key: cord-0074678-f2417wrc authors: Fasshauer, Maria title: Wie Infektionen auf Störungen des Immunsystems hinweisen können date: 2022-02-11 journal: Pädiatrie DOI: 10.1007/s15014-021-3943-7 sha: 249d48b27e5edbda57a8b42a7acfab50a2ecbf9f doc_id: 74678 cord_uid: f2417wrc nan D ie heterogene Gruppe der angeborenen Störungen des Immunsystems (früher: primäre Immundefekte) besteht inzwischen aus mehr als 400 verschiedenen, meist monogenen Krankheitsentitäten. Die Symptome dieser großen Erkrankungsgruppe sind vielfältig und oft unspezifisch, weswegen die Diagnosestellung des einzeln insgesamt seltenen Krankheitsbildes schwierig und häufig verzögert ist. Eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infektionen ist Leitsymptom fast aller angeborenen Störungen des Immunsystems [1] . Um die vor allem im Kindesalter typische physiologische Infektions-anfälligkeit abzugrenzen, charakterisiert die im Jahr 2017 überarbeitete interdisziplinäre S2k-Leitlinie zur Diagnostik von primären Immundefekten die pathologische Infektionsanfälligkeit und fasst die wichtigsten Merkmale unter dem Akronym "ELVIS" (Erreger, Lokalisation, Verlauf, Intensität, Summe) zusammen [2] . Eine pathologische Infektionsanfälligkeit weist auf die gestörte Funktion des Immunsystems bei der Abwehr von Infektionserregern hin. Schon länger sind die Zusammenhänge zwischen Art des Erregers, Infektionsverlauf und spezifischer Störung bestimmter immunologischer Abläufe bekannt. Durch Untersuchungen von Patienten mit angeborener Immundefizienz konnte ein besseres Verständnis immunologischer Abläufe bei der Abwehr von Infektionserregern gewonnen werden, da sich bei ihnen im Allgemeinen ein Zusammenhang zwischen Phänotyp und zugrundeliegender Störung der immunologischen Funktion in der Infektionsabwehr spezieller Erreger herstellen lässt. Das ermöglicht Erkenntnisse über die verschiedenen Komponenten des Immunsystems sowie ein inzwischen rasant zunehmendes Verständnis der komplexen Mechanismen und Abläufe innerhalb der Immunantwort [3] . Die angeborene Immunität ist ein Keimbahn-kodiertes System, das Infektionen unspezifisch abwehrt -beispielsweise durch Makrophagen, Granulozyten oder lösliche Komponenten wie Komplementfaktoren und Zytokine. Dieser schnell ablaufende Teil der Immunantwort hat keine immunologische Gedächtnisfunktion. Dazu sind die Zellen der erworbenen (adaptiven) Immunität in der Lage -T-Zellen und antikörperproduzierende B-Zellen -, die aufgrund somatischer Veränderungen zudem zur antigenspezifischen Immunantwort fähig sind. Ihre Aktivierung dauert länger, sie können aber mit ihren hoch spezialisierten Antigenrezeptoren eine riesige Bandbreite an Erregern spezifisch erkennen. Angeborenes und erworbenes Immunsystem arbeiten in fein regulierten Abläufen eng zusammen und kommunizieren über Rezeptoren und Makrophage phagozytiert pathogene Bakterien. Membranproteine sowie verschiedenste Mediatoren (z. B. Zytokine wie Interferone und Interleukine) [4, 5] . Art und Ablauf einer Infektion bei einer vorliegenden angeborenen Störung des Immunsystems sind abhängig von der Genmutation, ihrer Penetranz beziehungsweise Expressivität sowie von anderen, bisher weniger gut verstandenen Ursachen. Eine kausale Assoziation zwischen Infektionen durch bestimmte Erreger und einer angeborenen Störung des Immunsystems ist nicht selten vorhanden und kann bei der Diagnosestellung einer zugrundeliegenden Immundefizienz hilfreich sein [3, 4] . [5, 6, 7] . Staphylococcus