonografie in den Tagesablauf der Intensivstationen. Dabei gaben 43 % der Teilnehmer*innen an, dass POCUS nach der Visite durchgeführt wird, 45 % implementieren die sonographische Diagnostik direkt in den Ablauf der multiprofessionellen Visite. Die restlichen 12 % handhaben die Einbindung variabel [13] . Aus Dem gegenüber steht die längere Visitendauer und die dadurch möglicherweise beeinträchtigte Teamakzeptanz. Untersuchungen außerhalb der Visite unterliegen weniger dem Zeitdruck, beeinflussen aber auch andere Prozesse wie zum Beispiel die Pflegetätigkeit. Als größten Nachteil empfinde ich die Trennung von Diagnose und unmittelbarer Therapieentscheidung. Eine prospektive Beobachtungsstudie in China vergleicht die routinemäßige Ultraschalleinbindung während der Visite mit der rein spontan indizierten Anwendung von POCUS an einer Intensivstation in einem Zeitraum von zwei Jahren. Eingeschlossen waren septische Patient*innen, die definierten Endpunkte waren Outcome-Parameter. In der Analyse zeigten sich die Beatmungsdauer und die Intensivaufenthaltsdauer in der Interventionsgruppe statistisch signifikant kürzer. Als mögliche kausale Erklärung wurde eine restriktivere Flüssigkeitstherapie identifiziert [14] . Committee on Quality of Health Care in America, Hrsg. To err is human: building a safer health system Crossing the quality chasm: a new health system for the 21st century Deep impact of ultrasound in the intensive care unit: the "ICU-sound" protocol Guidelines for the appropriate use of bedside general and cardiac ultrasonography in the evaluation of critically ill patients-part I: general ultrasonography Guidelines for the appropriate use of bedside general and cardiac ultrasonography in the evaluation of critically ill patients-part II: cardiac ultrasonography Clinical review: update on haemodynamic monitoring-a consensus of 16 Ultrasound for "lung monitoring" of ventilated patients Lungensonographie bei COVID-19 Multi-organ point-of-care ultrasound for COVID-19 (PoCUS4COVID): international expert consensus When to incorporate point-ofcareultrasound(POCUS)intotheinitialassessment of acutely ill patients: a pilot crossover study to compare 2 POCUS-assisted simulation protocols Incorporating point-of-care ultrasound into daily intensive care unit rounds: Another source of interruptions? Incorporation of point-of-care ultrasound into morning round is associated with improvement in clinical outcomes in critically ill patients with sepsis Time to add a fifth pillar to bedside physical examination: inspection, palpation, percussion, auscultation, and Insonation Die Anwendung von Point of Care Ultraschall (POCUS) in Form von Critical Care Ultrasound weist einen hohen Empfehlungsgrad auf und verbessert die Versorgungsqualität in der Intensivmedizin. Wenn man die physikalische Patient*innen-Untersuchung als unverzichtbaren Bestandteil der Visitebetrachtet, istdieSonografieals "fifth pillar" zusätzlich zu Auskultation, Inspektion,Perkussionund Palpationfixer Bestandteil dieses Procederes [15] . In Zukunft ist mit einer Erweiterung der Anwendungsgebiete (Zwerchfellsonografie etc.) zu rechnen, womit der Einsatz von Ultraschall per se für mich einen eigenen Qualitätsindikator der Intensivmedizin darstellt. Die Art der Implementierung in den Tagesablauf muss nach dem Prinzip "One doesn't fit for all" individuell an die Prozesse der einzelnen Intensivstationen angepasst werden.