aureus gehört beim Menschen zur kommensalen Flora von Haut und Schleimhäuten, kann aber beispielsweise bei Barrierestörungen oder Immunkompromittierung neben eitrigen Haut-und Weichgewebsinfektionen auch zu einer Pneumonie, Meningitis, Endokarditis sowie zum toxischen Schocksyndrom oder einer Sepsis führen. Mehrere Patho genitätsfaktoren -unter anderem Polysaccharidkapsel, verschiedene Proteine und Toxine -kennzeichnen S. aureus, und das angeborene Immunsystem spielt eine Schlüsselrolle in der Abwehr dieser Erreger. Phagozyten (insbesondere Makrophagen und neutrophile Granulozyten) nehmen S. aureus auf und zerstören ihn zum Beispiel durch freie Radikale. Daneben aktivieren sie unter anderem über den TLR-IL-1/ IRAK-4/NEMO-Signalweg sowie über die Antigenpräsentation die erworbene Immunantwort. Trotz fortschrittlicher antimi krobieller Therapiemöglichkeiten bleibt S. aureus aber ein Hauptproblem für Betroffene mit Störungen in diesen Teilen des Immunsystems, insbesondere bei Phagozytenstörungen wie der septischen Granulomatose oder bei Leukozytenadhäsionsdefekten (LAD). Betroffene leiden an tiefen Abszessen auch an inneren Organen bis hin zu septischen Ver- Mykobakterien sind eine aus etwa 100 Arten bestehende Gattung. Dazu gehören pathogene Arten, die beim Menschen Krankheiten wie Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis) oder Lepra (Mycobacterium leprae) verursachen, aber auch viele apathogene Arten (nicht tuberkulöse Mykobakterien, NTM), die bei Gesunden nicht krankheitsverursachend sind. An der Elimination von Mykobakterien sind vor allem Makrophagen und verschiedene T-Zellen beteiligt, die über TNF-α und IFN-γ reguliert werden. Eine schützende Immunität gegen intrazelluläre Erreger wie Mykobakterien oder Salmonellen ist insbesondere von einer intakten IL-12/IL-23-IFN-γ-Achse abhängig, was vor allem bei Patienten mit einer monogen vererbten Suszeptibilität für Mykobakteriosen ("mendelian susceptibility to mycobacterial disease", MSMD) deutlich wird. Nach aktueller Kenntnis führen Veränderungen an elf verschiedenen Genen zu 21 als MSMD bezeichneten Krankheitsbildern, die alle durch mykobakterielle Infektionen aufgrund des fehlenden IFN-γ-vermittelten Schutzes auffallen. Auch bei Patienten mit Störungen der T-Zellen oder Phagozyten sind mykobakterielle Infektionen, hervorgerufen durch Bacillus Calmette-Guérin (BCG) oder NTM, häufiger beschrieben (Tab. 2) [5, 6, 7, 8] . Meningokokken (Neisseria meningitidis) sind gramnegative Diplokokken, die beim Menschen den Nasen-Rachen-Raum besiedeln. Etwa 10 % der europäischen Bevölkerung sind asymptomatische Keimträger. Meningokokkeninfektionen können aber auch invasiv als Meningitis oder Sepsis verlaufen (Abb. 2). Die komplement abhängige Bakteriolyse ist hierbei entscheidend, weswegen es insbesondere bei Patienten mit Störungen im Membran angriffskomplex sowie den terminalen Komplementfaktoren (C5-C9) zu invasiven Meningokokkeninfektionen kommt (Tab. 2) [5, 6] . Die Die Patientin wurde im Oktober 2018 als erstes Kind kaukasischer, nicht konsanguiner gesunder Eltern nach unauffälliger Schwangerschaft spontan und ohne Komplikationen geboren. In der Familie sind keine primären Immundefekte bekannt, es gibt familiäre Fälle von Heuschnupfen/Allergien. Postnatal fiel bei der Patientin ein ausgeprägtes Neugeborenenexanthem auf. Mit Abstillen circa im neunten Lebensmonat (Juli 2019) traten im Gesicht des Mädchens kleine Papeln, zum Teil eitrig tingiert, auf gesunder Haut auf, die problemlos abheilten. Im Weiteren kam es zu wiederholtem Auftreten dieser eitrigen Papeln, die besonders das Gesicht betrafen und sich zu flächigen eitrigen Krusten entwickelten. Seit Oktober 2019 unternahm die behandelnde Kinderärztin Therapieversuche lokal mit Fusidinsäure, bei Verschlechterung des Lokalbefundes erfolgte auch eine orale antibiotische Therapie. Kurz nach Absetzen der Therapie trat die durch S. aureus verursachte Impetigo erneut auf und die eitrigen Effloreszenzen flammten mehrfach im Gesicht und nun auch an den Extremitäten sowie am behaarten Kopf auf. Unter Antibiotikatherapie fielen ausgeprägte Soormykosen im Urogentialbereich auf. Aufgrund der rezidivierenden eitrigen Hauteffloreszenzen mit hohem Antibiotikabedarf überwies die Kinderärztin das Mädchen im September 2020 zum Ausschluss einer immunologischen Grunderkrankung in die Immundefektsprechstun- Dieser Fall demonstriert, dass die behandelnde Kinderärztin die pathologische Infektionsanfälligkeit erkannt und rasch an eine immunologische Störung als Ursache gedacht hat. Das Mädchen wurde sehr schnell einer spezial ärztlichen Versorgung zugewiesen, so konnte in kürzester Zeit -bereits kurz nach ihrem zweiten Geburtstag -eine korrekte Diagnose gestellt und eine adäquate antiinfektiöse Therapie mit Cotrimoxalzol und Fluconazol sowie supportive intensive Hautpflege begonnen werden. Darunter hat die kleine Patientin bis heute keine erneuten Hautinfektionen durch Staphylokokken, keine Abszesse oder Pilzinfektionen und keine sonstigen schweren, poly topen Infektionen erlitten. Zudem waren bisher keine Organschäden eingetreten, die sonst bei langjährig verzögerter Diagnosestellung dieser seltenen Erkrankung mit kompliziertem Krankheitsverlauf assoziiert sind. Bei inhaltlichen Fragen erhalten Sie beim Kurs auf SpringerMedizin.de/CME tutorielle Unterstützung. Bei technischen Problemen erreichen Sie unseren Kundenservice kostenfrei unter der Nummer 0800 7780777 oder per Mail unter kunden service@springermedizin.de. Für eine erfolgreiche Teilnahme müssen 70 % der Fragen richtig beantwortet werden. Pro Frage ist jeweils nur eine Antwortmöglichkeit zutreffend. Bitte beachten Sie, dass Fragen wie auch Antwortoptionen online abweichend vom Heft in zufälliger Reihenfolge ausgespielt werden. Dieser CME-Kurs wurde von der Bayerischen Landesärztekammer mit zwei Punkten in der Kategorie I (tutoriell unterstützte Online-Maß nahme) zur zertifizierten Fortbildung frei gegeben und ist damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig. FIN gültig bis 11.03.2022: Dieser CME-Kurs ist auf SpringerMedizin.de/CME zwölf Monate verfügbar. Sie finden ihn, wenn Sie die FIN oder den Titel in das Suchfeld eingeben. Alternativ können Sie auch mit der Option "Kurse nach Zeitschriften" zum Ziel navigieren oder den QR-Code links scannen. Human inborn errors of immunity: 2019 update on the classification from the international union of immunological societies expert committee Diagnostik auf Vorliegen eines primären Immundefekts. AWMF-Register-Nr Human inborn errors of immunity: An expanding universe Lessons learned from the study of human inborn errors of innate immunity Immunity to microbes: lessons from primary immunodeficiencies Severe infectious diseases of childhood as monogenic inborn errors of immunity Inborn errors of type I IFN immunity in patients with lifethreatening COVID-19 Autoantibodies against type I IFNs in patients with lifethreatening COVID-19